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Kelly, Mary Valgus – Des Teufels schönster Sohn (Saga der Verfluchten 01)

Ares ist ein Vampir, vergnügungssüchtig und leichtlebig. Und doch packt ihn wohl der Schwermut, als er spontan beschließt, dass er einen Gefährten braucht. Kurzentschlossen verbeißt er sich in den schönen Domenico und macht ihn ebenfalls zum Untoten. Doch die beiden sind schlicht zu unterschiedlich und können weder miteinander, noch ohneeinander leben. Während Ares sich nämlich die Frauen haufenweise ins Bett holt (und sie erst vernascht und dann „vernascht“), sitzt Domenico in Bäumen und sinnt über das Leben nach. Schließlich stößt auch noch Flora zu den ungewöhnlichen Gefährten und das Gleichgewicht kippt endgültig.

Klingt bekannt? Durchaus, denn für Mary Valgus Kellys Roman „Des Teufels schönster Sohn“ (der erste Teil einer Trilogie) haben Anne Rices Vampire Pate gestanden. Wollte man bissig sein, könnte man gar behaupten, bei Kellys Roman handele es sich um ein [„Interview mit einem Vampir“ 68 für Arme. Und da sich Anne Rices Romandebüt nicht verbessern lässt, muss Kelly mit ihrem Projekt schlicht scheitern.

„Des Teufels schönster Sohn“ ist ein Buch, das so viele Fehler und Ungereimtheiten aufweist, dass man gar nicht weiß, wo anfangen. Schon die Handlung kurz anzureißen, stellt sich problematisch dar, denn eigentlich passiert in dem 144-Seiten starken Buch nicht wirklich etwas: Ares beißt Domenico, Domenico sieht gut aus (das wird dem Leser wiederholt in blumigen Worten versichert) und macht eine Leidensmiene. Dann wendet sich Ares Flora zu, kann ihr aber nicht treu sein. Es gibt eine Art Vampirsabbat mit Hexen und Werwölfen. Zwischendurch philosophiert Domenico auch mal mit einem Geist oder schäkert mit einer mysteriösen Vampirin namens Michelle. Domenico verlässt Ares und die Handlung springt nach Transsilvanien auf eine mittelalterliche Burg (!), wo sich die eingeladenen Vampire ihren Mitternachtssnack aufs Zimmer bringen lassen. Zum Glück ist der Roman dann auch schon zu Ende.

Kellys größtes Problem (mal abgesehen von der nicht existenten Handlung) sind ihre Charaktere. „Des Teufels schönster Sohn“ schafft es, ein Roman völlig ohne Motive zu sein, was dazu führt, dass die Charaktere schemenhaft bleiben. Warum zum Beispiel braucht Ares plötzlich einen Gefährten? Sehnt er sich nach menschlicher Nähe? Oder ist ihm doch nur fad? Genauso unklar bleibt Ares’ Charakter: Zu Anfang ist er der Gegenpol zu Domenico – schillernd und auf der Suche nach dem Thrill. Er lebt in die Nacht hinein und sucht nach Vergnügungen. Doch gegen Ende brütet er plötzlich vor sich hin, ohne dass dem Leser klar wäre, wieso. Gespaltene Persönlichkeit? Oder doch nur die Wankelmütigkeit der Autorin? Dieses Problem der charakterlichen Unentschlossenheit haben alle von Kellys Figuren. Dem Leser ist es dadurch unmöglich, die Charaktere irgendwie zu fassen zu bekommen oder sich gar mit ihnen zu identifizieren.

Worin besteht überhaupt das Gefährtentum, von dem in dem Roman immer wieder die Rede ist? Kelly will uns scheinbar weismachen, dass es da ein erotisches Prickeln zwischen den beiden Vampiren gibt. Nur versickert dieses Prickeln zwischen den Zeilen, da Ares und Domenico weder wirklich miteinander leben noch sprechen. Die beiden haben im Roman eigentlich kaum Berührungspunkte. Darüber hinaus schleppt Ares unzählige Frauen ab und es ist nicht so recht zu erkennen, wie dieses Balzgebahren mit einer zarten Seele in Verbindung zu bringen wäre.

Doch ach! Vielleicht hat Ares doch ein Herz? Unverhofft taucht nämlich Flora auf, Ares’ Immer-mal-wieder-Geliebte seit 14 Jahren (wobei dem Leser auch diese Geschichte vorenthalten wird – woher die beiden sich kennen, wird nie klar). Nie wollte sie ein Vampir werden und mittlerweile hat sie Mann und Kinder. Und auch als er sie nun wieder ausfindig macht, haben sie zwar einen Quickie auf der Terasse, untot werden will sie aber nicht. Bis sie ein paar Seiten später vor Ares’ Tür steht mit der Bitte um Vampirisierung. Wo die Gründe für diesen Sinneswandel liegen, scheint Kelly nicht ergründen zu wollen. Auch wird keine Tinte auf die Frage verwendet, was nun aus ihren Kindern wird und ob sie diese nicht vielleicht wenigstens ein ganz kleines bisschen vermisst. Nein, zwischen all den unausgegorenen Charakteren in „Des Teufels schönster Sohn“ ist Flora der unausgefeilteste. Sie bereichtert die Handlung nicht und gibt ihr auch keinen (anderen) Sinn. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie später sang- und klanglos wieder aus dem Roman verschwindet.

Vierzig Seiten vor Schluss wechselt das Setting vom ursprünglichen Handlungsort (wo das ist, wird ebenfalls nie geklärt) ausgerechnet nach Transsilvanien, wo eine gewisse Clarissa eine Art Wellnesshotel für Vampire auf einer mittelalterlichen Burg eingerichtet hat. Als Untoter sitzt man also rum, sieht gut aus und lässt sich das Essen aufs Zimmer bringen. Wenn man besonders standesgemäß sein will, reist man in einer Kutsche an (wohlgemerkt, der Roman spielt in der Gegenwart) und betitelt sich gegenseitig als Baron. Dass Vampire unter Umständen ein wenig abgehoben sind, ist ja nicht neu. Aber so snobistisch? Das ist dann doch etwas übertrieben …

Mein Eindruck

Man muss Kelly zugute halten, dass ihre Prosa sich hier leicht verbessert und sie es eher schafft, bei ihrem Plot zu bleiben. Doch die Handlung selbst lässt gerade dem weiblichen Leser die Haare zu Berge stehen. Ares, von allen guten Geistern (d. h. Domenico und Flora) verlassen, hat sich drei Vampirbräute angeschafft, die nun alle seine Wünsche erfüllen. Mit einem anderen Vampir diskutiert Ares daraufhin die Erziehung solcher „Mädchen“, als spräche er über Hundezucht. Zu allem Überfluss haben die „Mädchen“ gegen diese degradierende Haltung überhaupt nichts einzuwenden: „Ohne ihn wären wir verloren“, sagen sie. „Er kümmert sich um uns und liest uns unsere Wünsche von den Augen ab. Er schenkt uns Kleider, Schmuck, sorgt für das Essen … er tut einfach alles für uns! Im Gegenzug dafür dürfen wir ihn lieben und unterhalten ihn ein bisschen.“ Der Höhepunkt ist jedoch Bredas Aussage, dass doch in jeder Frau eine Hure stecke. Diese Aussagen zu kommentieren, ist wohl überflüssig.

Unterm Strich

Um es kurz zu machen: „Des Teufels schönster Sohn“ hat weder eine fesselnde Handlung noch überzeugende Charaktere. Dafür strotzt das Buch vor schiefen Wendungen wie „Domenico rang mit den Armen, nach Atem und nach Worten“ oder „der Einzige, der sprach, war der Rauch seiner Zigarette, der wütend versuchte gegen den Regen anzukämpfen“. Der Roman ist eine einzige Masse wabernder Unstimmigkeiten, erzeugt durch das angestrengte „wollen, doch nicht können“ der Autorin. Eine wirklich mühsame, jedoch überhaupt nicht unterhaltende Lektüre.

Taschenbuch: 144 Seiten
ISBN-13: ‎978-3937536651

http://www.ubooks.de/

Nasaw, Jonathan – Blutdurst

Wenn man es mal genau betrachtet, dann ist Vampirismus eine Abhängigkeit wie jede andere auch: Als Vampir ist man ständig auf der Suche nach Stoff, und lässt man einmal eine Mahlzeit aus, muss man sofort mit schweren Entzugserscheinungen rechnen. Sämtliche Gedanken kreisen nur um die Beschaffung von Blut, es ist Lebenselixier und Fluch zugleich.

Diese Analogie ist nicht gerade eine neue Erkenntnis, schon Abel Ferrara hat ihr in dem Film mit dem bezeichnenden Titel „The Addiction“ ein Beispiel gesetzt. Doch jetzt buchstabiert Jonathan Nasaw in seinem gerade auf Deutsch erschienenen Roman „Blutdurst“ das ganze Suchtpotenzial des Vampirs bis zur totalen Erschöpfung durch.

Die Grundidee ist eigentlich ganz sympathisch: Nach dem Beispiel der Anonymen Alkholiker trifft sich in San Francisco wöchentlich ein kleiner Haufen Vampire, um ihrer Droge Blut abzuschwören. Denn wenn sie auch eigentlich ganz normale Menschen sind, d. h. sich weder in Fledermäuse verwandeln können noch unsterblich sind, so besitzen sie doch ein außergewöhnliches Gen, das ihnen beim Genuss von Blut ein unglaubliches High verschafft. Alles ist auf Blut besser, schärfer, klarer und überhaupt erträglicher – wie das eben bei Drogen so ist. Am besten wirkt das Blut von Babys, und für einen Babyblutrausch würde ein Vampir so ziemlich alles riskieren.

Nick Santos, seines Zeichens abstinenter Vampir und Romanautor a. D., ist der Kopf von VA, den anonymen Vampiren von San Francisco. Er selbst hat die Zeit des exzessiven Blutrausches bereits hinter sich und ist nun ein fundamentalistischer Verfechter des nüchternen Lebensstils. Um anderen Vampiren die Vorteile des blutfreien Lebens nahe zu bringen, entführt er sie auch schon mal und zwingt sie zum kalten Entzug.

James Whistler, ebenfalls Mitglied von VA und Nicks Nemesis, sieht die ganze Sache etwas anders. Ihm geht nicht ganz auf, was so Verwerfliches daran sein soll, seinem (einverstandenen) Partner beim Sex ein paar Tropfen Blut abzuzapfen. Und so schnappt er sich den VA-Neuzugang Lourdes, füttert sie mit Blutbeuteln an, macht sie zu seiner Geliebten und beschließt, mit ihrer Hilfe VA zu sprengen. Nach und nach nehmen sie sich die Mitglieder der Gruppe vor und machen ihnen schmackhaft, doch rückfällig zu werden.

Was sonst noch passiert? Alles und nichts. Nick schwängert eine Pastorin, schreibt ein Buch über seine Welt auf Blut, Whistler führt Lourdes in die Vampirpraktiken auf einer obskuren Karibikinsel ein und schwängert sie nebenbei, es gibt eine kleine Fehde zwischen der Wicca-Hohepriesterin Selene und Nick, es wird viel über Süchte und Abstinenz philosophiert und dazwischen gibt es Sex, Sex und nochmal Sex. Ach, und ein bisschen Gewalt. Und Drogen eben.

„Blutdurst“ soll offensichtlich, zu einem gewissen Grade, eine Satire auf die Hochzeit der 12-Schritte-Programme in den USA sein. Vollkommen legitim, würde sich dieses Vorhaben nicht nach ungefähr 200 Seiten absolut totlaufen. Die Charaktere des Romans sammeln Süchte (und die dazugehörigen Selbsthilfegruppen) wie andere Leute Briefmarken, und irgendwann wird es für den Leser schwer, all dem pseudopsychologisch-verständnisvollen Gelaber über Co-Abhängigkeit und sonstigen Unfug mit irgendeinem Wohlwollen zu folgen. Das Leben dieser Figuren besteht nur aus Sex und Drogen, und so verführerisch das für den ein oder anderen auch klingen mag – ein fast 600 Seiten starker Roman lässt sich damit nicht unterhaltsam füllen.

Folglich mäandert die Handlung mehr schlecht als recht dahin und man kann sich nie ganz sicher sein, wo Nasaw denn nun eigentlich hinwill. Mal geht es um den schwulen Nick, der spontan die Freuden des Sexes mit einer ordentlich beleibten Frau entdeckt. Dann geht es um Whistlers schrulliges High-Society-Leben, das uns offensichtlich demonstrieren soll, dass Männer auf Blut sexy und erfolgreich sein können. Dann wieder geht es wahlweise um entführte Babys, Wicca-Rituale, Sexorgien und Gesprächstherapie. Eine Zeit lang nimmt man an, dass Selenes Rache an Nick der Knackpunkt der Handlung sei (er hatte ihr im Blutrausch einst fast die Kehle herausgerissen), doch dieser Konflikt wird in einem solchen Antiklimax aufgelöst, dass man sich fragt, warum Nasaw dieses Problem überhaupt eingeführt hat, nur um es dann so gelangweilt abzuarbeiten.

Nasaw zitiert kurz vorm Ende Tolstoi, offenbar um dem Leser zu verstehen zu geben, wie er „Blutdurst“ verstanden wissen will: „Eine Geschichte hinterlasse einen tieferen Eindruck, wenn sich unmöglich sagen lässt, auf wessen Seite der Autor steht.“ Da ist natürlich was dran, nur muss man als Autor dafür auch einen fesselnden Plot und überzeugende Charaktere liefern. Bei Nasaw ist man nie ganz sicher, ob nun die Süchtigen oder die 12-Schrittler auf der moralisch richtigen Seite stehen. Whistler als egoistischer Hedonist steht dem moralgebeutelten, aber durchaus auch mal korrupten Nick gegenüber. Doch letztendlich lässt sich Tolstois Motto hier nicht anwenden, sind dem Leser schlussendlich doch alle Charaktere und damit auch ihr Schicksal egal.

„Blutdurst“ ist ein Roman, der, um ein Vielfaches gekürzt, durchaus seine Momente hätte haben können. So aber verlieren sich satirische Spitzen und moralische Fragen in einem unüberschaubaren Wust aus Sexorgien und Psychosprech, die sich ewig wiederholen – wie das Leben auf Droge eben.

Radkowsky, Britta – Moderne Vampyre. Mythos als Ausdruck von Persönlichkeit

Der unbedarfte Leser wird bei Britta Radkowskys schmalem Bändchen zunächst über den Titel stolpern, sieht „Moderne Vampyre“ doch ganz nach einer antiquierten Schreibweise aus, die besonders ausgefallen und prätentiös sein will. Der Eingeweihte weiß jedoch: Vampir ist nicht gleich Vampyr, und genau diesen Unterschied will Britta Radkowsky, ehemals Redakteurin des Vampirmagazins sanktuarium.de, näher beleuchten.

Vampir und Vampyr wurden Anfang des 19. Jahrhunderts noch synonym verwendet. Beide Schreibweisen wechselten sich mit schöner Regelmäßigkeit ab, da der Begriff ursprünglich aus Osteuropa kam und sich die westlichen Autoren noch nicht ganz sicher waren, wie man den untoten Blutsauger denn nun zu schreiben habe. Heute ist das „y“ ein bewusst gesetztes Signal, unterscheidet es doch in der Regel den Vampir aus Literatur und Film von dem realen, lebenden Vampyr. Doch wie sich dieser Vampyr genau charakterisiert, das kann auch Britta Radkowsky nicht festmachen. Schließlich ist der Vampir eine geduldige Projektionsfläche für eine Vielzahl von Bedeutungen, sodass er letztlich eine grundlegend persönliche und subjektive Erfahrung ist.

Sie nähert sich dem Phänomen daher auf traditionelle Weise über den Volksglauben, die Literatur und den Film. Wer es (immer noch) nicht wusste, erfährt hier, dass der historische Dracula durchaus kein Vampir war, dass es aber eine ganze Reihe von wissenschaftlich belegten Fällen von Vampirismus aus Südosteuropa gibt. Welche Glaubwürdigkeit man diesen historischen Dokumenten allerdings zuschreibt, bleibt jedem selbst überlassen. Radkowsky jedenfalls vermeidet jegliche Propaganda und versucht keineswegs, den Leser von der Existenz von Vampiren zu überzeugen.

