Knizia, Reiner – Sudoku Kids – Das brisante Kinderspiel

_Fieberwahn im Kinderzimmer_

Nicht nur in den Tageszeitungen, Wochen- und Rätselblättern grassiert seit nunmehr einigen Jahren mit wachsender Anzahl Infizierter das Sudoku-Fieber, auch auf dem Brettspielmarkt haben sich seit dem vorletzten Jahr etliche Firmen an Produkten versucht, die dem Klassiker noch etwas Neues abgewinnen sollten, ohne dabei das traditionelle Spielsystem zu vernachlässigen.

Seltsamerweise scheiterten damals besonders die Großverlage mit ihren teils recht mageren und langweiligen Beiträgen, darunter auch |Kosmos|, deren Sudoku-Brettspiel zu den mit Abstand schwächsten seiner Art zählt. Zeit also, ein wenig Rehabilitation zu leisten und Versäumtes mit der Variante für die kleineren Brettspieler(innen) noch nachzuholen. Und siehe da: „Sudoku Kids“ ist in der Tat eine erfreulich frische Version, die nicht nur mit viel Witz, sondern auch mit viel Liebe gestaltet wurde.

_Spielmaterial_

• 4 Spielpläne
• 15 Kärtchen
• 14 Chips
• 1 Spielanleitung

Die Spielmittel der Junior-Variante sind überaus nett und ansprechend illustriert und auch einigermaßen stabil konstruiert. Die Spielpläne zum Beispiel bestehen aus jeweils zwei Puzzleteilen aus härterem Karton und lassen sich beliebig zusammensetzen, so dass sich gleich mehrere Alternativen ergeben. Außerdem wird durch diese Systematik eine Unterteilung in unterschiedliche Schwierigkeitsgrade möglich, was vor allem für diejenigen Kids, die mit dem Sudoku-Prinzip noch nicht vertraut sind, eine spürbare Erleichterung darstellt, denn so können sie das Spiel von der Pieke auf lernen.

Die recht bunte Farbgebung sorgt schließlich für eine gute Übersicht und Spielbarkeit, denn dadurch, dass die Farben im Spiel eine übergeordnete Rolle spielen, bedarf es schon einer deutlichen Differenzierung, um spätere Unklarheiten zu vermeiden – und diese ist hier auf jeden Fall gegeben.

Insgesamt also ein Lob an das zwar schmächtig bestückte, aber zweckdienlich und ansehnlich gestaltete Material.

_Der Spielverlauf_

Natürlich ist eine Partie „Sudoku Kids – Das rasante Kinderspiel“ nicht mit der Erwachsenenvariante und deren komplexer Suche nach passenden Zahlen zu vergleichen. Außerdem ist ein Spielplan statt 9×9 lediglich 4×4 Felder groß, soll heißen pro Reihe und Kästchen sind auch nur vier statt neun Symbole (in diesem Fall Tiere) erlaubt.
Nachdem zu Beginn einer der Spielpläne ausgewählt wurde, werden zunächst die Tier- und Farbkärtchen und schließlich die Chips für jeden Spieler greifbar und ersichtlich in die Mitte gelegt. Anschließend darf der älteste Spieler den ersten Zug machen.

Folgendermaßen läuft nun ein Spielzug ab: Der jeweils aktive Spieler deckt einen der verdeckt abgelegten Chips auf. Nun betrachten alle Spieler gleichsam die Farbe des Chips, vergleichen sie mit einem eventuell noch freien, gleichfarbigen Feld auf dem Spielplan und suchen nun das Tierkärtchen, welches unter Berücksichtigung der Sudoku-Regeln auf das Feld in der aufgedeckten Farbe passt. Derjenige, der es als Erster gefunden hat, legt es nun auf das noch freie Feld und erhält als Lohn den soeben gezogenen Chip. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass ein Tier noch doppelt zur Auswahl steht und es potenziell zwei richtige Lösungen gibt. In diesem Fall gibt es eine deutliche Rangordnung, nach der man im Zweifelsfall immer das Tier mit dem weißen Hintergrund suchen muss, sofern beispielsweise noch zwei Krokodile, zwei Löwen oder zwei Affen verfügbar sind.

Weiterhin ist es möglich, dass auf dem Spielplan kein freies Feld mehr in der Farbe des gezogenen Chips ist. In diesem Fall halten die Spieler Ausschau nach dem Farbkärtchen der gleichen Farbe und suchen dieses ersatzweise. Der Schnellste erhält anschließend ebenfalls den Chip. In beiden Fällen beginnt anschließend derjenige, der in der vorherigen Runde den Chip gewonnen hat, bis schließlich das Rätsel gelöst ist und das Spiel zu Ende geht.

_Ende des Spiels_

Sobald alle farbigen Felder auf dem Spielfeld (richtig) belegt sind, ist das Spiel zu Ende. Der Spieler mit den meisten Chips gewinnt; sollten mehrere Spieler gleich viele Chips haben, gibt es auch mehrere Gewinner.

_Persönlicher Eindruck_

Ich war ehrlich gesagt erstaunt und überrascht, wie spannend dieses Spiel auch für die ältere Generation ist. „Sudoku Kids“ ist richtig temporeich, zu allen Gelegenheiten spielbar und um einiges kniffliger als erwartet. Gerade die ersten Züge einer jeden Partie sind enorm prickelnd, weil alle Beteiligten nicht nur damit beschäftigt sind, die richtige Lösung für das ausgewählte Feld zu finden, sondern auch noch das geeignete Kärtchen zu finden. Und da man immer die Mitspieler im Nacken hat, kann man sich auch in keiner Runde Auszeiten gönnen oder auf Zeit spielen, weil diese quasi nicht vorhanden ist. Der Übertrag auf das jüngere Publikum verspricht also definitiv ein noch fulminanteres, gleichsam schnelles Spiel mit maximalem Spaßfaktor.

Im Gegensatz zur Version für das erwachsene Publikum wird hier gleich auf mehrere Aspekte Wert gelegt. Schnelle Reaktionen sind gefragt, die Zuordnung von Farben und Symbolen sowie das anschauliche Denken werden geschult, Kognition und Wahrnehmung getestet und letztendlich auch im gewissen Sinne die Grobmotorik gefördert, schließlich haut man im Eifer des Gefechts auch gerne mal auf das falsche Kärtchen und scheidet so in der aktuellen Runde aus. Der wesentliche Punkt ist jedoch, dass das Spielsystem völlig unverkrampft und der Aufbau keinesfalls nüchtern ist, so dass man sich immer wieder gerne zu einer weiteren Partie aufrafft und nicht plötzlich wieder entnervt die Segel streicht.

Alles in allem zeigen die Kinder der älteren Generation also ganz deutlich, wo es langgeht in der riesigen Welt des Sudoku. Zum einen bleibt „Sudoku Kids“ im Vergleich zum größeren Pendant beim |Kosmos|-Verlag deutlicher Punktsieger, und zum anderen ist es ausgerechnet in diesem vergleichsweise kleinen Rahmen sehr schön gelungen, dem Grundspiel neue Aspekte abzugewinnen und die daraus geschöpften Ideen adäquat umzusetzen. Nicht zuletzt, weil davon auszugehen ist, dass diese kleine Schachtel recht erschwinglich sein wird, kann ich diesen Titel für die regelmäßige Familienunterhaltung nur wärmstens empfehlen.

http://www.kosmos.de/

Birbaek, Michel – Beziehungswaise

Lasse liebt Tess. Tess liebt Lasse. Seit sieben Jahren schon. Doch das scheinbare Traumpaar hadert mit den Tücken einer langwierigen Beziehung, die im Hin und Her des beruflichen Alltags zu ersticken droht. Lasse ist ein abgehalfterter Comedian, der mittlerweile nur noch Seniorennachmittage auf Kreuzfahrten moderiert. Tess dagegen macht bei VW groß Karriere und hat daher noch weniger Zeit für Lasse, als Lasse für Tess hat.

Dennoch scheint das Paar nach außen glücklich zu sein – im Innern hingegen rumort es kräftig. Die mittlerweile zweijährige Sexflaute nagt am Selbstwertgefühl und wirft so manche Sinnfrage auf. Ist das noch eine Beziehung oder nur noch Freundschaft? Als Tess dann ein Jobangebot in China bekommt, können die beiden ihre Probleme nicht länger ignorieren. Sie müssen sich entscheiden, was sie wollen. Bedeutet ihnen die Beziehung noch genug, um sie aufrecht zu erhalten? Wollen sie Liebe oder Karriere, Freundschaft oder Sex?

Als wenn das nicht schon genug wäre, entpuppt sich dann auch noch Lasses Vater als schwerkrank. Lasse pendelt zwischen Castingterminen mitten im Kölner Karneval und dem Krankenbett des Vaters in Dänemark hin und her. Und der fordert von Lasse dann auch ausgerechnet einen ganz speziellen letzten Wunsch: Er soll Tess endlich einen Heiratsantrag machen …

„Beziehungswaise“ ist ein Roman, der schon dem Titel nach Wortwitz und Humor verspricht. Ein Comedian als Hauptfigur, da darf man wohl zu Recht so einiges erwarten. Michel Birbæk wird dieser Erwartung durchaus gerecht. Schon im ersten Kapitel, das Lasses Erlebnisse beim Besuch der Hochzeit eines Freundes in Amerika schildert, gibt viel Anlass zu Lachen und zu Schmunzeln.

Doch wer aufgrund dieser Tatsache auch in allen folgenden Kapiteln ein nicht enden wollendes Gagfeuerwerk erwartet, der sei gewarnt. Bei Birbæk jagt nicht über die gesamten knapp 500 Seiten eine Pointe die nächste. Dafür entwickelt die Geschichte eine zunächst unerwartete Tiefe, die die vielseitigen Facetten der Gefühle auslotet.

Birbæks Roman dreht sich um die großen Fragen, die rund um Beziehung, Trennungsschmerz, Familienleben, Freundschaft aber auch um Krankheit, Trauer, Tod und Abschied auftauchen. „Beziehungswaise“ wird dadurch zu einem Wechselbad der Gefühle – mal heiter, charmant und unkompliziert, mal voller Ernsthaftigkeit, Schwermut und Traurigkeit. Der Balanceakt, sowohl die Tragik, als auch die Komik, die das Leben von Lasse widerspiegelt, unter einen Hut zu bringen, gelingt Birbæk ausgesprochen gut.

Lasse wirkt als Protagonist durchaus glaubwürdig. Er zweifelt an seinem Job, zweifelt an der Sinnhaftigkeit seiner Beziehung zu Tess und während in Dänemark sein Vater dem Tod ins Antlitz schauen muss, versucht Lasse irgendwie die Freude an dem wiederzufinden, was er tagein, tagaus tut. Die Entwicklung, die er dabei innerhalb der Geschichte durchläuft, ist größtenteils durchaus glaubwürdig und nachvollziehbar, nur mit Lasses erwecktem Interesse an der Umweltschutzarbeit seines Mitbewohners Arne und seinem Wunsch, sich zu engagieren, scheint Birbæk irgendwie ein bisschen über das Ziel hinauszuschießen. Das ist dann doch ein bisschen viel der Charakterwandlung.

Überhaupt sind die Mitbewohner in Lasses Kölner WG der einzige Knackpunkt in Sachen Glaubwürdigkeit. Mag man Arne den schweigsamen, kraftraumgestählten Ökoterroristen noch halbwegs im Rahmen des Möglichen ansiedeln, so sprengt Frauke, die dauerbekiffte Rechtsanwältin, dann doch ein bisschen das Vorstellungsvermögen. Solche Anti-Klischees wirken dann eben doch etwas überzeichnet, wenngleich sie sicherlich einen gewissen Unterhaltungswert versprechen.

Dabei sind die Figuren und ihre Verhaltensweisen ansonsten durchaus nachvollziehbar. Vor allem Lasses emotionale Lage lässt sich gut mitfühlen, egal ob es um den Umgang mit seiner scheiternden Beziehung geht oder um die Auseinandersetzung mit dem zu befürchtenden Tod seines Vaters oder seine Gedanken um Freundschaft und Familie ganz allgemein. „Beziehungswaise“ enthält viele Gedanken, in die man sich gut hineinfühlen kann und die sich unter Umständen auch auf das eigene Leben projizieren lassen.

Sprachlich kann Birbæk auf ganzer Linie punkten. Er schreibt gewitzt und höchst unterhaltsam und jongliert seine Sätze mit einer Prise Wortwitz, die den Lesegenuss besonders würzt. „Beziehungswaise“ macht so gesehen mit jeder Seite Spaß, ohne dass es Birbæks Gedanken an der nötigen Tiefe mangeln lassen.

Ironische Seitenhiebe auf den Medienbetrieb gibt es stets dann, wenn Lasse im Casting darum bangt, in die nächste Runde zu kommen und gegen die mal mehr und mal weniger witzige Konkurrenz antritt. Diese Episoden bilden einen ziemlich drastischen Kontrast zu den Episoden in Dänemark, in denen Lasse sich um die Familie kümmert und mit seiner Schwester zusammen um das Wohlergehen des Vaters bangt. Dennoch ergibt sich aus diesem Kontrast ein durchaus stimmiges Ganzes, das sowohl einfühlsam als auch unterhaltsam erzählt daherkommt.

