Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Douglas Coupland – Amerikanische Polaroids

Fotos von den Toten

Kultautor Douglas Coupland, literarische Stimme der Generation X, zeigt in seinem neuesten Buch faszinierende Schnappschüsse vom Leben und Sterben in den frühen neunziger Jahren. Seine brillant erzählten Stories und Reportagen sind gelungene Variationen über eine Zeit, die schon Geschichte ist. (Verlagsinfo)

Der Autor

Douglas Coupland ist die literarische Stimme der sogenannten „Generation X“, jener jungen Leute Anfang der 90er jahre, die vom Materialismus und Erfolgstreben der 80er Jahre desillusioniert waren und nun als „Slacker“ in den Tag hineinlebten und sich nur mit kleinen „McJobs“ über Wasser hielten.Ich habe „Generation X“ gelesen und fand es inzwischen obsolet und irrelevant. Viel mehr konnte ich dem einfühlsamen „Life after God“ und dem kritisch-engagierten, sehr witzigen „Microsklaven“ („Microserfs“) abgewinnen.

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Barker, Clive – Das erste Buch des Blutes (Lesung)

Eine höllische Weihnachtsgeschichte, stilecht vorgetragen

Leser mit schwachen Nerven seien gewarnt: Clive Barker ist nichts für zart besaitete Gemüter! In seinen phantastischen Geschichten beschwört er voller Wortgewalt das Grauen und geht über alles hinaus, was man sich in seinen schlimmsten Alpträumen vorgestellt hat. (Verlagsinfo) Für seine „Bücher des Blutes“ bekam Clive Barker 1985 den World- und den British Fantasy Award. Seine Schrecken sind (meist) in der realen Welt angesiedelt, im Hier und Jetzt, oft sogar mitten in der Großstadt.

Ein dicker Pluspunkt dieses Hörbuchs: Die drei ausgewählten Erzählungen sind ungekürzt zu hören! Das bedeutet aber auch: Erst ab 16 Jahren zu empfehlen.

Der Autor

Clive Barker, 1952 in Liverpool geboren, ist der Autor von bislang zwanzig Büchern, darunter die sechs „Bücher des Blutes“. Sein erstes Buch für Kinder trägt den Titel „The Thief of Always“ (Das Haus der verschwundenen Jahre). Er ist darüber hinaus ein bekannter bildender Künstler, Filmproduzent und -regisseur („Hellraiser 1“) sowie Computerspiel-Designer

Er lebt in Beverly Hills, Kalifornien, mit seinem Lebenspartner, dem Fotografen David Armstrong, und ihrer Tochter Nicole. Sie teilen sich das Haus mit vier Hunden, fünf Goldfischen, fünfzehn Ratten, unzähligen wilden Geckos und einem Papagei namens Malingo.

Seit 2002 veröffentlicht Barker einen Zyklus von wunderschön illustrierten Kinderbüchern mit dem Titel [„Abarat“. 1476 Alle Bücher spielen in der titelgebenden Fantasywelt, die – wie könnte es anders sein – auch einige teuflische Figuren vorweisen kann. Sie machen der 16-jährige Heldin Candy Quackenbush das Leben im Abarat schwer.

http://www.clivebarker.com/

Sprecher & Team

Matthias Koeberlin, geboren 1974, absolvierte die Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam. Für seine Verkörperung des Ben in „Ben & Maria – Liebe auf den zweiten Blick“ erhielt er den Günther-Strack-Fernsehpreis. Für seine Interpretation des Lübbe-Hörbuchs [„Das Jesus-Video“ 267 wurde er für den Deutschen Hörbuchpreis des WDR (2003) nominiert. In der ProSieben-Verfilmung des Bestsellers spielte er den Stephen Foxx.

Regie führte Marc Sieper, die Musikalischen Motive stammen von Andy Matern.

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde [„Der Cthulhu-Mythos“ 524 zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik Preis 2003). Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

Die Erzählungen

Das Hörbuch bietet lediglich eine Auswahl aus den Storys des Buches.

|1) „Das Buch des Blutes“|

„Auch die Toten haben Straßen“, lautet der schaurige erste Satz. Die Totenstraßen haben Mautstellen ebenso wie Kreuzungen, und an einer dieser Kreuzungen liegt das Londoner Haus am Tollington Place 65. Es steht leer und ein Spalt schlängelt sich durch die Mitte seiner 18.-Jahrhundert-Fassade. Der Riss zwischen den Welten der Lebenden der Toten führt zu einem undefinierbaren Gestank, der selbst das Ungeziefer vertrieben hat.

Seit drei Wochen führt das Parapsychologische Institut einer Uni in Essex hier Untersuchungen durch – oder vielmehr ein Experiment mit einem Medium. Dieses Medium ist der 20-jährige Simon McNeal. Doch Simon ist ein Schwindler, der behauptet, er könne prominente Tote wie John Lennon herbeizitieren und von ihnen Berichte, Briefe und Zeichnungen anfertigen lassen.

Die Psi-Forscherin Dr. Mary Florescu arbeitet im Stockwerk unter dem Schreibezimmer. Die Witwe hält Simon keineswegs für einen Schwindler und ist sogar ein wenig scharf auf den schönen Jüngling. Besonders dann, wenn er wie so oft nur eine Unterhose anhat …

Rick Fuller, ihr Fotograf, hat auf einmal eine Aura. Das findet Mary merkwürdig, aber es kommt noch besser: Die Wände und Decken des Hauses werden durchsichtig. Sie erblickt die Verkehrsader der Toten. An dieser Kreuzung dürfen nur Verursacher und Opfer von Gewalttaten passieren, und sie hört Schmerzensschreie, sieht die Wunden. Doch das gilt auch umgekehrt: Die Toten bemerken das Haus, als die Grenze verschwindet, und sie sehen, dass Simon, der Schwindler, die Geschichten von Toten frei erfunden hat. Das soll er büßen.

Die Toten verlangen Genugtuung, und als Mary zum Schreibezimmer hinaufgeht, sieht sie durch die Wände hindurch, was sie mit ihm anstellen: Sie schreiben in seine Haut hinein, schreiben ihre eigenen Geschichten wie in ein Buch, ein Buch des Blutes, an jede Stelle seines zuckenden, Abbitte leistenden Leibes …

Marys Erscheinen im Zimmer vertreibt die Toten. Sie begutachtet ihr Werk und weiß, dass sie die Geschichten veröffentlichen muss. McNeal wird leben, und er ist auf immer an Mary gebunden. Für Rick Fullers Verstand kommt hingegen jede Hilfe zu spät.

|Mein Eindruck:|

Die Story leitet nicht nur das Generalthema des Zyklus der sechs „Bücher des Blutes“ ein: die Geschichten der Toten und des Todes. Sie stellt auch eine Warnung dar. Mann sollte diese Geschichten ernst nehmen. Wer weiß, vielleicht könnten einem dies sonst die Toten übel nehmen und sich wie an Simon McNeal rächen. Die zweite Warnung richtet sich an unbedarfte Leser, die meinten, sie wüssten, was Horror ist. Nein, hier geht es hammerhart zur Sache, ohne angezogene Handbremse oder Bremsfallschirm. Man weiß nie, was auf einen zukommt, aber der Autor warnt den Leser ausdrücklich: Machen Sie sich auf das Schlimmste gefasst. Auch ein guter PR-Spruch.

|2) „Der Mitternachts-Fleischzug“|

Leon Kaufman ist erst seit dreieinhalb Monaten in New York City, der „Hochburg der Lust“, doch schon hat die Stadt seiner Träume ihren Glamour verloren. Sie bringt nicht Lust hervor, sondern Gewalt. Man nehme zum Beispiel den Fall der Schlachthaus-U-Bahn. Loretta Dyer wurde nackt und ausgeblutet von der Decke hängend gefunden, gerade so, als wäre sie eine Fleischseite beim Schlachter. Und erst gestern gab es gleich drei von dieser Sorte, nur wurde der Täter offenbar bei seiner „Arbeit“ gestört. Sie waren noch nicht ausgeblutet. Leon schaudert, als er zur Arbeit geht. Im Café meint ein Fettwanst, es handele sich um irgendwelche Ungeheuer aus der Retorte. Oder um einen durchgeknallten Cop auf der Pirsch nach Frischfleisch.

Mahogany erwacht pünktlich um 18:00 Uhr zur Nachtschicht. Er ist ein Auserwählter auf einer heiligen Missen, der einer alten Tradition folgt, jener der „Jäger der Nacht“ wie etwa Jack the Ripper. Jeder Jäger ist wählerisch: Mahogany sucht nur die Jungen und Gesunden heraus aus der Masse der U-Bahn-Benutzer. Leider hat der Job auch seine Nachteile: Ewiger Ruhm bleibt ihm versagt. Und nach zehn Jahren ist er mittlerweile etwas müde und langsam, weshalb ihm Fehler wie bei Loretta Dyer unterlaufen. Seine Meister mögen das überhaupt nicht, denn sie sind auf das Fleisch, das er ihnen bringt, angewiesen. Kurzum: Er braucht einen Nachfolger, einen Lehrling, dem er die Kniffe seines Handwerks beibringen kann.

Leon Kaufman nimmt die U-Bahn, die ihn um 23:10 nach Hause in Far Rockaway bringen soll. Schon bald schläft er ein. Weil die Polizei in einem Blumenhändler aus der Bronx den U-Bahn-Schlächter erwischt zu haben glaubt, gibt es heute Abend weniger Kontrollen als sonst. Als er aus einem Traum von Mutti aufschreckt, fällt ihm die irrsinnige Geschwindigkeit des Zuges auf. Und an der Haltestelle 4th Street scheint ein junger Mann zu fehlen. Da hört Leon auf einmal, wie im nächsten Waggon Tuch zerreißt, ob sich jemand die Kleider vom Leib risse. Als er hinter den Vorhang schaut, der die Tür zwischen beiden Waggons verdeckt, schaut, ist es ein Blick in eine Hölle aus Blut …

Es ist der Beginn einer alles verändernden Nacht für Leon Kaufman und Mahogany den Jäger.

|Mein Eindruck:|

„Der Mitternachts-Fleischzug“ ist höchst symbolträchtig und auf ihre spezielle Horrorweise auch kritisch gegenüber der Metropole New York. Die Großstadt ist dem Fleischjäger nur ein weiteres Jagdrevier im Dschungel. Und seine Herren, in deren Auftrag Mahogany (eine Assoziation mit Brecht/Weills „Stadt Mahagonny“ liegt nahe) Fleisch beschafft, waren schon lange VOR der Stadt und den Siedlern und Ureinwohnern hier. Sozusagen die Großen Alten, denen jeder opfern muss. Wen oder was sie verkörpern, muss sich jeder selbst ausdenken.

|3) „Das Geyatter und Jack“|

Die Herren der Hölle haben das Geyatter, einen niederen Dämon mit dem netten Namen Cuazzel, in das Haus des Gewürzgurken-Importeurs Jack J. Polo abkommandiert, weil Polos Mutter, eine Satanistin, sie um eine Seele betrogen hat. Rache ist Blutwurscht, lautet die Devise – Polos Seele muss her!

Leichter gesagt als getan. Cuazzel hat den Job, Jack in den Wahnsinn zu treiben. Aber nicht einfach so, sondern es gibt strenge Regeln zu beachten: Es darf Polos Haus nicht verlassen; es darf sich ihm nicht zeigen; es darf Polo nicht berühren. Das macht den Job schon schwer genug, findet es.

Aber auch Jack Polo kennt die Regeln, hat sich doch seine Mutter intensiv mit Seelenkunde und Theologie beschäftigt. Und das macht Cuazzels Job zu einer Achterbahnfahrt des Grauens: Schon drei von Jacks Katzen hat es abgemurkst, und Jack ist immer noch nicht wütend! Immer erklärt er alles mit diesem blöden Spruch: „Que sera sera.“ (Was sein wird, wird sein.)

Doch als die beiden süßen Töchter Jacks, Gina (23) und Amanda (22), ihn besuchen kommen, um mit ihm ein kuscheliges Weihnachtsfest zu feiern, sieht das Geyatter endlich seine große Stunde gekommen. Jetzt oder nie. Doch der Weihnachtsabend geht für alle ganz anders aus als erwartet.

|Mein Eindruck:|

Das Geyatter, dieser rote Dämon aus der Hölle, ist wirklich ein abgrundtief böses Kerlchen – mit Recht möchte man es für seine undankbare Aufgabe bedauern, Jack aus der Fassung zu bringen. Und seine Herren – allen voran der stinkige Beelzebub – sind ja so was von gnadenlos! Und dann all diese Regeln … Wie soll ein ganz normaler Dämon wie Cuazzel da auf einen grünen Zweig kommen? Er ist ja nur ein kleines Rädchen in der riesigen höllischen Bürokratie.

Die Story ist eine herrliche Satire auf alle Bürokratien der Welt sowie auf die Genspensterkrimis, die in merry old England seit jeher so beliebt waren. Bis Clive Barker den AutorInnen zeigte, wo der Hammer hängt. Natürlich gibt es in der Story jede Menge Schaueffekte, die man sich genussvoll bildlich vorstellen kann. Tatsächlich gibt es ja auch ein Comicbook davon: [„Ein höllischer Gast“. 1284

Auch als Weihnachtsparodie funktioniert die Story glänzend. Sie räumt auf mit all dem Humbug über unsichtbare Weihnachtsmänner und Christkindlein – nein, die Gespenster kommen direkt aus der Hölle und haben einen konkreten Auftrag: Seelenfang. Das legt den Verdacht nahe, dass auch die Veranstalter von Weihnachtsfeiern und Mega-Events nichts anderes im Sinn haben als – Seelenfang!

|Der Sprecher|

Als ausgebildeter Schauspieler weiß Koeberlin seine Stimme wirkungsvoll einzusetzen und die Sätze deutlich und richtig betont zu lesen. Auch die Aussprache der meisten englischen Namen und Bezeichnungen geht reibungslos vonstatten. Aber die Flexibilität seiner Stimme scheint recht begrenzt zu sein. Wenn Cuazzel spricht – was er am Ende seines Auftrags tun muss – so klingt die Stimme eine Spur höher als sonst, und auch der weibliche Stimmlage passt sich Koeberlin ein wenig an. Selten sinkt die Lautstärke zu einem Flüstern herab. Aber das war’s dann auch schon.

|Die Musik|

Die Musik von Matern ist dasjenige Stilelement, das den Zauber dieser Lesung ausmacht. Sie kommt selbstverständlich als Intro und Extro zum Einsatz, und regelmäßig ist an den spannenden und dramatischen, sprich: gruseligsten Stellen Hintergrundmusik zu hören. Diese nun aber zu charakterisieren, stellt sich als schwierige Aufgabe heraus. Ich konnte keine einzelnen Motive heraushören, vielmehr handelt es sich um Klangfolgen mit klassischen Instrumenten (und wohl dem einen oder anderen Synthesizer), die eine Atmosphäre der Beunruhigung, Anspannung, kurzum: des Grauens erzeugen. Um diese Wirkung erzielen, hat Andy Matern jedenfalls ganze Arbeit geleistet.

_Unterm Strich_

Um mit Barker zu sprechen: „Am besten macht man sich auf das Schlimmste gefasst, und ratsam ist es, erst einmal die Gangart zu erlernen, ehe einem die Luft für immer wegbleibt.“ Jede der Geschichten für sich allein weckt selbst beim abgebrühtesten Leser einen ganz speziellen Schauder, den nur wirklich gute Horrorstorys erzeugen können. Die Übersetzungen von Peter Kobbe sind zumindest hier noch sehr gut. Viele der Storys in den „Büchern des Blutes“ wurden verfilmt, und als Klassiker gehören die sechs „Bücher des Blutes“ in die Sammlung jeden Horrorfans.

Das vorliegende Hörbuch ist nun das erste seiner Art im deutschen Sprachraum und verdient daher besondere Aufmerksamkeit. Auf die einleitende Erzählung, die das Thema vorgibt und erklärt, folgt gleich mal eine der härtesten Storys von Barker überhaupt: „Der Mitternachts-Fleischzug“ (s. o.).

Danach gibt es zur Entspannung eine wundervoll-böse Geister- und Weihnachtssatire. Cuazzel ist der geplagte kleine Bürokrat, der von seinen großmächtigen Herren – „mögen sie lange Licht scheißen auf die Irdischen!“ – auf Seelenfang geschickt worden ist. Dumm nur, dass er sich an feste Gesetze und Regeln halten muss – das ist ja so was von ungerecht! Kein Wunder, dass es ihm am Schluss zu bunt wird, und er eben diese Gesetze übertritt. Das wird ihm zum Verhängnis, aber nicht so, wie wir das erwarten würden, sondern in Form der Umkehrung der Besitzverhältnisse … Es bleibt also bis zum Schluss spannend. So ein Dämon hat’s wahrlich nicht leicht. Die Story sprüht vor lustigen Einfällen und ist jedes Mal wieder ein Genuss. (Vielleicht sollte man sie nicht zu Weihnachten, sondern zu Halloween hören oder laut vorlesen. Könnte lustig werden.)

Die Vortragskunst des Sprechers eignet sich meines Erachtens mehr für die dramatischen gruseligen Stellen als für die komisch-makabren, die in „Das Geyatter“ zur Geltung kommen. Massiv wird Koeberlin unterstützt von Andy Materns ausgezeichnet passender Musik, die für die richtige Gänsehaut sorgt.

|Hinweis:| Die Erzählungen „Schweineblut-Blues“, „Sex, Tod und Starglanz“ und „Im Bergland: Agonie der Städte“ fehlen in dieser Ausgabe. Man kann sich also auf ein weiteres Hörbuch mit erstklassigen Horrorstorys freuen. [„Im Bergland …“ 3216 erschien im Januar 2007 bereits separat.

|Originaltitel: Books of Blood vol. 1, 1984
192 Minuten auf 3 CDs|
http://www.luebbe-audio.de

Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Ich stieß das Tor zur Hölle auf (Folge 60)

_Komplexer Auftakt: Johns Sturz in die Hölle_

„Geisterjäger“ John Sinclair ist Oberinspektor in einer Sonderabteilung von Scotland Yard, die sich mit übersinnlichen Fällen befasst. Sinclair wird von einem Kreuz beschützt und gewarnt, das vom Propheten Hesekiel selbst stammt. Zur doppelten Sicherheit trägt er auch eine Beretta-Pistole mit sich, die mit Silberkugeln geladen ist. Werwölfe und ähnliches Gelichter mögen so etwas gar nicht. Heißt es.

John Sinclair und seine Gefährten stehen der Mordliga gegenüber. Doch auch Morasso, ihr Anführer, hat Feinde, nämlich Asmodina, die Tochter des Teufels. Sinclair & Co. befinden sich zwischen diesen beiden Fronten. Er kann nur hoffen, dass in der folgenden Schlacht die eine oder andere Seite geschwächt oder gar vernichtet wird – und dass er nicht zwischen die Fronten gerät.

Folge Nr. 60 entspricht dem Band 200 der Bastei-Romanserie und ist der Auftakt zu einem Dreiteiler.

Die Hörspiele dieser Reihe sind Vertonungen der gleichnamigen Bastei-Heftserie. Mit der Folge 60 feiert die Hörspielreihe ein weiteres Jubiläum – mit einem Online-Gewinnspiel. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 18 Jahren.

_Der Autor_

Der unter dem Pseudonym „Jason Dark“ arbeitende deutsche Autor Helmut Rellergerd ist der Schöpfer des Geisterjägers John Sinclair. Am 13. Juli 1973 – also vor 37 Jahren – eröffnete der Roman „Die Nacht des Hexers“ die neue Romanheft-Gruselserie „Gespenster-Krimi“ aus dem Hause Bastei. Inzwischen sind über 1700 „John Sinclair“-Romane erschienen, die Gesamtauflage der Serie beträgt laut Verlag über 250 Millionen Exemplare.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Frank Glaubrecht spricht den Geisterjäger himself und ist die deutsche Stimme von Al Pacino.
Joachim Kerzel, die deutsche Stimme von Jack Nicholson und Dustin Hoffman, spricht den Erzähler.
Suko: Martin May
Sir James Powell: Karlheinz Tafel
Myxin: Eberhard Prüter
Kara: Susanna Bonaséwicz
Lucille Adams: Marie Bierstedt (dt. Stimme von Kirsten Dunst u.a.)
Madame Tanith: Karin Buchholz
Solo Morasso: Tilo Schmitz (t. Stimme von Ving Rhames etc.)
Asmodina: Martina Treger
Marvin Mondo: Till Hagen (dt. Stimme von Kevin Spacey u.a.)
Pamela Scott: Katrin Fröhlich
Vampiro del Mar: Helmut Krauss (dt. Stimme von Samuel L. Jackson, Marlon Brando u.a.)
Lupina: Claudia Urbschat-Mingues (dt. Stimme von Angelina Jolie)
Xorron: Udo Schenk (dt. Stimme von Ralph Fiennes u.a.)
Spuk: Boris Tessmann
Todesengel: Tanja Geke (dt. Stimme von Kate Hudson („Almost Famous“), Scarlett Johannson („The Prestige“) und Beyoncé Knowles)
Asmodis: Bernd Rumpf
Dämon: Oliver Stritzel
Kugel-Dämon: Sebastian Rüger
Logan Costello: Bernd Vollbrecht
Und weitere Sprecher.

