Die drei ??? – Der tote Mönch (Folge 134)

Folge 134 gehört mit zu den zu den letzten „Drei ???“-Vertonungen des Jahres 2009 aus den EUROPA-Studios. Damit hängen die Hörspiele der Jugendbuchreihe aus dem |Franckh-Kosmos|-Verlag derzeit – „nur noch“ ist man versucht zu sagen – gut 15 Fälle hinterher. Dort ist man nach ziemlich genau 50 Jahren, die es die Serie gibt, zusätzlich an noch einem weiteren Jubiläum angelangt: Für Anfang 2010 steht Fall Nummer 150 („Die Geisterbucht“ von Astrid Vollenbruch) ins Haus. Die Vorlage zu „Der tote Mönch“ liegt indes schon etwas zurück und stammt aus der Feder von Marco Sonnleitner, welcher für gewöhnlich immer für einen Schuss Mystery zu haben ist. Man durfte also gespannt sein, was das Team um André Minninger und Heikedine Körting daraus macht.

_Zur Story_

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Harrison. Colin – Im Schlund des Drachen

„New York, New York“ sang Frank Sinatra einst und der Big Apple hat uns bis heute nicht losgelassen. In seinem Thriller „Im Schlund des Drachen“ nimmt Colin Harrison den geneigten Leser mit auf eine Reise durch die Stadt, die niemals schläft …

Die Chinesin Jin Li leitet in New York die Reinigungs- und Aktenvernichterfirma ihres großen Bruders Chen. Der wiederum nutzt diese auch zu unlauteren Zwecken: Industriespionage. Einige der Akten, die eigentlich nicht für fremde Augen bestimmt sind, werden von Jin Li abgeschöpft und analysiert, um ihrem Bruder Insidertipps für den Aktienhandel nach China zu schicken.

Doch eines Tages kommt man ihr auf die Schliche. Als sie mit zwei Mitarbeiterinnen der Firma abends unterwegs ist, werden die beiden Mexikanerinnen brutal umgebracht. Jin Li kann fliehen, doch sie glaubt, dass der Anschlag ihr gegolten hat und informiert ihren Bruder. Chen kommt sofort nach Amerika, aber nicht um seine Schwester zu schützen, sondern um seine eigene Haut zu retten. Er findet heraus, dass der Ex-Feuerwehrmann Ray Grant in Jin Lis Leben eine große Rolle gespielt hat und zwingt ihn nach seiner Schwester zu suchen. Doch das erweist sich als alles andere als einfach und fordert noch mehr Menschenleben in einem eng verwobenen Geflecht aus finsteren Machenschaften und Gefälligkeiten …

„Im Schlund des Drachen“ weiß eigentlich nicht so genau, was für ein Buch es sein möchte. Ein Thriller oder doch eher eine belletristische Diashow von New York? Harrison versucht beides zu vermengen. Er scheitert nicht daran, aber er wird dem Ganzen auch nicht wirklich gerecht. Das Problem ist, dass die Abschnitte, die er der Beschreibung der Lebenszustände von Arm und Reich in New York widmet, häufig recht lang sind und die Handlung unterbrechen. Davon abgesehen bieten sie teilweise nichts Neues. Man kennt diese Sachen schon aus Filmen oder Büchern, selbst wenn man die Stadt noch nicht besucht hat.

Die Thrillerhandlung wird dadurch in die Länge gezogen. Dadurch, dass die Geschichte außerdem aus der Perspektive mehrerer Personen erzählt wird, fällt es schwer, einen konsistenten Handlungsstrang auszumachen. Man kann natürlich einwenden, dass Harrison die Geschichte einfach in ihrer ganzen Breite darstellen wollte, aber Jin Lis Flucht, Rays Suche, die Aktienprobleme eines alten Mannes, die Ermittlungen von Rays Vater, der Amerikabesuch von Chen und die Probleme einer Führungskraft eines Pharmakonzerns – das ist ein bisschen viel. Es macht die Handlung anschaulich, aber leider zerfällt sie dadurch auch stark, was zu Lasten der Spannung geht.

Die Personen werden trotz ihrer Vielzahl gut eingeführt und Harrison stellt ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen sehr ausführlich dar. Für einen kurzen Moment ist man ihnen ganz nahe und lernt sie gut kennen. Auch wenn der Autor eine gewisse Distanz zu den Figuren aufrecht erhält, sind sie es, die das Buch lesenswert machen. Ihre Originalität äußert sich vor allem durch große charakterliche Tiefe und eine sehr authentische Darstellungsweise, die Harrison packend und mit genau den richtigen Worten untermalt.

Überhaupt hat Harrison ein Händchen für die richtigen Worte. Sein Schreibstil ist flüssig und treffsicher. Das Besondere ist seine Art, die Stadt zu beschreiben. Hier holt er häufig weit aus und wird manchmal fast ein bisschen poetisch, wie ein außenstehender Beobachter, der nicht viel damit zu tun hat, sich aber hinein fühlen kann. Die Handlungselemente, in denen es um den eigentlichen „Fall“ geht, sind hingegen knapper gehalten, was aber nicht unbedingt schlechter bedeutet. Auch sie sind sehr gut geschrieben und wären sicherlich zu einem herausragenden Thriller verschmolzen, wenn Harrison die Handlung etwas kompakter dargestellt hätte.

Dadurch ist „Im Schlund des Drachen“ nicht unbedingt der spannendste Thriller, aber er ist doch recht gut gelungen. Der Schreibstil und die Personen zeigen, was Harrison drauf hat und wieso seine anderen Bücher so hoch gelobt werden.

|Originaltitel: The Finder
Aus dem Amerikanischen von Anke und Eberhard Kreutzer
445 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3426198674|

http://www.droemer.de

Lake, Nick – Im Königreich der Kälte

Wem es in unseren Breitengraden im Winter noch zu warm und unweiß ist, der bekommt mit freundlicher Hilfe von Nick Lake und dem |PAN|-Verlag die Möglichkeit, in die eiskalte Antarktis zu reisen, an der Seite einer wunderbaren kleinen Heldin … „Im Königreich der Kälte“ ist das erste Buch des Autors, doch laut Klappentext sollen weitere folgen.

Light Fitzwilliam ist nicht gerade ein normales Mädchen. Ihr Vater ist ein irischer Adliger und ihre Mutter war eine Inuit. Sie selbst ist ein Albino mit schlohweißen Haaren und heller Haut. Sie lebt in Irland in einem großen Schloss, hat einen eigenen Butler und ein Geist wohnt in ihrer Hauswand. Eines Tages verschwindet ihr Vater bei einer seiner Expeditionen in der Antarktis und wird für tot erklärt. Doch Light ist fest davon überzeugt, dass er noch lebt und dass etwas nicht mit rechten Dingen zu geht.

Als sie nach der notdürftigen Beerdigung ihres Vaters (ohne Leiche) einen Waldspaziergang macht, wird sie von einem Mann fast bis nach Hause verfolgt. Sie kann es sich nicht genau erklären, aber sie hatte das Gefühl, dass der Mann nicht menschlich war. Doch Butler, ihr Vormund, zeigt sich unbeeindruckt – bis sie am gleichen Abend von dem Mann in ihrem Schloss angegriffen werden. Ein merkwürdiges Wesen – halb Eisbär, halb Haifisch – rettet sie. Es heißt Tulipak und Butler scheint sein Freund zu sein. Light hat plötzlich das Gefühl, in etwas sehr Merkwürdiges hinein zu rutschen, doch als sie und Butler beschließen, ein Schiff zu kaufen und in die Antarktis zu fahren, um Lights Vater zu suchen, muss sie feststellen, dass alles noch viel seltsamer wird. Alte Göttinnen, grausame Monster und ein kleiner Eskimojunge – in der schneeweißen, eiskalten Einöde wird das junge Mädchen erwachsen und lernt, dass das Leben mehr ist als in einem riesigen Schloss in einem langweiligen irischen Dorf zu wohnen.

Nick Lake hat mit „Im Königreich der Kälte“ ein selten wunderbares Jugendbuch geschrieben, das auch Erwachsene begeistert. Sein Witz, die tollen Hauptfiguren und die zauberhafte Handlung vor schneeglitzernder Kulisse geben der Geschichte etwas ganz Eigenes, das sie von anderen Büchern dieser Art unterscheidet.

In seinem Buch vermengt Lake Legenden und Geschichten der Inuit mit Fantastischem und einer Handlung, die zwar im Alltag spielt, aber trotzdem etwas Magisches hat. Es beginnt mit der Beschreibung von Lights Schlossleben. Sie hat einen eigenen Butler, eine Köchin und ein Rohrpostsystem in ihrer Behausung. Schon an dieser Stelle überschreitet der Autor die Grenze zwischen realistisch und fantastisch und das zieht sich so durch das ganze Buch. Ohne Berührungsängste packt er alles in seine Handlung, was er finden kann. Doch diese Menge an Personen, Wesen, Schauplätzen und Legenden ist nicht zu viel. Im Gegenteil strukturiert der Autor dies so gut, dass eine spannende Geschichte daraus entstanden ist, voller unvorhersehbarer Wendungen und Überraschungen. „Im Königreich der Kälte“ ist ein reinrassiger Abenteuerroman, allerdings erfreulicherweise ohne dabei andere Abenteuerromane zu kopieren.

So bunt wie die Handlung ist auch der Personenkreis. Auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Jede Figur hat ihre Geheimnisse und Besonderheiten, die ihr Tiefe verleihen. Die Geschichte wird aus Lights Perspektive erzählt, weshalb sie auch im Vordergrund steht. Anfangs wirkt sie wie ein normales, etwas langweiliges Mädchen, aber schnell wird klar, dass nicht nur ihre Umstände sie zu etwas Besonderem gemacht haben. Sie ist mutig und altklug, gleichzeitig sehr liebenswert und clever, doch zu allererst ist sie ein junger Mensch, noch mehr Mädchen als junge Frau. Dies weiß Lake sehr gut darzustellen, indem er den Leser durch eine kindlich-naive Brille schauen lässt, die dem Buch eine ganz eigene Note gibt.

Light hat eine recht ungewöhnliche Erziehung erhalten. Weil sie auf der Dorfschule wegen ihrem Aussehen gehänselt wurde, haben ihr Vater und Butler sie zu Hause unterrichtet. Philosophie, fremde Sprachen, Codes und Überlebenstraining – es ist kein Wunder, dass Light bei dieser Masse an unterschiedlichsten Eindrücken ein bisschen altklug wirkt. Vermengt mit ihrer naiven Weltsicht ergibt sich daraus ein wirklich reizvoller Schreibstil, der häufig an die Einfachheit eines Märchens erinnert. Als ob das nicht schon genug wäre, sprühen die Dialoge außerdem nur so vor Humor, Schlagfertigkeit und Skurrilität. Manchmal verleiten sie nur zum Schmunzeln, manchmal aber auch zu lautem Auflachen.

Alles in allem ist „Im Königreich der Kälte“ das perfekte Weihnachtsgeschenk für Groß und Klein. Light tritt mit ihrer spannenden und fantasievollen Reise in die Fußstapfen von Philip Pullmans „Lyra Belacqua“.

|Originaltitel: The Secret Ministry of Snow
Aus dem Englischen von Sabine Reinhardus
381 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3426283035|

http://www.pan-verlag.de

Palmatier, Joshua – Assassine, Die (Der Geisterthron 1)

Varis ist ein Straßenkind und eine Überlebenskünstlerin. Ihr Zuhause ist ein Loch in einer verfallenen Ruine irgendwo in den riesigen Slums diesseits des Flusses, sie lebt vom Diebstahl und von der Mildtätigkeit eines Bäckers. Bis sie eines Tages einem Assassinen der Regentin begegnet, der ihr anbietet, für ihn zu arbeiten. Varis zögert, doch dann sagt sie zu. Und schon bald verändert sich ihr Leben dramatisch …

Joshua Palmatier erzählt seine Geschichte in der Ich-Form, aus der Sicht von Varis.

Varis ist ein typischer Streuner, flink, scheu, misstrauisch und halb verhungert. Dennoch unterscheidet etwas sie ganz entscheidend von ihrem größten Konkurrenten, den sie auf Grund eines dunklen Flecks im Gesicht Blutmal nennt: Zwar hat auch sie mehr als nur ein Menschenleben ausgelöscht, allerdings macht ihr das Töten durchaus keinen Spaß.

Damit hat sich die Charakterzeichnung auch schon erschöpft. Zwar ist Varis sehr gut und eindringlich gezeichnet, alle anderen Figuren reichen jedoch kaum über Nachvollziehbarkeit hinaus. Varis kann keine Gedanken lesen und keiner der anderen Charaktere fasst seine Gedanken oder Gefühle jemals in Worte. Deshalb hat auch keiner von ihnen eine echte eigene Persönlichkeit, keine Vergangenheit, keine Zukunft. Motive oder Ambitionen werden – wenn überhaupt – lediglich in kurzen, belauschten Gesprächsfetzen vage angedeutet.

Ähnlich eingleisig wirkt zunächst auch die Handlung. Der Prolog erzählt von der ersten Phase der Ausführung eines Auftragsmordes. Und auch die Geschichte selbst fängt gleich als erstes mit einem Mord an. Da Varis‘ Auftraggeber ein Assassine ist, mangelt es auch im weiteren Verlauf nicht an Leichen. Aber das ist es nicht allein: So zurückhaltend der Autor in der Darstellung seiner Nebencharaktere war, so unverblümt ist er in der Darstellung des Tötens. Nicht, dass er es unnötig ausgedehnt hätte, aber er ist durchaus drastisch. Nach Palmatiers Beschreibung ist Töten ein schmutziges Geschäft, und so entspricht Palmatiers Assassine auch nicht dem derzeit modernen Bild dieses Berufszweigs: Keine übertriebenen Fähigkeiten, keine gefährliche, geheimnisvolle Ausstrahlung, keine magische Anziehungskraft. Nur eine blutige Spur, die sich durch die gesamte Geschichte zieht. Die Entdeckung eines Komplotts im zweiten Teil des Buches verleiht der Handlung schließlich ein wenig mehr Vielschichtigkeit, aber auch in diesem Zusammenhang kommt es zu Mord und Totschlag. Fast sieht es so aus, als bestünde das Buch lediglich aus einem einzigen großen Schlachtfest … wären da nicht Varis‘ besondere Fähigkeiten.

Die erste dieser Fähigkeiten ist gar nicht so besonders. Varis kann geistig auf eine andere Ebene abtauchen, in der sie die Welt auf ungewöhnliche Art wahrnimmt. Sie nennt diese Ebene den Fluss. Dort kann Varis an den Farben erkennen, welche Menschen harmlos sind und wer eine Gefahr für sie darstellt. Außerdem befähigt der Fluss sie, Leute extrem deutlich und scharf wahrzunehmen, wenn sie sich auf sie konzentriert. Und offenbar kann sie die Kraft des Flusses auch gegen andere lenken und damit auf sie einwirken. Aber da ist sie nicht die Einzige.
Was dagegen tatsächlich einzigartig zu sein scheint, ist das weiße Feuer, das in Varis schlummert und bei Gefahr erwacht. Was es damit genau auf sich hat, bleibt vorerst unklar.

Dieses weiße Feuer ist es, das letztlich die Geschichte ein Stück aus den Strömen von Blut heraushebt, durch die Varis watet. Das Rätsel darum, wo es herkommt, was es bewirkt und warum es überhaupt immer wieder kommt, lässt erahnen, dass es letztlich doch um mehr geht als nur Würgen und Stechen. Leider bleibt jener Aspekt zunächst so weit im Hintergrund, dass der Leser ihn glatt vergessen könnte, wäre ein Rest der rätselhaften Flammen nicht in Varis hängen geblieben. Erst beim Showdown wird das weiße Feuer plötzlich wieder wichtig.

Der Showdown rückt auch Varis‘ Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Fluss in ein neues Licht. Unübersehbar hat es damit weit mehr auf sich, als es bisher schien. Zusammen mit der Tatsache, dass der Hintermann des Komplotts bisher nicht bekannt ist, ergibt sich daraus ein faszinierender Ausblick auf den nächsten Band.