Bleibt unterm Strich also ein durchaus positiver Eindruck zurück. Trotz der etwas überspitzt wirkenden Anti-Klischees in Form von Lasses Mitbewohnern Frauke und Arne und einer etwas zu weit vollzogenen Charakterwandlung von Lasse weiß „Beziehungswaise“ gut und überzeugend zu unterhalten. Ein lockerer, gewitzter Erzählstil, viel Stoff zum Schmunzeln und Lachen, aber nicht minder Gedanken, die bewegen und anrühren und dem Buch eine gewisse Tiefe verleihen, die man anfangs nicht vermuten mag – so ist „Beziehungswaise“ ein ausgewogener und unterhaltsamer Lesegenuss, den man gerne weiterempfiehlt.

http://www.luebbe.de

|Siehe ergänzend auch unsere [Rezension 714 zu „Wenn das Leben ein Strand ist, sind Frauen das Mehr“.|

Gray, Justin / Palmiotti, Jimmy / Simone, Gail / Walker, Brad – Êin Jahr danach. Monster Edition 1 – Ein Jahr nach der Infinite Crisis

_Inhalt_

|“Die Schlacht um Blüdhaven“|

Nachdem Chemo über Blüdhaven explodiert war, erreichte die Infinite Crisis in der nunmehr verseuchten Stadt ihren Höhepunkt. Innerhalb der bewachten Stadtmauern scheint kein Leben mehr möglich, und diejenigen, die die schwere Katastrophe überlebt haben, leben in verwahrlosten Camps außerhalb der Befestigungen. Selbst den Teen Titans scheinen die Hände gebunden, obwohl die Zweifel an den Machenschaften der Regierung, welche die Einreise nach Blüdhaven verwehrt, immer größer werden.

Erst als sie von Father Time und dessen geheimnisvoller Organisation Shade erfahren, die in der Stadt einige zweifelhafte Experimente durchführen sollen, greift die junge Superheldentruppe ein und stellt sich der offenkundigen Bedrohung. Als sich ihnen Shade unter der Führung des Psychopathen Major Force in den Weg stellen, droht der Konflikt zu eskalieren. Doch dann geschieht etwas vollkommen Unerwartetes …

|“Sechs Stufen der Verwüstung“|

Während der Infinite Crisis haben sich die Secret Six von der Society gelöst und agieren nun als stete Unbekannte. Doch damit hat die Truppe auch erheblich ihre Sicherheit gefährdet, was sich in zahlreichen Attacken widerspiegelt. Lediglich Catman kommt ungeschoren davon und mobilisiert einen Schurken, an seiner Seite zu kämpfen. Doch derweil sind Vandal Savage und Dr. Psycho bereits am Ende ihrer Rachepläne angelangt. Eine Gruppe brutaler Killer wird ausgesandt, um den Secret Six endgültig den Garaus zu machen.

_Persönlicher Eindruck_

Die berüchtigten |Monster Editions| sind nach wie vor eine schwierige Sache, weil es sich bei den für den deutschen Markt zusammengestellten Sammelbänden meist um Mini-Serien aus der zweiten Reihe handelt, die zwar in direktem Zusammenhang zu einer übergeordneten, etablierten Reihe stehen, aber im Einzelfall wohl nur selten wirkliche Chancen hätten, losgelöst die erforderlichen Mindestverkaufszahlen zu erzielen. Und dennoch scheint eine derartige Anschaffung immer wieder aufgrund der üppigen Gestaltung attraktiv, was mit einem Blick auf die entsprechende Ausgabe zu „Infinite Crisis – Ein Jahr danach“ auch leicht verständlich ist, schließlich bekommt man hier für einen verhältnismäßig erschwinglichen Preis zwei ganze Serien auf immerhin 276 Seiten. Allerdings beschreibt eben dieser Band auch leider die Misere, die leider häufig mit diesen Editionen verbunden ist, denn leider muss man zumindest für den ersten Abschnitt der Handlung sagen, dass es sich dabei vorwiegend um das Prädikat ‚Masse statt Klasse‘ handelt.

Nach einer viel versprechenden Einleitung verzettelt sich die Story zu schnell in einer unübersichtlichen Ansammlung von unentwirrbar komplexen Inhalten. Wie leider allzu oft, ist die Geschichte von einer deutlich übertriebenen Zahl tragender Charaktere geprägt, deren individuelle Motivationen selbst eingeschworenen Fans oft erst im Nachhinein deutlich werden, so dass es partiell bereits zu Verständnisproblemen kommt, weil die einzelnen Interaktionen kaum mehr überschaubar sind. Dabei scheint die Idee der beiden Autoren noch recht interessant und im Hinblick auf die nicht gerade versteckt eingebrachte politische Thematik auch brisant, wird aber letzten Endes leider mit sehr vielen berechnenden Klischees und einer überstrapazierten Kritik am Machtgefüge ausgeführt, was der Entwicklung der Storyline natürlich ganz und gar nicht zuträglich ist. Der Weg des überladenen Bombasts, den die Handlung in der endgültigen Schlacht um Blüdhaven beschreitet, wirkt in diesem Zusammenhang auch äußerst ungünstig, zumal sich das Handeln der Hauptakteure in Relation zu ihren eigentlichen Aussagen nicht nur einmal widerspricht. Bedenkt man, dass das Ganze auf der Grundidee der viel umjubelten „Infinite Crisis“ fußt, kommt man daher keinesfalls umhin, bei diesem ersten von zwei Plots von einer absoluten Enttäuschung zu sprechen – und das sowohl inhaltlich als auch grafisch!

Gottlob erfährt diese erste Monster Edition aus der Reihe „Ein Jahr danach“ in der Folge noch einen überraschend rasanten Qualitätsanstieg, denn zumindest in „Sechs Stufen der Verwüstung“ bekommt der Leser auf gleichwohl höherem Niveau so ziemlich all das geboten, was er sich von einer Serie aus dem Hinterhalt erhofft. Die Charaktere zum Beispiel erfahren eine viel kompakter und harmonischer ausgeprägte Zeichnung, die Story vergeht nicht im Rahmen von unzähligen, kaum verständlichen Action-Overkills und der gesamte Aufbau genießt eine stringente, nachvollziehbare Haltung. Dass der Spannungsaufbau daher eigentlich nur noch Formsache ist, versteht sich fast wie von selbst, doch genau dieser Umstand beschreibt auch ganz gut, wie kontrastreich und ambivalent das Gesamtbild dieses enorm dicken Wälzers im Gesamtüberblick ist. Von ‚ziemlich mies‘ bis ‚ansatzweise genial‘ ist die Spanne in der ersten Monster Edition zu „Infinite Crisis – Ein Jahr danach“ doch recht groß, so dass die Überlegungen zur Anschaffung des Sammelbandes berechtigt von Zweifeln geprägt sind. Vor dem Hintergrund, dass nur „Sechs Stufen der Verwüstung“ tatsächlich lesenswert ist, sind 24 € nämlich dann doch wieder sehr viel Geld!

http://www.paninicomics.de

Masino, Susan – Let there be Rock. Die AC/DC-Story

Mit diesem Buch erscheint ein weiteres Werk über die Erfolgsgeschichte der australischen Rocker. Verfasst wurde es von Susan Masino, einer amerikanischen Journalistin für Rockmusik. Auf rund 300 Seiten erfährt der Leser sehr viele Details zur Bandgeschichte. Der Fakt, dass die Autorin AC/DC persönlich kennt und mit ihnen befreundet ist, lässt teilweise eine sehr emotionsreiche und private Erzählung entstehen. Zudem kann sie mit vielen Erlebnissen in ihrem Buch aufwarten, die so niemand außer ihr kennt und demzufolge auch noch nicht veröffentlicht wurden.

Der Weg zur Band AC/DC und die Geschichte der einzelnen Mitglieder werden sehr ausführlich erzählt. Der Leser erfährt unter anderem, dass Angus Young nicht unbedingt ein Freund der Schule war, sich dafür aber stundenlang mit der Gitarre beschäftigen konnte, dass Bon Scott die Angewohnheit hatte, bei einem Umzug sein Zimmer immer rot zu streichen und er sogar mal als Postbote arbeitete. Zudem wird darüber berichtet, dass sie in ihren Anfangsjahren bei der Hochzeit eines Freundes mit ‚Zorba The Creek‘ den wohl ungewöhnlichsten Song in ihrer Geschichte spielten.

Eindrucksvoll wird beschrieben, wie sie im Laufe der Jahre unzählige Konzerte gaben, um bekannt zu werden, wie sich langsam der Erfolg einstellte und der Bekanntheitsgrad stieg. Aber auch, welche Schwierigkeiten und Rückschläge es gab. Den größten Hieb in ihrer Karriere war der tragische Tod von Sänger Bon. Darüber wird sehr emotionsvoll und ausführlich berichtet, ebenso, wie die Band fast daran zerbrach. Weiterhin erfährt der Leser, wer sie trotz diesen herben Verlustes alles ermutigte weiterzumachen und wie sie mit Brian Johnson einen würdigen Nachfolger fanden.

Im Buch kommen die Bandmitglieder sowie zahlreiche Freunde, Kollegen und Fans zu Wort, die ihre Eindrücke und Begebenheiten mit der Band schildern. Die Erzählung erfolgt häufiger aus einem anderen Blickwinkel und wird dadurch nie langweilig. Auch der Humor kommt natürlich nicht zu kurz und lässt dem Leser ab und an ein Schmunzeln über die Lippen gleiten, schon allein deshalb, weil sich die Autorin oft einen lustigen oder etwas zynishen Kommentar nicht verkneifen kann. Aufgelockert wird das Ganze mit zahlreichen Schwarzweiß-Bildern, die teilweise lustige Motive beinhalten.

Am Ende findet der Leser eine sehr umfangreiche Diskografie und Bibliografie, die in einzelne Rubriken aufgeteilt ist. Wünschenswert wäre noch eine Übersicht gewesen, wer im Laufe der Jahre alles in der Band gespielt hat. Es wird zwar ausführlich über die Besetzungswechsel berichtet, aber zur besseren Übersicht der Bandgeschichte wäre dies von Vorteil gewesen. Ein Manko, eigentlich auch das einzige, ist, dass man an manchen Stellen im Buch regelrecht mit Informationen zugeschüttet wird, gerade, was Personen angeht. Der nicht so belesene AC/DC-Fan verliert dann etwas den Überblick, von wem gerade die Rede ist, beziehungsweise welche Funktion diejenige Person hatte.

Für jeden AC/DC-Fan dürfte das Buch, neben vielen Dingen, die er bereits kennt, einige interessante Neuigkeiten ans Tageslicht bringen. Durch die persönliche Erzählung und die ganz eigenen Begebenheiten zwischen der Autorin und der Band hebt sich das Werk sehr gut von anderen Büchern über die australischen Rocker ab. Aber auch für jeden anderen, der sich für Rockmusik und deren Geschichte interessiert, ist das Buch empfehlenswert. Denn schließlich gehören AC/CD nach wie vor zu den ganz Großen, die mit ihrer Musik den Rock nachhaltig geprägt und Meilensteine gesetzt haben.

http://www.grosser-stein.de/

Poehl, Henning – Null Bock!

_Brunft in der Arena_

Mit „Null Bock“ präsentiert der |Sphinx|-Verlag unter Regie von Henning Poehl ein weiteres ausgefallenes Spielkonzept, welches mal wieder gekonnt Strategie und Spaß miteinander verknüpft. In diesem Falle handelt es sich beim sinnbildlichen Titel um ein reines Stichspiel, welches zwar einerseits nicht ganz so originell ausgestattet ist wie vergleichbare Produkte aus dem gleichen Haus, dafür aber mindestens genauso gut fürs zwischenzeitliche Lachmuskeltraining sorgt.

Thematisch wird dabei die Hirschbrunft nachempfunden, dies aber natürlich auf recht unkonventionelle Art und Weise. Insgesamt 30 Hirschböcke kämpfen um ebenso viele Hirschkühe und versuchen, einen möglichst großen Harem zu erobern. Hierzu werden sie in die Arena ausgesandt, in der sich ihre Konkurrenten gemeinsam mit den ersehnten Weibsbildern tummeln und bereits kräftig um ihren Anhang rangeln. Doch am Ende kann immer nur einer der Platzhirsch sein – und das ist zum Ende des Spiels derjenige, der mit dem größtem Harem das Spiel gewinnt.

_Spielmaterial_

• 30 Hirschkuhkarten
• 30 Hirschbockkarten

Das Spielmaterial ist mal wieder der eigentliche Clou des Spiels. Henning Poehl hat sich einiges einfallen lassen, um seine Hirsche auch formidabel in Szene zu setzen. So präsentieren sich die Hirschkühe sehr aufreizend in Bikini, Dirndl und Abendkleid, während sich unter den Böcken Skateboardfahrer, Leichtathleten und stolze Ritter verbergen, über die man doch immer wieder schmunzeln muss. Darüber hinaus ist das Spiel dank der einfach strukturierten Karten sehr übersichtlich aufgebaut und bedarf keiner großen weiterführenden Erklärung. Schlicht und effektiv – das scheint auch dieses Mal zu funktionieren.

