Archiv der Kategorie: Rezensionen

Silva, Daniel – Engländer, Der

Daniel Silva, ehemaliger |CNN|-Journalist, erfreut die Leserwelt schon seit einiger Weile mit seinen Thrillern. In „Der Engländer“ steht erneut Gabriel Allon, Mitglied des israelischen Geheimdienstes und nebenberuflicher Restaurator, im Vordergrund.

Gabriel, der nach dem Bombenattentat auf Ehefrau und Kind zurückgezogen in Cornwall lebt, wird zur Restauration eines Bildes in die Villa eines Schweizer Bankiers und Kunstsammlers bestellt. Es ist klar, dass sein Auftrag mehr beinhaltet als das Bild. Auguste Rolfe hatte sich an den israelischen Geheimdienst gewandt, um diesem etwas anzuvertrauen.

Doch als Gabriel die Villa erreicht, liegt der Hausherr erschossen in seinem Salon. Die Schweizer Polizei versucht Gabriel den Mord anzuhängen, doch die Ermittlungen werden eingestellt. Gabriel entdeckt, dass einige sehr wertvolle Gemälde aus Rolfes Kunstsammlung gestohlen wurden – und dass einige dieser Bilder eine schmutzige Nazivergangenheit zeigen. Irgendjemand scheint verhindern zu wollen, dass diese Vergangenheit ans Tageslicht gerät, und schreckt auch nicht davor zurück, über Leichen zu gehen.

Anna Rolfe, die Tochter des Toten und eine weltberühmte Geigerin, gerät in tödliche Gefahr, als Gabriel sie nach den Geschäften ihres Vaters befragt. Gabriel tut alles, um sie zu beschützen, aber der Feind scheint überall zu lauern und hat es nicht nur auf Anna abgesehen …

Silva hat mit „Der Engländer“ einen überwältigenden Thriller geschrieben. Alles wird von der vielschichtigen, genial verwobenen Konstruktion des Buches getragen, die von hinten bis vorne durchdacht zu sein scheint. Dabei liefern die politischen und geheimdienstlichen Verstrickungen von vornherein einen guten Nährboden für einen spannenden Plot.

Silva nutzt dies aus, um mit einigen handwerklichen Tricks noch mehr Spannung ins Spiel zu bringen. Abrupt endende Kapitel oder handlungsrelevante, herausgeschnittene Stücke entwickeln eine unausweichliche Sogwirkung. Die Personen, die distanziert und rätselhaft dargestellt werden, scheinen alle in etwas verwickelt zu sein, so dass Silva viele verschiedene, wenn auch kurze Erzählstränge zur Verfügung stehen, die er einflechten kann.

Die Personen stellen einen weiteren, nicht zu verachtenden Spannungsfaktor dar. Zum einen sind sie, wie schon erwähnt, so dargestellt, dass sie in sich bereits einen „kleinen Thriller“ ergeben, soll heißen, dass ihre Vergangenheit und ihre Geheimnisse nur tröpfchenweise in die Geschichte einsickern. Man möchte folglich unbedingt wissen, was denn nun wirklich hinter Gabriel oder dem mysteriösen Auftragskiller steckt, den alle nur „Engländer“ nennen. Der Leser spürt ganz genau, dass beinahe alle Charaktere Dreck am Stecken haben, aber Silva hält sich damit zurück, zu viele Informationen freizugeben.

Dadurch entsteht natürlich ein sehr distanzierter Eindruck von den Personen, was in diesem Fall aber nicht negativ ins Gewicht fällt. Zum einen passt die Verschlossenheit sehr gut zu Handlung und Erzählstil und zum anderen gibt sie Silva die Möglichkeit für interessante Brüche innerhalb der Geschichte. Diese entstehen, wenn er den sonst so gefühlskalt wirkenden Protagonisten plötzlich echte Emotionen unterjubelt. Meist sind das kurze Momente der Schwäche, die man so nicht erwartet. Diese kleinen Überraschungen sorgen dafür, dass das Buch an Tiefe gewinnt und dadurch noch vielschichtiger wird, als es ohnehin schon ist.

Der Schreibstil verbindet den sorgsam konstruierten Plot und die gelungenen Charaktere mit einer nüchternen, klaren Sprache. Der Autor benutzt weder blumige Rhetorik noch trödelt er mit nutzlosen Informationen herum. Er kommt auf den Punkt, auch wenn die eine oder andere Beschreibung im Buch etwas zu genau geworden ist. Bei Landschaften oder Ortsbeschreibungen sind seine detaillierten Erklärungen definitiv ein Pluspunkt, aber dass er bei jeder Autofahrt erwähnen muss, in welchen Gang der Fahrende gerade schaltet, ist unnötig.

Das ist dann aber auch der einzige Kritikpunkt, den „Der Engländer“ zulässt. Ab und an sind die Beschreibungen des ansonsten passend kühlen Schreibstils etwas zu minutiös. Ansonsten versteht sich Daniel Silva darauf, in „Der Engländer“ einen ausgesprochen vielschichtigen und spannenden Plot zu konstruieren und entsprechend darzustellen, der dem Leser den Atem raubt.

http://www.piper-verlag.de

|Siehe ergänzend dazu Dr. Maike Keuntjes [Rezension 1930 zu „Die Loge“.|

Trillo, Carlos / Risso, Eduardo – Vampire Boy 3 – Die Erlösung

Herzlichen Glückwunsch, |Cross Cult|! Eure erste abgeschlossene Serie liegt jetzt vor! Kürzlich ist der dritte und letzte Band der Reihe „Vampire Boy“ erschienen, eine deutsche Erstveröffentlichung aus den Händen des erfolgreichen Comic-Teams Carlos Trillo und Eduardo Risso. Ihr habt euch Zeit genommen, um die Sache ordentlich zu machen, das kann man sehen. Die Ausgaben sind Sammlerstücke, keine Kiosk-Heftchen: solider Einband, festes Papier, gute Bindung – das sitzt!

Das Szenario ist turbulent, eine ewige Verfolgungsjagd zweier Vampire durch das Gestern und das Heute. Irgendwo angesiedelt zwischen Sex, Action und Fantasy, entwickelt „Vampire Boy“ seinen höchst eigenen Stil. In einem Wort lässt sich die Serie kaum beschreiben. Auch Vergleiche bieten sich nicht an. Manchmal beschleicht den Leser das Gefühl, die Serie sei weder Fisch noch Fleisch. Wer so urteilt, übersieht jedoch schnell die Qualitäten, die ihr innewohnen.

Die in der Geschichte berührten Themengebiete verschmelzen zu einem kunterbunten Amalgam, das den Charme der Serie ausmacht. Pyramiden und Pharaos treffen hier auf Voodoo-Hexen, Indianer und Mafia-Gangster. Und das alles überwölbt von einem Vampir-Plot! Die Mischung ist höchst abwechslungsreich und unterhaltsam. Hinzu kommt, dass eine Verfolgungsjagd – wie hier zwischen dem namenlosen Königssohn und seiner untoten Nemesis Ahmasi – immer für die nötige Spannung sorgt. (Harrison Ford lässt grüßen.) So wird Vampire Boy zu einem Leckerbissen für Comic-Leser, die den Horror-Einheitsbrei satt und Lust auf etwas Neues haben.

Rissos Artwork ist zu genießen. Mutig arbeitet er mit großen schwarzen und weißen Flächen, oft unberührt von Text, weil sich die Bilder von selbst erklären. Ob Babes, Knarren, Autos oder dreckige Hinterhöfe – sein Strich trifft einfach den Ton und schmeichelt dem Auge.

Der Jahrtausende alte Zweikampf der beiden Vampire findet im letzten Band natürlichen seinen Abschluss. Das Ende ist gut vorbereitet und bewegt sich im Rahmen des Szenarios und der beiden Hauptcharaktere, ohne unnötig zu überhöhen oder in Unwahrscheinlichkeiten abzudriften. So bleibt „Vampire Boy“ bis zum Schluss ein solides Stück Comic-Kunst, was sowohl den Inhalt als auch die Aufmachung betrifft. Weiter so, |Cross Cult|, wir danken euch!

http://www.cross-cult.de/

Moorcock, Michael / Simonson, Walter (Thor) / Oliff, Steve – Michael Moorcocks Elric 1: Die Erschaffung eines Hexers

_Story_

Sardic, der alternde Herrscher von Melniboné, muss sich langsam damit abfinden, dass die Zeit seines Ruhestands gekommen ist. Doch bevor der alte Hexer abtritt, liegt es an ihm, seinen Nachfolger zu bestimmen. Er hat dabei die Wahl zwischen seinem ungeliebten Sohn Elric und seinem entschlossenen Neffen Yyrkoon, kann sich aber für keinen so recht entscheiden. Zunächst sollen sie vier Traumprüfungen ablegen und ihre Geschicke in finsteren Szenarien aus der Vergangenheit beweisen.

Alsbald reist Elric in den einzelnen Traumepochen in Abenteuer vergangener Tage, bestrebt, sich das Wissen und die Fähigkeiten seines Meisters Sardic anzueignen. Doch er ist gewarnt: Jeder Fehler und jegliche Unachtsamkeit in seinen Träumen wird auch Konsequenzen für sein jetziges Dasein haben – und damit ist auch der Tod in der Phantasiewelt seiner träumerischen Gedanken eingeschlossen. Gleichermaßen durchlebt auch Yyrkoon die verschiedenen Zeitepochen, jederzeit achtsam auf die Handlungen seines Cousins bedacht und gewillt, den lästigen Elric ein für allemal auszulöschen.

Unterdessen verfestigt sich die Beziehung zwischen Elric und Yyrkoons Schwester Cymoril, die von den Plänen ihres Bruders weiß, ihrem Cousin mit den weißen Haaren jedoch nicht helfen kann. Zum Schutz bietet sich für Elric lediglich das legendäre Schwert Sturmbringer. Doch je öfter er es einsetzt, desto stärker macht er sich von der Klinge abhängig – und damit auch von Arioch, der den jungen Prinzen mit allen Mittel zu manipulieren versucht und ihn somit endgültig brechen will. Die Traumreisen werden zu einer schier unlösbaren Quest für den jungen Elric. Nur noch die geringer werdenden Aussichten auf die Thronfolge halten ihn am Leben.

_Persönlicher Eindruck_

Elric von Melniboné ist eine der wichtigsten Figuren der internationalen Fantasy-Literatur und Michael Moorcocks Werke um den Ewigen Helden sind sogar fast gleichzusetzen mit den Meilensteinen eines Tolkien. Bereits seit vier Dekaden lebt der charismatische Einzelkämpfer in den Gedanken seines Schöpfers Michael Moorcock und hat nicht nur zahlreiche Sagen durchlebt, sondern auch den Ursprung für ein eigenes Rollenspiel gesetzt. Nach all den Jahren hat der Autor seine wohl liebste Figur, den Ewigen Helden, noch einmal neu belebt und sein Faible für die Comic-Kunst zum ersten Mal mit einem eigenen Werk vermischt. Gemeinsam mit Zeichner Walter Simonson hat er in den Staaten unlängst eine Mini-Serie veröffentlicht, die Elrics Weg zum Hexer von Melniboné dokumentiert und somit die offizielle Vorgeschichte zur eigentlichen Elric-Saga bietet. Jene Serie wurde nun von |Panini| aufgegriffen und als Sammelband für den deutschen Markt unter Lizenz genommen.

Mit großen Erwartungen stürzt man sich also in den recht üppigen, 200-seitigen Megaband hinein, ergötzt sich alsbald an Simonsons tollen Illustrationen und sieht schnell die feinen Voraussetzungen und den perfekten sphärischen Rahmen für ein weiteres Fantasy-Epos. Die Begeisterung für die Kultfigur lebt in kürzester Zeit wieder auf und fesselt den Leser recht zügig, bevor dann das Unerwartete geschieht: Die Story bricht nämlich in Windeseile wieder ein und verkommt über die einzelnen Episoden bzw. Traumreisen immer mehr zum abgehackten Stückwerk, welches weder das Flair noch den Ideenreichtum der Roman-Serie aufweist.

Die Geschichte um den verfolgten Träger von Sturmbringer und den verzweifelten Kampf um die Nachfolge seines langsam dahinscheidenden Vaters Sardic bietet inhaltlich ein gehöriges Potenzial und hätte ohne weiteres das Zeug zum Klassiker, doch je weiter man im Plot vordringt, desto weniger ambitioniert scheint die Umsetzung und desto prägnanter kristallisiert sich die Tatsache heraus, dass jenes Potenzial nicht einmal im Ansatz erkannt und genutzt wurde.

Der Erzählung mangelt es in vielen Passagen an Höhepunkten, sei es nun in Form von emotionaleren Interaktionen, rasanterer Action oder einfach nur originellen Ideen, die als solche auch umgesetzt werden. Alle vier Traumreisen verlaufen unspektakulär im Sande; dazu sind die Überleitungen eher hölzern als fließend, und zu guter Letzt soll der Leser das hier Geschehene nun als Ursprungsgeschichte eines der wichtigsten Fantasy-Helden aller Zeiten annehmen und lernen, sich mit jemandem zu identifizieren, der für die Rolle einer Heldenfigur kaum unnahbarer sein könnte. Dies ist nämlich dann die letzte, ausgeprägte Schwäche: die Charakterisierung der einzelnen tragenden Figuren. Wo ist das Charisma, das den ‚richtigen‘ Elric auszeichnet(e)? Wie lassen sich die Motive der Charaktere mit ihren unmotivierten Handlungen vereinbaren? Und in welchem Part der Story keimt denn tatsächlich mal der Mythos auf, der diesem Prequel mehr als vierzig Jahre lang vorauseilte?

Nein, nein, nein, das ist nicht der Michael Moorcock und auch nicht der Elric, den man sich gewünscht hatte. Mal ganz abgesehen von der fehlenden Notwendigkeit der Veröffentlichung einer Vorgeschichte – meist geht so etwas ja doch in die Hose –, muss man sich ernsthaft fragen, was in den Autor gefahren ist, seine Ikone eigennützig in ein solch schlechtes Licht zu rücken. „Elric – Die Erschaffung eines Hexers“ ist mehr als bloß eine herbe Enttäuschung; es ist die teilweise Zerstörung eines Mythos und daher niemandem zu empfehlen, der über Jahre hinweg Moorcocks Prachtfigur vergöttert hat.

http://www.paninicomics.de

Die Ärzte – Die Ärzte – Bäst Of Songbook (Gitarrentabulatur-Ausgabe)

_Alter Stoff für Notenfreunde_

Nachdem der mächtige Sammelordner namens [„Notenfreund“ 2314 die Die-Hard-Fangemeinde der ÄRZTE vor einigen Monaten kräftig aufmischte, folgt nun mit dem „Bäst Of Songbook“ die Schmalspurvariante der Mega-Ausgabe oder besser gesagt das Mainstream-Produkt für den Standardhörer. Allerdings sollte diese Aussage nun nicht kritisch aufgefasst werden, denn es ist sicherlich jedem nachzusehen, dass er nicht dringend immense Summen ausgeben möchte, um an eine auserwählte Liste von Liedern zu gelangen, so dass diese 25-teilige Zusammenfassung eher denjenigen anspricht, der tatsächlich nur die besten Songs der Berliner Punk-Rock-Kapelle als Tabulatur, Noten- oder Songbuch sucht. Und genau jenes Publikum wird mit diesem feinen Büchlein, das sich im Übrigen komplett an der ersten CD des gleichnamigen Albums orientiert, sehr, sehr gut bedient.