Mit anderen Worten: Es dauert eine ganze Weile, bis der Autor zur Sache kommt. Allerdings verhindern die sehr lebendige sprachliche Gestaltung und der Ortswechsel zwischen den beiden Teilen des Buches, dass der Leser das Interesse verliert, ehe er den Kern der Geschichte erreicht, obwohl es trotz der vielen Kämpfe erst zum Showdown hin wirklich spannend wird. Wer Action mag, sich nicht daran stört, dass ständig Blut fließt, und ein wenig Geduld aufbringt, dem könnte dieses Buch durchaus gefallen.

Es steckt aber durchaus noch Entwicklungspotential drin. Immerhin hat die überraschende Entwicklung am Ende des Buches eine viel versprechende Ausgangssituation für die Fortführung der Geschichte geschaffen. Da Varis nun keine Assassine mehr ist, hege ich die Hoffnung, dass das Blutvergießen in der Fortsetzung zu Gunsten einiger Intrigen und der Geheimnisse im Hinblick auf die Magie stark in den Hintergrund rücken wird. In dem Fall dürfte der zweite Band wesentlich vielschichtiger und auch interessanter ausfallen als der erste.

Joshua Palmatier ist eigentlich Dozent für Mathematik an der Universität von Oneonta im Staat New York, schreibt aber schon, seit er in der Schule eine fantastische Kurzgeschichte verfassen musste. „Die Assassine“ ist sein erster Roman und der Auftakt zur |Geisterthron|-Trilogie, die auf Englisch bereits komplett erschienen ist. Auf Deutsch erscheint der zweite Band im Januar 2010 unter dem Titel „Die Regentin“. Der Autor schreibt derweil am ersten Band seines nächsten Zyklus.

|Broschiert: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3785760130
Originaltitel: |The Skewed Throne

Friedman, Michael Jan – Star Trek – Next Generation: Tod im Winter

_Das geschieht:_

Nach dem Tod des Klon-Praetors Shinzon befindet sich das Romulanische Reich in Aufruhr. Lange geknechtete Kolonialwelten nutzen die Gunst der Stunde, um gegen die Zentralgewalt aufzubegehren. Tal’Aura, Shinzons Nachfolgerin, sitzt nicht fest im Sattel. Ihre Kritiker will sie durch besondere Regierungsstrenge in Schach halten. Sie hat deshalb ihre Agentin Sela auf den Eisplaneten Kevratas geschickt. Diese soll jene Rebellen, die sich dort ernsthaft zu organisieren beginnen, ausspionieren, damit sie später durch einen gezielten Angriff vernichtet werden können.

In der Umlaufbahn der Erde wird das Föderationsraumschiff „Enterprise“ gründlich überholt, nachdem es im Kampf gegen Shinzon fast zerstört wurde. Captain Jean-Luc Picard hat die meisten Mitglieder seiner bewährten Crew verloren. Nur Sicherheitschef Worf und Chefingenieur Geordi La Forge blieben an Bord. Selbst Dr. Beverly Crusher, Picards große und heimliche Liebe, mustert ab. Sie wurde von der Föderation auf eine humanitäre Geheimmission geschickt. Ausgerechnet auf dem Planeten Kevratas wütet seit vielen Jahren das „Blutfeuer“, eine tödliche Seuche. Die Romulaner interessiert die hohe Sterberate nicht, sodass die Kevrater die Föderation um Hilfe riefen – ein Affront gegen die Regierung, den die Romulaner nicht dulden.

Als Dr. Crusher auf Kevratas eintrifft, wird sie bereits erwartet. Kurze Zeit später gilt sie auf der Erde als verschollen und wahrscheinlich tot. Die Föderation beauftragt Picard, nach ihr zu suchen. An Bord eines Frachtraumschiffs reist er heimlich nach Kevratos. Begleitet wird Picard von Dr. Greyhorse, einem ehemaligen Kollegen Crushers, denn die Seuche soll weiterhin bekämpft werden. Die Romulaner benötigen wiederum nicht lange, um die Neuankömmlinge zu entdecken. Sie eröffnen die Jagd auf Picard und seine Gefährten, die aber deutlich schwieriger zu überrumpeln sind als Dr. Crusher …

_“Nemesis“ und die Folgen_

Der Beinahe-Zusammenbruch des Romulanischen Reiches wurde nicht nur für dessen ehrgeizigen Praetor Shinzon zur Nemesis. Auch das „Star-Trek“-Franchise stand nach dem gleichnamigen Film von 2002 vor dem Kollaps. Ein simpel gestricktes Drehbuch mit einer wenig originellen Handlung sollte durch einen Overkill an Action und Spezialeffekten kompensiert werden. Das widersprach zu allem Überfluss auch dem Geist der „Next Generation“-Serie, die in ihrem vierten Kino-Abenteuer von Spektakel zu Spektakel, von Charakterbruch zu Charakterbruch & von Logikfehler zu Logikfehler hastete.

Während das Franchise im Bereich Film sieben Jahren benötigte, um nach [„Star Trek – Nemesis“]http://www.powermetal.de/video/review-312.html neu Fuß zu fassen, lief das Geschäft mit den Romanen zur Serie (oder besser: zu den Serien) weiterhin gut. Da „tie-in“-Autoren nicht üppig entlohnt werden und die immensen Kosten eines Filmdrehs entfallen, barg der Plan, die „Next Generation“ zumindest im Buch wieder aufleben zu lassen, nur ein überschaubares finanzielles Risiko, aber viele Möglichkeiten.

Über die Planspiele in diesem Zusammenhang informiert Fun-Fiction-Autor und „Star Trek“-Experte Julian Wangler in einem der beiden Nachworte zur deutschen Ausgabe von „Death in Winter“. Mit diesem Roman begann 2005 der Relaunch, durch den die „NG“-Saga elf Jahre nach dem Ende der TV-Serie quasi eine achte Staffel erhielt; eine Prozedur, die das Franchise zuvor mit der Fortsetzung von „Star Trek – Deep Space Nine“ erfolgreich durchexerziert hatte.

_“And now for something completely different …“_

Im „Star-Trek“-Universum geschieht schon sehr lange nichts mehr ohne sorgfältige Vorplanung. Dass ein Franchise die Überraschung als Risikofaktor hasst, liegt in seiner Natur, die es als profitorientierte Geldmaschine definiert. Trotzdem konnte man nach „Nemesis“ und „Star Trek – Enterprise“ nicht einfach weitermachen wie bisher, da die Fans der alten, eher schlecht als recht über die Jahre gebrachten Muster offensichtlich müde waren.

Also wurde die „Next Generation“ einem behutsamen Lifting unterzogen. Was sich in „Nemesis“ ankündigte, wurde umgesetzt: Die klassische Crew der „Enterprise-E“ hat sich fast vollständig in alle Winde des Weltalls zerstreut. Captain Picard muss zentrale Führungspositionen neu besetzen. Er kämpft mit den Problemen, die ihm der Verlust seiner ‚Familie‘ bereitet. Data ist tot, Commander Riker mit Deanna Troi auf die „Titan“ gewechselt. Nur Worf und Geordie La Forge sind ihm geblieben; sogar Beverly Crusher ist verschwunden.

Die komplizierte, seltsame und weder in der TV-Serie noch in den Kinofilmen jemals geklärte Liebesgeschichte zwischen Picard und Crusher – von Julian Wangler in einem weiteren Nachwort rekonstruiert – ist einer der Fixpunkte von „Tod im Winter“. Zweites Standbein ist die Installation einer neuen ‚Familie‘, mit der Picard auf neue Weltraum-Reisen gehen wird, wobei die individuellen Eigenheiten der ‚Neuen‘ die „Star Trek“-typischen Menscheleien garantieren werden. Die Storyline wird in der „NG“-Gegenwart nach Shinzon verankert, denn selbstverständlich giert der Trekkie nach Neuigkeiten aus der Zukunft.

_“The same procedure as every year …“_

Die werden ihm freilich nur tröpfchenweise verabreicht. Der „NG“-Relaunch weist leider nur zu gut bekannte Mängel auf. Mit „Tod im Winter“ startet eine neue Serie. Dieser erste Band ist vor allem Einleitung. Ständig werden große Neuigkeiten – Revolution auf Romulus! Meuterei in der romulanischen Flotte! Die „Enterprise-E“ wird runderneuert! – angekündigt, die jedoch höchstens ansatzweise umgesetzt werden. „Tod im Winter“ bleibt eine 300-seitige Ouvertüre. Der Leser wird auf kommende Bände vertröstet und mit einem x-beliebigen Planetenabenteuer abgespeist.

Denn Beverly Crushers und Picards Odysseen auf dem Eisplaneten Kevratas bilden simple „Star Trek“-Routine, wie wir sie aus mehr als 170 TV-Episoden kennen. Es wird gefangen, geflüchtet, gerauft & in letzter Sekunde entkommen. Die Kevrater bleiben blass bis nichtssagend, ihr gar grausames Schicksal – Seuche & Romulaner-Knute – lässt kalt. Vor dem geistigen Auge des Lesers erstehen dazu die typischen „Star Trek“-Pappkulissen, die von den üblichen, in exotische Lumpen gekleideten und notdürftig maskierten Statisten bevölkert werden.

Auch die politischen Verwicklungen im Romulanischen Imperium drehen sich im Kreis. Tal’Aura, Sela & Co. benehmen sich so eindimensional brutal und gemein, wie es die Romulaner seit jeher zu tun pflegen. Die dabei zelebrierten S/M-Rituale wirken eher lächerlich als erschreckend. Schon immer projizierte „Star Trek“ leicht verfremdete irdische Moralvorstellungen und Glaubensfragen auf pseudo-exotische ‚Außerirdische‘. In „Tod im Winter“ sind es halt Romulanismen, die ermüdend breitgetreten werden, statt endlich so etwas wie eine Handlung in Gang zu bringen.

_Alte Besen kehren – aber nicht gut_

Wie sollte auch ein echter Neuanfang gelingen, wenn ausgerechnet ein Autor wie Michael Jan Friedman angeheuert wird? Friedman gehört zu den Veteranen des „Star Trek“-Franchises. Er schreibt seit zwei Jahrzehnten Romane zu allen bekannten Serien, außerdem Drehbücher und Scripte für „Star Trek“-Comics. Sein zweifellos profundes Hintergrundwissen ließ er darüber hinaus in diverse „Star Trek“-‚Sachbücher‘ einfließen. Kurz gesagt: Friedman weiß, wie das Franchise-Universum funktioniert.

Das macht ihn keineswegs zu einem besonders guten Schriftsteller. Aus Sicht des Franchises ist das sekundär. Wichtiger ist: Friedman wird schreiben, was weder die strengen Trekkies, denen jedes Detail der Gesamt-Saga geläufig ist, noch die ’normalen‘ Leser vor den Kopf stoßen wird. Zudem liefert er prompt und pünktlich. Originalität und Raffinesse gehören dagegen nicht zu seinem Repertoire. „Tod im Winter“ wimmelt von faulen Tricks, mit denen der Verfasser über die Runden kommen will.

So startet Friedman gleich mit zwei Prologen in die Handlung. Er täuscht damit eine Bedeutsamkeit vor, die sich bei kritischer Lektüre als nichtig erweist bzw. Seiten schinden soll. Super-Agent Manathas bleibt trotz des „San Francisco“-Prologs ein Stereotyp, Beverly Crushers Mission auf Kevratas würde bei ersatzloser Streichung des „Arvada III“-Prologs ebenso funktionieren. Die Gastauftritte von Worf, La Forge und Admiral Janeway sind sinnfreies „name dropping“; die alten Kämpen sollen wenigstens erwähnt werden, um nostalgische Alt-Leser zu locken.

Die Liebesgeschichte zwischen Picard und Crusher ist gleichzeitig steif und an Peinlichkeit schwer zu überbieten. Sie drückt aufs Tempo und erschöpft sich in Allgemeinplätzen. Übel ist das angeflanschte und dieser merkwürdigen Liebe gewidmete Finale, das eine entlarvende Mischung aus Klischee und Gleichgültigkeit darstellt.

_Wie kann & wird das weitergehen?_

Nein, „Tod im Winter“ ist alles andere als ein gelungener Start in eine neue „NG“-Ära. Stattdessen passt sich dieses Garn beunruhigend gut in die endlose Reihe der „Star Trek“-Routine-Romane ein, mit denen der |Heyne|-Verlag um 2000 Schiffbruch erlitt, weil sie niemand mehr lesen wollte. Ungeachtet dessen startet der |Cross Cult|-Verlag, bei dem das Franchise eine neue deutsche Heimat fand, eine regelrechte „Star Trek“-Offensive. Immer neue Reihen werden gestartet, kein Monat vergeht ohne die Veröffentlichung neuer Titel. Sollten diese immerhin schön gestalteten, sauber übersetzten und mit informativen Nachworten ergänzten Romane ihr inhaltliches Niveau nicht deutlich steigern, ist es keine Unkerei, das absehbare Ende auch der neuen „Star Trek“-Offensive anzukündigen.

_Der Autor_

Michael Jan Friedman ist einer jener „prose mechanics“, die für die „tie-in“-Produktion unentbehrlich sind, weil sie schnell und billig Lesefutter liefern können. Vor knapp einem Vierteljahrhundert als ‚richtiger‘ Schriftsteller gestartet, ließ sich Friedman schon Ende der 1980er Jahre für das „Star Trek“-Franchise rekrutieren. Seitdem schreibt er nicht nur für alle bekannten Serien, sondern auch für neue, nur in Buchform erscheinende „Star Trek“-Inkarnationen. Darüber hinaus scriptet Friedman „Star Trek“-Comics, verfasst Drehbücher, ‚Sachbücher‘ zum „ST“-Universum sowie alles, was das Franchise für verkäuflich hält.

Dadurch noch längst nicht ausgelastet, stellt Friedman seine flinke, glatte Feder auch anderen Franchises zur Verfügung. Er hat diverse „Marvel“-Helden und -Schurken von Comic- zu Romanfiguren umgearbeitet oder neue Abenteuer von „Lois & Clark“ erdacht. Die simplen, eingefahrenen, routiniert abgewandelten Handlungsmustern folgenden und durchaus lesbaren Romane sind für den raschen Verbrauch bestimmt, Masse ist wichtiger als Klasse. Damit ist Friedmans Werk übergreifend charakterisiert.

_Impressum_

Originaltitel: Death in Winter (New York : Pocket Books 2005)
Dt. Erstausgabe: September 2009 (Cross-Cult Verlag/Star Trek – The Next Generation 1)
Übersetzung: Stephanie Pannen
Cover: Martin Frei
306 Seiten
EUR 12,80
ISBN-13: 978-3-941248-61-8
http://www.cross-cult.de
http://www.startrekromane.de

_Mehr |Star Trek| auf |Buchwurm.info|:_

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[„Star Trek Voyager – Das offizielle Logbuch“ 826
[„Sternendämmerung“ 673
[„Sternennacht“ 688

Téhy / Vax / Vee – Yiu 6 – Der Inquisitor und seine Beute

Band 1: [„Die Armee des Neo-Mülls“ 4289
Band 2: [„Die Auferstehung des Unreinen“ 4290
Band 3: [„Die Kaiserin der Tränen“ 4920
Band 4: [„Der Schwur der Söhne“ 5114
Band 5: [„Operation Geisha“ 5485

_Inhalt:_

Von ihren jüngsten Erfolgen getrieben, erledigt Yiu einen atemberaubenden Auftrag nach dem nächsten und etabliert ihre Position als weltweit beste Profikillerin in gleich drei sagenhaften Demonstrationen. Doch als ihr Auftraggeber erstmals Zweifel am Chefhirn ihrer Organisation in den Raum wirft, scheint die nun folgende Mission aussichtslos. Ausgerechnet Eggor Eden Afschillen, dessen Visionen zu den größten Verbrechen der drei Hauptreligionen geführt haben, wünscht eine persönliche Audienz und bittet Yiu in sein entlegenes Versteck.

Unter größten Vorsichtsvorkehrungen kommt Yiu dieser Bitte nach und stellt dabei entsetzt fest, dass Afschillen niemand Geringerer als ihr grausamer Ausbilder in der Jugendzeit ist. Als ausgerechnet er sie darum bittet, Hand an ihn anzulegen und die Welt davor zu schützen, dass sein Wissen in andere Hände fällt, erklärt sich die Killerin nicht bereit, ihm einen letzten Gefallen zu tun. Doch Afschillen hat vorgesorgt: In seinen Händen befindet sich das Memo-Tech, das die Daten aller Aufträge der letzten Jahre beinhaltet!