_Spielaufbau_

„Null Bock“ ist im Prinzip ein sehr leicht verständliches Spiel, das schon halb erklärt ist, sofern man die Begrifflichkeiten verstanden hat und einordnen kann. Das Spiel ist untergliedert in die beiden Schauplätze Abseits und Arena. Ersteres ist die Spielfläche vor jedem einzelnen Spieler, während in der Arena um den Harem gekämpft wird.

Zu Beginn eines jeden Spiels bekommt jeder Spieler (abhängig von der Spielerzahl) jeweils fünf oder sechs Böcke und Kühe ausgehändigt. Anschließend entscheidet er sich für eine Karte, die er nun vor sich ins Abseits legt. Es empfiehlt sich, in diesem Fall einen Bock auszuwählen, weil ein Verlust seiner Zunft dem Gegner später keine Punkte in der Wertung einbringt. Nachdem der Startspieler auf beliebige Weise ermittelt wurde, geht der Kampf um den Harem schließlich los.

Der Spieler, der an der Reihe ist, muss auf jeden Fall eine Karte spielen. Dabei kann er entweder eine Hirschkuh in die Arena jagen oder aber eine Karte ins Abseits legen. Letzteres funktioniert allerdings nur, wenn dort momentan eine Karte des anderen Geschlechts liegt. Lohnenswert ist in dieser Hinsicht, einen Bock auf eine Kuh zu spielen, denn in diesem Fall darf man die Kuh als Stich einbehalten und den Bock im Abseits des Spielers, der zuvor die Kuh beherbergte, zurücklassen. Die Werte der Böcke und Kühe sind dabei unerheblich, so dass unter Umständen auch der ‚Null Bock‘, also einer der Böcke mit dem Wert 0, dort getauscht bzw. abgelegt werden kann. Auch ein umgekehrter Zug ist möglich, allerdings bringt es im Endeffekt keine Punkte, wenn man eine Kuh ins Abseits legt, denn Böcke zählen in der Wertung nicht. Im Bedarfsfall kann aber auch dies ein kluger Zug sein; dann nämlich, wenn man nur noch über Böcke mit relativ niedrigen Werten verfügt oder gar überhaupt keinen mehr in der Hand hält.

Richtig abgeräumt wird aber natürlich erst in der Arena; hier spielen nun auch die Werte der Kühe und Böcke eine Rolle. Als Erstes liegt dort immer eine Kuh aus; nun können die Spieler reihum Kühe mit höheren Werten auf dieser ablegen und so den Wert des ‚Potts‘ immer weiter steigern. Wer indes keinen höheren Wert aufbringen kann, hat noch die Möglichkeit, eine Kuh mit einem Pluszeichen auszuspielen. Dies sind die Damen, die sich für etwas Besseres halten und deshalb immer gespielt werden können. Wenn der Harem schließlich als groß genug empfunden wird, kann man ihn nun mit seinen Böcken einkassieren. Dazu legt man einen Bock, egal mit welchem Wert, auf den Stapel der Hirschkühe in der Arena. Nach dem bekannten Steigerungsprinzip können die übrigen Spieler nun mit wertvolleren Böcken die Auktion erhöhen. Dies geschieht so lange, bis ein Bock über eine ganze Runde am obersten Stapelende bleibt und kein Spieler mehr erhöhen kann. Der Besitzer jenes Bockes bekommt nun den gesamten Harem und legt ihn als Stich vor sich ab.

Eine Sonderregelung besteht jedoch: Wer einen ‚Null Bock‘ hat, darf ihn auf jeden anderen Bock auflegen und diesen damit übertrumpfen. Eigentlich ist der 10er-Bock derjenige mit dem größten Werk; jedoch kann er mit dem ‚Null Bock‘ geschlagen werden. Dies ist auch insofern wichtig, als man am Ende der Partie für jeden ‚Null Bock‘, der sich noch auf der Hand befindet, 15 Minuspunkte gutgeschrieben bekommt. Sollte es indes tatsächlich gelingen, mit jenem ‚Null Bock‘ einen Stich zu landen, wird die gleiche Punktzahl später hinzugerechnet. Die kluge Verwendung des insgesamt dreimal vertretenen ‚Null Bocks‘ kann also spielentscheidend sein.

_Spielende und Wertung_

Das Spiel ist genau dann zu Ende, wenn kein Spieler mehr eine Kuh in die Arena legen kann oder ein Spieler keine Karte mehr auf der Hand hat. Der Spieler, der den letzten Bock ausgespielt hat, bekommt anschließend noch die Hirschkühe aus der Arena. Danach tritt die Wertung in Kraft. Alle Kühe werden mit ihren individuellen Werten addiert und somit der Spieler mit der höchsten Gesamtpunktzahl ermittelt. Eventuell kommen Zusatzpunkte durch besagten ‚Null Bock‘-Stich hinzu. Nun werden die Punkte addiert und die Karten neu gemischt. Endgültig gewonnen hat man nämlich erst mit 150 Punkten. Und so wird weitergespielt, beginnend mit dem Sieger der aktuellen Runde, bis jemand dieses Optimalziel erreicht hat.

_Persönlicher Eindruck_

Nach den ersten Runden dieses Kartenspiels bestanden durchaus gemischte Gefühle, weil man insgeheim doch ein etwas anspruchsvolleres Spiel erwartet hatte. Gerade beim |Sphinx|-Verlag ist man mittlerweile gewohnt, dass die jeweiligen Titel auf einer homogenen Verknüpfung aus thematischem Hintergrund und diesbezüglicher Umsetzung fußen und man sich mit dem Spiel auch sehr gut in die jeweilige vom Spiel vorgegebene Situation hineinversetzen kann. Letzteres ist jedoch bei „Null Bock“ nur bedingt der Fall, weil das Thema eigentlich nur über die witzige Gestaltung der Karten vermittelt wird, es indes aber einer größeren Phantasie bedarf, sich alleine über die grafische Gestaltung in die Phase der Hirschbrunft hineinzudenken. Der Autor benennt zwar die einzelnen Schlagwörter und lässt seine Hirschböcke stilecht in der Arena um ihre Gefolgschaft kämpfen; da es sich dabei aber lediglich um ein simples Stichspiel handelt, wird die Atmosphäre dessen nur bedingt vermittelt.

Andererseits, und damit losgelöst von dieser Verknüpfung, bringt „Null Bock“ von Runde zu Runde mehr Spaß. Es hängt zwar im Verlauf des Spiels sehr viel vom Glück ab – schließlich sind Böcke mit hohen Werten schon die halbe Miete für den Sieg – aber sobald man sich selber einige Taktiken ausgeklügelt hat, wird das Spiel dennoch ein bisschen strategischer, und es kommt in der Tat zum erhofften offenen Schlagabtausch, bei dem letztendlich nicht einzig das Glück, sondern auch das zwingend erforderliche Geschick benötigt wird, um den besten Harem zu angeln. So bedarf es immer wieder einer konzentrierten Entscheidung, ob man nun in die Arena schreitet oder im Abseits herumwildert, denn zum Ende hin können es auch die hier gelandeten kleinen Stiche sein, die in ihrer Summe eine aussichtsreiche Punktzahl garantieren.

Wirklich erquickend ist „Null Bock“ schließlich bei völliger Ausreizung der Spielerzahl; bei 5 bzw. 6 Spielern kommen nämlich alle Karten ins Spiel, und alleine schon durch die Einbeziehung der ganz niedrigen Werte entsteht eine ganz andere Dynamik, bei der ein weiterer Spannungsanstieg garantiert ist. Im direkten Vergleich hat man ganz klar gemerkt, dass diese Variante die mit Abstand günstigere ist, weil einerseits die Interaktion noch viel intensiver ist. Daher wäre „Null Bock“ im Falle einer überlegten Anschaffung auch am besten dann auf den Tisch zu bringen, wenn man einen größeren Spielerkreis anheizen möchte, um im späteren Verlauf des Spieltags auf etwas komplexe Varianten umzusteigen. Empfehlenswert ist das Spiel aber letztendlich allemal, wenn man etwas Nettes zur Eröffnung sucht, denn stimmungsvoll und heiter ist das Spiel ganz klar. Nur die thematische Verknüpfung, die ist meines Erachtens dieses Mal nicht ganz so gut geglückt.

Zu ergattern ist das Spiel für einen relativ kostengünstigen Preis im Shop des Verlags unter http://www.sphinxspiele.de.

Catherine Webb – Satan – Retter der Welt

Band 1: „Lucifer – Träger des Lichts“

Nachdem Seth, Odin und Jehova am Ende des ersten Bandes tatsächlich die drei Schlüssel gefunden haben, hat Sam alias Lucifer ein ernstes Problem. Zwar können die befreiten Pandora-Geister ihm nicht direkt etwas anhaben, wie sich jedoch nur zu bald herausstellt, brauchen sie das auch gar nicht. Stattdessen konzentrieren sie sich auf seine bisherigen Verbündeten und schneiden Sam damit von jeglicher Unterstützung ab. Ein harter Schlag für jemanden, der zwar seine unmittelbaren Kämpfe stets allein ausgetragen hat, bei den Vorbereitungen derselben allerdings auf ein Netzwerk an Kontakten zurückzugreifen pflegte. Schnell gerät Sam in immer größere Bedrängnis.

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Barclay, James – Drachenlord (Die Legenden des Raben 5)

|Die Chroniken des Raben|:
[„Zauberbann“ 892
[„Drachenschwur“ 909
[„Schattenpfad“ 1386
[„Himmelsriss“ 1815
[„Nachtkind“ 1982
[„Elfenmagier“ 2262

|Die Legenden des Raben|:
[„Schicksalswege“ 2598
[„Elfenjagd“ 3233
[„Schattenherz“ 3520
[„Zauberkrieg“ 3952

_Story_

Noch während der Rabe sich dazu entschließt, endgültig in den Ruhestand zu treten, greifen die Wesmen nach jahrelanger Abwesenheit wieder an und führen einen vernichtenden Schlag gegen das geschwächte Kolleg von Xetesk aus. Dessen Anführer Dystran sieht sich in verzweifelter Lage dazu genötigt, einmal mehr die Dimensionsmagie zu bemühen, und öffnet in einer letzten Defensivmaßnahme das Portal zur Dimension der Dämonen.

Zwei Jahre später: Ganz Balaia wird von Dämonen heimgesucht; die letzten Überlebenden der Kollegien verschanzen sich in Kalträumen, die sie vor den Seelenräubern schützen und ihnen einen letzten Hort vor der drohenden Vernichtung bieten. Doch die Dämoen werden von Tag zu Tag stärker und konzentrieren das balaianische Mana, um das Land in Kürze zu unterwerfen und die dort lebenden Menschen und Elfen auszurotten.

Hirad, der mit den Elfen nach Calaius gegangen war, erfährt als Erster von der Bedrohung. In einem Traum begegnet er Ilkar und erfährt über dessen Bruder Rebraal vom Schicksal, das selbst der Welt der Toten droht, wenn die Dämonen die Dimension von Balaia übernehmen. Sofort wird ihm klar, dass nur eine Maßnahme zur Rettung Balaias ergriffen werden kann: Der Rabe muss rekrutiert werden und in seiner sicherlich letzten großen Schlacht alle Kräfte des Landes an sich binden, um die Dämonen auszurotten.

_Meine Meinung_

James Barclay vollführt im fünften Band der „Legenden des Raben“ ähnliche Winkelzüge wie einst zur Zeit der sechsteiligen „Chroniken des Raben“. Kurz vor Ende der Serie und in direkter Folge an einen sinngemäß abgeschlossenen Handlungsstrang beginnt er eine Geschichte auf einer gänzlich anderen Ebene und sucht mitunter auch ein wenig künstlich – so scheint es zunächst – nach verbliebenem Futter für die Anhänger seiner berüchtigten Söldnertruppe.

Allerdings schließt sich von nun an endgültig der Kreis, den zu zeichnen der Autor bereits in seinem allerersten Raben-Roman begonnen hatte. Die ersten Begegnungen mit den anderen Dimensionen, die meist nur kurz angedeuteten Mysterien um die Welt der Dämonen, dazu die zuletzt noch unbefriedigende Unordnung im Streit der Kollegien untereinander und natürlich die (hier erst vollzogene) abrupte Auflösung der Rabentruppe verlangten nach weiterer Aufklärungsarbeit, um das gesamte Konstrukt rund zu bekommen.

Jedoch ist der Einstieg dieses Mal besonders schwer; der Rabe scheint seinen Frieden gefunden zu haben und distanziert sich vom Chaos in Balaia. Während Thraun und Hirad den Elfen nach Calis gefolgt sind, ist der unbekannte Krieger gemeinsam mit Darrick, Erienne und Denser in den Schoß seiner Familie zurückgekehrt, wo Erienne erfolgreich mit der Magie des Einen arbeitet und langsam aber stetig lernt, sie zu beherrschen. Als Hirad dann plötzlich auftaucht und von der neuen Bedrohung berichtet, ist man sich uneins, ob man ein letztes Mal für die Rettung Balaias kämpfen soll. Der Wille ist gebrochen, die Routine verblasst und die Ausstrahlung trotz der scheinbar kurzen Zeit von gerade mal zwei Jahren völlig glanzlos abgestumpft.