Das „Bäst Of Songbook“ beinhaltet dabei alle wichtigen Momente nach der Rückkehr im Jahre 1993 sowie die Live-Fassung des Klassikers ‚Elke‘ Begonnen mit den erfolgreichen Tracks von „Die Bestie in Menschengestalt“ (u. a. ‚Schrei nach Liebe‘) über die kommerzielleren Gehversuche auf „Planet Punk“ bis hin zu aktuellem Stoff wie ‚Deine Schuld‘ und ‚Die klügsten Männer der Welt‘ bekommt der interessierte Gitarrist hier einen sehr überschaubaren Einblick in das Schaffen der Band in den letzten anderthalb Dekaden und darüber hinaus auch eine übersichtlich aufgebaute, schön durchstrukturierte Broschüre für die ersten Gehversuche an der Sechssaitigen. Die Tabulaturen sind schön groß gedruckt, die Feinheiten extra hervorgehoben und das Material grundsätzlich sogar als Einstieg in die Welt der Rock-’n‘-Roll-Gitarre geeignet. Speziell die Unplugged-Versionen von ‚Banane‘ und ‚Komm zurück‘ scheinen bestens geeignet, um das nicht ganz so technische Material des Trios kennen zu lernen und bieten dem etwas erfahreneneren Gitarrenspieler eine gute Option, um sich für den dreckigeren Stoff warmzumachen.

Alles in allem hat der |Bosworth|-Verlag schließlich ein weiteres, tolles Produkt aus der wachsenden Reihe der Gitarren-Songbücher herausgebracht und dem vom Preis des „Notenfreunds“ abgeschreckten Interessenten eine gute Alternative geboten, um doch noch in die Materie einzusteigen. Besitzer der Luxus-Edition müssen sich daher aber dennoch nicht ärgern, weil sie einerseits über das gesamte ältere Material verfügen und eine Best-of-Zusammenstellung ja eh nicht immer den Geschmack jedes Hörers trifft. Doch zu diskutieren, welcher Typus mit welcher Ausgabe am besten bedient ist, wäre an dieser Stelle müßig. Fanatiker greifen zum „Notenfreund“, alle anderen können ruhigen Gewissens die Light-Version anschaffen.

_Inhalt_

1. Schrei nach Liebe
2. Mach die Augen zu
3. Friedenspanzer
4. Quark
5. Kopfüber in die Hölle (Revolution ’94)
6. Schunder-Song
7. Hurra
8. 3-Tage-Bart
9. Mein Baby war beim Frisör
10. Männer sind Schweine
11. Goldenes Handwerk
12. ½ Lovesong
13. Rebell
14. Elke (live)
15. Wie es geht
16. Manchmal haben Frauen
17. Yoko Ono
18. Rock ’n’ Roll-Übermensch
19. Komm zurück (unplugged)
20. Die Banane (unplugged)
21. Unrockbar
22. Dinge von denen
23. Nichts in der Welt
24. Deine Schuld
25. Die klügsten Männer der Welt

http://www.bosworth.de

Ange / Guinebaud – Legende der Drachenritter, Die – Band 3: Das leblose Land

Band 1: „Jaina“
Band 2: „Akanah“

_Story_

In der Umgebung des letzten zerstörten Drachens haben die Schwestern der Rache einen immensen Feuerball über das Land gejagt und große Landstriche mit einem Schlag unfruchtbar gemacht. Der ärmliche Bauerssohn Hairin und seine Nichte entdecken auf ihrer Reise die Überreste des Drachenskeletts und brechen ihre Handelsmission vorzeitig ab, um Hairins Bruder Melkarin von ihrem Fund zu berichten. Doch der ist eher entsetzt, weil nicht die erforderlichen Nahrungsmittel und Waren beschafft wurden, und treibt seine Familie gewissenlos zur weiteren Arbeit an.

Unterdessen erwirkt die Drachenritterin Mara einen Passierschein, um nach Westra zu ihrer Familie zu reisen. Dort erfährt sie von der roten Pest, die in der Kleinstadt die ersten Opfer gefordert und ihren Ursprung scheinbar im Flussdelta des Lumak, im so genannten |Teufelsschlund| hat. Mara ist fest entschlossen, sich vor Ort selber ein Bild von der neuen Infektion zu machen.

Als sie dort ankommt, befinden sich auch Hairin und seine zerstrittene Familie in der Umgebung, in der das Übel herrscht. Ein erneuter Bruderzwist, ausgelöst vom böswilligen Melkarin, fordert ein großes Opfer, und gerade als Hairin die Folgen dessen auszukosten versucht, taucht plötzlich ein weiterer Drache auf, um sein dunkles Schicksal zu besiegeln. Doch Mara kann einschreiten und das Schlimmste verhindern.

_Meine Meinung_

Ein komplett neuer Plot eröffnet den dritten Teil der Geschichte um den Bund der Drachenritterinnen, der sich aber in diesem Fall nur zeitweilig wirklich mit den tapferen Damen beschäftigt. Im Mittelpunkt von „Das leblose Land“ steht stattdessen die Geschichte um die beiden ungleichen Brüder Melkarin und Hairin, die nach dem Tod ihres Vaters auf sich alleine gestellt sind und unter Melkarins Führung für die Versorgung ihrer Familie sorgen sollen. Doch Melkarin spielt sich als grausamer Tyrann auf und schenkt seinem jüngeren Bruder lediglich Missachtung und verbale Ohrfeigen. Er duldet kein Nein und kann nicht akzeptieren, dass Hairin nicht derart funktioniert, wie er sich dies wünscht.

Somit überhöht er seine Stellung als neues Familienoberhaupt immer deutlicher und macht sich in Windeseile zum Feindbild der Leserschaft. Andererseits ist bereits relativ früh klar, dass Hairin die aufgestaute Frustration eines Tages entladen wird. Doch es widerstrebt ihm, sich gegen Melkarin zu stellen, weil er seinem Vater kurz vor dessen Tod versprochen hat, die Fürsorge der Familie mitzutragen. Also frisst er jede Anschuldigung, lässt alle Beschimpfungen über sich ergehen und wendet sich auch nicht gegen körperliche Gewalt. Bis eines Tages erwartungsgemäß das Fass überläuft.

Im Laufe dieser Beziehungsgeschichte wird im Verborgenen auch das Verhältnis zwischen Eleanor und ihrem Vater Melkarin beschrieben. Das tapfere Mädchen trägt gehörig dazu bei, dass dessen Familie regelmäßig mit Nahrungsmitteln versorgt wird, doch für ihren Erzeuger spielt dies nur eine untergeordnete Rolle. Nichts ist ihm gut genug, und daher verdient Eleanor seiner Meinung nach auch keine Beachtung. Dass sie eine ganz spezielle Beziehung zu Hairin aufbaut, ist eine logische Konsequenz, schließlich begleitet er sie bereits seit frühester Kindheit. Aber auch das sieht Melkarin nicht gerne.

Während diese seltsame Familie in Disharmonie lebt und streitet, begibt sich Mara fest entschlossen in den Teufelsschlund, um dem als Übel propagierten Virus auf die Schliche zu kommen. Ihr Weg startet dabei ohne Rücksicht auf Verluste und ist mitunter auch sehr blutig. So übt sie bereits in ihrer ersten Auseinandersetzung einige gezielte Schwerthiebe aus und schaltet die gesamte Truppe der Brückenwächter, die ihren Passierschein nicht bedingungslos akzeptieren wollen, kurzerhand aus. Aber auch im weiteren Verlauf zeigt sie sich von sämtlichen Entwicklungen unbeeindruckt. Die von den Schwestern der Rache verursachte Ödnis lässt sie ebenso kalt wie das Schicksal eines jungen Mädchens. Für sie zählt nur die endgültige Vernichtung der Drachen, und als die Kune von einer neuen Pest umgeht, weiß Mara ganz genau, woher die jüngste Bedrohung stammt. Weitere Drachen säumen das Land – und ihre Mission kann nur darin bestehen, ihre Zahl zu reduzieren bzw. sie komplett auszulöschen.

Die dritte Episode von „Die Legende der Drachenritter“ ist in atmosphärischer Hinsicht nicht ganz so dicht geschrieben wie die ersten beiden Bände. Zwar sind die beiden parallel aufeinander zulaufenden Handlungsstränge beide recht spannend (und in diesem Fall auch ziemlich finster) aufgebaut, aber aus unerfindlichen Gründen will der Funke in „Das leblose Land“ nicht gänzlich überspringen. In jedem Fall ist es bisweilen schwierig, eine Sympathie oder sogar eine unterschwellige Identifikation zu den Charakteren herzustellen, da diese sich teilweise enorm merkwürdig verhalten und ihr Handeln oft nur schwer nachzuvollziehen ist. Die eigentliche Hauptakteurin unterscheidet sich diesbezüglich indes nicht wirklich von ihren bisherigen Vorgängerinnen, ist aber nicht der zentrale Punkt der Story, was den Zugang zu ihr sicherlich erschwert. Punktuell greift sie ins Geschehen ein, doch weil die Geschichte stellenweise ziemlich sprunghaft verläuft, kann man mit ihr nicht richtig warm werden.

Hairin hingegen, der von Anfang an in die Opferrolle als der geschundene Bruder gedrängt wird, hat auch keine besonderen Eigenschaften, die man als Leser schätzen würde. Vor allem seine kurzweiligen Ausbrüche widersetzen sich jeglicher Logik, weil sie jedes Mal zeigen, wie Hairin seine aufgestaute Wut an anderen Menschen kanalisiert, ohne dass dies begründet oder vernunftmäßig erscheint, geschweige denn zu seinen eigentlichen Wesenszügen passen will. Die einzige Person, die hier glaubhaft dargestellt ist, bleibt der offensichtliche Bösewicht Melkarin, der knallhart an seiner harten Gangart festhält, sich somit auch des Hasses der Leserschaft gewiss sein kann, dafür aber zumindest konsequent handelt.

Die Story wird von diesen eher schwach eingeführten Charakteren entsprechend geprägt. Das Autorenteam Ange legt großen Wert auf eine genaue Ausprägung der Figuren, was sich innerhalb des Plots in vielen detailgetreuen Profilzeichnungen darstellt, aber nicht effizient für die Erzählung genutzt werden kann. Hier liegt womöglich auch der entscheidende Schwachpunkt, der „Das leblose Land“ im Vergleich zu den ersten beiden Storys ein wenig ins Hintertreffen geraten lässt. Es steht zwar nichtsdestotrotz außer Frage, dass die Geschichte ordentlich erzählt und toll gezeichnet ist, doch realistisch betrachtet bringt der dritte Band die Serie nur unwesentlich voran.

http://www.splitter-verlag.de/

Sauer, Beate – Buchmalerin, Die

_Die Autorin_

Beate Sauer wurde 1966 in Aschaffenburg geboren. Sie studierte Philosophie und katholische Theologie in Würzburg und Frankfurt am Main. Seit 1997 lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Köln. „Die Buchmalerin“ ist ihr zweiter Roman nach „Der Heilige in deiner Mitte“ (1999). Im Februar 2007 erschien bei |Grafit| ihr aktueller Historienkrimi „Der Geschmack der Tollkirsche“.

_Die Geschichte_

Als Junge verkleidet, befindet sich Donata mitten in heftigsten Winterstürmen auf dem Weg von Burgund nach Köln. Sie will dort Arbeit als Schreiber finden und sich gleichzeitig vor der Inquisition verstecken. Vor dieser ist sie aus Burgund geflohen, weil sie zwei Ketzer nicht verraten wollte.

Schwach und mehr als durchgefroren, sucht sie Schutz in der verlassenen Ruine einer alten Kirche und kriecht dort in den hohlen Altar. In der Nacht wird sie Zeuge eines Mordes. Vier Männer befinden sich in der Ruine: ein Dominikaner, ein Adliger, ein Diener und ein weiterer, von Donata nicht einzuordnender Mann. Und genau dieser stößt dem Dominikaner das Messer in den Leib. Nach Abzug der Männer verlässt die junge Frau fluchtartig den Ort des Verbrechens, um kurz darauf dem Diener in die Arme zu laufen. Doch dieser begreift erst später, dass dieser Junge zu dieser Zeit der Ruine zu nahe war und ein Risiko darstellte. Im Auftrag seines Herrn beginnt die Jagd nach dem vermutlichen Zeugen des Mordes …

Inzwischen hat der Kaiser Friedrich einen Kundschafter auf seinen Sohn, den König Heinrich, und den Kardinal von Trient angesetzt. Der Kaiser wittert eine Verschwörung der beiden mächtigen Männer gegen ihn und den Papst. Doch der Kundschafter Roger ist den beiden dicht auf den Fersen. Bei seinen Beschattungen stößt er ebenfalls auf Donata, die inzwischen bei den Beginen in Köln Unterschlupf gefunden hat. Als der Kardinal in die Stadt einzieht, wird ihr klar, dass dieser der Mörder des Dominikaners war und dass der Dominikaner der Inquisitor Gisbert war – ein treuer Anhänger des Papstes.

Ihr gelingt erneut die Flucht vor dem hohen Geistlichen, doch die Beginen und auch die Benedikterinnen müssen einen hohen Preis für ihre Hilfe bezahlen: Der Kardinal sucht unter ihnen den potenziellen Mörder des Inquisitors, dessen Leiche nun auch noch aufgetaucht ist und somit seine Pläne durcheinander bringt.

Als Donata und Roger aufeinander treffen, verbünden sie sich zwangsweise und machen sich auf die Suche nach dem zweiten Zeugen, jenem adligen Mann aus der Kirchenruine. Der weite Weg quer durchs Land beginnt und hält so manche gefährliche Situationen für die beiden bereit …

_Die Hauptcharaktere_

|Donata|

Sie ist bei Albigensern aufgewachsen, bevor deren Glauben als Ketzerei deklariert wurde. Sie hat Lesen und Schreiben gelernt und verfügt über das Talent des Malens – und zwar des naturgetreuen Malens, das zu dieser Zeit nicht gern von der Kirche gesehen wurde.

Donata ist eine junge Frau Anfang zwanzig. Sie ist gezeichnet durch Zähheit und Widerspenstigkeit gegenüber Schicksalsschlägen, aber genauso durch Mitgefühl, Verantwortungsbewusstsein für ihre Umwelt und innere Zerrissenheit. Sie hat Angst vor der Inquisition, geht aber mutig ihren Weg.