Im Abschnitt über Literatur und Film trifft man auf die üblichen Verdächtigen: Byron, Gaultier, Stoker, Rice bei der Belletristik und „Nosferatu“, „Dracula“, „The Hunger“ und „Near Dark“ bei den Filmen. Radkowsky enthält sich leider persönlicher Bewertungen (abgesehen von der Auswahl der besprochenen Bücher und Filme), bietet jedoch Zitate anderer Kritiker, sodass der Leser dennoch einen Überblick über die Qualität der vorgestellten Werke bekommt. Kurz und bündig kann sich so vor allem der Einsteiger einen Überblick darüber verschaffen, was man unbedingt lesen bzw. anschauen sollte, der Fan hingegen wird die meisten Titel bereits kennen.

Diese einleitenden Kapitel nehmen fast die Hälfte des Buches ein und so widmet sich Radkowsky erst relativ spät ihrem eigentlichen Thema, nämlich den lebenden Vampyren. Nun ist es nicht so, dass darunter wiederkehrende Tote zu verstehen sind, die das Blut der Lebenden saugen. Doch was ein Vampyr nun eigentlich ist, das kann auch Radkowsky nicht mit Bestimmtheit sagen. Sicher ist so viel: Es handelt sich um einen Lebensstil; eine Subkultur, die entweder mit dem Internet entstanden ist oder wenigstens dadurch eine Blüte erfahren hat. Vampyre entleihen Eigenschaften und Lebensweisen von Film- oder Romanvampiren und machen sie zu einem integralen Teil ihres eigenen Lebens. Besonders die sensiblen und chronisch schwermütigen Vampire von Anne Rice dienen dabei gern als Vorbild.

Britta Radkowsky bleibt auch hier an der Oberfläche und begnügt sich damit, an Beispielen von verschiedenen Vampir-Vereinigungen, wie dem offiziellen Anne-Rice-Fanclub und seinem legendären jährlichen Vampirball oder dem Sanguinarium mit seinem Regelwerk für Vampyre, das Phänomen zu illustrieren. Diese Beispiele zeigen zwar Aspekte der vampyrischen Subkultur, beleuchten jedoch weder ihre Ursprünge noch ihre Faszination. Viel interessanter dagegen sind die Interviews mit „Größen“ der Vampyrszene, die im Anhang zu finden sind. Webmaster einschlägiger Seiten beantworten hier Fragen zu ihrem ganz persönlichen Vampir- und Vampyrbegriff und erklären, wie, warum und ob sie Vampyr sind. Skeptiker werden feststellen, dass die Interviewten ihren Lebensstil durchaus reflektieren und umfassend belesen sind. Bloße Trittbrettfahrer finden sich im Interviewteil nicht. Allerdings zeigen die Interviews einmal mehr, dass eine Definition des Vampyrbegriffs ein unmögliches Unterfangen ist. Die Ansichten der Befragten können unter Umständen recht gegensätzlich sein, und doch schließen sie sich nicht aus. Wie der Einzelne den Vampirmythos empfindet und für sich interpretiert, ist eine persönliche und individuelle Angelegenheit. Und so ist auch jeder Vampyr individuell und anders. Einfache Formeln gibt es da nicht.

Abgerundet wird der schmale Band durch eine umfangreiche Literaturliste und eine einführende (wirklich nur einführend, da recht kurz) Filmographie für alle, die sich weiter mit dem Thema beschäftigen wollen. Insgesamt bleibt das Buch etwas zu allgemein – in allen angesprochenen Aspekten – eignet sich aber gerade dadurch vor allem für diejenigen, die einen Überblick über das Thema bekommen wollen. Radkowsky schneidet alle wichtigen Aspekte an, in einer flüssigen und gut lesbaren Sprache, ohne den Einsteiger mit tief gehenden Analysen zu verscheuchen.

Fazit: Ein Buch für diejenigen, die ihren inneren Vampyr erst noch entdecken wollen. Alle, die ihm bereits verfallen sind, werden hier nichts Neues mehr lernen.

Henke, Sandra / Dirks, Kerstin – Begierde des Blutes. Erotischer Vampir-Roman

Tamara Malt ist eine typische Karrierefrau. Sie arbeitet in London als Werbetexterin und geht völlig in ihrem Job auf. Für Privates – und schon gar für Männer – bleibt da keine Zeit. Sie kuschelt sich lieber abends mit ihrem Kater Grey ins Bett, eine Ikone für alle Singlefrauen. Überhaupt findet sie sich für romantische Abenteuer zu schüchtern und kalt und belässt es dabei, vom berühmten Mr. Right zu träumen, anstatt ihn zu suchen.

Doch das Schicksal meint es gut mit ihr. Eines Tages findet sie die Memoiren einer gewissen Sophie Langsdale in ihrer Post. Im 18. Jahrhundert lebte diese in Westminster und verliebte sich unsterblich in den Vampir Jeremy. Dies bringt natürlich einige Komplikationen mit sich. Zunächst einmal ist ihr Vater alles andere als begeistert, dass sie sich mit einem Blutsauger eingelassen hat und dann bewohnen auch noch zwei finstere Gestalten das elterliche Gasthaus, die sich später (wenig überraschend) als Vampirjäger herausstellen sollen. Doch Sophie ist fest entschlossen, sich ihren Jeremy nicht nehmen zu lassen. Aber kann sie auch gegen Intrigen und Erpressung ankämpfen?

Tamara ist fasziniert, ihre Neugierde geweckt. Vampire sollen wirklich existieren? So richtig kann sie das nicht glauben, und doch sieht das Manuskript authentisch aus. Als Sophie den Wohnsitz ihres untoten Liebhabers erwähnt, macht sich Tamara auf den Weg, herauszufinden, ob dieses Haus noch existiert.

Sie soll fündig werden, auf jede erdenkliche Art und Weise. Als sie nämlich in das verlassene Haus einbricht, wird sie von dem jetzigen Besitzer, Dorian, gestellt. Es kommt, wie es kommen muss. Zwischen beiden knistert es gewaltig, und wenn sich daraus zunächst auch keine Liebesgeschichte entwickelt, so doch zumindest eine Reihe wilder Sexabenteuer. Als Tamara Dorians Namen dann in Sophies Memoiren entdeckt, steckt sie schon viel zu tief in der Tinte, als dass sie noch auf Rettung hoffen könnte …

„Begierde des Blutes“ ist untertitelt als „Erotischer Vampir-Roman“. Da das genüssliche Beißen in schlanke Frauenhälse schon immer einen erotischen Unterton hatte, liegt es nahe, beides explizit zu verbinden. Andere Autoren haben dieses Potenzial ebenfalls erkannt, doch das Autorenduo Sandra Henke und Kerstin Dirks ist wohl in der Darstellung bisher am deutlichsten. Denn hier geht es durchaus zur Sache, der Roman ist gespickt mit wohl dosierten Sexszenen, eingebettet in die beiden Handlungsstränge um Sophie und Tamara.

Zunächst zu den gelungenen Passagen: Der vampirische Hintergrund ist durchaus interessant, wenn auch nicht besonders originell. Die verschiedenen Vampirlogen böten viel Erzählstoff. Leider wird dieser historische Hintergrund im Keim erstickt und zugunsten von Liebesschwüren und Sexkapaden schnell aufgegeben. Da es sich bei „Begierde des Blutes“ um den ersten Teil einer Trilogie handelt, bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Autorinnen überraschende Enthüllungen für die Fortsetzungen aufgespart haben.

Zugebenen, wichtiger als die eigentliche Handlung sind wohl die Sexszenen. Die Autorinnen haben sich hier für leicht verruchte Settings entschieden, um Tamaras verschüttete Abenteuerlust zu wecken. Da hängt die Arme auch schonmal mit nacktem Oberkörper aus dem Fenster, während Dorian weiter unten zur Sache kommt. Auch leichte Fesselspielchen und ein Hauch Voyeurismus kommen vor. Die Sprache ist da leider nicht so wagemutig. Anstatt die Dinge beim Namen zu nennen, entscheiden sich Henke & Dirks für so blumige Umschreibungen wie „Honigtopf“ oder „Liebesfrucht“. Bei solchen Fantasiewörtern stellt sich statt dem erotischen Kribbeln bei der geneigten Leserin eher ein herzhaftes Lachen ein.

Auch Handlung und Charaktere können nicht völlig überzeugen. Henke & Dirks, die beide bisher Heftromane geschrieben haben, bleiben hier in Stereotypen stecken und können ihren Charakteren kaum Tiefe oder gar Charme verleihen. Während Sophie und Jeremy noch einigermaßen glaubhaft beim Leser ankommen, bleiben Tamara und Dorian besonders schablonenhaft. Gerade die überraschende Wendung am Schluss und Dorians Erklärung seiner Motive wirkt konstruiert und kaum überzeugend. Die Schwächen in der Handlung sind ebenfalls auffällig, wenn ein verrückt gewordener mörderischer Vampir nur als Kunstgriff eingeführt wird, um die Beziehung zwischen Sophie und Jeremy voranzutreiben. Eine gute Idee, deren Potenzial leider total verspielt wird, da selbiger Vampir auf wenigen Seiten abgehandelt wird.

„Begierde des Blutes“ ist für 16,90 € beim |Plaisir d’Amour|-Verlag erschienen – ein stolzer Preis für ein 202 Seiten starkes Taschenbuch. Der Roman ist nur etwas für eingefleischte Fans, und auch die sollten sich vielleicht eher an die viel günstigere eBook-Version halten, die auf der Homepage des Verlags zu erwerben ist.

[Plaisir d’Amour-Verlagshomepage]http://www.plaisirdamourbooks.com/

Speemann, Rike – Feuer der Rache

Da denkt man doch als nichts ahnender Leser, dass nur amerikanische Frauen es mit umtriebigen Vampiren zu tun haben. Prominente Beispiele wären da zum einen Anita Blake, die toughe Vampirjägerin, die sich mit Kreuz und Knarre gegen die Avancen des smarten Vampirs Jean-Claude wehrt. Zum anderen könnte man die süße Kellnerin Sookie nennen, die stattdessen den (vermeintlich) einfacheren Weg wählt und seufzend in die starken Arme ihres untoten Lovers sinkt. Doch es gibt Hoffnung für all die deutschen Frauen da draußen, die ans Auswandern gedacht haben, nur weil es im eigenen Land keine feschen Vampire gibt. Rike Speemann macht’s möglich und präsentiert Peter von Borgo (was jetzt noch nicht arg sexy klingt), den Hamburger Vampir, der mit schwarzer Lederjacke und japanischem Motorrad durch Blankenese saust.

Doch von vorn: Eigentlich geht es um Sabine Berner, ihres Zeichens Oberkommissarin beim Hamburger LKA. Im Vorgängerroman „Der Duft des Blutes“ kam ihr zum ersten Mal Vampir Peter zu Hilfe, was ihrer Karriere nicht gerade förderlich war. Wegen Aussetzern und Gedächtnisschwund wurde sie vom Dienst suspendiert, bis sie sich von einem Psychiater begutachten lässt. Dem will sich Sabine natürlich nicht stellen, was soll sie ihm auch erzählen: Dass sie von einem Untoten umworben wird? Und so sitzt Sabine zu Hause und ist deprimiert. Ihr Job ist passé und ihr Ex-Mann geneigt, ihr das Besuchsrecht für die gemeinsame Tochter zu entziehen. Und an allem ist nur dieser Peter von Borgo schuld, der mit Vorliebe überraschend in ihrer Wohnung auftaucht und ihr Liebesschwüre ins Ohr säuselt.

Sabines Leben gewinnt schlagartig an Fahrt, als sie von der verschwundenen Iris erfährt. Ihre Großmutter erbittet sich Sabines Hilfe und diese macht sich auch sofort auf, das seltsame Verschwinden der bisher nicht auffällig gewordenen jungen Frau zu ergründen. Gleichzeitig mühen sich ihre Kollegen bei der Mordkommission mit einer Mordreihe ab, bei der gut betuchte und einflussreiche Hamburger elegant um die Ecke gebracht werden.

Und immer wandelt der geheimnisvolle Vampir am Rande des Geschehens. Was weiß er wirklich und kann Sabine den Beteuerungen seiner Unschuld tatsächlich glauben? Schließlich erweist er sich in vielen Fällen als hilfreich, enthält ihr aber offensichtlich Informationen vor. Peter von Borgo ist nicht loszuwerden. Doch mal ehrlich, wer will schon, dass er aus der Handlung verschwindet?

Hinter dem Pseudonym Rike Speemann versteckt sich die deutsche Erfolgsautorin Ulrike Schweikert, die unter ihrem richtigen Namen mehr das Metier des historisches Romans bearbeitet. Das Historische ist in „Feuer der Rache“ jedoch relativ nebensächlich: Über Peter von Borgos Vergangenheit erfährt der Leser nur wenig. Stattdessen ist der Roman eine Mischung aus Krimi und Vampirroman, mit Schwerpunkt auf der Krimihandlung. In guter Krimitradition hat Rike Speemann bis ins Kleinste recherchiert und macht so besonders den Schauplatz der Handlung, nämlich Hamburg, erfahr- und erlebbar. Auch die kleinen Ausflüge in den Wicca-Glauben schlagen in diese Kerbe, wirken jedoch ein wenig aufgesetzt.

Speemann fährt ein ganzes Arsenal an Figuren auf, schafft es jedoch, deren Innenleben immer überzeugend zu beleuchten. Der inzige, der immer ein Mysterium bleibt, ist Peter von Borgo selbst. Seine Motive entschlüsseln sich erst gegen Ende des Romans, auch wenn ein findiger Leser recht schnell die Richtung der eigentlichen Mordgeschichte erahnen kann. Der Herr von Borgo dagegen bleibt ein Geheimnis, vor allem in seinem unglücklichen Schmachten nach Sabine, die sich sträubt und windet. Alles in allem scheint Peter von Borgo noch viel Potenzial zu besitzen, das in den bereits veröffentlichten zwei Romanen um ihn noch nicht einmal angerissen wurde.

„Feuer der Rache“ ist ein durchdachter und raffinierter Krimi, der durch seine Liebelei mit Vampiren und Hexen aus dem unüberschaubaren Wust an Krimiveröffentlichungen heraussticht. Rike Speemann paart ihren Krimiplot mit sparsam dosierten Horrorelementen und einem guten Schuss erotischem Prickeln. Einigen Lesern mag diese Strategie bekannt vorkommen und tatsächlich ist Speemann längst nicht die Erste, die das Potenzial dieses Genremixes erkannt hat. Doch anstatt von anderen Autoren abzuschreiben, schafft sie es durchaus, ihr eigenes Universum aufzubauen. Man kann nur hoffen, dass es weitere Romane um Sabine und Peter geben wird, in denen das Mystery-Element mehr betont wird und man so mehr über den Vampirismus in Speemanns Romanuniversum erfährt.

„Feuer der Rache“ ist mit seinen fast 400 Seiten ein wunderbarer Schmöker für einen verregneten Winternachmittag oder eine lange Zugfahrt. Speemann erzählt flott und spannend und man mag das Buch kaum aus der Hand legen. Und das ist eigentlich alles Lob, das ein Krimi braucht, oder?

Lovecraft, H. P. – Flüsterer im Dunkeln, Der

H. P. Lovecraft (1890-1937) war zu Lebzeiten keineswegs ein erfolgreicher Schriftsteller. Mit seinen eigenen Geschichten verdiente er längst nicht genug zum Überleben, stattdessen hielt er sich mit seinem spärlichen Erbe und als Ghostwriter über Wasser. Dass er seine Erzählungen selbst nie wirklich ernst genug genommen hat, um eine Publikation mit Nachdruck zu verfolgen, mag heute, da der Name Lovecraft als Synonym für subtilen Horror steht, unglaublich erscheinen. Und doch trat Lovecrafts Werk seinen Siegeszug erst nach dessen Tod an.

In die Riege der Bewunderer reiht sich |LPL records| nahtlos ein, die sich mit liebevoll produzierten Horrorhörbüchern einen Namen gemacht haben. Wer sich gepflegt gruseln will, der ist bei |LPL| an der richtigen Adresse. In loser Folge bringt der Hörbuchverlag seit 2003 in der Reihe „H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ Erzählungen des Großmeisters als Hörbücher heraus und verursacht damit garantierten Nervenkitzel.

Der vierte Teil der Reihe – nach „Der Cthulhu-Mythos“, „Der Schatten über Innsmouth“ und „Das Ding auf der Schwelle“/“Die Ratten im Gemäuer“ – ist nun erschienen: „Der Flüsterer im Dunkeln“, eine weitere im Cthulhu-Universum angesiedelte Geschichte.