_Der Regisseur_

… ist Oliver Döring, Jahrgang 1969, der seit 1992 ein gefragter Allrounder in der Medienbranche ist. „Als Autor, Regisseur und Produzent der „John Sinclair“-Hörspiele hat er neue Maßstäbe in der Audio-Unterhaltung gesetzt und ‚Breitwandkino für den Kopf‘ geschaffen“, behauptet der Verlag. Immerhin: Dörings preisgekröntes Sinclair-Spezial-Hörspiel „Der Anfang“ hielt sich nach Verlagsangaben wochenlang in den deutschen Charts.

Buch und Regie: Oliver Döring
Realisation: Patrick Simon
Tontechnik und Schnitt: ear2brain productions
Hörspielmusik: Christian Hagitte, Simon Bertling, Florian Göbels
Produktion: Alex Stelkens (WortArt) und Marc Sieper (Lübbe Audio)

_Handlung_

Asmodina, die Tochter des Höllenfürsten Asmodis, fädelt die Entscheidungsschlacht gegen Solo Morasso und seine Mordliga ein. Der SPUK sei ihr ein loyaler Partner und für John Sinclair, so berichtet sie, halte sie eine böse Überraschung bereit, um ihn in die Hölle zu locken. Jetzt bitte sie nur noch um die Unterstützung ihres Gesprächspartners: Daddy.

|Paris|

Es ist Freitagabend auf dem Montmartre von Paris, als das Medium Lucille Adams die Seherin Madame Tanith aufsucht. Madame hat ein Artefakt von großer Macht in ihrem Besitz: Die Kugel, die ihr einmal ein Abt geschenkt hat, könne Dimensionstore öffnen, versichert Lucille. Doch jener Abt, ein gewisser Pierre Dumont und Freund von Madame, sei ermordet worden, um in den Besitz der Kugel zu gelangen. Doch wer steckt dahinter?

Um dies herauszufinden, müssten Lucille und Madame die Kugel benutzen. Leider geht dabei etwas mächtig schief: Die Todesengel, Abgesandte Asmodinas, erscheinen und berühren die Kugel, bevor die herbeiteleportierte Zauberin Kara sie wieder vertreiben kann. Kara schwant Schlimmes. Sie beauftragt ihren Freund, den Magier Myxin, John Sinclair zu warnen …

|London|

John Sinclair und Suko sind bei Sir James Powell, dem Chef von New Scotland Yard, um die Lage zu besprechen. Meldungen aus dem Südatlantik weisen darauf hin, dass sich Solo Morasso und seine Dämonenbande in Feuerland verschanzt haben. Bestimmt hecken sie etwas aus. Sir Powell will jedoch nichts überstürzen, um beobachten und planen zu können – ein schwerer Fehler, wie sich bald zeigt. Denn der Feind ist bereits auf dem Vormarsch.

Als John mit seinem Bentley in die Tiefgarage seines Wohnkomplexes fährt, sieht er einen Mann am Boden liegen. Er will ihm helfen, als ihn ein schwerer Schlag von hinten niederstreckt. Als er wieder erwacht, sind Mann, Handy, Geldbörse, Waffe und Autoschlüssel weg. Nur sein Kreuz hat er noch, zum Glück. Dieses braucht er wider Erwarten sofort, denn ein gieriger Kugeldämon trachtet ihm nach dem Leben. John streckt ihm wie gewohnt sein geheiligtes Kreuz entgegen, eine der mächtigsten Waffen des Lichts. Doch nichts geschieht – das Kreuz ist wirkungslos! Erst Suko kann den Dämon unschädlich machen.

|Feuerland|

Unterdessen freut sich Solo Morasso über den Empfang des echten Kreuzes aus den Händen des Londoner Gangsters Costello, dessen Handlanger das echte Kreuz durch ein Duplikat ersetzt haben – mit Hilfe eines Scanners, den Marvin Mondo erfunden hat. Morasso gedenkt, das Kreuz im Kampf gegen Asmodina einzusetzen. Das Labor von Scotland Yard bestätigt, dass es sich um eine Fälschung handelt, was John da besitzt.

|London|

Niedergeschmettert sucht John nach einer weiteren mächtigen Waffe gegen das Böse. Er schaut in seinen unversehrten Tresor und holt den Kelch des Feuers heraus, dessen Eigenschaften allerdings unbekannt sind. Er versucht gerade, die eingravierten Zeichen zu entzifffern, als Blitze hervorschießen und ein Dimensionstor öffnen. Wohin verschwindet der Sohn des Lichts?

_Mein Eindruck_

Dieser Auftakt zur Trilogie „Morasso vs. Asmodina“ geizt nicht mit Schauplätzen und Akteuren. London, Paris, Feuerland und selbst Hölle sehen finstere Vorbereitung für den großen Showdown zwischen der Mordliga und der Tochter des Teufels. Während sich die Gegner ihre Waffen und andere Vorteile verschaffen, verliert unser Streiter des Guten sämtliche Trümpfe an die gegenseite. Es sieht für John Sinclair gar nicht gut aus. Dennoch landet er mitten in der Bredouille.

|Rätsel und Fragen|

Lange habe ich gerätselt, was der Erzählstrang um Madame Tanith eigentlich soll. Die Seherin und das Medium Lucille Adams sorgen sich um eine mysteriöse Kugel, einem Erbstück der katholischen Kirche mit mystischer Vergangenheit: Kein Geringerer als Nostradamus war einer ihrer Besitzer. Und wie sich herausstellt, steht die Kugel in enger Beziehung zum Kelch des Feuers – die Grals-Symbolik ist mehr als offensichtlich. Schließlich müssen die Guten, wenn sie gegen die höllischen Scharen bestehen wollen, entsprechend heilige und geweihte Objekte ins Feld führen. Wieder einmal sind die religiösen Untertöne der Sinclair-Geschichten deutlich.

Diese Beziehung von Kugel und Kelch erweist sich bei etwas Nachdenken insofern als folgenreich, als Asmodina nun mit Hilfe der von ihren Dienern berührten Kugel auf den Kelch zugreifen kann, der sich in Johns Besitz befindet – woher weiß sie das? – und den John als Ersatz für das gestohlene Kreuz – das kann sie ebenfalls nicht wissen – einsetzen will. Dieser Einsatz wird ihm zum Verhängnis: Madame Taniths Kugel zerrt ihn durch das von Kelch und Kugel erzeugte Dimensionstor in die Hölle. Wie man sieht, bleiben etliche Fragen der Logik offen.

|Kopie mit Pfiff|

Die Duplikation von Johns Kreuz ist nicht ohne Pfiff. Wie erwähnt, hat Marvin Mondo einen speziellen Scanner (und Kopierer) gebaut. Der Pfiff dabei: Nicht eine zweidimensionale Vorlage wie etwa Papier wird gescannt und kopiert, so ein 3D-Objekt – gibt es erst seit Kurzem und dürfte zu einer Menge Urheberrechtsstreitigkeiten führen.

Und angetrieben wird der Apparat nicht etwa von schnödem Benzin, auch nicht von Nukleartechnik, sondern von „kalter Verschmelzung“. Das ist die Übersetzung von „Cold Fusion“, der Atomverschmelzungstechnologie. Sie wurde mehrfach als erzielt berichtet, doch jedes Mal entpuppten sich die Versuche als Fakes. Marvin Mondo hat also wirklich die Nase vorn!

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Macher der „Geisterjäger“-Hörspiele suchen ihren Vorteil im zunehmend schärfer werdenden Wettbewerb der Hörbuchproduktionen offensichtlich darin, dass sie dem Zuhörer nicht nur spannende Gruselunterhaltung bieten, sondern ihm dabei auch noch das Gefühl geben, in einem Film voller Hollywoodstars zu sitzen. Allerdings darf sich niemand auf vergangenen Lorbeeren ausruhen: Bloßes Namedropping zieht nicht, und So-tun-als-ob ebenfalls nicht.

Die Sprecher, die vom Starruhm der synchronisierten Vorbilder zehren, müssen selbst ebenfalls ihre erworbenen Sprechfähigkeiten in die Waagschale werfen. Zum Glück tun Helmut Krauss (Xorron), Kerzel, Glaubrecht und Co. dies in hervorragender und glaubwürdiger Weise. Statt gewisse Anfänger zu engagieren, die mangels Erfahrung bei den zahlreichen emotionalen Szenen unter- oder übertreiben könnten, beruht der Erfolg dieser Hörspielreihe ganz wesentlich darauf, dass hier zumeist langjährige Profis mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre Sätze vorzutragen wissen.

Übertriebene Ausdrucksweisen heben die Figuren in den Bereich von Games- und Comicfiguren. Das kann bei jugendlichen Hörern ein Vorteil sein. Die Figuren schreien wütend, fauchen hasserfüllt oder lachen hämisch. Besonders unheimlich ist die Darstellung des Spuks, eines wirklich mächtigen Dämons. Leider erfahren wir auch in dieser Trilogie rein gar nichts über seine Herkunft und Entstehung bzw. darüber, warum er aus Asmodinas Reihen zu Morasso übergelaufen ist.

Auch alle anderen Figuren muss der Hörer bereits kennen, um sie zuordnen zu können. Aber als Fan der Serie kennt man ja Sinclair, Asmodina, Kara, Myxin usw. bereits aus dem Effeff. Recht nett wirken die Todesengel, allesamt weiblich (keine Neutren also) und von höchst bösartiger Natur – so dienen sie Asmodina optimal. Tanja Geke kann hier wirklich die Sau rauslassen und gehässig lachen.

Besonders gefiel mir Marie Bierstedt als Lucille Adams. Sie setzt ihren Charme als Geschlechtsgenossin gegenüber der vorsichtigen Madame Tanith sehr erfolgreich ein und findet Dinge aus deren Vergangenheit heraus, die man einem Unbekannten nicht unbedingt auf die Nase binden würde. Karin Buchholz spricht Madame Tanith mit gewisser Reserviertheit und Autorität, wird aber von Lucille zunehmend verunsichert. Später schließt sie sich dem Club der Sinclair-Helfer an. Doch Lucille segnet das Zeitliche – bis auf Weiteres.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem halbwegs realistischen Genre-Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen recht stimmungsvoll aufgebaut. Stets sorgen die magischen Objekte für nette Effekte, die oftmals aus Blitzgeräuschen und gefährlichem Zischen bestehen – sie sind meist dann zu hören, wenn Gut und Böse aufeinandertreffen. Gerne werden auch Hall und Donner eingesetzt. In den Schlachtszenen kommen noch zahlreiche Geräusche wie Zischen und Einschläge von den Projektilen hinzu – man kommt sich vor wie in Mittelerde, wenn die letzte Schlacht tobt.

|Musik|

Die Musik leitet in den kurzen Pausen bzw. Übergängen gleich zur nächsten Szene über. Sie wurde von einem kleinen Orchester eingespielt, und bevorzugt werden düstere, basslastige Instrumente und Effektgeräte eingesetzt, beispielsweise metallische Hammerschläge, wie sie in „Terminator 2“ erklingen. Die Titelmelodie der Serie erschallt in einem hämmernden Rock-Rhythmus aus den Lautsprecherboxen. Sehr sympathisch. Sie wird am Schluss der CD kurz zitiert und erklingt in voller Länge erst am Ende der dritten CD.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Booklet etc.|

… enthält im Innenteil Angaben über die zahlreichen Sprecher, die Macher sowie sämtliche Hörfolgen. Auf der letzten Seite weist der Verlag auf den offiziellen JOHN-SINCLAIR-Song „CAIN – Age of Darkness“ hin, der „auf allen bekannten Musik-Downloadportalen“ zur Verfügung stehe.

_Unterm Strich_

Als Auftakt der Trilogie weiß diese Folge nur wenig an Action zu bieten – diese findet sich naturgemäß im Finale, während der Entscheidungsschlacht. Immerhin gerät John in eine Art Überfall und sich gleich danach dem Angriff eines gierigen Kugeldämons ausgesetzt. Auch die zwei Damen in paris geraten in eine handfeste Auseinandersetzung mit den Todesengeln. Ansonsten lassen sich nur Ansätze zu späteren Konflikten registrieren. Deshalb heißt es wohl: „Bitte legen Sie CD #2 ein!“ Gemeint ist natürlich Folge 61.

|Audio-CD mit 49:17 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 978-3-7857-4296-9|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de
[www.sinclair-hoerspiele.de]http://www.sinclair-hoerspiele.de
[www.wortart.de]http://www.wortart.de

Noch mehr zu |John Sinclair| finden Sie in unserer [Rezensionsdatenbank]http://www.buchwurm.info/book .

Peter Verhelst – Der Farbenfänger. Roman

Das Rot von Rotkehlchen

Sie wohnt in einer Kathedrale, und ihr Haar ist von dem aufregendsten Rotkehlchenrot, das der Junge in seinem Leben gesehen hat. Es ist ein heißer Sommer in Brügge, als sie sich begegnen, und keiner weicht mehr von der Seite des anderen.Bis das Mädchen plötzlich von einer Brücke stürzt und verschwunden ist. Für den Jungen beginnt eine ziellose Reise durch Europa, und eines Tages macht er die Bekanntschaft des Farbenfängers. Noch kann er nicht ahnen, welche Gefahr von ihm ausgeht. Der Farbenfänger hat nur eine Obsession: Das Rot der Mädchenhaare…. (Verlagsinfo)
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James M. Barrie – Peter Pan

Schockschwerenot! Es ist Captain Hook!

London um 1900: Die drei Geschwister Wendy, John und Michael Darling staunen nicht schlecht, als sie eines Nachts die Bekanntschaft von Peter Pan machen, dem Helden ihrer liebsten Geschichten und Spiele. Ihre Begeisterung kennt keine Grenzen, als Peter, der Junge, der nie erwachsen werden will, ihnen anbietet, sie mit ins Nimmerland zu nehmen. Eine abenteuerliche Nacht steht den Kindern dort bevor, denn der finstere Captain Hook erwartet sie bereits. Er hat mit Peter Pan noch eine Rechnung offen … (Verlagsinfo)

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Ramsey Campbell – Besessen. Horror-Roman

Teuflische Formulare

Der Deal schien fast zu gut, um wahr zu sein. Bis der Tag kam, an dem der Preis zu entrichten war.

Vier Teenager unterzeichnen Vertragsformulare, mit deren Hilfe sie das bekommen können, was sie am meisten brauchen. „Der Preis besteht in etwas, was du nicht wertschätzt und was du wiedergewinnen kannst.“ Ihre Bedürfnisse werden erfüllt, doch Schrecken und Angst sind die Folge. Noch nach 25 Jahren können sie das Ereignis nicht vergessen. Und der Preis muss jetzt bezahlt werden… (erweiterte Verlagsinfo)

Der Autor
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Shirley, John – Stadt geht los

Innovativer Cyberpunk

Rocksängerin Catz hat einen gewissen schrägen Ruf, und sie ist loyal ihren Freunden gegenüber. Dazu gehört der San Franciscoer Clubbesitzer Stu Cole, der als einer der Letzten der Mafia trotzt und seinen Club unabhängig zu halten versucht. Eines Nachts taucht während Catz Konzert ein unheimlicher, diffus bedrohlicher Mann in Stus Club auf. Während er durch die Menge geht, ändert sich seine Kleidung, seine Hautfarbe, seine Statur, nur eines nicht: die undurchsichtige Spiegelbrille, die ihm direkt aus den Schläfen wächst .. Er ist die fleischgewordene Persönlichkeit der Stadt. Und er hat die allgegenwärtige Korruption satt. Für Stu und Catz beginnt eine höllische Achterbahnfahrt durch die Halbweltmilieus der siechen Metropole: Stadt räumt auf! (Verlagsinfo)

Handlung

Die eigentliche Handlung beginnt nach einem kurzen Intro nur wenige Jahrzehnte in der Zukunft, im guten alten San Francisco. Da sind der Welt schon Öl und Benzin ausgegangen. Die gedankenlesende Rocksängerin Catz tritt im Club „Anesthesia“ („örtliche Betäubung“) auf, welcher Stu Cole gehört, einem aufrechten Vierzigjährigen, der als einer der Letzten den Pressionen der Mafia und der korrupten Polizei trotzt, um seinen Club unabhängig zu halten. Catz und Cole sind natürlich zwei der drei Hauptpersonen des Buches.

Eines Nachts taucht bei Catz‘ Rockauftritt ein unheimlicher Typ auf. Während er durchs saufende, koksende Publikum gleitet, ändert sich seine Kleidung, seine Hautfarbe, seine Statur, nur eines nicht: die undurchsichtige Spiegelbrille, die ihm direkt aus den Schläfen wächst: City.

City ist die fleischgewordene, nur nachts sichtbare Gestalt-Persönlichkeit der Stadt San Francisco. Auch die anderen US-Städte haben ihre Persönlichkeiten. City zeigt sich, wenn Cole an ihn denkt, tagsüber eben auf Fernsehschirmen oder als Stimme in Telefonen und Lautsprechern. City hat Cole auserwählt, mit ihm zu kämpfen.

Er hat nämlich die allgegenwärtige Korruption satt, deren massiver Einsatz von Datenkontrolle in Internet und EDV dazu führt, dass erstens die Mafia mit Hilfe der EDV die Bürger unterdrücken kann (schon bald findet Cole sein Konto aufgelöst – die gesellschaftliche Kastration) und zweitens, dass die Bürger sich außerhalb der Stadt niederlassen, weil sie in Heimbüros arbeiten können – die City droht buchstäblich auszusterben.

Catz ist dieser Kampf, in den ihr Freund Cole hineingezogen wird, nicht geheuer. Als Folge davon wendet sich City gegen die vermeintlich Illoyale, was nun Cole nicht besonders witzig findet: Er muss Catz nach einer Entführung befreien, wobei mehrere Menschen draufgehen. Cole kann kein Blut sehen.

Nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht haut Catz nach Chicago, ihre Heimat-City, ab, so dass sich Cole allein gegen die Umzingelung durch die zahlreichen Arme der Mafia wehren muss. Schließlich lässt ihm City keine Wahl mehr und holt ihn zu sich … Das Buch endet mit einem knackigen Kehraus, der unter der amerikanischen Mafia das eine oder andere verdiente Opfer findet, als die jeweilige Stadt lebendig zu werden scheint.

Mein Eindruck

William Gibson nennt diesen Roman in seinem Vorwort „die proplasmische Mutter aller Cyberpunk-Romane“ und wahrscheinlich hat er damit Recht. Hier finden jedenfalls gegenüber der vorherigen Literatur wichtige Veränderungen statt, wie sie für den späteren Cyberpunk kennzeichnend sind: die Wahrnehmung ganzer elektronischer oder urbaner Systeme als Gestalt und Quasi-Organismus; die direkte Verbindung dieses Systems mit dem Menschen, was dessen Anverwandlung zur Folge haben kann; und schließlich die Wandlung des Low-Life-Bürgers zu einem kompletten Außenseiter der Gesellschaft, ja, letztlich zu ihrem Gegner, aufgrund seiner geänderten Wahrnehmung der Systeme, die sein Leben bislang bestimmt haben. Nun heißt es: low life gegen high tech (das gilt umgekehrt sowieso).

Es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass ein einflussreicher Veteran wie John Shirley eine engagierte, interessante Geschichte spannend zu erzählen versteht und so flott, dass man das Buch kaum mehr aus der Hand legen möchte. Und die Perspektiven, die er aufzeigt, sind für uns wahrlich bedenkenswert. – Das Buch entstand zuerst Ende der 70er Jahre und erschien 1980, wurde aber 1996 überarbeitet.