Doch in der Not bleibt den Rabenkriegern keine Wahl – und so geht es in eine weitere Schlacht, der die Truppe ebenso skeptisch gegenübersteht wie der Leser. Denn dieses Mal kämpft nur noch eine kleine Bastion der Menschen gegen einen schier übermächtigen Feind. Und auch wenn man insgeheim auf die Unterstützung der Drachen hofft und vertraut, so ist das Chancenverhältnis selbst dann, wenn die Kollegien sich doch noch ein letztes Mal vereinen sollten, äußerst schlecht.

Über die Entwicklung des neuen Plots findet man somit langsam wieder zum Glanz alter Tage zurück. Zwar fällt die Identifikation mit dem spürbar gealterten Raben diesmal ungleich schwerer, und darüber hinaus ist die Story in diesem Fall auch ein ganzes Stückchen komplexer, aber sobald der Funke übergesprungen ist und man erst einmal wieder die Tragweite all dessen, was Barclay hier aufgezäumt hat, erkannt hat, ist die Begeisterung sofort wieder geweckt. Und trotzdem: Ein wenig Skepsis bleibt, weil unterschwellig die Meinung haften bleibt, der Autor klammere sich hier an seinen letzten Rettungsanker, um die Faszination um seine nunmehr legendären Söldner aufrechtzuerhalten. Kurz vor Ende der Serie holt er nämlich noch einmal weit aus und kramt einige Ideen hervor, die potenziell Stoff für eine ganze weitere Chronik aufbieten, aber schlussendlich doch in gerade mal zwei Büchern aufgearbeitet werden müssen.

Der bezeichnende Titel des nächsten und bislang letzten Romans „Heldensturz“ lässt daher auch Schlimmes vermuten. Erst einmal gilt es nämlich schon in Kürze, Abschied von den Helden zu nehmen; weiterhin liegt die Furcht nahe, dass es kein schöner Abschluss für die Truppe sein wird, und als Letztes fragt man sich, ob Barclay tatsächlich diesen inhaltlich radikalen Weg einschlagen musste, um das endgültige Finale einzuläuten. Im Grunde genommen verbaut er nämlich somit jegliche Hoffnung darauf, dass der Rabe auch später noch literarisch existieren kann. Und dies nun Schwarz auf Weiß zu erkennen, ist für den seit nunmehr drei Jahren faszinierten, begeisterten Anhänger wahrscheinlich die schlimmste Erkenntnis eines schwer verdaulichen, zu Beginn etwas zwiespältig zu betrachtenden Buches. Aber viel wichtiger ist dennoch die überwiegend positive Seite des mit dem etwas irreführenden Titel „Drachenlord“ bezeichneten Romans, nämlich dass James Barclay einmal mehr beweist, dass er in Sachen phantastischer Dramaturgie nach wie vor unschlagbar ist. Die Art und Weise, wie sich das aktuelle Werk nämlich entwickelt, ist nämlich einfach nur phänomenal!

http://www.heyne.de/

Atkins, Charles – Gift

„Schuster, bleib bei deinen Leisten!“, dachte sich wohl Charles Atkins, als er den Thriller „Gift“ schrieb. Der Autor ist Psychiater, und anscheinend liegt es da nahe, sich auch literarisch mit psychischen Erkrankungen zu beschäftigen.

Dr. Peter Graininger ist Psychiater in der psychiatrischen Notfallaufnahme der New Yorker Universitätsklinik. Obwohl er es weit gebracht hat, lässt ihn die Erinnerung an den Unfall, bei dem seine Frau Beth ums Leben kam, immer noch nicht los. Mithilfe seines Sohns Kyle und seines Vaters, der ebenfalls Psychiater ist, versucht er wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Sein alter Studienfreund Ed Tyson, der mittlerweile ein hohes Tier an der Universität ist, hat ihm seinen Posten und auch die Wohnung, in der Peter lebt, beschafft.

Doch das hat Ed nicht nur aus Eigennutz getan. Er verfolgt Pläne, um Peter für eine Sache zu bestrafen, die bereits einige Jahre zurückliegt. Peter hat davon keine Ahnung, als er eines Tages Ann Walsh, Studentin, Gelegenheitsprostituierte und Geliebte von Ed, nach einem Selbstmordversuch behandeln soll. Wenig später wird Ann ermordet in einem Hotelzimmer aufgefunden. Peter war an diesem Abend bei Ed und seiner Familie zum Essen eingeladen. Als er am nächsten Morgen aufwacht, muss er feststellen, dass seine Erinnerungen an diese Nacht bei der Verabschiedung an Eds Haustür aufhören. Wo war er danach? Ist der Filmriss eine Nachwirkung des Traumas von Beths Tod oder geht es hier um etwas ganz anderes? Peter merkt schnell, dass er in einem perfiden Spiel gefangen ist …

Es ist nicht nur der Beruf, den Autor und Protagonist teilen. Auf seiner [Website]http://www.charlesatkins.com erläutert Atkins, dass er in „Gift“ auch eine persönliche Tragödie verarbeitet – genau wie Dr. Graininger. Aus dieser Verbindung resultiert eine sehr authentische Hauptfigur, die die Abgründe der menschlichen Seele aus eigener Erfahrung kennt. Immer wieder blendet Peter Erinnerungen an frühere Zeiten ein und gibt sich mehr als einmal der Schwäche hin, sich selbst gehen zu lassen.

An und für sich steht aber die rasante, geradlinige Thrillerhandlung im Vordergrund. Bis auf Peters persönliche Erinnerungen gibt es kaum Abschweifungen. In großen, abgestuften Schritten geht die Geschichte voran. Atkins verzichtet auf großartige Action und Blut oder weitläufige Plots. Er hält die Handlung im kleinen Rahmen, was sie sehr bodenständig wirken lässt. Sie enthält Bewegung, haarsträubende Ereignisse, aber dennoch bezieht sie ihre Spannung mehr aus der leisen, stillen Art und Weise der Manipulation, deren Opfer Peter wird.

Die Handlung besteht hauptsächlich aus einem Strang. Es gibt kaum Nebenhandlungen und auch die Nebencharaktere haben zumeist keine große Aufgabe, wenn sie nicht direkt in die Gesamtgeschichte verwickelt sind. Dadurch wirkt das Buch sehr kompakt, lässt an einigen Stellen aber etwas an Originalität missen. Das flotte Erzähltempo verhindert, dass sich bestimmte Charaktere entfalten können und Atkins Schreibstil ist ebenfalls nicht wirklich bemerkenswert.

Er arbeitet sowohl mit einer Perspektive aus der ersten als auch mit Perspektiven der dritten Person. Der Ich-Erzähler ist natürlich Peter, dem es dadurch besonders gut gelingt, seine traumatischen Erinnerungen zu beschreiben. Die anderen Perspektiven beschränken sich auf wenige Personen und unterscheiden sich untereinander kaum vom Schreibstil her.

Atkins schreibt flüssig und mitreißend. Er benutzt einen gehobenen Wortschatz und schafft es, klare Sätze zu bauen, die sich zu einem fließenden Text verbinden. Während Peters Perspektive durch die starke Subjektivität hervorgehoben wird, wirken die anderen jedoch etwas beliebig. Sie sind zu gleichförmig, um bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Einen bleibenden Eindruck hinterlässt „Gift“ insgesamt nicht unbedingt, dafür aber erstaunt hochgezogene Augenbrauen während der Lektüre. Der Thriller sprüht nicht vor Originalität, aber der Amerikaner Charles Atkins liefert saubere Handarbeit ab. Besonders positiv sind dabei der gut ausgearbeitete, sympathische Protagonist und vor allem die flotte und schnörkellose Handlung, die eine Menge Spannung aufzubauen vermag.

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Reginald Hill – Das Fremdenhaus

Das geschieht:

Illthwaite ist ein kleines Dorf in der englischen Provinz Cumbria. Seit Jahrhunderten lebt hier eine nicht unbedingt harmonische doch verschworene Gemeinschaft, die es gewohnt ist, Probleme intern zu lösen und der Außenwelt die kalte Schulter zu zeigen. Dabei ist es im Verlauf der Zeit mehrfach zu definitiv illegalen Aktivitäten gekommen, auf die man zum Teil stolz ist, während man weniger schmeichelhafte Ereignisse sorgfältig geheim zu halten sucht.

Nun kommen gleich zwei Besucher von sehr weit her nach Illthwaite, wo sie Nachforschungen über ihre Familien bzw. einen bestimmten Kirchenmann anstellen möchten. Samantha Flood, eine Mathematik-Studentin, reist aus Australien an, weil sie feststellen möchte, wieso ihre Großmutter, die hier im Ort ansässig gewesen sein soll, vor mehr als vier Jahrzehnten und noch als Kind davongejagt wurde. Reginald Hill – Das Fremdenhaus weiterlesen

Jeanne Kalogridis – Leonardos Geheimnis

Die Mona Lisa, die zurzeit im Louvre in der französischen Hauptstadt Paris ausgestellt ist, ist wohl auch das bekannteste Werk Leonardo da Vincis. Immer noch ranken sich Theorien um das wohl berühmteste Gemälde der Welt. Das magische Lächeln der Porträtierten ist unergründlich, fast schon mystisch. Leonardo da Vincis Feingefühl für sanfte Übergänge in den Farbregionen ist meisterhaft und für diese Zeit einmalig. Genauso verhält es sich mit dem Spiel von Licht und Schatten, das sich durch die Kleidung der jungen dargestellten Frau zeigt.

Wer war diese junge Frau? Es gibt verschiedene Spekulationen. War das Modell gar keine lebende Person, sondern nur den Phantasien des Meisters entsprungen? Welche Rolle spielte diese geheimnisvolle Frau mit ihrem sanften aber doch scheinbar humorvollen Blick im Leben des Künstlers? Leonardo da Vinci hat dieses Gemälde bei seinem zweiten Aufenthalt in Florenz gemalt (1503 – 1506) – ist diese Frau eine sehr bekannte Dame des florentinischen Adels?! Da Vinci hat dieses Geheimnis mit ins Grab genommen, Abschriften oder Erklärungen existieren zwar zur Genüge vom genialen Meister, aber nichts davon erklärt die Figur der Mona Lisa.

Eines ist jedenfalls sicher: Das Lächeln der Mona Lisa nahm Leonardo da Vinci auf all seinen späteren Reisen mit. Eine stumme Geliebte, eine treue Gefährtin und ein Angelpunkt in seinem künstlerischen Schaffen, doch eine Frage stellt sich immer wieder: Wer war diese unergründliche Frau?

„Leonardos Geheimnis“ von Jeanne Kalogridis erzählt die Lebensgeschichte der Mona Lisa und von ihrem geheimnisvollen Bezug zum größten Genie seiner Zeit – Leonardo da Vinci.

_Die Geschichte_

Florenz im 15. Jahrhundert. Die Stadt wird regiert von der Familie Medici und ist dadurch ein wichtiger kultureller, wirtschaftlicher und politischer Standort geworden.

Ein Jahr vor der Geburt der Mona Lisa wird Giuliano di Medici Opfer einer Verschwörung der Familie der Pazzi. Ein Attentat bereitet seinem Leben ein vorzeitiges Ende. Lisa di Antonio Gherardini Giocondo, genannt Mona Lisa, bekommt zu ihrem zwölften Geburtstag ein Medaillon von ihrer Mutter geschenkt, auf dem ebendieser Mord dargestellt ist. Damit verändert sich das Leben der wohlbehüteten Tochter eines Florentiner Wollhändlers. Der Bruder des Ermordeten schwört Rache, denn ein Verschwörer und Mörder ist nach der Tat entkommen. Zeuge dieser Tat ist der inzwischen schon berühmte Künstler Leonardo da Vinci, den Mona Lisa schon seit ihrer Kindheit kennt.

In den folgenden Jahren begegnet sie da Vinci immer wieder und eine tiefe Freundschaft beginnt. Mona Lisa verliebt sich in einen Medici, den Neffen des toten Giuliano, und gerät mitten in die politischen Auseinandersetzungen. Sie erlebt die Verbannung der Familie aus Florenz, Krieg und Seuchen sowie den traurigen Tod ihres einzigen Kindes. Leonardo begleitet sie als treuer Freund durch die harten Zeiten.

Er arbeitet unablässig an ihrem Portrait, ein perfektes Abbild ihrer Person. Ein dunkles und großes Geheimnis vertraut er seinem Modell an. Nicht nur die Hintergründe des Mordes werden aufgeklärt, sondern dieses Geheimnis wird das Leben der Mona Lisa auf immer verändern.

_Kritik_

Die Autorin Jeanne Kalogrids geht einer der zahlreichen Theorie um die berühmte Gestalt Mona Lisas nach. Seit dem frühen 16. Jahrhunderts versuchen viele Kunstliebhaber, das berühmteste Lächeln der Welt zu analysieren. Ebenso verhält es sich mit der historischen Person der jungen Frau. Die Identität und die Umstände, unter denen sie gemalt wurde, bleiben ein Geheimnis.