_Persönlicher Eindruck:_

Wer bereits Erfahrungen machen bzw. Einblicke in die ersten Ausgaben von Téhys Sciencefiction-Reihe „Yiu“ genießen durfte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass die apokalyptischen Zukunftsvisionen, die hier gezeichnet und in sehr actiongeladene Plots aufgefahrenen werden, nichts für zart besaitete Comic-Liebhaber sind. Téhy und seine beiden Mitstreiter Vax und Vee haben sich allerdings nicht davon abhalten lassen, das bereits bestehende Rahmenkonstrukt noch zu intensivieren und gerade in Sachen Brutalität in der Darstellung noch eins draufzulegen. „Der Inquisitor und seine Beute“ ist nun der vorläufige Höhepunkt einer einerseits bedenklichen, andererseits aber gerade zeichnerisch beachtlichen Entwicklung, die „Yiu“ sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf das illustrative Gesamtbild zu einem echten Grenzgänger werden lässt.

Die Geschichte, die den sechsten Band umspannt, folgt dabei deutlich dem hohen Potenzial der letzten drei Ausgaben. Das Dreigespann arbeitet mit geschickt eingebauten Rückblenden und stellt das derzeitige Dilemma der Hauptdarstellerin gegen die tragischen Ereignisse ihrer Kindheit und reflektiert in beiden Handlungsebenen, wie Yiu erst zu der Person werden konnte, die sie letztendlich geworden ist. Und gerade hier nimmt die Darstellung Züge an, die jegliche Jugendfreigabe verbieten und gerade deswegen nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Massenhaft Blut, Eingeweide, inszenierte, fast schon rituelle Morde und dieses beklemmende Angstgefühl, das sich unbehaglich einnistet und sich auch nicht mehr verdrängen lässt, zeichnen einen an sich sehr interessanten, zuletzt auch spannenden, aber eben nicht gerade zensurfreien Comic. Daher auch hier der gezielte Hinweis, dass selbst eine bis dato schon als sehr brutal eingestufte Reihe wie „Yiu“ diesbezüglich noch nicht an ihre Grenzen gekommen ist!

Auf der anderen Seite ist das Fundament der Erzählung brillant, vielleicht sogar das bislang solideste im ganzen Serienverbund. Die Dramaturgie stößt an immer neue Spitzen, die Vermischung von Vergangenheitsbewältigung und aktuellem Konflikt funktioniert wirklich wunderbar, und da vor allem die Protagonisten hier mit sehr vielen Details entworfen wurden, bekommt die gesamte Story eine noch weitaus eindringlichere Bedeutung zugeschrieben, als ihr brisanter Inhalt ohnehin schon suggeriert. In der finalen Kulmination der Ereignisse brechen schließlich alle Dämme und damit auch die berechtigten Bedenken ob der Schwerpunktverteilung von Effekten und tatsächlichem Content.

Das Resümee stützt sich daher auch in erster Linie auf die hervorragend, insgesamt sehr perfide inszenierte und apokalyptisch untermalte Handlung und bestätigt Téhy in seiner überaus positiven Entwicklung vom ersten Band bis zur aktuellen Episode. „Der Inquisitor und seine Beute“ ist ein starker Sci-Fi-Comic, wenn auch sehr brutal umgesetzt!

|Originaltitel: Yiu, permier missions – L‘ Inquisiteur et la proie
48 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-86869-028-6|
http://www.splitter-verlag.de

Read, Cornelia – Es wartet der Tod

Cornelia Reads erster Kriminalroman [„Schneeweißchen und Rosentot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5079 hat der Autorin viel Lob eingebracht. Mit „Es wartet der Tod“ sollte das nicht anders sein und zwar nicht nur, weil Madeline Dare wieder mit von der Partie ist.

Madeline Dare, eine achtundzwanzigjährige Frau mit ungewöhnlicher Vorgeschichte, ist Lehrerin an einer Privatschule in den Bergen von Massachusetts. Auf der Santangelo Academy sollen kriminelle, drogenabhängige und schwer erziehbare Jugendlichen wieder auf den richtigen Weg geführt werden. Doch die Methoden dazu sind fragwürdig. Dr. Santangelo, der Gründer der Schule, ist ein Exzentriker, der zu sektenartigen Ritualen neigt und der auch von den Lehrern ein völliges Aufgehen in den Regeln der Lehranstalt fordert. Regelmäßige Gruppentherapiesitzungen, Rauch- und Kaffeeverbot sind nur ein Teil dieser merkwürdigen Vorgänge.

Madeline kommen immer mehr Zweifel an der Santangelo Academy, als sie erfährt, dass Mooney und Fay, zwei ihrer Schüler, ein Kind erwarten. Mooney vertraut sich ihr an und erzählt von ihrer Angst, dass Santangelo oder Fays Eltern sie zwingen könnten, das Kind auszutragen, was sie beide nicht wollen und können. Da sie mit Beruhigungspillen voll gepumpt werden, sind die Aussichten, dass das Kind gesund ist, gering und der Ärger wäre auf jeden Fall beträchtlich. Doch bevor sie eine Lösung für das Problem finden, werden die beiden während einer Geburtstagsfeier ermordet. Jemand hat ihre Drinks vergiftet – und dabei auch den von Madeline erwischt und ihr Fays Kette in die Tasche gesteckt. Die Polizei glaubt deshalb, dass die junge Lehrerin in den Fall verwickelt ist, doch das lässt diese nicht auf sich sitzen …

Der englische Originaltitel „Crazy School“ beschreibt das Buch wesentlich besser als die deutsche „Übersetzung“. Cornelia Read bringt den Wahnsinn der Santangelo Academy gekonnt auf den Punkt: Merkwürdige Rituale, psychischer Druck, gestörte Teenager und noch gestörtere Lehrer – ohne Rücksicht auf Verluste schildert die Autorin, wie eine Privatschule aussehen könnte, wie sie sich gibt und was hinter den Kulissen abläuft. Ihre Darstellungen sind so realistisch, dass dem Leser ein Schauer über den Rücken läuft. Viele Elemente erinnern an Gerüchte und Geschichten, die man über Sekten hört, vor allem die Stellung Santangelos. Er wird als Person so unberechenbar und beklemmend geschildert, dass nicht nur Madeline es mit der Angst zu tun bekommt.

Die Handlung ist unglaublich dicht und spannend erzählt. Die Beschreibungen der Schule sind stets kurz, aber sehr intensiv und vieles vermittelt Read nicht über Erklärung, sondern indem sie es in die Handlung integriert. Der Leser erlebt es durch Madelines Augen mit – und zieht seine eigenen Schlüsse, auch was die Morde angeht. Hierbei führt Read den Leser und die Hauptperson gekonnt an der Nase herum. Sie baut Überraschungen, Sackgassen und Action ein, ohne dabei zu stark ins Krimigenre abzurutschen. Insgesamt ist die Handlung nämlich erfreulich belletristisch gehalten. Berichte über den Schulalltag, Schlagabtäusche zwischen Madeline und ihrem Ehemann und Madelines wachsende Ahnung, dass in der Schule etwas nicht stimmt, wechseln sich mit dem eigentlichen Krimigeschehen ab, überwiegen es häufig sogar. Trotzdem hat das Buch keine Längen. Es geht Schlag auf Schlag und ist unglaublich mitreißend.

Das liegt sicherlich auch an der fabelhaften Ich-Erzählerin. Madeline ist alles, was man sich als Leser nur wünschen kann: anders, überraschend, frech, schlagfertig, witzig, unterhaltsam. An dieser Stelle könnten noch eine Menge andere Adjektive stehen und selbst dann würden sie nicht ausreichen, um Madeline zu beschreiben. Von ihrem Wesen her ist sie erfrischend anders, vor allem für einen Krimi. Allein ihr Humor und ihre Schlagfertigkeit sorgen dafür, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Das gilt im Übrigen auch für andere Personen: Amüsante Dialoge sind Reads Steckenpferd. Mit „Es wartet der Tod“ kann man tatsächlich eine Menge Spaß haben. Der Roman sprüht nur so vor Energie, Wortwitzen und tollen Beschreibungen. Hinzu kommt Reads Lakonie, ihre Treffsicherheit bei der Wortwahl und ihr Abwechslungsreichtum.

„Es wartet der Tod“ ist wohl einer der überraschendsten Krimis des Jahres. Eine fantastische Hauptfigur mit viel Humor und eine Handlung, die trotz des großen Anteils an Belletristik unglaublich spannend ist – Cornelia Read sollte man im Auge behalten.

|Originaltitel: Crazy School
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz
337 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423247535|

http://www.dtv.de
http://www.corneliaread.com

Douglas, Tania – Ballonfahrerin des Königs, Die

_Inhalt_

Marie-Provence de Serdaine entstammt einer adligen, königstreuen französischen Familie. Was zu anderen Zeiten sicherlich ein Grund zur Freude gewesen wäre, ist im Paris des Revolutionsjahres 1795 ein Grund, um seinen Kopf zu fürchten.

Marie-Provence nimmt einen anderen Namen an und schafft es durch einige Kunstgriffe, als Hilfskraft bei einem Arzt angestellt zu werden. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass sie tatsächlich etwas verdient – Geld, das sie und ihre versteckten Leidensgenossen gut gebrauchen können: Marie ist nicht die einzige Adlige, die im Verborgenen überlebt hat.

Tatsächlich kommt es der mutigen jungen Frau auf etwas ganz anderes an. Ihre Mutter – inzwischen auf der Guillotine gestorben – hatte sie in glücklicheren Jahren oft mit nach Versailles genommen, wo sie eine besondere Bindung zum Dauphin, zum kleinen Thronfolger, hatte aufbauen können. Der Sohn des enthaupteten Königspaares wird nun unter schmählichen Bedingungen gefangen gehalten, und Marie-Provence, die ihn einst zu beschützen versprach, will einen Weg finden, ihn zu befreien.

Sie war sich der Gefährlichkeit ihres Plans vorher bewusst, doch den Strudel der Ereignisse, in den sie als Arztassistentin hineingerissen wird, hätte sie unmöglich vorhersehen können. Vor allem hätte sie ganz sicher nicht damit gerechnet, ihr Herz zu verlieren – noch dazu an einen Bürgerlichen. Fakt aber ist, dass sie André, dem Tapetenhändler und Ballonfahrer aus Leidenschaft, vollkommen verfällt, ohne jedoch dabei ihr eigentliches Ziel aus den Augen zu verlieren. Es geht darum, einen Jungen zu retten, das ihr am Herzen liegt! Das jedenfalls sagt sie sich, doch die Kreise, die sie unterstützen, sehen im Königssohn nicht das verängstigte Kind, das er ist, sondern den neuen Feldherrn und König. Marie-Provence weiß, dass das absurd ist, und doch muss der kranke Junge dringend aus dem Kerker geholt werden, sonst stirbt er bald. Die junge Frau weiß, dass sie dafür Andrés Hilfe benötigt – und seinen Ballon. Genauso gut weiß sie, dass sie beides aus freien Stücken nie bekäme, und so schmiedet sie einen Plan, der ihre Liebe und den Mann ihrer Träume zu Gunsten eines Kindes verrät …

_Kritik_

Tania Douglas hat sich die Gerüchte, die sich Jahrhunderte lang um das Schicksal des Dauphin rankten, zunutze gemacht und ihre eigene Interpretation geschrieben. Sie verpackt diese Geschichte in die Bilder, die schon viele Menschen faszinierten: Die Bilder des blutigen Terrors auf Frankreichs Straßen, der Hysterie um die Guillotine, des Wahnsinns des immer wiederkehrenden Umsturzes.

Die Beschreibungen des Ballons – von der Herstellung über die Wartung und den Flug bis zur Verwendung für militärische Zwecke – scheinen sorgfältig recherchiert und sind interessant zu lesen.

Allerdings sind mir persönlich ein paar Dinge zu reißerisch dargestellt. Da wäre beispielsweise eine Rettung in letzter Sekunde vor der Guillotine, mit schreiendem Volk und Umfallen-nach-Schlag-ins-Gesicht und allem Drum und Dran – das wäre nicht unbedingt nötig gewesen. Das erinnert eher an das, was italienische Filmemacher der 50er Jahre aus einem Roman machen würden, als an einen Roman an sich.

Und der Kernpunkt der Geschichte – die Befreiung des Thronfolgers von Frankreich mittels Ballon – verlangt mir zu viel Phantasie ab. Vielleicht wurde man als Leser so behutsam wie möglich an diesen Punkt herangeführt, aber holprig war der Weg trotzdem. Es gab einfach viel zu viele wahnsinnige Zufälle dafür, als dass das Ganze als machbar durchgehen könnte.

_Fazit_

Tania Douglas hat einen zugegebenermaßen spannenden und unterhaltsamen Roman geschrieben, der mir aber nicht gefallen hat. Superlativ jagt hier Superlativ, und das ist einfach zu viel. Das schmale Korsett des Buches (einengend wie das an Marie-Provences Abendkleid aus adligen Tagen) ist kaum imstande, all die Handlung einzuschnüren, und so quillt sie an allen Ecken und Enden hervor. Und der Stil ist all dem so angemessen und glatt, dass er mich nicht mit schönen Außergewöhnlichkeiten über diesen Wust aus Geschehnissen hinwegtröstet.

Die Auseinandersetzung mit den Umbrüchen im Frankreich der Revolution habe ich in „Désirée“ von Annemarie Selinko und der „Joséphine“-Trilogie von Sandra Gulland schon schöner gelesen. Wer allerdings jede Menge Action mag und dringend etwas über die Anfänge der Ballonfahrt wissen möchte, der sollte sich an „Die Ballonfahrerin des Königs“ halten.

|Broschiert: 584 Seiten
ISBN-13: 978-3499252525|
http://www.rowohlt.de
http://www.taniadouglas.com

_Mehr von Tania Douglas auf |Buchwurm.info|:_

[„Tanz der Wasserläufer“ 4047

Higgins Clark, Mary – Denn niemand hört dein Rufen

_Inhalt_

Emily Wallace ist aufgeregt: Sie darf tatsächlich die Anklage im Fall von Gregg Aldrich führen, der seine Ehefrau, die berühmte Schauspielerin Natalie Raines, erschossen haben soll. Die junge Frau wirft sich mit aller Kraft in die Arbeit: Noch ist sie Assistenzstaatsanwältin, aber wenn sie jetzt alles richtig macht, dann steht ihrer Karriere ein kräftiger Schub bevor.

Sie hat keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Er stand schon immer unter Verdacht, mit Natalies Tod etwas zu tun zu haben, die sich zum Zeitpunkt ihres Todes von ihm hatte scheiden lassen wollen. Doch man hat ihm nie etwas beweisen können, bis sich jetzt plötzlich, drei Jahre später, ein Zeuge gefunden hat. Kein besonders Vertrauen erweckender Zeuge, zugegeben, aber er hat eine unwiderlegbare Geschichte, die den Angeklagten schwer belastet.

Emily feilt an ihren Verhören und Plädoyers, und es läuft gut für die Juristin, bis der Angeklagte selbst zu Wort kommt. Dann zeigen sich Risse in der glatten Fassade: Kann Emily tatsächlich noch aus ganzem Herzen an die Schuld des Mannes glauben? Widerstrebend gesteht sie sich ein, dass eventuell doch mehr hinter dem Tod der Schauspielerin steckt als Eifersucht – tatsächlich hat sie das Gefühl, dass sich im Dunkeln eine ganz andere Geschichte verbirgt, düsterer, weniger alltäglich, mit Wurzeln, die tief in der Vergangenheit stecken.

Das unheimliche Gefühl, das sie die ganze Zeit über begleitet, stammt allerdings nicht allein von dem Fall her, der ihr über den Kopf zu wachsen droht: Auch in ihrer unmittelbaren Nähe bereitet sich eine Katastrophe vor, die sie keinesfalls kommen sehen kann.