Unterm Strich

Knallhart setzt sich dieser Roman gegen die (heute wie auch 1980) übliche Science-Fiction ab, die sich traditionellen Darstellungsweisen und Wertesystemen verpflichtet fühlt. Die Prosa ist hart und rhythmisch, wie guter Rock. Der Leser merkt, dass sich Shirley mit Rockbands selbst der abgefahrensten Sorte auskennt und sie ernst nimmt.

Genau wie die Musik, so wird auch die Stadt selbst lebendig gemacht: Ihre Straßen öffnen sich, ihre Unterwelt bewegt sich. Wie City die elektrischen Leitungen nutzt, so nutzt Cole, sein Mitstreiter, die Adern der Transportwege: Urbanität als Lebensform, die Stadt als Organismus. Und mittendrin fühlt City die neuen Computer-Systeme der Mafia als Krebsgeschwür. Dies ist nachvollziehbar, wenn man die Prämissen akzeptiert. Und der eifrige Cyberpunkleser wird nichts mehr Besonderes dabei finden, wenn sich die technische Realität in seltsamen, interessanten neuen Formen präsentiert. City ist lediglich die Vorstufe zum Cyberspace.

Was allerdings Shirley hier noch kritisch beäugt – die Elektronisierung aller Geldzahlungen und sogar der Postzustellung –, weil damit der illegalen Kontrolle Tür und Tor geöffnet werden, das sehen dann die Hacker-Outlaws des Cyberpunk als Gelegenheit, sich mit den Konzernen und ihren Supercomputern anzulegen und sich in die virtuelle Realität einzustöpseln. Als dieser Roman entstand, tauchten mit den Phonephreaks die ersten Hacker auf. Sie schlugen das System mit seinen eigenen Waffen. Auch in „Stadt geht los“ wird ein Anschlag auf den Zentralcomputer verübt.

Dem |Argument|-Verlag ist es zu danken, dass dieser Klassiker wieder zugänglich ist, in einer von Shirley überarbeiteten Fassung und einer neuen Übersetzung. Das dankbare Vorwort von Gibson, dem literarischen Enkel Shirleys, stimmt auf die Lektüre optimal ein.

Hinweis: Beim Verlag ist dieser Titel ebenso vergriffen wie viele weitere Titel aus der Reihe „Social Fantasies“.

Taschenbuch: 220 Seiten
Originaltitel: City come a-walking, 1980/1996
Aus dem US-Englischen übertragen von Hannes Riffel
ISBN-13: 9783886199549

Arne Dahl – Tiefer Schmerz

Packend und vielschichtig: Angriff der Rachegöttinnen

Ein Zuhälter dient im Tierpark von Stockholm den Vielfraßen als Futter, ein arabischer Handy-Dieb wird auf den Schienen einer U-Bahn-Station zerstückelt und einem ehemaligen KZ-Häftling wird ein Draht in die Schläfe gestoßen … Diese eher privaten Lebensläufe verknüpft der Autor mit globalen Problemen, so dass sich mehr ergibt als „nur“ eine Kriminalgeschichte.

_Der Autor_

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Ian McDonald – Sternenträume. Phantastische Erzählungen

Originelle und stilsichere Erzählungen

Bevor dieser erfolgreiche nordirische Autor mit Romanen wie „Chaga“ und „Kirinja“ weithin bekannt wurde, war er bereits als origineller, engagierter und stilsicherer Autor von Erzählungen und Novellen anerkannt. Hier sind seine besten Arbeiten bis 1988 versammelt, wenn auch ohne die Chaga-Novelle „Toward Kilimanjaro“, die erst 1990 erschien.

Die Story-Sammlung enthält die Erzählungen:

Sternenträume
Szenen aus einem Schattenspiel
Christian
König der Dämmerung, Königin des Lichts
Das Rad der Katharina
Van Goghs unvollendetes Porträt des Königs der Schmerzen
Die Insel der Toten
Radio Marrakesch
Reisen in einzigartige Städte
Vivaldi.

Der Autor
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Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Lebendig begraben (POE #8)

„Lebendig begraben“ ist der achte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch an den ersten vier Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

– [Die Grube und das Pendel 744
– [Die schwarze Katze 755
– [Der Untergang des Hauses Usher 761
– [Die Maske des Roten Todes 773

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: Lebendig begraben

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan der Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Shortstory („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne ihn sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H. P. Lovecraft, H. G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Der Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und verschiedene weitere Figuren.

_Die Sprecherin_

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile wieder entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon sieben Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Albträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe von Albträumen – über „Die Morde in der Rue Morgue“ – nicht verschont.

_Handlung_

Zehn Tage sind seit der Ankunft in New Orleans vergangen. Leonie Goron und „Edgar Allan Poe“ logieren noch in ihrer kleinen Pension. Leonie wird hier immer noch wegen ihrer Verpflichtung in der Stadt festgehalten, den Sarg ihrer Freundin Lucy Monahan, den sie mitgebracht haben, der Familie zurückzugeben. Das ist schon klar. Aber dies gilt nicht für Mr. Poe. Sein Grund zu bleiben ist Leonie selbst: Er hat sich in sie verliebt.

Wieder einmal sind sie zusammen zum Hafenkontor gegangen, um sich zu erkundigen, ob jemand nach dem Sarg gefragt habe. Wieder einmal haben sie eine negative Auskunft erhalten. Auch der Adressat „Tempelten“ habe sich nicht gemeldet. Möglicherweise habe er noch nicht vom Untergang der „Demeter 2“ erfahren, die den Sarg über den Atlantik transportieren sollte. Es gibt noch keine Transatlantikkabel für Telegramme, geschweige denn fürs Telefon.

Wie erstaunt sind Leonie und Poe, als sie vor dem Hafenkontor auf Poes Psychiater Dr. Templeton stoßen! Poe glaubte ihn noch immer oben an der nördlichen Ostküste – und nun ist er hier im tiefsten Süden, den die Vereinigten Staaten den Franzosen 1805 abgekauft haben (zusammen mit dem ganzen Mittelwesten, ein riesiges Territorium, das die Franzosen „Louisiana“ nannten).

Templeton hat hier in der Nähe ein Landhaus, auf das er sie einlädt. Im Café erkundigt sich der Doktor nach Poes Träumen. Diese betrachtet er als eine Art Schlüssel zu Poes Erinnerung an seine wahre Identität. Poe erwähnt den Sarg als Grund ihres Bleibens, erwähnt aber auch die diversen Mordanschläge, verschweigt aber die letzten Worte des sterbenden Israel Hands von der „Independence“. Leonie erwähnt einen Mr. Tempelten als Adressaten des Sarges – ob es sich wohl um Dr. Templeton handeln könnte? Der Doktor verspricht, in seinem Familienarchiv nachzusehen, ob sein Familienname jemals so geschrieben wurde. Ob sie nicht mitkommen wollten?

Gesagt, getan. Mit Neugier bemerkt Poe, der gegenüber Templeton sowohl misstrauisch als auch eifersüchtig geworden ist, dass auf dessen Kutschenladefläche eine große, längliche Kiste transportiert wird. Ob darin wohl ein Sarg Platz finden könnte? Ohne Zweifel.

Das ausgedehnte Anwesen Dr. Templetons unterscheidet sich drastisch vom französisch-legeren Stil Louisianas. Das Herrenhaus ähnelt eher einer englischen Burg im gotischen Stil à la „Haus Usher“, inklusive Teich, und im Garten steht ein Mausoleum inklusive Familiengruft. Doch das Schloss an dessen Tür ist neu. Das erklärt Templeton bei seiner Führung mit dem Aberglauben des Südens. Was meint er bloß?, fragen sich seine Gäste.

Als die Tür der Gruft von alleine zufällt, erklärt er ihnen, dass er durchaus Angst habe, einmal lebendig begraben zu werden und aus diesem Grund dagegen Vorkehrungen getroffen habe. Erstens gebe es eine Klingel in der Gruft, die im Haupthaus Alarm schlägt. Dort befindet sich dann der Schlüssel zur Gruft. Zweitens habe er einen Geheimgang anlegen lassen, der die Gruft mit dem Haus verbinde. Er befinde sich hinter einer der Steinplatten, die das Mausoleum komplett auskleiden. Es ist kalt wie am Nordpol in den dunklen Mauern.

In den folgenden Tagen fallen den Gästen mehrere Ungereimtheiten auf, die in ihnen das Gefühl drohender Gefahr wecken. Erstens gibt es keinerlei Bedienstete, wohl aber Wache haltende Bluthunde auf dem Gelände. Zweitens entdecken sie in jener Kiste einen Sarg, der aber schon bald wieder verschwunden ist. Sie konnten nicht feststellen, ob es sich um Lucys Sarg handelt. Drittens stellt sich heraus, dass Templeton sie bezüglich verliehener Dokumente des Familienarchivs angelogen hat.

Und viertens stößt Poe zu guter Letzt im Arbeitszimmer seines häufig abwesenden Gastgebers auf einen Umschlag mit Schlüsseln und zwei Fotografien. Das eine Porträt zeigt eine gewisse Lucy Monahan (die mittlerweile sehr tot ist), das andere – ihn selbst! Der Name darunter lautet: „Jimmy Farrell“. Ist dies sein wahrer Name und Lucy seine Schwester?

Der Blitz der Erkenntnis streckt den labilen Poe augenblicklich nieder. Als er erwacht, findet er sich in einer verschlossenen Sargkammer wieder. Es ist stockdunkel, stickig und äußerst kalt. Er ist lebendig begraben und die Luft geht ihm aus …

_Mein Eindruck_

Ich bin etwas geteilter Meinung über diese Episode, die beileibe nicht die letzte der POE-Serie sein kann. Da muss noch einiges nachkommen. Zum Glück gibt es noch einige der besten Poe-Erzählungen zu verarbeiten, so etwa alle, in denen Frauen als Hauptfiguren vorkommen. Ich freue mich schon auf die berühmteste dieser Gestalten, die Lady Ligeia. (Siehe dazu auch meine Rezension über: Poe: [„Faszination des Grauens“ 554 .)

Warum geteilt? Die Rahmenhandlung erfährt in Episode 8 endlich eine entscheidende Wendung: Poe findet heraus, wer er wirklich ist: Jimmy Farrell. Und er hat eine nahe Verwandte, möglicherweise sogar eine Gattin: Lucy Monahan. Doch dieser Gewinn wird bitter bezahlt: Seine neue Liebe Leonie Goron ist verschwunden. Und mit ihr der zwielichtige Dr. Templeton, der wahrscheinliche Drahtzieher aller seltsamen Geschehnisse, die Poe widerfahren sind. Wer weiß, was er mit ihr anstellt?!

Man sieht: Dieser Teil der Episode folgt der klassische Krimistruktur: Es wird ermittelt, was das Zeug hält, bis sich der Gastgeber als Hauptverdächtiger herausstellt. Doch wessen ist er schuldig? Das genau herauszubekommen, ist Poes Aufgabe am Schluss der Episode.

|Die Realität als Albtraum|

Die Träume, die sich bislang regelmäßig als eine Binnenhandlung betrachten ließen, sind diesmal verschwunden. Vielmehr hat sich die Realität in einen Albtraum verwandelt. Doch die Dauer dieser Szene ist ungleich kürzer im Vergleich zum Umfang dessen, was bislang als Rahmenhandlung angesehen werden konnte.

Die Szene in der Gruft wurde wieder einmal inspiriert von einer Erzählung Poes. Sie ist als „Die Scheintoten“ (besonders S. 322) in „Poe: Faszination des Grauens“ abgedruckt. Bei der Vorlage könnte es sich um „The premature burial“ von 1844 handeln. Dieses Original liegt mir nicht vor, so dass ich das nicht genau sagen kann. Auf jeden Fall kann es sich nicht um „Der Fall Valdemar“ (The facts in the case of Valdemar) handeln. Denn dort geht es um die Aufschiebung der Folgen des Todes mittels Magnetismus. (Man sehe sich beispielsweise die Verfilmung von Roger Corman mit dem unvergleichlichen Vincent Price in der Hauptrolle an.)

Die Vorkehrungen, die Templeton gegen den Fall des Lebendigbegrabenwerdens trifft, ähneln jenen, die der Ich-Erzähler in „Die Scheintoten“ vornimmt: die Alarmklingel, der Hebel, der die Türen öffnet und anderes mehr. Und wie diesem Erzähler nützen sie dem, der schließlich wirklich lebendig begraben wird, im Ernstfall herzlich wenig. Eine typische Poe’sche Ironie.

Diese Szene hat dennoch ihre eigentümliche Wirkung auf den Zuhörer. Denn bevor der lebendig begrabene Mr. Poe überhaupt an Wege denken kann, sich zu befreien, muss er erst einmal seine Panikattacken bewältigen, die ihn mit zügelloser Emotion daran hindern, überhaupt einen Gedanken zu fassen und sich an das zu erinnern, was sein Möchtegern-Kerkermeister über Fluchtwege gesagt hat. Die Szene hat mir gefallen, weil sie sowohl gruselig als auch recht spannend ist. Abgebrühte Zeitgenossen werden sie lediglich langweilig finden und sich vermutlich fragen, was das Ganze überhaupt soll.

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

|Mr. Poe alias Jimmy Farrell|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. In dieser Folge spielt die Entdeckung seiner Vergangenheit und Identität eine größere Rolle als irgendwelche Träume. Eine andere Figur kommt daher nicht vor. Aber die stimmliche Darstellung von Poes misslicher Lage in der Sargkammer fordert den Sprecher bis an die Grenzen seiner Ausdrucksmöglichkeiten: Anfängliche Panik wechselt ab mit Beruhigung und anschließendem Denken, nur um um erneut von einer Panikattacke hinweggefegt zu werden.

|Miss Leonie Goron|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird. Leider sind diese Qualitäten diesmal fast gar nicht gefragt, so dass ihre Figur in dieser Episode unverdient blass erscheint.

_Sound und Musik_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Bis auf die Eingangsszene sind aber diesmal alle Szenen in Interieurs eingerichtet, so dass Sound eine untergeordnete Rolle spielt. Immerhin sind Effekte wie etwa Hall – für eine Art von innerem Monolog – und ein sehr tiefes Bassgrummeln festzustellen, das Gefahr anzeigt. In der Sargkammer erklingt Poes Stimme verzerrt, als dränge sie aus einer Tonne.

Die Musik erhält daher eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese rein untermalende Aufgabe ist auf den ersten Blick leichter zu bewerkstelligen als die Gestaltung ganzer Szenen, doch wenn es sich um actionarme Szenen wie diesmal handelt, zählt jede Note, jede Tonlage.

Die serientypische Erkennungsmelodie erklingt in zahlreichen Variationen und wird von unterschiedlichsten Instrumenten angestimmt. Als Templeton erwähnt, er spiele – wie einst Roderick Usher – Geige, erklingt das Poe-Motiv erneut, allerdings gespielt auf einer Kirchenorgel. Und genau so eine Orgel spielte Usher in der entsprechenden Hörspiel-Episode. Danach wird das Motiv auf einer Harfe wiederholt, um die Wirkung romantischer zu gestalten.

Klassische Streicher eines Quartetts und des Filmorchesters Berlin, die Potsdamer Kantorei sowie Solisten auf Violine und Singender Säge (Christhard Zimpel) – sie alle wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen.

|Der Song|

In der neuen Serie hat Lübbe den Abschlusssong, den zunächst Heinz Rudolf Kunze beisteuerte, ausgetauscht durch den englischsprachigen Song „I’ve foreseen this day“ der bekannten Popgruppe Orange Blue (Länge: ca. 4:30). Da die Lyrics nicht beigefügt sind, muss man sehr genau hinhören, um etwas zu verstehen. Aber es scheint um „Perlenaugen“ zu gehen.

_Unterm Strich_

Der eine oder andere Hörer dürfte wie ich schon einige Zeit – spätestens seit den Anschlägen in Episode 5 – Dr. Templeton im Verdacht gehabt haben, für zwielichtige Machenschaften rund um Mr. Poe verantwortlich zu sein. Doch wer weiß, wie tief seine Verstrickungen mit dem Schicksal von Poes Familie wirklich reichen? Ist er auch für den Selbstmord der armen Lucy Monahan verantwortlich? Vielleicht sogar für den Untergang des Schiffes, auf dem sich Leonie Goron befand. Es bleiben noch viele Rätsel zu lösen …

Und viele weitere Erzählungen von Edgar Allan Poe zu verarbeiten. Schließlich hat der Mann rund 15 Jahre lang Erzählungen publiziert. Und nur die wenigsten davon sind allgemein bekannt. Wir können also darauf hoffen, dass im nächsten Herbst wieder eine Staffel hervorragend gemachter Hörspiele veröffentlicht wird.

Die Episode „Lebendig begraben“ verfügt kaum über Action-Elemente und nur eine gruselige Szene. Für Unterhaltung ist also nur wenig gesorgt. Dennoch ist sie innerhalb der Serie eine der wichtigeren, weil sie innerhalb der bisherigen Rahmenhandlung eine entscheidende Wendung herbeiführt: Poe findet seine – wahrscheinlich – wahre Identität heraus, gleichzeitig verliert er seine neue Seelengefährtin Leonie. Der Zwiespalt dürfte Stoff für weitere Albträume liefern. Wir freuen uns schon darauf.

Wie ich in den Abschnitten über Sprecher, Sprecherin, Sound und Musik ausgeführt habe, kann die Episode zwar künstlerisch voll überzeugen, dramaturgisch jedoch nicht mit den vorhergehenden Hörspielen mithalten. Dennoch bietet sie den Reiz eines Kriminalhörspiels: Leonie und Poe ermitteln gegen ihren Gastgeber, mit durchaus handfesten Ergebnissen und einem drastischen Resultat: Poe wird lebendig begraben.

Fazit: Kann man hören, muss man aber nicht.

|Umfang: 66 Minuten auf 1 CD|

Peter Verhelst – Das Muskelalphabet. Roman

Anspruchsvolle, erotische Phantastik

Ein junger Mann hat es sich zur Aufgabe gemacht, die kostbaren Bestände einer unterirdischen Bibliothek aus dem 16. Jahrhundert zu ordnen. Allein in dem unheimlichen Gewölbe und umgeben von alten Grabstatuen, verrichtet er seine Arbeit als Archivar – und wird plötzlich mit höchst mysteriösen Ereignissen konfrontiert… (verlagsinfo)

Wie geht mann mit einer jungen rothaarigen Frau um, die sich in einen Engel verwandeln will? Mann verliebt sich Hals über Kopf mit Haut und Haar in sie. So eine Frau ist Lore in Peter Verhelsts Roman „Das Muskelaphabet“. Ein junger Archivar schreibt hier sein Tagebuch über die merkwürdigen und tragischen Ereignisse, die ihm nicht nur mit Lore zustoßen.

Der Autor
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Kipling, Rudyard / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Gespenster-Rikscha, Die (Gruselkabinett 31)

_Ausgleichende Gerechtigkeit: Verbrechen an der Liebe_

Die Themsemündung bei Gravesend im Jahr 1882: Theobald Jack Pansay lernt auf einem Schiff nach Indien die dort mit einem Offizier der britischen Armee verheiratete Agnes Keith-Wessington kennen. Sie beginnen während der Überfahrt eine leidenschaftliche Affäre miteinander. Als Theobald die Verbindung nach einem gemeinsam verbrachten Sommer in Simla beendet, kommt es zu einer Katastrophe mit ungeahnten Folgen … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Rudyard Kipling (1865-1936) war 1907 der erste Brite, der den Literaturnobelpreis erhielt. Kipling wurde als inoffizieller Hofdichter angesehen. 1901 veröffentlichte er mit dem Roman „Kim“ sein Meisterwerk. Am bekanntesten wurde er jedoch mit seinen „Dschungelbüchern“. Sein ganzes Werk ist durchzogen von Geschichten mit fantastischen, übernatürlichen und sogar Science-Fiction-Elementen und -Motiven.

Die vorliegende Erzählung „The Pantom Rickshaw“ erschien zuerst 1888 in Indien und 1890 in England. Die gleichnamige Storysammlung wurde 1889 in die Sammlung „Wee Willie Winkie“ aufgenommen.

_Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Theobald Jack Pansay: Matti Klemm (Robert Gant)
Agnes Keith-Wessington: Arianne Borbach (Diane Lane, Catherine Zeta-Jones)
Kitty Mannering: Uschi Hugo (Brittany Murphy, Tara Reid, Julie ‚Darla‘ Benz)
Dr. Heatherlegh: Bodo Wolf (Christopher Walken, William H. Macy)
Juwelier Hamilton: Wilfried Herbst (Charles Hawtrey, Max ‚Rom‘ Grodenchick in „Deep Space Nine“)
Rikscha-Verleiher: Tommy Morgenstern (‚Son-Goku‘, ‚Butt-Head‘)
Wirt: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander)
Damen der Gesellschaft: Gisela Fritsch und Eva-Maria Werth

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand in den |Planet Earth Studios| und bei |Kazuya c/o Bionic Beats| statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Die Themsemündung bei Gravesend im Jahr 1882. Im Gewühl dieses Hafens sucht der junge Londoner Theobald Jack Pansay das Schiff „Pacific Pearl“, das ihn nach Indien bringen soll. Eine freundliche junge Dame weist ihm den Weg und lädt ihn ein, sie zu begleiten. Doch Agnes Keith-Wessington macht ihm von Anfang an klar, dass sie mit einem Offizier der britischen Armee verheiratet ist. Jack jedoch sucht ein Abenteuer, mit dem er sich die Wochen der Überfahrt vertreiben kann. Sie beginnen eine leidenschaftliche Affäre miteinander.

|Indien: ein Versprechen|

In Bombay heißt es dann, Abschied zu nehmen. Er ist verlegen, als er merkt, dass sie sich total in ihn verliebt hat, er sie aber loswerden will. Er schließt einen Kompromiss mit sich. Sie soll ihn in drei bis vier Monaten in Simla treffen, wo die Bürokraten der Hitze des indischen Sommers in der Kühle des mittleren Himalayas entgehen. Agnes willigt sofort ein, denn sie will ihn um keinen Preis verlieren. Die Monate vergehen und er stellt fest, dass er Agnes‘ Zuwendung vermisst.

Das ändert sich jedoch, als er sie in Simla wiedersieht. Sie sind sehr vorsichtig, als sie sich in einer Mietrikscha zu den Sehenswürdigkeiten und Ausflugspunkten der reizvollen Umgebung fahren lassen. Die zwei Jampanis, die die Rikscha ziehen, seien diskret, sagt Agnes. Eines Tages fährt sie mit Jack zum Tempel der Schutzgättin Simlas. Shyamala sei eine Verkörperung der Todesgöttin Kali, die sowohl Zerstörung als auch Geburt und Erneuerung verkörpere. Agnes bekennt, sie fühle sich sehr mit Kali verbunden, deren Legende sie Jack erzählt. Dann verlangt sie von ihm, sie genau hier, vor dem Tempel und den Augen der Jampanis, zu lieben, und Jack gibt ihrem Begehren nach.

|Trennung – für immer?|

Doch er muss im Laufe der Zeit feststellen, dass sein eigenes Begehren erlischt. Wenig später macht er Schluss mit Agnes und leugnet, dass er sie jemals geliebt habe. Ihre Liebe erdrücke ihn und sei ein Fehler gewesen. Sie bittet um Vergebung und ist sogar bereit, weitere Opfer zu bringen, nur um ihn zu halten. Doch es ist zu spät. Alle ihre Briefe lässt er unbeantwortet, und es sind eine Menge.

Als er Agnes unbeabsichtigt bei einer Abendgesellschaft wiedersieht, bietet sie ihm an, alles zu opfern, um ihn zurückzugewinnen. Er wehrt sie ab, und sie weint. Bei einem weiteren Wiedersehen in Simla geht er von ihr mit den Worten „Fahr zur Hölle!“ In seinem Zorn gerät er einer anderen Reiterin in die Quere, deren Pferd scheut: Es ist Kitty Mannering, energiegeladen, jung und reich. Er verliebt sich auf der Stelle in sie. Eine Rikscha holpert vorbei, und sie glaubt, Agnes Keith-Wessington zu sehen, doch Jack ignoriert die Rikscha – ein Fehler.

Denn wieder und wieder begegnet ihm nun Agnes‘ Rikscha. Er soll zu ihr einsteigen. Sie warnt ihn davor, Kitty zu heiraten, und das erzürnt ihn wieder. Agnes magert ab und wird bleich. Als er die Nachricht von ihrem Tod erhält, ist er erleichtert und verbrennt all ihre ungeöffneten Briefe. Er versucht sie zu vergessen.

|Die Erscheinung|

Im April 1885 reitet er mit Kitty zum Juwelier und kauft ihr einen schönen Verlobungsring. Vor dem Laden hört er, wie Agnes‘ Stimme seinen Namen ruft. Er und Kitty sitzen auf, doch Agnes‘ Rikscha fährt mitten durch Kittys Araberpferd hindurch! Aber Kitty hat nichts gesehen und findet die Erschütterung und Verwirrung, die Jack an den Tag legt, höchst verwunderlich. Indigniert reitet sie von dannen. Er hingegen braucht erst einmal eine Stärkung.

Die Erscheinungen wiederholen sich, und er versucht herauszufinden, ob er verrückt geworden ist. Dass Agnes tot ist, weiß er ja, aber der Rikscha-Verleiher sagt ihm, dass auch die Jampanis gestorben seien, an der Cholera, und er die Rikscha der Memsahib Keith-Wessington eigenhändig zu Kleinholz zerhackt habe. Das solle Unglück abwehren. Jack grübelt, wie er die immer wieder erscheinende Gespenster-Rikscha loswerden könne. Er hat den Verdacht, dass sie, wie Kali, Fluch und Segen zugleich sei. Und dass er eines Tages doch noch einsteigen wird …

_Mein Eindruck_

Offensichtlich verknüpfte der Literaturnobelpreisträger Kipling in dieser kleinen Geschichte seine eigenen Indien-Erfahrungen mit dem alten Motiv um Verbrechen und Sühne. Ob es sich wirklich um ein Verbrechen an der Ehre der liebenden Agnes handelt, steht jedoch zur Debatte. Jack sieht das jedenfalls nicht so, doch er muss einsehen, dass die Sitten in Indien wesentlich strenger sind als im heimischen London.

Den ersten Vorgeschmack erhält er von seinem Therapeuten, dem Arzt Dr. Heatherlegh, der allerdings auch ein Freund der Mannerings ist. Der Doktor nennt ihn einen „Schuft“. Als Jack auch noch Kitty seine Vergangenheit mit der inzwischen verstorbenen Agnes offenbart, löst diese die Verlobung auf, die ihm ein sorgenloses Leben in Saus und Braus versprochen hatte. Kitty erklärt ihm klipp und klar, dass er ein Schwein sei, erstens eine Affäre mit einer Verheirateten angefangen und ihr dies zweitens verschwiegen zu haben. Ein Peitschenhieb ins Gesicht bekräftigt ihre Entrüstung. In Indien sind die Sitten nicht nur streng, sondern auch rau.

Die Gespenster-Rikscha symbolisiert zwei Dinge. Sie ist die äußere Verkörperung seiner Erinnerung an die Affäre und sein schlechtes Gewissen. Das ist der abendländische Aspekt. Was jedoch rein indisch ist, bildet den zweiten Aspekt: nämlich Agnes als Verkörperung der Todesgöttin. Kali ist eine Kraft, die der Liebe Dauer verleiht, die im Schatten ihres Tempels besiegelt wurde (die Tempelszene). Sie ist aber auch die Kraft, die den Tod bringt und überwindet. Sie zu missachten, bringt nichts, wie Jack erkennen muss. Er kann der Erscheinung selbst durch Kasteiung nicht entkommen.

Aber Agnes wird auch zu seinem Schutzgeist. Als eine Steinlawine Jack und Dr. Heatherlegh bedroht, warnt sie ihn, so dass er sich in Sicherheit bringen kann. Ihre Erscheinung ist Fluch und Segen zugleich und somit der doppelte Aspekt Kalis, der die meisten abendländischen Besucher Indiens verwirrt. Indem Kipling diese Geschichte ganz anders als andere Dreiecksgeschichten erzählt, macht er sie nicht typisch indisch, sondern zu einer Brücke zwischen Indien und dem Abendland. Möge derjenige, der sie begreift, daraus lernen.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Sprecher könnten direkt aus einem viktorianischen Stück stammen. Matti Klemm spricht den jungen Mann ebenso kraftvoll wie den alten Mann, der auf die Indien-Episode 35 Jahre später zurückblickt und uns erklärt, wie es zu seinem traurigen Schicksal kommen konnte. Agnes Keith-Wessington wird von Arianne Borbach als eine ebenso leidenschaftliche wie aufopferungsvoll liebende Frau dargestellt. Über die Schnelligkeit, mit der sich Agnes in Jack verliebt, habe ich mich allerdings gehörig gewundert. Das hätten die ollen Viktorianer nur mit tiefsten Stirnrunzeln gesehen!

Über die Darstellung Uschi Hugos von Kitty Mannering habe ich mich sehr gefreut. Junge, energische Damen aus reichem Hause treten in Gruselgeschichten ja nicht allzu häufig auf. Wenn sie schon jung, hübsch und reich sind, dann wenigstens todkrank. Man denke nur an Poes Lady Madeleine Usher, Ligeia, Morella, Eleonora und wie sie alle heißen. Die restlichen Figuren sind alle nebensächlich, doch die Sprecher verleihen ihnen durch ihren Einsatz nichtsdestoweniger große Glaubwürdigkeit. So könnte es in Simla, dieser Sommerfrische der Kolonialherren, wirklich zugegangen sein.

|Musik|

Über den Score habe ich mich schier übermütig erfreut, denn anders als in den abendländischen Geschichten spielt hier Indien die erste Geige. Und was für einen tollen Sound hat der ungenannte Komponist gezaubert! Ich fühlte mich von den Flöten, Sitars, Gitarren und Tablas sofort auf einen anderen Kontinent transportiert. Das ist eine erfrischende Abwechslung zu den immergleichen westlich-romantischen Tonarten, die man im |Gruselkabinett| sonst so hört. Fehlt nur noch „Kashmir“ von |Led Zeppelin|, ebenfalls eine nordindische Melodie. (Leider bekommt |Titania| dafür niemals die Lizenz, weil sie zu teuer ist.)

Es ist klar, dass es sich um einen romantischen Stoff handelt. Schicksal, Tragik, Liebe, Tod spielen bestimmende Rollen. Dementsprechend dramatisch und abwechslungsreich ist auch die Musik komponiert worden. Es handelt sich um Originalmusik, nicht etwa um Kopien aus diversen romantischen Opern. Zusätzlich zu den orchestralen Parts hat der Komponist auch Chöre eingearbeitet, um der tragischen Geschichte mehr Schicksalhaftigkeit zu verleihen.

Die Musik gibt sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit klassischem Instrumentarium produziert – keine Synthesizer für klassische Stoffe! Die Musik steuert nicht nur die Emotionen des Publikums auf subtile Weise, sondern bestreitet auch die Pausen zwischen den einzelnen Akten. Dann stimmt sie das Publikum auf die „Tonart“ des nächsten Aktes ein.

Heitere Klänge wie etwa Sitars und Tablas wechseln sich mit düsteren Passagen ab, die von Streichern und Chören bestritten werden. Tiefe Bässe, die Unheil ankünden, fehlen jedoch, und das macht das unheimliche Geschehen, das erzählt wird, doppelt zweideutig. Auch dies gehört zum Doppelgesicht der Göttin Kali.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. Auf der Seereise herrschen Möwenschreie und das Rauschen des Kielwassers vor, unterlegt mit dem Stimmengewirr in den beiden Häfen.

In Simla ist die Geräuschkulisse völlig anders. Wie es sich für einen Bergwald gehört, ist er mit den Stimmen von Vögeln und Affen erfüllt. Ab und zu hört man einen Wasserfall rauschen – sehr idyllisch. Durch diese Idylle galoppieren die englischen Herrschaften wie der Elefant im Porzellanladen (falls Elefanten galoppieren). Oder eine unheimliche Rikscha mit einer Toten darin rattert vorüber. Das liefert ein paar schöne Stereoeffekte.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv. Man achte auf den weißen Schimmer, der die Rikschau samt Jampanis umgibt!

Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 30: J. W. Polidori: [Der Vampir 5426 (November 2008)
Nr. 31: Rudyard Kipling: Die Gespenster-Rikscha (November 2008)
Nr. 32 + 33: Barbara Hambly: Die Jagd der Vampire (2 CDs, erscheint im März 2009)
Nr. 34: F. M. Crawford: Die obere Koje (erscheint im April 2009)
Nr. 35: Bram Stoker: Das Schloss des weißen Lindwurms (erscheint im April 2009)
Nr. 36+37: Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray (erscheint im Herbst 2009)

_Unterm Strich_

Obwohl die Gespenstergeschichte ein wenig unspektakulär erscheinen mag, so kommt es doch auf ihre Umsetzung an. Die Handlung selbst ist völlig klar herausgearbeitet, und es ist klar, worauf dies alles hinausläuft: auf ausgleichende Gerechtigkeit, die den Delinquenten früher oder – wie in diesem Fall – später ereilen wird.

Wichtig ist es zu begreifen, warum Agnes Keith-Wessington als Gespenst wiederkehrt, um Jack Pansays Gewissen zu plagen. Indien ist ja nicht gerade für Gespenster bekannt, doch wenn es um die Gunst der Todesgöttin geht, die Agnes erhalten hat, so ist mit ihrem Gespenst nicht zu spaßen.

Auch mit den strengen moralischen Maßstäben des kolonialen Indien muss Jack unangenehme Bekanntschaft machen. Die Story baut eine Brücke zwischen den beiden Kulturen und ihren jeweiligen Maßstäben dafür, was ein moralisches Verbrechen sein könnte. Auf diese Weise zeigt der Autor, wie relativ die britischen Maßstäbe im Vergleich mit einem anderen Land sein können.

Dass Jack früher oder später in Agnes‘ Gespenster-Rikscha einsteigen muss, um sie ins Jenseits zu begleiten, erinnerte mich an Emily Dickinsons berühmtes Gedicht über die Kutsche, die für sie hielt: Es war die Kutsche, die vom Tod gelenkt wurde.

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Ganz besonders gelungen fand ich den nordindisch angehauchten Score, der mich in eine andere Weltgegend entführte, und die Darstellung der drei Hauptsprecher Arianne Borbach, Matti Klemm und Uschi Hugo.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

|Basierend auf: The Pantom Rickshaw, 1888
55 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3639-5|

Home – Atmosphärische Hörspiele


http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)

Matt Dickinson – Die weiße Hölle. Actionthriller

Actiondrama am dritten Pol

Seit Jahren träumt Sebastian Turner davon, den Mount Everest zu besteigen – und mit einem Gleitschirm vom Gipfel herunterzusegeln. Um die Einschaltquoten seines privaten TV-Senders hochzutreiben, soll seine Freundin Josie live über die Gipfeltour berichten.

Doch am Tag der letzten Aufstiegsetappe tobt auf dem Everest ein heftiger Sturm, und es kommt zur Katastrophe. Fassungslos erfährt Josie vor laufender Kamera, dass Sebastian vermisst wird. (Verlagsinfo)

Der Autor

Matt Dickinson is a film-maker and writer who is best known for his award-winning novels and his documentary work for National Geographic Television, Discovery Channel and the BBC. Dickinson was one of the climbers caught in the 1996 Mount Everest disaster (!). In 2003 he was the co-writer and director of „Cloud Cuckoo Land“ — an independent British movie.“ (Quelle: en.wikipdia.org)

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Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Morde in der Rue Morgue, Die (Poe #7)

„Die Morde in der Rue Morgue“ ist der siebte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch in den ersten vier Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

– [Die Grube und das Pendel 744
– [Die schwarze Katze 755
– [Der Untergang des Hauses Usher 761
– [Die Maske des Roten Todes 773

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Shortstory („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H. P. Lovecraft, H. G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

Seine Originalstory „The murders in the Rue Morgue“ lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Zwei grausige Morde haben in der Rue Morgue stattgefunden, doch die Polizei ist ziemlich ratlos. Sie können sich nicht vorstellen, wer als Täter in Frage kommt, noch wie es dem Täter überhaupt gelang, zum jeweiligen Tatort zu gelangen. Doch Auguste Dupin hält sich an die Gesetze der Logik, wie etwa an „Occams Rasiermesser“: „Wenn man alles, was nicht in Frage kommt, hat ausschließen können, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch aussehen mag.“ Folglich war der Mörder kein Mensch … – Der Rest ist eine ziemlich spannende Mörderjagd.

_Der Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

_Die Sprecherin_

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem |Bambi| und der |Goldenen Kamera| ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile wieder entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon sechs Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Albträumen. Nach dem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führen soll. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten …

_Handlung_

Endlich an Land! Möwen kreischen und Glocken bimmeln, um Leonie und den Fremden, der sich Edgar Allan Poe nennt, in New Orleans zu begrüßen. Er und seine Lebensretterin haben noch nicht herausgefunden, warum jemand ihn umbringen will, doch er will sich darüber keine Sorgen machen. Er erinnert sich jedoch, dass sein Psychiater Dr. Templeton dagegen war, dass er abreiste. Leonie prophezeit ihm, dass die Vergangenheit ihn einholen werde – wie ein Affe, den man nicht loswird und der einem ständig hinterherläuft.

Etwa so wie der Affe, der bei der Minstrel Show auf einer der Straßen Possen reißt und Passanten anbettelt, während ein Tamburin- und ein Knochenspieler, Mr. Tambo und Brother Bones, Musik machen. Leonie und Poe finden in einer billigen Pension am Hafen Quartier, unweit der Leichenhalle, der Morgue. Sie checken als Ehepaar ein, ihre Zimmer sind durch eine Tür miteinander verbunden. Poe döst in der Hitze ein und sein Geist kreiert wieder mal Phantasmen und einen bemerkenswert zusammenhängenden Traum …

(Übergang zur Binnenhandlung)

Die Szene wechselt nach Paris, wo ein gewisser Auguste Dupin, seines Zeichens Privatdetektiv, lebt. Doch der spielt erst ganz am Schluss eine Rolle. Man muss ihn jedoch kennen, denn er entscheidet mit seinen Erkenntnissen über das grausige Geschehen über das weitere Schicksal der Hauptfigur.

Dabei handelt es sich um einen Malteser Seemann, der auf einer Insel Schiffbruch erlitten hat und sich nun Ben Gunn nennt, nach der berühmten Figur aus Robert Louis Stevensons Roman „Die Schatzinsel“. Ein junger Orang-Utan hat sich ihm auf Borneo angeschlossen, und den nimmt er nach seiner Rettung auf einem Walfänger mit. Der Affe eignet sich Kunststücke an, so etwa ahmt er hervorragend das Bartschneiden mit Hilfe eines scharfen Rasiermessers nach.

Als Ben in Paris eintrifft, ist er kein armer Schlucker, sondern im Grunde ein reicher Mann: Er hat einen Schatz auf seiner Insel gefunden und einen kleinen Teil davon mitgebracht, hauptsächlich Gold in einem Beutel. Ben, der sonst eigentlich ein umgänglicher Bursche ist, sperrt den Affen ein, wenn er ausgeht, und prügelt und peitscht ihn, wenn das Tier unartig war. Dazu wird Ben leider mehrmals Anlass haben …

Eine lebhafte Hafenszene, mit Möwengekreisch, Glockengebimmel, Hufgetrappel, Hundegebell. Ben bemerkt zwei Bürgersfrauen, die ratlos das Hafenbüro suchen. Sie scheinen Mutter und Tochter zu sein. Ein Fass rollt auf sie zu und wirft die Tochter ins Hafenbecken. Wird sie ertrinken?! Ben zögert nicht, ihr nachzuspringen und sie aus dem Wasser zu retten. Doch sie ist bewusstlos, und er bittet einen vorüberhastenden Arzt, ihm zu helfen. Die Wiederbelebung ist erfolgreich, und Ben belohnt den seltsamerweise nur widerwillig Hilfe leistenden Dottore mit einem Geldstück. Die Mutter lädt Ben zum Tee ein.

Bevor sich Ben zur Rue Morgue begibt, wo Madame L’Espanaye und ihre Tochter wohnen, sperrt er seinen Affen ein. Während Ben sich zur jungen Dame sehr hingezogen fühlt, verbietet die sittenstrenge Mutter jeglichen unschicklichen Kontakt, besonders nachdem er zugegeben hat, einen Affen zu haben. Dieser Ausdruck ist insofern komisch, als er auch bedeutet, etwas zu viel über den Durst getrunken zu haben. Ben lässt sich zu einem Wortspiel hinreißen, in dem Muscheln und Perlen vorkommen. Eine vorwitzige Anspielung, die sofort von Madame niedergebügelt wird.