Die Handlung beginnt 1927 in Neu-England. Hochwasser lassen die Flüsse über die Ufer treten, und nach den Überschwemmungen meint die abergläubische und ungebildete Landbevölkerung der Gegend, seltsame Leichen in den Flüssen treiben zu sehen. Literaturprofessor Albert Wilmarth findet das alles reichlich faszinierend, interessiert er sich doch schon seit langem für die Legenden der Gegend. Doch als Wissenschaftler und Rationalist nimmt er die umgehenden Schauermärchen nicht für bare Münze und tut sie als bloße Fantasterei der naiven Bewohner ab.

In den Zeitungen entspinnt sich eine rege Diskussion über die seltsamen treibenden Leichen und auch Wilmarth beteiligt sich mit Verve – bis ihn ein Leserbrief von Henry Akeley erreicht, der seine Sicht der Tatsachen gründlich auf den Kopf stellt. Akeley behauptet, Beweise für eine Rasse Außerirdischer zu haben, die die Berge bewohnen und dort Mineralien fördern. So abgehoben Akeleys Erläuterungen auch zunächst klingen, Wilmarth erfährt seinen neuen Briefpartner als vernünftigen und gelehrten Mann. Es entwickelt sich ein regelmäßiger Briefwechsel und Wilmarth taucht immer tiefer ein in verbotenes Wissen und geheime Gesellschaften.

Das Zwiegespräch zwischen Wilmarth und Akeley (wir hören die Erzählung aus Wilmarths Perspektive, mit einigen eingeschobenen Briefen von Akeley) wirkt wie ein Kammerspiel – es beginnt unschuldig genug, die Handlung spitzt sich aber zunehmend zu und endet schließlich im Chaos und der überstürzten Flucht Wilmarths. Wie der Ich-Erzähler misstraut man zunächst den Erklärungen Akeleys. Sie klingen zu wirr und fantastisch, um auf der Realität zu fußen. Doch Wilmarths Interesse ist geweckt und er ist ein dankbarer Empfänger für all die Botschaften von Außerirdischen und fremden Planeten. Akeley verspricht Beweise für seine Annahmen: Fotos, Tonaufnahmen und einen seltsamen schwarzen Stein. Doch die überzeugendsten Beweise gehen auf dem Postweg verloren: Eine Verschwörung? Oder haben die Beweise nie existiert? Überhaupt sind zum Zeitpunkt, da Wilmarth die Geschichte niederschreibt, alle Briefe Akeleys vernichtet. Welche „Beweise“ bleiben also? Was erzählt uns Lovecraft in „Der Flüsterer im Dunkeln“ eigentlich? Die Geschichte von Außerirdischen, die heimlich auf der Erde umgehen? Oder doch die Fabel eines Geistesgestörten, der zwischen Realität und Fantasie nicht mehr unterscheiden kann? Lovecraft hält sich beide Optionen offen, die Entscheidung liegt also beim Hörer.

Das wahre Grauen liegt, wie meist bei Lovecraft, im Nicht-Gesagten und Halb-Verschwiegenen. Geheimlehren und verschwundene Bücher werden erwähnt, doch nie erläutert. Das Gleiche gilt für die alten Gottwesen, die immer wieder in seinen Cthulhu-Geschichten auftauchen. Subtil offenbart sich auch das Unbehagen in der Landschaft Neu-Englands. Der Städter Wilmarth fühlt sich auf der Fahrt zu seinem einsam wohnenden Freund Akeley sofort in eine andere Realität versetzt: dräuende Wälder, reißende Flüsse, düstere Landschaften. All das beeinflusst die Grundstimmung der Erzählung.

Und dann sind da natürlich noch die Sprecher. David Nathan als Wilmarth ist eine exzellente Wahl, doch der wahre Star des Hörbuchs ist Torsten Michaelis als Mr Akeley. Michaelis, als Synchronstimme von Wesley Snipes chronisch unterfordert, ist in letzter Zeit bei einigen Hörbuchproduktionen positiv aufgefallen. Besonders auf [„Necrophobia 2“ 1073 konnte er als Sprecher die ganze Bandbreite seiner Fähigkeiten zeigen – als religiös verwirrter kindlicher Massenmörder, keine einfache Rolle. Auch Mr Akeleys Gefühlswelten kann er in den wenigen Auftritten, die er hat, suggestiv gestalten und überzeugt so als nüchterner Forscher wie auch als halbverrückter Irrer.

Als besonderes Extra gibt es eine Bonus-CD, auf der Dagmar Berghoff als Muriel E. Eddy ihre Erinnerungen an Lovecraft zu Gehör bringt. Zwischen Lieblingsessen und literarischen Arbeitsweisen schafft sie es so, ein lebendiges und gar unterhaltsames Bild von dem großen Unbekannten Lovecraft zu zeigen. Als Schmankerl hat |LPL| noch den „Soundtrack des Schreckens“ beigegeben: zehn Tracks von Andy Matern, dessen beunruhigende Klangwelten seit jeher die |LPL|-Hörbücher vervollkommnen. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Tracks von vorherigen Lovecraft-Produktionen, Fans von |Necrophobia| oder |Necroscope| werden sich wohl noch gedulden müssen. Vielleicht werden Materns gesammelte Tracks auch dort einmal zu hören sein. Sie alle als einen Soundtrack auf einer Extra-CD zu veröffentlichen, ist zumindest eine geniale Idee und wird bei Langzeitfans des Labels sicher auf viel Gegenliebe stoßen.

„Der Flüsterer im Dunkeln“ ist erneut eine gelungene Gruseltour aus dem Hause |LPL|, die den Hörer diesmal sogar noch mit einer Bonus-CD beglücken kann. Da bleiben doch keine Wünsche offen!

|Die ersten drei LPL-Veröffentlichungen dieser Reihe:|
[„Der Cthulhu-Mythos“ 524
[„Der Schatten über Innsmouth“ 424
[„Das Ding auf der Schwelle“ & „Die Ratten im Gemäuer“ 589

http://www.lpl.de

Zsuzsa Bánk – Heißester Sommer. Erzählungen

Im Jahr 2002 wurde Zsuzsa Bánks Debütroman [„Der Schwimmer“ 2054 zum Überraschungserfolg des damaligen Buchherbstes. Die sensibel erzählte Geschichte, von der Kritik mit zahlreichen Preisen bedacht, bleibt vor allem durch Bánks einfühlsame Sprache im Gedächtnis. Ihr melancholischer und wehmütiger Erzählfluss geht direkt ins Herz, nistet sich dort ein, brütet und lässt den Leser nicht mehr los. Zsuzsa Bánk fesselt mit dem Nicht-Gesagtem, dem Angedeuteten, dem vage Umschriebenen und schafft damit eine unwirkliche Atmosphäre, die schimmert wie der Asphalt einer sonnenbeschienenen Straße.

Bei einem so kraftvollen und überzeugenden Erstling erwartet der Leser viel vom nächsten Buch. Doch statt eines zweitens Romans hat die Autorin nun einen schmalen Band mit zwölf Erzählungen veröffentlicht. Erzählungen, die über Jahre hinweg entstanden sind, beispielsweise während ihrer Lesereise für „Der Schwimmer“.

Schon auf den ersten Seiten, ja nach den ersten Sätzen, ist sie wieder da: diese ganz spezielle Stimmung, die nur Bánk so zu evozieren vermag. Es ist ein gefühliges Schweben, eine schwere Melancholie, die den Leser mehr einhüllt als die Figuren der Erzählungen. Die sind zumeist viel zu sehr in ihrem Leben gefangen, um Muße zur Reflektion zu haben. Da sind zwei Freundinnen, die jährlich eine Bekannte in einer Anstalt besuchen, das Wiedersehen zwischen alten Bekannten oder das Zerbrechen einer Beziehung. Alle der zwölf Geschichten, mit Ausnahme der abschließenden „Delphine“, kreisen als Variation um ein Thema. Es geht um den Abschied, um die Vergänglichkeit von Freundschaften, Liebschaften, Beziehungen. Es geht um das Zerbrechen von Dingen, die man für ewig und wichtig gehalten hat.

Doch nichts ist von Dauer in dieser Sprachwelt von Zsuzsa Bánk, die wie ein Wirbel zwischenmenschliche Beziehungen in den Abgrund reißt. Die Zeiten ändern sich, Menschen und Umstände ändern sich. Und manchmal ist es einfach unmöglich, an Gefühlen und Zuständen festzuhalten, wie verzweifelt man es auch immer versucht. Menschen leben sich auseinander; sie schlagen unterschiedliche Lebenswege ein, doch dies verträgt sich kaum mit dem Wunsch nach Stetigkeit.

Bánks Geschichten leben von dem, was sie verschweigt oder nur andeutet. Beziehungen zwischen den Figuren werden fast nie deutlich benannt, nur skizziert. Doch gerade dadurch gewinnen sie in der Vorstellung des Lesers an Gewicht und Lebendigkeit. Ihre Darstellung ist minimalistisch und doch punktgenau – rein sprachlich ein Genuss.

„Heißester Sommer“ hat jedoch ein Problem: Die Erzählungen lesen sich wie zwölf Variationen auf ein Thema, wieder und wieder hält Bánk den Finger in die Wunde menschlicher Empfindung. Allerdings verschwimmen die Geschichten ab einem gewissen Punkt, all die Frauennamen werden zu einem Pool kaum unterscheidbarer Protagonistinnen. Es ist schwer, die einzelnen Erzählungen in Erinnerung zu behalten, da sie thematisch jeweils so ähnlich liegen und bewusst beim Leser ähnliche Gefühle und Reaktionen hervorrufen sollen. Das ermüdet auf Dauer. Es ist daher sicherlich wie auch schon beim „Schwimmer“ zu empfehlen, den Erzählband in kleinen Dosen zu genießen, all die Schwermütigkeit könnte ansonsten zu Überfütterung führen.

Diese thematische Eigenheit des Buches beeinflusst jedoch nicht dessen stilistische Brillanz. Eindringlich ist Bánks Sprache, reduziert auf das Wesentliche, und so gelingt es ihr auch, ganze Lebenswege in Geschichten anzudeuten, die zwanzig Seiten kaum überschreiten. Ihre Erzählweise zieht den Leser sprichwörtlich in einen Bann, in einen Strudel aus Worten und Bedeutungen, die entknüpft und verdaut werden wollen. Zsuzsa Bánk ist nichts für den Strand, auch nicht für die Bahn. Ihre Gesellschaft ist etwas, das bewusst genossen und nicht in Eile konsumiert werden sollte.

Mit „Der Schwimmer“ war ihr vor drei Jahren der große Wurf gelungen. „Heißester Sommer“ ist ein solider Nachfolger, sprachlich fehlerlos, doch thematisch keineswegs so fesselnd wie ihr Roman. Der Erzählband ist eher das dauernde Schwingen einer Stimmung denn eine Sammlung von Erzählungen im klassischen Sinne. Wer nach frischer Wortgewalt von Zsuzsa Bánk lechzt, dem wird „Heißester Sommer“ ein treuer Gefährte sein. Wer Zsuzsa Bánk bisher noch nicht kennt, sei doch lieber an ihr Romandebüt verwiesen.

Bánk, Zsuzsa – Schwimmer, Der

Ungarn, 1956: Auch Ungarn wurde nach 1945 dem Ostblock angegliedert. Sowjetische Truppen besetzten das Land und der Große Bruder in Moskau nahm fortan die Geschicke des Landes in die Hand. Es folgte eine der radikalsten Bodenreformen nach dem Zweiten Weltkrieg, bei der 35 Prozent der Bodenfläche des Landes verteilt wurden. Moskau versuchte, die eigenen Methoden auch in Ungarn anzuwenden: Landwirtschaft und Wirtschaft wurden nach dem sowjetischen Modell umstrukturiert, doch die Planwirtschaft versagte. Der damalige Staatschef Rákosi, ein Stalinist, fiel nach Stalins Tod 1953 in Moskau in Ungnade. Er wurde durch Nagy ersetzt – ein Fehler, denn Nagy setzte sich für den Reformkommunismus ein: Freilassung der Internierten, Abschaffung der Zwangsmaßnahmen, ja sogar die Ermächtigung zur Auflösung der Kolchosen. Natürlich konnte er sich mit dieser Politik nicht lange halten. 1955 erlangte Rákosi wieder die Oberhand und übernahm das Amt. Mit dem Tauwetter in Polen setzten auch in Ungarn 1956 Unruhen ein. Drei Jahre nach Stalins Tod machten sich Schriftsteller, Journalisten und Künstler öffentlich Luft und protestierten zunächst gegen Spielplanänderungen und Zensur. Im Oktober schlossen sich dann auch die Studenten an und formulierten ihren Traum von einem zwar kommunistischen, jedoch unabhängigen und neutralen Ungarn. Der Stein kam ins Rollen: Der Aufstand griff aufs Land über, der Machtapparat brach zusammen und Nagy erschien wieder auf dem Spielfeld. Zu diesem Zeitpunkt allerdings beschloss Moskau bereits, in das Geschehen einzugreifen und hielt Ungarn mit Versprechungen hin, bis sie ihre Truppen geordnet hatten. Am 4.11.1956 war es dann so weit. Sowjetischen Truppen stürmten Budapest und schlugen den Aufstand nieder. Der kurze Traum von einem unabhängigen und demokratischen Ungarn war ausgeträumt. Doch flüchteten in der kurzen Zeit der Unruhen mehr als 19000 Ungarn in den Westen.

All das wird in Zsuzsa Bánks Debütroman „Der Schwimmer“ nicht erzählt. Vor dieser sehr politischen Kulisse spielt ihr absolut unpolitischer Roman. Die Ereignisse aus dem Jahr 1956 schwingen im Hintergrund mit, offen thematisiert werden sie jedoch nicht. Zu Beginn des Romans befinden wir uns in eben jenem Jahr 1956. Die kleine Kata lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf. Ganz plötzlich, ganz unerwartet brechen diese politischen Ereignisse auf einer sehr persönlichen Ebene in Katas Lebenswelt ein. Ihre Mutter gehört zu jenen 19000 Menschen, die während des Aufstands in den Westen geflohen sind. Ihr Vater und damit auch Kata erfahren all dies nur aus zweiter Hand. Auf einmal ist die Mutter weg, unerreichbar fern und alles, was von ihr bleibt, ist kurze Zeit später ein kleiner verschlüsselter Gruß über das Radio Freies Europa. In einen Zug gestiegen sei sie, einfach so, mit ihrer Freundin Vali. Nichts habe sie bei sich gehabt und erst in der Mitte des Buches erfährt der Leser, dass sie bis zum letzten Dorf in Ungarn gefahren sind, um von dort zu Fuß und bei Nacht über die grüne Grenze zu laufen. Ein Führer hat sich ihnen angeboten und Katas Mutter bezahlte ihn mit ihrem Ehering.

Nicht nur Katas Leben bringt dieser unerwartete Verlust durcheinander. Auch ihr Vater scheint aus der Bahn geworfen. Seit seine Frau verschwunden ist, verfolgt er kein Ziel, scheint keine Träume zu haben, keine Ansprüche an die Zukunft. Nur manchmal, da „taucht er ab“, wie Kata und ihr Bruder Isti das nennen. Er liegt einfach auf dem Sofa und starrt an die Decke. Tagelang, manchmal sogar für Wochen. Er schleppt seine beiden Kinder zunächst nach Budapest, dann in einen kleinen Ort, dann an den Balaton, wo sie länger bleiben. Als sie dort wegmüssen, geht es wieder an einen namenslosen Ort – immer kommen sie bei Verwandten unter und nie scheint sich in ihrem Leben etwas zu verändern. Kata und Isti gehen nicht zur Schule. Ihr Vater hat fast nie einen Job. Zeit spielt keine Rolle, Geld spielt keine Rolle – es geht nur darum, weiterzuexistieren.

Damit hat „Der Schwimmer“ auch nicht wirklich eine erzählbare Handlung. Vielmehr erschließt sich das Buch durch Personen, denen Kata begegnet, durch Figuren, die in einzelnen Kapiteln näher beleuchtet werden. Die Ich-Erzählerin Kata beschreibt nicht aus der Zeit heraus, aber trotzdem mit kindlicher Wahrnehmung. Sie beobachtet, nimmt wahr, schaut hin und hört genau zu. Was aus ihren Zeilen durchschimmert, ist eine unterschwellige Verzweiflung aller Beteiligten, die Gewissheit, dass nichts vorwärtsgeht. Die Melancholie ergreift alle: Den Vater, wenn er „taucht“, Kata, wenn sie vor dem Radio wacht, in der Hoffnung, noch einen Gruß ihrer Mutter abzufangen. Und auch Isti, der nur glücklich ist, wenn er im See schwimmen kann; immer nur schwimmen.