Die wahrscheinlichste Kandidatin unter den Anwärterinnen auf die Person Mona Lisas ist wohl die Protagonistin dieses Buches, Lisa di Antonio Gheradini, Tochter eines wohlhabenden Seidenhändlers. Als junges Mädchen wird Lisa in den luxuriösen Haushalt der Medici eingeführt und lernt die mächtigste Familie Florenz kennen. In den politischen Verwirrungen und dem Niedergang der Familie verliebt sie sie in den jüngsten der drei Söhne des Familienoberhauptes Lorenzo de Medici, Giuliano. In der gleichen Zeit tritt auch Leonardo da Vinci in ihr Leben, der ein geförderter Wissenschaftler der kunstbegeisterten Familie ist.

Nach dem Tode Lorenzo de Medicis erlebt Lisa die Vertreibung seiner Nachkommen aus dem toskanischen Florenz. Leonardo da Vinci erhält kurz vor dem Tode seines Förderers Lorenzo de Medici den Auftrag, heimlich ein Portrait von Mona Lisa zu erschaffen …

Jeanne Kalogridis Roman lebt einzig und allein von seiner Perspektive und der ihrer Protagonistin Lisa de Gheradini. Ihre Entwicklung vom unschuldigen, naiven Mädchen zur starken und leidenschaftlichen Frau ist der rote Faden der Erzählung. Ihre Erlebnisse um und mit der Familie der Medici eröffnen dem Roman eine ungeahnte Tiefe. Inwieweit diese Person noch über eine historische Genauigkeit verfügt, sei dabei erst einmal dahingestellt. Mona Lisa ist eine der wenigen geschichtlichen Gestalten, deren Bildnis die meisten Leser vor Augen haben. Gleichzeitig ist über diese Figur zu wenig bekannt, und die Geheimnisse laden die Autorin geradezu ein, eine Theorie zu entwerfen.

So dicht, wie sie ihre Protagonistin beschreibt, lenkt sie die Aufmerksamkeit, die man den anderen Persönlichkeiten widmen sollte, leider ab. Viele Beschreibungen der Nebencharaktere fallen dadurch viel zu simpel und unglaubwürdig aus. Einzig und allein die erzählerische Gestalt Leonardo da Vincis ist interessant und vielseitig. Seine Loyalität und seine geheimnisumwitterte Persönlichkeit verleihen dem Roman eine spannungsvolle Struktur. Allerdings birgt der erste Teil von „Leonardos Geheimnis“ ziemliche Längen, da dieser nicht aus Lisas Sicht geschildert ist. Die Waage zwischen Lisas Entwicklung und der politischen Situation balanciert die Autorin jedoch geschickt aus.

Jeanne Kalogridis verleiht dem historischen Florenz zur Zeit der Renaissance ein vielfältiges Bild mitsamt der politischen und künstlerischen Aufgeschlossenheit und zugleich dem schon frühzeitigen religiösen Fanatismus. Die Autorin nimmt sich jedoch für einen historischen Roman allzu viele Freiheiten heraus und verfälscht damit die Genauigkeit der recherchierten Gegebenheiten. Historischen Quellen nach zu urteilen, gab beispielsweise nicht Lorenzo de Medici da Vinci den Auftrag, sondern dies geschah auf Wunsch ihres Ehemannes.

Zwar gibt die Autorin interessant die verschiedenen Legenden um die Identität der Mona Lisa wider und schafft damit das Sinnbild einer perfekten Frau, aber alles in allem gelingt es Kalogridis nicht, wahre Lesefreude zu wecken. Zu unglaubwürdig und schwammig sind ihre Theorien mit den Fakten verknüpft.

„Leonardos Geheimnis“ ist ein historischer Frauenroman mit wenig wirklich historischem Hintergrund. Für Leser, die einen unterhaltsamen Roman mit einer starken „Frau“ lesen möchten, ist dieser Roman zu empfehlen. Wer allerdings etwas über das Leben und Wirken Leonardo da Vincis erfahren möchte und sich auch für das Gemälde der Mona Lisa interessiert, dem ist hier eher abzuraten.

http://www.ullsteinbuchverlage.de/listhc/

Busiek, Kurt / Anderson, Brent Eric – Astro City 1: Der gefallene Engel

_Story_

Kiefer Square, ein hoffnungsloser, verruchter Ort, an dem sich das niederträchtige Gesindel von Astro City herumtreibt: Hier stammt er her, Carl Donewicz, besser bekannt als Steeljack, ein ehemaliger Ganove, der trotz seiner Begeisterung für die Riege der Superhelden einst die Fronten gewechselt und infolge seiner Jahre als Mitläufer eines Tages einen Jugendlichen im Bandenkrieg erschossen hat. Nach wie vor bedeckt der Schatten dieser schweren Sünde den mittlerweile langzeitinhaftierten Donewicz. Auch er war einst gefürchtet und schien mit seiner Stahlrüstung unverwundbar; doch die Jahre im Gefängnis haben ihn gezeichnet, und nun, wo der Tag der Entlassung bevorsteht, schwört er sich, niemals wieder in den Sumpf des Verbrechens abzutauchen.

Doch Kiefer Square zieht ihn bei der vergeblichen Suche nach einem stattlichen Leben wie ein Magnet an; er kehrt zurück in sein altes Viertel und gerät unwiderruflich an den zweifelhaften Donelly Ferguson. Dort erfährt er, dass derzeit ein unbekannter Gangster einen Schurken nach dem anderen ermordet, darunter auch ehemalige Kollegen Carls. Im Widerstreit mit seinem Gewissen entschließt sich Donewicz, zumindest den Versuch zu starten, diesem Grauen ein Ende zu machen und sich für seine alten Freunde, so unanständig sie auch immer gewesen sein mögen, einzusetzen. Doch damit gerät er auch wieder mit dem Gesetz in Konflikt, denn jeglicher Kontakt mit der dunklen Seite verstößt gegen die Auflagen. Doch Carl sieht die Gelegenheit, einmal im Leben etwas Wertvolles zu tun und zumindest einen Teil seiner währenden Schuld zu begleichen. Aber als hoffnungsloser Versager ohne jegliches Selbstvertrauen ist man in Astro City beinahe schutzlos ausgeliefert.

_Persönlicher Eindruck_

„Astro City“ ist in vielerlei Hinsicht einer der unkonventionellsten Comics, die der amerikanische Markt je hervorgebracht hat, und dies einzig und allein, weil das Schema Helden vs. Schurken hier auf ganz ungewöhnliche Weise durchbrochen, dennoch aber auf vergleichbarer Ebene ausgetragen wird. Autor Kurt Busiek hat vielmehr den Versuch unternommen, anhand einer schicksalhaften Geschichte das Portrait eines klassischen Verlierers nachzuzeichnen, eines Mannes, der stets auf der Gegenseite der gefeierten Persönlichkeiten gestanden hat, dabei aber eigentlich niemals Böses im Sinn hatte.

In diesem Sinne ist Steeljack alias Carl Donewicz zwar sicherlich kein gewöhnlicher Superschurke, doch da er sich beharrlich gegen das Gesetz gestellt hat, um seinem Leben überhaupt einen Sinn zu geben, gerät er ins Kreuzfeuer seiner einst verehrten Gesetzesvertreter und landet schließlich in der Abgeschiedenheit eines Spezialgefängnisses, dem er selbst mithilfe seiner Stahljacke nicht entfliehen kann. So weit, so gut. Diese Rahmenhandlung greift der Autor anschließend auf, um die Emotionen, die Donewicz beherrschen, zu analysieren und damit in gewissen Ansätzen die Wesenszüge eines klassischen Comic-Verbrechers aufzuzeigen. Nun mag Steeljacket aufgrund seiner pessimistischen Ausstrahlung und seiner spürbar depressiv gestörten Persönlichkeit kein üblicher Klassiker unter den Ganoven sein, doch an seinem Beispiel lässt sich die Motivation aller üblichen Schurken sehr gut ablesen. Blind folgen sie einem Scheinidealismus, lassen sich in ihrer persönlichen Misere leichtfertig von den günstig erscheinenden Angeboten, die ihren Überlebenstrieb bestärken, auf die falsche Seite ziehen und sind schließlich bereit, in ihrer als einzige oder letzte Aktion propagierten Scheinheiligkeitstat für einen Moment die Misere zu durchbrechen und ihrem Leben eine Kehrtwende zum Positiven hin zu verpassen.

Nun, Ziel dieser kurzen Übersicht soll sicher nicht sein, das bekannte Bild des Bösewichts in einem eindeutigen Profil wiederzugeben, sondern schematisch zu überblicken, womit sich Busiek im Wesentlichen in „Astro City“ beschäftigt. Nun geht es hier aber nicht nur um das ‚Was?‘, sondern ganz eindeutig um das ‚Wie?‘, und genau in dieser Sparte offenbart der Autor nun seine ganze, individuelle Klasse. Die Art und Weise, wie er diesen zerrissenen, von seiner stetigen Pein gefolterten Menschen bzw. Helden/Schurken namens Steeljacket beschreibt, grenzt sich von sämtlichen herkömmlichen Charakterzeichnungen in diesem Genre ab und resultiert in einem weitestgehend traurigen, bisweilen auch ergreifenden Gesamtbild. Die Krux ist derweil, dass man sich trotz ihres Versagerdaseins sofort mit der Hauptperson identifizieren kann; nicht etwa, weil sie so Mitleid erregend ist, sondern einfach nur, weil sie in der von außergewöhnlichen Figuren gesäumten Welt von „Astro City“ trotz aller vergangenen Schatten so menschlich erscheint. Er ist ein Niemand, ausgestoßen und verbannt, immer wieder unfair aufs Kreuz gelegt und insgesamt hilflos ausgeliefert. Er gibt gleich mehrfach die Hoffnung auf, verliert sämtlichen verbliebenen Idealismus und den Glauben an das, was ihm einst Kraft verliehen hat. Und zu guter (oder schlechter) Letzt kehrt er dann auch noch zurück in das Rattenloch, das ihm vor mehr als 20 Jahren den Verstand geraubt und ihn verraten hat, weil Leute wie er es nicht verdienen, eine Chance zur Anbiederung an die akzeptierte Gesellschaft zu bekommen. Frei von Klischees, überwiegend surrealistisch, bedrückend und beklemmend, eiskalt und doch emotional treibt die Atmosphäre der Handlung ein Spielchen mit dem Leser, der desto mehr Sympathie für Carl entwickelt, je tiefer er in seinen persönlichen Exitus eintaucht, führt ihm dabei aber auch Seite für Seite vor Augen, dass Stelljacks Lebensgeschichte ein Unikat in der heutigen Comicwelt ist. Eine besondere Ausgabe, ganz individuell und anders, so pessimistisch und gleichzeitig innovativ, so melancholisch und bewegend und permanent an die Grenzen stoßend.

Busiek hat sich etwas getraut, das im Fundus der Möglichkeiten der Comicgestaltung eigentlich als eine der offenkundigsten Alternativen zur klassischen Rollenverteilung zur Auswahl steht, aber aus unerfindlichen Gründen bislang nie verwirklicht wurde. Er hat das Schurkentum hinterfragt und seine Opfer zu wahren (Anti-)Helden geschliffen, die einem unerwartet ans Herz wachsen. Dank der präzisen Ausschöpfung aller verfügbaren menschlichen Wesenszügen ist ihm dabei eine sehr facettenreiche, umfassende Arbeit gelungen, die von der ersten Idee bis zur detailreichen Umsetzung reiflich durchdacht wurde. „Der gefallene Engel“ mit den Originalbänden 14-20 aus der Reihe „Astro City“ ist daher nicht nur eines der außergewöhnlichsten Comics in diesem Genre, sondern zweifelsohne eines der bislang ambitioniertesten Werke, das der internationale Markt bislang hergegeben hat. Wer sich jemals in der Welt von |Marvel|, |DC|, |Vertigo| oder |Wildstorm| aufgehalten hat, sollte alleine schon wegen des inhaltlichen Hintergrunds nicht lange zögern und diesen Meilenstein abgreifen!

http://www.paninicomics.de/?s=Wildstorm

Gloge, Andreas / Sassenberg, Volker – Gabriel Burns: Verehrung

Band 1: [„Die Grauen Engel“ 3892

Menschengenerationen sterben aus, ganze Bevölkerungen gehen zugrunde und einstige Hochkulturen werden Geschichte. Neue Zivilisationen entstehen, größer und mächtiger, und müssen eines Tages auch wieder zerbrechen. Nur etwas überdauert die Zeiten, überlebt die Epochen in anderer Gestalt zwar, doch ist stets allgegenwärtig: das Grauen, das die Menschen anzieht, sie das Fürchten lehrt und schließlich vernichtet.

1135 vor der aktuellen Zeitrechnung: Ein junger Priester opfert seine Schwester am Platz der Tränen, tief im Dschungel Südamerikas. Die Lehren der Priester der Schlange verlangen es so. Doch als der Mann in sein Dorf zurückkehrt, um seine Tat zu verkünden, wirkt es wie ausgestorben. Dort, wo vor wenigen Stunden noch emsiges Treiben herrschte, hat sich die Stille des Todes über den Ort gelegt. Hat er seine Schwester umsonst im Auftrag jener getötet, denen das Schicksal seines Dorfes gleichgültig ist?

Nach Antworten suchend, findet er einen kleinen Jungen, der am Fuße der nahen Tempelpyramide steht. In sein hart gezeichnetes Gesicht hat sich ein wissendes Lächeln geschlichen. Und er berichtet dem jungen Mann, dass er nun Letzter seines Volkes sei. Und nach seinem Tod würde sich die Prophezeiung endlich erfüllen.