Dieser Charakter ist am stärksten ausgearbeitet, und die Autorin lüftet geschickt erst nach und nach die Geheimnisse der jungen Frau. Wie schön – das schafft Spannung!

|Roger|

Der Kundschafter Friedrichs wird dem Leser sehr früh in seinen Aufgaben vorgestellt. Er bleibt als Person sehr lange undurchsichtig und kommt stellenweise blass rüber. Roger wurde von Kaiser als Waisenkind aufgenommen und unterrichtet. Seine Leidenschaft gilt der Medizin – eine vortreffliche Tarnung für einen Spitzel. Als Arzt verdient er sich schnell das Vertrauen der Leser, doch als Donatas Begleiter bleiben Zweifel ob seiner Ehrlichkeit. Erst beim Finale klärt uns die Autorin endgültig auf.

|Der Kardinal und Legat|

Himmel, was für ein Mann! Ich weiß, er ist ein Mörder, aber dieser Charakter strahlt eine Anziehungskraft aus, die es mir unmöglich macht, ihn nicht zu bewundern. Ehrgeiz, Skrupellosigkeit und Intelligenz paaren sich zu einem Bündel an Energie und, ja, irgendwie auch sinnlicher Ausstrahlung, dass ich mir wünschte, einem solchen Mann begegnen zu können. Nun gut, ich hatte immer eine Schwäche für Bösewichte, aber dieser hier scheint schon ein Prachtexemplar zu sein. Extrem gut ausgearbeitet, Frau Sauer! Ich bin begeistert.

_Meine Meinung_

Die Charaktere verdienen also insgesamt Lob. Übrigens: Das Gleiche gilt für die Nebencharaktere, die ich aber nicht im Einzelnen auseinanderklabüsern möchte. Doch wie ist nun die Story aufgebaut? In einem Wort: Megaspannend! Der Spannungsbogen wird von den ersten Seiten an aufgebaut, steigt kontinuierlich leicht an, endet in einen kleinen Höhepunkt, flacht sachte ab und steuert den nächsten Höhepunkt an. Der Leser hängt an der Angel und muss der Strömung des Erzählflusses folgen, den die Autorin doch sehr geschickt mal hierhin, mal dorthin lenkt. Die Stränge nähern sich der saftigen, kolossalen Verschmelzung und dann …

… kommt das Ende. Mein Gott, wie kann man solch eine Spannung aufbauen, um dem Finale, dem eigentlichen Kern der Sache, so wenig Raum zu schenken? Das darf doch nicht wahr sein! Klar, rein inhaltlich ist das Ende sehr befriedigend, aber das hätte die Autorin doch noch viel gewaltiger inszenieren können. Nein, wirklich, ich bin entsetzt! Am liebsten würde ich den Stift nehmen und alles umschreiben.

Das Ende ist also nicht wie gewünscht, doch der Schreibstil ist wunderbar zu lesen. Zwar ist die Sprache der Protagonisten der heutigen Zeit angepasst, aber das empfinde ich nicht als schlimm. Beate Sauer nimmt sich die Zeit, dem Leser die Umgebung vorzustellen, erweckt damit die klirrende Kälte des Winters zum Leben und verleiht ihrem Roman damit eine lebendige und nachvollziehbare Atmosphäre.

Ein weiteres Plus ist das Tempo der Geschichte. Das Buch umfasst über 500 Seiten, aber selten kehrt Ruhe ein, die die Charaktere dann auch bitter nötig haben. In diesen seltenen Momenten erfahren wir auch die Vergangenheit der beiden Flüchtigen und die ganze Hintertriebenheit des Kardinals. Nähe und Verbundenheit werden aufgebaut, Kontakte geknüpft und der Leser in den nächsten Schachzug der Handlungsträger geschickt. Ja, das ist schon gelungen!

Zum Schluss: Sauer hat in ihrem Nachwort die fiktiven und historischen Charaktere und Geschehnisse auseinandergezwirbelt. Wie zu erwarten war, hat der Kardinal nie existiert, doch die versuchte Rebellion des Königs Heinrich gegen seinen Vater hat stattgefunden. Wann was genau geschah, könnt ihr im Nachwort selbst nachlesen.

http://www.goldmann-verlag.de/

Ani, Friedrich – Wer lebt, stirbt

Friedrich Ani gehört zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern und ist vor allem mit seiner Krimi-Reihe um den raubeinigen Kommissar Tabor Süden, für die er viele Preise eingeheimst hat, bekannt geworden. Da die Reihe auf zehn Bände angelegt war, muss nun ein neuer Kommissar her.

Der trägt den Namen Jonas Vogel und gibt bei „Wer lebt, stirbt“ aus der Reihe „Der Seher“ sein Debüt. Der Reihentitel „Der Seher“ kommt von Vogels Spitznamen, den er bereits auf der Polizeischule erhalten hat. Dort verblüffte er mit seinem hervorragenden Orientierungssinn und seiner Fähigkeit, die Emotionen in Stimmen herauszuhören.

Eines schönen Frühlingstages wird in einer Münchner Wohnung ein toter Wachmann aufgefunden. Falk Sieger wurde erstochen, und bereits am Anfang seiner Ermittlungen muss Jonas Vogel feststellen, dass der Fall nicht so eindimensional ist wie gedacht. Siegers Kollege Jens Schulte steht von Anfang als Verdächtiger fest, nachdem die Freundin des Ermordeten ausgesagt hat, dass Schulte, mit dem sie ebenfalls ein Verhältnis hatte, einen Privatdetektiv angeheuert hatte, um Sieger zu erledigen. Der Privatdetektiv selbst leugnet, den Wachmann umgebracht zu haben, und auch Schulte behauptet, dass diese Behauptung eine Lüge ist.

Gleichzeitig stellt sich heraus, dass der Hilmar Opitz, der Rechtsanwalt von Jens Schulte, in einen weiteren Kriminalfall verwickelt ist. Seine Sekretärin und Geliebte ist verschwunden und eine Lösegeldforderung ist bereits eingegangen. Vogel glaubt, dass es eine Verbindung zwischen den beiden Morden geben muss, doch bevor er dieser Spur weiter nachgehen kann, geschieht ein folgenschwerer Unfall, der ihn für sein Leben zeichnet …

Normalerweise steht der Name Ani für Qualität, doch mit „Wer lebt, der stirbt“ verlangt der Münchner Autor dem Leser einiges zu viel ab. Das zentrale Problem ist der Aufbau des Buches, der die gesamte Geschichte beeinflusst. Auf den ersten Seiten hält man die kurzen, szenenhaften Kurzkapitel noch für einen geschickten Schachzug. Sie sind sehr karg und bestehen nur aus dem Notwendigsten, sprich ein paar trockenen Beschreibungen der Situation und des Schauplatzes und den Dialogen. Dadurch entsteht ein rasantes Tempo, das den Kriminalfall angenehm nach vorne treibt.

Doch schnell wird klar, dass dieser Erzählstil ein entscheidendes Manko hat: Es fehlen verbindende und reflektierende Passagen zwischen den Kapiteln und Ereignissen. Dadurch verliert der Leser schnell den Überblick und die Geschichte rast an ihm vorbei wie ein ICE. Bei diesem halsbrecherischen Tempo und fehlenden Pausen bleibt es am Leser hängen, Zusammenhänge aus den Dialogen der Kommissare herzustellen. An und für sich ist nichts Verkehrtes daran, seine Leser fördern zu wollen, aber wenn der Plot aus voreiligen und unlogischen Schlüsse, einem nur schwerlich nachvollziehbaren Ermittlungsweg und einer haarsträubenden Auflösung besteht, wird der Leser höchstens überfordert und bleibt mit einem fragenden Gesichtsausdruck zurück.

Dieser Aufbau hat weitere Komplikationen im Schlepptau. Durch den kargen Aufbau ist von Anis hochwertigem Schreibstil nur wenig zu spüren. Dabei schimmert an einigen Stellen das Talent, das er in schon so viel Romanen bewiesen hat, durch. Der Autor wählt seine Worte sicher und treffend, konstruiert durchdachte Satzbauten und lässt erkennen, wozu er fähig ist, wenn er nicht nur auf Dialoge setzt. Das soll nicht heißen, dass die Dialoge nicht gut wären. Sie sind sehr authentisch und wirken ungekünstelt, aber gute Dialoge machen einen flüssigen Erzählstil nun mal nicht aus. Ein Ani liest sich normalerweise interessant und dicht, doch in „Wer lebt, stirbt“ stolpern die Protagonisten durch die Dialoge, und die kurzen Abschnitte machen ungestörtes Lesen so gut wie unmöglich. Die Protagonisten sind zwar mit Persönlichkeit und originellen Charakterzügen ausgestattet, aber ihnen bleibt nicht viel Platz, um sich zu entfalten. Sie bleiben dem Leser verschlossen, da Ani ihren Gedanken und Gefühlen zumeist wenig Platz einräumt, und wenn, dann an der falschen Stelle.

Während sich die Geschichte am Anfang auf die Lösung des verworrenen Falls konzentriert, gibt es ungefähr in der Mitte einen starken Bruch. Als Vogels Unfall passiert, rücken plötzlich er und seine Familie in den Vordergrund. Seitenlang wird davon erzählt, wie die Vogels mit den Unfallfolgen umgehen, und genau das ist das Problem. Während es vorher Schlag auf Schlag ging und Gedanken und Gefühle nur wenig Platz erhielten, wird das Erzähltempo plötzlich beträchtlich heruntergeschraubt. Der Autor widmet sich nur noch den Gedanken und Gefühlen, die vorher außen vor blieben, und das funktioniert nicht ohne Längen. Außerdem passt dieser „Mittelteil“ nicht zum Rest des Buches und spaltet es.

„Wer lebt, stirbt“ ist ein merkwürdiges Buch. Anfangs wirkt es wie ein rasant erzählter Krimi, dann überholt es den Leser mit seinem Tempo, um ihn schließlich auszubremsen. Auch wenn der Schreibstil Anis Talent durchschimmern lässt, bleibt der Leser in diesem Fall mit einem faden Nachgeschmack zurück. Was soll er mit diesem Buch anfangen? Den skelettartigen Aufbau als Experiment eines Genies abtun? Oder so ehrlich sein und sagen, dass das Buch zerfasert und verwirrend ist? Die Antwort auf diese Frage muss wohl jeder mit sich selbst ausmachen, aber egal wie sie ausfällt: Es gibt Besseres von Herrn Ani.

http://www.dtv.de

|Siehe ergänzend dazu unsere Rezension zu:|
[„Wie Licht schmeckt“ 3563

Shocker, Dan – Bluthände (Larry Brent, Band 5)

_Der Fluch der blutenden Augen_

Larry Brent verbringt seinen seltenen und wohlverdienten Urlaub diesmal in London. Auf einem Rummelplatz findet die angedachte Ruhe jedoch ein jähes Ende. Während einer Fahrt durch die Geisterbahn verstirbt Larrys Mitfahrerin – eine junge Inderin – auf sehr seltsame Art und Weise. Die örtliche Polizei diagnostiziert einen Herzstillstand.

X-RAY-1 will einen ordinären Unfall nicht ganz akzeptieren, vor allem nicht mehr, als kurz darauf ein Anschlag durch einen Taxifahrer auf ihn verübt wird. Er ist davon überzeugt, dass es schon jemand in der Geisterbahn auf ihn abgesehen hatte – der Tod der hübschen Hira Rasmandah scheint nur ein Versehen gewesen zu sein.

Als Larry auch noch in seinem Hotelzimmer von einem indisch aussehenden Mann angegriffen wird, macht er sich umgehend an seine Nachforschungen, ohne dass ein Auftrag der PSA vorliegt. Er findet heraus, dass er mit einem gewissen Roy Robertson verwechselt wird, einem Forscher, der zusammen mit seinem Kollegen Henry Waverlean im Tempel der Toten die so genannten blutigen Augen aus einer Statue der Göttin Kali entwendet hat. Jetzt will dem Engländer ein blutgieriger Sektenkult an den Kragen – dummerweise ist Robertson bereits verstorben und Larry gleicht dem Mann nahezu aufs Haar.

Letztendlich gerät der Agent in die Gewalt dieser Fanatiker und wird auf spektakuläre Weise nach Indien verschleppt, um dort für seinen angeblichen Frevel geopfert zu werden. Doch hier warten einige Überraschungen auf Brent …

Vorweg muss ich gleich sagen, dass der Plot dieses Larry-Abenteuers sehr dünn bestückt ist. Von dem gewohnten Grusel absolut keine Spur, vielmehr ein etwas ausgefallener Krimi mit einem Hauch von James Bond oder Jerry Cotton; dazu leider auch noch mit der ausgelutschten Sekten-Thematik versehen, die mir so gar nicht mundet.

Larry gerät diesmal durch einige wirklich waghalsige Zufälle in diese Geschichte, kommt ein paarmal fast ums Leben (Action wird dabei allemal geboten), wird in ein exotisches Land entführt, bleibt aber letztendlich von allen paranormalen Auswüchsen verschont. Der einzige übernatürliche Einsprung ist die unheimliche Existenz von Swomi, dem Hausgott des Sektenführers, aber auch dieses Phänomen wird leider sehr schnell enttarnt.

Positiv sei zu erwähnen, dass die Handlung stellenweise recht flott zur Sache geht, fast schon zu flott, wenn man das sehr abrupte und leider auch sehr sensationsarme Finale in Betracht zieht. Ich habe einen kleinen Moment gebraucht, um zu begreifen, dass diese Story jetzt tatsächlich zu Ende ist. Zusammengefasst eines der etwas schlechteren Abenteuer des PSA-Agenten

_Die Bestie mit den Bluthänden_

Die Gegend um den französischen Ort Rostrenen ist zum Jagdrevier eines Serienmörders geworden. Vier bedauernswerte Opfer hat er bereits gefordert, doch der zuständige Polizeichef, Kommissar Fernand Rekon, tappt weiterhin im Dunkeln.

Der einzige Hinweis auf den Verbrecher ist eine farbige Knotenschnur, ein so genanntes Quipu, welches als Nachrichtenübermittlung bei den Inka verwendet wurde. Durch diesen Umstand bieten sich Rekon zwei Hauptverdächtige: der menschenscheue Altertumsforscher Henri Blandeau, welcher zurückgezogen in einem alten Gehöft am Ortsrand lebt, und Dr. Sandos aus Südamerika, der Leiter des Erholungsheims für wohlhabende Patienten in Rostrenen.

Die beiden undurchsichtigen Herren pflegen heimlich regen Kontakt, basierend auf der gemeinsamen Begeisterung für ein gespenstisches Gemälde aus der Inka-Kultur, welches Blandeau in seinem Keller aufbewahrt. Von diesen Umständen ahnt Rekon jedoch nichts; sein Interesse gilt allein dem unheimlichen Killer.

Larry Brent wird eingeschaltet, da der PSA-Agent Mike Burton alias X-RAY-16 eben genau zu jenem Zeitpunkt verschwunden ist, als die Mordserie bei Rostrenen begonnen hat. David Gallun vermutet einen Zusammenhang.