Zsusza Bánk ist selbst die Tochter von ungarischen Eltern, die nach Deutschland ausgewandert sind. 1965 wurde sie in Frankfurt/Main geboren und lebt auch noch heute dort. Sie studierte Publizistik, Politik und Literatur und „Der Schwimmer“ ist ihr Debütroman, der gleich mit mehreren Preisen, z. B. dem „Aspekte“-Literaturpreis, ausgezeichnet wurde. Und das zu Recht. Bánks poetische Sprache ist so dicht und fesselnd, dass man pro Tag nur ein oder zwei Kapitel genießen sollte. „Der Schwimmer“ ist auf keinen Fall ein Buch, das dadurch gewinnt, dass man es in einer Tour liest. Es ist leise, aber es bleibt im Gedächtnis. Es macht schwermütig, ist aber nicht erdrückend.

„Der Schwimmer“ ist ein uneingeschränkt empfehlenswertes Debüt. Wenn man auf die leisen Töne Wert legt, wenn man nicht unbedingt eine fesselnde Handlung braucht, sondern sich mit den faszinierenden Gedanken eines kleinen Mädchens zufrieden geben möchte, dann sollte man dem Buch seine Aufmerksamkeit schenken.

Harris, Charlaine – Vampir, der mich liebte; Der

„Der Vampir, der mich liebte“ ist mittlerweile der vierte Roman aus Charlaine Harris‘ Serie um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse. In den vergangenen drei Bänden konnte der geneigte Leser Sookies Wandlung vom schüchternen Mauerblümchen zur heißen Vampirgeliebten verfolgen – mit all den Nebenwirkungen, die so eine Beziehung mit sich bringt. Sookies Romanze mit dem Vampir Bill hat ihr zwar in Sachen Sex die Augen geöffnet (und dafür gilt es durchaus, dankbar zu sein), doch gleichzeitig führt sie zu einigen Beinahe-Zusammenstößen mit dem Tod. Da Bills Vampirvorgesetzter Eric Sookies Gedankenleserei nur zu gern für seine Zwecke einsetzt, landet sie mit schöner Regelmäßigkeit in potenziell tödlichen Situationen und wird zusammengeschlagen, gebissen und herumgeschubst.

Am Ende des dritten Bandes „Club Dead“ hatte Sookie nun die Nase voll. Sie will all diese Vampire und Gestaltwandler einfach nur noch aus ihrem Leben haben und beendet ihre Beziehung zu Bill. Für das neue Jahr nimmt sie sich vor, nicht wieder zusammengeschlagen zu werden. Doch entwickelt sich Sookies Leben in „Der Vampir, der mich liebte“ natürlich nicht zu einem erholsamen Kaffeekränzchen. Als sie von der Neujahrsfeier im „Merlotte’s“ nach Hause kommt, liest sie einen halbnackten Vampir auf der Straße auf. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich dieser als Eric, der Besitzer der Vampirbar in Shreveport. Der selbstbewusste und von seinen Reizen überzeugte Eric hat sein Gedächtnis verloren, was zu einer interessanten Nebenwirkung führt: Er wird nett und umgänglich und Sookie fühlt sich immer mehr von ihm angezogen.

Die Vampire in Shreveport sind außer sich, als sie von Erics Veränderung erfahren. Scheinbar hat sich ein Hexenzirkel im Gebiet breit gemacht und will nun die Geschäfte nicht nur der Vampire, sondern auch der Werwölfe übernehmen. Da Eric sich weigerte, seine Bar aufzugeben, wurde er mit einem Fluch belegt. Erics Untergebene organisieren einen Großangriff auf die Hexen und verstecken derweil ihren Anführer bei Sookie, um ihn aus der Schusslinie zu bringen.

Es kommt, wie es kommen muss: Während Sookie Erics unwiderstehlichen Reizen erliegt, verschwindet ihr Bruder, werden einige Gestaltwandler in Shreveport blutig niedergemetzelt, macht ein Werwolf ihr Avancen und es geht generell heiß her. Ob Sookie ihren Vorsatz fürs neue Jahr halten kann, muss der Leser allerdings selbst herausfinden.

Mit „Der Vampir, der mich liebte“ ist die Romanreihe um Sookie vom kleinen Verlag |Feder & Schwert| zum großen |dtv| gewandert, der für den unhandlichen und lieblosen Titel verantwortlich zeichnet. (Im Original führen alle Romane das Wort „dead“ im Titel.) Das lässt zunächst auf nichts Gutes hoffen. Zum Glück aber werden diese Ängste schnell beruhigt. Die Übersetzung von Britta Mümmler ist absolut flüssig und macht den Roman auch in der deutschen Fassung zum Pageturner. Und auch Charlaine Harris selbst hat mal wieder einen Schmöker allererster Güte vorgelegt.

Zwar verschwindet der Gut-Vampir Bill recht schnell von der Bildfläche, er wird jedoch elegant durch Eric ersetzt, der in diesem Band nun endlich zum Zuge kommt (im wahrsten Sinne) und zu einem Hauptcharakter avanciert. Während Bill ein Frauenversteher ist, ist Eric ein Charmeur, ein Verführer und ein Sexgott. Über drei Bände hinweg musste die weibliche Leserschaft darauf hoffen, mehr von ihm zu sehen und hier endlich übergibt Harris dem blonden Vampir die Bühne. Zwar hat sein Gedächtnisverlust zu einigen Charakterveränderungen geführt, doch ist er immer noch ein Traum von einem Mann und im Bett kaum zu schlagen, wie Sookie bald selbst am eigenen Leibe feststellen darf. Selbst eingefleischte Bill-Fans werden einsehen müssen, dass es zwischen Sookie und Eric aufs Heftigste knistert – ein wahres Fest für die geneigte Leserin.

Auch Harris‘ romaneigene Mythologie wird weiter ausgebaut. Vampire, Gestaltwandler und Werwölfe wurden bereits in den vergangenen Bänden eingeführt. Nun sind die Hexen und Wiccas dran. Zwar stellen sie eine große Gefahr dar, doch dies resultiert hauptsächlich aus der Tatsache, dass man nicht recht weiß, welche Begabungen und Fähigkeiten sie besitzen. Harris hält sich hier also noch alle Türen offen und man darf hoffen, dass sie in Zukunft noch etwas näher auf die Hexen eingehen wird.

Doch wie steht es eigentlich mit der Entwicklung von Harris‘ Hauptfigur Sookie? Es ist schon erstaunlich, welche Wandlung sie in den vergangenen Romanen durchgemacht hat. Auf Grund ihrer Behinderung (das Gedankenlesen) schüchtern, unerfahren und mit nur wenigen sozialen Bindungen, hat sie sich mittlerweile zu einem heißen Feger mit etlichen Verehrern entwickelt. Zwar sind alle diese Verehrer Supras (also Übernatürliche), aber immerhin. Was sich jedoch nicht geändert hat, ist Sookies freche Schnauze. Immer noch mit viel Verve und trockenem Humor erzählt sie von ihren Abenteuern und wie sie sich mehr schlecht als recht finanziell über Wasser hält. Denn im Grunde ist Sookie eine ganz normale junge Frau mit alltäglichen Problemen. Sie hat zu wenig Geld, ihr Auto ist ein reiner Schrotthaufen, ihr Job stresst sie und ihre Beziehungen gehen in die Brüche. Nur hat sie es darüberhinaus mit lauter Vampiren und Werwölfen zu tun, was all ihre anderen Probleme nur noch verkompliziert.

Charlaine Harris‘ Vorrat an Ideen scheint unerschöpflich. Mit jedem Band werden ihre Romane flotter und unterhaltsamer, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Ihre Charaktere, obwohl bis zu einem gewissen Grad stereotyp, bleiben trotzdem immer liebenswert und überzeugend, und man kann nicht anders, als mit der gutmütigen Sookie mitzufiebern. Harris‘ Universum gewinnt immer mehr an Tiefe und Farbenfreude, je mehr übernatürliche Wesen es bevölkern. Bisher wirkt es damit auf keinen Fall überladen oder forciert. Trotz des hölzernen deutschen Titels ist „Der Vampir, der mich liebte“ also wieder eine absolute Leseempfehlung!

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|Charlaine Harris bei Buchwurm.info:|

[„Vorübergehend tot“ 788

[„Undead in Dallas“ 939

[„Club Dead“ 1238

James, Henry / Gruppe, Marc – Unschuldsengel, Die (Gruselkabinett 5)

Eine Pfarrerstochter wird von dem Vormund zweier engelsgleicher Kinder als Gouvernante eingestellt. Der in London als Lebemann logierende Herr will mit den Blagen offensichtlich nichts zu tun haben und beauftragt die Gouvernante, die seinem Charme sofort erliegt, ihm nie und nimmer zu schreiben, ihn nicht um Rat zu fragen und alle Probleme selbst zu lösen. Fürstlich entlohnt, entsendet er die junge Frau auf den Landsitz Bly, wo die Kinder recht einsam leben.

Auf Bly angekommen, wird die Gouvernante zunächst aufs Herzlichste von der Haushälterin Mrs Grose und den Geschwistern Flora und Miles begrüßt. Sie schließt die liebenswerten Kinder sofort ins Herz, fühlt sich prompt ins Paradies versetzt und bezeichnet die beiden fortan als „meine Kinder“. Doch die Idylle soll bald gestört werden. Der zuckersüße und wohlerzogene Miles ist von seiner Schule verwiesen worden und die Gouvernante zerbricht sich den Kopf darüber, was er, der kein Wässerchen trüben kann, wohl angestellt haben mag. Gleichzeitig fängt sie an, Geister zu sehen. Zuerst den ehemaligen Leibdiener des Vormunds, Peter Quint, später dann auch noch dessen vermutliche Geliebte Ms Jessel.

Es gilt, die Kinder vor dem verruchten Einfluss der beiden zu schützen. Doch nach und nach kommen der Gouvernante Zweifel: Sind die beiden wirklich so unschuldig, wie sie vorgeben? Oder ist all dies nur Fassade, um hinter verschlossenen Türen mit den Toten zu kommunizieren und die arme Gouvernante zu hintergehen? Sie jedenfalls ist entschlossen, die Kinder vor der Korruption durch Quint zu beschützen, doch wie soll ihr das gelingen, wenn sie plötzlich alle gegen sich sieht?

Die Situation spitzt sich immer mehr zu, und zusammen mit der bodenständigen Haushälterin Mrs Grose ist man sich nie ganz sicher, ob die bösen Geister nun tatsächlich existieren oder nur ein Produkt der überbordenden Fantasie der Gouvernante sind.

Literarisch versierteren Hörern wird die Erzählung „Die Unschuldsengel“ wohl eher unter dem eigentlichen Titel „Die Drehung der Schraube“ (engl. „The Turn of the Screw“) ein Begriff sein. Erstmals 1898 in Fortsetzung erschienen, gehört „Die Drehung der Schraube“ zu Henry James‘ Meistererzählungen. Der 1843 in Amerika geborene James verbrachte einen Großteil seines Lebens in Europa und wurde 1915, ein Jahr vor seinem Tod, sogar englischer Staatsbürger. Seine über 100 Erzählungen, 20 Romane und nicht zuletzt seine theoretischen Arbeiten zur „Kunst des Romans“ haben den modernen Roman maßgeblich beeinflusst. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei in der Bedeutung des Bewusstseins im Gegensatz zu den hinter ihm zurücktretenden äußeren Ereignissen. Diese Problematik wird auch in „Die Drehung der Schraube“ stark thematisiert. Die Gouvernante, in der englischen Provinz mit den sie überfordernden Problemen praktisch allein gelassen, wird ihrer Vorstellungskraft nicht mehr Herr. Die beiden Kinder vor der moralischen Korruption (in was auch immer diese genau bestehen mag) durch die in Unzucht (un)lebenden Geister zu beschützen, wird ihr persönlicher Kreuzzug. Dabei ist die Erzählweise der besondere Kniff: Wir erfahren den Ablauf der Handlung durch die Gouvernante selbst und so wird nie ganz klar, ob es sich um eine reale Bedrohung durch Geister (und damit um eine klassische Geistergeschichte) oder um eine neurotische Reaktion der nervlich überreizten Gouvernante (und demnach um eine psychologische Erzählung) handelt. „Die Drehung der Schraube“ stützt mal die eine, mal die andere Theorie und die Unsicherheit im Hinblick auf das tatsächliche Geschehen ist die Crux der Geschichte. Auch als Leser bzw. Hörer ist man stetig hin- und hergerissen, der Gouvernante oder den Kindern zu glauben, eine eindeutige Lösung wird allerdings nie präsentiert.

Das Hörspiel schafft es wunderbar, diesen Tanz auf dem Drahtseil aufrecht zu erhalten. Mal erscheint die Gouvernante vollkommen hysterisch. An anderer Stelle geben sich Miles und Flora dagegen durchaus dämonisch und man möchte an die Existenz der zerstörerischen Geister glauben. Das Hörspiel von |Titania Medien| lebt damit besonders von den drei Protagonisten: Rita Engelmann als Gouvernante, Charlotte Mertens als Flora und Lucas Mertens als Miles. Unterstützt wird die beklemmende Wirkung durch die atmosphärische Klaviermusik, die vor dem geistigen Auge prompt karge englische Landschaften heraufbeschwört, über die ein hartnäckiger Nebel hinweggeistert.

|Titania|-Mastermind Marc Gruppe hat sich mit „Die Drehung der Schraube“ an ein literarisches Meisterwerk gewagt. Das hätte auch schief gehen können, doch zielsicher bewahrt das Hörspiel die Mehrdeutigkeit der Erzählung und damit deren größten Reiz. Ob es sich nun tatsächlich um eine Geister- oder gar Gruselgeschichte handelt, muss jeder für sich entscheiden, kann „Die Drehung der Schraube“ doch ebenso als eine Metapher für das Wirken der Literatur im Allgemeinen gelesen werden. Das Geheimnis der Geschichte entzieht sich dem Leser, sobald er meint, es fassen zu können. Und gerade daraus, nicht aus den imaginären oder realen Geistern, zieht James‘ Erzählung ihre Faszination.

Bei Henry James‘ „Die Drehung der Schraube“ handelt es sich um ein Muss im Bücherschrank eines jeden Liebhabers. Und jetzt gilt dieses Muss auch für’s CD-Regal!

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Elrod, P. N. – Blutzirkel (Vampirdetektiv Jack Fleming – Das 3. Abenteuer)

Tja, die Vergangenheit kann man eben nicht so einfach abschütteln. Gerade noch hatte Vampir Jack Fleming in „Blutjagd“ beschlossen, die Suche nach seiner alten Flamme Maureen aufzugeben, als sich ihre Schwester Gaylen meldete. Nun, mit all den neuen Informationen, die Jack gewonnen hat, beschließt er im dritten Band der Reihe um den Vampirdetektiv Jack Fleming, „Blutzirkel“, die Suche nach Maureen wieder aufzunehmen. Schließlich könnte sie in Lebensgefahr schweben; oder gar schon tot sein! So kehren er und sein Freund Escott dem Chicago der 30er Jahre den Rücken und reisen nach New York, denn dort verlor sich Maureens Spur vor fünf Jahren.

Mittlerweile hat sich Jack auch mit seinem vampirischen Dasein arrangiert. Die Blutbeschaffung bereitet ihm kein Kopfzerbrechen mehr (auch wenn sie unter Umständen sein Schuhwerk ruiniert, weil er einer Kuh hinterherjagt) und auch die hypnotische Beeinflussung von Menschen belastet sein Gewissen lange nicht mehr so stark wie noch in den Vorgängerbänden. Und sein Freund Escott scheint ohnehin keinerlei Probleme mit dem Zustand seines Freundes zu haben. Ohne zu Murren schleppt er dessen riesigen Kleiderkoffer durch die Gegend, schiebt dem untoten Jack heimlich Heimaterde unter und führt eine Art Erste-Hilfe-Kasten für Vampire mit sich (hauptsächlich bestehend aus einer Spritze, einem Schlauch und einer Anzahl Milchflaschen).