Um Emily zieht sich ein unsichtbares Netz zusammen, und unversehens findet sich die Jägerin in der Rolle der Gejagten wieder …

_Kritik_

Mary Higgins Clark hat zuverlässig einen weiteren unheimlich spannenden Thriller abgeliefert. Trotz verschiedener Perspektiven wird genug Raum für Zweifel jeglicher Art gelassen, und die einzelnen Personen gehen dem Leser jeweils auf ganz eigene Art und Weise ans Herz, genauso, wie die Einblicke in das kranke Gemüt eines Psychopathen unmittelbares Gruseln auslösen.

Clark schreibt stilistisch nicht bombastisch, aber rund und flüssig: Ihre Wortwahl lässt den Leser schnell über die kurzen Kapitel hinweg fliegen, und das ist bei ihrer Art von Buch das einzig Richtige. Schlangensätzen oder komplizierten Konstruktionen kann zwar eine ganz eigene Schönheit innewohnen, aber deren müßige Betrachtung würde bei der atemlosen Spannung, die Clark aufbaut, doch nur hinderlich wirken. Die schnellen Szenenwechsel erhöhen das Erzähltempo und lassen den Leser mit befriedigender Geschwindigkeit auf den Knalleffekt am Ende zu sausen.

Die Charaktere, die diese Autorin erschafft, sind auch in diesem Roman von hoher Glaubwürdigkeit, sowohl mit ihren guten Seiten als auch mit ihren bösen. Und doch kann es immer wieder zur Überraschung kommen, wenn plötzlich eine Maske fällt und sich das Böse in einer vollkommen neuen Form zeigt.

Auch die Art, wie sich zwei Pflanzen des Verbrechens unbemerkt aufeinander zu entwickeln, ohne die jeweils andere wahrzunehmen, bis sich letztendlich ihre Zweige ineinander verstricken, ist wunderschön subtil gelöst.

_Fazit_

Die Lady of Crime hat diesem ihrem Ehrentitel einmal mehr alle Ehre gemacht. „Denn niemand hört dein Rufen“ jagt dem geneigten Leser nicht nur einen Schauer über den Rücken. Man schwankt auch dauernd in seiner Parteinahme und verdächtigt mal diesen und mal jenen.

Mary Higgins Clark gehört zu Recht zu den erfolgreichsten Thrillerautorinnen unserer Tage; es kommt einfach nicht vor, dass eines ihrer Bücher öde, langweilig oder vorhersehbar ist. Auch wird die Vorstellungskraft der Leser nicht überstrapaziert; eher ist es so, dass der jeweilige Fall aus einem Blickwinkel beleuchtet wird, der für alle ersichtlich ist. Dass diese einfachste Lösung aber selten die Richtige ist und sich in den Schatten noch ganz andere Tatsachen verbergen, wird Schritt für Schritt aufgezeigt, und wie sich das Bild dann wandelt, ist immer wieder ein hübsch anzusehender Zaubertrick.

Wenn Sie Thriller mögen, kommen Sie an Mary Higgins Clark nicht vorbei. Vielleicht explodiert hier nicht andauernd etwas, aber das tut der Spannung keinen Abbruch.

|Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
Originaltitel: Just Take My Heart
aus dem Amerikanischen von Andreas Gressmann und Karl Heinz Ebnet
ISBN-13: 978-3453266070|
http://www.randomhouse.de/heyne
http://www.maryhigginsclark.com

_Mehr von Mary Higgins Clark auf |Buchwurm.info|:_

[„Und hinter dir die Finsternis“ 4283
[„Requiem für einen Mörder“ 3108
[„Nimm dich in acht“ 2042
[„Mein ist die Stunde der Nacht“ 1981
[„Hab Acht auf meine Schritte“ 1799
[„Denn vergeben wird dir nie“ 378

Asquith, Cynthia (Hg.) – Schrecksekunden. Aus dem Geisterkabinett der Lady Cynthia Asquith

17 Kurzgeschichten sollen eine Momentaufnahme der ‚modernen‘ Phantastik darstellen, wie sie 1952 gesehen wurde:

|Elizabeth Bowen: Vorwort|, S. 7-10

|Rosemary Timberley: Weihnachtliches Zusammentreffen| („Christmas Meeting“), S. 11-14: An besagtem Feiertag trifft eine Frau einen Geist – oder war es umgekehrt …?

|L. A. G. Strong: Danse Macabre| („Danse Macabre“), S. 15-21: Nach dieser Ballnacht an der Seite einer unirdisch schönen Frau entsagt Lebemann Flanagan schlagartig allen Ausschweifungen …

|G. W. Stonier: Aus den Erinnerungen eines Geistes| („The Memoirs of a Ghost“), S. 22-26: Nach dem Tod wird das Leben nicht unbedingt besser, wie uns diese frustrierte Spukgestalt erläutert …

|Nancy Spain: Die Verwirrung der Schlange McKoy| („The Bewilderment of Snake McKoy“), S. 27-40: In seinem Haus lernt der Schriftsteller eine Mieterin kennen, die schon lange auf die Möglichkeit zum Beginn eines neuen Lebens wartet …

|V. S. Pritchett: Don Juans seltsamstes Abenteuer| („A Story of Don Juan“), S. 41-46: Der große Liebhaber wird in eine gespenstische Falle gelockt, wofür er sich auf die ihm eigene Art rächt …

|Walter de la Mare: Schutzgeist| („The Guardian“), S. 47-61: Einem Nachtmahr entspringt eine zarte aber tragische Liebesgeschichte …

|Rose Macaulay: Die Rehabilitierung des Tiberius| („Whitewash“), S. 62-67: Ein römischer Kaiser frönt auch 2000 Jahre nach seinem Tod perversen Spielchen …

|C. H. B. Kitchin: Die Chelsea-Katze| („The Chelsea Cat“), S. 68-89: Es gibt einen guten Grund, wieso Sammler Mallowbourne die erworbene Porzellankatze buchstäblich wie die Pest zu hassen beginnt …

|L. P. Hartley: W. S.| („W. S.“), S. 90-101: Autor Streeter erhält böse Briefe von einem ebensolchen Leser, und aus den Absendern wird deutlich, dass dieser ihm unaufhörlich näher kommt …

|Mary Flitt: Das Amethystkreuz| („The Amethyst Cross“), S. 102-127: Im einsamen Haus am Moor lebt eine alte Gewalttat um Mitternacht bedrohlich wieder auf …

|Eleanor Farjeon: Spooner| („Spooner“), S. 128-140: Wenig hilfreich ist es, wenn nur die Katze weiß, was den alten Freund nach seinem Tod so unruhig umgehen lässt …

|Evelyn Fabyan: Fliegerangriff bei Nacht| („Bombers‘ Night“), S. 141-152: Die tote Gattin kehrt zurück und fordert die am Traualtar geschworene ewige Liebe ein …

|John Connell: Zurück an den Anfang| („Back to the Beginning“), S. 153-160: Auch für einen modernen Teufelspakt muss der Preis schließlich gezahlt werden …

|Collin Brooks: Eigentum bei Fertigstellung| („Possession on Completion“), S. 161-172: Wenn erst ein Gespenst ein Haus heimisch wirken lässt, kann man notfalls eines erschaffen …

|Elizabeth Bowen: Die Hand im Handschuh| („Hand in Glove“), S. 173-185: Die hartherzige Nichte hätte die Kleidertruhe der wunderlichen Tante nicht gar so heftig plündern sollen, denn diese hat dort eine garstige Überraschung hinterlassen …

|Eileen Bigland: Eine ätherische Erscheinung| („The Lass with the Delicat Air“), S. 186-202: Ein hässliches Eifersuchtsdrama nimmt viele Jahre nach dem Tod der Opfer ein versöhnliches Ende …

|Cynthia Asquith: Ein Grab zu wenig| („One Grave Too Few“), S. 203-219: Das neue Haus hat einen alten Makel: Schwangere Bewohnerinnen werden hier nie alt …

_Eine Bestandsaufnahme zeitgenössischen Horrors_

Die Phantastik unterliegt wie alle literarischen Genres bestimmten Moden, die wiederum an gesellschaftliche Entwicklungen gekoppelt sind. Der frühe Grusel gab sich deshalb gern moralisch; Attacken aus dem Jenseits wurden als ‚gerechte‘ Strafen für Verfehlungen im Hier & Jetzt liebevoll ausgemalt, auf dass die Leser daraus (hoffentlich) lernten, sich an Gesetze und Regeln zu halten.

Spätestens der I. Weltkrieg brachte ein Ende solcher Bigotterie; sie starb zwar nicht aus, aber sie wirkte antiquiert in einer Zeit, die ganz andere Quellen des Schreckens offenbart hatte. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entstand außerdem die Wissenschaft der Psychologie, die sich trotz ihrer Fehler und Anfeindungen behaupten konnte. Die Erforschung des menschlichen Hirns, seiner Funktionen und – für die Phantastik von besonderem Interesse – seiner Fehlfunktionen versetzte der Phantastik einen Energiestoß: Der Schrecken, den bisher pittoreske Gestalten aus dem Totenreich verbreitet hatten, kam nunmehr auf dem Umweg über besagtes Hirn in diese Welt – wenn er nicht sogar ausschließlich dort seinen Ursprung hatte!

Der II. Weltkrieg brachte die Gewissheit, dass der Mensch grundsätzlich keine Gespenster, Vampire oder Werwölfe benötigt, um sich das Leben zur Hölle zu machen; er schafft dies sehr gut allein. Die Geistergeschichte passte sich auch dem an. Sie kappte ihre Wurzeln nicht, aber sie gedieh sehr gut auch im modernen Alltag. Mit „The Second Ghost Book“ wollte (Lady) Cynthia Asquith (1887-1960), selbst Autorin und eine profunde Kennerin der Phantastik, diesen Wandel 1952 belegen. Sie sammelte 20 aktuelle Kurzgeschichten, die den Status der ’neuen‘ Geistergeschichte dokumentieren sollten. Ihr diese Aufgabe zu übertragen, lag nahe, denn Lady Cynthia hatte 1927 herausragende Exempel der klassischen „ghost story“ zu einem ersten „Ghost Book“ zusammengestellt.

_Eine durchwachsene Grusel-Mischung_

Das neue Projekt wurde schon von zeitgenössischen Kritikern nicht durchweg für gelungen gehalten. (Erfolgreich war es allerdings; Lady Cynthia edierte vor ihrem Tod noch ein drittes „Ghost Book“, dann übernahmen andere Herausgeber und führten die Reihe bis 1977 fort; sie umfasst insgesamt – das ist kein Scherz – 13 Bände.) Dafür ist zum einen die schwankende Qualität der aufgenommenen Erzählungen verantwortlich. Die meisten Storys lesen sich unterhaltsam, aber herausragend sind nur wenige. Fatalerweise sind zum anderen viele Geschichten, die sich ausdrücklich ‚modern‘ geben, reichlich misslungen, d. h. langweilig.

Rose Macaulay (1881-1958) setzt auf die Wirkung einer Idee, die nicht so originell ist, wie sie wohl dachte. Walter de la Mare (1873-1956), ein Großmeister der hintergründigen Phantastik, liefert ein ebenso prätentiöses wie lahmes Mini-Drama ab, das bereits die meisten Erstleser nicht berührte, sondern ratlos zurückließ; was sonst von der Literaturkritik gern damit begründet wird, dass besagte Leser dem Künstler intellektuell nicht gewachsen sind, kann hier beim besten Willen nicht geltend gemacht werden. Eleanor Farjeon (1881-1965) stellt mit einer Tiergeister-Mär unter Beweis, wie schlüpfrig der schmale Grat zwischen Rührung und Rührseligkeit ist. Eileen Bigland (1898-1970) und Evelyn Fabyan schlagen (oder stürzen) mit ihren durch den Tod nicht beendeten Liebesdramen in dieselbe Kerbe. Was ‚moderner‘ Grusel sein kann, vermag Collin Brooks (1893-1959) deutlich zu machen. Seine Geschichte vom Jedermann, der dem Wahnsinn verfällt, ist stringent durchkomponiert und verfehlt ihre Wirkung nicht.

Gern endet die ‚moderne‘ Geistergeschichte offen. Der Leser muss sich zusammenreimen, was geschehen ist oder geschehen sein könnte. Nancy Spain (1917-1964) und Leslie Poles Hartley (1895-1972) setzen auf diese Form, doch am besten und gewiss nicht beabsichtigt gelingt ihnen der Beweis, dass man diesen Trick beherrschen muss, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Wie man es besser macht, zeigt Rosemary Timberley (1920-1988) in ihrer nur dreiseitigen Kurzgeschichte.

Interessanterweise wirken vor allem jene Storys gelungen, die sich an die klassischen Vorgaben halten. Clifford Henry Benn Kitchin (1895-1967), Leonard Alfred George Strong (1896-1958) oder Cynthia Asquith selbst legen Geschichten vor, die sehr gut ins erste „Ghost Book“ gepasst hätten. Die ‚alte‘ Geistergeschichte fasziniert offensichtlich trotz ihrer antiquierten Formen zuverlässiger als die betont gegenwärtige Phantastik – und so ist es geblieben, denn die erwähnten Erzählungen stechen auch im 21. Jahrhundert noch positiv hervor. Auch hier kommt es freilich auf das individuelle Talent an: Die an sich sehr stimmungsvolle Gruselmär von Mary Flitt leidet unter ihren Abschweifungen und einem unnötigen Perspektivensprung, der die Unmittelbarkeit des Geschehens negiert.

_Geister können komisch sein_

Schrecken und Humor scheinen einander auf den ersten Blick auszuschließen. Doch das „befreiende Gelächter“ gehört zur Geistergeschichte, die ihre Wirkung durch wohl dosierten Witz erstaunlich erhöhen kann. George Walter Stonier (1903-1985) amüsiert mit dem ungewöhnlichen Blick eines ‚Insiders‘ auf das Jenseits, das hier ebenso schrecklich wie vergnüglich prosaisch erscheint. Victor Sawdon Pritchett (1900-1997) parodiert die klassische Don-Juan-Sage; er bewahrt ihren Duktus und verschneidet sie geschickt mit einer durchaus klassischen Geisterstory, die einen für alle Beteiligten ungewöhnlichen Verlauf nimmt. John Connell interpretiert die alte Geschichte vom Pakt mit dem Teufel formal wie stilistisch nicht nur sehr zeitgemäß, sondern befleißigt sich dabei eines trockenen und sardonischen Humors. Elizabeth Bowen (1899-1973) erzählt eine Geistergeschichte, deren Auflösung wenig schlüssig erscheint. Der Reiz des Erzählten beruht auf einem hinterlistigen Unterton, der das Geschehen wirkungsvoll konterkariert.

Letztendlich erweist sich „Schrecksekunden“ ungeachtet des hehren Anspruchs als Sammlung nur bedingt gelungen. Nach mehr als einem halben Jahrhundert müssen und können die Geschichten für sich selbst bestehen – oder auch nicht. Anthologien sind stets wie Wundertüten: Der Inhalt kann sowohl überraschen als auch enttäuschen. In diesem Fall überwiegen – knapp – die erfreulichen Entdeckungen.

PS: Von wegen „ungekürzte Ausgabe“, wie im Impressum behauptet wird! Es fehlen in der deutschen Fassung drei Storys der Originalausgabe: „Autumn Cricket” (von Lord Dunsany), „Captain Dalgety Returns“ (von Laurence Whistler) und „The Restless Rest-house“ (von Jonathan Curling).

_Impressum_

Originaltitel: The Second Ghost Book (London : J. M. Barrie 1952) bzw. A Book of Modern Ghosts (New York : Charles Scribner’s Sons 1953)
Übersetzung: Jeannie Ebner
Dt. Erstausgabe: April 1973 (Fischer Verlag/TB Nr. 1348)
219 Seiten
ISBN-13: 978-3-596-21348-1
http://www.fischerverlage.de

Nassise, Joseph – Schattenseher, Der (Die Hunt-Chroniken 1)

_Kurzinfo_

|»Mein Name ist Hunt, Jeremiah Hunt. Seit meine kleine Tochter verschwunden ist, bin ich auf der Suche nach ihr. Die Polizei hat ihre Ermittlungen längst eingestellt. Aber ich werde niemals aufgeben. Und ich bin bereit, alles zu tun!«

Wer ihm auf der Straße begegnet, hält Jeremiah Hunt für einen Blinden. Doch dieser Eindruck trügt: Er hat bei einem geheimen Ritual zwar sein normales Augenlicht verloren, doch nun kann er sehen, was den Menschen verborgen bleibt: die Geister der Toten, die sich noch nicht von den Lebenden trennen können, die Hexen und magischen Geschöpfe, die unerkannt unter uns leben.