Zufällig gerät Larry bei seinen Nachforschungen vor Ort in die Wirren eines Komplotts des reichen Geschäftmannes Jean-Claude Feydeau, der mit einigen fiesen Methoden versucht, seine Frau Mireille – die ebenfalls eine Patientin in Dr. Sandos‘ Sanatorium ist – in den Wahnsinn zu treiben. Doch das böse Spiel findet ein unerwartetes Ende, und Larry wird hilfloser Zeuge, wie Feydeaus Sekretär Armand Dupont von dem Serienkiller als neues Opfer auserkoren wird.

Kommissar Rekon und Larry Brent versuchen nun unermüdlich, des unheimlichen Mörders habhaft zu werden. Am Ende erwarten sie ein denkwürdiger Blick in die düstere Vergangenheit der Inka und eine große Überraschung, was die Identität des Täters anbelangt …

Dieser vorliegende Psycho-Thriller lebt in erster Linie von der düsteren, fast schon kalten Atmosphäre in einer etwas ländlich anmutenden Gegend. Ansonsten hat man es hier in der Tat mehr mit einem klassischen Thriller und weniger mit einer tatsächlichen Gruselgeschichte zu tun, was aber der Handlung nicht unbedingt einen Abbruch tut – und Dan Shocker wollte sich mit seiner Serie schließlich ja auch auf eben jenem Zwischengenre bewegen.

Der Rahmen der Geschichte hat mir ganz gut gefallen: eine düstere Mordserie in der dazu passenden Gegend, ein unbekannter, krankhafter Killer, und drumherum verteilen sich diverse ominöse Gestalten, von denen einige definitiv Dreck am Stecken haben.

Der Leser wird bis zum Ende im Dunkeln gelassen und stellenweise in die Irre geführt, was mir persönlich Spaß gemacht hat. Zusammen mit Larry und Rekon stolpert man nichtsahnend durch das Dickicht und versucht einem gespenstischen Mörder auf die Schliche zu kommen, wobei sich immer wieder die Frage aufdrängt: Mensch oder Bestie oder letztendlich beides? Die verschiedenen Nebenhandlungen der beteiligten Protagonisten, wie dem introvertierten Forscher und dem undurchsichtigen Arzt, sorgen für weitere Verwirrung sowie neue Verdachtsmomente. Auch die Auflösung ist absolut akzeptabel und schlüssig, wenn auch hier wieder das paranormale Element etwas erzwungen wird, um nicht gänzlich mit einem „stinknormalen“ Thriller abzuschließen.

Die vorliegenden Geschichten in diesem Band haben also eine große Gemeinsamkeit: Das Paranormale ist jeweils nur eine fast unbedeutende Randerscheinung; in der ersten Geschichte entfällt es sogar gänzlich. Hier präsentiert sich vielmehr ein klassischer Kriminalroman oder aber eben ein waschechter Thriller, welcher nur sehr sparsam mit dem Fünkchen Horror versehen werden.

Dafür serviert uns Pat Hachfeld diesmal zwei äußerst psychedelisch anmutende Illustrationen, die eine ganz eigene Atmosphäre als Einleitung vermitteln – verwirrend, bedrohlich und surreal –; das Original-Bild auf dem Cover von Lonati hingegen basiert zwar trotz seines fast schon symbolischen Charakters auf einer tatsächlichen Szenerie innerhalb der zweiten Geschichte, dennoch äußert sich dieses Bild vielmehr klischeehaft und leider auch eher drittklassig im Vergleich zu einigen anderen meisterlichen Werken des verstorbenen Künstlers.

Der Leser findet hier nicht unbedingt die absoluten Highlights der Brent-Serie, aber doch zwei recht kurzweilige Geschichten für ein paar unterhaltsame Stunden, so dass dieser Band dem eingefleischten Shocker-Fan schon allein der Vollständigkeit halber nicht fehlen sollte.

http://www.BLITZ-Verlag.de

Sara Paretsky – Feuereifer

Das geschieht:

Die South Side gehört zu jenen Vierteln der Stadt Chicago, in die sich der brave Mittelstandsbürger ungern verirrt. Armut, familiäre Gewalt, Massenarbeitslosigkeit und Kriminalität gehören zum Alltag der Bewohner, die vom Establishment als Verlierer und Faulpelze abgestempelt werden.

Eine, die es geschafft hat, der South Side zu entfliehen, ist Victoria Iphigenia Warshawski, die eine kleine Detektei besitzt und selten an die Vergangenheit denkt, bis diese sie eines Tages einholt: Eine Lehrerin ihrer alten Schule bittet sie, als Trainerin des weiblichen Basketball-Teams einzuspringen. Vic übernimmt sogar einen Fall ohne Bezahlung: Eine der unterbezahlten Arbeiterinnen der Hinterhoffirma „Fly the Flag“ berichtet von diversen Sabotageakten. Frank Zamar, der Eigentümer, leugnet dies freilich und fordert Vic auf, ihre Arbeit einzustellen; seine deutlich erkennbare Angst lässt die erfahrene Detektivin erkennen, dass hier etwas faul ist. Sara Paretsky – Feuereifer weiterlesen

Hill, Joe – Blind

Jude Coyne ist ein Rockstar Anfang fünfzig mit einem makaberen Hobby: Er sammelt morbide und okkulte Gegenstände. Zu seinen Errungenschaften gehören eine Zeichnung des Serienmörders John Wayne Gacy, ein Totenkopf aus dem 16. Jahrhundert, das Sündenbekenntnis einer als Hexe verbrannten Frau, eine Henkersschlinge und sogar ein [Snuff-Film.]http://de.wikipedia.org/wiki/Snuff-Film

Eines Tages erhält sein Assistent Danny den Hinweis auf eine interessante Internetauktion, bei der ein Geist versteigert wird. Jude schlägt zu und erhält für tausend Dollar den Sonntagsanzug des Verstorbenen in einer schwarzen Herzschachtel. Was wie ein schlechter Scherz klingt, entpuppt sich bald als Realität, als Jude den Geist des alten Mannes zu Gesicht bekommt. Es stellt sich heraus, dass der Verkauf kein Zufall war. Der tote Craddock McDermott ist auf grauenhafte Weise mit Judes Vergangenheit verbunden – und er ist hier, um sich für das zu rächen, was Jude seiner Ex-Freundin Anna, Craddocks Stieftochter, angetan hat.

Für den Rockmusiker beginnt ein Horrortrip, in den nicht nur er, sondern auch sein Umfeld miteinbezogen werden und bei dem Craddock nicht mehr der einzige Geist ist, der ihn verfolgt. In seiner Verzweiflung macht er sich gemeinsam mit seiner jungen Gothic-Freundin Georgia und seinen beiden Hunden auf zur Verkäuferin des Geistes, der Tochter des Toten. Dort in Florida hofft er, Antworten zu finden …

Geistergeschichten haben seit Jahrunderten ihren festen Platz in der Horrorliteratur. Umso schwerer ist es da, diesem Aspekt noch eine originelle Seite abzugewinnen. Joe Hill, Pseudonym des Sohnes von Horrormeister Stephen King, erzählt in seinem Debütroman zwar eine typische Geister-Rache-Geschichte, doch dass ein Geist per Internet an sein Opfer gelangt und käuflich erworben wird, ist eine nette Übertragung des Phänomens in die moderne Welt.

|Spannung bis zum Schluss|

Die Handlung geht gleich |in medias res|, ohne sich mit langem Vorgeplänkel aufzuhalten. Schon bald hält der Geist Einzug im Hause Coyne, sorgt für eine unheilvolle Atmosphäre, und Leser wie Hauptfigur ahnen, dass der Kauf keine gute Idee war. Ein Telefongespräch mit der Verkäuferin klärt rasch die persönlichen Hintergründe. Judes depressive Ex-Freundin war die Stieftochter des Verstorbenen, die Verkäuferin die Schwester und für das scheinbare Unrecht, das Jude ihr mit seinem Rausschmiss angetan hat, soll er nun mit seinem Tod büßen.

Auch sein Assistent Danny bekommt bald zu spüren, was es heißt, einem Geist zu begegnen, und spätestens ab diesem Augenblick ist Jude klar, dass er in höchster Gefahr schwebt. Der Leser fragt sich, ob auch Georgia ein Opfer des Geistes werden wird, ob die beiden auf ihrer Flucht Hilfe aus dem Jenseits erhalten, was Jude in Florida von Annas Schwester erfährt, ob diese ihnen helfen wird oder Jude zu drastischen Mitteln greift. Auch eine überraschende Wendung ist enthalten, die plötzlich alle Dinge in einem anderen Licht erscheinen lässt.

|Interessante Charaktere|

Vielschichtigkeit ist ein Stichwort zur Beschreibung der Charaktere. Jude Coyne wächst dem Leser zwar immer mehr ans Herz, doch ein makelloser Held ist er beileibe nicht. Er trägt die typisch verwegene Vergangenheit eines Rockstars mit sich herum, inklusive Drogentrips und den munteren Affären mit halb so alten Gothic-Girls, denen er ihren Heimatstaat als Spitznamen verpasst. Früh erfährt man vom Hass auf seinen sterbenskranken Vater, dem er schon lange den Tod an den Hals gewünscht hat, ebenso von seiner gescheiterten Ehe. Letztlich befremdet auch sein makaberes Hobby, vor allem der Besitz des Snuff-Videos, auch wenn Jude selbst gewisse Skrupel dabei hegt. Der alternde Star ist eine zwiespältige Persönlichkeit und kein moralisches Vorbild, erfährt aber im Verlauf seiner Reise neue Einsichten.

Auch die ehemalige Stripperin Georgia, eigentlich Marybeth, ist anfangs nicht leicht einzuschätzen. Der erste Eindruck entspricht dem einer naiven Bettgefährtin, eines leichenblassen Groupies mit kunstvollem Make-up und oberflächlichen Interessen. Doch als Judes Leben außer Kontrolle gerät, entwickelt sich Georgia zu einer hilfreichen Unterstützung. Sie kennt wenig Furcht und hält zu Jude, auch wenn sie sich damit selber in Gefahr bringt. Auf dem Weg nach Florida machen sie Station bei ihrer Großmutter „Bammy“, einer resoluten und okkult-erfahrenen Frau aus Hillbilly-Kreisen, durch die auch Georgia ein wenig Geister-Kenntnis mitbringt.

|Kleine Schwächen|

Frei von Mankos ist das Debüt dennoch nicht. So lobenswert es auch ist, vielschichtige Charaktere zu erzeugen, so blass bleibt dagegen der Horrorfaktor. Zwar sind die ersten Auftritte von Craddocks Geist durchaus unheimlich, doch danach schwindet die Gruselatmosphäre immer mehr. Dazu trägt auch die ungünstige Beschreibung bei, nach der die Augenpartie der Geister wie mit schwarzem Stift überkritzelt aussieht – ein Effekt, der zweifellos in einem Film besser zur Geltung kommt als in einem Roman. Es fehlt dem Geist an einer geheimnisvollen Aura, die ihn von einem mord- und rachlustigen Psychopathen unterscheidet. Bezeichnend dafür ist, dass eine kleine Nebenepisode mit Bammys Schwester Ruth, die im Kindesalter entführt wurde und nie zurückkehrte, auf wenigen Seiten einen viel intensiveren Schauer auslöst als alle Auftritte mit Craddock McDermott zusammen. Der Roman ist weniger der Horror-Schocker, den der Verlag ankündigt, sondern zeigt eher das Bild eines Mannes auf der Suche nach sich selbst während eines Trips quer durch die USA, vor dem Hintergrund einer Geistergeschichte.

_Unterm Strich_ bleibt ein ordentlicher Debütroman, der nicht allen Lobpreisungen gerecht wird. Vor allem den interessanten Charakteren und dem flüssigen Stil ist zu verdanken, dass „Blind“ ein lesenswerter Geisterroman geworden ist. Der Horrorfaktor dagegen fällt eher gering aus, sodass eingefleischte Schocker-Fans nicht zu hohe Erwartungen haben sollten.

_Der Autor_ Joe Hill, eigentlich Joseph Hillstrom King, ist ein Sohn des bekannten Autorenehepaares Stephen & Tabitha King. 2005 erschien seine Geschichtensammlung „20th Century Ghosts“, die im November 2007 bei |Heyne| unter dem Titel „Black Box“ auf Deutsch veröffentlicht werden soll. Er ist Träger des |Ray Bradbury Fellowship|, wurde bereits zweimal mit dem |Bram Stoker Award| sowie dem |British Fantasy Award|, dem |World Fantasy Award|, dem |A. E. Coppard Price| und dem |William L. Crawford Award| als bester neuer Fantasy-Autor 2006 ausgezeichnet. Erst im Zuge des Verkaufs der Filmrechte von „Blind“, seinem Debütroman, wurde das Pseudonym gelüftet. Joe Hill wurde 1972 in Bangor/Maine
geboren und lebt mit seiner Familie in New Hampshire.

http://www.joehillfiction.com

|Originaltitel: Heart-Shaped Box
Originalverlag: Morrow
Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller
Gebundenes Buch, 432 Seiten|
http://www.heyne.de

Ronelli, Gian Carlo – Goweli – Der letzte Engel

Das Alter des Turiner Grabtuchs, bei dem es sich um das Leichentuch von Jesus Christus handeln soll, ist von Wissenschaftlern aus aller Welt noch immer nicht abschließend geklärt worden. Auf diesem Tuch ist recht deutlich das Abbild eines gefolterten Mannes zu erkennen. Manche interpretieren dieses „fotografische“ Bildnis als dasjenige des Erlösers, andere hingegen sind der Ansicht, es handle sich um eine fast perfekte Fälschung aus dem Mittelalter.

Die hier angewandte C-14-Methode sagte den Wissenschaftlern, dass dieses Tuch aus dem Mittelalter stammt. Kritiker dagegen meinen dazu, dass als Probe ein Stück Stoff entnommen wurde, das aus einem geflickten Teil stammt. Neueste Untersuchungen ergaben als Möglichkeit eine Datierung auf das erste Jahrhundert nach Christi Geburt. Für die Skeptiker ist dies ein Beweis für eine Fälschung, für gläubige Christen allerdings ist das Tuch noch immer eine Ikone. Millionen Gläubige verehren es als das echte Leichentuch Christi, als Zeugnis seiner Existenz, seines Leidens und seiner Auferstehung.

Der Glaube ist nur allzu oft das Ergebnis von Manipulation und Zweifel, in diesem Fall ist es dann die Sindonologie (Wissenschaft des Grabtuchs). Das Tuch wird zurzeit in der Cappella della Santa Sindone in Turin verwahrt und ausgestellt. Auf der Suche nach der womöglich letzten Spur von Jesus sind die Grenzen zwischen Glauben und Naturwissenschaft fließend geworden. An keinem vergleichbaren Gegenstand wurde in den letzten 100 Jahren so intensiv geforscht wie an dem Leinen mit dem Jesusbild.

Da es auf den Turiner Grabtuch Blutflecken gibt, wurden diese natürlich auch analysiert – aber was würde wohl passieren, wenn man das „heilige“ Blut nach einer DNS-Analyse bei einem Mordfall wiederfindet?