Nach seiner Rückkehr findet Ben sein Zimmer verwüstet vor, der Affe wurde freigelassen. Ständig hat er nun das Gefühl, von einem Schatten verfolgt zu werden. Für den Affenkäfig kauft er sich nun einen schweren Eisenriegel. Ob das hilft?

Am Abend trifft er zufällig Mademoiselle L’Espanaye wieder, die sich beim Hafenmeister nach einem Schiff namens „Dimitri“ erkundigt. Wie sie dem ihr sympathisch gewordenen Ben anvertraut, wartet sie auf einen Sarg, den die „Dimitri“ aus Osteuropa bringen sollte. Er enthalte ihre Verwandte Lucienne L’Espanaye, doch auch einige Erbstücke wie etwa Perlen, die ein kleines, aber dringend benötigtes Vermögen wert seien. Doch der Hafenmeister hat gerade Meldung erhalten, dass die „Dimitri“ in der Biskaya gesunken sei. Mademoiselle (wie erfahren nie ihren Namen) L’Espanaye ist untröstlich, und der hoffnungsvolle Ben darf sie nach Hause bringen und Zukunftspläne schmieden.

Wieder fühlt er sich verfolgt. Wohl mit Recht, denn in ihrer Wohnung sieht auch Mademoiselle ein Gesicht am Fenster, das aber gleich wieder verschwindet. Als er in seine eigene Wohnung zurückkehrt, erfährt er vom Besuch eines Arztes. Das Zimmer ist verwüstet, der Affe übt im Bad das Rasieren. Als Ben es einzufangen versucht, entkommt das Tier mitsamt dem scharfen Rasiermesser. Ihre Verfolgung führt sie zu einem gewissen Haus in der Rue Morgue …

_Mein Eindruck_

Wie ein kurzer Vergleich dieser Handlung mit der Originalstory zeigt, dreht es sich nun keineswegs um spannende Ermittlungen, sondern um eine romantische Liebesgeschichte, die in einer Bluttat grausig endet. Auch die Täter sind etwas anders verteilt, und die Motive sowieso. Insgesamt ist der neue Entwurf nicht ohne Reiz, denn er spricht nicht, wie Dupins rationale Logik, so sehr die Vernunft an, sondern vielmehr auch die Emotionen des Hörers.

Die Wirkung dringt ungleich tiefer als Poes Finale. Ich musste feststellen, dass die Bluttat, unterstrichen von einer enervierenden Musik, mich den Atem anhalten ließ. Soeben hat man sich noch (mit Bens Augen sehend) in die liebevolle und vom Schicksal gebeutelte Mademoiselle L’Espanaye verliebt, da wird ihr auch schon das Schlimmste angetan – von ihrer Mutter, der liebenswerten Schreckschraube, ganz zu schweigen.

Man kann daher durchaus Bens emotionales Chaos, seine Benommenheit nachvollziehen, als nach Hause zurückkehrt und anderntags einem gewissen Auguste Dupin gegenübersteht, der ihm die Leviten liest. Dieser Plot ist ein Meisterstück an subtiler Lenkung der Emotionen des Zuhörers. Dafür wird allerdings die Plausibilität des Geschehens vernachlässigt. Ein gestrengerer Kritiker könnte den gesamten Plot „wegen Irrationalität“ in die Tonne treten.

Nun könnte man sich natürlich – ob der Verlagseinordnung als Horrorhörspiel – zynisch fragen, was denn, bitte schön, an einem simplen Doppelmord so horrormäßig sei. Das Blut an den Wänden, auf der Straße? Na schön, vielleicht könnte es sich dabei um Horror handeln. Auch spannende Ermittlungen gibt es hier nicht zu besichtigen und voyeuristisch zu begleiten, in der Hoffnung, das Böse zur Strecke zu bringen. Ganz im Gegenteil: Diesmal ist es der vermeintlich Gute, der sich unversehens in eine Gräueltat verwickelt sieht. Können wir dem Universum noch trauen? Oder müssen wir hinter diesen Vorgängen – wie Ben Gunn – das Wirken eines finsteren Verfolgers vermuten, quasi eine (Welt-)Verschwörung?

Und schon wieder taucht ein Arzt auf …

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

|Mr. Poe alias Ben Gunn|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. In dieser Folge spielt die Liebe für seine beiden Figuren eine zentrale Rolle: Poe findet größten Gefallen an Leonie, und dass sie als Ehepaar einchecken, gibt ihm Anlass zu schönsten Hoffnungen. Mademoiselle L’Espanaye ist noch ein ganzes Stück jünger, aber dafür noch schnuckeliger, ein wahres Goldstück – oder, besser noch, eine Perle. Ihr schreckliches Ende trifft Ben umso härter. Pleitgen legt größtes Gefühl in seine Stimme, um den chaotischen Gemütszustand Bens auszudrücken. In solchen Szenen stellt er sein ganzes Können unter Beweis.

|Miss Leonie Goron alias Mademoiselle L’Espanaye|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird. Sie kann aber auch im richtigen Moment zuschlagen.

Mademoiselle L’Espanaye ist eine naive, weil streng behütete junge Dame. Wie gesagt: ein schnuckeliges Goldstück, das ein klein wenig an Amélie erinnert. Sie interessiert sich für Affen und – aufgepasst! – sie weiß um das Geheimnis von Muscheln und Perlen. Diese doppelthematische Symbolsprache zieht sich durch das gesamte Hörspiel in Binnen- und Rahmenhandlung. Die Autoren versuchen uns etwas damit zu sagen. Jeder Hörer muss es für sich selbst entschlüsseln.

|Auguste Dupin|

Besonders verblüfft hat mich das Auftreten von Auguste Dupin. Da seine Rolle von Manfred Lehmann gesprochen wird, erklingt auf einmal die (deutsche) Stimme von Gerard Depardieu. Das ist insofern sehr passend, als Depardieu in dem Detektiv-Horror-Fantasy-Thriller „Vidocq“ die titelgebende Rolle eines Meisterdetektivs gespielt hat. Es ist lediglich bedauerlich, dass „Dupin“ nicht die Gelegenheit ergreift, Ben zu erklären, wie er auf die Lösung des Falles gekommen ist. Dafür müssen wir dann wieder das Original von Poe lesen (siehe oben).

|Sound und Musik|

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet: siehe meine Beschreibung oben. Hier kann sich der Hörer einfühlen. Hier wünsche ich mir die dreidimensionale Empfindung, die Dolby Surround vermittelt. Vielleicht wird es einmal alle acht POE-Hörspiele auf einer DVD in Dolby Surround (DD 5.1) oder DTS geben – das wäre mein bescheidener Traum.

Die Musik bildet die perfekte Ergänzung: Klassische Streicher eines Quartetts und des Filmorchesters Berlin, die Potsdamer Kantorei, Vokalisen der Sängerin Gaby Bultmann – sie alle wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen.

Ganz besonders eindrucksvoll fand ich die Szenen in Paris. Denn hier kommen noch ein charakteristisches Akkordeon (Klaus Staab) und eine Klarinette (Tim Weiland) hinzu. Während das Akkordeon – o là là! – romantische Gefühle weckt, ist die Klarinette für unheilvolle Untertöne zuständig. Auf dem Höhepunkt in der Rue Morgue erklingt eine chaotische Kakophonie, die perfekt zum blutigen Geschehen passt und geeignet ist, den Zuhörer entsprechend zu erschrecken. Das ist ganz schön makaber.

|Der Song|

In der neuen Serie hat Lübbe den Abschlusssong, den zunächst Heinz Rudolf Kunze beisteuerte, ausgetauscht durch den englischsprachigen Song „I’ve foreseen this day“ der bekannten Popgruppe Orange Blue (Länge: ca. 4:30). Da die Lyrics nicht beigefügt sind, muss man sehr genau hinhören, um etwas zu verstehen. Aber es scheint um „Perlenaugen“ zu gehen. Passt perfekt zum Perlenmotiv der Binnenhandlung.

_Unterm Strich_

Der Hörer sollte sich diesmal zufrieden geben und nicht die üblichen zwei oder drei Höhepunkte verlangen: Er bekommt nämlich diesmal nur ein Finale. Doch dieses ist so schön und geschickt aufgebaut, dass seine dramatische Wirkung umso nachhaltiger sein dürfte. Ich jedenfalls war ein wenig (ein ganz klein wenig) erschüttert.

Auch den üblichen Wahnsinn sucht man vergebens. Zunächst jedenfalls. Keine spinnerten Schatzsucher trampeln durch die Botanik; kein Mahlstrom lockt mit dem sicheren Tod in den Irrsinn. Allenfalls der Liebe süßer Wahn lockt unseren Helden durch Pariser Gassen. Der Tod offenbart sich in schrecklicher Zufälligkeit und sicher nicht, um irgendjemandes Nerven zu schonen.

Sprecher, Musiker, Toningenieure – ihre Leistung muss ich wieder einmal lobend hervorheben. Wie leicht könnte ein so emotionales Geschehen übertrieben, unecht oder gar abgeschmackt wirken. Hier ist vielmehr Subtilität gefragt, ohne die Lebhaftigkeit der Figuren zu verdecken. Dies gelingt den beiden zentralen Sprechern Pleitgen und Berben hervorragend.

|Ausblick|

Wieder ist ein kleines Puzzlestückchen enthüllt worden, das einen Hinweis auf den Drahtzieher der Anschläge auf Herr „Poe“ liefert. Ärzte allenthalben – sie spielen eine zwielichtige Rolle sowohl in Poes Träumen als auch in seiner Realität. Und sicherlich hat das eine mit dem anderen zu tun. Wir können außerdem nicht hundertprozentig sicher sein, dass nicht auch Leonie Goron etwas im Schilde führt oder in den Plänen eines Arztes eine Rolle spielt.

|Originaltitel: The murders in the Rue Morgue
66 Minuten auf 1 CD|

Eschbach, Andreas / Kaiser, Kerstin / Päschk, Christian / Prangenberg, Klaus – blauen Türme, Die (Das Marsprojekt 2. Inszenierte Lesung)

_Inszenierte Lesung: Neues vom Geheimnis des Mars_

Arianna, Ronny, Carl und Elinn – alle zwischen 13 und 15 Jahren alt – sind als erste Kinder auf dem Mars geboren worden und aufgewachsen. Doch im Jahr 2086 sollen sie gemeinsam mit anderen Marssiedlern zur Erde zurückkehren, weil machthungrige Politiker behaupten, das Marsprojekt sei gescheitert. Die Vorbereitung zur Stilllegung der Forschungsstation laufen bereits auf Hochtouren – aber die vier Jugendlichen sind fest entschlossen, auf dem Roten Planeten zu bleiben. Besonders Elinn, die aus medizinischen Gründen auf der Erde nicht überleben könnte. Sie büchsen aus und kommen einem verborgenen Geheimnis des Planeten auf die Spur.

Band 2: Seit ihrer Entdeckung der blauen Türme ist der Mars in aller Munde. Wer hat die Türme erbaut und wozu? Wissenschaftler und Journalisten reisen an, um dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Die Marssiedlung wächst rasant, doch mit den Raumschiffen von der Erde kommen nicht nur Freunde des Marsprojekts. Ein Saboteur treibt sein Unwesen, um die Forschungsarbeiten zum Stillstand zu bringen und den Abbruch des Projekts herbeizuführen. Doch die vier Freunde kommen ihm auf die Schliche – und erhalten Hilfe von unerwarteter Seite …

Es handelt sich um eine inszenierte Lesung, die mit Musik und Geräuschen versehen ist.

_Der Autor_

Andreas Eschbach, Jahrgang 1959, studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik, bevor er als Software-Entwickler und Berater arbeitete. Schon als Junge schrieb er seine eigenen Perry-Rhodan-Storys, bevor er mit „Die Haarteppichknüpfer“ 1984 seine erste Zeitschriftenveröffentlichung landen konnte.

Danach dauerte es noch elf Jahre bis zur Romanfassung von „Die Haarteppichknüpfer“, danach folgten der Actionthriller „Solarstation“ und der Megaseller „Das Jesus-Video“, der mit dem renommierten Kurd-Laßwitz-Preis für den besten deutschsprachigen Science-Fiction-Roman des Jahres 1998 ausgezeichnet und fürs Fernsehen verfilmt wurde.

Seitdem sind unter anderem die Romane „Eine Billion Dollar“, „Perfect Copy“, „Exponentialdrift“, „Die seltene Gabe“, „Das Marsprojekt 1-3“ sowie „Der Letzte seiner Art“ erschienen, einige davon zudem als Hörbuch. Auch das Sachbuch „Das Buch der Zukunft“ gehört zu seinen Publikationen. Eschbach hat mehrere Anthologien, darunter „Eine Trillion Euro“, herausgegeben und eine Reihe von literarischen Auszeichnungen erhalten. Heute lebt er mit seiner Familie als freier Schriftsteller in der Bretagne.

Das Marsprojekt:

01: [Das ferne Leuchten 1102
01: [Das ferne Leuchten 5497 (inszenierte Lesung)
02: [Die blauen Türme 1165
03: [Die gläsernen Höhlen 2484
04: [Die steinernen Schatten 4301
05: [Die schlafenden Hüter 5266

Mehr von Andreas Eschbach auf |Buchwurm.info|:

[„Ausgebrannt“ 3487 (Buchfassung)
[„Ausgebrannt“ 4942 (Hörbuch)
[„Der Nobelpreis“ 2060
[„Die Wiederentdeckung“ 3211 (Hörbuch)
[„Die Haarteppichknüpfer“ 1556
[„Quest“ 1459
[„Perfect Copy – Die zweite Schöpfung“ 1458
[„Der Letzte seiner Art“ 1250
[„Der Letzte seiner Art“ 317 (Hörbuch)
[„Die seltene Gabe“ 1161
[„Eine Billion Dollar“ 653
[„Das Jesus-Video“ 267 (Hörbuch)
[„Exponentialdrift“ 187

_Die Sprecherin_

Marie Bierstedt, Jahrgang 1974, trat ab Mitte der 80er Jahre in TV-Serien wie „Praxis Bülowbogen“ oder „Ein Heim für Tiere“ auf. Sie ist unter anderem die deutsche Stimme von Kirsten Dunst („Spider-Man“), Kate Beckinsale und Natalie Portman. Sie ist vielen Deutschen zudem als deutsche Stimmbandvertretung von Alyson Willow Hannigan in „Buffy“ vertraut.

Der Text wurde von Klaus Prangenberg gekürzt, Regie führte Kerstin Kaiser, die Aufnahme leitete Christian Päschk. Die Musik steuerte der bekannte Profi Andy Matern bei. Die Inszenierung besorgten Fabian Frischkorn und Horst-Günther Hank.

_Der Komponist_

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde „Der Cthulhu-Mythos“ zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik-Preis 2003). Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

_Vorgeschichte_

Arianna, Ronny, Carl und Elinn – alle so um die 14-15 Jahre alt – sind als erste Kinder auf dem Mars geboren worden und aufgewachsen. Vor allem Elinn hat einen besonderen Draht zu ihrer fremdartigen Umgebung entwickelt – sie sieht ein Leuchten, das andere nicht wahrnehmen. Und sie findet Steine, die für sie wie Landkarten von einer bestimmten Gegend – dem Löwenkopf – aussehen, auch wenn sie anderen nichts sagen. Aber sie hat Recht, wie sich zeigen soll.

Doch eines Tages bekommen die Kids mit, welche geheimen Pläne die Erdregierung und der Marsgouverneur mit der Kolonie haben: Sie wollen sie schließen! Während Kostengründe vorgeschoben werden, geht es den dahinter stehenden Politikern nur um noch mehr Einfluss auf der Erde. Schon bald laufen die Vorbereitungen zu Stilllegung der Forschungsstation auf Hochtouren.

Niemand der Erwachsenen ahnt jedoch, dass die vier Freunde fest entschlossen sind, auf dem Mars zu bleiben. Selbst Carl, der auf der Erde studieren wollte, gibt seine Pläne auf. Und besonders Elinn könnte auf der Erdoberfläche wegen der dreimal höheren Schwerkraft gar nicht überleben, sondern müsste in einer Orbitalstation wie in einem Gefängnis ihr Leben fristen.

Mit dem intelligenten Zentralcomputer AI-20 auf seiner Seite entführt das Quartett einen großen Marsrover und fährt 180 Kilometer zur asiatischen Station. Dumm gelaufen: Die Chinesen machen ihren Laden ebenfalls dicht! Aber die haben wenigstens noch ein schickes Flugzeug, mit dem man entdecken könnte, was sich hinter dem Löwenkopf verbirgt …

_Handlung_

Urs Pigrato muss mit seiner Mutter von Genf zum Mars umziehen, wo sein Vater Statthalter der Erdregierung ist. Urs ist 15 Jahre alt und fühlt sich in den Netzwerken der Erde sehr wohl, wo er sich gerne im Virtu, der Virtuellen Realität, dem Magnet Scooting hingibt, einem Virtu-Sport. Nach drei Monaten Nichtstun trifft die Ladung von rund 80 Passagieren endlich auf der nackten Kugel aus Staub und Fels ein, die man den Roten Planeten nennt. Urs ist nicht begeistert, aber wegen der vielen Neuheiten ziemlich aufgeregt. Hier wird er die nächsten sechs Jahre seines Leben verbringen.

|Einsamkeit|

Als er seine Freunde im Virtu kontaktieren will, erlebt er eine bittere Enttäuschung: Weil die Kommunikationsverzögerung zwischen Erde und Mars rund 15 Minuten beträgt, ist die Teilnahme an Virtu-Spielen ausgeschlossen, denn dazu braucht man Reaktionen in Echtzeit. Bleibt also nur die E-Mail. Und die ist unzuverlässig, weil die KI AI-20, die sonst alles in der Siedlung steuert, keinen Zugriff auf das Mailsystem hat. Einen Tag lang ist gar kein Mailverkehr möglich; irgendjemand muss eine Riesen-Mail überspielt haben. Der Journalist Wim Van Leer entschuldigt sich zwar für seine Auftraggeber, aber die haben angeblich nichts geschickt. Sein Vater seufzt bloß: Er habe ständig mit solchen Schwierigkeiten zu kämpfen.

|Die blauen Türme|

Zu seinem Verdruss schneiden ihn die vier anderen Kinder. Er kann sich ungefähr denken, warum: Sie halten ihn für einen Spion seines Vaters. Der hat auch tatsächlich eine solche Andeutung gemacht, aber Urs hat das Ansinnen rundweg abgelehnt. Als Ausgleich nimmt ihn sein Vater zum Camp der Forscher an den blauen Türmen mit.

Sie sind fast 300 Meter hoch, drehen sich in 411 Stunden einmal um ihre Achse – jeder entgegengesetzt zum anderen – und scheinen absolut nichts zu bewirken. Aber sie sind durch einen Schirm so getarnt, dass man sie nicht entdeckt, wenn man höher als 2900 Meter fliegt – ein interessantes Rätsel. Zu seiner Verwunderung entdeckt Urs daneben das Flugzeug der Asiatischen Forschungsstation. Es ist hier gestrandet, denn keiner kann es zurückbringen. Irgendwie schade, findet Urs.

|Katastrophen|

In der Asiatischen Forschungsstation tritt ein Notfall ein: Schimmel verstopft die Lüftungsanlage. Urs‘ Vater schickt den zuständigen Ingenieur mit einem Kanister Fungizid zu den Asiaten. Doch seine Bemühungen sind vergeblich, denn der Schimmel ist so aggressiv, dass er sich rasend schnell ausbreitet und die Substanz der Wände angreift. Die Asiaten müssen die Station aufgeben, so dass es in der Siedlung noch enger wird. Hoffentlich findet der Schimmel nicht seinen Weg in die Siedlung. Quarantäne wird verhängt.

Nach einem Willkommensfest begibt sich Urs mit seinem Freund, dem russischen Kraftwerksingenieur Jurij Glenkow, zum südlichen Fusionsreaktor. Sie stellen nichts Ungewöhnliches fest und fahren mit dem Rover zurück Richtung Siedlung, um danach den Nordreaktor zu inspizieren. Doch auf halber Strecke bricht Glenkow bewusstlos zusammen. Urs gelingt es in letzter Sekunde, eine Kollision mit einem der zahlreichen Felsen zu vermeiden und den Rover zu stoppen – dabei erweist sich sein Training im Magnet-Scooting als nützlich.

