von Ulmann, Jachim / Herzog, Ulli – Geldfälscher, Die (Die 3 Freunde ermitteln – Folge 8)

_Besetzung_

Tina Gerstner – Tatjana Buschenhagen
Andi Bertram – Frank Schaff-Langhans
Markus Bertram – Carsten Zachariae
Marianne Bertram – Evelyn Meyka
Herbert Bertram – Alexander Herzog
Theo Kernbacher – Klaus Nägelen
Anna Eichhorn – Maria Axt
Conrad Eichhorn – Otto Czarski
Paul Kolbe – Gerd Holtenau

Regie: Ulli Herzog
Buch: Joachim von Ulmann
Ton: Walter Scheerbarth
Musik: J. Stahlberg
Ilustrator: Marc Chrostek

_Story_

Nur wenige Wochen, nachdem die drei Junior-Detektive ihren letzten Fall erfolgreich abgeschlossen haben, bahnen sich auch schon die nächsten Ermittlungen an. Eher zufällig erfährt Andi bei einem Besuch in der Druckerei Eichhorn, dass in den hinteren Kammern des Gebäudes einige krumme Geschäfte vonstatten gehen. Ausgerechnet der ständig betrunkene Paul Kolbe arbeitet für die angesehenen Geschäftsleute und bringt Andi und seine Freunde auf eine Idee: Der junge Detektiv schleust sich als Bote für den Betrieb ein und schnüffelt als solcher in den Büros der Druckerei herum. Schon bald entdeckt er, dass der Verlag in einer Geldwäsche-Affäre aktiv ist und die Besitzer als Mittelsmänner fungieren. Doch als Andi die Gauner auf dem Silbertablett servieren will, kommen ihm die Eichhorns und ihr selten nüchterner Begleiter auf die Schliche …

_Persönlicher Eindruck_

In der achten Episode werden die drei Junior-Detektive mal wieder auf eine harte Probe gestellt. Eine regionale Geldfälscherbande treibt in den Gemäuern einer Druckerei ihr Unwesen und scheut auch vor härteren Bandagen nicht zurück. Dies ist eigentlich auch schon das Grundgerüst der Story, die in den Nebensträngen noch von den serientypischen Eigenheiten geprägt wird. Da wären vorab natürlich die Sorgen von Familie Bertram, allen voran Mutter Marianne, die von den Heldentaten ihrer beiden Söhne nicht sonderlich angetan wäre. Durch dieses Element kommt auch gleich ein bisschen Humor in die Geschichte hinein, da der neunmalkluge Andi auf ihre fürsorglichen Ansprachen immer die passende Antwort im Repertoire hat. Zwar ist das Sprachniveau nicht ganz so zeitgemäß wie in den aktuellen Episoden von beispielsweise „TKKG“ oder den fünf Freunden von Enyd Blyton, jedoch ist dies auch ziemlich angenehm, da somit auch keine moralischen Grenzen überschritten werden.

Was vielmehr stört, ist so manch hüftsteife Entwicklung innerhalb der Geschichte. Die Sprecher sind hier zwar recht ambitioniert, aber der Inszenierung fehlt das Feuer, quasi eine Spur mehr Lebendigkeit. Die ganze Atmosphäre ist ein wenig trocken, da die musikalischen Untermalungen recht unspektakulär und auch die Szenenwechsel nicht ganz so dynamisch sind wie bei den großen Vorbildern aus dem Hause |Europa|. Dies weiß „Die Geldfälscher“ zwar noch mit einer ganz netten, sympathisch aufgebauten Geschichte zu kaschieren, doch insgesamt könnte das Hörspiel noch weitaus spritziger und aufregender gestaltet sein – auch wenn die Zielgruppe wohl eher im Grundschulalter zu suchen ist.

Davon abgesehen ist die Story aber ganz ordentlich und punktet zumindest mit sympathischen Sprechern und jugendfreundlichem Inhalt. Da die Erzählung vergleichsweise einfach gestrickt und dementsprechend leicht nachzuvollziehen ist, sollten nicht nur Anhänger der Serie, sondern auch Freunde von Detektiv-Hörspielen mal ein Ohr riskieren – wohl wissend, dass alles noch eine Spur besser ginge.

|Empfohlen ab 8 Jahren
ISBN-13: 978-3-86714-136-9|
http://www.maritim-produktionen.de/

Plischke, Thomas / Christiansen, Ole / Nigiani, Patricia / Portland, A. D. – Sacred 2: Fallen Angel – Der Schattenkrieger. Folge 2: Das trügerische Paradies

[„Folge 1: Die Auferstehung“ 5212 (DVD-Edition)

|»War it’s now or never
We shall stand together
One by one
This world is sacred«

Blind Guardian – Sacred|

_Was bisher geschah:_

Der Großinquisitor der Elfen, ein loyaler Untertan der Chaosgöttin Ker, will die Macht in Ancaria an sich reißen. Mit Hilfe eines uralten Zaubers hat er dazu einen Schattenkrieger beschworen – einen Krieger, der vor vielen hundert Jahren auf dem Schlachtfeld im Krieg gegen die Elfen gestorben ist und nun, erweckt von den Toten, seinen einstigen Erzfeinden dienen muss.

Garlan (Thomas Fritsch), so der Name des Schattenkriegers, hat nur eine Chance, sein unheiliges Leben zu beenden und wieder in die Schatten zurückzukehren – dorthin, wo er hingehört. Er muss die ihm auferlegte Mission erfüllen und den Großinqisitor zufriedenstellen, damit der ihn wieder aus seinen Diensten entlässt. Er verlangt nicht mehr, als dass Garlan hinter das Geheimnis uralter Schriftzeichen kommen soll, die Arbeiter in einem Minenschacht entdeckt haben. Die Aufgabe klingt jedoch einfacher, als sie ist, denn Garlan ist nicht der Einzige, der die Schriftzeichen entschlüsseln soll.

_Inhalt_

Nach dem Aufbruch und einem heftigen Seegefecht in der ersten Folge des Hörspiels durchquert Garlan nun mit der Halbelfe Leandra (Annabelle Krieg) und dem Menschen Loi (Marco Sand) die Wüste. Die drei ungleichen Gefährten sind auf dem Weg nach Grünerd, dorthin, wo die geheimen Schriftzeichen in einem erst kürzlich freigelegten Minenstollen entdeckt worden sind. Doch sie sind nicht die Einzigen, die nach dem verborgenen Wissen trachten. Dicht an ihre Fersen hat sich eine Elfengarde geheftet, die den Schattenkrieger zu Fall bringen will, bevor er die Minenkolonie erreicht.

Dabei fängt sich Garlan auch ohne die elfischen Verfolger schon genug Ärger ein. Ein altes Mütterchen, das der kleinen Reisegruppe für eine Nacht Unterschlupf in seiner Hütte gewährt, entpuppt sich als entstellte Hexe, die ihre Gäste in einer Suppe verarbeiten will. Kaum weniger umgänglich verhalten sich die Sandmenschen, denen Garlan und seine Begleiter nach dem Wüstenmarsch im Gebirge begegnen. Versteckt in einem geheimen Tunnel behüten sie dort eine alte Bibliothek, die Garlan für einen Zwischenstopp angesteuert hat, um in einem der Bücher einen Gegenzauber für sein unheiliges Leben zu finden. Die Sandmenschen, die bisher mit den in Leder gebundenen Folianten vorlieb nehmen mussten, sind frischem, saftigem Fleisch nicht abgeneigt.

Nach langen Strapazen endlich in Grünerd eingetroffen, wartet die nächste Überraschung auf sie: Ein selbst ernannter, fanatischer Priester hat die Macht in dem Dorf an sich gerissen und weiß die gutgläubige Bevölkerung hinter sich. Garlans verbündete Anhängerschar sinkt dagegen rapide, denn einer seiner Gefährten ist ein Verräter und treibt ein doppeltes Spiel.

_Bewertung_

„Das trügerische Paradies“, die zweite Folge des |Sacred 2|-Hörspiels, setzt die Geschichte um den Schattenkrieger Garlan unmittelbar fort. Wurden im ersten Teil viele Charaktere und Schauplätze in mehreren parallel laufenden Handlungssträngen vorgestellt, so konzentriert sich diese Folge fast ausschließlich auf die Geschehnisse um Garlan. Das nimmt der Handlung etwas an Tiefe, zumal auch die Abenteuer Garlans und seiner beiden Begleiter in der Wüste, der Bibliothek und Grünerd wie aneinandergereihte Einzelszenen wirken. Dafür entschädigt die durchweg überzeugende Sprecherriege, die bombastische Soundkulisse und der spannende Konflikt um Garlans Seele. Behält das gute Gewissen die Überhand oder setzt sich der rächende Schattenkrieger durch?

Im Gegensatz zum ersten Teil liegt Folge zwei nur noch als Audiofassung in Stereo und nicht mehr als DVD-Edition in Dolby Digital vor. Das ist angesichts der dadurch nicht weniger hochwertigen Abmischung zu verkraften; eine Gesamtlösung für alle der auf fünf Folgen ausgelegten Hörspiel-Serie wäre allerdings konsequenter gewesen. So muss sich der Hörer, der sich an ihm vorbeischießende Pfeile und das Gefühl, in einer Menschenmenge zu stehen, gewöhnt hat, wieder mit der herkömmlichen Stereoversion begnügen. Das umfangreiche Booklet mit einem Glossar der wichtigsten Begriffe, einer Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse und einer Übersicht der Sprecher, aufgemacht im hübschen Digipak, entschädigt aber dafür und ist mehr, als man bei anderen Hörspiel geboten bekommt.