_Die Story_

In den USA schockiert eine brutale und geheimnisvolle Mordserie die Menschen. Der oder die Täter töten immer sechsjährige Mädchen, die scheinbar untereinander keine besondere Ähnlichkeit oder Beziehung haben. Der Mörder hinterlässt die getöteten Opfer immer in einer betenden Stellung.

Doch der Zufall kommt den Ermittlern zur Hilfe: Bei dem letzten Opfer werden Blut- und Hautspuren auf einem Kruzifix gefunden. Stammen diese vom Mörder? Die Probe wird analysiert und mit allen DNS-Daten verglichen, derer man in den Datenbanken habhaft wird.

Das Ergebnis ist spektakulär und mehr als nur mysteriös. Trotz mehrerer Vergleiche sagt die DNS-Probe aus, dass es sich bei dem mutmaßlichen Mörder um die Person handelt, die offensichtlich im Turiner Grabtuch ihre letzte Ruhe gefunden hat. Laut internationalen Untersuchungen verschiedener Wissenschaftler könnte das Turiner Grabtuch bekanntlich das Leichentuch von Jesus Christus sein. Aber wie ist das möglich? Ist Jesus Christus wiederauferstanden? Wie kann Gottes Sohn ein brutaler Serienmörder sein?

Die Behörden sind ratlos und suchen Rat und Hilfe bei Dr. Kramer, einem Professor für die Sindonologie (Grabtuchforschung) und Theologie, und Dr. Mercedes Brightman, einer Expertin der Genetik. Beide sind sich nicht fremd und bereits auf verschiedenen Kongressen und Seminaren begegnet, ihre Beziehung zueinander ist aber etwas schwierig. Unterstützt werden beiden Wissenschaftler von Mark Grimley, einem FBI-Agenten indianischer Abstammung. Mark Grimley wird immer dann zu solch mysteriösen Fällen beordert, wenn die polizeilichen Behörden mit ihren weltlichen und rationalen Ermittlungsmethoden nicht weiterkommen.

In Turin, in der Cappella della Santa Sindone, verändert sich plötzlich das Grabtuch und sondert eine merkwürdige Flüssigkeit ab: Es blutet. Als Dr. Mercy Brightman das Blut analysiert und konzentriert mit allen Mitteln untersucht, stellt sie fest, dass es sich verändert. Es findet eine aktive Zellteilung statt, und auch die einzelnen Bestandteile lassen den Schluss zu, dass es nach dem heutigen Stand der Technik keine Erklärung dafür gibt. Ein Wunder Gottes? Die wissenschaftlichen Ermittler und Mark Grimley sind verblüfft und verwirrt, und sehr schnell bemerken sie, dass auch andere Gruppen Interesse an den Ergebnissen haben bzw. diese „Zeugen“ beseitigen wollen.

Nach einem Mordanschlag auf Dr. Kramer und einem Entführungsversuch von Dr. Brightman sieht sich das Trio gefährdet und spürt jetzt dem Mörder und des Rätsels Lösung auf eigene Gefahr nach …

_Kritik_

„Goweli – Der letzte Engel“ ist der Debütroman des österreichischen Autors Gian Carlo Ronelli. In seinem Erstlingswerk spielt der Schriftsteller mit einer sehr interessanten Theorie und setzt diese glaubwürdig als SciFi-Thriller um. Die Genetik spielt zweifelsfrei eine große Rolle, aber kombiniert mit einem Raum-Zeit-Paradoxum bzw. mit Zeitreisetheorien liefert dieser Ansatz eine großartige Handlung.

Gian Carlo Ronelli hat sich viel Mühe mit dem Roman gegeben und sicherlich viel recherchiert; das Buch ist spannend, sehr unterhaltsam, manches Mal tiefgründig und überraschend wissenschaftlich fundiert, sieht man davon ab, wie weit der moderne Stand der Wissenschaft gediehen ist.

Dem Leser kommt es ab und an so vor, als würde ich mich in einer Folge der Reihe „Akte X“ wiederfinden. Aber inzwischen gibt es durchaus eine Menge anderer Ableger dieser mystischen Ausrichtung. Wissenschaft und Religion vermischt der Autor sehr spannend, ohne angenehmerweise in wilde Theorien von Verschwörungen und Geheimnissen der Kirche abzudriften.

Die Protagonisten der Geschichte entwickeln sich großartig zueinander. Die Beziehungen innerhalb des Trios sind nicht nur spannungsvoll, sondern gerade der oftmals bissige, zynische Humor wertet die Story nochmals auf. Die Bösewichter sind ebenfalls nicht unbedingt „böse“ – das wäre dem Autor zu simpel gewesen. Auch die Grundgeschichte schraubt sich kontinuierlich empor, und die Theorien des Autors werden nicht nur erzählt, sondern auch fundiert erklärt.

„Der letzte Engel“ verbindet Wissenschaft und Religion flüssig miteinander. Man wird sich jetzt sicherlich fragen können, was das Turiner Grabtuch mit Engeln zu tun hat, aber auch dieser Aspekt erklärt sich im Laufe der Handlung stimmig. Ich kann jedem nur aufs Wärmste empfehlen, sich nach der Romanlektüre der Recherche zum Turiner Grabtuch zu widmen. Sehr interessant und überaus mysteriös.

_Fazit_

Ich kann „Goweli – Der letzte Engel“ als gelungenen Debütroman ganz klar empfehlen. Einziger Kritikpunkt wäre, dass die Geschichte vielleicht manches Mal zu schnell erzählt wird, auch wenn das der faszinierenden Atmosphäre keinen Abbruch tut. Da es sich um einen Debütroman handelt, kann man auch Verständnis dafür aufbringen, dass die Figuren zwar gut charakterisiert sind, aber den gewünschten Hintergrund noch vermissen lassen.

Im Nachwort erklärt Gian Carlo Ronelli, dass er darüber nachdenkt, einen zweiten Roman zu verfassen, in dem wahrscheinlich auch die drei Hauptfiguren wieder vorkommen. „Goweli – Der letzte Engel“ allerdings ist eine in sich abgeschlossene Geschichte.

http://www.sieben-verlag.de/

Straczynski, Joseph Michael / / Garney, R. / Aguirre-Sacasa, R. / Crain, C. – Spider-Man 37 (Civil War Tie-in 3)

[Spider-Man 35 3601 (Civil War Tie-in 1)
[Spider-Man 36 3824 (Civil War Tie-in 2)

_Inhalt_

|“Krieg im eigenen Land (3 von 6)“|

Das Ultimatum ist abgelaufen und die verpflichtende Registrierung fordert ihren Tribut ein. Unter der Leitung von Iron Man starten die Befürworter des neuen Gesetzes ihre Jagd auf alle Superhelden, die sich der Registrierung widersetzt haben. Auch Spider-Man kämpft an vorderster Front, plagt sich jedoch ständig mit Selbstzweifeln, weil die neue Ordnung ihm immer weniger behagt. Als er sich schließlich Captain America stellen muss, gerät er in einen Gewissenskonflikt. Dieser einst patriotische Held soll nun sein Gegner sein? Für die Spinne unfassbar. Doch zu Zeiten des neuen Bürgerkriegs werden solche Duelle zur Realität.

|“Die tödlichen Feinde von Peter Parker (1 von 3)“|

Nach der Demaskierung von Spider-Man schließen sich einige altbekannte Feinde zusammen, um Peter Parker den Garaus zu machen. Unter der Führung des lange verschollenen Chamäleons starten sie einen Rachefeldzug, in dem sich der Spinnenmensch Schurken wie dem Grünen Kobold, Will O‘ The Wisp und Scarecrow stellen muss. Die Realität nagt indes immer mehr an Parker; er fürchtet bereits kurzfristig Anschläge auf seine Frau Mary Jane und geht vorsorglich zu einer Wahrsagerin, um einen Blick in die Zukunft zu riskieren. Die Kugel verheißt jedoch nichts Gutes.

_Meine Meinung_

In der 37. Ausgabe der „Spider-Man“-Comics wird der „Civil War“ gleich an zwei Fronten weiter ausgefochten. Neben dem Hauptplot wird in der zweiten Hälfte des Heftes nämlich noch eine weitere Mini-Serie im Rahmen des Bürgerkriegs gestartet, die sich in erster Linie mit den Reaktionen der Schurken auf diesen neuen Gesetzesentwurf und seine Konsequenzen beschäftigt.

Zuvor jedoch bekommt der Titelheld zum ersten Mal zu spüren, inwiefern das Gesetz zur Registrierung der Superhelden sich auf seinen künftigen Alltag auswirkt. Nicht nur, dass statt Spider-Man nun Peter Parker im Rampenlicht steht, sondern auch die Tatsache, dass er nun gegen Leute antreten muss, die er bis zuletzt noch zu seinen stärksten Verbündeten zählen durfte, macht ihm zu schaffen. Nie hätte er sich träumen lassen, dass er eines Tages Captain America als Gegner gegenüberstehen würde. Dementsprechend seltsam mutet ihr erstes Gefecht auch an; beide sind darum bemüht, den jeweils anderen nicht sonderlich zu verletzen, denn keiner kann sich mit dem Gedanken des neuen Feindbildes wirklich anfreunden. Doch sie sind gezwungen, ihre Überzeugung bzw. das, was ihnen eingetrichtert wurde, zu vertreten, so dass ein erstes Gerangel unvermeidlich bleibt – und in diesem zieht Peter eindeutig den Kürzeren. Ganz so angetan ist er von der neuen Entwicklung nämlich ganz bestimmt nicht.

Dies spiegelt sich dann auch in der zweiten Story wider; Peter stößt in einem knallharten Kampf auf Will O‘ The Wisp und Scarecrow, zwei Schurken, an die er sich kaum noch erinnern kann. Doch nun tauchen sie wieder aus der Versenkung auf, weil sie einen Weg gefunden haben, wie sie ihrem alten Kontrahenten möglichst großen Schaden zufügen können. Dessen bewusst, wird Spider-Man immer verzweifelter. Er fühlt sich schutzlos ausgeliefert und fürchtet, dass seinen Angehörigen in Kürze etwas zustoßen könnte. Und glaubt man den Plänen, die das Chamäleon im Hintergrund schmiedet, ist Derartiges auch zu befürchten. Insofern sagt ihm die Hellseherin auch nur Dinge voraus, die er längste erahnt hatte: Der Krieg steht bevor – und er wird blutig sein!

Interessanterweise gerät der Hauptplot im dritten Teil ein wenig ins Hintertreffen. Zwar ereignen sich elementare Dinge, wie etwa das Aufeinandertreffen von Captain America und Spider-Man, doch im Grunde genommen scheinen die Entwicklungen, die sich in „Die tödlichen Feinde von Peter Parker“ auftun, noch viel verheerendere Auswirkungen auf die ganze Story zu haben. Damit ist aber auch gewährleistet, dass die Nr. 37 zwei Storys auf gleich hohem Niveau aufbietet und keine überflüssigen Einschübe von der eigentlichen Handlung ablenken. Das Magazin steht ganz im Zeichen des „Civil War“ und berichtet ausschließlich von vorderster Front, und das so actionreich wie selten zuvor. Spätestens jetzt ist man mitten im Geschehen und macht sich noch einmal den enormen Effekt bewusst, den diese Serie für die ganze |Marvel|-Comicwelt haben wird, weswegen die Serie – und damit auch ganz klar dieses Magazin – reizvoller nicht sein könnte. Wer den „Civil War“ gänzlich auskosten möchte, kommt an „Spider-Man 37“ ergo nicht vorbei.

http://www.paninicomics.de/?s=CivilWar
http://www.paninicomics.de/?s=gruppen&gs__gruppe=10071

Pramas, Chris – Reiche der Magie (Warhammer Fantasy-Rollenspiel)

_Inhalt_

„Reiche der Magie“ enthält eigentlich alles, was man benötigt, um in der Alten Welt einen Magier bzw. einen Magiewirkenden zu spielen. Hierbei wird allerdings weniger Wert auf Zaubersprüche und Tabellen gelegt, denn davon waren ja auch schon einige im Grundregelwerk, sondern hauptsächlich auf die Hintergründe. Es gibt zwar auch neue Zauber, aber sie machen den kleinsten Teil des Quellenbandes aus.

Nach einer sehr interessanten Kurzgeschichte zu Beginn (mehr davon!) wird der Leser erst mal in die Geschichte der Magie im „Warhammer“-Universum eingeführt. Da diese vom Anbeginn der Zeit bis heute reicht, werden einem hier schon ganz schön viele „historische“ Ereignisse aufgetischt, die sich allerdings manchmal ein wenig in ihrer Ausführlichkeit hinziehen. Aufgelockert wird das Ganze dann aber immer wieder mit eingeschobenen Kästchen, mit Kommentaren oder kurzen Geschichten.

Magietheorie wird dann im Kapitel „Vom Wesen der Magie“ sehr ausführlich behandelt. Hier werden die acht verschiedenen Winde der Magie vorgestellt, wobei mir besonders das dazugehörige Schaubild sehr positiv in Erinnerung geblieben ist. Zudem wird auch auf die Weiße Magie (die allerdings nur NSCs vorbehalten ist) und Schwarze Magie (für die Bösewichte) eingegangen. Auch werden die verschiedenen Wege vorgestellt, wie die Magie manipuliert werden kann, sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht.

Im folgenden Kapitel wird auf das Verhältnis der Gesellschaft zur Magie eingegangen. Da diese in der Alten Welt sehr lange verboten war, wird sie immer noch im besten Fall argwöhnisch betrachtet, wenn ihr nicht gar offener Hass entgegenschlägt. Da es ja neben den „normalen“ Magiern auch noch Hexer, Nekromanten und Chaosmagier gibt, ist das auch durchaus nachvollziehbar.

Den für mich wichtigsten Teil des Quellenbandes bildet die Beschrebung der Magierakademien. Hier werden der Lichtorden, der Goldorden, der Jadeorden, der Graue Orden, der Himmelsorden, der Amethystorden, der Feuerorden und der Bersteinorden genau unter die Lupe genommen und unter verschiedenen Gesichtspunkten wie deren Magie, Lehrlinge, Philosophie und Pflichten und deren Persönlichkeiten durchleuchtet. Hinzu kommen noch einige Zauber, die auf die Akademien zugeschnitten sind, sowie eine Reihe an Ritualen.

Etwas dunkler wird es dann im Kapitel „Von Hexen und Hexenjägern“, denn hier werden die so genannten Magiedilettanten, Hexen und Hexenmeister sowie ihre schlimmsten Feinde, die Hexenjäger vorgestellt. In diesem Rahmen werden auch zwei neue Karrieren (Hexe und Hexenmeister) eingeführt.

Zum Schluss wird dann noch einmal Wert aufs Handwerkliche gelegt, denn das Erschaffen von Vertrauten, Elixieren und Artefakten bildet den Abschluss des Regelteils. Besonders heraus stechen die zwergischen Runenmagier, die extrem mächtige Artefakte herstellen können. Hier wird auch der Karriereverlauf dieser Runenschmiede angegeben.