Endlich findet Hunt so auch eine Spur, die ihn vielleicht zu seiner Tochter führen wird – oder in den Tod …| (Verlagsinfo)

_Vorbemerkungen_

Das Wesentliche bleibt dem Auge oft verborgen: Wie oft verspürt man im Leben ein Gefühl von Kälte und Beklommenheit, ein Gefühl des Beobachtetwerdens, und vermag doch niemanden zu sehen? Besonders geeignet sind für solche Momente die stillen Plätze für solche unheimlichen Gefühle, der eigene Keller oder Dachboden, die Stille im Park oder im Wald oder die atmosphärisch dichte, unheimliche Aura eines Friedhofes.

Gibt es eine andere Dimension die wir mit unseren sechs Sinnen nicht wahrnehmen können und die praktisch neben uns existiert? Zählen Geister, Gespenster und andere Schattenwesen zu unseren Nachbarn und können uns direkt oder indirekt beeinflussen? Ist dort die Vorstufe zum Himmel oder zur Hölle? Gibt eine Möglichkeit für uns Sterbliche, diese Welt zu betreten oder wenigstens zu sehen? Die Gefahr besteht, dass uns ein Blick hinter diesen Vorhang mehr als nur den Schlaf rauben könnte …

Im |PAN|-Verlag ist das neueste Buch von Joseph Nassise erschienen: „Die Hunt-Chroniken – Der Schattenseher“. Der vorliegende Roman wird ist der vielversprechende Auftakt zu einer Buchreihe um den „Geisterseher“ Jeremiah Hunt.

_Inhalt_

Jeremiah Hunt ist fast blind, aber nicht von Geburt an mit diesem Handicap aufgewachsen: Bei einen alten Ritual hat er sein Augenlicht für die Gabe geopfert, Gespenster, Dämonen und die Geister der Verstorbenen sehen zu können. Manchmal ist dies für den ehemaligen Professor Fluch wie auch Segen.

Vor fünf Jahren verschwand seine Tochter Elizabeth spurlos aus dem Haus, und Hunt gibt sich selbst die Schuld daran, da er zwar daheim, aber in seine Arbeit vertieft war und seine Tochter nicht schützen konnte. Verzweifelt konzentriert sich Hunt darauf, seine Tochter zu finden; seine Ehe und sein Beruf bedeuten ihm nicht mehr viel, und er droht an seiner Schuld zu zerbrechen.

Hunts Hoffnungen, seine Tochter lebend zu finden, schwinden zusehends; er sucht Magier, Wahrsager und manch anderen obskuren Weg, bis ein geheimnisvoller Mann von einer neuen Möglichkeit spricht. Durch ein magisches Ritual verliert Hunt sein Augenlicht, doch erhält er im Gegenzug die Gabe, die Geister der Toten und andere Wesen zu sehen. Die alptraumhaften Wesen und Monster aus Märchen, Legenden und Filmen werden zur morbiden Realität und drohen ihm anfangs den Verstand zu rauben.

Hunt entwickelt seine Gabe weiter und wird zum inoffiziellen „Geisterjäger“ und Spezialisten für übernatürliche Phänomenen. Neben privaten Aufträgen, die er natürlich gegen Bezahlung annimmt, hilft er ebenso den örtlichen Polizeibehörden. Ihm zur Seite stehen die zwei Geister „Scream“ und „Whisper“, die ihn schützen oder ihm auch bei Bedarf helfen. Warum, das bleibt Hunt allerdings verborgen.

Als Hunt von der Polizei gebeten wird, sich einen Tatort „anzusehen“, wird ihm sehr schnell klar, dass der Mörder kein Mensch gewesen sein kann und dieser willkürlich Spuren hinterlässt, die nur Hunt deuten kann – eine Falle oder ein Hinweis auf das Verschwinden seiner Tochter?

Nach weiteren Morden und mysteriösen Spuren bleibt Hunt nichts anderes übrig als sich mit der Hexe Denise Clearwater anzufreunden, denn diese Morde verlangen seine ganze Aufmerksamkeit, wenn er am Leben bleiben will …

_Kritik_

„Der Schattenseher“ ist ein sehr spannender und packender paranormaler Thriller mit hohem Unterhaltungswert. Joseph Nassises Stil ist tempo- und abwechslungsreich, so dass es keine erzählerischen Klippen gibt, an denen sich die Geschichte lange aufhält. Da der Roman bereits in den ersten Kapiteln zeigt, was auf den Leser zukommt, wird Hunt als Hauptfigur viel Zeit gegeben, seiner Person Form zu verleihen. Aber nicht nur ihm, sondern auch weiteren menschlichen, (un-)toten und übernatürlichen Protagonisten. Hunts Welt ist mit unserer nicht zu vergleichen, denn er sieht und spürt, was uns verborgen bleibt, und das sind nicht nur die Geister der Toten, sondern auch Dämonen, Engel, Hexen und Magier, die unerkannt unter uns leben und versuchen, positiven wie auch negativen Einfluss auf unser Leben zu nehmen – sei es aus purer Boshaftigkeit, aus Zeitvertreib oder weil es einfach ihr Wesen ausmacht.

Der Roman ver- und bezaubert durch die Perspektive Hunts. Seine Welt sieht er mit den Augen eines Toten, und dadurch erschließt sich ihm eine Dimension, die für den Leser faszinierend ist. Gerade die relativ kurzen Kapitel bringen Schwung in die Sache, denn die Rückblenden in die Vergangenheit Hunts und zum Verschwinden seiner Tochter wechseln sich unterhaltsam mit der Gegenwart und ihren Morden ab.

Auch wenn sich alles um Hunt dreht, so sind die Geistwesen so zahlreich und interessant beschrieben, dass sie ihn fast in den Schatten stellen. Die Beschreibungen dieser übernatürlichen Kreaturen wie beispielsweise „Scream“ und „Whisper“ sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch stimmig und gekonnt in die Story eingestreut, so dass der Leser schnell feststellen wird, dass hier ein Rädchen in das andere greift.

Denise Clearwater, die taffe und erfahrene Zaunhexe, war schon in „Die Chroniken der Templer“ in einer Nebenrolle zu erleben, nun tritt sie eindeutig neben Hunt in eine offensivere Position, die ihr auch Gelegenheit geben wird, sich zu behaupten.

Viele vom Hintergrund wird bereits im Verlauf der Handlung deutlich und tritt aus dem Schatten heraus ans Licht, doch einige Fragen bleiben offen und bieten die Grundlage für weitere Bände. Doch nicht alle Charaktere wird man in den nächsten Teilen wiedersehen, denn auch wenn es sich um einen ‚magischen‘ Thriller handelt, so wird es auch Verluste unter den Protagonisten geben – wie endgültig dies in einer Geisterwelt ist, wird sich noch zeigen.

Wenn Geister oder überhaupt magische Wesen in einer Geschichte vorkommen, so fragt man sich natürlich schon, wie es sich mit den Grundgedanken zur Religion und zum mythologischen Überbau verhält, aber bislang umgeht der Autor das Thema bewusst. Die Gestalt eines „Gottes“ hat im vorliegenden Roman keinen Platz, auch das Leben nach dem Tod wird metaphysisch nur angerissen, aber nicht erklärt oder mit Theorien zu deuten versucht. Ursprung, Eigenschaften und Persönlichkeiten von Geistern hingegen werden plausibel präsentiert.

_Fazit_

„Die Hunt-Chroniken: Der Schattenseher“ hat mich als Leser absolut überzeugt. Neben einer ‚geistreichen‘ Handlung bietet der Roman viel an Spannung und Abwechslung mit einer ungemein dichten Atmosphäre und interessanten Charakteren, die viel Potenzial für weitere Bände mitbringen.

Als einziger Negativpunkt ist vielleicht anzumerken, dass das Tempo den einen oder anderen Leser überfahren könnte. In jedem Fall wird sich der Leser auf den nächsten Teil freuen, um einen weiteren Blick hinter den Spiegel unserer Realität zu werfen.

Mit „Die Hunt-Chroniken: Der Schattenseher“ hat Joseph Nassise mich in geistreicher Weise überzeugen können. Vielleicht werden Geister und Gespenster die nächsten Trendfiguren der Urban Fantasy.

_Der Autor_

Joseph Nassise, geboren 1968 in Boston, Massachusetts, ist der erste Autor, der in einem Jahr sowohl für den International-Horror-Guild- und den Bram-Stoker-Award nominiert wurde. Nach seiner Thriller-Trilogie „Die Chroniken der Templer“ – bestehend aus „Der Ketzer“, „Der Engel“ und „Die Schatten“ (bei |Knaur| erschienen) – kommen nun „Die Hunt-Chroniken“ bei |PAN|. Nassise lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Arizona. (Verlagsinfo)

|Aus dem Englischen von Heike Holtsch
349 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-426-28304-2|
http://www.pan-verlag.de

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Mayall, Felicitas – Stunde der Zikaden, die

_Inhalt_

Laura Gottberg, Münchner Kommissarin und Mutter zweier Halbwüchsiger, kann ihr Glück noch kaum fassen: Zwei volle Wochen kann sie nun einzig und allein mit Commissario Angelo Guerrini verbringen. Trotz aller Unwägbarkeiten haben die beiden viel beschäftigten Polizisten es geschafft, gleichzeitig Urlaub zu bekommen. Und den wollen sie zusammen verbringen: Es ist das erste Mal in ihrer inzwischen zweijährigen Beziehung, dass sie sich so lange Zeit am Stück sehen.

Angelo hat Laura mitgenommen in das Ferienhaus seiner Kindheit. Es liegt in einem noblen Resort an der toskanischen Küste, und Angelo fällt erst vor Ort auf, dass die Idee vielleicht nicht perfekt war: Die eine oder andere unschöne Erinnerung an seine Kindheitsferien kommt wieder hoch – ob es tatsächlich so gut ist, Laura dabeizuhaben? Er will sie ja nicht verschrecken.

Ehe Guerrini entscheiden kann, wie er mit den metaphorischen Leichen aus seiner Vergangenheit umgehen soll, trifft Laura beim Schwimmen auf eine tatsächliche. Guerrini explodiert: Er hat Urlaub und will nichts mit dem Toten zu tun haben! Doch als der ihm tatsächlich den Gefallen tut zu verschwinden und einer der Resortwächter gleich mit ihm, ist auch Guerrini klar, dass sie nun nicht mehr so tun können, als sei nichts passiert.

Ohne Anhaltspunkte strecken Angelo und Laura ihre Fühler aus, einzig geleitet von jahrzehntelang geschultem polizeilichen Instinkt, und tappen blindlings in ein Spiel hinein, das eine Nummer zu groß für sie ist und in dem ein Menschenleben nicht viel zählt.

Als der geheimnisvolle Fall dann auch noch Verbindungen zu Angelos weniger schönen Jugenderinnerungen aufzuweisen beginnt, ist der Urlaub wirklich völlig im Eimer: Der Commissario muss fürchten, dass der Fall seine Fangarme bis in seine eigene Familie hinein ausgestreckt und Narben hinterlassen hat. Zum Glück hat er Laura dabei, die bereit ist, mit ihm Schulter an Schulter bei Bedarf auch das organisierte Verbrechen herauszufordern …

_Kritik_

Felicitas Mayall hat mit der Beschreibung des Resorts einmal mehr Großes geschaffen: Wie sie die oberflächliche Schönheit beschreibt, die doch so trügerisch ist wie Treibsand, das ist ganz wunderbar gelungen. Die Atmosphäre, die ständig zwischen beschaulich und bedrohlich schwankt, ist ebenso gut herausgearbeitet wie die Stimmung zwischen Laura und Angelo, die sich so gern öffnen wollen und es doch nur unter Schwierigkeiten schaffen, bedrängt von äußeren Einflüssen und inneren Bedenken.

Auch die beschränkte Zahl der Personen vor Ort, die alle – durch die Urlaubssituation? Oder aus düstereren Gründen? – seltsam unwirklich erscheinen, lädt die Spannung noch auf. Wer von ihnen ist ein Verbrecher? Ist noch ein Ermittler vor Ort? Wo ist dieser Wachmann? Welche Rolle spielt der einsiedlerische alte Dichter, der fast das ganze Jahr hier verbringt? Und lässt Angelo sich in seinem Verdacht von alten Antipathien leiten oder steckt hinter seiner lebenslang gehegten Abneigung mehr?

Ein feines Netz aus Fragen legt sich um die gemeinsamen freien Tage der beiden Kommissare mittleren Alters und zwingt sie, ihre moralischen Pflichten und Ansichten neu zu beleuchten, so dass der Fall auf einer weiteren, tieferen Ebene die Erforschung des eigenen Selbst bedeutet – während direkt daneben die geliebte Person dasselbe tun muss. Werden sie mit den Antworten leben können?

Viele dieser Fragen benötigen eine behutsame Antwort, und umso größer ist die Überraschung, wenn die beiden Protagonisten einen krassen Angriff mit einer ähnlich heftigen Handlung reagieren – aber es ist so verflixt gut gemacht!

_Fazit_

Felicitas Mayall ist eine außergewöhnliche Stimme im vielfältigen Chor deutscher Kriminalautorinnen. Sie ist eine Meisterin im Erschaffen und Vermitteln von Atmosphäre, und sie macht es dem Leser dadurch leicht, sich mit ihren Büchern vollständig aus dem Alltag zu verabschieden. Wie schon ihre vorherigen Werke, kann ich auch „Die Stunde der Zikaden“ jedem Krimileser ans Herz legen – und jedem, der die Darstellung einer halbwegs realistischen, zögerlichen Liebe zu schätzen weiß, an der gearbeitet wird. Und jedem, der sich gern von Beschreibungen gefangen nehmen lässt. Und – ach Himmel, eigentlich gibt es keinen Grund, aus dem irgendwer es nicht lesen sollte. Tun sie’s einfach, Sie werden es nicht bereuen.

|Gebundene Ausgabe: 398 Seiten
ISBN 13: 978-3463405513|
http://www.rowohlt.de

_Mehr von Felicitas Mayall auf |Buchwurm.info|:_
[„Hundszeiten“ 6009

Handeland, Lori – Asche (Die Phoenix-Chroniken 1)

_Inhalt_

Elizabeth Phoenix weiß schon als junges Waisenkind, dass sie anders ist als andere: Sie braucht einen Gegenstand nur zu berühren, und schon sieht sie vor ihrem inneren Auge Dinge, die den Besitzer betreffen. Sie stellt ihre Fähigkeiten der Polizei zur Verfügung, scheidet jedoch aus dem Dienst wieder aus, als sie den Tod ihres Partners nicht hat kommen sehen.

Eher schlecht als recht schlägt sie sich als Kellnerin durch, stets darauf bedacht, nicht aufzufallen. Sie hält sich für einen Freak, ein Monster. Dann kommt jedoch der Tag, an dem ein dringliches Gefühl sie zu Ruthie, ihrer Pflegemutter, treibt. Sie findet die alte Frau schrecklich zugerichtet in ihrem Haus vor. Sterbend murmelt Ruthie, dass jetzt die letzte Schlacht begänne – und dann ist nichts mehr wie zuvor.

Viel zu schnell und zu harsch erfährt Elizabeth, dass ihre ewig unterdrückte Gabe ein Segen ist und kein Fluch: Sie soll die Kräfte des Lichts in die letzte Schlacht führen, als neue Seherin und als Anführerin. Leider ist sie überhaupt nicht vorbereitet. Und auf dem Weg zur möglichst eiligen Erweckung aller noch schlummernder Talente begleiten sie Gestalten, mit denen sie nie wieder zu tun haben wollte: Jimmy, die Liebe ihres Lebens, außerdem dreckiger Verräter und Fremdgänger, und Sawyer, ein Navajo-Mystiker, bei dem sie einige Sommer verbrachte und der sie immer mit Angst erfüllt hatte. Sie erfährt über die beiden Männer Dinge, die sie nie hatte wissen wollen und die für sie die Frage aufwerfen, wem sie – verdammt noch mal! – denn überhaupt noch vertrauen kann.