_Fazit_

Auch wenn „Das trügerische Paradies“ etwas abfällt und nicht ganz die hohen Erwartungen des ersten Teils „Die Auferstehung“ erfüllen kann, wird der Hörer mit der klassischen Fantasygeschichte gute 80 Minuten unterhalten – man bekommt genau das also, was man von einer auf einem PC- und Konsolen-Rollenspiel basierenden Umsetzung erwartet.

http://www.weirdoz.de
http://www.sacred2.com

|Mehr „Sacred“ auf |Buchwurm.info|:|

[„Engelsblut“ 2523 (Sacred: Die Chroniken von Ancaria 1)
[„Sternental“ 2606 (Sacred: Die Chroniken von Ancaria 2)

Meyer, Kai / Hagitte, Christian / Bertling, Simon – Alchimistin, Die. Teil 5: Die Unsterbliche (Hörspiel)

_Action in der Wüste und unbekannte Lover_

Schloss Institoris, ein düsteres Gemäuer an einer einsamen Küste. Inmitten eines Labyrinths endloser Gänge und Säle wächst Aura heran, die älteste Tochter des Schlossherrn. Sie ist die Erbin eines uralten Rätsels, der Rezeptur des Steins der Weisen. Doch als ihr Vater im Auftrag seines Widersachers Lysander ermordet wird, schlägt die Stunde für Auras Stiefbruder Christopher – er beansprucht das Geheimnis der Unsterblichkeit für sich …

Folge 2: Aura enthüllt das Geheimnis ihrer Familie. Ausgerechnet der Mörder ihres Vaters, der geheimnisvolle Hermaphrodit Gillian, befreit sie aus den Klauen grausamer Mörder. Auf der Spur von Auras entführter Schwester Sylvette reisen sie nach Wien. In den Katakomben unter der Stadt geraten sie in einen Konflikt, dessen Ursprünge weit zurück ins Mittelalter reichen …

Folge 3: Sieben Jahre sind vergangen. Aura hat die Geheimnisse der Alchimie erforscht und das Erbe ihres Vaters angetreten. Doch alle, die ihr etwas bedeutet haben, sind tot. An der Seite ihres verhassten Stiefbruders Christopher muss sie abermals den Kampf gegen den alten Feind ihrer Familie aufnehmen – tief unter der Wiener Hofburg. Zugleich dämmert daheim auf Schloss Institoris eine neue Gefahr: Auras wahnsinnige Mutter Charlotte hat eigene Pläne …

Folge 4: Jenseits des Schwarzen Meeres, in den einsamen Bergen des Kaukasus, liegt die vergessene Festung der Tempelritter. Hier in der Wildnis am Ende der Welt nähern sich Ara Institoris und ihr Stiefbruder Christopher endlich dem Versteck ihres Gegners Lysander. Zugleich reist Gillian, der Hermaphrodit, mit den Institoris-Kindern nach Venedig ins neue Hauptquartier des Templerordens. Sein schwerster Kampf steht ihm noch bevor – gegen Morgantus, den unsterblichen Alchimisten …

Folge 5: Zehn Jahre nach den Ereignissen im Kaukasus in Folge 4. Aura Institoris hat die Unsterblichkeit gewonnen. Doch ihre große Liebe ist daran zerbrochen, ihre Familie in alle Winde zerstreut. Während die Welt in einen großen Krieg taumelt, taucht Aura einsam und verzweifelt in Paris unter. Ein geheimes Zeichen, der blutige Abdruck einer Hand mit sechs Fingern, ändert alles. Auras Nachforschungen führen auf die Fährte eines Mörders, dem jedes Mittel recht ist, um die Geheimnisse der Alchimistin zu offenbaren. (Verlagsinfos)

_Der Autor_

Kai Meyer, Jahrgang 1969, studierte Film, Philosophie und Germanistik und arbeitete als Redakteur. Er schrieb schon in jungen Jahren und lieferte u. a. ein paar Jerry-Cotton-Abenteuer. Sein erster großer Erfolg war „Die Geisterseher“, eine historische „Akte X“. Seit 1996 ist er freier Schriftsteller und Drehbuchautor. Bisher sind rund 40 Romane von ihm erschienen. Selbst Kritiker waren von seinem historischen Mystery-Thriller „Die Alchimistin“ begeistert, später folgten „Die fließende Königin“ und „Göttin der Wüste“. Bei |Loewe| erschien mit den „Wellenläufern“ ein Jugend-Fantasyzyklus. „Frostfeuer“ aus dem Jahr 2005 ist eigenständiger Jugendroman. Das Buch wurde mit dem internationalen Buchpreis |CORINE| ausgezeichnet.

Die erste Staffel der achtteiligen Hörspielreihe umfasst die Folgen:

1) [Der Stein der Weisen 5052
2) [Das Erbe des Gilgamesch 5155
3) [Die Katakomben von Wien 5220
4) [Das Kloster im Kaukasus 5263

Im August 2008 erschien die zweite Staffel:

5) Die Unsterbliche
6) Die Schwarze Isis
7) Der Schatz der Templer
8) Der Alte vom Berge

Weitere Titel von Kai Meyer auf |Buchwurm.info|:

[Interview mit Kai Meyer]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=11
[„Der Brennende Schatten“ 4506 (Hörspiel)
[„Die Vatikan-Verschwörung“ 3908 (Hörspiel)
[„Die Wellenläufer“ 3247 (Hörbuch)
[„Die Muschelmagier“ 3252 (Hörbuch)
[„Die Wasserweber“ 3273 (Hörbuch)
[„Frostfeuer“ 2111 (Hörbuch)
[„Die Alchimistin“ 73
[„Das Haus des Daedalus“ 373
[„Der Schattenesser“ 2187
[„Die Fließende Königin“ 409
[„Das Buch von Eden“ 890 (Hörbuch)
[„Das Buch von Eden“ 3145
[„Der Rattenzauber“ 894
[„Faustus“ 3405
[„Seide und Schwert“ 3558 (Das Wolkenvolk 1, Hörbuch)
[„Lanze und Licht“ 4549 (Das Wolkenvolk 2, Hörbuch)
[„Drache und Diamant“ 4574 (Das Wolkenvolk 3, Hörspiel)

_Sprecher & Inszenierung_

Erzähler: Friedhelm Ptok (Ian ‚Imperator Palpatine‘ McDiarmid)
Aura Institoris: Yara Blümel-Meyers
Gillian: Claudio Maniscalo (Jimmy ‚The Haitian‘ Jean-Louis)
Tess: Marie-Luise Schramm (Mara Wilson)
Gian: Kim Hasper (Jamie Oliver)
Philippe Monteillet: Frank Glaubrecht (deutsche Stimme von Al Pacino)
Karisma: Ulrike Stürzbecher (Patricia Arquette, Kate Winslet)
Konstantin: Dietmar Wunder (Cuba Gooding jr., Edward Norton)
Raffael: Norman Matt (Cillian ‚Scarecrow‘ Murphy, ‚Guybrush Threepwood‘ in den „Monkey Island“-Spielen)
Und andere, darunter Tilo Schmitz (dt. Stimme von Ving Rhames).

Für Regie, Ton und Musikkomposition zeichnen Christian Hagitte und Simon Bertling vom Studio |STIL| verantwortlich. (Das Hörspiel ist daher Cornelia Bertling gewidmet, die 2007 mit 40 Jahren starb.) Die Musik spielt das Filmorchester Berlin und der Hochmeisterchor Berlin unter der Leitung von Hagitte. Die Hörspielbearbeitung stammt von Stefan Maetz. |Lübbe Audio| produzierte das Hörspiel und nicht etwa ein Rundfunksender.

_Handlung_

Zehn Jahre sind seit den Ereignissen im Kaukasus vergangen, in deren Verlauf Aura ihren Bruder verlor und ihre Schwester wiederfand. Sie sieht aus wie 24, ist aber 34, eine potenziell Unsterbliche. Aber ist sie die einzige? Vor acht Jahren hat sie ihren Geliebten Gillian, den Vater ihres Sohnes Gian verlassen. Er wollte nicht ebenfalls unsterblich werden. Doch sie mischte ihm trotzdem das Gilgameschkraut in sein Getränk, missbrauchte sein Vertrauen. Das führte zum Bruch, doch er wurde ebenfalls unsterblich. Wer weiß, wo er sich herumtreibt, seit er der neue Großmeister des Templerordens geworden ist.

Aura treibt sich einsam in Paris herum und sucht viele Bibliotheken heim, auf der Suche nach Hinweisen. Sie sucht das Erste Wort der Schöpfung: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott“, heißt es in der Genesis, doch um welches Wort handelt es sich, will Aura wissen: das Verbum Dimissum. Eines Tages findet sie den blutigen Abdruck einer sechsfingrigen Hand auf ihrem Betttuch. Sofort fühlt sie sich verfolgt. Die sechs Finger entsprechen den sechs Strahlen des Sterns des Magus, eines esoterischen Wegweisers.

Sie besucht ihren Freund Philippe Montheillet, der in einem ihrer Häuser vor den Toren der Stadt wohnt. Handelt es sich bei den sechs Fingern um einen Hinweis oder eine Warnung? Eine Warnung, meint der fünfzigjährige und homosexuelle Philippe, der mit Rafael einen Lover beherbergt, der auch mal Aura anbaggerte. Sie brach Rafael die Nase. Philippe ist über den nun ausgebrochenen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich besorgt. Aber Aura hat als Deutsche wohl noch mehr Anlass, sich vor der Internierung durch die Polizei in Acht zu nehmen.