Den endgültigen Abschluss bildet dann nach dem Motto „Kein Warhammer-Quellenbuch ohne Abenteuer“ das Abenteuer „Ein heißer Abgang“.

_Mein Eindruck_

Ich muss offen zugeben, dass mich dieser Magieband schon sehr für sich eingenommen hat, obwohl ich eigentlich eher selten Magier (systemunabhängig) spiele. Der Band ist eigentlich durchweg sehr gut lesbar geschrieben, im Gegensatz zu manch anderem Magiekompendium, auch wenn er ab und zu einige Längen aufweist. Die Aufmachung ist übrigens wieder über jeden Zweifel erhaben: Vollfarbe, tolle Illustrationen und Bilder, hervorragendes Layout – klasse! Sehr positiv finde ich zudem, dass mehr Wert auf Stimmung und Hintergründe als auf reine Tabellen und Regeln gelegt wird. So macht das Lesen richtig Spaß, woran die immer wieder eingeschobenen Kurzgeschichten und Anekdoten einen großen Anteil haben.

Die Magierakademien sind ebenfalls sehr gut und ausführlich beschrieben, so dass man sofort einen guten Überblick erhält und eigentlich gleich einsteigen kann. Was mir sehr gefällt, ist, dass die Magier zwar schon zu Beginn relativ mächtig sind, aber durch „Tzeentchs Fluch“, die überwiegend negativ eingestellte Bevölkerung und die zu Beginn beschränkte Spruchzahl doch „zurechtgestutzt“ wurden, um das Spielgleichgewicht zwischen magischen und nichtmagischen Charakteren zu gewährleisten.

Alles in allem kann man sagen, dass das Magiesystem von „Warhammer“ wirklich zu den besseren gehört, denn es ist recht simpel, und doch lässt sich vieles damit machen. Zudem fällt positiv auf, dass nur sehr wenig Schwarzweiß-Malerei betrieben wird. Hexenjäger beispielsweise sind ebenso wenig immer gut wie Hexen immer böse sind. Dies bewirkt, dass die Spieler gezwungen werden, immer alles zu hinterfragen, was grundsätzlich positiv ist.

Das Einzige, was mich ein wenig stört, ist, dass die verschiedenen Magier, je nachdem, welchen Wind sie zum Magiewirken benutzen, dessen charakterliche Züge annehmen. Hier besteht die Gefahr einer Stereotypenbildung. Die Auswahl der verschiedenen Akademien ist allerdings wiederum sehr gut gelungen. Diese unterscheiden sich teilweise grundlegend von einander, so dass hier für jeden etwas dabei sein dürfte.

_Fazit_

„Reiche der Magie“ ist ein essenzieller Quellenband für das „Warhammer-Rollenspiel“ und eigentlich unverzichtbar für jeden „Warhammer“-Spielleiter. Er hat genau die richtige Balance zwischen Fakten und Unterhaltung, so dass das Lesen richtig Spaß macht. Unbedingte Kaufempfehlung!

http://www.feder-und-schwert-com

|Siehe ergänzend dazu:|

[„Warhammer Fantasy-Rollenspiel“ 2444
[„Das Bestiarium der Alten Welt“ 2597
[„Sigmars Erben“ 2862

Millar, M. / McNiven, S. / Jenkins, P. / Lieber, S. – Civil War 3

_Inhalt_

|“Civil War, Teil 3″|

Zum ersten Mal bläst Tony Stark aus den eigenen Reihen heftiger Gegenwind ins Gesicht; Emma stellt ihn zur Rede und erinnert ihn an seine Fehlleistungen der Vergangenheit. Ungetrübt dadurch lockt er Captain America, Daredevil, Goliath und Hercules in eine Falle, um sie zu überführen. Iron Man erstellt sogar ein Friedensangebot, das seine Gegner aber undiskutiert ablehnen. Der Captain ist außer sich vor Wut ob dieser Scheinheiligkeit und attackiert seinen ehemaligen Verbündeten. Doch der setzt zum ersten Mal seine neue Rüstung ein und verdrischt Cap mit einer nie dagewesenen Brutalität – bis etwas Unglaubliches geschieht.

|“Angeklagt, Teil 4″|

Der geforderte Boxkampf zwischen Speedball und dem Anführer der Gefängnisinsassen, Tomey, ist fällig, endet aber in einem Eklat, als die Zuschauer feststellen, dass Speedball scheinbar deutlich überlegen ist. Mit einem Messerstich wird er überrumpelt, entdeckt anschließend jedoch ungeahnte Kräfte. Der anschließende Besuch seiner Mutter bringt ihn jedoch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

|“Schläfer, Teil 2 und 3″|

Während die Cops verschiedene Theorien über die Entstehung der Explosion im Zierfischladen des merkwürdigen Joe entwickeln, stellt sich heraus, dass der Mann bzw. seine Identität nirgendwo registriert ist. Shield setzen Wonder Man auf den Fall an und verpflichten ihn infolge seiner freiwilligen Registrierung zur Mitarbeit an den Ermittlungen. Dieser jedoch bekommt ernsthafte Zweifel, schließlich hatte er nicht erwartet, dass er künftig in eine solche Abhängigkeit geraten würde.

_Persönlicher Eindruck_

Erschreckende Bilder prägen den dritten Teil der „Civil War“-Comics. Nach ersten Grabenkämpfen und Intrigen treffen Captain America und Iron Man nun zum ersten Mal direkt aufeinander, wollen sich aber auf den sich anbahnenden Fight nicht einlassen. An beiden Fronten liegt die Spannung in der Luft, als sich die beiden neuen Kontrahenten Auge in Auge gegenüberstehen und Iron Man sogar anbietet, dem Cap seine Hand zu reichen. Doch dessen Überzeugung von Tony Starks Unaufrichtigkeit und der fehlenden Notwendigkeit des Gesetzesentwurfs lassen keine friedliche Lösung mehr zu. Cap tritt einen Kampf los, dessen Ausmaße die gesamte Welt der Superhelden erschüttern sollen – und erhält auch prompt die Quittung für seine Rücksichtslosigkeit.

Was sich im letzten Teil schon andeutete, nämlich dass man recht eindeutig dazu genötigt wird, Partei für Captain America, Daredevil und Co. zu ergreifen, setzt sich in Episode 3 nun ganz deutlich fort. Tony Stark entwickelt immer mehr Hinterlisten, um dem von ihm mit entworfenen Registrierungsgesetz Geltung zu verschaffen, und lockt ein Team, das er zuvor noch zu seinen Freunden zählte, in einen gemeinen Hinterhalt, aus dem eine Flucht kaum möglich scheint. Auch wenn es letztendlich Cap ist, der die Offerte annimmt und sich auf eine wilde Prügelei einlässt, so avancieren der naiv wirkende Spider-Man, der neuerdings arrogante Stark und auch Mr. Fantastic immer mehr zu unsympathischen Charakteren, die trotz offenkundiger Gewissensbisse ohne Scheu gegen ihre Freunde intrigieren. Und dies ist mitunter noch erstaunlicher als das plötzliche Comeback von Thor, das sich bereits in „Civil War Frontline“ angedeutet hat.

Vergleichbar brutal verläuft auch der weitere Gefängnisaufenthalt von Speedball alias Robert Baldwin. Er stellt sich endlich seinen Gegnern, entdeckt aber wiederum, dass er deren unlauteren Mitteln nicht gewachsen ist. Frustriert von den Ereignissen in seiner Umwelt, schlägt er seiner Mutter ins Gesicht, zeigt aber nach wie vor keine Reue. Auch hier gilt: Der Plot wird temporeich fortgeführt, die Tragödie um Speedball in Sachen Dramaturgie sogar noch einmal auf neue Höhen gebracht. Stark!

Die dritte Geschichte im Bunde, „Schläfer“, seht dem scheinbar in nichts nach, zumal das Mysterium um den rätselhaften Beauftragten Namors weiter besteht. Wonder Man wird auf den Fall angesetzt und entdeckt erstmals die persönlichen Schattenseiten des Registrierungsgesetzes. Er hat sich dahingehend versklavt, dass er auf Abruf für das Team von Shield abgestellt werden muss, lehnt dies jedoch ab. Doch als Befürworter der neuen Entwicklung bleibt ihm keine Wahl. Die Regierung hat nämlich genügend Mittel, um Wonder Man zu erpressen.

In dieser letzten Story wird die politische Komponente noch einmal gehörig hervorgehoben. Die Regierung als solche fällt in ein denkbar trübes Licht und wird als Triebmotor einiger korrupter Machenschaften bloßgestellt, der nicht nur durch das Registrierungsgesetz, sondern auch durch die prominente Gesellschaft der zustimmenden Superhelden gestärkt wird. Es handelt sich dabei jedoch um eine vollkommen subtile Schelte, die die Handlung nicht infiltriert, geschweige denn der Aufhänger des Plots ist. Aber als wichtiges Merkmal gehört dieser Aspekt bereits jetzt als bewusstes Äquivalent zur Realität fest zum „Civil War“ hinzu.

Zusammengefasst ist auch Teil 3 der Serie ein echter Knüller. Ergreifende Bilder zweier sich brutal bekämpfender Superhelden bleiben auf Dauer in Erinnerung, das Schicksal von Speedball ist zunehmend bewegender dargestellt und im letzten Plot werden die direkten Schattenseiten des handlungsbestimmenden Gesetzes erläutert. In rasantem Tempo und mit gehörigem Infogehalt steuert man langsam auf den Höhepunkt zu und damit auch auf den Beginn einer neuen Ära. In dieser Bestverfassung lieben wir unsere |Marvel|-Comics!

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Jackson, Steve / Kovalic, John – Star Munchkin

_Krieg der Sterne_

Zwar nicht ganz von George Lucas inspiriert und sicherlich auch mit einem größeren Humor als die Herren Skywalker und Solo gesegnet, reisen die Munchkins nun aus dem Dungeon in ferne Galaxien und treten im Weltall gegeneinander an, um sich dort Stufe für Stufe heraufzuarbeiten und in der Schwerelosigkeit den Sieg untereinander auszumachen.

Als Mutanten, Cyborgs, Gadgeteer, Katze, Händler und Kopfgeldjäger entfesseln die beteiligten Kreaturen einen irrwitzigen Sternenkrieg der ganz anderen Art und stellt sich der extraterrestrischen Bedrohung. Sei es nun der Weltraumvampir, die bionische Tussi oder Captain Quark – es gilt mal wieder, ordentlich aufzuräumen und die hinter den Türen lauernden Monster fertigzumachen, ohne selber fertiggemacht zu werden. Und da die Macher der „Munchkin“-Reihe dieses Mal besonders erfinderisch bei der Wahl ihrer Kreaturen waren, ist schon vorab größter Spielspaß garantiert.

_Spielmaterial/Design_

Immer wieder lobenswert, was John Kovalic auf den wiederum 168 Karten dieses Themensets so alles fabriziert. Die Karten sind erneut stimmungsvoll gezeichnet, offenbaren mitunter die coolsten Fratzen, die Kovalic bislang für ein „Munchkin“-Spiel losgelassen hat und nutzen den gesamten Spielraum, den dieses Weltraumepos innerhalb des großen parodistischen Inspirationsgebiets aufbietet. So bedient man sich bei Hollywood, moderner literarischer Science-Fiction, seltsamen Anglizismen und merkwürdigen neumodischen Begriffen, die hier noch besser passen als beim Originalspiel. Und da das Design der Karten bei „Munchkin“ ausschlaggebend für die allgemeine Qualität des Spiels ist, gehen hier schon einmal beide Daumen hoch.

_Die erforderlichen Kaufargumente_

Warum ausgerechnet dieses Set? Eingeschworene Fans und Sammler stellen sich diese Frage schon lange nicht mehr und spielen „Munchkin“ im Mega-Mischpaket. Doch gerade für Neueinsteiger ist es immer wieder interessant, zu wissen, welche Vorzüge welches Kartendeck bietet und warum es ausgerechnet dieses oder jenes sein soll. Die Argumente für „Star Munchkin“ sind diesbezüglich recht vielfältig, wobei der schlagkräftigste natürlich der enorme Witz ist, den die Karten versprühen. Gerade bei der illustratorischen und lyrischen Gestaltung der Monsterkarten hat man sich hier besonders Mühe gegeben und die coolsten mir bekannten Figuren des Spiels eingebracht. Die Munchkins kämpfen gegen ‚Das Wesen aus unreinen Gedanken‘, das ‚Gehirn im Glas‘, den ‚großen Cthulhu‘ und fürchten sich vor der großen Panzerlawine, namentlich ‚Frank der Tank‘. Unterstützung bekommen sie hierbei von Handlangern wie dem Androiden und dem Wunderkind, die jedoch auch ihre liebe Mühe haben, mit der ‚Weltraumamazone‘ und dem ‚Ding, das niemals für die Menschheit bestimmt war‘. Der Clou bei den beiden Letztgenannten: Sie sind geschlechtsabhängig und haben je nach Zugehörigkeit noch weitere Zusatzkräfte.

Ziemlich erfinderisch ist indes auch die Wahl der Waffen. Schon mal was vom ‚Pangalaktischen Donnergurgler‘ gehört? Oder von der ‚Lautschallenden Brechplasmagranate‘? Na dann, Prost Mahlzeit. Auch nicht schlecht: Der ‚Kettensägenhandschuh‘, die ’ständige Winkehand‘ und das allseits beliebte ‚Gaffa-Tape‘. Aber Jackson und Kovalic wären nicht Jackson und Kovalic, würden sie nicht noch einen draufsetzen können. Und so gibt es in „Star Munchkin“ eine reichhaltige Auswahl an Laserfeuerwaffen wie den Dazer, den Raser, den Maser, den Bobaser und schlussendlich der Bananafanafofaser, die sich übrigens komplett miteinander verbinden lassen, um die Feuerkraft zu erhöhen. Es ist also möglich, dass irgendwann jemand mit einem Laser-Laser-Bobaser-Bananafanafofaser angreift und man gar nicht mehr weiß, wie einem geschieht. In diesem Fall hätte der Spieldesigner jedoch auch sein Ziel erreicht.

_Meine Meinung_

Obwohl es bislang noch kein Spiel aus der „Munchkin“-Reihe gegeben hat, das mich in irgendeiner Weise enttäuscht hätte, so möchte ich „Star Munchkin“ als meinen bisherigen Liebling bekannt geben. Der Humor der Karten ist fabelhaft der ironische, mitunter zynische Unterton der Texte richtig schön bissig, das Spiel an sich dabei so lebhaft wie eh und je. Abgesehen von den neuen Kombinationsmöglichkeiten der Laser gibt es zwar keine entscheidenden Änderungen, die berechtigterweise für den Status einer Erweiterung des Originalspiels sprechen würden, doch der aufmerksame Spieler wird längst wissen, dass darin nie die Grundintention des Teams Jackson/Kovalic bestanden hat.