So ausgerüstet, begegeben sich die beiden nach New York, von wo aus die Spur schnell zum Anwesen der Franchers nach Long Island führt. Maureen nämlich hatte ihrer Nachbarin versichert, unter dieser Telefonnummer erreichbar zu sein. Dies verwirrt unsere beiden Detektive zunächst, können sie sich doch keinen Reim darauf machen, worin die Verbindung zwischen Maureen und der reichen und exzentrischen Emily Francher bestehen soll. Doch als sie das Anwesen erst besuchen, wird bald alles klarer. Der Sekretär der Besitzerin ist kein Geringerer als Jonathan Barrett höchstselbst, den wir schon kurz im letzten Band „Blutjagd“ kennen gelernt haben. Barrett, selbst Vampir, hatte Maureen offensichtlich Unterschlupf gewährt, jedoch nur für eine Nacht. Alles, was Jack und Escott darüberhinaus in Erfahrung bringen, will einfach keinen Sinn ergeben. Und Barrett selbst ist alles andere als hilfsbereit …

Wer Jonathan Barrett noch aus P. N. Elrods anderer Vampirserie kennt, der wird ihn hier zunächst nicht wiedererkennen. Der sensible Gutmensch, der als Erstes seine Familie in seinen Vampirismus einweiht und im Prinzip keiner Fliege etwas zuleide tun kann, ist in „Blutzirkel“ einem verschlossenen Eigenbrötler gewichen. Die beiden Vampire Fleming und Barrett umkreisen sich zunächst wie zwei hungrige Wölfe, die ihr Revier verteidigen wollen. Keiner traut dem anderen und ihr vorsichtiges Taktieren in Gegenwart des anderen ist ein reines Vergnügen für den Leser. Dass hier zwei Vampire mit- und gegeneinander agieren, ist ungemein reizvoll, durfte der geneigte Leser bisher doch „nur“ Jack als Vampir erleben.

„Blutzirkel“ ist in mancher Hinsicht anders als die beiden Vorgänger. Da wäre zunächst der Schauplatz: Vom lauten und gefährlichen Großstadtpflaster Chicagos geht es ins gemächliche, aber nicht weniger tödliche Long Island. Hier müssen sich Jack und Escott mit ganz anderen Problemen herumschlagen. Dass jeder jeden kennt und alles sofort weitergetratscht wird, wird Jack – mal wieder – fast zum Verhängnis. Zum anderen tauscht Elrod die wilden Verfolgungsjagden und Schießereien gegen bodenständige Detektion und Schnüffelarbeit.

Ein kleines Manko hat der Roman allerdings. Während die beiden Vorgänger von Heiko Langhans übersetzt wurden, übernahm diesmal Rosa Welz die Übertragung ins Deutsche. Das wirkt sich sprachlich auf den Detektivplot aus. Wo Heiko Langhans noch mit Verve heutzutage fast vollkommen verschollene Ausdrücke wie „Flüsterkneipe“ und „Rabatz“ ausgegraben hat, bietet die Übersetzung von Rosa Welz durchgehend flüssige, aber eben moderne Prosa. Der Reiz der 30er-Jahre-Gangstersprache, der im Erstling „Vampirjäger Jack Fleming“ am ausgeprägtesten war, ist mittlerweile fast gänzlich aus der Erzählung verschwunden. Schade!

Doch trotzdem bietet „Blutzirkel“ natürlich 250 Seiten Lesevergnügen. In gewohnter Manier tischt P. N. Elrod dem Leser einen packenden Plot, ein mysteriöses Geheimnis und mit Jack Fleming einen toughen, aber humorigen Helden auf. Amüsante Kurzweil und spannende Detektion gehen in „Blutzirkel“ Hand in Hand – alles gebettet auf Elrods überzeugende Charaktere. Denn wenn die amerikanische Autorin ein Talent hat, dann ist es das Erschaffen von dreidimensionalen Charakteren, die dem Leser einfach nie langweilig werden. Über Jack und Escott gibt es immer wieder Neues zu erfahren und man kann es kaum erwarten, den nächsten Band in den Händen zu halten. Gut, dass Elrod kaum Ermüdungserscheinungen zeigt und ihrer vampirischen Protagonisten noch lange nicht überdrüssig ist!

|P. N. Elrod bei Buchwurm.info:|

[„Der rote Tod“ 821

[„Der endlose Tod“ 863

[„Der maskierte Tod“ 1582

[„Vampirdetektiv Jack Fleming“ 432

[„Blutjagd“ 1928

http://www.festa-verlag.de/

Elrod, P. N. – Blutjagd. Ein Vampir-Krimi

Auf die Idee muss man erstmal kommen: Ein Vampir als Detektiv. Bereits 1990 hatte die amerikanische Autorin P. N. Elrod den Einfall für diesen genialen Kunstgriff. (Und war damit dem vampirischen Detektiv Nick Knight in der gleichnamigen Serie um zwei Jahre voraus.) Im Auftaktroman zu ihrer Serie um den „Vampirdetektiv Jack Fleming“ machte sie Jack kurzerhand zum Vampir und ließ ihn im Chicago der 30er Jahre mit Hilfe seines neu gewonnenen Freundes Escott seinen eigenen Mord aufklären. Da Jack sich in Luft auflösen und Menschen durch Hypnose beeinflussen kann und darüber hinaus ziemlich unverwüstlich ist, wäre Escott – der eigentliche Detektiv – ein Dummkopf, würde er sich nicht Jacks Hilfe bei einigen brenzligen Fällen bedienen.

Doch ein klassischer Fall präsentiert sich in der Fortsetzung „Blutjagd“ zunächst nicht. Stattdessen beobachten wir Fleming dabei, wie er es sich in seiner vampirischen Existenz gemütlich macht. Bobbi, die Barsängerin aus dem Vorgängerroman, ist nun Jacks Freundin und erfreut sich an den speziellen Zuwendungen, die man von einem untoten Bettgenossen erfährt. Jack fühlt sich so wohl in dieser neuen Beziehung, dass er die Zeit für gekommen hält, seine Suchanzeige in den großen Zeitungen des Landes zu stoppen und Maureen aufzugeben. Sie war nämlich die Vampirin, die Jack durch ihren Biss verwandelt hat. Die beiden verband eine heiße Affäre, bis Maureen sich plötzlich absetzen musste. Seit fünf Jahren nun sucht Jack per Annonce nach ihr – bisher ohne Erfolg. Nun jedoch beschließt er, diesen Abschnitt seines Lebens als erledigt zu betrachten und die wöchentlichen Anzeigen einzustellen.

Doch offensichtlich hat er nicht damit gerechnet, dass dies einigen windigen Gestalten auffallen würde. So hängen sich plötzlich zwei unfähige Vampirjäger à la „Tanz der Vampire“ an seine Fersen, fuchteln mit Holzkreuzen vor seiner Nase herum und belästigen seine Familie. Außerdem taucht ganz plötzlich Maureens Schwester auf – mittlerweile über 70 Jahre alt und ebenfalls auf der Suche nach Maureen. Wie soll Jack die Vampirjäger loswerden, ohne sie zu töten? Und sagt Maureens Schwester tatsächlich die Wahrheit? Man kann sich sicher sein, dass Elrod im Verlauf einige Kehrtwendungen für den Leser parat haben wird. Langweilig wird es also garantiert nicht!

Wer zu Beginn des Romans den echten und geradlinigen Mordfall vermisst, der wird schnell entschädigt. P. N. Elrod legt mit „Blutjagd“ zwar erst den zweiten Teil ihrer Serie um Jack Fleming vor, doch schon hier taucht sie tief in die Geschichte der Vampirliteratur ein und flicht viele mehr oder minder auffällige Anspielungen in ihre Handlung ein. So verschlägt es (einen noch menschlichen) Jack Fleming in New York in den Buchladen eines Spinners, der okkulte Bücher sammelt. Fleming ist auf der Suche nach „Varney, the Vampire“ und zwischen ihm und dem Buchhändler entspinnt sich ein unterhaltsames Gespräch über die Existenz von Vampiren, die Frage, ob es Dracula wirklich gab und diverse Klassiker der Vampirliteratur. Ein echtes Fest für Fans des Genres!

Ebenso erheiternd ist das Zusammentreffen von Jack mit den beiden Vampirjägern, die offensichtlich Ted Brownings „Dracula“ einmal zu oft gesehen haben und vor Theatralik nur so strotzen. Vermutlich können sie es Jack auch nicht verzeihen, dass er nicht ständig im Theatercape herumläuft. Die beiden heften sich wie zwei Zecken an die Fersen des Vampirs, der eher amüsiert als wirklich verängstigt ist. Die Attacken des dynamischen Duos wehrt er mit Sarkasmus und Gutmütigkeit ab, doch die selbst ernannten Retter der Menschheit geben einfach keine Ruhe und schrecken schließlich auch nicht davor zurück, Unschuldige mit in den Tod zu reißen. Elrod rechnet hier mit dem Bild des Vampirjägers nach dem Muster von van Helsing ab. Für sie ist der Vampir nur ein Mensch mit besonderen Eigenschaften. Der Jäger aber ist das eigentliche Monster – nur fähig zu zerstören, was nicht so ist wie er, anstatt das Potenzial in dieser Andersartigkeit zu erkennen, wie z. B. Jacks Freund Escott es tut.

Und schlussendlich wird der treue Elrod-Leser auch den Protagonisten ihrer anderen, ebenfalls bei |Festa| veröffentlichten, Vampirserie hier wiederfinden. Jonathan Barrett nämlich, der sensible Gentleman-Vampir aus Long Island, taucht in den Erinnerungen von Maureens Schwester auf, da er bei Maureens Vampirwerdung eine entscheidende Rolle spielte. Man darf hoffen, dass er auch in zukünftigen Romanen kleine Auftritte haben wird, trägt dies doch zu der Attraktivität beider Romanserien bei.

P. N. Elrod ist ein echtes Phänomen. Jeder ihrer Romane ist ein Treffer mitten ins Schwarze und jedes Mal denkt man aufs Neue, dass man so gut schon lange nicht mehr unterhalten worden ist. Doch mit jedem Roman übertrifft sie sich selbst. Ihre Charaktere sind farbenfroh und nicht ohne Humor, ihre Handlung flott und immer vorwärts strebend. Neben Laurell K. Hamilton ist Elrod wohl die amerikanische Autorin, die dem Vampirgenre im Moment die meisten neue Impulse gibt. Es gilt hier also nicht, eine Leseempfehlung auszusprechen. Nein, stattdessen gibt es einen Lesebefehl! Kaufen, lesen, lieben!

|P. N. Elrod bei Buchwurm.info:|

[„Der rote Tod“ 821

[„Der endlose Tod“ 863

[„Der maskierte Tod“ 1582

[„Vampirdetektiv Jack Fleming“ 432

http://www.festa-verlag.de/

Elrod, Patricia N. – Vampirdetektiv Jack Fleming

Das ist schon ein ziemlicher Schock, wenn man sich plötzlich an den Ufern des Lake Michigan wiederfindet und feststellt, dass man tot ist. Eigentlich ist es sogar ziemlich widersinnig. Nicht jedoch für Jack Fleming, dem genau das passiert: Irgendjemand im Chicago der 30er Jahre will ihm offensichtlich an die Gurgel und scheinbar ist ihm das auch gelungen. Doch Fleming steht wieder auf – dank einer Affäre und des dazugehörigen Blutaustausches mit der Vampirin Maureen. So ist er zwar dem Tod von der Schippe gesprungen, doch ist ihm dafür die Erinnerung an seine Todesnacht abhanden gekommen. Warum will das organisierte Verbrechen von Chicago ihn loswerden? Wer hat ihn umgebracht? Und was soll diese Blutliste sein, die die angeheuerten Schläger ihm abnehmen sollten?

Fleming beschließt, sich zunächst ein wenig an seinen neuen vampirischen Zustand zu gewöhnen (inklusive erster taktischer Besuche des berüchtigten Chicagoer Schlachthofs – schließlich ist er ein humanistischer Vampir) und dann seinen eigenen Mord aufzuklären. Immerhin ist er eigentlich Reporter, und verdeckte Machenschaften aufzudecken sein täglich Brot. Er erhält überraschende Hilfe von dem Privatschnüffler Escott, der allein durch penible Beobachtung auf Fleming und seinen außergewöhnlichen Zustand aufmerksam geworden ist und ihm seine Hilfe und seine Kontakte anbietet. Fleming nimmt dieses Angebot dankbar an und gemeinsam machen sich die beiden auf, das Geheimnis um den Mord an Fleming zu lösen und dessen verlorenes Gedächtnis wieder herzustellen. Und so wühlen sich Fleming und Escott durch die Unterwelt Chicagos und von einem Bandenboss zum nächsten, geraten in einige brenzlige Situationen, Verfolgungsjagden und Schießereien, logieren in illustren Kneipen und spielen – natürlich – Poker (und betrügen – das versteht sich wohl von selbst), bis sie nach kurzweiligen 250 Seiten endlich das Rätsel um die Blutliste gelöst haben. Ob sich der ganze Aufwand für zwei Blatt Papier tatsächlich gelohnt hat, bleibt abzuwarten, doch unterhaltsam war er allemal!

„Vampirdetektiv Jack Fleming“ von P. N. Elrod ist in seiner Plakativität ein ziemlich abstoßender Titel (das hat auch |Festa| schnell eingesehen und die Titel der Fortsetzungen mehr am US-Original orientiert), zeigt aber, worum es in dem Roman gehen soll. Autorin Elrod nimmt das Genre des Vampirromans und katapultiert ihren untoten Helden gnadenlos in eine hardboiled Detektivgeschichte à la Hammett und Chandler. Dabei bedient sie zunächst einmal eine ganze Reihe Klischees des Genres: Unser Held ist ein Reporter, die Story spielt im Chicago der 30er Jahre, es gibt eine schöne Frau (die unser Held, bevor der Roman zu Ende ist, natürlich mindestens einmal verführt haben muss), Männer haben dicke Kanonen und setzen sie gern ein. Es fehlt nur noch, dass die Hauptcharaktere Filzhüte tragen (immerhin sieht man einen auf dem Cover des Buches).

Doch Elrod hält die Fäden ihrer Handlung fest in der Hand und ihr Vampirkrimi droht nie wirklich, ins Klischee abzudriften. Stattdessen spielt sie mit viel Finesse mit den Eckpfeilern des Genres und streut eine ganze Reihe Anspielungen und Namen ein, die Fans der damaligen Pulp-Magazine sicher ein Begriff sein werden. Darüberhinaus präsentiert sie gerade mit den Hauptcharakteren Fleming und Escott zwei schillernde und unterhaltsame Figuren. Fleming akzeptiert seinen neuen Zustand mit trockener Ironie und findet schließlich sogar Gefallen daran, den bösen Bandenboss mit seinen vampirischen Tricks zu erschrecken (da er sich beispielsweise ganz dramatisch in Luft auflösen kann). Escott dagegen hat eine Theaterkarriere hinter sich, beweist Sinn für Theatralik und begegnet Fleming mit erfrischender Entspanntheit. Und auch wenn Elrod ziemlich unwahrscheinliche Haken schlägt, um die beiden zusammentreffen zu lassen, so verzeiht man ihr diesen Patzer recht schnell, da Fleming und Escott ein so effektives Paar abgeben.

„Vampirdetektiv Jack Fleming“ erschien in den USA bereits 1990, doch hier hat sich erst der |Festa|-Verlag der Romane von Elrod angenommen und bringt sie nach und nach als deutsche Erstausgaben auf den Markt. Mittlerweile besteht die Serie „The Vampire Files“ in den USA aus elf Titeln – Elrod ist also eine fleißige Schreiberin. Und als Bonus bleibt ihre Vampirmythologie gleich, sodass in Zukunft auch Crossover mit ihrer anderen Vampirserie um Jonathan Barrett möglich sein werden. Überhaupt, Jonathan Barrett, Elrods zweite Vampireserie. Wo Jonathan mit seinem Zustand als Vampir zunächst endlos überfordert ist und sich bei jedem neuen Einschussloch panisch fragt, ob er nun sterben muss, nimmt Fleming die ganze Sache viel entspannter. Er findet sich recht problemlos mit den neuen Gegebenheiten ab, beschafft sich einen Schrankkoffer, lässt sich per Taxi zu den berühmten Chicagoer Schlachthöfen fahren und setzt die Vorteile seines Zustandes gnadenlos ein, ohne dessen Nachteile zu beweinen. In dem Sinne thematisiert und problematisiert „Vampirdetektiv Jack Fleming“ den Vampirismus an sich viel weniger, als es in den Jonathan Barrett-Büchern der Fall ist. Was durchaus vorteilhaft sein kann, wirkt Fleming doch damit viel weniger weinerlich als Barrett. Seine schroffe und doch liebenswerte Art wird ihm schnell viele Leserherzen bescheren.