In einer Buchhandlung der Alchimisten stößt sie auf das Buch „Die sechs Finger des Magus“ aus dem Jahr 1911 und lässt sich die Adresse des Autors geben. Auf einem Maskenball Philippes hat sie Sex mit einem Maskierten, der sich Chevalier Veldan nennt und sie zu einer Séance bei zwei deutschen Damen einlädt. Die Adresse, wo er angeblich wohnt, ist seltsamerweise die gleiche wie die der deutschen Damen. Aura ist neugierig, was der Bursche, der sich auf den Maskenball eingeschlichen hat, vorhat.

|Unterdessen im Irak|

Auras 15-jähriger Sohn Gian und seine ein Jahr jüngere Cousine Tess befinden sich im Irak, wo Professor Goldstein Ausgrabungen in den Ruinen Uruks vornimmt, jener Residenz, in der einst König Gilgamesch vor 5000 Jahren herrschte. Tess hat dauernd Albträume von einem Tempelritter, der Angst und Schrecken verbreitet. Da merkt sie, dass der telepathische Gian ihren Geist angezapft hat. Sie schimpft und verpasst ihm eine Ohrfeige. Er lehnt seine Mutter Aura ab, sie verteidigt ihre Tante. Er will das Geheimnis der Unsterblichkeit ergründen, sie warnt ihn davor.

Kurze Zeit später sieht sie, wie Gian von einer Bande schwarz gekleideter und maskierter Krieger gefangen genommen wird. Sie versucht zu fliehen, doch auch das Lager des Professors wird bereits angegriffen …

|Auf dem Mittelmeer|

Gillian schippert mit seiner Ordensschwester Karisma von Venedig nach Palma de Mallorca, an Sizilien vorbei. Er ist Nachfolger von Großmeister Laskari, der auf dem Sinai starb. Nun steht er als Großmeister dem Templum Novum vor, hat aber vom sterbenden Laskari den Auftrag erhalten, den im 14. Jahrhundert verschwundenen Schatz der Templer auf der Baleareninsel zu suchen.

_Mein Eindruck_

Einen tiefen Einschnitt bedeutet diese Folge, denn immerhin sind zehn Jahre vergangen. Praktisch fängt eine neue Handlung an, doch immerhin mit bereits bekannten Akteuren wie Aura, Gillian sowie ihrem Sohn Gian und der Nichte Tess. Zu jedem bekannten Element muss etwas Neues hinzukommen, sonst würde sich das Interesse des Publikums nicht lohnen. Für Gillian besteht das Neue nicht in seinem neuen Status als Großmeister oder in Karisma, sondern in den Suche nach dem Templerschatz, mithin nach dem Gral.

Wir wissen inzwischen durch Dan Browns [„Da Vinci Code“, 1897 dass der Gral auch Menschenform annehmen kann. Ob sich dies auch für den Gral, den Gillian – und später auch Aura – sucht, bewahrheitet, soll hier noch nicht verraten werden. Gian und Tess werden in diese Gralssuche verstrickt, als die Templer-Assassinen sie verschleppen. Interessant ist dabei der Gegensatz zwischen der warnenden Tess, Sylvettes Tochter, und dem faustisch erscheinenden Gian, der das Geheimnis der Unsterblichkeit zu erlangen sucht. Ganz so, als wäre er der wahre Erbe von Nestor Institoris, dem Alchimisten, Auras Vater.

Tja, und Aura, die bislang reichlich ziellos in Paris herumgehangen haben muss, bekommt nun von einem Fremden eine paar ziemlich dicke Zaunpfähle gezeigt: Sie soll unbedingt das Verbum Dimissum finden. Dummerweise befindet sich dieses ebenfalls in den Gral eingeritzt. Alle Fährten führen also zum Gral. Doch wer ist der Strippenzieher im Hintergrund, der alle drei Parteien zu sich ruft? Dieses Geheimnis wird erst in späteren Folgen gelüftet.

Ich fand es aber schon ziemlich bemerkenswert, dass Aura zwar nach ihrer Trennung von Gillian an gebrochenem Herzen leidet, aber keineswegs ein Kind von Traurigkeit ist, sonst würde sie ja wohl kaum mit dem wildfremden Maskierten ein heißes Schäferstündchen wagen. So viel Promiskuität wirkt etwas frivol, andererseits hat sie Gillian schon mindestens acht Jahre hinter sich und könnte ebenso gut unter Liebesentzug leiden. Gut, dass Aura kein Vampir ist. Sie würde eine relativ auffällige Spur von Leichen hinter sich zurücklassen. Sie muss aber kein Monster sein, um von der Polizei verfolgt zu werden: Es reicht schon, eine Deutsche zu sein, denn der Krieg ist ja ausgebrochen.

Recht bemerkenswert fand ich auch die Homosexualität von Auras Freund Philippe Montheillet, der später noch eine große Rolle spielen wird. Philippe hat eine Geliebten namens Rafael, der sich als eine Art Callboy entpuppt. Doch wie Aura herausfindet, hat Rafael einen guten Grund dafür, seine Liebesdienste zu verkaufen …

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Kai Meyer lobt die Darstellung Yara Blümels in höchsten Tönen, insbesondere die Übereinstimmung mit seiner Vorstellung von der Entwicklung der Heldin Aura Institoris. Mittlerweile ist sie bereits eine selbständige junge Frau von 24 oder 25 Jahren, die sich zu helfen weiß. Dies ist keine Frau, die etwas anbrennen lässt, wenn man es nicht sofort erledigen kann, beispielsweise auch ein Schäferstündchen mit einem interessanten Maskierten. Yara Blümels Stimme weiß dies genau auszudrücken. Um Aura braucht man sich wirklich keine Sorgen zu machen – es sei denn, die Geschichte verlangt es.

Frank Glaubrecht (deutsche Stimme von Al Pacino) spricht diesmal die Rolle eines älteren Herrn, der gut betucht und weltgewandt ist. Zu Aura ist Philippe Montheillet freundlich, wenn nicht sogar herzlich, aber das erweist sich später rückblickend als Verstellung.

|Die Geräusche|

Die realistisch gestalteten Geräusche werden nur sehr dezent eingesetzt, um keinesfalls den Dialog zu stören. Sie dienen sozusagen als Andeutungen oder Regieanweisungen, um dem Hörer mitzuteilen: Du befindest dich in einer Straße, denn die Kutsche, die du hörst, rollt über Kopfsteinpflaster, und der Hund, den du bellen hörst, gehört ebenfalls nur in die Stadt. Auch die Schritte, die von harten Schuhen herrühren, können nur auf Stein so klingen. Sie klingen ganz anders als Schritte auf Holz – oder auf Sand. In der Wüste nahe der Ausgrabungsstätte von Uruk fallen Schüsse.

|Die Musik|

Die Musik ist neben dem Text das überragende Merkmal dieser Hörspielreihe. Christian Hagitte und Simon Bertling vom Studio |STIL| haben sich wieder richtig ins Zeug gelegt und einen Score geschaffen, der diesen Namen auch verdient. Die Musik schafft die Stimmung für jede Szene, und wer auf die Musik achtet, bekommt sofort mit, wenn sich die Stimmung ändert, so etwa bei einem Wechsel des Schauplatzes. Im kultivierten Paris erklingt klassische Musik, in Spanien hingegen eine sehr schön gespielte Flamenco-Gitarre.

Aufgrund dieser vielfältigen Wechsel fällt es nicht leicht, die Musik pauschal zu charakterisieren, aber mir ist aufgefallen, dass sich die klassische Instrumentierung häufig auf der melancholischen und wehmütigen, wenn nicht sogar düsteren Seite des Farbenspektrums bewegt. Allerdings ist diese Gemütslage höchst romantisch und keineswegs morbide oder zerfahren. Daher fällt es der Musik leicht, aus dem romantischen Ton in den dramatischen Ausdruck zu wechseln. Mehr als einmal habe ich den Chor „Ora pro nobis, domine“ (Bitte für uns [Sünder], o Herr) vernommen – die Stimme des Schicksals sozusagen.

Wird die Musik dramatisch, kann sie auch recht flott werden, besonders in Kampfszenen, von denen es nicht wenige gibt. Doch die Musik muss aufpassen, dass sie nicht die Rufe und Schreie während dieser Kampfszenen überlagert. Die Figuren sollten immer die Oberhand über die Stimmung haben, sonst erscheinen sie als Marionetten. Das Outro erfüllt diesmal eine andere Funktion als die eines Aufräumers. Es ist ein Ausklang, der eher düster vorausverweist. Das Motiv, das die Streicher spielen, verklingt in der Ferne.

Lutz Riedel verweist wie üblich auf die Fortsetzung, die den Titel „Die schwarze Isis“ trägt.

|Das Booklet|

Ein Geleitwort des Autors lobt die Darstellung Yara Blümels in höchsten Tönen, sagt aber immerhin genau, was ihm daran so gefiel, nämlich die Übereinstimmung mit seiner Vorstellung von der Entwicklung der Heldin Aura Institoris. Außerdem gefiel ihm die Musik ausnehmend gut. Er hat jetzt Lust, die Fortsetzung zu schreiben. Wird auch Zeit!

Der Rest des Booklets liefert einen Überblick über die zweite Staffel und eine Biografie des Autors.