Insofern gilt nur festzuhalten, dass „Star Munchkin“ im Zuge der regelmäßigen neuen Themenzusammenstellungen zwingend Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, weil hier definitiv kein Lachmuskel unbewegt bleibt. Wo kann man zum Beispiel schon eine ‚Bionische Tussi‘ mit einer ‚Biergasgranate‘ um die Ecke bringen oder die seltsamsten Entdeckungen des Alls in nur einer Partie kennen lernen? „Star Munchkin“ liefert in dieser Hinsicht alle Optionen und ist eine mehr als würdige Kritik auf den Sternenkrieg. Selbst alte „Star Trek“-Fanatiker und Darth-Vader-Hasser sollten hier schmunzeln und in einer rasanten, unheimlich kommunikativen Partie „Star Munchkin“ ihren Spaß finden. Einmal begonnen, fällt es nämlich unheimlich schwer, wieder von der Science-Fiction-Variante des Spiels abzulassen.

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Janice Deaner – Als der Blues begann

Janice Deaners Debütroman „Als der Blues begann“ wurde bereits 1994 in Deutschland veröffentlicht und erhielt viel Lob. Im Sommer 2007 bringt |Rowohlt| das Buch als Neuauflage heraus, um dem geneigten Leser mit einem wunderbaren Familienroman in der heißen Jahreszeit zu erfrischen.

Die zehnjährige Maddie lebt mit ihrer älteren Schwester Elena, dem kleinen Bruder Harry und den Eltern Leo und Lana in den Siebzigern in Detroit. Leo gibt Klavierunterricht, während Lana von sich behauptet, Schriftstellerin zu sein, und den ganzen Tag in einem Sessel sitzt und in Notizbücher schreibt, die ihre Kinder nicht lesen dürfen.

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Diverse Autoren – Monsters of MAD 4

Ein ziemlich affiges Vergnügen ist die erste Ausgabe der „Monsters of MAD“-Comics im Jahre 2007. Die Sammlung aus witzigen Mini-Strips beginnt direkt mit einem merkwürdigen Comic, in dem Don Martin auf seltsame Weise die Legende von Tarzan neu erzählt, erstreckt sich dann über weitere tierische Strips mit einem Affen als Hauptdarsteller und endet schließlich mit einem „MAD mobil“-Spezial, in dessen Hauptrolle ein gewisser King Kong schlüpft.

Unterdessen gibt es in diesem Fall kein übergeordnetes Thema; „Monsters of MAD 01/07“ ist eine lose Zusammenstellung unabhängiger illustrierter Kurzgeschichten mit vielen bekannten Gesichtern aus der „MAD“-Szene; so dürfen sich „Spion & Spion“ gleich mehrfach bekämpfen, die Märchenseiten werden mit einer eher unspektakulären Parodie auf „Der Froschkönig“ gefüllt, und auch die Liebschaften zwischen Dick und Dünn werden gleich mehrfach humorvoll in Szene gesetzt. Weitere Specials gibt es zu Geschichten aus dem Kreißsaal, dann einen Bericht über miese Küsser und all ihre ekligen Auswüchse sowie die Rubrik „Gründe, mit durchschnittlichen Serienkillern Mitleid zu haben“, in denen die niedrigsten Instinkte der Menschen recht sarkastisch durch den Kakao gezogen werden. Letzteres geschieht übrigens auch noch in „Sicherheits-Tipps für Party-Monster“ und „Katastrophale Anzeichen dafür, dass Sie den falschen Anwalt angeheuert haben“.

Während in den herkömmlichen Ausgaben von „MAD“ zumeist eine gesunde Mischung aus herrlich makaberem Slapstick, witzigen Kurzgeschichten und Frotzeleien zu derzeit aktuellen Themen verwurstet werden, bestehen die Sonderausgaben doch eher aus einem deutlichen Übergewicht an kurzweiligen Illustrationen, die jedoch in der neuesten Ausgabe leider nur bedingt witzig sind. Es sind eigentlich mal wieder die vielen Rubriken zu Spezialthemen, wie etwa der Bericht über die bemitleidenswerten Serienkiller, die die Kohlen aus dem Feuer holen und einen in Sachen Humor eher schwachen Comic halbwegs retten. Egal ob es nun die Saga von Tarzan, die einzelnen Strips zu King Kong, die beiden Geschichten um den Froschkönig oder auch die unvorteilhafte Läster-Tirade gegen Dicke sind – zum Schmunzeln, geschweige denn wirklich zum Lachen fühlt man sich hier nicht angeregt. Klar, die Art und Weise wie die Zeichnungen aufgebaut sind – Parallelen zur „Titanic“ sind sicherlich nicht zufällig –, ist eigentlich gelungen, nur der Inhalt der Illustrationen ist oft recht dröge und zielt vermehrt auf einen kindlichen, viel zu albernen oder doch deutlich überzogenen Humor.

Für meinen persönlichen Geschmack hat das „MAD“-Magazin in den letzten Jahren sowieso arg nachgelassen, weil es einfach an frischen, nicht längst ausgelatschten Ideen mangelt. Diese Entwicklung wird hier ziemlich deutlich dokumentiert: „Monsters of MAD 4“ ist eine ziemlich plumpe, kaum originelle Ansammlung von lahmen Strips und zweitklassigen Comic-Erzählungen, bei denen die wenigen Höhepunkte nicht mal mehr sonderlich hervorstechen. Ganz klar: Auf diesem Gebiet gibt es deutlich Gehaltvolleres!

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Novik, Naomi – Drachenbrut (Die Feuerreiter Seiner Majestät 1)

Es klingt auf den ersten Blick ein bisschen nach einer Mischung aus [„Eragon“ 1247 und „Jonathan Strange & Mr. Norrell“, was Naomi Novik uns mit dem ersten Teil ihrer – im Englischen bald zur Tetralogie ausgewachsenen – Trilogie |Die Feuerreiter seiner Majestät| serviert. Das Szenario ist ganz ähnlich wie bei „Jonathan Strange“, denn Noviks Drachen-Reihe spielt zur gleichen Zeit. 1805 befindet sich England mitten im Krieg gegen Napoleon, nur sind es keine Magier, die mit an die Front ausrücken, sondern Drachen. Und das auf beiden Seiten, denn in Naomi Noviks Welt sind die Drachen das Glanzstück der Streitkräfte.

Als Kapitän Will Laurence eine französische Fregatte kapert, deren Fracht ein echtes Drachenei enthält, ahnt er noch nicht, dass seine Zeit bei der Marine ihrem Ende entgegengeht. Wie es das Schicksal nun einmal so will, schlüpft der Drache auf hoher See. Im Leben eines Drachen ist dieser Augenblick stets ein sehr entscheidender. Nur wenn dem Drachen gleich nach dem Schlüpfen ein Geschirr angelegt wird, wird es gelingen, ihn zu zähmen, und derjenige, der dem Drachen sein Geschirr anlegt, wird auf immer seine Bezugsperson sein.

Der Einzige, der die Sympathien des Drachen wecken kann, ist Laurence, und von dem Moment an, als Laurence dem Drachen Temeraire das Geschirr angelegt hat, ist auch schon entschieden, dass er fortan für den Drachen verantwortlich sein muss. Und so wechselt er von den vertrauten Planken seines Schiffes auf den Rücken des Drachen, um fortan auf diese Weise seine Pflicht für die Krone zu erfüllen. Und die kann einen Drachen wie Temeraire gut gebrauchen. Es sieht nicht gut für die Engländer aus im Krieg gegen Napoleon. Ein weiterer Drache ist da Gold wert.

Doch um sich als nützlich erweisen zu können, müssen Temeraire und Laurence erst einmal eine Ausbildung in Schottland absolvieren, wo sie lernen, in Formation mit anderen Drachen Einsätze zu fliegen. Und schon nach wenigen Monaten kommt der große Augenblick für Laurence und Temeraire. Im Kampf gegen die französischen Drachen müssen sie zeigen, was in ihnen steckt, und in Temeraire steckt noch eine ganze Menge, von dem weder Drache noch Flieger etwas ahnen …

Es ist schon eine schöne Fantasygeschichte, die Naomi Novik da aus dem Hut gezaubert hat. „Drachenbrut“ bildet eine vielversprechende Ausgangslage für die beiden folgenden Teile der Reihe.

Laurence ist eine sympathische Hauptfigur. Als sich herausstellt, dass er es ist, der nun sein Leben an der Seite des Drachen verbringen soll, trägt er diese einschneidende Veränderung seines Lebens mit erstaunlicher Fassung. Er weiß, dass sich von nun an alles ändern wird, denn von nun an hat seine erste Sorge stets dem Drachen zu gelten. Unter diesen Bedingungen ein normales Leben mit allen dazugehörigen gesellschaftlichen Verpflichtungen zu führen, ist schlichtweg unmöglich. Und so verwundert es auch nicht, dass Laurence‘ „berufliche Umorientierung“ bei der Familie auf wenig Gegenliebe stößt. Sein Eheversprechen an seine Verlobte ist damit auch hinfällig und Laurence muss schon bald seinen ursprünglichen Lebenstraum begraben.

Doch das nimmt er vermutlich auch deswegen mit so viel Fassung, weil er mit Temeraire einen sehr sympathischen neuen Gefährten an seiner Seite hat. Er genießt es, Zeit mit dem Drachen zu verbringen, und die beiden verbindet schon bald eine innige Freundschaft. Das Leben der Feuerreiter erfordert viele Opfer, aber die besondere Freundschaft zwischen Drache und Flieger birgt eben auch ein ganz besonderes Gefühl.

Interessant ist, wie Novik die Drachen in ihre Welt einbettet. Sie sind ein wichtiger Teil des militärischen Apparates. Zu Zeiten, in denen der Krieg sich immer auf festem Boden oder auf dem Wasser abspielt, markieren die Drachen so etwas wie den Einstieg in den Luftkampf. Und der sieht gar nicht so fantastisch und romantisch aus, wie man sich das bei dem Gedanken an Drachen vorstellen mag. Es gibt eine feste Besatzung von mehreren Personen, die Geschosse abfeuert und über Signalflaggen mit den Besatzungen anderer Drachen kommuniziert. Der Drache mutet da wie ein rustikaler Vorläufer des Kampfflugzeugs an.

Doch auch der Drache selbst muss im Kampf seine Fähigkeiten in die Waagschale werfen. Es kommt nicht nur auf Schnelligkeit, Kraft und Wendigkeit an, viele Drachen haben auch noch eine besondere Fähigkeit auf Lager, die im Kampf von enormer Bedeutung ist. Sie spucken Säure oder Feuer und tragen so nicht unerheblich zum Kampfgeschehen bei.

So hat Novik ausreichend Stoff für fesselnde Schlachtenschilderungen, die sie vor allem in der finalen Schlacht über dem Ärmelkanal zum Höhepunkt des Buches herausarbeitet. Die Luftkämpfe sind absolut spannend und es liegt nahe, warum Herr-der-Ringe-Regisseur Peter Jackson sagt, dass aus diesem Stoff seine Kinoträume wären. Man darf also durchaus gespannt sein, wie dieser Stoff irgendwann einmal filmisch von ihm umgesetzt wird. Es kann eigentlich nur großartig werden.

So richtig auftrumpfen kann Novik mit spannenden Kampfhandlungen allerdings wirklich erst im letzten Drittel des Buches. Die ersten zwei Drittel dienen eher dem Handlungsaufbau. Laurence nimmt nach dem Schlüpfen von Temeraire Abschied vom Seemannsleben und tritt seine Ausbildung in Schottland an. Hier steht eher die beginnende tiefe Freundschaft zwischen Temeraire und Laurence im Vordergrund, genau wie die Grundsätze des Lebens auf dem schottischen Stützpunkt, der Umgang der Flieger miteinander und das vor allem anfangs etwas gespaltene Verhältnis zwischen Laurence und seinen Kollegen.

Typisch gerade auch für die Zeit in der das Buch spielt, sind Etikette und ein bestimmter militärischer Verhaltenskodex von zentraler Bedeutung. Auch Laurence muss sich trotz militärischer Erfahrung erst eingewöhnen und findet unter den Fliegern nicht gleich die Akzeptanz, die er sich später hart erarbeitet. Viele, die auf dem schottischen Stützpunkt arbeiten, warten seit Jahren darauf, Kapitän eines eigenen Drachen werden zu dürfen. Dass Laurence als Außenstehender einfach mit einem eigenen (noch dazu äußerst seltenen und wertvollen) Drachen daherspaziert kommt und ohne Vorkenntnisse seinen Dienst als Kapitän antritt, schürt jede Menge Neid und Missgunst.

Insgesamt baut Novik den Roman ganz gut auf. Auch wenn man sich wünschen möchte, sie würde schon früher an der Spannungsschraube drehen, liest sich der Roman flott herunter und es kommt keinerlei Langeweile auf. Sie entwickelt ihre Geschichte auf ganz eigenständige Art und schafft damit einen Roman, der sich gegenüber anderen Fantasygeschichten abgrenzt und individuell definiert, auch wenn man sich beim Lesen der Inhaltsangabe noch an ein Werk wie Susanna Clarkes [„Jonathan Strange & Mr. Norrell“ 2253 erinnert fühlt.

Am Ende wartet man neugierig und ungeduldig darauf, wie es mit Laurence und Temeraire weitergeht, denn Noviks Finale macht Lust darauf, die Fortsetzung möglichst bald zu lesen. Wie gut, dass der nächste Band schon im August erscheint. So hält sich die Wartezeit in Grenzen.

Bleibt unterm Strich ein positiver Eindruck zurück. Novik entwickelt sympathische Protagonisten und kreiert nach einer ersten Aufbauphase einen absolut spannenden Plot, der Lust auf mehr macht. Man darf gespannt sein, welche Abenteuer sie für Laurence und Temeraire noch aus dem Hut zaubert. „Die Feuerreiter seiner Majestät“ hat das Zeug dazu, eine große begeisterte Leserschaft anzuziehen und sich als eigenständiger Fantasyroman von der Masse anderer Werke des Genres klar abzugrenzen. Auf jeden Fall ein Lesespaß, der Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen begeistern kann und dem man noch viele Leser wünscht.

Der Roman ist derzeit nominiert für den |Hugo Award| (Bester Roman), den |Compton Crook Award| (Bester Debütroman) und den |Locus Award| (Bester Debütroman). Die Autorin selbst wurde für den |John W. Campbell Memorial Award for the Best New Writer| nominiert. Diese Auszeichnung erhielten zuletzt John Scalzi und Elizabeth Bear.