_Vom Hörspiel zum Roman_

Mit „Verehrung“ liegt der zweite Roman vor, der vor dem Hintergrund des Gabriel-Burns-Universums angesiedelt ist. Gabriel Burns, das ist ein Hörspiel im Stil eines Mystery-Thrillers, der von der Konzeption her nah an den Verschwörungsgehalt von Akte X angelehnt wirkt, wenngleich die thematische Ausrichtung eine völlig andere ist. Produzent Volker Sassenberg, der sich durch |Point Whitmark| bereits einen Namen gemacht hat, hat |Gabriel Burns| zum einen durch die stellenweise brutale und blutige Erzählweise, zum anderen aber auch durch eine äußerst komplexe Metahandlung, die den Hintergrund der Serie umspannt, auf ein erwachsenes Publikum hin ausgerichtet. Die Folgen sind zwar in sich abgeschlossen, verfolgen jedoch einen Hauptstrang, dessen erste Phase mit Folge 22 abgeschlossen wurde. Ein Ende ist jedoch noch lange nicht in Sicht.

Während der erste Roman „Die Grauen Engel“ die Vorgeschichte erzählte und das Leben von Protagonist Steven Burns als erfolglosem Schriftsteller und Taxifahrer schilderte, spielt der zweite Roman „Verehrung“ zur selben Zeit wie die Hörspielreihe. „Verehrung“ schließt also nicht an die Geschehnisse des Romandebüts an, sondern greift einen Nebenplot auf, der irgendwo in die ersten 20 Folgen integriert werden kann. Da die Verknüpfungen zur Haupthandlung nur lose sind, lässt sich dieses Buch problemlos ohne großartiges Vorwissen lesen und bietet zugleich eine abgeschlossene Handlung. Natürlich nicht, wie es die Gabriel-Burns-kundige Hörerschaft bereits kennt, ohne einige Fragen offen zu lassen, die Spekulationen und Fortsetzungen aller Art erlauben. Doch wenn alle Fragen geklärt wären, wäre es ja auch kein Mystery-Thriller mehr.

_Inhalt_

Das Team um Steven Burns, Bakerman, Joyce Kramer und Larry Newman trifft sich im Fairmont Hotel, direkt gegenüber dem Flughafen von Vancouver gelegen. Bakerman, der Kopf der kleinen Gruppe, die sich mysteriöser Erscheinungen auf der ganzen Welt angenommen hat, präsentiert auf wie immer verschwörerische Weise seinen neuesten Auftrag. Es geht um Calakmul, eine Maya-Sieldung tief im mexikanischen Urwald, die 1931 entdeckt worden ist. Zurzeit arbeitet Bakermans Bekannte, eine gewisse Dr. Yolanda Fuentes, in der Ausgrabungsstätte (wobei das Verhältnis zwischen Bakerman und Fuentes mehr ist als bloß ein rein freundschaftliches).

Dass der Maya-Tempel gut verborgen und nur selten von Touristen aufgesucht wird, liegt nicht nur an dessen versteckter Lage: Viele Mythen ranken sich um diesen Ort, von denen einige grausame Opferungen und blutige Rituale beinhalten. Kein Ort, der für Touristenführungen prädestiniert ist. Und ein Ende der Verschwörungstheorien ist dabei noch nicht abzusehen, zumal ein Großteil der heutigen Ruinenstadt noch verborgen liegt und etlicher weiterer Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte bedarf, um vollständig freigelegt und erforscht zu werden.

Der Grund, warum die Forschungsleiterin Bakerman um Hilfe gebeten hat, ist jedoch anderswo zu suchen. In der letzten Woche sind vier Mitarbeiter bei den Ausgrabungsarbeiten verschwunden. Aber die Polizei zu kontaktieren, wäre zu riskant. Schließlich weisen die Funde von Skulpturen und Figuren, die bisher gemacht worden sind, auf eine Epoche hin, in der die Maya-Kultur noch gar nicht existiert haben kann. Viele Abbildungen weisen nämlich erschreckende Ähnlichkeiten mit Dinosauriern auf. Doch wie konnten die Ureinwohner, die vor 2500 Jahren diese Figuren anfertigten, Dinosaurier darstellen, die vor Millionen von Jahren ausgestorben sind? Und noch erschreckender, einige Funde weisen sogar Ähnlichkeiten mit Grauen Engeln auf, jenen Gestalten, die Burns und sein Team schon mehrfach mit den zehn fahlen Orten in Verbindung bringen konnten – weltweiten Plätzen, an denen das Böse in unsere Welt dringt.

Die Zeit drängt, und so reisen Burns und Bakerman nach Mexiko, um sich die Ausgrabungsstätte genauer anzusehen. Kramer und Newman hingegen werden von Bakerman beauftragt, eine dieser Grauen-Engel-Figuren nach Toronto zu Jean-Paul Legrand, einem Experten für alte Kulturen, zu bringen, damit dieser ihnen neue Hinweise geben kann, die zu einer Erklärung der seltsamen Zufälle führen.

Doch sowohl in Mexiko als auch Toronto trifft das Team auf eine Mauer aus Schweigen. Niemand will mehr als nötig über die Figur und die Zwischenfälle in dem Expeditionscamp berichten. Als die wahren Hintergründe endlich ans Licht kommen, ist es für Burns und Co. schon fast zu spät. Denn sie werden längst von den Nachfahren der untergegangene Maya-Kultur beschattet. Und diese sind nicht gewillt, ihr Geheimnis zu offenbaren, bei dem Steven Burns eine entscheidende Rolle spielen soll.

_Bewertung_

„Verehrung“ kommt als kurzweilige Zwischenepisode daher, die den Gabriel-Burns-Hauptplot um eine exotisch angehauchte Geschichte um die Geheimnisse eines Maya-Tempels erweitert. Im Gegensatz zum Romandebüt „Die Grauen Engel“ sind Autor Andreas Gloge und Gabriel-Burns-Erfinder Volker Sassenberg als Co-Autor dieses Mal für diejenigen Leser, die die Hörspielreihe nicht kennen, behutsamer vorgegangen. Denn trotz vieler Anspielungen lässt sich der Roman auch ohne Hintergrundwissen verständlich nachvollziehen und bietet eine solide, in sich abgeschlossene Handlung. Als hätten sie einen neuen Weg beschreiten wollen, präsentiert sich auch der Buchumschlag in leicht verändertem Layout. Nur schade, dass |Ullstein| sogar das Buch um rund einen Zentimeter länger gemacht hat und der Sammler bereits nach nur zwei Romanbänden kein einheitliches Bild im heimischen Bücherschrank vorfindet.

Ungeachtet dieser Ungereimtheiten präsentiert sich „Verehrung“ aber wesentlich ausgereifter als sein Vorgänger. Der Plot ist, wenn auch aufgrund der Kürze von nur 190 großzügig bedruckten Seiten nicht sonderlich tiefgründig, klar strukturiert und schlüssig aufgebaut. Die Spannung muss nicht aus schnellen Perspektivwechseln und abgespeckten Dialogen aufgebaut werden, sondern entfaltet sich durch die Geschichte selbst. Die beiden Erzählstränge werden ab der Mitte der Handlung zusammengeführt und laufen auf ein Finale zu, das jeden Gabriel-Burns-Fan zufriedenstellen wird. So viel sei verraten: Die Möglichkeiten, die ein alter Maya-Tempel und eine untergegangene Kultur bieten, werden gut genutzt und zu einem spektakulären Finale gebracht.

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Welch, Chris – Genesis – Story und Songs kompakt

Aus heutiger Sicht scheint die Geschichte von GENESIS eher unspektakulär zu sein. Keine ausufernden Exzesse, wenig Glanz und Glamour, null Eskapaden und nicht ein einziger nennenswerter Skandal. Selbst die Trennung von Original-Sänger Peter Gabriel und das Ende der Karriere mit Phil Collins am Mikro wurden einst als Tatsache hingenommen, aber eben nicht vor den klassischen Hintergründen hinterfragt. Dies mag sicherlich auch einer der wesentlichen Gründe sein, warum beinahe vier Dekaden nach dem Release des Debütalbums „From Genesis To Revelation“ gleich drei vollwertige Generationen vollkommen hinter dem jüngst ausgerufenen, eigentlich nicht mehr erwarteten Comeback stehen.

Als die Band am 7. November 2006 öffentlich die Rückkehr in der kommerziell wohl erfolgreichsten Triobesetzung verkündete, fühlten sich nicht nur diejenigen verzaubert, die bereits damals zu Zeiten von „Nursery Crime“, „Foxtrot“ und natürlich „The Lamb Lies Down On Broadway“ das Potenzial der Musiker erkannten, sondern sicher auch der Teil der Fangemeinde, der erst über die berüchtigten Videoclips zu ‚I Can’t Dance‘ und ‚Jesus He Knows Me‘ seine ersten Kontakte mit der Band knüpfte und sie seither innig liebt. Ein guter Zeitpunkt also, um die Karriere parallel zur hierzulande gerade beendeten Tournee Revue passieren zu lassen und die Karriere sowohl historisch als auch musikalisch genauer zu analysieren.

In der Reihe „Story und Songs kompakt“ erscheint daher dieser Tage treffenderweise auch eine Ausgabe zu den britischen Progressive-Rock-Pionieren, in der die gesamte Geschichte der Legende über knapp vier Dekaden Album für Album aufgearbeitet und die unheimlich innovative Entwicklung über diese lange Periode dokumentiert wird. Begonnen mit den ersten eher schlechten als rechten Erfolgen über das Trio Infernale, die Alben zwei bis vier, bis hin zum Ausstieg von Peter Gabriel, dem ein internes wie musikalisches Zerwürfnis infolge des von ihm entworfenen Konzeptalbums „The Lamb Lies Down On Broadway“ vorausgegangen war, lernt der Leser vor allem einiges zur heute nur noch von beinharten Proggies aufgesogenen Frühphase der Band, bevor dann der Schwenk zum Pop-Rock der Achtziger mit Phil Collins am Mikro und Platten wie „Abacab“ und „Invisible Touch“ folgt, dank derer die Band auch in den erfolgstechnisch mageren Zeiten der progressiven Musik locker bestehen konnte, ohne sich dabei in irgendeiner Weise anzubiedern. Dass die Band selbst mit eingängigen Hitproduktionen wie dem zu dieser Zeit stilistisch radikal erscheinenden ‚I Can’t Dance‘ innovative Weg beschritt, rechneten Fans ihr damals wie heute mit größtem Respekt an, was wiederum in der ungeheuren Nachfrage zum Comeback mündete, der Rutherford, Banks und Collins dieser Tage endgültig und gottlob Rechnung trugen.

Diese musikalische Chronik wird im vorliegenden Dokumentarwerk sehr gut nachgezeichnet. Fundiert, wenn insgesamt auch ein wenig unkritisch, werden die zahlreichen Highlights der langen Karriere hervorgehoben und selbst die Soloalben der Musiker einer genaueren Betrachtung unterzogen. Gleich ein Drittel des Buches gilt den von der Band unabhängig veröffentlichten Scheiben, unter denen sich sogar die Veröffentlichungen des einstweiligen Collins-Nachfolgers Ray Wilson befinden – und dies bis zum heutigen Zeitpunkt.

Dementsprechend wird der 180 Seiten starke ‚Wälzer‘ dem Anspruch auf Komplettierung der Historie uneingeschränkt gerecht, wenngleich es sich – und auch das sagt der Titel – um eine sehr kompakte Abhandlung handelt. Aber um einen Überblick über das Schaffen der beliebten Superstars zu bekommen und besonders die wohl wichtigste Anfangsphase zu erfassen, ist dieses Werk gerade für den jüngeren Fan unentbehrlich und folgerichtig auch absolut empfehlenswert. Aufgewertet wird das Ganze schließlich noch mit einigen raren Bildern aus allen Schaffensphasen der Briten, die das Mysterium um diese Combo wohl am treffendsten erfassen. Gewöhnliche Menschen, aber unberechenbare Musiker!

http://www.bosworth.de/

Maria Hilz – Audie Murphy. Eine Bio- und Filmografie

Hilz Audie Murphy Cover kleinEin kurzes, dramatisches, tragisches Leben

Ein Leben als Kampf: 1924 wird Audie Murphy als Sohn armer Wanderarbeiter in Texas geboren. Er wächst in schwierigen Familienverhältnissen auf, muss schon früh auf eigenen Füßen stehen und dabei manchen Tiefschlag einstecken. Sobald er volljährig ist, tritt Murphy in die Armee ein. Der Zweite Weltkrieg führt ihn über Nordafrika nach Sizilien und – den zurückweichenden deutschen Truppen folgend – quer durch ganz Europa. Dabei entpuppt sich der blutjunge Mann als Paradesoldat, der immer wieder durch gewagte Erkundungsgänge, gefährliche Kommandounternehmen und tollkühne Attacken auffällt. Als der Krieg endet, ist Murphy der höchstdekorierte Angehörige der US-amerikanischen Streitkräfte und ein Nationalheld. Maria Hilz – Audie Murphy. Eine Bio- und Filmografie weiterlesen

Barclay, James – Zauberkrieg (Die Legenden des Raben 4)

|Die Chroniken des Raben|:
[„Zauberbann“ 892
[„Drachenschwur“ 909
[„Schattenpfad“ 1386
[„Himmelsriss“ 1815
[„Nachtkind“ 1982
[„Elfenmagier“ 2262

|Die Legenden des Raben|:
[„Schicksalswege“ 2598
[„Elfenjagd“ 3233
[„Schattenherz“ 3520

_Story_

Der Rabe entkommt dank mehrerer Schicksalswendungen den Katakomben von Xetesk und hinterlässt in den geheimen Räumen des Kollegs eine Spur der Verwüstung. Nichtsdestotrotz ist sich der Oberste Magier des dunklen Kollegs der baldigen Alleinherrschaft über Balaia sicher, da die Forschungen zur Dimensionsmagie derart fortgeschritten sind, dass man bereits in Kürze einen Spruch wirken kann. Die Generalprobe hinterlässt dabei ein Bild der Grausamkeit; mit einem Sturm werden die angreifenden Truppen aus Lystern und Dordover fast gänzlich ausgelöscht.