_Unterm Strich_

Mit dieser fünften Folge startet der Roman sozusagen durch, um drei neue Handlungsstränge einzuleiten. Diese drehen sich um Aura und ihren unbekannten Lover, um Gillian und Karisma sowie um Gian und Tess. Ein weiteres Paar bleibt noch als Strippenzieher im Hintergrund. Nach einem actionreichen Auftakt, der zur Verschleppung der beiden Kinder führt, gerät Aura auf die Spur eines weiteren Unbekannten, der ihr unbedingt etwas über das Erste Wort mitteilen will. Ebenso geheimnisvoll wie die Identität ihres Lovers sind die Absichten dieses zweiten Unbekannten, so dass man mit Spannung der Fortsetzung entgegensieht.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von bekannten Schauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Mir war die Umsetzung an vielen Stellen zu romantisch und melodramatisch, aber von einer statischen Handlung kann keine Rede sein, denn die folgerichtige Entwicklung von Auras Abenteuern im Kampf gegen den Alten vom Berge ist mitreißend geschildert.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Stars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

|64 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3610-4|
http://www.kai-meyer.com
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name

Kane, Andrea – Angsttage

Blut ist dicker als Wasser – aber ist es so dick, dass man dafür morden würde? Andrea Kane beantwortet diese Frage in ihrem Roman „Angsttage“ auf anschauliche Art und Weise.

Sally Montgomery ist eine tierliebe Kindergärtnerin, die für ihre Zähigkeit und Freundlichkeit bekannt ist. Sie hat drei erwachsene Kinder und widmet ihre Zeit vor allem ihren Tieren. Als der reiche Unternehmer Frederick um ihre Aufmerksamkeit buhlt, gibt sie sich erst bescheiden, lässt sich aber dann doch von ihm dazu überreden, einen Wochenendtrip in die Berge zu machen. Doch dieser endet in einer Katastrophe.

Frederick wird erschlagen und verbrennt zusammen mit ihrer Hütte, Sally kann gerade so flüchten. Ihr wird schnell klar, dass es nicht besonders schlau wäre, zuhause aufzutauchen, wenn der Mörder Fredericks ihr noch auf den Fersen sein könnte – und wenn die Polizei sie verdächtigt, den Brand gelegt zu haben. Verzweifelt meldet sie sich bei ihrer ältesten Tochter Devon, die sofort Sallys Ex-Mann und ihren Vater Monty darüber informiert.

Monty, ein ehemaliger Cop, arbeitet als Privatermittler, und trotz der Trennung liebt er Sally immer noch. Er schwört Stein und Bein, die Täter zu finden, damit Sally nach Hause kommen kann. Mithilfe von Devon beginnt er, Fredericks Familie, die schwerreichen Piersons, auszuspionieren. Er glaubt, dass die Wurzel allen Übels dort zu finden ist. Und tatsächlich scheinen einige Familienmitglieder mehr zu wissen, als sie zugeben …

Andrea Kanes Geschichte strotzt nicht unbedingt vor Originalität. Die Handlung, die sie erzählt, ist nicht die erste, die sich mit den Machenschaften eines Familienclans auseinandersetzt, und hat dieser Thematik auch nichts Neues hinzuzufügen. Dass die Geschichte nicht so einfach zu durchschauen ist, hängt vor allem damit zusammen, dass die Autorin es versteht, falsche Spuren auszulegen und ihre Personen in Ungereimtheiten zu verstricken. Der Leser fragt sich beinahe automatisch, wer denn nun hinter der ganzen Sache stecken könnte. Da es nur eine begrenzte Anzahl verdächtiger Personen gibt, ist das Rätselraten einfach – und trotzdem kommt das Ende überraschend, wirkt aber nicht an den Haaren herbeigezogen.

Auch wenn Kane nicht viel Zeit darauf verwendet, einen großartigen, spannungsgeladenen Plot zu entwerfen, weist die Geschichte einige nette Wendungen auf und ist stellenweise sogar fesselnd. An und für sich ist „Angsttage“ aber zu breit angelegt, um wirklich mitreißend zu sein. Das Privatleben der Figuren nimmt zu viel Platz ein beziehungsweise Kriminalfall und Privatleben werden zu stark vermischt. Das ist vor allem bei Devon der Fall, die eine Affäre mit einem der Piersons beginnt. Des Weiteren wirkt Montys Ermittlergeschick häufig überstürzt. Er löst einige Ungereimtheiten zu schnell auf, was weder der Geschichte noch der Person des Monty gut tut.

Davon einmal abgesehen, sind die restlichen Figuren durchweg gelungen. Es handelt sich um bodenständige Menschen, die sehr optimistisch und freundlich sind. Sie sind gut ausgearbeitet und man kann sich mit ihnen identifizieren; was aber letztendlich störend ist, ist der Mangel an Ecken und Kanten, an düsteren Geheimnissen. Negative Gefühle findet man bei den Montgomerys selten. Diese Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität wird dem einen oder anderen vielleicht sauer aufstoßen, auch wenn Andrea Kane ansonsten saubere Arbeit geleistet hat.

Mit ihrem Schreibstil verhält es sich ähnlich. Auch dieser ist locker-luftig und insgesamt sehr optimistisch. Kane schreibt flüssig, leicht lesbar und verplaudert sich dabei an der einen oder anderen Stelle. Sie schweift aber glücklicherweise nie zu weit ab, sondern polstert die Geschichte dadurch unterhaltsam auf. Spaß machen auch die kleinen Neckereien zwischen den Hauptfiguren, die lebendig und realistisch wirken und manchmal sogar zum Lachen animieren.

„Angsttage“ ist kein straff durchkomponierter, hochspannender Thriller, sondern eher die Familienvariante davon. Nett, beschaulich, aber trotzdem gut geschrieben und sorgfältig aufgebaut. Andrea Kanes Geschichte ist sicherlich nicht für jeden etwas, wird ihren Leserkreis aber finden.

|Originaltitel: Wrong Place, Wrong Time
Aus dem Englischen von Karin Meddekis
444 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15916-1|
http://www.bastei-luebbe.de

Gerritsen, Tess – Leichenraub

Im Jahre 1830 war die Medizin in Europa und Übersee bereits recht fortschrittlich. Universitäten mit ihren erfahrenen Doktoren und Professoren der Medizin bildeten die angehenden und zukünftigen Ärzte theoretisch und praktisch aus. Ärzte gehörten damals auch schon der sozialen Oberschicht an, und Studenten aus armem Hause mussten entweder zu Geld gekommen sein oder ein einflussreicher Gönner ebnete dem jungen Mann den Weg zu Respekt und Einkommen.

In den Krankenhäusern war der Chefarzt im Grunde ein Alleinherrscher, ein Gott in Weiß und für viele Kranke die letzte Hoffnung. Assistenzärzte und Studenten wurden ausgenutzt und oftmals mit sich und den Patienten allein gelassen. Hygiene in den Hospitale und Krankenhäuser war nur wenig bekannt und wurde nicht umgesetzt, oftmals einfach nur aus Unkenntnis.

Wie es auch heute der Fall ist, mussten die jungen Männer Leichen obduzieren, um den menschlicher Körper und seine komplexen Organe analytisch und mit den Augen und Fingern eines Mediziners verstehen zu können. Typische Krankheitszeichen oder Mangelerscheinungen konnten so identifiziert werden und Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf zulassen.

Mit der steigenden Anzahl von Universitäten stieg ebenso die Nachfrage nach Leichen zur Obduktion. Hingerichtete Verbrecher wurden per Gesetz auf den Vivisektionstisch der angehenden Studenten gelegt und für Studienzwecke seziert, ansonsten gab es nur die illegale Möglichkeit, entwendete Leichen von zwielichtigen Leichenräubern zu kaufen. Natürlich galt so eine Tat als ungesetzlich, und für dieses Vergehen erwartete den Leichenräuber der Galgen, doch das Geld, das man für eine ‚frische‘ Leiche bekommen konnte, war es wert, das Risiko einzugehen.

Tess Gerritsen hat in ihrem aktuellen Roman „Leichenraub“ bei |Limes| diese Thematik in einem spannenden Roman zum Leben erweckt.

_Inhalt_

Julia Hamil, die gerade ihre Ehe beendet und ein Haus samt Anwesen in Boston gekauft hat, stürzt sich in die Restauration und Renovierung ihres neuen Heimes. Haus und Garten bedürfen neben ihrem persönlichen Selbstbewusstsein eine Menge an Aufarbeitung. Bei der Gartenarbeit stößt sie auf etwas recht Hartes und scheinbar Großes, wahrscheinlich einen Stein, den sie in wilder Entschlossenheit ausgraben will. Doch beim näheren Hinsehen entpuppt sich der Stein als Totenschädel, und Julia sieht vor sich nicht mehr ihren neu erworbenen, chaotischen Garten, sondern vielmehr unerwarteterweise ein Grab.

Die Leiche wird von der forensischen Abteilung unter der Leitung der Pathologin Dr. Maura Isles ausgegraben und untersucht. Es handelt sich um die Gebeine einer jungen Frau, die vor circa 200 Jahren ermordet wurde – die Verletzungen des Schädelknochens lassen keine andere Vermutung zu.

Geschockt und verwirrt, fühlt sich Julia in ihrer neuen Bleibe nun etwas unwohl, denn auch die Vorbesitzerin, eine alte Frau, fand man leblos in ihrem Garten, allerdings war sie da schon seit knapp drei Wochen tot. Nur wenige Tage später bekommt Julia einen Anruf aus Maine. Es ist der Cousin der Vorbesitzerin, Henry Paige, der in sechs Kartons alle Dokumente der alten Frau besitzt. Ihn interessiert, was es mit den alten Knochen auf dem Anwesen auf sich hat. Wer war die junge Frau, die eines gewaltsamen Todes starb und heimlich verscharrt wurde? Anhand der Dokumente versuchen er und Julia die Vergangenheit zu rekonstruieren, um etwaige Hinweise darauf zu finden, was sich vor knapp zwei Jahrhunderten abgespielt haben könnte.