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Straczynski, Joseph Michael / Garney, R. / Aguirre-Sacasa, R. / Crain, C. – Spider-Man 36 (Civil War Tie-in 2)

[Spider-Man 35 (Civil War Tie-in 1) 3601

_Inhalt_

|“Wie ein Bürgerkrieg entsteht … (2 von 6)“|

Alle Welt schaut aufs Weiße Haus, wo nach Tony Stark nun auch Peter Parker das Geheimnis um seine zweite Identität lüftet und sowohl Freunde und Bekannte als auch seine zahlreichen Gegner schockt. Obwohl er sich der Hilfe Iron Mans bewusst ist, werden die folgenden Stunden für den Spinnenmenschen zum Horror-Szenario. Auf den Straßen wird er von Demonstranten und Presseleuten angegriffen, und auch bei seiner Familie findet er keine Ruhe mehr. Als Stark dann auch noch öffentlich ankündigt, dass alle Superhelden, die die morgige Frist zur Registrierung ihrer Geheimidentität nicht einhalten, von ihm, Spider-Man und Reed Richards gejagt werden, beginnt Peter ernsthaft an seiner Entscheidung zu zweifeln. Doch da ist es bereits zu spät …

|“Mein Lehrer ist Spider-Man!“|

Jordan Harrison ist ein Talent im Bereich der Naturwissenschaften und belegt in der Schule den Biologiekurs von Peter Parker; dies jedoch in erster Linie, weil sein heimlicher Schwarm Madeleine Daniels seine Tischnachbarin ist. Seit einiger Zeit macht er sich schon Gedanken, warum dieser so unregelmäßig zum Unterricht erscheint, denn Jordan befürchtet, von seinem Lehrer nicht adäquat gefördert werden zu können. Als dann eines Tages im TV die Nachricht verkündet wird, dass Parker hinter der Maske Spider-Mans steckt, ist Jordan vollends verblüfft. Dennoch reist er zum Ort der Pressekonferenz, um die Enthüllung aus nächster Nähe zu verfolgen. Dass er anschließend auch noch in den Kampf zwischen Dr. Octopus und Spider-Man eingreifen würde, und dies vor den Augen von Madeleine, hätte er sich jedoch zuvor noch nicht träumen lassen …

_Meine Meinung_

Die zweite Episode der auf sechs Teile angelegten „Civil War“-Serie innerhalb der „Spider-Man“-Comics beginnt mit einem regelrechten Knall. Sobald man das Heft aufgeschlagen hat, trifft einen nämlich tatsächlich der Schlag. Es ist nach nunmehr vier Dekaden endlich (oder leider) passiert: Spider-Man lüftet das Geheimnis um seine Maskerade und läutet damit möglicherweise auch endgültig ein ganz neues Zeitalter des |Marvel|-Universums ein. Gleichsam werden Peter Parker jedoch auch die Schattenseiten des plötzlichen zweifelhaften Ruhmes aufgezeigt. Kurz nach dieser überraschenden Enthüllung sieht er sich mit unzähligen Anfeindungen aus den Reihen der einfachen Bevölkerung konfrontiert, von der ein nicht geringer Teil der Spinne sogar an den Kragen will.

Währenddessen baut Tony Stark seine Verschwörung immer weiter aus. Als Rädelsführer einer schier unaufhaltsamen Bewegung klärt er die Fronten zwischen den Superhelden neu ab und spaltet sowohl Helden als auch Schurken in zwei Lager. Dabei hat er sich Spider-Man offenbar zum Spielball gemacht; nach seiner Demaskierung nämlich verfügt Stark, dass Peter zur Einsatztruppe derjenigen gehört, die schonungslos die Verweigerer der neuen Gesetzes jagen wird. Selbst Leuten wie Captain America, die zeit ihres Lebens die Fahne der Gerechtigkeit hochgehalten haben, werden bei Nichtfolgeleistung zu erbitterten Feinden erklärt. Doch genau so hatte sich Peter dieses Szenario nicht vorgestellt.

Inhaltlich nehmen die brisanten Entwicklungen einen sehr dramatischen Lauf. Das Volk und auch die übrigen Superhelden werden aufgehetzt, und die Vorbereitungen für den bereits im Titel propagierten Bürgerkrieg laufen auf Hochtouren. Und indirekt wird auch der Leser mit einbezogen und zur Diskussion angeregt, denn wie auch die Helden des |Marvel|-Universums, kann man über den Gesetzesentwurf geteilter Meinung sein, wobei ein Übergewicht sicherlich zugunsten der Verweigerungshaltung der rebellischen Fraktion herrscht. Insgeheim wünscht man schließlich doch, dass die maskierten Figuren unentdeckt und geheim bleiben, ganz gleich, ob auf anderem Wege innovative Ideen umgesetzt werden könnten. Schließlich hat man dieses oder jenes Geheimnis irgendwie doch ganz für sich allein und will es nicht mehr hergeben. Dass aber ausgerechnet der wohl größte Comic-Held, nämlich Spider-Man, zusammen mit seinem Partner Iron Man den Anfang machen wird, zeigt die Dimensionen, die der „Civil War“ nehmen wird.

Andererseits ist es irgendwie dann doch faszinierend zu sehen, dass tatsächlich die Masken fallen. Wie oft stand Peter Parker schon davor, wie häufig war es nur eine Frage der Zeit, bis das Geheimnis endgültig publik gemacht würde? Und dennoch haben die Autoren immer wieder Mittel und Wege gefunden, das vermeintlich Unvermeidbare zu verhindern – bis heute. Dann schließlich zu sehen, wie Spider-Man vor den Massen steht und seine Maske abnimmt, ist schlichtweg ein sensationelles Bild, das sich definitiv für Jahre im Gedächtnis einprägen wird – zumal vorab noch einmal unmissverständlich erklärt wird, dass es von nun an kein Zurück mehr gibt.

So entwickelt sich auch weiter ein steil ausgerichteter Spannungsbogen, in dessen Verlauf man immer gezielter auf die verheerenden Auswirkungen der hier getroffenen Entscheidungen vorbereitet wird, und der stetig dafür sorgt, dass die Begeisterung über diese revolutionäre Serie weiter anhält. Selbst die Entscheidung, den Plot relativ kurz zu gestalten und eine zusätzliche, ganz nette Story im Umfeld des bevorstehenden „Civil War“ zu schreiben, kann man dem Autorenteam Straczynski/Garney nicht ankreiden, denn auch Letztere gefällt sehr gut. Aufgepeppelt wird die 36. Ausgabe der deutschen „Spider-Man“-Comics schließlich noch mit einem richtig coolen Poster zur gerade gestarteten Serie. Dies ergibt |summa summarum| in Kombination mit den beiden Geschichten ein weiteres Muss für alle Spider-Man-Fans und jene, die es über den „Civil War“ noch werden sollten!

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Berkeley, Jon – gestohlene Lachen, Das (Die unglaublichen Abenteuer von Miles und Little 1)

Der zehnjährige Miles lebt seit seiner Flucht aus dem Waisenhaus in einem Holzfass. Seine besten Freunde sind sein Teddybär Mandarine, den er stets bei sich trägt, und Lady Partridge, eine ältere Frau, die mit ihren hundert Katzen in einem riesigen Baumhaus lebt. Eines Nachts zieht der Wanderzirkus Oscuro in die Stadt. Der neugierige Miles schleicht sich in die Vorstellung und sieht dort die Hochseilnummer eines kleinen Mädchens.

Mitten im Auftritt stürzt die Artistin, doch sie rettet sich auf wundersame Weise durch ihre Flügel – was das Publikum für einen netten Trick hält, ist offenbar tatsächlich Realität. Später beobachtet Miles, dass das Mädchen vom Zirkusdirektor, dem skrupellosen Großen Cortado, gefangen gehalten wird. Es gelingt ihm, die kleine Artistin zu befreien und mit ihr zu Lady Partridge zu flüchten.

Dort erfährt er die unglaubliche Geschichte des Mädchens, das sich „Little“ nennt. Little ist ein Engel, gemeinsam mit ihrem Engelfreund Silverpoint aus den Wolken gestürzt und auf dem Zirkusplatz gelandet. Während Little als Hochseilartistin auftreten musste, wurde Silverpoint in den „Palast des Lachens“ verschleppt, der zum Zirkus gehört. Für Miles und Little steht fest, dass sie Silverpoint befreien müssen. Ein sprechender Tiger hilft den beiden auf ihrer Reise zu diesem unheimlichen Ort, an dem der Große Cortado regiert. Wer hier eine Vorstellung besucht, verliert die Fähigkeit zu lachen und glücklich zu sein …

Mit dem Auftakt zu einer Trilogie versorgt Jon Berkeley alle Freunde des phantastischen Kinderromans mit einem unterhaltsamen Lesestoff, der neugierig auf die folgenden Teile macht.

|Liebevolle Charaktere|

Im Mittelpunkt steht der zehnjährige Miles, ein Waisenjunge, dem nach sieben Versuchen endlich die Flucht aus dem ungastlichen Waisenhaus geglückt ist und der seitdem zufrieden in seinem Weinfass lebt. Sein Leben ist nicht komfortabel, aber annehmbar und sein größter Schatz ist sein geliebter Bär Mandarine, die letzte Erinnerung an die Zeit vor dem Waisenhaus. Wer seine Eltern waren, weiß er nicht, und manchmal stimmt ihn dieser Gedanke traurig. Sein unbekümmertes, neugieriges Wesen macht ihn sofort sympathisch, und für Kinder stellt er schnell eine ideale Identifikationsfigur dar – ähnlich wie Huckleberry Finn lebt er ohne große Zwänge und genießt die Freiheit, eine für Kinder natürlich beneidenswerte Situation.

Die kleine Little sieht zwar aus wie ein süßes Mädchen, doch da sie zum ersten Mal auf der Erde ist, sind ihr viele Dinge fremd, was Miles immer wieder in Verwirrung bringt. Sie kann mit Tieren sprechen und fliegen, unter Wasser atmen und Miles Teddybär Mandarine zu Leben erwecken. Über die Menschen wusste sie bislang nur die Gerüchte, die sich die anderen Engel erzählen – von zweiköpfigen Wesen und pelzigen Gesichtern, von Menschen, die essen, bis sie platzen, und von anderen, die wie Gerippe herumlaufen. Ihre naive und zugleich liebenswerte Art ist nicht immer leicht für Miles zu begreifen, doch schon bald stehen sich die beiden nah wie Geschwister und sie wissen, dass sie nur gemeinsam eine Chance haben, gegen den Großen Cortado zu bestehen.

Eine Reihe von nicht weniger sympathischen und orginellen Nebenfiguren ergänzt die Liste der Charaktere. Da ist die kugelrunde Lady Partridge, die mit ihren hundert Katzen in einem Baumhaus lebt und eine zuverlässige Helferin in schwierigen Lagen ist. Mit Vorliebe lacht sie über ihre eigenen Witze, die außer ihr sonst niemand wirklich komisch findet, aber davon abgesehen, ist sie eine rundum liebenswerte, wenn auch schrullige ältere Dame. Da ist der distinguierte, sprechende Tiger, der Miles und Little auf ihrem Weg zum Palast des Lachens auf dem Rücken trägt, der aber bei jeder Gelegenheit erwähnt, dass sie ihn bloß nicht als Freund betrachten sollen, falls er doch einmal hungrig werden sollte. Und da ist der alte Bolzenglas von Arabien, ein früherer Forschungsreisender und ehemaliger Werber um Lady Patridge, der Miles‘ Expedition mit Begeisterung unterstützt.

|Fantasievolle Details|

Es ist in Grundzügen die Welt, die wir kennen, die im Roman präsentiert wird, doch nach und nach schleichen sich die fantastischen Elemente ein. Den sprechenden Tiger hält Miles zunächst noch für einen Traum, und auch ein Engelsmädchen hat er nie zuvor gesehen, ganz zu schweigen davon, dass er auf einmal die Gespräche auf der Katzenversammlung verstehen kann. Es ist kein reiner Märchenroman, sondern die Grenzen zwischen der unserigen Realität und jener der Fantasy-Details verschwimmen. Immer ist man gespannt darauf, welche skurrile Figur als Nächstes auftauchen mag, welche Hindernisse sich Miles und Little in den Weg stellen oder vom wem sie überraschend Hilfe erhalten – auch wenn von Anfang an klar ist, dass alles ein gutes Ende finden muss. Die Einbindung des Wanderzirkusses sorgt für eine zusätzliche aufregende Atmosphäre mit ihren bunten Gestalten, etwa den netten drei Clowns, die immer durcheinander reden und dabei vom Thema abschweifen, der baumlangen Riesenfrau Baumella und dem geheimnisvollen Zero, einer monsterhaften Mischung, die an an eine Hyänen-Yeti-Kreuzung erinnert.

Der Stil ist ideal für Leser ab etwa 10 Jahren geeignet. Hin und wieder spricht der Erzähler den Leser direkt an, aber so selten und dezent, dass es keineswegs aufdringlich ist. Sehr positiv ist außerdem, dass der erste Teil in sich abgeschlossen ist. Alle wichtigen Fragen werden geklärt und man kann das Buch nach dem Lesen befriedigt zur Seite legen, bis der zweite Teil erscheint. Am Ende werden Andeutungen gegeben, was im nachfolgenden Roman passieren wird, sodass sich der Leser schon mal Gedanken machen kann.

|Nur kleine Schwächen|

Echte Mankos weist das Buch erfreulicherweise keine auf. Allerdings reagieren die Figuren nicht immer ganz logisch. Als Little von ihrem Schicksal erzählt, stellt Miles kaum weitere Fragen, sondern es steht für ihn sofort fest, dass er ihr bei der Suche nach Silverpoint helfen wird. Dabei wäre es naheliegend, sich zu erkundigen, ob Little niemandem aus dem Wolkenreich zu Hilfe rufen kann. Ähnlich verhält es sich bei einer Hilfsaktion gegen Ende des Buches. Anstatt sogleich zu fragen, woher seine Freunde wussten, dass sie zur Rettung herbeikommen mussten, erfährt er die Umstände bloß zufällig und etwas später. Gerade für ungeduldige Kinder, die rasch Antworten auf logische Fragen haben wollen, ist das nicht sehr geschickt konstruiert, fällt aber zum Glück nicht stark ins Gewicht.

Ein wenig schade ist die Eindimensionalität der bösen Charaktere, deren Darstellung längst nicht so originell ausfällt wie jene der Sympathieträger. Vor allem der böse Zirkusdirektor Cortado und sein Gehilfe Dschingis sind recht oberflächlich gezeichnet, knubbelig und hässlich vom Äußeren, Dschingis außerdem sehr beschränkt und naiv. Es fehlt den Bösen vor allem an Zwiespältigkeit und einer etwas geheimnisvolleren Attitüde, die sie interessanter gemacht hätte.

_Als Fazit_ bleibt ein gelungener Auftakt zu einer kindgerechten Trilogie, an der auch Jugendliche und Erwachsene ihre Freude haben können. Obwohl es sich um den ersten von drei geplanten Teilen handelt, ist das Buch in sich abgeschlossen und besitzt ein eigenständiges und befriedigendes Ende. Liebevolle Charaktere, ein leicht verständlicher Stil und märchenhafte Elemente machen den Roman trotz ein paar kleiner Schwächen zu einem spannenden und abwechslungsreichen Lesegenuss.

_Der Autor_ Jon Berkeley, geboren in Dublin, liefert mit „Das gestohlene Lachen“ seinen Debütroman ab, zwei weitere Bände sollen folgen. Zuvor arbeitete er über zwanzig Jahre lang als Illustrator und lebte unter anderem in Sydney und Hongkong. Heute hat er sich mit seiner Familie und seinen Tieren in Katalonien niedergelassen.

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