Siegessicher treibt Dystran seine Armeen nach Julatsa, um dort die Bergung des Herzens, des Kerns des julatsanischen Manas, zu verhindern und das Gleichgewicht zugunsten der xeteskianischen Magie zu verändern. Doch auch der Rabe reitet in seinem möglicherweise letzten Gefecht nach Julatsa, fest entschlossen, Ilkars letzten Wunsch zu erfüllen und das Kolleg neu zu beleben. Doch die Zeit verrinnt, denn Xetesk marschiert mit neuen magischen Waffen, und die Defensive Julatsas scheint völlig unvorbereitet. Und währenddessen ringt der Rabe außerdem noch mit dem Schicksal von Erienne, die der Kraft der Magie des Einen mehr und mehr unterworfen wird.

_Meine Meinung_

In einem seiner letzten Romane um den Bund des Raben entwirft James Barclay bereits ein Szenario, welches bis zur letzten Seite einem opulent ausgemalten Finale gleicht und einem solchen auch völlig würdig erscheint. Wieder einmal mischt der Autor rührende menschliche Emotionen mit den treffendsten Stilmitteln der modernen Fantasy und setzt einmal mehr auf die Aussagekraft eines mit magischen Waffen ausgetragenen Krieges. Anders jedoch als bei der letzten großen Schlacht in „Himmelsriss“ bekämpfen die Balaianer sich in diesem Fall gegenseitig.

Unter der Herrschaft Dystrans versucht vor allem Xetesk, endgültig die Vormachtstellung zu erlangen, und treibt die Forschungen um die Dimensionsmagie mit ungeheurem Tempo voran. Denser, einst selber im dunklen Kolleg tätig, ahnt bereits, welche Mächte sich in den Katakomben seiner ehemaligen Heimat regen, ist aber zu sehr mit dem Schicksal seiner Gattin Erienne beschäftigt, um die ersten Warnzeichen richtig zu deuten, so dass der ultimative Schlag unmittelbar bevorsteht, vom Raben aber nicht als solcher wahrgenommen wird.

Unterdessen planen auch die Kollegien in Lystern und Dordover, gemeinsam an die Macht zu gelangen, und machen nicht nur Jagd auf den Raben und Erienne, sondern versuchen derweil auch, Xetesk vorzeitig auszuschalten. Allerdings erahnen weder Heryst noch Vuldaroq, die beiden Anführer der Kollegien, die Pläne des jeweils anderen und bilden infolge dessen keine verschworene Gemeinschaft. Doch ihre Chancen stehen sowieso denkbar schlecht, denn ihre erste Angriffswelle, die noch stattfinden soll, als der Rabe in Xetesk für Chaos sorgt, endet in einer Katastrophe. Die Dimensionsmagier des dunklen Kollegs wirken den blauen Sturm und zerstören um die Mauern der Stadt herum alles und jeden, der die Gefahr nicht rechtzeitig erkennt.

Erst hier wird dem Raben bewusst, wie schlecht es bereits jetzt um Balaia steht. Sollte schließlich auch noch Julatsa erobert werden, käme das dem Untergang des gesamten Kontinents gleich. Aus dieser Motivation heraus und im Bestreben, Ilkars letzten Willen zu berücksichtigen, stürmen sie gemeinsam mit den Elfen nach Julatsa. Doch bereits auf dem Weg dorthin realisieren Denser, Hirad, Thraun, Darrick, der unbekannte Krieger und die gescholtene Erienne, dass ihre neue Aufgabe schier unmöglich erscheint – selbst für den kampferprobten, legendären Raben.

„Zauberkrieg“ ist bis dato sicherlich das spannendste und somit auch beste Buch in der Reihe der „Legenden des Raben“ und bringt darüber hinaus ganz klar auf den Punkt, warum Barclays Fantasy schlichtweg magisch ist. Die Art und Weise, wie er Schicksale beschreibt, ganz unerwartete Wendungen in die Handlung integriert, Situationen völlig aussichtslos erscheinen lässt und selbst die waghalsigsten Schlachtszenarien absolut glaubwürdig aufbaut, ist auf obersten Niveau gehalten und problemlos auf eine Stufe mit legendären Autoren wie Tolkien und Martin zu setzen. Hinzu kommt diese faszinierende Charakterisierung der einzelnen Protagonisten, die Darstellung ihrer gänzlich individuellen Motive und schlussendlich ihr gesamtes Handeln, welches jede(n) einzelne(n) von ihnen zu unvergleichlichen Identifikationsfiguren avancieren lässt, denen man auf jedem Pfad und auf jeder noch so gefährlichen Reise folgen möchte. Natürlich lassen sich auf diesem Wege Parallelen zu den Gefährten um den Ring nicht ausschließen, doch legt Barclay viel mehr Wert darauf, jeden einzelnen Charakter als ganz besonderes Unikat innerhalb dieser Serie auftreten zu lassen und eben nicht nur als Teil der Gruppe – in „Zauberkrieg“ phasenweise deutlicher denn je zuvor.

Dies evoziert andererseits jedoch auch einen Zustand des Bedauerns, was die Nachlese betrifft. Die Geschichte des Raben geht mit den nächsten beiden Büchern vorerst zu Ende und damit auch die Historie der meines Erachtens faszinierendsten, beeindruckendsten Fantasy-Kompanie, die auf diesem Gebiet ein Autor hervorgebracht hat. Mit „Zauberkrieg“ bekommt man bis hierhin noch einmal ein Gourmetstück des hochwertigen Epos‘ geboten, ein Buch, das mit allen elementaren Versatzstücken der gesamten Geschichte garniert wurde. Und einen Roman, der fesselt wie nur wenige andere Bücher in diesem Genre!

http://www.heyne.de

Dennis Foon – Die Rückkehr der Novakin (Das Vermächtnis von Longlight, Band 3)

Das Vermächtnis von Longlight:

Band 1: „Die Stunde des Sehers“
Band 2: „Die Stadt der vergessenen Kinder“

Roan hat sich endlich dafür entschieden, die Rettung seiner Schwester Stowe ihrem Lehrmeister Willum und Mabatan anzuvertrauen. Er selbst hat sich zu den Apsara aufgemacht, jenen Amazonen, zu denen auch Saints Gefährtin Kira gehört. Von dort aus will er die Bewohner des Flusslandes gegen Darius einen. Doch das ist leichter gesagt als getan: Die Hhroxhi oder Bluttrinker können sich nicht einigen, ob sie Roan unterstützen sollen oder nicht, der Streit droht das Volk zu spalten. Die Bewohner der Oase wollen zwar Darius stürzen, die Vernichtung des Staubs, die Roan anstrebt, aber unbedingt verhindern. Der größte Teil der Gouverneure, die die Metropolis mit Rohstoffen und Lebensmitteln versorgen, kann nicht für den Aufstand gewonnen werden, und Roans Sabotageakte werden durch eine geheimnisvolle neue Waffe sabotiert, die unbedingt ausgeschaltet werden muss, soll der Aufstand erfolg haben. Am schwersten jedoch fällt Roan die Zusammenarbeit mit den Brüdern …

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Carol Berg – Tor der Verwandlung (Rai-Kirah-Saga 1)

Seyonne ist seit sechzehn Jahren Sklave im derzhischen Kaiserreich. Nach all diesen Jahren des Elends und der Erniedrigung ist er ein gebrochener Mann, dessen einziges Ziel es ist, weitere Misshandlungen so gut wie möglich zu vermeiden. Doch dann wird er an den Kronprinzen verkauft, und schlagartig ändert sich alles! Nicht nur, dass dieser Fremdling das Feadnach in sich trägt, eine Art helles Licht und Zeichen dafür, dass er zu Großem bestimmt ist; Seyonne entdeckt, dass der Botschafter des benachbarten Volkes der Khelid von einem Dämon besessen ist. Und Seyonne ist der Einzige, der fähig ist, die Gefahr zu erkennen. Aber welcher adlige Derzhi hört schon auf einen Sklaven?

Die Handlungsträger

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Remes, Ilkka – Höllensturz

_Story_

Im nordfinnischen Provinzörtchen Pudasjärvi entdecken drei Wilderer die Leiche einer jungen Frau, der bereits kurze Zeit der Fund einer weiteren Toten folgen soll. Karri Vuorio, ein einstiger Großunternehmer, der sich der Wilderertruppe aus Abenteuerlust angeschlossen hatte, ist zutiefst entsetzt, handelt es sich bei den beiden Toten, Erja und Anne-Kristiine, doch um enge Freundinnen seiner Ehegattin Saara, einer Bibelforscherin, die jüngst in den Nahen Osten aufgebrochen ist, um ihre aktuellen Wissenschaften voranzubringen.

Die Kriminalkommissarin Johanna Vahtera wird mit dem Fall beauftragt und erfährt alsbald, dass sich die beiden Opfer, Saara und eine weitere junge Dame namens Lea, kürzlich in einem libanesischen Restaurant getroffen haben, kurz bevor die Vuorio nach Jordanien aufgebrochen ist. Vahtera nimmt Kontakt zu Lea auf und vereinbart ein Treffen in ihrem Haus, findet aber zum vereinbarten Zeitpunkt nur noch ihre Leiche auf.

Nun überschlagen sich die Ereignisse; der dreifache Mord erschüttert die gesamte Region, und als Karri schließlich noch erfährt, dass seine Frau von einer Gruppe islamischer Fundamentalisten entführt wurde, brechen in Pudasjärvi mehrere Welten zusammen. Haben die Morde etwas mit der Verbundenheit der Damen zur Glaubensgemeinschaft der Laestadianer zu tun? Besteht tatsächlich eine Verbindung zwischen den Attentaten und der Entführung in Nahost? Und welche Rolle spielen die inzwischen hinzugestoßenen Israelis, die großes Interesse daran bekunden, Saara zu befreien? Karri reist entgegen aller Vernunft nach Amman und versucht mit dem europäischen Spezialagenten Timo Nortamo, seine Frau zu befreien. Doch derweil spitzt sich auch in Finnland die Lage zu …

_Persönlicher Eindruck_

Nach dem fantastischen Debüt auf dem deutschen Markt, „Ewige Nacht“, durfte man berechtigterweise mit sehr großen Erwartungen auf den neuen Remes-Thriller „Höllensturz“ vorausschauen, selbst wenn die teils religiösen Inhalte zunächst einmal oberflächlich Skepsis hervorriefen, schließlich scheint dieser Themenkreis derzeit immer mehr Buchautoren zu inspirieren. Allerdings zäumt der Finne das Pferd von hinten auf und macht den brisanten religiösen Hintergrund nicht zum Aufhänger seines neuen Romans, sondern fügt ihn nahtlos und kontinuierlich in seine atemberaubende Kriminalgeschichte ein, die aufgrund der Fülle von stetig neuen Informationen in Sachen Spannung niemals abreißt und letztendlich den Anspruch auf ein Meisterwerk, wie er damals bei „Ewige Nacht“ berechtigt gestellt werden durfte, auch völlig befriedigt.

Dabei benötigt „Höllensturz“ jedoch eine nicht gerade unbescheidene Anlaufzeit, bis sich die komplexen Schemen lösen und die Szenerie vom Leser halbwegs nachvollziehbar nachkonstruiert werden kann. Zunächst nämlich versucht man vergeblich, die wirren Zusammenhänge zwischen der Mordserie in Saara Vuorios Heimat mit der Entführung der Bibelforscherin zu finden und den recht losen Gedankenkonstrukten eine Verbindung zuzuweisen. Zu weit hergeholt scheinen die ersten Theorien im Bezug auf Terrorakt und Dreifachmord in der finnischen Provinz. Dementsprechend zügig gehen dann auch die Ermittlungen voran; der Mörder scheint schnell gefunden, seine Motive erscheinen transparent und der befürchtete Aufwand erweist sich für die Ermittler fast schon als haltlos, noch bevor die Medien überhaupt Kenntnis von der Existenz der Ratte, wie Vahtera den Mörder bezeichnet, nimmt.