„Vampirdetektiv Jack Fleming“ ist eher ein Krimi mit Vampir-Held als ein Vampirroman mit Krimielementen. Gruslig wird es also nie wirklich. Dafür spart Elrod nicht mit Motiven des Detektivromans und der entsprechenden Brutalität. Da gibt es Folterszenen und genüsslich beschriebene Schlägereien. Wem das zu blutig anmutet, der sollte sich lieber an Elrods gemächlichere Jonathan-Barrett-Serie halten. Alle anderen werden am finsteren und gewalttätigen Chicago sicher ihre Freude haben!

de Sá Moreira, Régis – geheime Leben der Bücher, Das

„Schmeckt nicht jedem“, diesen Slogan gibt es seit einiger Zeit für eine große Zigarettenmarke. Einen ähnlichen Slogan sollte es auch für Régis de Sá Moreiras dritten Roman „Das geheime Leben der Bücher“ geben. Für wen Bücher nur Gebrauchsgegenstände sind, die am Bahnhofskiosk erworben werden, um eine langweilige Zugfahrt zu überbrücken, für den wird Moreiras Liebeserklärung an die Welten zwischen zwei Buchdeckeln nichts anderes sein als knappe 200 Seiten unverständliches Geschwafel. Für die jedoch, die liebevoll über ihre Reihen von Büchern streichen, Stunden über dem richtigen Ordnungsprinzip der eigenen Sammlung grübeln und Bücher zur Hand nehmen, nur um ihnen etwas Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, für die wird „Das geheime Leben der Bücher“ ein kleines poetisches Meisterwerk sein, das sie in ihrer eigenen Liebe bestärkt.

Der in Paris lebende Moreira hat vor „Le Libraire“, wie der Roman auf Französisch heißt, bereits zwei Bücher geschrieben, doch erst jetzt wurde er ins Deutsche übersetzt. Der |Droemer|-Verlag hat ihn in seiner Reihe „Profile“ herausgebracht, ein Programm für „anspruchsvolle Leser“, wie der Verlag selbst es nennt. Und das beginnt schon bei der Aufmachung: Im schmucken Hardcover kommt der schmale Band daher, mit Goldschrift und in liebevollem Satz. Ein Buch, das man gern zur Hand nimmt und bei dem man erwartungsvoll die Luft anhält, bevor man die erste Seite aufschlägt.

Moreira stellt uns einen namenlosen Buchhändler vor, in einer (ebenfalls namenlosen) Stadt, in der es vor konkurrierenden Buchhandlungen nur so wimmelt. Doch selbst in einem so bibliophilen Ort ist dieser Buchhändler ein Anachronist. Zwischen (vermutlich) Bertelsmann und Weltbild, Hugendubel und Lagerverkauf, besitzt er einen anheimelnen kleinen Laden, der eher eine Erweiterung seines Wohnraumes ist denn ein wirkliches Geschäft. Und so kommt es auch, dass sein Laden immer geöffnet hat und dass er am Schreibtisch seines Buchladens einschläft, wenn der letzte Kunde gegangen ist und aufwacht, wenn der erste Kunde mit einem „Dingelingdingeing“ das Geschäft betritt. Er hat eine sehr eigene Verkaufsphilosophie: Um zu verhindern, dass er versehentlich Schund verkauft, gibt es bei ihm nur Bücher, die er selbst gelesen hat. Darum ist seine Auswahl natürlich begrenzt. Zwar hat er ganze Regalreihen voller Fremdsprachenlehrbücher und ein Regal nur für Ausgaben von „Anna Karenina“, doch nur einen einzigen Reiseführer. Überhaupt fühlt sich der Buchhändler seinen Büchern verpflichtet. Er bietet ihnen ein Heim, er schreitet nachts seine Regalreihen ab, um sie zur Nachtruhe zu betten, er schlägt sie auf, um in ihnen zu lesen … seine Bücher sind seine Freunde und Begleiter und seine einzige Verbindung zur Außenwelt. Und manchmal verweigert er auch einem Kunden ein Buch, wenn er meint, es sei bei diesem nicht gut aufgehoben.

Überhaupt, die Kunden. Sie sind die treibende Kraft in „Das geheime Leben der Bücher“. Wir erleben nämlich einen Tag im Leben dieses außergewöhnlichen und einsiedlerischen Buchhändlers. So ein Tag läuft nach einem festgeschriebenen Prinzip ab: Ein Kunde betritt den Laden und nachdem er wieder gegangen ist, trinkt der Buchhändler einen Kräutertee. Die Menschen, welche die Buchhandlung betreten, sind skurril, urig, liebenswert. Da wären zum Beispiel die Zeugen Jehovas, die täglich in den Laden kommen, um dem Buchhändler von der Schönheit des Lebens zu erzählen. Oder Gott, der auch schon mal eingeschnappt ist und hinter sich die Tür zuschlägt. Oder die Floristin, die ihre Blumensträuße gegen Bücher tauscht. In kurzen Kapiteln erzählt Moreira so immer eine kleine Geschichte, schildert eine Szene, zeigt uns eine Momentaufnahme.

„Das geheime Leben der Bücher“ ist kein großer Roman, stattdessen ist es eine leise Sammlung von Vignetten um einen Buchhändler, die sich durch ihre Poesie und Einfachheit in das Herz des Lesers schleichen. Von einer Handlung kann hierbei keine Rede sein, es gibt keinen Konflikt und somit auch keine Lösung. Das Buch beginnt und endet – einfach so. Gerade deshalb werden es Buchliebhaber mögen. Es ist eine unaufdringliche Liebeserklärung an die Welt der Bücher, den staubigen Geruch einer alten Buchhandlung und die unerwarteten Entdeckungen, die man zwischen Buchdeckeln findet. Wem diese Gefühlswelten fremd sind, der sollte besser die Finger von de Sá Moreira lassen und sich einer geradlinigeren Lektüre widmen. Alle anderen jedoch werden in Moreira und seinem Buchhändler Verbündete ihrer Leidenschaft finden und „Das geheime Leben der Bücher“ regelmäßig aus dem Regal nehmen – einfach, um ihm Aufmerksamkeit zu schenken.

Leroux, Gaston / Gruppe, Marc – Phantom der Oper, Das (Gruselkabinett 4)

„Das Phantom der Oper“ ist das vierte Hörspiel aus der kultigen „Guselkabinett“-Reihe mit den miesen Coverbildern und den höchst unterhaltsamen Inhalten. Beim „Phantom der Oper“ denkt jeder zwangsläufig an Andrew Lloyd Webber, Kahnfahrten in unterirdischen Gewölben und schmachtende Opernduette. Dagegen anzukämpfen, ist nicht leicht, doch in gewohnt überzeugender Manier liefern |Titania Medien| unter der Leitung von Marc Gruppe ein schauerliches Hörspiel in Starbesetzung.

Die Handlung ist wohl in den groben Zügen bekannt: Die junge Christine Daaé (gesprochen von Marie Bierstedt) fristet ihr Dasein als Chormädchen an der Pariser Oper, bis das geheimnisvolle Phantom (Torsten Michaelis) sie unter seine Fittiche nimmt und unterrichtet. Selbiges Phantom ist von Geburt an entstellt und lebt, zynisch und Menschen verachtend, unter der Oper, um zur abendlichen Vorstellung heraufzuklettern und in Loge 5 die Musik zu genießen (denn zufällig ist er auch noch ein sehr guter Sänger UND Architekt). Die neue Leitung der Oper sieht dieses Arrangement gar nicht gern, schließlich ist Loge 5 eine der teuersten des Hauses und könnte auch anderweitig verkauft werden. So entbrennt ein Machtkampf zwischen dem Opernmanagement und dem Phantom, während dieser Christine fördert und die Operndiva La Carlotta (Ursula Heyer) zum Gespött des Publikums macht. Dann betritt auch noch Christines Jugendfreund Raoul (Patrick Winczewski) die Bühne und Christine findet sich plötzlich zwischen zwei Männern wieder, von denen einer nicht davor zurückschrecken wird, den Rivalen zu töten …

Das Hörspiel kann wie immer mit wunderbaren Soundeffekten garantieren, sodass der geneigte Zuhörer prompt in die richtige Stimmung gebracht wird. Im Hintergrund breiten sich orchestrale Klangteppiche aus und erschaffen überzeugend die Illusion, sich in einer Oper zu befinden. Doch das Hörspiel steht und fällt mit der Darstellung des Phantoms, und Torsten Michaelis (Stimme von Wesley Snipes und Sean Bean) macht seine Sache ausgesprochen gut. Sein Phantom pendelt zwischen dem Bedürfnis nach Zuneigung und Freundschaft und dem Wunsch, die Menschen, die ihm das Leben so schwer machen, möglichst genussvoll zu zerstören. Er kann liebenswert und hilfsbereit, aber auch rachsüchtig und gnadenlos sein. Ob man nun Mitleid mit dem Phantom hat oder ihm dem Tod wünscht, bleibt also dem Zuhörer überlassen – eine leichte moralische Entscheidung ist es auf keinen Fall.

Hinter Torsten Michaelis‘ brillanter Darstellung müssen die anderen Sprecher zwangsläufig zurückstehen. Gerade des Phantoms Gegenspieler Raoul, gesprochen von Patrick Winczewski (wohl eher bekannt als Synchronstimme von Tom Cruise und Hugh Grant), bleibt im direkten Vergleich blass, naiv und uninteressant. Einzig die zickige Diva La Carlotta kann mit dem Phantom mithalten, da Ursula Heyer sich schwer ins Zeug legt und wohl über vier Oktaven schreit, zickt, meckert und generell ziemlich unerträglich ist.

Gaston Leroux’s „Das Phantom der Oper“, das 1910 erstmals erschien, hat bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt. Angelehnt an die Geschichte von der Schönen und dem Biest, spricht die romantische Handlung immer noch Menschen aller Couleur an. Wohl auch darum wird der Stoff immer wieder neu verarbeitet. Schon 1925 gab es die erste Verfilmung des Romans und erst 2004 kam die vorerst letzte in die Kinos. Am bekanntesten ist sicherlich die Musical-Adaption von Andrew Lloyd Webber. Und Marc Gruppes Hörspielversion reiht sich nahtlos in die lange Geschichte des Stoffes ein.

Der versprochene Grusel ist hier allerdings eher ein angenehmer Schauer, der sich ausbreitet, wenn man mit Christine die unterirdischen Gewölbe der Oper erkundet und die Gegenspieler des Phantoms in meisterlichen Spiegelkabinetten gefangen sind. Im Vordergrund steht die dem Untergang geweihte unglückliche Liebesgeschichte zwischen Christine und dem Phantom. Es lässt sich also ausgesprochen gut schmachten bei diesem Hörspiel aus dem |Titania|-Programm und romantische Gemüter werden am Ende sicherlich die eine oder andere Träne wegwischen müssen.

[Titania Medien]http://www.titania-medien.de hat sich innerhalb kürzester Zeit mit seiner Gruselkabinett-Reihe bei Hörern und Kritikern nach vorn gebracht. Bereits im Frühjahr dieses Jahres konnte |Titania| den Kritikerpreis der Hörspiel-Awards abstauben und auch dieses Jahr ist das Label gleich bei zwei Awards nominiert. Zu einem echten Kauf-mich-Preis bringt Marc Gruppe klassische Texte der Horrorliteratur auf den Silberling, jedes Mal mit bekannten Sprechern und tollen Klangeffekten. Da macht das Reinhören immer wieder aufs Neue Spaß.

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Allende, Isabel – Zorro

Eigentlich war ich bisher der Meinung, Zorro habe es schon immer gegeben. So wie Robin Hood beispielsweise. Stattdessen ist der Rächer mit der Maske noch nicht einmal hundert Jahre alt und stammt aus der Feder des findigen Amerikaners Johnston McCulley, der seiner Figur in einer stattlichen Anzahl |Dime Novels| zu erstem Ruhm verhalf. Ältere Semester erinnern sich vielleicht an diverse Filme und Serien, doch für mich beginnt der Kult um Zorro mit George Hamilton und seinen quietschbunten Zorro-Kostümen. Und auch Antonio Banderas‘ Darstellung des Rächers kann diesen ersten Eindruck nicht wirklich überschatten.

Wie gerade Isabel Allende an einen Stoff wie Zorro gelangt ist, wird wohl bei vielen ihrer Fans für Verwunderung gesorgt haben. Doch natürlich gibt es dazu eine Legende: Man erzählt sich, dass eines Tages fünf Leute vor ihrer Tür standen, die die Rechte an der Figur des [Zorro]http://de.wikipedia.org/wiki/Zorro besaßen und Allende anboten, doch einen Roman über ihn zu schreiben. Allende lehnte ab, schließlich ist sie eine ernsthafte Autorin. Doch die fünf Leute ließen eine Kiste mit Material zurück, das schließlich das Interesse der Autorin weckte. Ganz passend dazu gibt es ab November auch einen neuen Zorro-Film mit oben erwähntem Antonio Banderas („Das Geisterhaus“ und „Von Liebe und Schatten“ wurden beide mit Antonio Banderas verfilmt) und da war es wohl um sie geschehen. In nur drei Monaten hat sie, während neben ihrem Computer zur Inspiration ein gerahmtes Bild von Antonio stand, „Zorro“ heruntergeschrieben. „Es ist sehr einfach zu schreiben, wenn man sich dabei Antonio Banderas vorstellt“, meint Allende. Scheinbar sollten sich viel mehr Autoren dessen Bild auf den Schreibtisch stellen …

Das befremdliche Gefühl beim Aufschlagen des Romans bleibt trotzdem und ich bin ziemlich überzeugt, dass ich an dem Buch etwas auszusetzen haben werde. Umso überraschender, dass ich die Lektüre durchaus genossen habe. Es muss meine heimliche Leidenschaft für wilde Plottwists, überlebensgroße Leidenschaften, bunte Panoramen und schillernde, plakative Charaktere sein, die sich beim Lesen breit machte. Darum sei vorneweg gesagt: „Zorro“ ist lange kein perfektes Buch und erst recht keine „echte“ Isabel Allende. Magischen Realismus sucht man vergebens, auch das zeitliche Panorama ist für ihre Verhältnisse stark zurückgenommen. Und doch macht der Roman Spaß. Wie könnte er auch nicht: Es gibt Männer mit schwarzen Umhängen, unglückliche Liebschaften, Piraten, wilde Duelle und das alles eingepackt in Allendes überbordende Erzähllust.

Doch fangen wir von vorn an, so macht das auch Isabel Allende. Ihr „Zorro“ ist eine Chronik der frühen Jahre. Wir erfahren einiges über seine Eltern, über die politische Situation in Kalifornien (da gab es nichts außer Indianern, Kühen und Missionaren, meint die Autorin in einem Interview), über seine Geburt und seine Erziehung. Wir könnten das überspringen, wäre es nicht gerade der Kernpunkt der Erzählung. Irgendwann während der Lektüre muss man akzeptieren, dass das Buch den Weg von Diega de la Vega, einem spanischen Adligen, zu Zorro dem Rächer beschreibt. Wir sehen also viel von Diego, aber viel weniger von Zorro.

Klein Diego wächst in Kalifornien im kultururellen Mischmasch von spanischen Einwanderern, Indianern und Missionaren auf. Zusammen mit seinem Milchbruder Bernardo, der verstummt ist, seit er den Mord an seiner Mutter mit ansehen musste, wird er als Jugendlicher nach Spanien an die Universität geschickt. Und dort geht die Geschichte dann so richtig los. Natürlich verliebt sich Diego prompt unsterblich in die unerreichbare Juliana, er lernt Fechten beim genialen Manuel Escalante, durch den er auch Kontakt zu einem Geheimbund bekommt, der (was auch sonst) für Gerechtigkeit eintritt. Und da ein würdiger Gegenspieler ebenfalls nicht fehlen darf, heftet sich der Spanier Rafael Moncada fortan an Diegos/Zorrors Fersen, da er dieselbe Frau begehrt. Im Übrigen erfährt man auch (falls man es noch nicht wusste), was „Zorro“ eigentlich bedeutet und wie Diego zu diesem Namen gekommen ist.