Die alten Briefe, unterzeichnet von einer Person mit den Initialen O. W. H., führen Julia und Henry in das Jahr 1830 in Boston. Hier ist der Tod allgegenwärtig in den Armenvierteln und Krankenhäusern der wachsenden Stadt. Der junge Student Norris Marshall, der an der medizinischen Fakultät in Boston studiert und auf einer Farm in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, verdient sich etwas Geld für seinen Lebens- und Ausbildungsunterhalt mit dem Ausgraben und Verkaufen von Leichen für die medizinische Hochschule. Er ist ein talentierter und ehrgeiziger Medizinstudent, der in der Medizin seine wahre Berufung sieht und davon träumt, später ein angesehener und erfolgreicher Arzt zu sein, so dass er seine soziale Unterschicht endlich hinter sich lassen kann.

Rose Connolly, eine junge irische Frau, die gerade in die Staaten ausgewandert ist, um sich eine neue Existenz aufzubauen, wacht in einem Bostoner Krankenhaus am Bett ihrer Schwester Aurina, die kurz vor der Entbindung steht. Hier lernt die junge Frau auch Norris Marshall kennen, der mit seinem Doktorvater und anderen medizinischen Studenten die morgendliche Visite durchgeht. Die schwangere Frau ist schwach, und unkontrollierte Blutungen setzen eine komplizierte Geburt in Gang. Kurz nach der Geburt stirbt Aurina an Schwäche und Meggie, ihrer neugeborenen Tochter, droht das Waisenhaus, doch Rose fühlt sich ihrer Schwester verpflichtet und nimmt sich ihrer jungen Nichte an. Sie arbeitet als Schneiderin für ihren Schwager, einen Trinker und groben Mann, der nur seine eigenen Vorteile sieht.

Eines Abend entdeckt Rose in der Nähe des Krankenhauses die Leiche einer Krankenschwester, die fast ausgeweidet wurde. Die Tat musste in den letzten Minuten geschehen sein und Rose sieht einen dunkel gekleideten Mann mit weißem, todesähnlichem Gesicht, der sich ihr nähert. Sie flieht panisch durch die dreckigen Straßenschluchten und läuft Norris Marshall, der mit einem Studienkollegen unterwegs ist, in die Arme.

Als in den nächsten Nächten wiederum eine Krankenschwester dem „Reaper“ zum Opfer fällt und Norris durch Zufall die verstümmelte Leiche findet, wird er selbst zum Tatverdächtigen. Denn die Verletzungen der toten Frauen legen den Verdacht nahe, dass es sich um jemanden handeln muss, der medizinische Kenntnisse vorweisen kann bzw. vielleicht Tiere wie Kälber und Schweine getötet und ausgenommen hat. Beides hat spricht daher als Indiz gegen den jungen Medizinstudenten, der nun um seiner eigenen Sicherheit willen den wahren „Sensenmann“, den er leibhaftig bei dem zweiten Opfer gesehen hat, finden muss – sonst befinden sich seine medizinische Laufbahn und sein Leben in höchster Gefahr.

Rose hingegen, die er als Zeugin benötigt und zu der er sich immer mehr hingezogen fühlt, wird von einem unbekannten Mann gebeten, ihm ihre Nichte Meggie zu überlassen – gegen ein großzügiges Entgelt, das alle ihre finanziellen Sorgen und Nöte im Nu verschwinden lassen könnte. Doch Rose ist nicht bestechlich und sieht sich nun zusammen mit ihrer kleinen Nichte einer Gefahr ausgesetzt, die sie nicht erkennen kann. Verzweifelt wendet sie sich vertrauensvoll an Norris Marshall und bringt sich damit noch mehr in Gefahr.

_Kritik_

Tess Gerritsen hat mit „Leichenraub“ einen Thriller geschrieben, der diemsal nicht die Reihe um Dr. Maura Isles fortsetzt. Zu Beginn kommt diese kurz vor, als sie Julia darauf hinweist, dass die junge Frau, deren Skelett sie im Garten fand, ermordet wurde. Also gibt es nur ein kurzes Gastspiel, aber die Haupthandlung ist spannend und interessant genug und kommt auch ohne die erfahrene und bei der Leserschaft beliebte Pathologin aus.

„Leichenraub“ ist eher ein historischer Krimi und als solcher literarisches Neuland, auf dem sich Gerritsen bewegt. Sie nimmt diese Hürde aber formidabel und inszeniert den Historienkrimi gekonnt, einfallsreich und spannend. Die Story spielt sich in zwei Zeitebenen ab: einmal natürlich die Gegenwart mit der jungen Julia und ihrer schaurigen Entdeckung und Spurensuche, und das Jahre 1830, das das historische Element bestimmt und den größten Erzählumfang einnimmt.

Tess Gerritsen, die selbst Ärztin ist, weiß, wovon sie schreibt und wie sie plastisch und realistisch ihr Wissen dem Leser zu vermitteln hat. Die Medizin ist hierbei die zentrale Figur, die den menschlichen Protagonisten so manches Mal den Platz auf der Bühne nimmt. Die Behandlungstechniken, die Hygiene der damaligen Zeit, die Forensik und Pathologie mussten ohne die technischen Möglichkeiten der heutigen Zivilisation auskommen, und viele kranke Menschen mussten schlicht aus mangelndem Wissen ihr Leben lassen. Ohne Antibiotika oder Radiologie und sonstige medizinische Technik waren die Ärzte nur auf ihr eher spärliches Wissen angewiesen, das sie entweder fachgerecht erlernten oder sich durch Kollegen und Experimente selbst aneignen konnten. Auch diese Aspekte erklärt die Autorin interessant und lehrreich und man sollte sich wundern, wie spannend medizinische Geschichte erzählt werden kann.

Die Story eines Frauenmörders ähnelt natürlich sehr seinem englischen Verwandten „Jack the Ripper“; auch dieser muss medizinische Grundkenntnisse gehabt haben, also ist die Idee eines unheimlichen Frauenmörders aus dem medizinischen Umfeld insofern nichts Neues. In der Handlung gibt es generell wenig Überraschendes; nach einem gut erkennbaren Muster wird der Leser schon im letzten Drittel der Handlung wahrscheinlich richtig kombinieren und die Identität des Täters offenbart haben. Die geschilderten Vorgänge sowie die Entwicklung die Protagonisten und ihr Zusammenspiel sind dagegen spannend und abwechslungsreich geraten, aber auch dies nur vor dem medizinischen Hintergrund. Die Grundstimmung ist unheimlich; die düsteren Hinterhöfe und Straßen Bostons, die mangelnde Hygiene in den damaligen Krankenhäusern und auch die detailreiche Schilderung der Vivisektion eines Leichnams oder der Raub einer Leiche im Schutze der Nacht auf einem Friedhof jagen dem Leser einen wohligen Schauder über den Rücken.

Die Protagonisten sind mit kräftiger Linienführung gezeichnet, allen voran der talentierte Jungstudent Norris Marshall, der seiner Vergangenheit entfliehen möchte und jede Mühe auf sich nimmt, um seine Zukunft möglichst erfolgreich und beständig abzusichern.

Als Kritikpunkt empfinde ich den gegenwärtigen Handlungsstrang, der mir recht überflüssig erscheint; hier hätte es gar keinen Wechsel zwischen den zeitlichen Ebenen geben müssen. Zu verwirrend sind die Sprünge und die Erklärungen; am Anfang und am Ende sind diese noch gut platziert, aber zwischendurch hemmen sie einfach die aufkommende Spannung der eigentlichen Handlung.

_Fazit_

„Leichenraub“ von Tess Gerritsen ist ein empfehlenswerter Thriller. Um das Prädikat sehr gut zu erreichen, hätte sich die Autorin auf die Erzählebene der Vergangenheit beschränken sollen. Ein historischer Thriller sollte der Erwartungshaltung genügen, gut recherchiert worden zu sein und sich auf Fakten und Beweise zu stützen, was der Autorin auch großartig gelingt. Ich hoffe, dass sie weitere Thriller im historischen Bereich verfassen wird, da sie auch hier zeigt, wie brillant man Medizin in einen spannenden Thriller umzusetzen vermag. „Leichenraub“ ist allerdings ein in sich abgeschlossener Roman, so dass es keine weiteren Episoden geben wird.

|Originaltitel: The Bone Garden, 2007
Übersetzung: Andreas Jäger
442 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-8090-2539-9|
http://www.limes-verlag.de

_Tess Gerritsen auf |Buchwurm.info|:_
[„Todsünde“ 451
[„Die Chirurgin“ 1189
[„Der Meister“ 1345
[„Roter Engel“ 1783
[„Schwesternmord“ 1859
[„Akte Weiß: Das Geheimlabor“ 2436
[„Scheintot“ 3913
[„Blutmale“ 4107
[„In der Schwebe“ 4454

Delaney, Joseph – Spook 4 – Der Kampf des Geisterjägers

_Mittlerweile_ liegt zur „Spook“-Reihe von Joseph Delaney schon der vierte Band vor. Mit den ersten drei Teilen hat Delaney die Geschichte um den jungen Geisterjäger-Azubi Tom Ward kontinuierlich in Punkto Spannung steigern können. Stellt sich also die Frage, ob ihm das auch mit dem vorliegenden vierten Band „Der Kampf des Geisterjägers“ so gut gelingt …

_Tom Ward_ ist nun schon seit geraumer Zeit der Lehrling des alternden Geisterjägers Mr. Gregory. Zusammen mit der jungen Hexe Alice, mit der Tom Freundschaft geschlossen hat, lebt er bei dem alten Meister in Chipenden und bereist von dort das Land, wann immer die Dienste des Spooks gebraucht werden.