Es ist eine wilde, unbekannte, blutrünstige Welt, in die Elizabeth geworfen wird, und sie ist so gut wie gar nicht gewappnet. Das Böse allerdings wartet nicht höflich, bis der Gegenspieler ausgelernt und die Rüstung angelegt hat: Es springt sie aus dem Dunkeln an, und Elizabeth muss wohl oder übel zeigen, was in ihr steckt.

_Kritik_

„Ich wollte seinen Tot“, „Am liebsten hätte ich sie ihr einen nach dem anderen herausgerissen. Die Nägel nicht die Finger“ – Das sind nur zwei der unzähligen Stilblüten, die vor meinen ungläubigen Augen aus dem Roman in die Höhe wuchsen. Okay, das sind Übersetzungsfehler, aber man glaube mir: Der Rest tut auch weh. Lori Handeland ist ein Phänomen: Ganz offensichtlich benutzt sie Sprache ausschließlich als Gerüst für Dinge, die sie sagen möchte. Sie schreibt, wie andere Leute sprechen. Und damit meine ich nicht, dass sie das kunstvoll tut, so wie etwa Alice Walker in „Die Farbe Lila“, damit meine ich, dass sie offenbar keine Zeit verloren hat: Sie hat zu Papier gebracht, was sie erzählen wollte, so hart und rau und krumpelig, wie es eben kam, und das war’s dann. Wenn da an irgendeiner Stelle nachgebessert wurde, dann will ich nicht wissen, wie das Ganze vorher ausgesehen hat. Der Roman hat keinen Hauch von Seele, keine Atmosphäre, kein Leben, und meiner Sprachwissenschaftlerseite hat er mehrfach schmerzhaft ins Gesicht geschlagen.

Mal kurz zusammengefasst: Übersinnliche Kräfte, Blut, Erektion, Schlägerei, Erektion, Sex, Blut, übersinnliche Kräfte, Fluchen, Prügeln, ErektionBlutSexsklavinTodTodBlutStänder. Herzlichen Dank dafür. Hier hat jemand die dürftige Umhüllung vom Ende aller Tage genommen, sie mit ein paar Werwölfen und Vampiren beworfen und sie bis zum Rand mit unappetitlichen Sexszenen gefüllt. Ich habe gegen Sexszenen nicht das Geringste einzuwenden, aber doch bitte mit einem Hauch von Geschmack, ja? Abgesehen davon häufen sich hier blöde Fehler, die beim zweiten Drübergucken sofort ins Auge gefallen wären, etwa, was Beschreibungen der Protagonistin angeht oder zeitliche Abläufe betrifft.

_Fazit_

Wenn Sie billiger Vampirpornographie nachjagen, dann ist Ihre Suche hier am Ende. Dann können Sie sich auch auf die Fortsetzungen freuen, denn „Asche“ ist der erste Teil der „Phoenix-Chroniken“. Sollten Sie jedoch auch an Fantasyromane irgendeine Form von Anspruch stellen, dann gehen Sie weiter, denn dann gibt es hier nichts zu sehen. „Asche“ war inhaltlich fade und hat mich stilistisch entrüstet. Der Zeitverlust macht mich regelrecht wütend. Arrrrr!
Ich wasche mir jetzt die Augen, und dann lese ich ein gutes Buch.

|Broschiert: 331 Seiten
ISBN-13: 978-3802582349
Originaltitel: Phoenix Chronicles Any given Doomsday
Aus dem Englischen von Petra Knese|
http://www.egmont-lyx.de
http://www.lorihandeland.com

_Mehr von Lori Handeland auf |Buchwurm.info|:_

[„Wolfskuss“ 5012 (Geschöpfe der Nacht 1)
[„Wolfsglut“ 5964 (Geschöpfe der Nacht 3)

Katharina Siegers – Die Weihnachtsgeschichte

Das Weihnachtsfest naht mit immer schnelleren Schritten, so scheint es zumindest uns Eltern, die wir für unsere Kleinen auf der Suche nach den passenden Geschenken sind. Wenn die Kinder schon das dritte Lebensjahr erreicht oder überschritten haben, stellt sich für viele Eltern die Frage, wie man ihnen kindgerecht die Herkunft des Weihnachtsfestes erklärt und warum es an diesem Tag Geschenke für alle gibt. Und spielt in einer Familie der christliche Glauben keine wesentliche Rolle, so ist es jetzt dennoch an der Zeit, zumindest die Sage um Jesu Geburt zu erwähnen – ist doch das Christentum noch immer in keiner Weise aus unserer Gesellschaft wegzudenken. Bei |Coppenrath| erschien unlängst ein Bilderbuch, das sich des Themas spielerisch annimmt:

_Das Buch_

Als fester Bestandteil unserer Kultur ist die Weihnachtsgeschichte weithin bekannt: Maria und Joseph wandern mit einem Esel von Nazareth nach Bethlehem, um sich zwecks Volkszählung in die Steuerliste ihrer Geburtsstadt (in diesem Falle Josephs) eintragen zu lassen. Maria ist hochschwanger, doch sind die beiden so mittellos, dass sie nach ihrer Ankunft keine Unterkunft finden – außer in einem Stall. Dort gebärt Maria ihr Kind, das sie Jesus nennt und in die Krippe bettet.

Ein geschweifter Stern kündet von dieser Geburt und führt drei Könige aus dem Morgenland, Hirten mit ihren Herden und Tiere des Waldes an die Krippe, wo sie ihre Geschenke darbringen.

_Die Krippe_

Zweiter Bestandteil des Produkts ist eine aus fester Pappe gestanzte Krippe mit gleich gearbeiteten Figuren. In spielerischer Form kann man den Kindern die Geschichte erzählen oder vorlesen und gleichzeitig vorspielen, wenn sie Letzteres nicht selbst übernehmen. Und so ergibt sich schließlich das Krippenbild aus den Figuren und kann eine Bereicherung für die Weihnachtsdekoration werden.

_Erfahrungen_

Kinder lassen sich gerne Geschichten erzählen und vorlesen. Sie lehnen in diesem Alter grundsätzlich nichts Neues ab, sondern sind mit Spannung und großen Augen dabei. In wenigen, reichhaltig und schön illustrierten Worten wird die Weihnachtsgeschichte erzählt und lässt viel Platz zu eigener Ausgestaltung, wenn noch Erklärungsbedarf besteht. Mit Hilfe der Figuren und Bilder ist sie jedem Kind anschaulich nahbringbar, und gerne spielen sie selber die Reise von Maria und Joseph oder den Königen nach. Dabei ist das Material der Figuren fest genug, um auch unvorsichtige Kinderhände zu überstehen.

Die Illustratorin versteht es geschickt und mit sicherer Hand, die Motive der kurzen Textpassagen mit den ganzseitigen Bildern zu erfassen und ihnen einen schönen, ruhigen und anheimelnden Ton zu geben. Ein wichtiger Punkt ist die Knappheit der Texte, so dass die Kinder nicht von großartigen Erklärungen überfordert werden, sondern eine geradlinige einfache Geschichte hören. Erstaunlich, mit welch geringem Aufwand sich hier eine Geschichte skizzieren lässt.

_Fazit_

Die Komposition ist ausschlaggebend. Kindgerechte Bilder, einfache, aber wirkungsvolle Figuren und die leicht verständlich gehaltene Geschichte entwerfen die Grundlage des Weihnachtsverständnisses, die mit eigener Kreativität und spielerischem Spaß ausgebaut werden kann.

|Gebundene Ausgabe: 12 Seiten
mit Figuren und Krippe zum Mit- und Nachspielen
Herstellerangabe: ab 3 Jahre|
http://www.coppenrath.de

Interview mit Jörg Kaegelmann, BLITZ-Verlag

_Buchwurm.info:_
Hallo, wie geht es Ihnen? Wo sind Sie und was machen Sie gerade?

_Jörg Kaegelmann:_
Zu sagen, wo ich gerade bin, ist bei mir schwierig. Zumindest bin ich immer online, um direkt auf Kundenanfragen reagieren zu können.

_Buchwurm.info:_
Könnten Sie sich unseren Lesern, die Sie noch nicht persönlich kennen, bitte selbst vorstellen? Vor allem interessiert die Frage, wie und warum Sie zum |BLITZ|-Verlag kamen.

_Jörg Kaegelmann:_
Den |BLITZ|-Verlag, der mir gehört, gibt es seit 15 Jahren. Davor musste ich mich – seit 1979 – um die Videothekenkette, ebenfalls |BLITZ|, kümmern.

_Buchwurm.info:_
Dass Sie mit Ihrem Verlag Geld verdienen wollen, dürfen wir getrost als gegeben voraussetzen. Aber wie haben Sie das breite Programm, das sie laut Prospekt und Webseite anbieten, über die letzten Jahre weiterentwickelt, und welche Nischen besetzen Sie damit im deutschen Buchmarkt?

_Jörg Kaegelmann:_
In den 15 Jahren sind mehrere hundert Titel erschienen. Bedingt durch limitierte Sammlerauflagen, sind die meisten jedoch bereits vergriffen und nur noch zu hohen Sammlerpreisen antiquarisch zu erwerben. Das Programm und die Zielrichtung haben vom ersten Tag an variiert und sich ständig weiterentwickelt. Als Kleinverlag ist es eben wichtig, gerade die Nischen zu besetzen, die sich anbieten, ohne dabei den roten Faden zu verlieren. Der Schwerpunkt wird wohl immer die Phantastik in allen ihren vielfältigen Möglichkeiten bleiben.

_Buchwurm.info:_
Vielleicht ist am besten, wenn Sie den Status quo beschreiben.

_Jörg Kaegelmann:_
Gerade ist eine zweite Verlagshomepage online gegangen: [Hammer-Krimis.de.]http://www.Hammer-Krimis.de Hier gibt es z. B. klassische Krimis über Sherlock Holmes. Dann neue Texte zu der Mystery-Thriller-Serie „Larry Brent, Die geheimen Akten der PSA“. Ebenso werden die alten Abenteuer (Serienstart 1968) erstmalig chronologisch korrekt aufbereitet und neu veröffentlicht.

Neue Texte gibt es auch zu weiteren Kult-Krimi-Reihen aus den vergangenen Jahrzehnten:

– „Die Schwarze Fledermaus“ und „Mister Dynamit“.

– Demnächst erscheinen exklusiv die „Totenhaus“-Romane von Barbara Büchner.

– Ab diesem Frühjahr werden Krimis und Thriller mit regionalem Bezug erscheinen. Besonders hervorheben möchte ich da zwei sehr außergewöhnliche Texte: „Marterpfahl“ von Stefan Melneczuk und „Dunkle Nordsee“ von Jens Lossau.

Auf [Phantastische-Buchwelt.de]http://www.Phantastische-Buchwelt.de erscheint ebenfalls in erstmaliger Bearbeitung die Fantasy-Saga von „Dan Shocker MACABROS“. Wolfgang Hohlbeins „Schattenchronik“ und die ebenfalls inzwischen abgeschlossene Reihe „Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek“.

Dem Sciencefiction-Leser bietet |BLITZ| die Serie „Star Voyager“ an; die nahtlose Fortsetzung von „Raumschiff PROMET“ und „TITAN, Sternenabenteuer“.

Das Highlight: „Meisterwerke der dunklen Phantastik“ von Frank Rainer Scheck.

Dazwischen interessante Einzelromane wie „Das Eulentor“ von Andreas Gruber. Der Titel wurde letztes Jahr mit dem Vincent-Preis ausgezeichnet.

„Jihad“, ein Thriller aus der nahen Zukunft von Peter Brendt, der durch seine U-Boot-Romane (Ullstein) bekannt wurde.

„Necrologio“, eine Anthologie, herausgegeben von Jörg Kleudgen, sowie deutsche Phantastik der Gegenwart.

_Buchwurm.info:_
Wie wollen Sie diese Taschenbuchreihen über die nächsten 24 Monate weiterentwickeln?

_Jörg Kaegelmann:_
Taschenbuch-Reihen gab es bei |BLITZ| nie, und die Paperback-Reihen sind bis auf „Macabros“ und „Larry Brent“ abgeschlossen. Zukünftig wird also fast alles nur noch in exklusiven Sammler-Editionen erscheinen, zum Teil limitiert auf nur wenige 100 Exemplare.

_Buchwurm.info:_
Ich habe mich bei der Lektüre der neuen Hardcover-Bände der Sherlock-Holmes-Bibliothek sehr gut unterhalten gefühlt. Nichts gegen Hardcover, im Gegenteil, aber inhaltlich und im Umfang bewegen sich diese Bände praktisch auf dem Standard der Taschenbuchreihe der Criminal-Bibliothek. Warum also jetzt Hardcover?

_Jörg Kaegelmann:_
Inhaltlich wird noch mehr auf bestmögliche Qualität geachtet. Das Lektoratsteam wurde erweitert; es wird alles dafür getan, um dem Leser einen optimalen Lesegenuss zu bieten.

Bedingt durch die limitierte Auflage richtet sich |BLITZ| mehr an den bibliophilen Sammler, und der bevorzugt nun mal Hardcover. Die Produktion eines |BLITZ|-Hardcovers ist durch die Fadenbindung viel aufwendiger und kostenintensiver. Die Bücher kann man in 100 Jahren noch aufklappen und lesen, während Taschenbücher sich nach mehrmaligem Gebrauch gerne mal auflösen.

_Buchwurm.info:_
Ich habe erstmals auch einen SF-Titel in Ihrem Prospekt gefunden, denn E. C. Tubbs ist ein klingender Name für Klassikerfans wie mich. Was bedeutet die Aufnahme dieses Titels für die Entwicklung Ihres Programms?

_Jörg Kaegelmann:_
E. C. Tubb ist ein Urgestein der SF-Szene. Mit der Serie „Star Voyager/Titan“ versuche ich ein back-to-the-roots: Space Opera vom Feinsten.

_Buchwurm.info:_
Suchen Sie weitere Autoren und falls ja, was können Sie ihnen bieten? Beispielsweise einen florierenden Verlag?

_Jörg Kaegelmann:_
Korrekte und sachliche Teamarbeit bis ins Detail.

_Buchwurm.info:_
Ich habe neulich gehört, dass dem Fantasymarkt – und dazu zählen manche Marktbeobachter auch das Horror-Genre – in 2010 ein Einbruch droht, vermutlich wegen des Auslaufens der Romantic-Vampire-Welle. Was halten Sie davon?

_Jörg Kaegelmann:_
Kein Platz für Kuschel-Vampire! Artgerechte Haltung! Im Ernst: Unsere Dark-Fantasy-Serie „Schattenchronik“ (letztes Jahr erschien Band 1: „Das Erwachen“) geht bereits genau in diese Richtung. Protagonist ist ein Vampir-Cop, er hasst Vampire. Von daher ist |BLITZ| gut gerüstet. 😉

_Buchwurm.info:_
Haben Sie Freizeit? Wenn nicht, warum nicht?

_Jörg Kaegelmann:_
Gute Frage, da müsste ich tatsächlich mal drüber nachdenken.

_Buchwurm.info:_
Wagen wir einen Ausblick. Woran arbeiten Sie gerade?

_Jörg Kaegelmann:_
An der Frühjahrsauslieferung 2010, in Hoffnung auf einen guten Start der beiden Thriller „Marterpfahl“ und „Dunkle Nordsee“.

http://www.BLITZ-Verlag.de

McCrery, Nigel – Kaltes Gift

_Das geschieht:_

Seit sie als Kind miterleben musste, wie die Großmutter in einem Anfall von Irrsinn ihre Geschwister niedermetzelte, ist Madeleine Poel selbst eine psychisch gestörte Frau, die sich zu einer bemerkenswert erfolgreichen Serienmörderin gemausert hat. Sie tötet nicht, um sich damit zu brüsten, sondern macht sich an alte Frauen ohne Familie und Freunde heran, die sie an ihre Großmutter erinnern, freundet sich mit ihnen an und macht sich ihnen unentbehrlich, während sie ihnen tödliche Pflanzengifte verabreicht, deren Dosis sie ständig steigert. Haben die Opfer ihr alle Vermögenswerte überschrieben, macht Madeleine ein Ende mit ihnen, schlüpft in ihre Identitäten, macht auch Haus und Mobiliar zu Geld und zieht in eine andere Stadt, wo sie ihr tödliches Spiel neu beginnt.