Kurzum: Die Handlung schreitet flott voran und ist reichlich actiongeladen. Es gibt Gefängnisausbrüche und Schwertkämpfe, Überfälle und wilde Fluchten durch ganz Spanien. Isabel Allende legt in ihrem Roman ein stolzes Tempo vor und das heißt für den Leser: Dranbleiben! Ein Manko hat der Roman allerdings: Seine Nebencharaktere sind fast durchweg sympathischer als seine Protagonisten. Da wäre zum Beispiel Don Diego (Zorro) selbst. Er sieht gut aus und hat perfekte Zähne (das erläutert uns Allende gleich mehrmals), dafür hat er abstehende Ohren (daher die Maske, die unbedingt die Ohren verdecken muss). Er ist eitel, bis zu einem gewissen Grade arrogant und etwas arg von sich eingenommen. Aus irgendeinem Grunde ist er in die langweilige und oberflächliche Juliana verliebt, an der ein durchschnittlicher Leser so überhaupt nichts Anziehendes finden kann. Ihre kauzige kleine Schwester Isabel allerdings, von Diego ständig übersehen, bleibt da schon eher im Gedächtnis: Sie schielt, hat eine wilde Mähne und lernt mit Diego fechten. Auch Bernardo, Diegos stummer Bruder, ist eine Figur, die beim Leser hängen bleibt. Das Gleiche gilt für Diegos Mutter Regina, eine zur westlichen Kultur bekehrte Indianerin. Warum Allendes Nebencharaktere solche prägnanten Persönlichkeiten sind, während Diego von Zeit zu Zeit einfach schrecklich unleidlich daherkommt, wird wohl das Geheimnis der Autorin bleiben. Vielleicht liegt es auch einfach am Kultstatus der Hauptfigur …

Allendes „Zorro“ ist also ein seltsames Werk. Auf der einen Seite lässt es einen großen Teil dessen vermissen, was ihre Bücher so speziell macht; nämlich den magischen Realismus. Auf der anderen Seite tobt sich Allende in gewohnter Manier in ihrer Geschichte aus: Sie schmückt ihre Schauplätze bunt aus und malt farbenfrohe Charaktere. Somit werden sowohl Neueinsteiger als auch Langzeitfans ihrer Romane gut mit „Zorro“ klarkommen. Und mal ehrlich, wer kann einem Mann ganz in Schwarz schon widerstehen?

Website zum Buch: http://www.allende-zorro.de/
Homepage der Autorin: http://www.isabelallende.com/

Elrod, P. N. – maskierte Tod, Der (Jonathan Barrett 3)

Jonathan Barrett ist echt ein Netter: gut aussehend, ausgesucht höflich, gebildet und mit reicher Familie. Eine gute Partie also, und das, obwohl er andere, weniger begehrte Charaktereigenschaften besitzt. Jonathan ist nämlich ein Vampir, auch wenn er für seinen Zustand selbst keinen Namen hat. Er verschläft den Tag, trinkt das Blut seiner Haustiere, kann Menschen durch Hypnose beeinflussen und sich praktischerweise in Luft auflösen. Diesen Zustand verdankt er der Affäre mit der geheimnisvollen Nora Jones, die er während des Studiums in England kennen und lieben gelernt hat. Zurück in Long Island, wurde er jedoch während des Unabhängigkeitskriegs erschossen und stand eine Nacht später prompt als lebender Toter wieder auf. Nachdem er seine neue Existenzform ausgiebig erprobt und einige Abenteuer bestanden hat, will er nun unbedingt Nora Jones wiederfinden, damit er ihr all die Fragen stellen kann, die ihn zu seinem Zustand plagen.

So weit zu dem, was bisher geschah, „Der maskierte Tod“ ist nämlich schon der dritte Band um Jonathan Barrett (nach „Der rote Tod“ und „Der endlose Tod“) und schließt, wie man das mittlerweile von P. N. Elrod gewohnt ist, nahtlos an seine Vorgänger an. Jonathan ist mehr als frustriert mit seiner Suche nach Nora Jones. Sein in London wohnender Cousin Oliver kann die ehemalige Geliebte einfach nicht ausfindig machen, dazu kommt noch, dass die Post Monate braucht, um die Kolonien zu erreichen. Und so beschließt Jonathan, selbst nach London zu reisen, um dort Nachforschungen anzustellen.

Aber da Jonathan ein Familienmensch (Familienvampir) ist, reist er nicht allein. Seine Schwester Elizabeth besteht darauf, mitzukommen und auch sein Sklave Jericho darf natürlich nicht fehlen. Als auch noch eine stolze Anzahl Rinder als Blutration für die Überfahrt auf dem Schiff verstaut sind, ist die Reisegesellschaft komplett. Doch Jonathan hat nicht mit seinem Vampirismus gerechnet – fließendes Wasser hat Untoten nämlich noch nie gut getan. So wird er von einem bösen Anfall von Seekrankheit heimgesucht, der schlussendlich dazu führt, dass P. N. Elrod sich nicht lange mit der Überfahrt nach England aufhalten muss …

Dass das ein Vorteil ist, wird schnell klar. Wie auch schon im ersten Band, ist der in London spielende Teil der Höhepunkt des Romans. Im Gegensatz zum provinziellen und verschlafenen Long Island kann sich Autorin Elrod im großstädtischen London so richtig austoben und große Gesellschaften beschreiben. Darüberhinaus trifft Jonathan seinen Cousin Oliver wieder, der schon in „Der rote Tod“ ein großer Symapthieträger war.

Doch was wird aus der Suche nach Nora Jones? Die bleibt zunächst unerfolgreich, denn Jonathan wird bald mehr als abgelenkt. So hat die Londoner Gesellschaft offensichtlich beschlossen, dass es sich bei ihm und seiner Schwester um Heiratskandidaten erster Güteklasse handelt und darüberhinaus muss sich Jonathan bald mit so einigen Intrigen herumschlagen.

Nach dem etwas schwächelnden „Der endlose Tod“, ist P. N. Elrod in „Der maskierte Tod“ nun offensichtlich wieder in Hochform, was mit Sicherheit auch am veränderten Schauplatz der Handlung liegt. Auch kann sie nun einige neue Figuren einführen, die der Handlung mehr Esprit und Richtung geben. So hat der Leser bei der sich flott entwickelnden Handlung kaum Zeit, sich darüber zu wundern, dass Jonathan seine Suche nach Nora nur halbherzig zu verfolgen scheint. Bald schon ist er so in Duelle und alte Liebschaften und Auseinandersetzungen mit hysterischen Tanten verwickelt, dass es für Jonathan nur von Vorteil sein kann, dass er nicht zu atmen braucht – er hätte sowieso keinen Augenblick Muße, um Luft zu holen.

„Der maskierte Tod“ ist für einen Vampirroman schon recht außergewöhnlich. Jonathan ist vermutlich der humanistischste Vampir, den die literarische Welt je gesehen hat. Er ist so in seiner menschlichen Umwelt verankert, dass sein Vampirismus dahinter zurückstehen muss. Das wird noch verstärkt dadurch, dass er in einer durch und durch menschlichen Welt agiert: In London scheint es keine anderen Vampire zu geben. Daher kann man nur hoffen, dass er in absehbarer Zukunft auf andere Vampire (vielleicht sogar seine geliebte Nora Jones) trifft, die ihm ein wenig vampirisches Selbstbewusstsein verschaffen können. Denn wie auch schon im Vorgänger, kränkelt der Roman etwas an Jonathans tapsiger Natur. Er scheint eine Nase dafür zu haben, in brenzligen Situationen zu landen, aus denen er sich nur mit Not – und aus mehreren Wunden blutend – befreien kann. So schafft er es auch in diesem Roman wieder, zweimal fast um die Ecke gebracht zu werden. Natürlich nicht wirklich, schließlich ist er schon tot. Doch auch wenn er mittlerweile begriffen zu haben scheint, dass man ihn nicht einfach so töten kann, so ist er doch vor Panikattaken nicht gefeit, wenn ihm mal wieder ein Bösewicht an die Gurgel will. Dieses sich ständig wiederholende Schema wird für den Leser bald ermüdend (schließlich zieht es sich nun schon über drei Romane hin) und man kann nur hoffen, dass Jonathan bald Vertrauen zu seinem Zustand fasst.

Ansonsten ist „Der maskierte Tod“ ein uneingeschränktes Lesevergnügen: kurzweilig, unterhaltsam und mit vielen sympathischen Charakteren ausgestattet. Vor allem die gut ausgearbeiteten Nebencharaktere (Elizabeth, Jericho, Oliver) tragen viel dazu bei, dass man sich bei der Lektüre nie langweilt. Und doch hat Jonathan seine Nora wieder nicht gefunden; man hofft, P. N. Elrod spannt ihren Protagonisten und ihre Leser nicht mehr allzu lange auf die Folter und gestattet den beiden ihre lang verdiente Wiedervereinigung!

Auf Jonathans weitere Abenteuer muss man zumindest nicht mehr lange warten: Die Veröffentlichung des vierten Teils der Reihe, „Der tanzende Tod“, ist für Herbst 2005 geplant.

|P. N. Elrod bei Buchwurm.info:|

[„Der rote Tod“ 821

[„Der endlose Tod“ 863

[„Vampirdetektiv Jack Fleming“ 432

Krock, Jeanine – Wege in die Dunkelheit. Ein Vampirroman

Jeanine Krock hat mit ihrem Romandebüt „Wege in die Dunkelheit“ (die Ähnlichkeit des Titels mit dem Urgestein aller Vampirportale – pathwaytodarkness.com – ist nicht von der Hand zu weisen) einen dichten und wirklich spannenden Vampirroman vorgelegt, der gleichzeitig einen Einblick in die Gothic-Szene der 80er Jahre bietet und fast nebenbei einen ganzen Vampirmythos aufbaut. Daher bleibt kaum verhüllt, „wo“ die Autorin herkommt: Gothic-Szene und Vampirwirklichkeit bedingen sich in „Wege in die Dunkelheit“ gegenseitig – die Faszination an der dunklen Seite der Existenz, das theatralische Pathos, das Kokettieren mit melancholischen Zuständen und tiefen Gefühlen bringen Vampire und Mitglieder der Subkultur unweigerlich zusammen.

Die Geschichte startet in Deutschland mit dem jungen Nik, der auf einem Konzert an die überirdisch schöne Shamina gerät. Selbige Shamina ist natürlich eine Vampirin und ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts grünäugig, sinnlich und unwiderstehlich. Nik ist sofort Feuer und Flamme und vergisst darüber seine – zugegebenermaßen – nervtötende Freundin Katharina. Shamina wiederum, durchaus von Nik angetan, hat keine Möglichkeit, aus den Verpflichtungen ihres Vampirismus auszubrechen, wird sie doch von ihrem Master Sylvain aufgefordert, ihm bei der Vernichtung eines urbösen Vampirs zu helfen.

So wandert die Handlung von der westdeutschen Provinz ins brodelnde Berlin, ins absolut überschäumende London und auf Sylvains englischen Landsitz. In Flashbacks erfährt der Leser darüberhinaus so einiges über die handelnden Vampire. Vor einer farbenfrohen historischen Kulisse gibt es da rauschende Feste und Straßenräuber, unsterbliche Diener und einen nie enden wollenden Vorrat an Blut.

Es ist schwierig zu entscheiden, wo man bei „Wege in die Dunkelheit“ ansetzen soll. Das Buch ist so voll von Ideen, Handlungssträngen und Themenkomplexen, dass man daraus ohne Probleme eine ganze Romanreihe hätte machen können, ohne dass dem Leser langweilig würde. Mehr noch, es hätte der Autorin die Möglichkeit gegeben, bestimmte Situationen nicht nur anzureißen und den historischen Hintergrund der Vampire deutlicher auszuleuchten. So aber werden ganze Handlungsstränge (beispielsweise Shaminas Vampirwerdung) nur kurz rekapituliert und damit Potenzial verschenkt. Ebenso ergeht es dem eigentlichen Knackpunkt des Romans, nämlich der geplanten Vernichtung des Oberschurken Ludovico, die blass und schablonenhaft bleibt und auf minimalem Raum abgehandelt wird. Auf die Charakterisierung der Gefahr, die von Ludovico (der nie wirklich auftaucht) ausgehen soll, wird überhaupt keine Tinte verwandt und man wird den Eindruck nicht los, dass er nur ein |plot device| ist, um die Vampire zusammenzuführen.

Wirklich gelungen ist dagegen die Beschreibung der deutschen und englischen Subkultur. Von der Darstellung von Bands bis zur ausführlichen Beschreibung von Hairstyles und Klamotten ist alles vertreten. Der dazugehörige Lebenstil komplett mit übertriebenen Gefühlen und plötzlichen Liebesbezeugungen durchtränkt den gesamten Roman und man ist klar im Vorteil, wenn man eine Gothic-Affinität besitzt. Ansonsten kann einem beim hohen Pathos-Grad schnell schwindelig werden. Hier werden sich jedoch auch die Leser finden, für die „Wege in die Dunkelheit“ wie auf den Leib geschneidert ist. Das Buch ist eine relativ unverhüllte, zweihundert Seiten lange Wunschvorstellung vom Vampirismus, die sich nicht damit abmüht, die damit verbundenen Problematiken zur Sprache zu bringen. Krocks Vampire sind durchweg menschenliebende Humanisten, die zur Blutbeschaffung natürlich nie jemanden töten würden – zumindest wenn es sich um die richtige Gruppe Menschen handelt. Einen Pulk Skins genüsslich um die Ecke zu bringen, bereitet ihnen dagegen keine moralischen Kopfzerbrechen.

Für Anhänger der schwarzen Subkultur sollte „Wege in die Dunkelheit“ also ein wahres Fest sein, der Durchschnittsleser wird aber ebenso gut unterhalten. Trotz der Schwächen (und der positiven Schwäche, dass das Buch ruhig hätte länger sein können), schafft es Krock, den Leser zu fesseln und zu unterhalten und ein breites Panoptikum an Schauplätzen und Figuren zu präsentieren. Die Verbindung des Vampirthemas mit der Gothic-Szene ist für das deutsche Genre ein Novum und schon daher die Lektüre wert.

Was abschließend noch erwähnt werden sollte, ist, dass dem Roman ein wirkliches Lektorat fehlt. Nicht nur hätte das den Stil an einigen Stellen geglättet, sondern dem Buch auch sonst eine „runde“ Form gegeben. Scheinbar war man sich aber bei |Ubooks| nicht ganz sicher, ob man nun die neue oder alte Rechtschreibung benutzen solle. Und um eine Entscheidung zu vermeiden, wurde einfach alles durcheinander verwendet. Das Gleiche gilt für die Zeichensetzung, besonders, wenn es um die wörtliche Rede geht. Da werden munter verschiedene Anführungszeichen verwendet, ohne darauf zu achten, wie diese mit den normalen Satzzeichen korrespondieren sollten. Man muss kein Grammatikgenie sein, um über solche wilden Satzkonstruktionen Verwunderung zu empfinden.

Romainczyk, Jürgen – Vampirwinter

Recht schmal ist das Bändchen, das Jürgen Romainczyk unter dem Titel „Vampirwinter“ 2004 als sein Romandebüt vorgelegt hat. Doch die 112 Seiten präsentieren ihren Inhalt so komprimiert und verdichtet, dass der Leser die Lektüre durchgehend genießen kann – vornehmlich während eines Sturms oder Gewitters, um die gotische Atmosphäre zu erhöhen.

Beatrice ist ein bisschen langweilig, ein bisschen bieder, ein bisschen schüchtern – eine Durchschnittsfrau, wie man sie überall findet. Als Landei ist sie – wegen des Jobs natürlich – widerwillig nach Heidelberg gezogen, wo sie keinen Anschluss findet und somit ihre Abende und Wochenenden brütend in ihrer Wohnung verbringt, wo sie mit ihrem Los hadert. Doch eines Tages trifft sie in der Kantine die faszinierende Malia – das genaue Gegenteil von Beatrice. Malia ist selbstbewusst, strahlend schön, abenteuerlustig und verführerisch und sie bietet Beatrice ihre Freundschaft an. Von nun an machen die beiden nächtens die Stadt unsicher; sie gehen gemeinsam essen, auf Partys, in Kneipen. Doch vor allem freuen sie sich auf den Vampirball, ein rauschendes Fest, das alljährlich in Heidelberg stattfindet. Und dort lernt die scheue Beatrice Christoph kennen. Zwischen den beiden sollen bald zarte Bande entstehen, doch Beatrice hat gleichzeitig den Eindruck, dass Malia mehr als Freundschaft von ihr will. Ihre geheimnisvolle Freundin verführt sie mit Finesse und Beatrice gerät in einen Strudel aus Liebe, Leidenschaft und Eifersucht.