Mittlerweile hat Tom schon so manchen finsteren Mächten gegenübertreten müssen, doch nun stellt sich ihm und seinem Meister ein neues Problem: die Hexen von Pendle. Viel zu lange hat der alte Spook die Probleme in Pendle ignoriert, doch als er Besuch von Pater Stocks erhält, einem alten Freund und Vertrauten aus der Umgebung des Pendle Hill, wird ihm klar, dass er dem Treiben der dunklen Mächten dort schon viel zu lange tatenlos zugesehen hat.

Während der Spook beschließt, möglichst bald nach Pendle aufzubrechen, ist Tom zusammen mit Alice unterwegs zum Bauernhof von Toms Bruder Jack. Dort stehen noch immer die drei Truhen, die seine Mutter ihm anvertraut hat. Doch als die beiden am Hof ankommen, sind sie entsetzt: Die Truhen sind gestohlen und Toms Bruder mit Frau und Tochter entführt worden. Die Spur führt in Richtung Pendle und so hat der alte Spook nach der Rückkehr von Tom nach Chipenden gleich zwei gute Gründe, das Hexenproblem in Pendle nicht länger aufzuschieben. Sie machen sich unverzüglich auf den Weg.

Kaum sind sie dort angekommen und haben bei Pater Stocks Quartier bezogen, überschlagen sich auch schon die Ereignisse. Alice wird entführt und schon wenig später steckt auch Tom in ernsthaften Schwierigkeiten, als man ihn eines Schwerverbrechens bezichtigt. Währenddessen treffen die drei ursprünglich verfeindeten Hexenclans von Pendle letzte Vorbereitungen, sich zu vereinigen, um in einem gemeinsamen Ritual am Hexensabbat den Teufel heraufzubeschwören. Ob Tom und sein Meister das verhindern können?

_Der vierte Band_ der „Spook“-Reihe macht schon auf den ersten Blick einen etwas anderen Eindruck als die Vorgängerbände. Ungewöhnlich dick ist das Buch, und entsprechend komplex legt Delaney diesmal auch die Geschichte an. In keinem bisherigen „Spook“-Band sind so viele Figuren aufgetaucht und wurden so viel Erzählstränge angelegt wie in diesem Band. Immer wieder verzweigt sich die Handlung, die Wege der Protagonisten trennen sich, um sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu kreuzen.

Für Spannung ist dabei auch diesmal wieder reichlich gesorgt. Die Entführung von Toms Familie, die Geschehnisse in Pendle, in deren Folge Tom verhaftet wird, die Rolle der rätselhaften Truhen unbekannten Inhalts – all das sorgt für eine zügige Spannungssteigerung. Delaney versteht sich darauf, den Leser durch eine spannende Erzählweise bei der Stange zu halten. Das gelingt ihm in diesem Band ähnlich gut wie in den vorangegangenen.

Trotzdem hat man ein wenig das Gefühl, dass Delaney diesmal zu viel wollte. Er baut so viele Figuren auf und lässt so viel gleichzeitig passieren, dass ihm dabei die Figurenentwicklung immer mal wieder ein wenig entgleitet. Der alte Spook kommt in diesem Band definitiv zu kurz. Immer wieder verschwindet er von der Bildfläche und taucht dann nur kurz auf, wie zu einer Stippvisite. Dafür, dass Tom ja eigentlich immer noch der Lehrling ist, muss er erstaunlich viel im Alleingang bewältigen.

Wird mit Beginn der Handlung in Pendle noch Mistress Wurmalde, die Haushälterin des Magistrats, als die große Böse aufgebaut, die Erz-Feindin von Toms Mutter aus alten Zeiten, die noch eine offene Rechnung begleichen will und deshalb die Hexenclans von Pendle um sich schart, so geht sie am Ende ziemlich jämmerlich unter. Für die große Übeltäterin des Romans ist das ein wenig zu unspektakulär. Und so fehlt dem Roman immer wieder die Balance. Fast bekommt man das Gefühl, Delaney würde sich mit all den vielen auftauchenden Figuren ein wenig verzetteln.

Zum Ende hin baut Delaney dann noch ein großes Finale auf, pünktlich zum Hexensabbat. Es kommt zur großen Schlacht am Pendel Hill, die gleichzeitig einen entscheidenden Wendepunkt für die gesamte „Spook“-Reihe markiert. Einige Eckpfeiler der Geschichte werden manifestiert, die auch für den weiteren Verlauf der Handlung nicht unbedeutend sein dürften. Toms Rolle in der Geschichte bekommt eine neue Bedeutung, die der wachsame Leser aber schon vorausahnen kann.

Und so wird auf diesen „Spook“-Band sicherlich ein weiterer folgen und Delaney die Reihe munter weiter aufbauen. Wie er allerdings weiterhin die Spannung mit jedem Band hochhalten und Tom mit einem stets neuen und stärkeren Bösewicht konfrontieren will, ist mir im Augenblick noch schleierhaft. Ewig wird sich die Spannungsschraube nicht weiterdrehen lassen. und irgendwann kommt sicherlich der Punkt, an dem auch aus der bis dato so unterhaltsamen „Spook“-Reihe die Luft raus ist. Hoffen wir aber, dass das noch einige Bände dauern wird …

_Bleibt unterm Strich_ zwar ein positiver, aber auch leicht angeschlagener Eindruck zurück. Stellten die ersten drei Bände jeweils eine Steigerung in Spannung, Größe von Toms Gegner und Unterhaltungswert dar, so zeigen sich mit dem vorliegenden vierten Band erstmals einige Schwächen. Plot- und Figurenentwicklung wirken nicht immer gut ausbalanciert und man hat ein wenig das Gefühl, dass Delaney diesmal etwas zu viel des Guten wollte. „Spook“ ist zwar immer noch ein unterhaltsames Lesevergnügen, aber dennoch offenbart der vierte Teil der Reihe Schwächen, die die Vorgängerbände nicht hatten. Bleibt zu hoffen, dass dies nur eine kurze Phase ist, die Delaney mit dem nächsten Band wieder überwinden kann.

|Originaltitel: The Wardstone Chronicles – The Spook’s Battle, 2007
Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen
Illustriert von Patrick Arrasmith
416 Seiten, gebunden in Lederoptik mit Gold- und Reliefprägung
Empfohlen ab 10 Jahren
ISBN-13: 978-3-570-13399-6|
http://www.cbj-verlag.de

_Die „Spook“-Serie in chronologischer Reihenfolge:_

[„Spook: Der Schüler des Geisterjägers“ 2303
[„Spook: Der Fluch des Geisterjägers“ 3535
[„Spook: Das Geheimnis des Geisterjägers“ 4184
[„Spook: Der Kampf des Geisterjägers“ 5314

Permezza, Franca – Partitura di Praga

_Story_

Commissario Trattoni ist erzürnt, als er mitten in der Nacht zu einem vermeintlichen Tatort gerufen wird, an dem ein nicht identifizierter Mann erhängt wurde. Immerhin ermittelt der Beamte in Venedig, und dort gibt es ständig Suizidkandidaten, die an Brücken oder im Gewässer gefunden werden. Doch der Tote wurde offensichtlich ermordet, allerdings erst später am Strick befestigt.

Trattoni findet recht bald heraus, dass es sich bei der Leiche um einen begabten tschechischen Musiker handelt, der bereits in den Neunzigern ausgewiesen wurde. Auf einer Reise nach Prag lernt Trattoni die Witwe des Opfers kennen und erfährt auch etwas mehr über dessen stille Liebschaften, über seinen Bezug zur Freimaurerloge und seine Passion für die klassische Musik.

Als in diesem Zusammenhang ein vermeintliches Original einer Mozart-Partitur auftaucht, verdichten sich für den Comissario die Motive für den Mord an dem Tschechen. Als er jedoch ein zweites Mal nach Prag aufbricht, scheint ihm der Fall zu entgleiten. Während seiner Abwesenheit wird ein Hauptverdächtiger ermordet und der Fall an Trattonis verhassten sizilianischen Konkurrenten vergeben. Gegen jegliche Vernunft ermittelt der schwergewichtige Diabetiker auf eigene Faust – und muss dafür fast einen hohen Preis zahlen.

_Persönlicher Eindruck_

Franca Permezzas zweites Buch um den fettleibigen Commissario Trattoni ist im Grunde genommen ein typisch italienischer Krimi, dessen schematischer Aufbau sich sehr gut in der Masse der dort veröffentlichen Kriminalliteratur verstecken könnte. Die Figuren lassen sich in entsprechende Sparten-Schubladen einsortieren, die üblichen Klischees um die einheimische Küche und Kultur werden gerne und effizient aufgegriffen, und auch die Detailverliebtheit bei der Darstellung der Schauplätze ist in diesem Genre gerade in den südländischen Publikationen handelsüblich und macht „Partitura di Praga“ zunächst einmal nur zu einem gewöhnlichen Roman mit Lokalkolorit.