Doch was nun? Er kann ja seinen Freund nicht hier draußen in der Wüste sterben lassen. Doch die einzige Person, die seinen Notruf aufzufangen in der Lage ist, ist Ariana DeJones, die Tochter des Siedlungsarztes. Sie lässt sich von Urs die Symptome schildern und diagnostiziert einen hypoglykämischen Schock, denn Glenkow ist Diabetiker und hat Unterzucker. Er befindet sich praktisch im Koma. Sie muss zu ihm hinfahren und zwei Spritzen verabreichen.

Es gelingt ihr, Urs‘ Rover im Nirgendwo zu orten und Glenkow zu helfen. Zusammen fahren sie und Urs zurück zur Siedlung. Dort stellen der neue Sicherheitschef Eikanen und der Arzt DeJones fest, dass Glenkow offenbar mit einem falsch eingestellten Insulininjektor getötet werden sollte. Es ist ein Mordanschlag. Doch wer hat es auf ihn abgesehen? Und wozu?

_Mein Eindruck_

In dieser ersten Fortsetzung des Zyklus hat der Autor die Kinderkrankheiten des Vorgängers „Das ferne Leuchten“ ausgemerzt und erzählt wesentlich professioneller und geschickter. Um für Abwechslung zu sorgen, wechselt er ständig die Szene, doch die Hauptfigur bleibt immer die gleiche: Urs Pigrato bewertet die Verhältnisse in der Siedlung mit dem frischen, unverstellten Blick des Außenseiters. Deshalb fallen ihm manche Dinge als ungewöhnlich auf, so etwa als Erstes der Gestank „wie auf einem Bauernhof“.

Nur hin und wieder wendet sich die Erzählung den vier ursprünglichen Kindern zu, die allmählich das Gewissen plagt: Es war schließlich bloß Carls Plan, Urs zu schneiden, und jetzt müssen alle den Preis dafür zahlen. Besonders Elinn ist gegen dieses fiese Vorgehen. Wider Erwarten spät finden daher Urs und Ariana zusammen und werden ein Freundespaar. Sie macht ihn mit den anderen bekannt, was diesen zu einer Fülle von Infos über das Leben auf der Erde verhilft.

Durch den Gedankenaustausch kommen sie endlich auch darauf, dass es einen Saboteur in der Siedlung geben muss: Er hat bereits die Asiatische Forschungsstation vernichtet und treibt nun sein Unwesen in der Siedlung. Aber wer ist es? Der Verdacht fällt auf den Journalisten Wim van Leer. Aber liegen sie dabei richtig? Ein Irrtum könnte sich als verhängnisvoll erweisen.

Ariana merkt wenig später, dass Urs verschwunden ist. Eine Suchaktion verläuft ergebnislos, doch Ariana fällt das merkwürdige Verhalten des Springbrunnens auf dem Zentralplatz auf. Es ist, als würde er dem Pulsschlag eines Herzens folgen …

_Die Inszenierung_

Der Text, den Marie Bierstedt, vorträgt, unterscheidet sich erheblich vom Buch. Mir ist ausgefallen, dass sich die gekürzte Lesung vor allem auf die Mars-Kinder konzentriert. Deshalb wurden alle Szenen, die in der Asiatischen Station spielen – und das sind eine ganze Reihe – ersatzlos gestrichen. Wenn also an manchen Stellen die Rede von Schimmel ist, so weiß der Hörer nicht, wie sich dessen Auftauchen real auswirkt. Denn dazu fehlen ja die Schilderungen. Auch wissenschaftliche Erklärungen wie etwa zur Nanotechnik wurden auf ein Minimum reduziert.

Diese Kürzungen sind aber gar nicht mal so schlecht, denn sie tragen dazu bei, die Szenen, in denen die Kinder auftauchen, anschaulich zu machen. Abstraktes bleibt weitestgehend außen vor. Das klappt besonders in der zweiten Hälfte sehr gut, in der ersten weniger. Zweitens dienen die Kürzungen dazu, die spannende Zentralhandlung auf den Saboteur und dessen Bekämpfung zu lenken, so dass sich der jugendliche Zuhörer eher darüber Gedanken machen kann als etwa über ekligen Schimmel. Ein zweiter zentraler Strang ist das Schicksal des Neulings Urs Pigrato. Er soll erklären, wie es dazu kommt, dass sich das Marskind Arianna de Jones in den Erdenwurm verliebt.

|Die Sprecherin|

Wenn man an Natalie Portman, Kate Beckinsale und Kirsten Dunst denkt, so hat man schon einen guten Eindruck von Marie Bierstedts Stimme im geistigen Ohr. Die Frau ist ja kein unbeschriebenes Blatt, sondern schon an unzähligen Hörspielproduktionen teilgenommen, häufig neben Detlef Bierstedt. In letzter Zeit hat sie viele Hörbücher aufgenommen, so etwa die Maximum-Ride-Serie von James Patterson. Wie im „Mars-Projekt“ steht dort eine Gruppe von Jugendlichen im Mittelpunkt der Handlung.

Die Sprecherin verleiht jedem Mitglied der Kindergruppe eine charakteristische Ausdrucksweise. Elinn beispielsweise, die Jüngste, klingt kindlich und, wenn sie über Marsianer spricht, etwas träumerisch. Kein Wunder, dass sie von den Erwachsenen belächelt oder gar gehänselt wird. Die Erwachsenen haben fast alle tiefere Stimmen.

|Fehler|

Leider macht Marie Bierstedt ein paar Fehler, die einem Astronomen die Haare zu Berge stehen lassen. Dazu gehört ihre französische Aussprache des lateinischen Namens „Valles Marineris“ (Täler des Seefahrers): Sie spricht „wall marineris“. Vielleicht hätte ihr mal jemand sagen sollen, dass auf dem Mars nur lateinische und englische Namen vorkommen, auch wenn das die Franzosen gewaltig ärgert. Diesen Fehler hat sie schon beim ersten Hörbuch gemacht.

Ebenfalls unplausibel erscheint mir ihre englische Aussprache des holländischen Namens Win van Leer: Sie sagt [wim wän li:r], als läge Leer irgendwo im Wilden Westen. Möglicherweise liegt eine Verwechslung mit dem englischen Verb „to leer“, also lüstern oder hinterlistig schielen, vor. Beides ergibt keinen Sinn. Wie sich herausstellt, ist Wim van Leer ein ehrlicher Journalist, auch wenn er zwischenzeitlich unter Verdacht gerät.

|Geräusche und Effekte|

Mit Geräuschen ist die Tonregie sehr sparsam umgegangen. Wir hören keine Schritte, keine Türen, sondern allenfalls mal einen medizinischen Alarm oder ein Düsentriebwerk. Auch ein elektromagnetisch entfachter Tornado kommt zu Gehör, mit einem Zischen und Grollen.

Mehr als einmal spricht Bierstedt die Rolle der KI AI-20, die auch für Kommunikation und Türen zuständig ist. Dann wird Bierstedts Text durch eine Effekt so verzerrt, dass sie monoton und synthetisch wie eine Maschine klingt. Offenbar haben die Sounddesigner keine gute Meinung von künftigen Künstlichen Intelligenzen. Sie lassen AI-20 wie einen hirnamputierten Roboter klingen.

|Musik|

An der Musik kann man ablesen, wie gut der Komponist Andy Matern wirklich ist. Er hat jeden Stil drauf und setzt zahlreiche elektronische Instrumente ein. Mit dynamischen Passagen voll Bass und Trommeln untermalt angespannte Situationen oder beschwört Spannung herauf. Mit cooler, relaxter Musik (Swing-Stil) entspannt er den Hörer und verleiht der jeweiligen Szene einen harmlosen, wenn nicht sogar heiteren Anstrich, so etwa auf der Feier. Und eine mystische Musik beschwört das Gefühl herauf, man sei dem Geheimnis der Marsianer ganz nahe.

Diese wechselnden Stimmungen sind höchst willkommen, denn der Vortrag der Sprecherin, so abwechslungsreich er auch sein mag, mutet dem jugendlicher Hörer auf Dauer doch etwas trocken an. Die Musik ist eindeutig ein ebenbürtiger Partner des Vortrags.

_Unterm Strich_

Die Geschichte ist spannend, im letzten Drittel sogar actionreich, und so einfach zu verstehen, wie es jedes Jugendbuch sein sollte. Was ich mir aber noch wünschen würde, wären mehr Ausflüge über die Oberfläche des Mars. Diese scheinen nur den Erwachsenen vorbehalten zu sein. Aber das wird sich im dritten Band ändern: Carl geht auf eine folgenreiche Expedition.

Ein tiefes Geheimnis liegt über diesen Exkursionen, denn vor Jahren verschwand der Vater von Carl und Elinn Faggan auf einer Expedition spurlos, und man erklärte ihn für tot. Was aber, wenn es Lebensräume unter der Marsoberfläche gäbe? Dann könnten sie vielleicht ihren Vater wiederfinden. Ein weiteres Rätsel bilden die Artefakte, die offenbar nur Elinn zu finden in der Lage ist. Am Schluss zeigen sich zwei neue solche Marsobjekte: Auf dem einen steht „Urs“, auf dem anderen „Elinn“ …

|Die inszenierte Lesung|

Marie Bierstedt erweckt die Figuren zum Leben und macht sie unterscheidbar. Besonders den grantigen, stets mürrischen Gouverneur Tom Pigrato erkannte ich jederzeit. Das Gleiche gilt natürlich für den russischen Ingenieur Jurij Glenkow mit seinem typischen Akzent. Die Figuren zeigen viele Emotionen und wirken dadurch auf glaubwürdige Weise menschlich.

Die Geräusche halten sich sehr in Grenzen, was aber durch die vielseitige und fast stets präsente Musik Andy Materns mehr als ausgeglichen wird. Schade, dass Marie Bierstedt wenig Ahnung in Sachen Physik und Astronomie hat.

|298 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3668-5|
http://www.luebbe-audio.de
http://www.andreaseschbach.de
http://www.wellenreiter.la

Eschbach, Andreas / Kaiser, Kerstin / Roelvink, Verena / Prangenberg, Klaus – ferne Leuchten, Das (Das Marsprojekt 1. Inszenierte Lesung)

_Serien-Auftakt: Die Zukunft der Mars-Kinder_

Arianna, Ronny, Carl und Elinn – alle zwischen 13 und 15 Jahren alt – sind als erste Kinder auf dem Mars geboren worden und aufgewachsen. Doch im Jahr 2086 sollen sie gemeinsam mit anderen Marssiedlern zur Erde zurückkehren, weil machthungrige Politiker behaupten, das Marsprojekt sei gescheitert. Die Vorbereitung zur Stilllegung der Forschungsstation laufen bereits auf Hochtouren – aber die vier Jugendlichen sind fest entschlossen, auf dem Roten Planeten zu bleiben. Besonders Elinn, die aus medizinischen Gründen auf der Erde nicht überleben könnte. Sie büchsen aus und kommen einem verborgenen Geheimnis des Planeten auf die Spur.

Es handelt sich um eine inszenierte Lesung, die mit Musik und Geräuschen versehen ist.

_Der Autor_

Andreas Eschbach, Jahrgang 1959, studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik, bevor er als Software-Entwickler und Berater arbeitete. Schon als Junge schrieb er seine eigenen Perry-Rhodan-Storys, bevor er mit „Die Haarteppichknüpfer“ 1984 seine erste Zeitschriftenveröffentlichung landen konnte.

Danach dauerte es noch elf Jahre bis zur Romanfassung von „Die Haarteppichknüpfer“, danach folgten der Actionthriller „Solarstation“ und der Megaseller „Das Jesus-Video“, der mit dem renommierten Kurd-Laßwitz-Preis für den besten deutschsprachigen Science-Fiction-Roman des Jahres 1998 ausgezeichnet und fürs Fernsehen verfilmt wurde.

Seitdem sind unter anderem die Romane „Eine Billion Dollar“, „Perfect Copy“, „Exponentialdrift“, „Die seltene Gabe“, „Das Marsprojekt 1-3“ sowie „Der Letzte seiner Art“ erschienen, einige davon zudem als Hörbuch. Auch das Sachbuch „Das Buch der Zukunft“ gehört zu seinen Publikationen. Eschbach hat mehrere Anthologien, darunter „Eine Trillion Euro“, herausgegeben und eine Reihe von literarischen Auszeichnungen erhalten. Heute lebt er mit seiner Familie als freier Schriftsteller in der Bretagne.

Das Marsprojekt:

01: [Das ferne Leuchten 1102
02: [Die blauen Türme 1165
03: [Die gläsernen Höhlen 2484
04: [Die steinernen Schatten 4301
05: [Die schlafenden Hüter 5266

Mehr von Andreas Eschbach auf |Buchwurm.info|:

[„Ausgebrannt“ 3487 (Buchfassung)
[„Ausgebrannt“ 4942 (Hörbuch)
[„Der Nobelpreis“ 2060
[„Die Wiederentdeckung“ 3211 (Hörbuch)
[„Die Haarteppichknüpfer“ 1556
[„Quest“ 1459
[„Perfect Copy – Die zweite Schöpfung“ 1458
[„Der Letzte seiner Art“ 1250
[„Der Letzte seiner Art“ 317 (Hörbuch)
[„Die seltene Gabe“ 1161
[„Eine Billion Dollar“ 653
[„Das Jesus-Video“ 267 (Hörbuch)
[„Exponentialdrift“ 187

_Sprecherin & Inszenierung_

Marie Bierstedt, Jahrgang 1974, trat ab Mitte der 80er Jahre in TV-Serien wie „Praxis Bülowbogen“ oder „Ein Heim für Tiere“ auf. Sie ist unter anderem die deutsche Stimme von Kirsten Dunst („Spider-Man“), Kate Beckinsale und Natalie Portman. Sie ist vielen Deutschen zudem als deutsche Stimmbandvertretung von Alyson Willow Hannigan in „Buffy“ vertraut.

Der Text wurde von Klaus Prangenberg gekürzt, Regie führten Kerstin Kaiser & Verena Roelvink, für die Musik steuerte Andy Matern bei. Die Inszenierung besorgten Fabian Frischkorn und Horst-Günther Hank.

_Handlung_

Arianna, Ronny, Carl und Elinn – alle so um die 14-15 Jahre alt – sind als erste Kinder auf dem Mars geboren worden und aufgewachsen. Vor allem Elinn hat einen besonderen Draht zu ihrer fremdartigen Umgebung entwickelt – sie sieht ein Leuchten, das andere nicht wahrnehmen. Und sie findet Steine, die für sie wie Landkarten von einer bestimmten Gegend – dem Löwenkopf – aussehen, auch wenn sie anderen nichts sagen. Aber sie hat Recht, wie sich zeigen soll.

Doch eines Tages bekommen die Kids mit, welche geheimen Pläne die Erdregierung und der Marsgouverneur mit der Kolonie haben: Sie wollen sie schließen! Während Kostengründe vorgeschoben werden, geht es den dahinter stehenden Politikern nur um noch mehr Einfluss auf der Erde. Schon bald laufen die Vorbereitungen zu Stilllegung der Forschungsstation auf Hochtouren.

Niemand der Erwachsenen ahnt jedoch, dass die vier Freunde fest entschlossen sind, auf dem Mars zu bleiben. Selbst Carl, der auf der Erde studieren wollte, gibt seine Pläne auf. Und besonders Elinn könnte auf der Erdoberfläche wegen der dreimal höheren Schwerkraft gar nicht überleben, sondern müsste in einer Orbitalstation wie in einem Gefängnis ihr Leben fristen.

Mit dem intelligenten Zentralcomputer AI20 auf seiner Seite entführt das Quartett einen großen Marsrover und fährt 180 Kilometer zur asiatischen Station. Dumm gelaufen: Die Chinesen machen ihren Laden ebenfalls dicht! Aber die haben wenigstens noch ein schickes Flugzeug, mit dem man entdecken könnte, was sich hinter dem Löwenkopf verbirgt …

_Mein Eindruck_

In Eschbachs erstem Zukunftsroman für ein jugendliches Publikum versucht er, nicht die Fehler seiner berühmten deutschen Vorgänger zu machen, allen voran Hans Dominik. Dort lieferte die Technik stets den Schlüssel zu allen Problemen, und bei Otto Gail war der Mondflug kein Problem. Eschbach, ein ehemaliger Raumfahrtstudent, weiß natürlich viel mehr über die realen Bedingungen, auch auf dem Roten Planeten. Er versucht, den Leser für die Frage zu interessieren, wie sich Jugendliche auf einer fremdartigen und menschenfeindlichen Welt verhalten.

Bei der Weltkonstruktion kann man ebenso viele Fehler machen wie bei der Beschreibung von Menschen. Beides will wohlüberlegt sein. Zum Glück gibt es eine ganze Reihe von Autoren, die ein fremdes Habitat bereits beschrieben haben, und dazu gehören besonders Arthur C. Clarke, Isaac Asimov und Robert A. Heinlein. Natürlich hat auch die amerikanische Raumfahrtbehörde Unmengen von Literatur dazu produziert, und es hat zwei Experimente für ein autarkes Habitat auf der Erde gegeben. Fazit: Die Sache ist knifflig und erfordert exakte Planung.

Doch das dürfte den jugendlichen Leser weniger interessieren, sondern er darf das Problem als gelöst voraussetzen. Sonst würde die Marssiedlung ja gar nicht mehr existieren, oder? (En passant lässt der Autor eine Chronologie der Mars-Eroberung einfließen: Die erste bemannte Landung erfolgte demnach im Jahr 2019.) Viele wichtiger sind die Besonderheiten, die Marsmenschen aufweisen, also besonders die hier geborenen und aufgewachsenen.

Unter ihnen stellt sich die zwölfjährige Elinn als etwas ganz Besonderes heraus: Sie kann auf der Erde höchstes 60 Tage überleben, weil sich ihre Lungen zu sehr dem Mars angepasst haben. Dass sie aber auch noch einen besonderen Sinn entwickelt hat, mit dem sie das „Leuchten“ wahrnimmt, das die anderen nicht sehen, macht Elinn zu einer Art Seherin. Man sollte auf sie achten.

Elinn beschwört beim Plan der Erdpolitiker, die Marssiedlung zu schließen, ein massives Problem herauf, denn schließlich kann man sie nicht alleine zurücklassen. Eine Alternative wird geboten: die Unterbringung auf der neuen Raumstation der Erde. Doch das würde auf eine Art Einzelhaft hinauslaufen. Für ihren Bruder Carl ist das keine Alternative, sondern eine Notsituation. Mit diesem Argument bringt er die KI AI20 auf seine Seite und zur Kooperation.

Der Autor verliert sich ein wenig in den Argumentationskriegen um dieses Problem und verschenkt so wertvolle Sympathiepunkte. Worauf der Streit hinausläuft, ist wichtig: auf Carls Plan, bei den Chinesen um Asyl zu bitten. Auch das ist nicht wirklich interessant, aber die Chinesen haben viel bessere Technik als die Marssiedlung, wodurch ein wichtige Kenntnis gelingt: Elinns Löwenkopf gibt es wirklich – aber er ist getarnt! Jetzt endlich kann die Action losgehen.

Sie mündet in einem Showdown vor Ort und einer Offenbarung, die alle Spielregeln verändert. Beides geht bei Eschbach häufig Hand in Hand. Die Figuren anderer Autoren haben Epiphanien, doch sie bleiben meist persönlicher Natur. Eschbachs Offenbarungen ändern das Universum bzw. vielmehr dessen Wahrnehmung durch den Menschen. (Man denke an das Taschenuniversum der Haarteppichknüpfer, das in den Allgemeinraum zurückkehrt.) Fortan denken die Menschen darin auf einem anderen Niveau, agieren auf einem neuen Spielbrett.

Nun kommt es darauf an, sich den neuen Bedingungen anzupassen – oder Zerstörung heraufzubeschwören. Die Gegner des Wandels – sie wird hier „Heimkehrbewegung“ genannt – werden im nächsten Band „Die blauen Türme“ aktiv. Dieser Agententhriller verspricht spannender zu werden als der erste Band.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecherin|

Wenn man an Natalie Portman, Kate Beckinsale und Kirsten Dunst denkt, so hat man schon einen guten Eindruck von Marie Bierstedts Stimme im geistigen Ohr. Die Frau ist ja kein unbeschriebenes Blatt, sondern schon an unzähligen Hörspielproduktionen teilgenommen, häufig neben Detlef Bierstedt. In letzter Zeit hat sie viele Hörbücher aufgenommen, so etwa die [Maximum-Ride-Serie 4026 von James Patterson. Wie im „Mars-Projekt“ steht dort eine Gruppe von Jugendlichen im Mittelpunkt der Handlung.