Die Polizei kommt ihr auf die Spur, als nahe Chelmsford in der Grafschaft Essex ein Sportwagen in den Wald rast und dabei eine weibliche Leiche entdeckt wird. Sie wird als Violet Chambers identifiziert, was für arge Verwirrung sorgt, hebt die doch offensichtlich tote Frau immer noch Geld von ihrem Konto ab und schreibt sogar Karten. Detective Chief Inspector Mark Lapslie übernimmt den Fall, obwohl er aufgrund einer exotischen Krankheit, die ihn Geräusche buchstäblich schmecken lässt, gesundheitlich und psychisch stark angeschlagen ist. Zur Seite gestellt wird ihm nur die unerfahrene Emma Bradbury. Schon bald argwöhnt Lapslie, dass man ihnen die Ermittlungen ‚von oben‘ schwermacht. Wichtige Unterlagen werden heimlich kopiert und die Beamten überwacht.

Auf unorthodoxe Weise versucht Lapslie sich Klarheit zu verschaffen und seine Gegner bloßzustellen. Die Zeit drängt, denn in Madeleines Spinnennetz zappelt bereits ein neues Opfer …

_Serienmord britisch unterkühlt_

Nicht nur, aber vor allem seit Hannibal Lecter seine Zähne in diverse (immer kochkundig durchgebratene) Pechvögel schlug, hat sich der Serienkiller zur Inventarfigur des modernen Thrillers gemausert. Es existiert sogar ein eigenes Subgenre, in dem sich absolut durchgeknallte aber merkwürdigerweise trotzdem geniale Meuchelbolde beim Versuch förmlich überschlagen, sich gegenseitig in der Kreation absurder und möglichst geschmackloser Folter- und Mordmethoden auszustechen. Das Ergebnis lässt sich viel zu oft und nicht unerwartet in einem Wort zusammenfassen: lächerlich!

Den ‚echten‘ Serienmörder machen vor allem sorgfältige Planung und Zurückhaltung erfolgreich. Er – oder in unserem Fall sie – hat Methoden entwickelt und verfeinert, die ihn unter dem Radar der Polizei arbeiten lässt. Auch die Mitmenschen werden doppelt getäuscht – als Opfer und als ahnungsloser Hintergrundchor, zwischen dessen Mitgliedern der Killer förmlich verschwindet.

Der eher dem Spektakulären zugeneigte Leser mag dies langweilig finden. In der Tat muss sich ein Schriftsteller mehr Mühe geben, einen ’nur‘ raffinierten Mörder spannend ins literarische Leben zu rufen, als einen irren Primetime-Schlitzer. Wenn dieses Kunststück gelingt, ist die Wirkung freilich nachhaltiger; Nigel McCrery stellt dies mit „Kaltes Gift“ unter Beweis.

_Mord ist k/ein unterhaltsamer Akt_

Dabei spart er nicht an grausigen Details. Madeleine liebt es, ihre Opfer dabei zu beobachten, wie sie sich in Giftqualen winden, und wir Leser sind bei diesen hässlichen Lebensenden dabei. Es fehlen auch nicht die heute so beliebten Seziersaal-Sequenzen, wobei McCrery faulige Leichen detailfroh zu beschreiben weiß. Dabei schreitet er durchaus selbstzweckhaft zur Tat, vermeidet aber jederzeit, Madeleine in eine schäumende Schreckensgestalt zu verwandeln.

Madeleine ist total verrückt, und Madeleine ist eine kranke Frau. Diese Dualität darzustellen, ist schwierig. McCrery gelingt es; immer wieder ertappt sich der Leser dabei, wie er Mitleid mit dieser Frau empfindet und ihr die Daumen drückt, dass der aktuelle Coup gelingt. Das liegt an der perfiden Beiläufigkeit, mit der Madeleine mordet. Sie hat kein schlechtes Gewissen, und sie geht sehr gewissenhaft vor. Noch beeindruckender als ihre Kenntnis floraler Gifte ist ihr Talent zur Mimikry. Sie verschmilzt förmlich mit der Persönlichkeit ihrer Opfer und hat durchaus ihre Probleme damit. McCrery schildert diesen Prozess ungemein eindringlich.

_Mord hat seinen eigenen Geschmack_

Die Madeleine in „Kaltes Gift“ ist eine Serienmörderin im Anfangsstadium des endgültigen geistigen Zerfalls. McCrery zieht eine diesbezügliche Parallele zu ihrem Jäger. Inspector Lapslie ist seinerseits ein Gefangener seines eigenen Gehirns. Es verwandelt ein Geräusch in einen Geschmack – eine Krankheit, gegen die es keine Heilung gibt und die ihr Opfer isoliert. Lapslie hat seine Familie verlassen müssen und droht auch seine Arbeit und damit seinen letzten Halt zu verlieren. Anders als Madeleine findet er einen Weg, sich mit seinem Zustand zu arrangieren.

Allerdings würde die Geschichte auch ohne Lapslies Leiden problemfrei funktionieren. „Kaltes Gift“ profitiert von McCrerys profunder Kenntnis des modernen Polizeialltags; der Autor war selbst viele Jahre Polizist. Leider konnte er der Versuchung nicht widerstehen, seinem Helden ein Handicap aufzuerlegen, das ihn ‚interessanter‘ (und telegener?) machen und seine Persönlichkeit vertiefen soll. So dankbar man dem Verfasser ist, dass er dies nicht versucht, indem er Lapslie und Bradbury (die faktisch kaum eine Rolle spielt) zu einer tragischen Liebesbeziehung zwingt, muss man doch zu dem Schluss kommen, dass die Lapslie-Geschichte, die lange parallel zu, aber unverbunden mit dem Madeleine-Strang verläuft, mit diesem in Sachen Intensität und Überzeugungskraft nicht mithalten kann.

_Alles Böse kommt von oben_

Den eigentlichen Minuspunkt setzt indes dick ein seltsamer Subplot um ministerielle Intrigen, der hinter dem eigentlichen Geschehen herhinkt, bis ihm McCrery kurz vor dem Finale endlich ein Aufholen gestattet. Mit diesem plump gestrickten Komplott scheint der Verfasser jene Prise Gesellschaftskritik über seine Geschichte streuen zu wollen, die ein ‚richtiger‘ Kriminalroman heutzutage mitbringen muss. Die beiläufigen und nie wirklich in die Handlung integrierten Tücken staatlich legitimierter Schlipsschurken schaden dem Roman sehr.

Die Erklärung ist im Grunde einfach: McCrery plante Lapslie als Helden einer neuen Krimi-Serie. Die beschriebenen Beimischungen, zu denen sich noch die Beziehung des Inspectors zu seinem ‚besten Feindfreund‘, einem melancholisch gewitztem Gewaltverbrecher, sowie die aufkeimende Freundschaft zu einer körperbehinderten Pathologin gesellen, sind Investitionen in die Zukunft – Elemente, die in den nächsten Bänden ein seifenoperliches Eigenleben entwickeln werden. Originell ist das nicht, und ob es weiterhin spannend wird, bleibt abzuwarten. Von „Kaltes Gift“ wird dem Leser jedenfalls Madeleines Höllenfahrt im Gedächtnis bleiben – und das zu Recht!

_Der Autor_

Nigel McCrery wurde 1953 in London geboren. In Englands Hauptstadt war er später neun Jahre als Polizeibeamter tätig, was ihm in seiner zweiten Karriere sehr hilfreich war. McCrery studierte in Cambridge und arbeitete dann für die BBC. Dort entwickelte dort die Figur der Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan. Sie fand 1996 ihren Weg ins Fernsehen und wurde dort vor und hinter der Kamera außergewöhnlich sorgfältig und kundig in Szene gesetzt.

Als Serie spielfilmlanger, lose verbundener Episoden, entwickelte sich „Silent Witness“ zum Straßenfeger und wurde (bis 2004) mit Amanda Burton in der Rolle ihres Lebens (und ab 2004 in neuer Besetzung) fortgesetzt. McCrery selbst schloss die Reihe 2003 ab, sodass andere Autoren die Drehbücher verfassten, was aber dem Erfolg keinen Abbruch tat.

Es folgten einige Einzel-Thriller, bis McCrery 2007 eine neue Serie um den beruflich und privat tüchtig gebeutelten Inspector Mark Lepslie startete. Neben diesen Romanen verfasste McCrery eine Reihe von Sachbüchern über polizeiliche und militärische Themen.

Die Mark-Lepslie-Romane von Nigel McCrery:

(2007) Kaltes Gift („Still Waters“)
(2009) „Tooth and Claw“ (noch kein dt. Titel)

Mehr von Nigel McCrery auf |Buchwurm.info|:

[„Denn grün ist der Tod“ 363
[„Die Fremde ohne Gesicht“ 2506

_Impressum_

Originaltitel: Still Waters (London : Quercus 2007/New York : Pantheon Books 2007)
Übersetzung: Ilse Bezzenberger
Deutsche Erstausgabe (gebunden): April 2009 (Droemer Verlag)
378 Seiten
EUR 16,95
ISBN 978-3-426-19791-2
http://www.droemer-knaur.de

Mayall, Felicitas – Hundszeiten

_Inhalt_

Laura Gottberg, zweifache alleinerziehende Mutter und Kommissarin, kann ihr Glück kaum fassen: Ihre Kinder Sofia und Luca sind in Sprachferien in England, und sie hätte theoretisch noch ein bisschen Zeit für sich, um zur Ruhe zu kommen und aufzutanken, und dann entspannt ihren Freund, den Commissario Angelo Guerrini, empfangen zu können.
Praktisch aber herrscht in München in diesem Sommer eine derartige Gluthitze, dass an Entspannung nicht zu denken ist. „Erholsamer Nachtschlaf“ sind nur mehr zwei Worte ohne Bedeutung, und die Sterblichkeitsrate vor allem alter Menschen steigt rapide an.

Laura und ihre Kollegen haben alle Hände voll zu tun, bei den vielen Todesfällen am Ball zu bleiben. Für Laura gewinnt auch ein etwas älterer Fall durch die Wiederverfügbarkeit eines Zeugen an Bedeutung. Was aber ihr wie auch all ihren Kollegen besondere Kopfschmerzen bereitet, ist die Tatsache, dass die Hitze sich auf ganz München so seltsam auswirkt. Alle sind gereizt, unkonzentriert – gewaltbereiter als sonst.

Durch einen Zufall lernt Laura am Isarufer einen Obdachlosen kennen, Ralf. In einem Nebensatz erwähnt er eine Gruppe, die sich am Fluss herumtreibt und die man besser meiden sollte.
Bald darauf wird Laura an die Isar gerufen: Ein Obdachloser wurde zu Tode geprügelt. Der Kommissarin fährt der Schreck in die Glieder: Hat Ralf seine eigene Warnung in den Wind geschlagen?

Berichte von nächtlichen Zusammenrottungen werden laut, von Menschen, die sich treffen, Reden halten, Lieder singen, die längst verboten sind. Der alte Fall Lauras und die neue bedrohliche Situation scheinen durch unsichtbare Fäden miteinander verwoben, und die Androhung von Gewalt hängt über der schwül-heißen Stadt wie eine düstere Gewitterwolke. Es ist klar, dass alles auf irgendeinen Punkt der Entladung hinausläuft, und Laura fragt sich schaudernd, wer danach noch stehen wird …

_Kritik_

Laura Gottberg steckt diesmal in einer Kombination aus Fällen, die aus dem Ruder zu laufen drohen. Während einer etwas wieder aufleben lässt, das längst vergangen sein sollte, stecken die Wurzeln des anderen tatsächlich tief in der Vergangenheit, und Laura muss wie bei einer Zwiebel Schicht um Schicht abtragen.

Die Fast-Fünfzigerin ist übrigens eine sympathische Hauptperson, manchmal etwas zu harsch, aber letztlich herzensgut. Und da ihre Mitarbeiter das auch wissen, gibt es zwar Reibereien, aber selten ernstlich Krach.

„Hundszeiten“ besticht durch die bedrückende Atmosphäre der sonnenheißen Großstadt, durch die aufgeladene, träg-hysterische Stimmung, in der jeder ein bisschen neben der Spur ist. Wer kann sich nicht noch gut an diesen Sommer erinnern, den die Medien als „Glutsommer“ titulierten und in dem den Radiohörern und Fernsehzuschauern an manchen Tagen nahe gelegt wurde, das Haus erst abends zu verlassen? Mayall fängt all diese Erinnerungen ein und verwebt sie mit den Fällen, die sie ihrer Protagonistin zu knacken gibt.

Nebenher hat Laura zusätzlich zu aller Gereiztheit auch noch mit dem Gedanken an die zögerliche, wenngleich innige Beziehung mit Guerrini zu kämpfen: Wie viel Raum will sie ihm in ihrem Leben lassen? Braucht sie ihn? Möchte sie sich überhaupt noch einmal auf so etwas einlassen? Und hat sie denn noch eine Wahl?

Wie üblich stellt Mayall ihrer Protagonistin diese und alle anderen Fragen stilistisch nicht nur einwandfrei, sondern wunderschön.

_Fazit_

„Hundszeiten“ ist der fünfte Fall, in dem Laura Gottberg von Felicitas Mayall auf die Pirsch geschickt wird. Schon der Erstling („Die Nacht der Stachelschweine“) war beeindruckend aufgrund der vielfältigen Variation leiser Töne und eines souveränen Sprachgebrauchs der Autorin, die sich nie im Ton vergriffen und stimmige, einprägsame Bilder geschaffen hat.

Dieses unbestreitbare Talent hat sich bis jetzt noch verfeinert; „Hundszeiten“ ist eine großartige Komposition fein abgestimmter Zutaten. Versprochen: Wenn Sie das Buch zur Hand nehmen und sich in die Beschreibungen vertiefen, werden Sie völlig desorientiert sein, wenn Sie wieder hochgucken. Und ganz abgesehen von diesen Glanzpunkten, die mich hier zu den wildesten Lobeshymnen hingerissen haben, handelt es sich bei diesem Roman um einen ausgesprochen spannenden Krimi mit einem Thema, das bedauerlicherweise viel zu aktuell ist.

|ISBN-13: 978-3-463-40526-1
gebundene Ausgabe: 416 Seiten|
http://www.rowohlt.de

Huff, Tanya – Blutlinien (Blood Ties 3)

_Blood Ties_
[„Blutzoll“ 5714
[„Blutspur“ 5715

Tanya Huff ist nicht nur eine unglaublich unterhaltsame und kurzweilige Schriftstellerin, sie hat auch einen sehr subtilen Sinn für Humor. Eine derartige Eigenschaft wirkt sich eigentlich auf jeden Roman günstig aus, doch die Tatsache, dass Huff Urban Fantasy schreibt, macht die Sache noch sympathischer. Und so nimmt sie weder sich selbst, noch ihre fünfteilige Blut-Reihe bierernst. Man kann beim Lesen praktisch spüren, wie die Autorin einem von Zeit zu Zeit verschwörerisch zuzwinkert.

Schließlich passiert es nicht alle Tage, dass man in einer Romanreihe auf einen Vampir trifft, der nicht nur der uneheliche Sohn von Heinrich VIII ist, sondern der auch noch im Toronto der 1990er Jahre lebt und sich seine Brötchen mit dem Verfassen rühriger Liebesschnulzen verdient. Sein momentanes Projekt nennt sich „Geißeln der Liebesmüh“, doch wird er im Verlauf der Romanhandlung von „Blutlinien“ kaum Gelegenheit dazu bekommen, es zu beenden. Vampir Henry Fitzroy plagt sich nämlich mit seinen ganz eigenen Geißeln der Liebesmüh in Form der forschen Vicki Nelson. Vicki ist ihres Zeichens Ex-Cop und Privatdektivin. Zur Zeit teilt sie Henrys Bett – wenn sie nicht gerade mit ihrem besten Freund Mike Celluci den Matratzentango tanzt. Die beiden Männer finden es alles andere als perfekt, die Geliebte teilen zu müssen, doch Vicki ist auf dem Ohr, das für monogame Lebensführung zuständig ist, praktischer Weise taub. Und so bilden Vicki, Mike und Henry eine irgendwie funktionierende, aber nicht ganz rund laufende Dreiecksbeziehung.