Aber auch der Fall selber ist nicht wirklich spektakulär konzipiert. Eine merkwürdige Leiche baumelt an einer Brücke in Venedig und wurde wahrscheinlich Opfer einer tragischen Liebschaft – so weit, so gut; allerdings hat man dergleichen in ähnlicher Form schon häufig gelesen. Interessant wird das Ganze erst durch die Beziehungen zu den Freimaurern und die Entdeckung einer eigenartigen Partitur, die womöglich von Amadeus Mozart höchstpersönlich verfasst wurde. Allerdings gelingt es der Autorin nur sehr sporadisch, diese Inhalte auch passend in die Handlung einzubauen. Die Mordfälle und die möglichen Ursachen laufen bei der Aufklärung anfangs ein wenig aneinander vorbei und finden erst im Schlussdrittel zusammen, was die Story stellenweise willkürlich erscheinen lässt. Und hierin besteht auch das eigentliche Problem von „Partitura di Praga“.

Bei der Rahmenbeschreibung hingegen zeigt sich Permezza als eine der Besten ihres Faches. Die Schreiberin zeichnet ein recht ambivalentes Bild ihrer Heimatstadt Venedig, gibt sich betont ortskundig und liebevoll bei ihren Darstellungen, wettert aber zwischen den Zeilen auch immer wieder gegen den steten Verfall der Romantik-Hauptstadt. Das ist lebendig, fachlich bemerkenswert und auch richtig angenehm zu lesen. Darüber hinaus sind die kulinarischen Umschreibungen ebenfalls schön in den Plot eingewoben, wenngleich sie manchmal schon einen sehr dominanten Part zugesprochen bekommen. Aber schließlich gehören sie zum italienischen Krimi wie die Butter aufs Brot und sind daher auch in der üppigeren Variante gerne akzeptiert.

Insgesamt hat Permezza sicherlich ein ganz anständiges Buch geschrieben, bei dem zwar manchmal die Zusammenhänge etwas konkreter dargestellt werden könnten, welches aber gleichzeitig über einen guten Spannungsbogen verfügt und daher auch überzeugt. Mit Cammileri und Varesi kann sich die Dame aus Venedig zwar noch nicht messen, doch wenn es darum geht, kurzweilige Kriminalunterhaltung zu konzipieren, versteht Permezza durchaus ihr Handwerk. Mal sehen, ob sich Commissario Trattoni, wie im Roman angekündigt, schon zur Ruhe setzen wird. Als Hauptdarsteller ist er nämlich ein sehr angenehmer, eigenständiger Charakter, den man gerne wiedersehen würde.

|Aus dem Veneziano von Wolfgang Körner
270 Seiten
ISBN-13: 978-3-499-24583-1|
http://www.rowohlt.de

Rothfuss, Patrick – Name des Windes, Der (Die Königsmörder-Chronik. Erster Tag)

_Ein Wirtshaus irgendwo_ in einem Hinterwäldlerdorf in der Provinz. Die Stammgäste sitzen beisammen, essen Eintopf, trinken Bier, erzählen Geschichten. Der Wirt, rothaarig und grünäugig, lächelt, bedient und wischt die Theke sauber. Da platzt ein Dorfbewohner in den Raum, übersät mit blutenden Schnitten, und in einer Decke bei sich ein seltsames, schwarzes Geschöpf ohne Augen, dafür mit Beinen wie Messerklingen, acht an der Zahl, als wäre es eine Art Spinne.

Der Wirt kann die erschreckten und verwirrten Männer beruhigen. Doch er weiß mehr als sie, und kaum ist er mit seinem Gehilfen allein, stellt sich heraus, dass er auch mehr ist als ein gewöhnlicher Wirt. Wer genau er ist, das erfährt der Leser erst, als ein weiterer Mann auftaucht. Ein Mann, der überall als der Chronist bekannt ist. Der Chronist sucht nach einer Geschichte. Einer wahren Geschichte …

_“Der Name des Windes“_ erzählt die Geschichte von Kvothe. Kvothe gilt als mächtigster Zauberer seiner Zeit. Unzählige Legenden werden über ihn erzählt, und nicht alle sind sehr schmeichelhaft. Kvothes tatsächliche Persönlichkeit ist schwer zu beschreiben, wahrscheinlich deshalb, weil selbst am Ende des Buches noch eine ganze Menge fehlt.

Der ältere Kvothe, der die Geschichte erzählt, wirkt müde, regelrecht erschöpft, als trüge er so viele düstere Erinnerungen mit sich herum, dass er fast darunter zusammenbricht. Deshalb erinnert er sich nur sehr widerwillig. Tatsächlich jedoch scheint das Erzählen ihm gut zu tun, er blüht regelrecht auf dabei – nur um in den Pausen sofort in sein düsteres Brüten zurückzufallen. Dabei ist bis zum Ende des Buches noch gar nichts so Schreckliches geschehen, dass es eine solche Schwermut erklären könnte.

Der junge Kvothe ist vor allem eines: stolz. Schon als Kind sehen viele Menschen auf ihn herab, weil er zum fahrenden Volk gehört, und schon damals stört ihn das. Als er nach dem Verlust seiner Eltern als Gassenjunge in der Hauptstadt landet, lernt er zu überleben. Doch seine eigentliche Persönlichkeit liegt in dieser Zeit brach, begraben unter Schock und der Notwendigkeit, ständig auf der Hut zu sein. Als es ihm schließlich gelingt, an der Universität aufgenommen zu werden, wird ihm aus dieser Zeit vor allem eins nachhängen: das dringende Bedürfnis, aus seiner Armut herauszukommen. Abgesehen davon ist Kvothe überdurchschnittlich intelligent, er lernt extrem leicht und schnell, was schon an der Uni für Neid unter seinen Komilitonen sorgt. Außerdem ist er ein begnadeter Musiker. Diese letzten beiden Aspekte sorgen regelmäßig dafür, dass der Leser vollkommen vergisst, dass Kvothe noch nicht erwachsen ist. Lediglich im Zusammenhang mit Denna wird der Leser wieder daran erinnert.

Denna ist eine junge Frau, die völlig allein lebt, ohne Familie, ohne Freunde. Sie ist wie ein Blatt im Wind, taucht auf, verschwindet wieder und scheint nirgendwo zu Hause zu sein. Über ihre Vergangenheit spricht sie nicht, und auch sonst gibt sie sich ziemlich geheimnisvoll. Sie ist schön, eigenwillig, faszinierend und besitzt eine außergewöhnlich schöne Singstimme. Kvothe gerät vollkommen in ihren Bann.

Da sich die Geschichte so stark auf Kvothe konzentriert, bleiben sämtliche übrigen Personen nur Nebenfiguren, von seinem Gehilfen Bast über seine Freunde Simmon und Wilem bis hin zu seinem persönlichen Gegner Ambrose. Störend wirkt das nicht, denn Kvothe und Denna füllen die Geschichte völlig aus. Die Tatsache, dass beide sich nicht gänzlich offenbaren – Denna hat ein Geheimnis, und Kvothe kommt im ersten Band schlicht nicht über den Teenager hinaus, sodass das Bild einfach unvollständig ist -, erhält beide interessant und den Leser neugierig.

Und eine weitere Auswirkung hat diese starke Gewichtung Kvothes: Der eigentliche Antagonist taucht so gut wie gar nicht auf. Kvothe erzählt seine Geschichte von einem sehr frühen Zeitpunkt an, als er zehn Jahre alt war. Am Ende des Buches ist der Junge knapp sechzehn. Nicht unbedingt das Alter, in dem man es mit einem Gegner wie den Chandrian aufnimmt – auch wenn Kvothe sich das als langfristiges Ziel gesetzt hat, denn die Chandrian haben seine Eltern umgebracht, weil diese die falschen Lieder sangen.

Diese Worte lassen Kvothe nicht mehr los. Und kaum an der Universität angelangt, will er in die Bibliothek, um nach Texten über die Chandrian zu suchen. Er will alles über sie in Erfahrung bringen, was es nur zu wissen gibt. Doch im Commonwealth gelten die Chandrian als Legende, niemand glaubt daran, dass es sie wirklich gibt. Alles, was Kvothe im Laufe des Buches über sie herausfinden kann, ist, dass sie irgendetwas vor den Menschen verbergen wollen und deshalb alle gnadenlos töten, die auch nur einen Zipfel dieses Etwas zu fassen bekommen. Nur – was wollen sie geheimhalten? Und warum?

Die Chandrian sind das absolute Geheimnis des Buches, das seinen Ursprung in der fernen Vergangenheit hat. Und da Kvothe in diesem ersten Band noch größtenteils mit Überleben beschäftigt ist und damit, sich gegen Ambroses Hinterlist zu verteidigen und seinen Geldmangel in den Griff zu bekommen, führen die Chandrian ein geradezu stiefmütterliches Schattendasein. Selbst das Abenteuer mit der feuerspeienden Echse nimmt mehr Raum ein als sie.

Eingebettet ist die Lebensgeschichte des Zauberers in eine Rahmenhandlung, die ich stellenweise ein wenig verwirrend fand. Das gilt vor allem für den Anfang von fast hundert Seiten, ehe Kvothe die eigentliche Geschichte zu erzählen beginnt. Abgesehen von dem aufsehenerregenden Auftritt des zerschundenen Dörflers wird der Chronist unterwegs überfallen, und Kvothe erlegt mitten in der Nacht noch ein paar mehr der seltsamen scherenbeinigen Spinnen. Aber das alles scheint zunächst in keinerlei Zusammenhang zu stehen. Die Gespräche zwischen Kvothe und Bast drehen sich zwar unter anderem auch um diese Ereignisse, bestehen allerdings fast nur aus Andeutungen.