Der Klappentext bietet den Schlüssel zu „Vampirwinter“: Romainczyk, der seine Magisterarbeit über das Vampirmotiv in der englischen Literatur schrieb, hat mit seinem Roman eine moderne Neuinterpretation von Sheridan Le Fanus Novelle [„Carmilla“ 993 abgeliefert. Seine liebenswerte Hommage katapultiert Carmilla alias Malia (die originale Carmilla nutzte als Namen immer Anagramme ihres eigenen Namens Mircalla – und auch der Name Malia lässt sich aus Mircalla zusammensetzen) ins 21. Jahrhundert und erforscht, wie die Vampirin wohl heute leben würde. Denn mal ehrlich, nur wenige widmen sich der weiblichen Ausprägung dieses Phänomens. Neben Dracula, Varney, Lestat und Konsorten verblasst die Vampirin meist zur Nebenfigur. Romainczyk jedoch versucht zu aktualisieren, was schon Le Fanu mit Meisterschaft beschrieben hat: die Verführerin und kaltblütige Vampirin.

Dass Malia nicht ist wie andere Frauen, wird schnell klar – gerade im Gegensatz zur sehr angepassten Beatrice. Malia ordnet sich keinen Regeln unter und schon gar keinem männlichen Diktat. Ihr Vampirismus ermöglicht ihr größtmögliche Freiheit. Als Christoph, der Mann, nachts im Park verfolgt wird, ergreift er die Flucht. Als Malia, die Frau, in der Nacht ausgeraubt wird, macht sie einen Schritt auf den Räuber zu und und schlägt ihn eiskalt in die Flucht. Malia fürchtet nichts, selbst menschliche Urängste wie die vor der Finsternis und Undurchdringlichkeit der Nacht sind ihr fremd geworden.

Ihr ganzes Un-leben konzentriert sich auf zwei Dinge: Verführung und Mord. Sie nimmt sich, wie auch schon „Carmilla“ vor mehr als einhundert Jahren, Zeit, ihre Erwählte zu umgarnen. Unter Malias Händen blüht Beatrice förmlich auf und die Berührung der Vampirin (die natürlich mit einem Biss an delikater Stelle einhergeht) macht Beatrice buchstäblich zur Frau, wie uns der Epilog nahelegt. Gleichzeitig jedoch holt sich Malia ihre Blutmahlzeit mit kalter Berechnung bei einem unsympathischen, eingebildeten Mann, dessen Ableben den Leser wohl kaum schmerzen wird.

Doch wie bei Le Fanu muss die Vampirin vernichtet werden. Denn obwohl Malia unendliche Freiheit von restriktiven Konventionen propagiert, eine Erlösung für die Frau von Regeln und Maßstäben, so kann diese Anarchie natürlich nicht zugelassen werden. Aber da heute längst niemand mehr an Vampire glaubt, beendet kein Vampirexperte das liederliche Treiben, sondern Malia wird durch einen bösen Zufall dahingerafft. Ihr Wirken in Beatrice allerdings lässt sich nicht rückgängig machen. Diese ist durch Malias Berührung erwacht und anstatt sich vom Leben treiben zu lassen, scheint es nun, als würde sie selbiges bei den Hörnern packen.

Romainczyk schildert seine Charaktere einfühlsam, in flüssigem Stil und wird besonders eindringlich und überzeugend, wenn er seine Heimatstadt Heidelberg beschreibt und sich bei der Schilderung des Vampirballs ordentlich austoben kann. Heidelberg als Kulisse für die Handlung gibt dem Roman eine seltsam surreale und gedämpfte Stimmung, gerade so, wie der winterliche Schnee die Stadt mit weißem Glanz und subtiler Stille überzieht.

„Vampirwinter“ ist eine Liebhaberarbeit; ein Roman, der für sich genommen durchaus unterhalten kann, der aber erst richtig aufblüht, wenn er in Korrespondenz mit Le Fanus „Carmilla“ genossen werden kann. Denn wie bei Le Fanu ruft Malia gegensätzliche Gefühle sowohl bei Beatrice als auch beim Leser hervor. Sie ist faszinierend durch ihre Furchtlosigkeit. Sie ist anziehend durch ihre Schönheit. Doch sie ist auch geheimnisvoll und daher nicht wirklich vertrauenswürdig. Sie ist kaltblütige Mörderin und Kind einer anderen Zeit. Sie ist Genießerin – in allem, was irgend genossen werden kann.

„Vampirwinter“ ist ein wunderbarer kleiner Roman für einen schwülen Sommernachmittag oder eine einsame Nacht. Und man hofft zwangsläufig, nicht das Letzte von Romainczyk gehört zu haben!

Hodgson, William Hope / Newman, Kim / Busson, Paul / Lovecraft, H. P. / Somtow, S. P. / Lueg, Lars P – Necrophobia 2

Bereits zum zweiten Mal spielt Andy Materns Jingle zu „Necrophobia“ auf und lädt den geneigten Hörer ein, sich die „besten Horrorgeschichten der Welt“ zu Gehör zu führen. 2003 enthielt die erste Ausgabe von [„Necrophobia“ 1103 Geschichten von Lovecraft und Laymon und auch 2005 hat Mastermind Lars Peter Lueg wieder eine illustre Mischung auf zwei CDs gebannt. Fünf Geschichten darf der Hörer genießen, deren Bandbreite so groß ist, dass für jeden etwas dabei sein dürfte: eine gruselige Seemannsgeschichte, ein fanatischer Sammler, ein lebendig Begrabener, ein wandelndes Monster und ein religiöser Serienmörder haben in „Necrophobia“ ihren großen Auftritt.

Den Anfang macht William Hope Hodgons „Die Stimme der Nacht“ („The Voice in the Night“, 1914) mit einem durchaus interessanten Setting. Zwei Seeleute machen in einer finstren und nebligen Nacht eine außergewöhnliche Begegnung. Durch den Nebel hören die beiden ein „Schiff Ahoi“ auf sie zutreiben und machen kurz darauf in der Dunkelheit der Nacht ein Boot aus. Der Insasse weigert sich standhaft, nähert ans Licht zu kommen, bittet aber um etwas Proviant für die Dame, die er auf der Insel zurückließ. Die beiden Seemänner haben Mitleid, lassen ihm frische Früchte zukommen und im Gegenzug erzählt der mysteriöse Fremde seine Geschichte. So konnte er sich nämlich mit seiner Frau gerade so von einem sinkenden Schiff retten. Doch die Insel, auf die sie sich retten konnten, scheint von einem seltsamen und abstoßenden Pilz überwuchert zu sein, der vor nichts Halt macht. Die beiden harren zwar zwangsweise auf der Insel aus, doch sind sie dort gefangen und dem Pilz hoffnungslos ausgeliefert …

Hodgons Erzählung mäandert etwas dahin und bietet kaum unerwartete Überraschungen. Sie lebt vielmehr von dem beunruhigenden Gefühl, in völliger Freiheit eingesperrt zu sein und keine Hoffnung auf Rettung zu haben. Das junge Ehepaar kann nirgendwohin ausweichen, ihr Feind verfolgt sie überallhin. Und auch wenn sie es nicht wissen, als sie die Insel betreten, so sind sie doch bereits zum Tode verurteilt, als sie den Fuß auf den Strand setzen. Die Geschichte spielt mit der alten Frage, was sich alles da draußen in dieser Welt befindet; welche Schätze und Grauen noch nicht entdeckt sind. Und auch wenn wir heute meinen, uns die Welt untertan gemacht zu haben, so gibt es immer noch Flecken wie diese Insel, die böse Überraschungen bereithalten können.

Helmut Krauss bildet den Anfang als Sprecher auf dieser Höranthologie. Krauss (Synchronsprecher von Marlon Brando & Samuel L. Jackson) liest oft und viel für LPL und seine tiefe dräuende Stimme verfehlt nie ihre Wirkung. Hier überzeugt er vor allem als krächzender und lebensmüder Erzähler, dem man die Verzweilfung und Hoffnunslosigkeit anhört.

Weiter geht es mit dem totalen Gegenprogramm, Kim Newmans „Der Mann, der Clive Barker sammelte“ („The Man who collected Barker“, 1990), einer Erzählung, die zwischen böser Parodie und wohl temperiertem Schrecken hin und her pendelt. Die Ich-Erzählerin trifft auf einen Mann, dessen Lebensinhalt das Sammeln von Pulp-Autoren ist. Erstausgaben, signiert, mit persönlicher Widmung schmücken seine Privatbibliothek, die so eingerichtet ist, dass die Bücher möglichst nicht verblassen oder sonstwie Schaden nehmen. Der Sammler stellt sich schnell als fanatischer Spinner heraus (daher ja auch das Wort „fan“ von „fanatic“) und Kim Newman zielt und platziert genüsslich einen Seitenhieb nach dem anderen auf all die Berufsfans da draußen, diese Geeks, die so weit in ihrem Fandom aufgehen, dass sie darüberhinaus kein Leben haben. Newman schreibt damit das genaue Gegenprogramm zu Nick Hornbys Hymne an Fans und Sammler und Geeks moderner Popkultur, und dass er zunächst in seiner Beschreibung des Sammlers kaum überzeichnet, setzt der ganzen Sache die Krone auf. Doch als er die Ich-Erzählerin in den Schrein für Clive-Barker-Erstausgaben führt, wird es zusehends abstruser. Da gibt es Ausgaben in Menschenhaut gebunden, auf Papyrus gedruckt und mit Blut signiert. Eine Sonder-Sonderausgabe ist grauenhafter als die nächste und die Krönung seiner Sammlung ist die Ausgabe … doch das soll hier natürlich nicht verraten sein.

Newmans Erzählung ist eine wunderbar spritzige und dabei bitterböse Abrechnung mit fanatischen Fans aller Art. Die gesammelten Objekte sind ein Fetisch, ein Kunstwerk in sich und es wäre ein Sakrileg, würde der Sammler sie aus dem Regal nehmen und tatsächlich lesen. Ja, er habe sich Barkers [„Bücher des Blutes“ 538 mal aus der Bibliothek ausgeliehen und die Geschichten seien auch gut gewesen. Aber gehen wir lieber zu dieser Sonder-Sonderausgabe über … Das Objekt der Begierde kann vollkommen willkürlich gewählt sein, denn es scheint nicht, dass unser Sammler eine besondere Vorliebe für Pulp hat – offensichtlich liest er ja nicht mal. Doch wenn das Objekt erst einmal gewählt wurde, dann muss es besessen und beherrscht werden.

Marianne Groß (bekannt als Synchronstimme von Angelica Huston, Merryl Streep, Whoopie Goldberg) ist neu als Sprecherin bei LPL und nach ihrem Debüt auf „Necrophobia“ möchte man doch hoffen, dass sie den Hörbuchfans lange erhalten bleibt. Mit spitzer Zunge referiert sie die gesammelten Absurditäten der Barker-Sammlung und man hört ihr die Verachtung für derartiges Fanverhalten geradezu an. Ein wahres Fest!

Abgeschlossen wird CD1 mit einer kurzen Erzählung über ein altes Thema: „Rettungslos“ (1903) von Paul Busson beschreibt aus der Ich-Perspektive einen Mann, der lebendig begraben wurde. Neu ist an dieser Idee kaum etwas, doch schafft es Busson zumindest, das Grauen durch seinen Stil greifbar zu machen. Da dem Protagonisten nur noch sein Gehör zur Verfügung steht, schildert er hauptsächlich diese Eindrücke. Das Schließen des Sargdeckels, das Geräusch, als die Trauernden Erde auf den Sarg fallen gelassen wird – und erst dann, begraben unter ein Paar Metern Erde, kann er endlich zwei seiner Finger wieder bewegen. Doch natürlich zu spät.

Lutz Riedel, ebenfalls seit langem für LPL tätig, liest „Rettungslos“. Leider ist die Geschichte so schnell vorbei, dass man sich kaum eingehört hat. Doch Riedel (Stimme u. a. von Timothy Dalton; mit Marianne Groß liiert) schafft es, den eindringlichen Bewusstseinsstrom des Protagonisten ebenso eindringlich wiederzugeben. Ein beunruhigendes Finale für die erste CD der Anthologie.

Auf CD2 geht es mit dem Altmeister subtilen Horrors weiter, nämlich mit „Der Außenseiter“ („The Outsider“, 1926) von H.P. Lovecraft. Wer nicht ohnehin schon die Lovecraft-Hörbuchreihe von LPL im Regal stehen hat, der wird hier ordentlich angefüttert. Ein recht geheimnisvoller Ich-Erzähler – geheimnisvoll in dem Sinne, dass er sich nicht erinnern kann, wie wo und mit wem er eigentlich aufgewachsen ist -, versucht seiner Umgebung zu entrinnen. Er wohnt nämlich in einem unheimlichen Schloss, das so von Bäumen umstanden ist, dass er noch nie Sonne oder Mond gesehen hat. Also steigt er auf den höchsten Punkt des Schlosses, öffnet eine Falltür und … muss mit einer ziemlichen Überraschung fertig werden.

Der Erzählung merkt man schon nach den ersten Sätzen den Lovecraft’schen Stil an und nie verfehlt er seine Wirkung. Surreale Settings, lauernde Schatten, offene Fragen – all das verbindet Lovecraft mit einer Meisterschaft, die auch heute noch menschliche Urängste anspricht und zum Vorschein bringt. Man kann sich also eines unfreiwilligen Schauderns nicht erwehren, auch wenn man die Pointe der Geschichte schneller durchschaut als der Ich-Erzähler. Lovecrafts genialer Einfall, die Geschichte aus der Innenansicht des vermeintlichen Monsters zu erzählen, verwischt die sonst so klaren Grenzen einer Horrorgeschichte und trägt zum Gruselfaktor unbedingt bei.

David Nathan (Johnny Depp, „Spike“, Christian Bale,) als Sprecher ist ebenfalls seit einiger Zeit bei LPL dabei – zu Recht, versteht sind, denn seine Bandbreite weiß immer wieder zu überraschen. Mit viel Einfühlungsvermögen gibt er den Bericht des Außenseiters wieder und schafft Balance zwischen Mitgefühl und Abscheu.

Den Abschluss bildet die grausig-schwüle Slashergeschichte „Summertime“ („Fish are Jumping, and the Cotton is High“, 1996) von S. P. Somtow, die idyllisch genug beginnt: Vater und Sohn verbringen wie jedes Jahr den Sommer damit, durch das amerikanische Hinterland zu fahren und zu fischen. Doch schon bald stellt sich heraus, dass an der ganzen Sache nichts idyllisch ist. Zum einen führen die beiden das Skelett ihrer toten Oma in einem Koffer mit, stauben sie regelmäßig ab und behängen sie mit Wunderbäumen (gegen den Gestank natürlich). Zum anderen handelt es sich bei „fischen“ um einen Euphemismus dafür, Huren zu entführen, sie brutal zu foltern und dann zu töten. Alles im Namen des Herrn, versteht sich. Denn der Serienmörder ist ein religiöser Fanatiker.

Somtow liefert eine durchdachte Geschichte, die zwar große Mengen Blut produziert (und damit die hartgesottenen Fans begeistern dürfte), aber nicht vergisst, den beiden Hauptcharakteren ausreichend psychologischen Hintergrund mitzugeben, um die Geschichte zu tragen. Wenn Somtow also in die völlig zerstörte Psyche des Protagonisten eintaucht, dann ist das abwechselnd absurd, komisch, schockierend und eklig. „Summertime“ bildet einen wunderbaren modernen Gegensatz zu so polierten Erzählungen wie Lovecrafts „Der Außenseiter“ und trägt „Necrophobia“ sowohl thematisch als auch stilistisch ins 21. Jahrhundert.

Torsten Michaelis (als Synchronstimme von Wesley Snipes offensichtlich total unterfordert) liest hier aus der Perspektive des Sohnes des Serienmörders und fängt dessen gestörte Wahrnehmung der Realität grandios ein. Mit kindlicher Naivität findet er es ganz selbstverständlich, die tote Oma im Auto mitzuführen und die knackigen Hinterteile der toten Huren zu essen (um die Leichen zu entsorgen und weil das Fleisch dort am leckersten ist).

Über einen Anspruch wie „die besten Horrorgeschichten der Welt“ wird man immer streiten können. Doch ohne Frage überzeugt die Auswahl der Geschichten, sind sie doch in Thema und Stil jeweils sehr unterschiedlich und bieten somit für jeden Geschmack etwas. Abgerundet wird die Anthologie von hochkarätigen Sprechern, die die 146 Minuten Spielzeit zu einem unheimlichen Vergnügen machen!

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