Vicki hat sich auf übernatürliche Kriminalfälle spezialisiert – wohl irgendwie naheliegend, wenn man mit einem Vampir schläft. Und so ist es auch kaum überraschend, dass sie sich plötzlich in einen Fall um eine ägyptische Mumie verwickelt sieht, die zwar nicht gerade die Weltherrschaft übernehmen will, aber trotzdem zumindest vorhat, Toronto politisch zu unterwandern.

Dabei fängt alles ganz normal an: Im Museum wird ein Sarkopharg angeliefert. Doch als die Wissenschaftler ihn öffnen, um die Mumie zu untersuchen, sterben nacheinander eine Reinigungskraft und dann der Kurator der ägyptischen Sammlung an Herzversagen. Die Mumie verschwindet (im Anzug des Kurators) und macht es sich in diesem Jahrtausend bequem, während sie den Mitarbeitern des Museums die Erinnerungen verwirrt, weswegen diese plötzlich überzeugt sind, dass der Sarkopharg von Anfang an leer war.

Detective-Seargant Mike Celluci lässt sich jedoch nicht so schnell ins Boxhorn jagen. Ihm erscheint die ganze Sache leicht fischig, doch da sein Vorgesetzter ihn von dem Fall abzieht, heuert er Vicki an, um weitere Ermittlungen anzustellen.

Gleichzeitig träumt Henry tagsüber ständig von einer hell strahlenden Sonne. Als Vampir hält er das für kein besonders gutes Zeichen und befürchtet nun, dass er kurz vor dem Wahnsinn oder dem Selbstmord steht. Vollkommen verunsichert wendet er sich an Vicki, die ihn beaufsichtigen soll, damit er auch ja nichts Unüberlegtes tut (wie zum Beispiel ein ausgiebiges Sonnenbad zu nehmen).

Im ersten Roman der Reihe, „Blutzoll“, präsentierte uns Huff neben dem Vampir einen bösen Dämon, den es zu besiegen galt. Im zweiten Teil, „Blutspur“, ging es dann um Werwölfe. Und nun, im dritten Teil, sind die Mumien dran – das Triumvirat der klassischen Horrorliteratur ist perfekt. Dabei schafft es Huff durchaus, dem ausgeleierten Charakter der wiederauferstandenen Mumie doch noch eine frische und spannende Seite abzugewinnen. Tawfik, wie sich die Mumie nennt, ist keineswegs ein hirnloses, in Klopapier eingewickeltes Monster, das mit leicht steifen Schritten und leerem Blick durch die Handlung schreitet. Tawfik ist ein tragender Charakter, dessen Präsenz schon dadurch unterstrichen wird, dass mit ihm – und nicht etwa mit Vicki Nelson, der eigentlichen Protagonistin der Reihe – der Roman beginnt. Huff erzählt teilweise aus Tawfiks Perspektive und macht so die Beweggründe und Handlungsmotive einer 3000 Jahre alten Mumie durchaus verständlich und nachvollziehbar.

Und doch muss die machthungrige Mumie natürlich gestoppt werden. Dabei gibt es allerlei Verwicklungen und ausweglose Situationen. Abgesehen vom offensichtlichen Krimiplot lebt der Roman hier vor allem von der Dynamik zwischen Vicki, Henry und Mike. Die beiden Männer liefern sich Wortgefechte, wann immer es ihnen möglich ist. Und Vicki, stur und emanzipiert, ist auch nicht auf den Mund gefallen.

„Blutlinien“ bietet für jeden Geschmack etwas. Der Vampirfan bekommt einen sympatischen und faszinierenden Vampir, in dessen illustre Vergangenheit Huff auch gern einmal eintaucht, wenn die Handlung es erlaubt. Für Liebhaber tougher Dämonenjägerinnen gibt es Vicki, die in ihrer unsentimentalen und unromantischen Art einen wunderbaren Gegensatz zu Henry bildet. Abgerundet wird der Cocktail durch Mike, der mit seinem gekränkten Mannesstolz Sympathiepunkte sammelt und der zupacken kann, wenn mal Not am Mann ist.

Und so ist Tanya Huff auch mit dem dritten Roman der Blut-Reihe ein spannender und actiongeladener Pageturner gelungen. Wer große Mengen Blut und großkalibrige Waffen sucht, wird hier nicht fündig werden. Dafür bietet Huff allen anderen einen pfiffigen Plot und unglaublich liebenswerte Charaktere in einem straff durchkomponierten Roman ohne Längen. Und nachdem man die letzte Seite umgeblättert hat und gierig nach dem Folgeband „Blutpakt“ greift, fragt man sich zwangsläufig, welchen Topos der Horrorliteratur Huff als nächstes aufgreift, um ihm eine Verjüngungskur zu verpassen. Frankensteins Monster wäre zum Beispiel eine nahe liegende Wahl!

|Broschiert: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3802581922
Originaltitel: Blood Lines
Übersetzt von Dorothee Danzmann|

http://www.Egmont-Lyx.de
http://www.bloodtiestv.com

_Tanya Huff auf |Buchwurm.info|:_

[„Blutzoll“ 123 (frühere Ausgabe)
[„Blutlinien“ 407
[„Hotel Elysium“ 1481 (Die Chroniken der Hüter I)
[„Auf Teufel komm raus“ 1995 (Die Chroniken der Hüter II)
[„Hüte sich wer kann“ 2545 (Die Chroniken der Hüter III)

Smith, Kathryn – Tochter der Träume

Träume faszinieren die Menschen seit jeher. Es gibt genug Psychologen und Forscher, die versuchen, aus dem, was wir im Schlaf erleben, etwas heraus zu lesen. Die achtundzwanzigjährige New Yorkerin Dawn Riley, die Heldin aus „Tochter der Träume“, hingegen interpretiert Träume nicht nur. Sie kann sie auch beeinflussen und sogar besuchen, denn sie ist niemand Geringeres als die Tochter von Morpheus, dem König der Träume.

Dawn arbeitet als Schlafforscherin in einem New Yorker Labor. Einer ihrer Patientin ist der Künstler Noah, ein so genannter luzider Träumer. Anders als andere Menschen kann er seine Träume willentlich beeinflussen und so einen Albtraum in einem Traum zu seinen Gunsten verändern. Dawn hofft, dass sie von ihm Informationen darüber erhält, wie sie Menschen mit Albträumen helfen kann. Einmal abgesehen davon ist Noah ziemlich gutaussehend und er flirtet manchmal mit ihr.

Doch ihre zarten Annäherungsversuche werden gestört, als Noah Dawn erzählt, dass seine Träume versuchen, ihn zu töten. Ein Traumdämon namens Karatos sucht ihn nachts heim, verspottet ihn und raubt ihm die Kraft. Karatos ist kein Unbekannter für Dawn, denn auch sie wird neuerdings von dem Dämonen im Schlaf verfolgt. Sie weiß nicht, was er will und woher er kommt, doch sie ahnt, dass sie die Antworten auf diese Fragen nur finden wird, wenn sie an den Ort zurückkehrt, den sie am meisten hasst: Das Königreich ihres Vaters, denn mit Morpheus hat sie sich zerstritten. Um Noah und sich vor dem immer stärker werdenden Dämon zu retten, reist sie im Schlaf ins Land der Träume, doch diese Reise gestaltet sich schwieriger als gedacht …

Kathryn Smith hat mit „Tochter der Träume“ einen netten Romantic-Fantasy-Roman geschrieben, der das Gewicht allerdings eher auf den ersten Teil der Bezeichnung legt. Tatsächlich durchzieht die aufkeimende Liebe von Dawn und Noah fast die gesamte Geschichte, garniert mit einigen nicht gerade züchtigen Bettszenen. Die Hauptzielgruppe ist damit klar: Wer nicht von vornherein ein gewisses Interesse an Liebesgeschichten mitbringt, dem wird dieses Buch vermutlich wenig Freude machen. Darüber hinaus schafft es die Autorin aber, den Anteil an Romantik insofern aus zu balancieren, dass „Tochter der Träume“ weder im Kitsch ertrinkt noch langweilig wird. Die Handlung an sich – die Verfolgung und Vernichtung von Karatos – ist gut aufgebaut und steigert sich zusehends. Langweilig wird dem Leser also auch zwischen den Stelldicheins der beiden Hauptfiguren nicht. Hinzu kommt die starke Präsenz des Haupthandlungsortes: New York. Smith erzählt sehr viel über diese Stadt, genauso wie über Dawns Liebe für Filme oder ihr Arbeitsleben.

Überhaupt lernt der Leser die Protagonistin ausführlich kennen. Dawn erzählt aus der Ich-Perspektive und lässt dabei nichts aus. Smith schafft es, dass man das Gefühl hat, im Buch direkt neben der sympathischen Hauptfigur zu stehen. Außerdem gelingt es ihr, Dawn auf der einen Seite zwar als ganz gewöhnliche Frau darzustellen, wie man sie vermutlich massenweise in jeder Großstadt trifft, ihr dabei aber trotzdem Ecken und Kanten zu geben. Dadurch wirkt Dawn real – realer, als man das in einem Buch des Genres vielleicht erwartet hätte.

Einziger Kritikpunkt an der Hauptperson ist ihre Geschwätzigkeit. Auf der einen Seite ist es natürlich vorteilhaft, wenn jede Situation bis ins kleinste Detail geschildert wird, doch auf der anderen Seite wird es irgendwann langweilig, wenn neu auftretende Personen mit allen passenden Farb-, Aussehens- und Geruchsattributen ausgestattet werden. Tatsächlich neigt Smith dazu, ihre Charaktere zu idealisieren. Fast jeder ist überaus hübsch, hat „schokoladenbraune“ Augen oder Augen mit einem anderen, teilweise klischeehaften Farbadjektiv und und riecht nach allen möglichen Gewürzen aus dem Küchenregal. Manchmal kann man sich an solchen Stellen das Schmunzeln fast nicht unterdrücken. Allerdings ist das noch weniger störend als die kontinuierlichen Beschreibungen von Dawns Schmink- und Ankleideritualen. Die Autorin wirft dabei mit Markennamen nur so um sich, was ziemlich befremdlich und fast schon wie Product Placement wirkt.

Abgesehen von diesem Manko ist „Tochter der Träume“ allerdings ein ziemlich anständiges Buch. Romantisch, ja, aber dank der spannenden Handlung und der netten Hauptperson ist es mehr als das, nämlich auch ein annehmbares Fantasybuch.

|Originaltitel: Before I wake
Aus dem Amerikanischen von Regina Schneider
459 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3426283059|
http://www.pan-verlag.de
http://www.kathryn-smith.com

Istin, Jean-Luc / Jigourel, Thierry / Lamontagne, Jacques – Druiden, Die – Band 2: Die weiße Stadt

Band 1: [„Das Geheimnis der Oghams“ 5607

_Story:_

Als ein Junge einen kopflosen Körper auf einem Fuhrwerk entdeckt und seiner Dorfgemeinde von seinen Beobachtungen berichtet, entwickelt sich in Windeseile ein Lynchmob, der die praktizierenden Druiden ins Visier nimmt und sie des Mordes bezichtigt. Als Heiden und Gottesächtende verschrien, macht sich die Gemeinde daran, Rache zu üben und den vermeintlichen Götzenanbetern den Garaus zu machen. Gwenc’hlan erfährt von diesem blutigen Gemetzel zu spät. Noch beschäftigt mit dem jüngsten Fund, einem Anhänger des christlichen Ordens Imperium Die, begibt er sich an den Ort des Geschehens und muss von den anwesenden Soldaten beschwichtigt werden, den dörflichen Mob nicht noch weiter anzustacheln.

Dadurch angespornt, reist der Druide gemeinsam mit dem verbündeten Mönchen Budog und seinem Freund Taran in die weiße Stadt Ys, wo der streng gläubige Gwendole bereits seit längerem die Ankunft des Verderbens predigt. Taran und Gwenc’hlan machen bereits bei ihrer Ankunft Bekanntschaft mit der zwiespältigen Moral, die vor allem von der intriganten Prinzessin Duhad ausgelebt wird. Bei einem Techtelmechtel mit Taran versucht sie sogar, ihren Liebhaber zu meucheln – doch Gwenc’hlan kann Schlimmeres verhindern. Letzterer bemüht sich gleichzeitig um mehr Informationen zum Imperium Die. Doch Gwendole leugnet hartnäckig die Existenz des Ordens. Aber der eigensinnige Mönch von Ys hat offenkundig einiges zu verbergen …

_Persönlicher Eindruck:_

Nachdem die erste Ausgabe der neuen |Splitter|-Serie „Die Druiden“ noch mit einigen inhaltlichen Startschwierigkeiten zu kämpfen hatte, geht es im zweiten, storytechnisch weitaus kompakteren Band durchdachter, vor allem aber auch spannender zu. Die Diskrepanzen zwischen historischer Faktenlage und fiktiver Unterhaltung spielen bei weitem nicht mehr eine solch große Rolle wie bei der Auftaktepisode, derweil gewinnt die Story auch ein nachvollziehbares Format, und da der Spannungsaufbau hier direkt von der ersten Seite beginnend durchgezogen wird, ist die Handlung nicht so sehr damit beschäftigt, Fässer aufzumachen, deren Inhalt noch nicht entsprechend gereift ist.

Insofern sind die Startbedingungen von „Die weiße Stadt“ wesentlich besser als im stellenweise undurchsichtigen Vorgänger, was mitunter natürlich auch damit zusammenhängt, dass man bereits mit den führenden Charakteren vertraut ist. Hinzu kommt der meist unterschätzte Aspekt, dass die Atmosphäre längst aufgebaut ist und diesbezüglich keine weitere Überzeugungsarbeit mehr geleistet werden muss. „Die Druiden“ bleibt von einer mystischen Stimmung umgeben, die sich auch durch die gesamte Entwicklung der Erzählung zieht und vor allem in den raschen Breaks immer wieder ihre Wirkung entfaltet. Dieser Schleier des Unbewussten, Geheimnisvollen fügt sich nahtlos in das von Mythen eingefasste Konzept ein und übt zuletzt sogar einen ziemlich starken Reiz aus.

Auch der Plot selber macht erhebliche Fortschritte. Die Actionlastigkeit der ersten Seiten wird zwar nicht über die komplette Distanz aufrecht erhalten, jedoch macht „Die weiße Stadt“ einen sehr lebendigen Eindruck, unter anderem auch deshalb, weil Hauptakteur Gwenc’hlan mit mehr Leidenschaft ins Fundament eingefügt wird, denn mit seiner Person steht und fällt der Fortschritt der Story. Folgerichtig kann auch eine deutliche Temposteigerung erzielt werden. Es kommt zu einigen entscheidenden Wendungen und Schauplatzwechseln, und im Wechsel mit den vielen Geheimnissen, die unter der Oberfläche schlummern, entwickelt sich eine Dynamik, die in „Das Geheimnis der Oghams“ noch schmerzlich vermisst wurde. Seinerzeit konnte klar konstatiert werden, dass die guten Ansätze auf jeden Fall noch ausgebaut werden müssen, um „Die Druiden“ im stark besetzten |Splitter|-Programm als Highlight zu etablieren. Mit Band zwei ist in dieser Hinsicht schon ein sehr großer Schritt gemacht worden, dessen Resultat nun bereits eine gleichmäßige Begeisterung für Inhalt, Zeichnungen und Konzept ist.

Kurzum: Mit einer überzeugenden Leistung haben sich Jean-Luc Istin und Thierry Jigourel von der noch mit leichten Schwächen durchsetzten Debüt-Veröffentlichung rehabilitiert und ihrer Serie bereits in der ersten Fortsetzung jene Klasse verliehen, die atmosphärisch schon längst vorhanden war. In dieser Form dürfte „Die Druiden“ relativ bald zum mythischen Höhepunkt im |Splitter|-Programm avancieren.

|Originaltitel: Les druides – Is la Blanche
47 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-940864-41-3|
http://www.splitter-verlag.de