Die Sprecherin verleiht jedem Mitglied der Kindergruppe eine charakteristische Ausdrucksweise. Elinn beispielsweise, die Jüngste, klingt kindlich und, wenn sie über Marsianer spricht, etwas träumerisch. Kein Wunder, dass sie von den Erwachsenen belächelt oder gar gehänselt wird. Die Erwachsenen haben fast alle tiefere Stimmen, besonders natürlich die europäischen Männer wie etwa Tom Pigrato. Nur Yin Xi von der Station der Chinesen hat eine höhere Stimme, die fast schon weiblich wirkt.

Sehr gelungen fand ich den französischen Akzent von Madame Irène Dumelle. Dem Ingenieur Juri Glenko ist der russische Akzent deutlich anzuhören. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die synthetische Maschinenstimme der Künstlichen Intelligenz AI20. Dabei wird Bierstedts Stimme sowohl monoton als auch mit einem elektronischen Sound unterlegt – ein raffinierter Effekt.

|Fehler|

Leider macht Marie Bierstedt ein paar Fehler, die einem Wissenschaftler und Astronomen die Haare zu Berge zu Berge stehen lassen. So spricht sie statt des korrekten Ge für die Gravitations-Maßeinheit tatsächlich von „Gramm“, als ob sich die Gravitation wiegen lassen würde. Nun, man hat schon oft Masse und Gewicht durcheinandergebracht.

Ein weiterer Fehler, den sie wiederholt macht, ist die französische Aussprache des lateinischen Namens „Valles Marineris“ (Täler des Seefahrers): Sie spricht „wall marineris“. Vielleicht hätte ihr mal jemand sagen sollen, dass auf dem Mars nur lateinische und englische Namen vorkommen, auch wenn das die Franzosen gewaltig wurmt.

|Geräusche|

Mit Geräuschen ist die Tonregie sehr sparsam umgegangen. Wir hören keine Schritte, keine Türen, sondern allenfalls mal einen Alarm oder ein Düsentriebwerk. Das war’s schon. Die „Inszenierung“ der Lesung scheint sich mehr auf die Musik zu beziehen.

|Musik|

An der Musik kann man ablesen, wie gut der Komponist Andy Matern wirklich ist. Er hat jeden Stil drauf und setzt fast jedes Instrument ein. Mit dynamischen Passagen untermalt angespannte Situationen oder beschwört Spannung herauf. Mit cooler, relaxter Musik (Swing) entspannt er den Hörer und verleiht der jeweiligen Szene einen harmlosen, wenn nicht sogar heiteren Anstrich. Und eine mystische Musik beschwört das Gefühl herauf, man sei dem Geheimnis der Marsianer ganz nahe.

Diese wechselnden Stimmungen sind höchst willkommen, denn der Vortrag der Sprecherin, so abwechslungsreich er auch sein mag, mutet dem jugendlicher Hörer auf Dauer doch etwas trocken an. Die Musik ist eindeutig ein ebenbürtiger Partner des Vortrags.

_Unterm Strich_

Der Autor von „Das Jesus-Video“ legt hier sein erstes Jugendbuch vor. Die Geschichte von den rebellischen Marskindern zeichnet sich durch genaue Charakterisierung und eine glaubwürdige Schilderung ihrer fremdartigen Umgebung aus.

Die Handlung ist mäßig spannend und und setzt mehr auf Entdeckungen und Argumente als auf Konfrontation. Sie zeigt gewaltlose Wege zur Konfliktbewältigung auf, bei der vor allem Argumentation, Computerwissen und Einfallsreichtum zum Tragen kommen – eine feine Sache.

Das gewaltfreie Buch ist für die jugendliche Zielgruppe also durchaus geeignet. Eltern mit pubertierenden Sprösslingen können dieses Buch des bekannten Bestsellerautors unbesehen kaufen. Action-Junkies kommen hier allerdings weniger auf ihre Kosten und müssen bis zum letzten Viertel warten, bis es richtig losgeht.

|Die inszenierte Lesung|

Marie Bierstedt erweckt die Figuren zum Leben und macht sie unterscheidbar. Besonders den grantigen, stets mürrischen Gouverneur Tom Pigrato erkannte ich jederzeit. Das Gleiche gilt natürlich für die Französin Dumelle mit ihrem typischen Akzent. Die Figuren zeigen viele Emotionen und wirken dadurch auf glaubwürdige Weise menschlich. Die Geräusche halten sich sehr in Grenzen, was aber durch die vielseitige und fast stets präsente Musik Andy Materns mehr als ausgeglichen wird. Schade, dass Marie Bierstedt ihre Ahnungslosigkeit in Sachen Physik und Astronomie durch zwei Fehler offenbart.

|300 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3603-6|
http://www.luebbe-audio.de
http://www.andreaseschbach.de
http://www.wellenreiter.la

James Herbert – Die Gruft

Schocker mit Stil

„Kline ist wertvollster Mitarbeiter eines Bergbaukonzerns. Für seine Bewachung wird Halloran engagiert. Der Sicherheitsmann merkt schnell, daß Kline über übersinnliche Kräfte verfügt und somit zu einem schwer zu bewachenden Objekt wird.
Da kommt Halloran Klines Geheimnis auf die Spur.
Die beiden werden zu unerbittlichen Gegnern.
Ein ungleicher, erbarmungsloser Kampf zwischen Wächter und Bewachtem beginnt…“ (Verlagsinfo)

„Die Gruft“ ist ein Schocker mit Stil, ein übersinnlicher Thriller, mit dem Herbert nach dem fast schon besinnlichen Roman „Magic Cottage“ eine andere Tonart anschlägt.

Der Autor
James Herbert – Die Gruft weiterlesen

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Goldkäfer, Der (POE #6)

„Der Goldkäfer“ ist der sechste Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hatte auch auf den ersten vier Hörbüchern der Serie die Hauptrolle inne:
– [Die Grube und das Pendel 744
– [Die schwarze Katze 755
– [Der Untergang des Hauses Usher 761
– [Die Maske des Roten Todes 773

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan der Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen, wohin er 1830 zurückkehrte, um diese dann ein Jahr später endgültig zu verlassen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern. 1836 heiratete er seine damals dreizehnjährige Cousine Virginia Clemm.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Shortstory („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne ihn sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H. P. Lovecraft, H. G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Der Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und verschiedene weitere Figuren.

_Die Sprecherin_

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem |Bambi| und der |Goldenen Kamera| ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und verschiedene weitere Figuren.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile wieder entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon fünf Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Albträumen. Nach dem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führen soll. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Schau an!

_Handlung_

Einen Tag von New Orleans entfernt kreuzt die „Independence“, auf der sich der Mann, der sich Edgar Allan Poe nennt, befindet, in einer Flaute. Schon ist das Wasser knapp und der Ausguck hält nach einer Insel Ausschau, auf der sich vielleicht eine Quelle befindet.

Zu dieser Zeit erfährt Leonie Goron viel über Poes Leben und was er durchgemacht hat. Sie fragt ihn daher: „Glauben Sie an diese Träume?“ Will heißen: Sind seine Albträume Prophezeiungen, Botschaften seines Unterbewussten? Ein ziemlich moderner Gedanke. Wenig später nimmt Poe auch ihren Körper erstmals als attraktiv wahr …

Die Rahmenhandlung kommt etwas voran. Der Sarg, den Leonie von Europa aus begleitet, ist an einen gewissen Tempelten adressiert, abgeschickt vom Bruder der im Sarg Bestatteten, einer gewissen Lucy Monahan. Poe stutzt: Handelt es sich bei diesem Tempelten um seinen Dr. Templeton? Die Schreibweise weicht jedenfalls ab.

Er fragt sich auch: Wenn diese Lucy Monahan die beste Freundin von Leonie war, warum weiß Leonie dann so wenig über Lucys Familie? Lucy lebte nicht in Paris wie Leonie, sondern in einer Landschaft namens Bukowina, nachdem sie sich von ihrer Familie getrennt hatte. Als Lucy ihre Freundin per Brief zu sich rief, hatte sie nicht mehr lange zu leben. Als Leonie bei ihr eintraf, hatte sie Selbstmord begangen. Der Rest ist bekannt: Leonie begleitete ihren Sarg auf dem untergegangenen Schiff, der „Demeter 2“, über den Atlantik – bis Poe auf der „Independence“ beide an Bord nahm.

„Land!“ An Steuerbord wird eine Insel gesichtet. Kapitän Hardy (Jürgen Wolters) meint, es handle sich wohl um die Sullivans-Insel, einem „merkwürdigen Stück Land“, das nach den zahlreichen Myrtensträuchern durftet, die darauf gedeihen. Poe kommt der Name irgendwie vertraut vor. Als er sich ausruht, schläft er ein und träumt.

(Übergang zur Binnenhandlung)

Er schlüpft in die Rolle eines Mr. Simpson, eines schon etwas betagten Herrn mit nicht gerade allerbester Konstitution, der sich als Archäologe betätigt. Gerade wartet er auf Sullivan’s Island, einer Flussinsel (!) auf die Ankunft eines jungen Fräuleins, das ihn zu sich in ihre Hütte bestellt hat.

Diese intelligente junge Frau namens Lucy Legrand (bei Poe ist es ein William) ist ein höchst quirliges Frauenzimmer, auch wenn ihr Alleinleben irgendwie anstößig wirkt – jedenfalls in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nachdem sie sich wegen einer missbilligten Liebschaft mit ihrem Vater überworfen hatte, war sie vor zwei Jahren aus dem Elternhaus aus- und auf die Insel gezogen, wo sie sich nun offenbar mit amateurhaften Forschungen in der Pflanzen- und Insektenwelt die Zeit vertreibt.

Mr. Simpson soll ein außergewöhnliches Insekt begutachten: einen Goldkäfer. Er liegt schwer in der Hand und krabbelt noch. Auch einen Papierfetzen hat sie am Fluss gefunden, aber weil nichts draufsteht, wirft sie ihn zum Feuer, um ihn später zu verbrennen. (Bei Poe trägt der Käfer die Zeichnung eines Totenschädels. Der Diener Jupiter, den auch Lucy hat, ist abergläubisch und ahnt Schlimmes.)

Der Arzt des Städtchens, wo Simpson lebt, weiß von Legenden, in denen die Rede vom Geist eines Piraten ist, der einen unermesslichen Schatz an dieser Küste bewache. Als Simpson ihn wegen einer Erkältung konsultiert, erzählt er ihm auch von Lucys Hirngespinsten und dem Goldkäfer. Wenig später ruft sie ihn zum Fluss: Er soll auf eine Expedition mitfahren. Simpson staunt nicht schlecht: Spaten, Fernglas, Sense – und natürlich Jupiter. Was soll das bedeuten?

Aufgeregt erzählt ihm Lucy, dass der Papierfetzen mit einer Geheimschrift bedeckt sei: Es handelt sich um eine Schatzkarte. Dreimal darf er raten, welchen Schatz sie nun heben wolle!

Der brave Mister Simpson ist nun ebenso sicher wie der Diener Jupiter, dass die arme Miss Lucy komplett den Verstand verloren hat. Er soll sich irren. Doch er ahnt nicht, welch grausames Ende sein Abenteuer mit ihr nehmen wird.

_Mein Eindruck_

Ein Sack voll glücklicher Zufälle kommt der guten Lucy also zu Hilfe. Ich bin aber nicht sicher, ob es in Poes Original wesentlich logischer zugeht. Immerhin gelingt es jedes Mal, die kodierte und in unsichtbarer Tinte geschriebene (Zitronensaft?) Schatzkarte zu entschlüsseln. Die Schwierigkeiten beim Aufspüren der richtigen Grabungsstelle sind eine andere Sache, und daran ist vor allem der Diener Jupiter schuld …

Die Hörspielfassung ist selbstverständlich viel romantischer und konfliktreicher aufgezogen, als es Poes Original jemals war. Der Autor bekam seinen Wettbewerbsgewinn vor allem für die trickreiche Entschlüsselung der Schatzkarte, die noch heute als Lehrmaterial für angehende Kryptographen dienen könnte. Dieser Prozess gibt aber in dramaturgischer Hinsicht überhaupt nichts her und wurde deshalb gestrichen. Man erfährt aber, dass Lucy Erkundigungen bei einem alten Einsiedler unweit der Stadt eingezogen hat und so auf die richtige Lösung gekommen ist: Der Teufelssitz über der kleinen, abgeschiedenen Bucht muss der Ort sein, den das X markiert. Und dort wartet der unheilvoll aufragende Baum mit dem Totenschädel – siehe das Titelbild …

Diese Binnenhandlung führt zu einem recht unerwarteten Actionhöhepunkt, der für Mr. Simpson bzw. unseren träumenden Mr. Poe recht unangenehm endet. Aber der Hörer bekommt noch mehr geliefert: Auch die Rahmenhandlung verfügt über einen Höhepunkt, der es an Dramatik und Action durchaus mit der Goldkäfer-Story aufnehmen kann: Poe und Leonie erkunden das Eiland und stoßen auf einen riesigen Baum auf einer Lichtung, der fatal an den Baum auf dem Teufelssitz erinnert. „Glauben Sie an Träume, Miss Goron?“, fragt er daher ahnungsvoll.

Mr. Poe fällt auf, wie stark sich die beiden Handlungen ähneln: Die Lucy im Traum trug nämlich das gleiche Gesicht wie Miss Goron. Und auf beiden Ebenen spielte ein gewisser Doktor eine unheilvolle Rolle. Dies veranlasst mich zu dem Verdacht, dass in Poes Geist alle Ärzte eine sinistre Qualität angenommen haben, seitdem er in Dr. Templetons Behandlung gewesen ist. Und Poe tut vielleicht sogar gut daran, Ärzten zu misstrauen. Jemand will ihm ans Leben, doch wer steckt dahinter?

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

|Mr. Poe alias Simpson|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. In dieser Folge ist von Poes frohgemuter Stimmung nichts mehr übrig geblieben. Die beiden Anschläge haben ihn ebenso ins Grübeln gebracht wie der Traum vom „Sturz in den Mahlstrom“.

Deshalb bildet der joviale Mr. Simpson einen Ausgleich mit seinem menschenfreundlichen, aber leider zu vertrauensseligen Gemüt, durch das er Miss Lucy in schwere Bedrängnis bringt.

|Miss Leonie Goron alias Lucy Legrand|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5. In „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird.

Auch in der Rolle der wesentlich jüngeren Lucy Legrand, in der ich sie fast nicht wieder erkannt hätte, verleiht Iris Berben der Szene den gewissen Pfiff: Sie sorgt für Action in der Binnenhandlung und setzt ihre Intelligenz für ein ansonsten wahnwitziges Unternehmen ein: die Hebung eines Piratenschatzes.

|Israel Hands|

Der bekannte Schauspieler Benno Fürmann wird im Booklet als Sprecher eines gewissen „Israel Hands“ aufgeführt. Bei dieser Figur, deren Namen in Episode 5 und 6 nicht genannt wird, könnte es sich um den Matrosen handeln, der immer wieder lautstark in „Mahlstrom“ zu hören ist („Ein Sarg an Bord – das bringt Unheil“) und dann in „Der Goldkäfer“ einen recht wirkungsvollen Auftritt hat. Mehr darf nicht verraten werden.

|Jupiter|

Auch die Rolle des Dieners Jupiters darf nicht verschwiegen werden. Jupiter ist wichtig, weil er erstens Unheil ahnt, denn das Ausbuddeln von Skeletten und Schätzen ist seiner Ansicht nach bestimmt kein gottgefälliges Treiben. Und zweitens sorgt er mit seinem Fehler des Verwechselns von links und rechts für eine Erhöhung bzw. Verzögerung der Spannung bei der Schatzsuche.

Thomas B. Hoffmann gestaltet die Stimme und Ausdrucksweise Jupiters auf so lebhafte und glaubwürdige Weise, dass man kaum glauben würde, er sei nicht mit einer dunklen Haut auf die Welt gekommen. Seine Rolle des gottesfürchtigen Dieners, der lieber Reißaus nehmen würde als nach Knochen zu buddeln, trägt so auch stark zum komischen Aspekt der Schatzsuche bei und beleuchtet die verschrobene Natur dieses Unterfangens.

|Sound und Musik|

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Besonders auffällig ist dies während der beiden Höhepunkte: Der soundmäßige Hintergrund stimmt einfach von A bis Z. Und wer genau aufpasst, kann sogar die Schritte von Leonie an Bord der „Independence“ erlauschen.

Die Musik bildet die perfekte Ergänzung: Klassische Streicher eines Quartetts und des Filmorchesters Berlin, die Potsdamer Kantorei, Vokalisen der Sängerin Gaby Bultmann – sie alle wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Ganz besonders eindrucksvoll gelingt dies auf dem Höhepunkt der Schatzsucher-Szene und dem anschließenden Überfall.

|Der Song|

In der neuen Serie hat |Lübbe| den Abschlusssong, den zunächst Heinz Rudolf Kunze beisteuerte, ausgetauscht durch den englischsprachigen Song „I’ve foreseen this day“ der bekannten Popgruppe Orange Blue (Länge: ca. 4:30). Da die Lyrics nicht beigefügt sind, muss man sehr genau hinhören, um etwas zu verstehen. Aber es scheint um „Perlenaugen“ zu gehen. O yeah, baby.

_Unterm Strich_

„Der Goldkäfer“ ist sozusagen Grusel für die ganze Familie – äh, ab 12. Schließlich können Jüngere wohl kaum etwas den Skeletten, Totenschädeln und mysteriösen Käfern abgewinnen, die in der Binnenhandlung das Dekor für eine abenteuerliche Schatzsuche bilden. Auch die Rahmenhandlung geht nicht ohne blutige Action zu Ende, und das sollte man vielleicht nicht unbedingt den Kleinen zumuten. Andererseits bekommen Splatterfreunde, für die nicht genug Lebenssaft spritzen kann, wenn es „guter“ Horror sein soll, hier fast nichts geboten, das ihren Blutdurst stillen könnte.

Wie schon „Sturz in den Mahlstrom“ ist „Der Goldkäfer“ in meinen Ohren eine sehr gute Hörspiel-Produktion, die auch sehr verwöhnte Ansprüche erfüllen kann. Die Sprecher, die Musiker, der Tonmeister – ihre Leistungen wirken hervorragend zusammen, um für eine Stunde ein perfektes Gruselerlebnis zu bescheren. Und das zu einem sehr annehmbaren Preis.

Wilson, F. Paul – Handyman Jack – Die Gruft (Folge 3)

_Viel Action: Der Detektiv als Monsterjäger_

Wenn der Abfluss mal verstopft ist, sollte man Handyman Jack lieber nicht rufen. Jack repariert nämlich andere Sachen: Probleme, mit denen sonst niemand fertig wird. Er kümmert sich für gutes Geld darum, dass Unrecht bestraft wird. Dabei verlässt er sich auf eine Kombination aus Können und Dreistigkeit. Handyman Jack ist ein Held – aber auch ein Rätsel. Er lebt im Untergrund. Niemand kennt seine Identität. Jack verkörpert eine tödliche Mischung aus „Zorro“ und Bruce Willis.

Eigentlich hat Jack gar keine Zeit, für den Inder Kusum Bakti eine geraubte Halskette wiederzubeschaffen. Schließlich muss er sich um das Verschwinden der Tante seiner Freundin Gia kümmern. Und das ist vielleicht auch die letzte Chance, seine Beziehung zu Gia zu retten, deren Tochter Vicky er innig liebt. Gia hält freilich nicht viel von einem Mann, der zwar „Dinge in Ordnung bringt“, sich dabei jedoch außerhalb des Gesetzes bewegt und für die Regierung nicht existiert.

Aber dann stellt sich heraus, dass es um viel mehr als um eine Halskette geht. Auf einmal hat es Jack mit einem jahrhundertealten Fluch und einer Brut höllischer Wesen zu tun, die es ganz besonders auf Gias kleine Tochter abgesehen haben.