Dies ist für Remes genau der richtige Zeitpunkt, um das thematisch brisante Puzzle kurz auseinanderzureißen und die vorerst falsch eingesetzten Teile mit unheimlichem Geschick richtig zusammenzusetzen. Mit Karris Aufbruch nach Nahost werden die Grenzen der Ermittlungen in Pudasjärvi gesprengt; und wie schon zuvor eröffnet der Autor seiner Geschichte plötzlich eine Tragweite, die abzuschätzen man später kaum noch wagt. Internationale Organisationen, verschiedene Terrororganisationen und dazu noch einige unberechenbare Elemente halten Einzug in die Story, und noch bevor einem bewusst wird, welch enormes Geflecht Remes insgesamt doch wieder gesponnen hat, befindet man sich inmitten eines durch und durch von Verschwörungen und Überraschungen gezeichneten Thrillers, dem es zwar bisweilen ein wenig an tatsächlichem Realitätsbezug fehlt (diverse Entwicklungen laufen definitiv zu optimal und idealistisch), welcher aber genau diesen unbeschreiblich hohen Gehalt an Spannung innehat, wie es in dieser Sparte nur ein Qualitätswerk aufweisen kann. Darüber hinaus sind die Charakterzeichnungen auch dieses Mal wieder brillant, getragen von einer durchaus heftigen Entwicklung und erstellt auf Profilen, die kaum professioneller ausgearbeitet sein könnten.

Mit anderen Worten: Ilkka Remes ist allen Anforderungen gerecht geworden, die ein Genre-Meisterwerk beansprucht, und hat dabei den Balanceakt zwischen religiösen Verschwörungen, politischen Außergewöhnlichkeiten und einer reinen Kriminalgeschichte geschickt und gekonnt vollzogen – ohne dabei auch nur im Ansatz in die Reihe der Dan-Brown-Epigonen abzudriften. „Höllensturz“ ist der nächste Auszug einer bis dato bemerkenswerten Schriftstellerkarriere und eines der größten Schmankerl der aktuellen Saison!

http://www.ilkka-remes.de/
http://www.dtv.de/

_Ilkka Remes auf |Buchwurm.info|:_

[„Ewige Nacht“ 2039
[„Das Hiroshima-Tor“ 2619
[„Blutglocke“ 3911

Tandefelt, Henrik – Ultramarin

Im Vorwort seines Buches „Ultramarin“ schreibt Henrik Tandefelt:

|“Ein Krimi enthält vor allem Sex und Gewalt. Die Sprache ist niveaulos, die Charaktere sind billig. Deshalb ist es nicht gesund, Krimis zu lesen!“| (Seite 6)

Inwiefern sich das verallgemeinern lässt, ist fraglich. Schließlich gibt es auch genug Autoren, die das Gegenteil beweisen. Henrik Tandefelt möchte auch zu diesen gezählt werden. In seinem zweiten Roman schickt er deswegen den sympathischen Ich-Erzähler aus seinem Debüt [„Lauf, Helin, lauf!“ 3912 ins Rennen. Allerdings verschlägt es den Fotografen Joseph Friedmann dieses Mal nach Helsinki anstatt nach Småland.

Seine Freundin, die Opernsängerin Bella, hat eine Gastrolle an der finnischen Nationaloper bekommen, und Josef, der nicht wirklich etwas zu tun hat, kümmert sich um den Haushalt und die Hunde. Der Frieden währt allerdings nicht lange. Lindström, der Polizist, der mit Josef dessen ersten „Fall“ gelöst hat, ruft an und macht ihn mit einem Freund, der bei der Polizei in Helsinki arbeitet, bekannt.

Josef schließt Freundschaft mit Olli Mustonen und besucht ihn gerne in seinem abgelegenen Ferienhaus. In der Nähe liegt ein verwaister Hof, auf dem vor fünf Jahren der griesgrämige Arzt Jens Bäck ermordet wurde. Seitdem fehlen drei Bilder des russischen Malers Ajvazovskij und Bäcks Gehilfe Dimitri. Die Ermittlungen verliefen damals im Sande, doch natürlich kennt Josefs Neugier keine Gnade. Er beginnt auf dem Hof und in Bäcks Leben herumzuschnüffeln. Bald findet er heraus, dass Bäck, anders als die Polizei glaubt, sehr wohl einen Sohn hat, der in Schweden lebt und behauptet, seinen Vater kaum zu kennen. Warum ist er aber dann auf vielen Fotos mit Bäck zu sehen? Das soll nicht die einzige Ungereimtheit bleiben …

Was die Kritik in seinem Vorwort angeht, hält Tandefelt Wort. Josef Friedmann ist ein äußerst sympathischer Charakter. Er erzählt aus der Ich-Perspektive im Präsens, was anfangs gewöhnungsbedürftig ist. Seine Wesenszüge sind klar gezeichnet, wirken aber etwas zu positiv. Es mangelt an wirklichen Macken, die den Protagonisten noch authentischer hätten dastehen lassen.

Die Geschichte konzentriert sich hauptsächlich auf Josefs Sicht, doch wie bei „Lauf, Helin, lauf!“ gibt es auch bei „Ultramarin“ eine zweite Perspektive. Während sie das letzte Mal aus der Sicht des menschlichen Opfers erzählte, begleitet sie dieses Mal die drei gestohlenen Gemälde und berichtet, jeweils aus dem Blickwinkel des momentanen Besitzers, wie sie immer weiter gegeben werden. Das ist auf jeden Fall ein geschickter Schachzug, auch wenn diese erfrischenden zweiten Perspektiven eher selten sind.

Als niveaulos kann man Tandefelts Schreibstil ebenfalls nicht bezeichnen. Er schreibt gehoben, aber dennoch einfach. Da aus der Ich-Perspektive erzählt wird, ist alles sehr subjektiv gefärbt, was kein Nachteil ist. Die persönliche Note macht es leicht, sich mit Josef Friedmann zu identifizieren, und seine lockere, humorvolle Art gefällt. Das Erzähltempus – Präsens – ist zwar, wie gesagt, etwas gewöhnungsbedürftig und hakt auch an einigen Stellen, alles in allem präsentiert sich „Ultramarin“ aber als runde Angelegenheit.

Einzig die Handlung dürfte dem Leser ein bisschen Kopfschmerzen bereiten. Tandefelt verlässt sich tatsächlich mehr auf die leisen Töne als auf Sex und Gewalt, aber so einen dichten, spannenden Plot wie bei seinem ersten Buch bekommt er dieses Mal nicht hin. Das liegt eventuell daran, dass es weniger Perspektiven und weniger aufzuklärende Fälle gibt.

Während sich „Lauf, Helin, lauf!“ durch eine mehrdimensionale Geschichte mit vielen losen Spannungsenden auszeichnete, ist „Ultramarin“ sehr einstrangig. An einigen Stellen plätschert die Story vor sich, und trotz des schönen Erzählstils finden sich einige Ausschweifungen. Tandefelt tendiert sehr stark dazu, präzise jeden einzelnen Handlungsschritt von Josef aufzuzählen. Mit der Zeit wird das mühsam, genau wie die Wiederholungen bei Josefs Ermittlungsarbeit. Man hat das Gefühl, als ob sein Leben daraus bestünde, Leute aufzutreiben, mit ihnen zu telefonieren und sie zu besuchen. Das führt dazu, dass die Handlung sich des Eindrucks einer leichten Konstruiertheit nicht erwehren kann.

Trotzdem gefällt Tandefelts Schreibstil nach wie vor. Wer die schwedische Krimischwermut satthat, wird an diesem Autor Gefallen finden, auch wenn „Ultramarin“ nicht an seinen Vorgänger heranreicht. Es bleibt aber zu hoffen, dass die sympathische Hauptfigur uns auch in weiteren Büchern beehrt. An der Art und Weise, wie Henrik Tandefelt seine Bücher schreibt, liegt es nämlich nicht. Es ist fast einzig und allein die Handlung, die in diesem Fall nicht ganz rund läuft.

http://www.dtv.de

Barclay, Linwood – Ohne ein Wort

Um „Ohne ein Wort“ von Linwood Barclay wird in den Medien derzeit ein ziemlicher Wirbel veranstaltet. |Ullstein| hat sogar eigens eine [Website]http://www.ohne-ein-wort.de ins Leben gerufen und bewirbt das Buch mit einem Filmtrailer.

So viel Tamtam ist man eher von Autoren der Größenordnung einer Joanne K. Rowling gewohnt. Dementsprechend hoch sind deshalb die Erwartungen an „Ohne ein Wort“. Ist Linwood Barclay wirklich der neue Stern am Thrillerhimmel, wie der Verlag suggeriert?

Eine Supernova ist es nicht gerade, die Barclay dem Leser beschert, aber immerhin auch kein schwarzes Loch. „Ohne ein Wort“ ist ein gemütliches Büchlein, das sich hauptsächlich durch seine Alltagsnähe auszeichnet.

Nun gut. Das, was Cynthia Archer, mittlerweile 39 und Ehefrau und Mutter einer achtjährigen Tochter, mit vierzehn Jahren erlebt hat, ist alles andere als alltäglich. Nach einem heftigen Streit mit ihren Eltern wacht sie am nächsten Morgen auf und muss feststellen, dass alle verschwunden sind. Das große Haus ist leer, ihre Eltern und der ältere Bruder Todd sind samt den Autos verschwunden. Gepackt haben sie nichts, auch einen Abschiedsbrief haben sie nicht hinterlassen. Was ist passiert? Wurden die Bigges ermordet? Wieso wurde Cynthia verschont?

25 Jahre später möchte Cynthia Licht ins Dunkle bringen und wagt einen verzweifelten Versuch. Mithilfe eines lokalen Fernsehsenders dreht sie eine Reportage über ihr Schicksal und hofft, dass die Zuschauer ihr weiterhelfen können. Anfangs passiert nichts, doch dann fühlt Cynthia sich plötzlich verfolgt, in ihr Haus wird eingebrochen und am Ende stirbt auch noch ihre geliebte Tante Tess, die sie aufgezogen hat. Wenig später findet die Polizei einen zweiten Toten, Denton Abagnall. Der Privatdetektiv sollte im Auftrag der Archers ermitteln, und das hat ihn das Leben gekostet. Doch anstatt den wahren Mörder zu suchen, der laut Cynthia von den Ereignissen vor 25 Jahren weiß, ermittelt die Polizei gegen die Familie. Da trifft ein anonymer Brief ein, der mit dem Verschwinden von Cynthias Eltern zu tun hat …

Anders als man es vielleicht erwartet, ist Cynthia nicht die Erzählerin dieser Geschichte. Ihr Mann Terry berichtet, wie das Wiederaufrollen des Verschwindens die Familie zerrüttet und ihren Alltag belastet. Terry ist ein sympathischer Ich-Erzähler, wenn auch nicht sonderlich interessant. Er verkörpert den netten, aber leicht langweiligen Lehrer, der es mit niemandem böse meint. Trotzdem ist er gut ausgearbeitet und wirkt dadurch, dass er so alltäglich ist, sehr authentisch.

Der Schreibstil, der Terry Archer begleitet, ist sehr stimmig gelungen. Barclay schreibt flüssig mit einem leichtfüßigen, nie bösen Humor. Sein Wortschatz ist gewählt, aber nicht zu sehr, und sein Satzbau ist klar. „Ohne ein Wort“ lässt sich sehr flüssig und angenehm lesen.

Bei den anderen Personen ist es ähnlich. Sie sind gut ausgearbeitet, aber es fehlt ihnen an Originalität. Sie wachsen dem Leser zwar ans Herz, aber wer auf der Suche nach etwas Neuem und Besonderem ist, wird bei „Ohne ein Wort“ nicht fündig. Insgesamt präsentiert sich das Buch mehr als Hausmannskost denn als echte Delikatesse.

Das merkt man auch der Handlung an, die recht konventionell aufgebaut ist. Alle Ereignisse, die darauf hindeuten, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht, bleiben in einem Rahmen, der nur wenig Spannung zulässt. Das bedeutet nicht, dass die Story schlecht wäre. Im Gegenteil baut Barclay sein Buch logisch auf und steigert die Spannung schön zum Ende hin. Dennoch ist das Buch nicht so fesselnd wie manch anderer Psycho-Thriller. Dafür fehlen die wirklich ausgefallenen Ereignisse und weniger leicht durchschaubare Ungereimtheiten.

Was Barclay sich über das Buch hinweg aufbaut, hält er am Ende leider nicht ein. Die Auflösung des Falls ist nicht wirklich spektakulär, auch wenn sie überrascht. Trotzdem hätte es sich gelohnt, das Ende so zu gestalten, dass die Auflösung auch wirklich am Ende steht. An dieser Stelle verschießt Barclay sein Pulver ein wenig zu früh, auch wenn man seiner sauberen Handarbeit keinen Vorwurf machen kann.

Insgesamt ist „Ohne ein Wort“ ohne Frage ein Psycho-Thriller der besseren Sorte. Der Schreibstil ist gelungen und reißt mit, und die Personen sind sympathisch, wenn auch nicht gerade Originale. Barclays Art, auf Qualität statt auf Innovation zu setzen, rächt sich erst bei der Handlung. Der Aufbau ist konventionell und das Ende wenig spektakulär. Dadurch hat die Spannung wenig Gelegenheit, um sich wirklich gut zu präsentieren, verschwindet aber nie von der Bildfläche.

http://www.ullstein-taschenbuch.de