_Der Autor_

F. (Francis) Paul Wilson (geboren 1946) ist ein US-amerikanischer Besteller-Autor von Mystery-, Thriller- und Horror-Romanen. Wilson studierte Medizin am Kirksville College of Osteopathic Medicine und ist heute immer noch praktizierender Arzt. Wilsons bekannteste Romanfigur ist der Anti-Held Handyman-Jack (engl. Repairman-Jack). Neben Mystery-, Science-Fiction- und Horror-Romanen schreibt Wilson auch Medizin-Thriller. Außerdem ist er ein großer Fan von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos und hat auch selbst ein paar Storys in Anlehnung an diesen Mythos geschrieben. F. Paul Wilson lebt mit seiner Frau, zwei Töchtern und drei Katzen an der Küste von New Jersey.

Stephen King ist laut Verlag der Präsident des Handyman-Jack-Fanclubs. „Allein in den USA wurden schon über sechs Millionen Handyman-Jack-Romane verkauft“, tönt der Verlag.

F. Paul Wilson auf |Buchwurm.info|:

[„Handyman Jack – Schmutzige Tricks“ 4939 (Folge 1)
[„Handyman Jack – Der letzte Ausweg“ 5129 (Folge 2)
[„Das Kastell“ 795
[„Tollwütig“ 2375
[„Die Gruft“ 4563

_Der Sprecher_

Detlef Bierstedt ist Schauspieler und Synchronsprecher. Als deutsche Stimme von George Clooney verleiht er diesem Lässigkeit und Charme. Seit 1984 hat er über 600 Synchron-Rollen gesprochen und war als Schauspieler in der TV-Serie „Tatort“ zu sehen. Als Spezialist für spannende Thriller hat er auch [„Diabolus“ 1115 von Dan Brown vorgetragen. Nun haucht er Handyman Jack Leben ein. (Verlagsinfo)

_Die Macher_

Für Regie, Produktion & Dramaturgie zeichnet Lars Peter Lueg verantwortlich, für Schnitt, Musik & Tontechnik Andy Matern.

Lars Peter Lueg ist der exzentrische Verlagsleiter von |LPL records|. Der finstere Hörbuchverleger hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Grauen aus kalten Kellern und feuchten Grüften hinaus in die Welt der Lebenden zu tragen. LPL produziert alle Hörbücher & Hörspiele selbst und führt auch Regie. Er erhielt als Produzent einen Preis für „Das beste Hörbuch/Hörspiel des Jahres 2003“. Eine seiner Regiearbeiten wurde vom renommierten |hörBücher|-Magazin mit dem Prädikat „Grandios“ ausgezeichnet. Außerdem erhielt er beim Hörspielpreis 2007 eine Auszeichnung für die „Beste Serienfolge“. (Verlagsinfo)

Andy Matern ist seit 1996 als freiberuflicher Keyboarder, Producer, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann mehr als 150 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen. Andy Matern wurde als „Bester Hörspielmusiker des Jahres 2005“ ausgezeichnet. Sein neuestes Edelmetall wurde ihm für die Musik zu den Dan-Brown-Hörbüchern „Illuminati“ (Doppel-Platin) und [„Sakrileg“ 2361 (Platin) verliehen. (Verlagsinfo)

_Handlung_

Seine Freundin Gia hat sich von Jack getrennt: Er ist ihr zu unheimlich mit seinem verdeckten Leben als „Handyman“, der „Dinge in Ordnung bringt“. Er hat ja noch nicht mal ein Bankkonto, geschweige denn eine Sozialversicherungsnummer, ist es zu fassen! Dass sie beim heimlichen Putzen in seinem Büro in einem Versteck ein ganzes Arsenal von Ballermännern samt Munition gefunden hat, gab ihrer Selbstbeherrschung den Rest.

Dennoch muss sie ihn jetzt anrufen, denn die Polizisten, die sie zuerst rief, haben sich nicht bemüht, ihre verschwundene Tante Grace wiederzufinden. New York ist eine große Stadt – die Cops haben Dringenderes zu tun, als eine 70 Jahre alte Lady, und sei sie noch so nett, zu suchen. Jack kommt denn auch wenig später. Obwohl er einen interessanten neuen Auftrag von einem Inder erhalten hat, nimmt er sich die Zeit, um für Gias kleine Tochter Vicky ein Geschenk zu kaufen, denn er liebt sie wirklich. Das einzige Interessante, das er in Tante Graces Zimmer findet, ist eine grüne Flasche mit undefinierbarem Inhalt, angeblich ein Abführmittel. Dieses Zeug gibt er einem Bekannten zur Analyse.

Abends begibt er sich auf die Straße, um seinen neuen Auftrag auszuführen. Der Inder Kusum Bakti hat ihm eine stattliche Summe vorausgezahlt, um ein eisernes Halsband mit zwei Edelsteinen wiederzubeschaffen, das seiner Großmutter gestohlen worden sei. Nun liege sie mit einer Verletzung im Krankenhaus, doch nur das Halsband könne sie retten. Wenn Jack es bis zum nächsten Morgen wiederbeschaffen kann. Den Täter zu finden und zu ködern, erweist sich als Kinderspiel. Jack muss nicht mal schießen.

Kusum Bakti legt die Kette seiner Großmutter um, die schon bald genest, wie er behauptet. Mit dem restlichen Entgelt kommt auch ein Versprechen: Bakti stehe in Jacks Schuld. Dabei outet sich der Inder als Anhänger der Todesgöttin Kali – interessant, findet Jack. Am nächsten Tag will ihn Baktis Schwester Kolabati treffen. In einem eleganten Restaurant sitzend, erweist sich Kolabati als eine betörende und höchst begehrenswerte Frau. Und sie trägt die bewusste eiserne Halskette.

Sie erzählt Jack, ihr Bruder sei Anführer einer fundamentalistischen Hindu-Bewegung, die großen Einfluss habe. Kusum arbeite nun als Diplomat bei der UNO. Jack erzählt ihr nur so viel von sich, wie sie wissen soll: Wie er seinen ersten Job als Handyman erledigte. Aber er sagt ihr nicht, wie seine Mutter ermordet wurde. Kolabati muss mehr von ihrer Familie erzählen. Als sie ihn streichelt, ist dies das Signal, zu ihr auf ein Schäferstündchen zu gehen.

Das Liebesspiel dauert die ganze Nacht und erschöpft ihn. Sie hat die ganze Zeit Regie geführt. Plötzlich bemerkt sie einen Geruch nach Schwefel und er glaubt, sie „Rakosh“ flüstern zu hören. „Nicht bewegen!“, befiehlt sie, während sie ihn mit ihrem Astralkörper bedeckt. Als er sich umsieht, ist da nichts. Kaum hat sich der Gestank wieder verzogen, zieht sie sich an und sagt, sie müsse sofort zu ihrem Bruder. Jack hat eine böse Vorahnung. Was geht da zwischen den beiden vor?

|Unterdessen …|

Während Kolabati ihren Bruder vergeblich in seiner Wohnung sucht, befindet er sich auf seinem Frachtschiff, das im Hafen vor Anker liegt. Mit Fackeln und einer Peitsche fährt Kusum in den nach Schwefel stinkenden Frachtraum, um seine Geschöpfe zu züchtigen: die Rakoshi. Die Mutter, ein zweieinhalb Meter hohes humanoides Wesen mit Reptilienhaut auf dem Rücken, hat versagt: Sie hat erstmals eine Witterung verloren. Wie konnte das nur geschehen?

Die Mutter schiebt ihr ältestes Junges vor, das sich demütig von Kusum züchtigen lässt, obwohl es viel stärker ist als er und über eindrucksvolle Reißzähne verfügt. Doch schließlich ist er der Vater des Jungen: „kakaji“. Doch diesmal verschont er die Mutter, die sich entsprechend geehrt und stolz fühlen darf. Beim nächsten Auftrag in New York wird sie sich mehr anstrengen, so viel ist gewiss. Kusum fährt wieder mit dem Aufzug nach oben, um in seine Kajüte zurückzukehren. Er rätselt weiterhin: Wie ist es Handyman Jack nur gelungen, der Rakosh-Mutter zu entkommen?

_Mein Eindruck_

„Die Gruft“ ist eine wirkungsvolle Mischung aus Detektiv- und Horrorstory. Wenn Jack als Detektiv auftritt, steigt die Spannung durch seine Ermittlung ebenso wie durch die horrormäßigen Schauereffekte, die durch die Rakoshi-Monster erzeugt werden. Es ist klar, dass die Suche nach Tante Grace etwas mit dem Auftreten der Ungeheuer in der Stadt zu tun haben muss. Doch der Zusammenhang ist für Jack, dem wir über die Schulter sehen, lange Zeit nicht ersichtlich.

Natürlich ist der Schlüssel zu allem und zur Lösung des Problems in der Vergangenheit zu finden. Auf einmal sieht man sich wie Jack mit Geschehnissen im 19. Jahrhundert konfrontiert, genauer gesagt mit der Erstürmung eines bengalischen Kali-Tempels im Jahr 1881 durch einen gewissen Captain Westphalen. Wie sich herausstellt, ist dieser Soldat der britischen Kolonialtruppen der Vorfahre von Grace, Nelly, Gia und Vicky – allesamt geborene Westphalens. Dreimal darf man nun raten, wer sich an den Westphalens rächen will.

Dass es mit Bakti und seiner Schwester zu tun haben muss, ist klar. Wenigstens logisch ist jedoch Kusums Behauptung, er selbst sei damals zugegen gewesen. Wie kann es sein, dass der Diplomat über 100 Jahre alt ist, fragt sich Jack verwundert. Die Erklärung, die Kusum und Kolabati in Puzzleteilchen liefern, ist höchst beunruhigend: Sie haben quasi eine Art Unsterblichkeit erlangt, oder doch zumindest Langlebigkeit. Der Schlüssel dazu ist die eiserne Halskette, die der Todesgöttin geweiht ist. Es dauert nicht lange, dann darf sich Jack über einige Spezialeffekte dieser Halskette wundern.

|Die Ungeheuer|

Doch was hat es nun mit den Rakoshi auf sich? Wer die Erzählungen in „Letzter Ausweg“ kennt, der hat schon Bekanntschaft mit einem Rakosh gemacht: Er fristet seine Tage im Zoo von New York City. Obwohl das Wesen wie ein reptilisches Ungeheuer auf zwei Beinen aussieht, zeugen seine Augen doch von menschlicher Intelligenz. Wie es zu der Verbindung zwischen Mensch (Kusum) und Ungeheuer gekommen ist, wird ebenfalls im Verlauf von Jacks Ermittlung aufgeklärt. Einer der besten Schockeffekte besteht darin, die Beziehung zwischen Kusum und seinen Monstern offenzulegen.

Jack wäre kein Amerikaner und schon gar kein Mann, der „Dinge in Ordnung bringt“, wenn er nicht nach einer Endlösung des Problems der Rakoshi strebte. Kusum hat nämlich auch seine kleine Vicky, die letzte der Westphalens, gekidnappt, um sie in einer großen Zeremonie den Rakoshi zu opfern. Kann es Jack dazu kommen lassen? Selbstredend nicht! Bewaffnet mit einem Flammenwerfer und einem Arsenal von Handgranaten betritt er Kusums Schiff, um dem Spuk der Rakoshi ein für allemal ein Ende zu bereiten.

|Der Sprecher|

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt kompetent und deutlich artikuliert vorgetragen, so dass man dem Text mühelos folgen kann. Er muss sich nicht besonders anstrengen, denn die amerikanischen und indischen Namen auszusprechen, ist eigentlich kein großes Kunststück für einen Mann mit Allgemeinbildung.

Da sich die Anzahl der Figuren sich in Grenzen hält, gerät man nie in Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Bierstedt versucht sein Möglichstes, die Figuren zu charakterisieren. Die wichtigste Figur ist natürlich Handyman Jack selbst, der Ich-Erzähler. Er klingt zwar nicht wie Bierstedts Synchronfigur George Clooney, aber doch einigermaßen cool und abgebrüht, wie ein Nachfahre von Philip Marlowe.

Sehr gelungen fand ich seine Darstellung der Verführerischen Kolabati: mit sanfter, betörender Stimme und einem tiefen Timbre würde sie mich jederzeit um den Finger wickeln. Ebenfalls beeindruckt war ich von der Darstellung Kusums als „kakaji“: Ein extrem gutturaler Klang verleiht diesem Wort eine unheilvolle Bedeutung wie auch eine bedrohliche Autorität. So erwacht der „Vater“ der Monster zum Leben. Klasse!

Bei so wenig Abwechslung in den Stimmlagen kommt es darauf an, die stimmliche Expressivität der jeweiligen Szene anzupassen und so den Ausdruck emotionaler und abwechslungsreicher zu gestalten. Dies gelingt dem Sprecher erfolgreich, und so kann sich der Hörer über Jammern, Verzweiflung, Hysterie, Schniefen, Stammeln, Verlegenheit, Angst, Spott, Arroganz, Verachtung, Nervosität, Erleichterung, Erschütterung, Aufregung, Besorgnis, Freude und viele andere Gefühlsausdrücke freuen. Ganz eindeutig ist dies Bierstedts eigentliche Stärke. Hörbar macht ihm dieser Aspekt seiner Arbeit am meisten Spaß.

|Musik|

Das Intro stimmt den Hörer bereits auf eine spannende, dynamische Handlung ein und erinnert von fern an Film-noir-Musiken. Das Outro entspricht dem Intro. Dazwischen hören wir immer wieder Musik, um die Pausen zu füllen, beispielsweise, um einen Szenenwechsel anzudeuten. Die Musik Andy Materns kann eine dynamische, einen angespannte oder auch eine relaxte Stimmung erzeugen, ganz nach Bedarf.

|Warnung!|

So etwas wie Hintergrundmusik ist nur in inszenierten Lesungen und Hörspielen üblich, wird daher auch hier nicht praktiziert – oder nur dergestalt, dass die Hintergrund- zur Vordergrundmusik wird, während der Vortrag endet. Der leicht zu verstörende Hörer sei vor den sehr tiefen Bässen an manchen Stellen gewarnt. Diese Bässe warnen vor kommenden Unheil.

_Unterm Strich_

Von der fulminanten Schlusssequenz war ich doch stark an die Standardszene in fast allen „Alien“-Filmen erinnert: das Verbrennen der Alien-Brut. Es ist eine so archetypische Szene, dass sie im ganzen Horrorgenre der Achtzigerjahre variiert wird: der Triumph des (männlichen bzw. mütterlichen) Menschen, der sein reinigendes Feuer gegen die feindliche Wildnis einsetzt. (Nur Mütter haben die weibliche Lizenz zum Töten.) Es ist, als wären wir immer noch Jäger und Sammler, die sich irgendwo in der Jungsteinzeit gegen Säbelzahntiger zur Wehr setzen müssten.

Dieses horrormäßige Fundament wird aber überlagert von der indischen Vergangenheit und ihren Implikationen und dann verknüpft mit dem modernen Großstadtleben. Der moderne Detektiv wird auf den Prüfstand gestellt, um mal zu sehen, ob er sich auch als Monsterjäger bewährt. Das tut er einwandfrei, denn schließlich geht es darum, die Liebe zu Vicky und Gia zu retten, also die Zukunft in Gestalt einer Familie.

Da stört es nicht, dass Kusum zu indischen Fundamentalisten gehört. Im Gegenteil: Angesichts der Unruhen im aktuellen Indien und der Terroranschläge in Mumbai erscheint Kusums Fanatismus sogar noch plausibler. Mystisch wird er lediglich durch die Langlebigkeit und die Verbindung zur Todesgöttin Kali. Diese wurde ja schon von Rudyard Kipling in dessen Erzählung „Die Gespenster-Rikscha“ beschworen, die kürzlich als |Gruselkabinett|-Hörspiel wirkungsvoll produziert worden ist.

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt in gewohnter Weise kompetent gestaltet, bietet aber ansonsten keine Zutaten wie etwa Musikuntermalung oder gar eine Geräuschkulisse. Musik füllt lediglich die Pausen für die Szenenwechsel, ist aber passend und im In- und Outro auch unterhaltsam. Gewarnt sei vor den sehr tiefen Bässen an manchen Stellen. Wohl dem, der ein robustes Nervenkostüm besitzt.

|372 Minuten auf 5 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3710-1|
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de
http://www.andymatern.de

Card, Orson Scott – Xenozid (Ender 3)

_Spannende Weiterführung des Ender-Zyklus_

Im dritten Band des Ender-Zyklus spitzt sich die Lage für Ender und alles Leben auf Lusitania erheblich zu. Ein erneuter ‚Xenozid‘ droht, die Vernichtung allen fremdartigen Lebens.

_Handlung_

Die Erzählung schließt nahtlos an „Sprecher für die Toten“ an. Alle liebgewonnenen Helden tauchen auf: Ender Wiggin natürlich, seine Schwester Valentine, seine Adoptivfamilie auf Lusitania, die Schwarmkönigin, die Vaterbäume von Lusitania und nicht zuletzt die KI Jane, deren rätselhafte Herkunft in diesem Band von der Schwarmkönigin erklärt wird. Doch neben der Weiterentwicklung und Beantwortung früherer Fragen führt Card einen neuen Handlungsstrang und neue bedeutsame Charaktere ein.

Auf dem Planeten Weg, einer Welt von Taoisten, die von einer sehr strengen religösen Oligarchie, den ‚Gottberührten‘, beherrscht wird, lebt die junge Chinesin Qing-Jao, auch ‚Strahlend-Hell‘ genannt. Sie stellt ihre außergewöhnliche Intelligenz in den Dienst der Götter und wird so zur Vollstreckerin des Sternenkongresses der Hundert Welten. Der Kongress hat eine Raumflotte nach Lusitania entsandt, um diese Welt zu vernichten, da sie ja von dem tödlichen Virus der ‚Descolada‘ beherrscht wird. Der Virus schickt sich an, alles molekulare Leben im Universum zu töten.

Ender und seine Familie, die Xenologen auf Lusitania, versuchen verzweifelt, diesem Virus gentechnisch beizukommen, denn die Raumflotte würde ja nur ein weiteres Xenozid anrichten: Die Schwarmkönigin und ihre Krabbler wären ebenso wie die Schweinchen gefährdet. Die KI Jane isoliert die Flotte vom Kongress, setzt aber ihre eigene Existenz durch die Übermittlung der Botschaften von Demosthenes (auf Lusitania) aufs Spiel, denn hierbei kommt ihr Qing-Jao auf die Schliche und veranlasst Janes Vernichtung.

Jane offenbart sich deshalb Jian Qing, Strahlend-Hells Vater, und Si Wang Mu, der geheimen Magd der ‚Gottberührten‘, wobei sie die Welt Weg als einen Planeten entlarven, der vom Kongress gentechnisch durch das UZV (Unbewusst-Zwanghafte Verhalten) kontrolliert wird. Doch Strahlend-Hell bleibt der Wahrheit gegenüber blind, und so droht nicht nur der Untergang Janes, sondern der Kampf gegen den Xenozid wird für Ender und seine Familie(n) zum Wettlauf gegen die Zeit.

_Fazit_

Das Buch ist wie seine beiden Vorgänger ein sehr lesbares, trotz der langen familiären und philosophischen Ausführungen spannendes Buch, das zugleich viele Fragen aufwirft und neue Einsichten vermittelt. Ich habe das Buch im Asienurlaub am Strand gelesen, und es hat mir die Stunden ausgezeichnet vertrieben, auch wenn es keine einfache Kost ist.

Es gibt nicht viele Autoren in der Science-Fiction, die in der Lage sind, solche moralisierenden Bücher zu schreiben wie der Mormone Card. Er beherrscht meisterhafte Dialoge ebenso wie die Herbeiführung spannender Konflikte und stellt seine rhetorischen Tricks listig in den Dienst seiner Überzeugungsarbeit. Wie auch sein zauberhafter Dornröschen-Roman „Enchantment“ zeigt, verfügt er über Charisma und Charme. Er weiß das und so versucht er, seine Sicht der Wahrheit hinter den Dingen zu vermitteln. Viele Leser lieben ihn dafür, aber manche sind lieber vorsichtig.

Auf „Xenozid“ folgten in diesem Zyklus die Romane „Enders Kinder“ (Bastei-Lübbe), [„Enders Schatten“ 951 sowie „Shadow of the Hegemon“ und „Shadow Puppets“

|Originaltitel: Xenocide, 1991
Aus dem US-Englischen übertragen von Uwe Anton|