Auch die Erzählung Kvothes wird gelegentlich von der Rahmenhandlung unterbrochen, und vor allem bei der letzten, größeren Unterbrechung fragte ich mich nach dem Bezug. Die Dinge scheinen aus heiterem Himmel zu geschehen, ganz ohne Grund. Zumindest ohne einen ersichtlichen Grund.

Klar ist nur eines: In der Rahmenhandlung außerhalb von Kvothes Lebensgeschichte tut sich etwas. Nirgendwo findet sich aber ein echter Hinweis darauf, was sich da tut, allein, die Ursachen müssen in seiner Vergangenheit liegen, einem Zeitpunkt seiner Vergangenheit, zu dem er mit seiner Erzählung noch nicht vorgedrungen ist.

_Mit anderen Worten_, der Leser wird am Ende des ersten Bandes mit einer solchen Flut an Fragen und einem solchen Mangel an Antworten zurückgelassen, dass es schon fast unbefriedigend ist und man sich fragt, womit der Autor eigentlich achthundert Buchseiten gefüllt hat. Zumal der junge Kvothe am Ende noch nicht einmal ansatzweise fertig ausgebildet ist. Er hat so gut wie nichts über die Chandrian erfahren und dasselbe gilt für die Namenskunde, die er doch so dringend erlernen wollte. Gleichzeitig endet die Erzählung vorerst mit der Aussicht darauf, dass Kvothe von der Universität fliegt, sodass der Leser sich wundert, wie in aller Welt dann ein so mächtiger Zauberer aus ihm geworden sein kann.

Nicht, dass es mir beim Lesen tatsächlich langweilig gewesen wäre. Die Figuren sind interessant, lebendig und größtenteils klischeefrei – vielleicht mit Ausnahme von Ambrose -, und die Geschichte selbst nicht nur durch die unterschiedlichen Zeitebenen, sondern auch durch die bisher nur angerissene Thematik der Magie und der Chandrian samt ihrer Vergangenheit ausgesprochen vielversprechend.

Ein klein wenig war ich am Ende aber doch enttäuscht, dass der Autor sich so ausgiebig und ausführlich der Jugend seines Protagonisten gewidmet, ihn aber gleichzeitig daran gehindert hat, auch nur ein klein wenig von dem in Erfahrung zu bringen, was er so dringend wissen will. Nach so vielen Seiten hätte Kvothe es schon verdient, wenigstens auf einen vergilbten Band zu stoßen, in dem man wenigstens einen einzigen Satz hätte lesen können. Oder so ähnlich. So ganz ohne Antworten zu bleiben, hat dem Einstieg in diesen Zyklus einen Hauch von Langatmigkeit verliehen, was sich allerdings erst auswirkt, wenn man das Buch zu Ende gelesen hat. Insofern kann man Patrick Rothfuss‘ Debüt getrost als sehr gelungen bezeichnen.

_Patrick Rothfuss_ stammt aus Wisconsin. Lange Zeit unsicher, was er mit seinem Leben anfangen sollte, studierte er zahllose Fächer, bis die Universität ihn zwang, endlich irgendwo einen Abschluss zu machen. Inzwischen ist er an derselben Universität als Lehrkraft tätig, und die langen Winter in Wisconsin, die er früher mit Lesen verbrachte, verbringt er nun mit Schreiben. „Der Name des Windes“ ist sein erster Roman. Der zweite Band des Zyklus „The Wise Man’s Fear“ erscheint im April nächsten Jahres auf Englisch.

|Originaltitel: The Name of the Wind. Kingkiller Chronicle Vol. 1
Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer
863 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Vorsatzkarte & Lesebändchen
ISBN-13: 978-3-608-93815-9|
http://www.hobbitpresse.de
http://www.patrickrothfuss.com

Petra Reski – Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern

Im August letzten Jahres wurden vor der Duisburger Pizzeria Da Bruna sechs Italiener kaltblütig getötet. Es war mehr als ein bloßes Massaker, sondern ein kaltblütig ausgeführter Auftragsmord. Die Opfer stammten alle aus dem kleinen Dorf San Luca in Kalabrien, einem der Hauptsitze der Ndrangheta.

Aus Filmen meinen wir die Mafia sehr wohl zu kennen. Seit den „Pate“-Filmen von Francis Ford Coppola und der Fernsehserie „Allein gegen die Mafia“ glauben viele Bürger, über ein wenn auch heroisiertes Bild der ehrenwerten Gesellschaft zu verfügen. Man meint, die Mafia gehe uns nichts an, sei zwar ein immer aktuelles Thema in Italien und habe im restlichen Europa oder gar in Deutschland keine oder kaum Auswirkungen.

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Meyer, Stephenie – Seelen

Irgendwann, in einer nicht näher bestimmten Zukunft, haben Parasiten die Weltherrschaft übernommen. Diese kleinen, silbrigen, quallenartigen Außerirdischen werden einem Menschen ins Rückrat implantiert und übernehmen fortan die Kontrolle sowohl über den Körper als auch den Geist. Die menschliche Seele, die dem Körper vorher eine Persönlichkeit gegeben hatte, wird verdrängt – sie stirbt -, und so ist die Menschheit fast gänzlich ausgestorben. Es gibt nur noch ein paar „reine“ Menschen, die sich in abgelegenen Gegenden verstecken, um nicht von den außerirdischen Suchern gefunden zu werden. Diese Menschen leben planlos vor sich hin, einzig darauf bedacht zu überleben. Einen organisierten Widerstand gegen die außerirdische Invasion gibt es nicht. Der Krieg ist verloren.

Melanie ist einer dieser Menschen. Mit ihrem kleinen Bruder Jamie und ihrem Freund Jared lebt sie versteckt in einer Hütte. Doch bei einem Ausflug in die Zivilisation wird sie entdeckt und gefangen genommen. Man setzt ihr eine Seele ein, doch Melanie erweist sich als stark. Sie kämpft für sich und ihren Körper und lässt sich nicht einfach verdrängen. Und so wohnen fortan zwei Seelen in Melanies Brust: Sie selbst, die unbedingt zu Jamie und Jared zurückkehren will, und die Seele Wanda, die mit ihren Prioritäten kämpft und zunächst versucht, diese Stimme in ihrem Kopf loszuwerden. Doch schließlich werden beide Freundinnen, teilen sie doch die gleichen Erinnerungen und Gefühle.

Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Melanies kleiner Familie und stoßen dabei auf eine Widerstandszelle. Nicht nur Melanie, sondern auch Wanda findet bei den Menschen ein Zuhause und die Liebe. Doch während Melanie an nichts anderes als an Jared denken kann, fühlt sich die Seele Wanda zu Ian hingezogen. Eine vertrackte Situation.

Stephenie Meyer, deren derzeit fürs Kino verfilmte „Twilight“-Serie wohl vielen weiblichen Lesern ein Begriff ist, wagt sich hier auf neues Terrain. Ihr aktueller Roman „Seelen“ wird von Meyers amerikanischem Verlag mit dem Slogan „Science-Fiction für Leute, die keine Science-Fiction mögen“ verkauft, was den Nagel ziemlich genau auf den Kopf trifft. Ja, Wanda ist eine Außerirdische, und ja, Wanda erzählt auch von Zeit zu Zeit von den anderen Planeten, auf denen sie gelebt hat (denn ihre parasitische Rasse breitet sich im ganzen Universum aus), doch für Meyer ist die Science-Fiction nur ein Vehikel, um ihr eigentliches Anliegen zu transportieren: eine ungewöhnliche Liebesgeschichte in den Wirren einer chaotischen und apokalyptischen Zeit.

Dass Melanie und Wanda sich einen Körper teilen müssen und Wanda fortan mit den Wünschen und Gefühlen „ihres“ Menschen zu kämpfen hat, klingt zunächst seltsam, erweist sich aber – gerade am Anfang des Romans – als durchaus tragfähiges Konzept, das den Reiz der Geschichte ausmacht. Wanda, die schon auf mehreren Planeten gelebt und daher mehrere Lebensformen bewohnt hat, ist schier überwältigt von der Fülle der Gefühle, die auf sie einprasseln. Und Melanie, die Wanda zunächst als Feindin betrachtet, versucht gerade mit Hilfe dieser intensiven Gefühle auf Wanda einzuwirken, um ihr klarzumachen, dass sie unbedingt zu Jamie und Jared zurückkehren müssen. Auf die Zwiesprache zwischen den beiden und die langsame Entwicklung von Feindinnen zu Freundinnen zu Schwestern verwendet Meyer einen Großteil ihrer Zeit, und es ist diese ungewöhnliche Beziehung, die alle anderen im Roman in den Schatten stellt.

Dies gilt auch für die Liebesgeschichte. Sie hat das Potenzial, ebenso überlebensgroß zu sein wie die Liebe zwischen Bella und Edward in den Twilight-Romanen, denn Melanie setzt wahrlich Himmel und Hölle in Bewegung, um zu Jared zurückzukehren. Doch als das Unmögliche dann geschafft ist, als sich Melanie/Wanda in Jareds Gesellschaft wiederfinden, da verliert Meyer plötzlich die Geduld. Die Beziehung stagniert, über fünfhundert Seiten passiert nichts, außer dass Melanie sich körperlich nach Jared sehnt und Wanda nicht so recht weiß, wohin mit sich und den ungewohnten Gefühlen. Jared selbst ist nichts weiter als ein Fixpunkt, dem sich Meyer nie wirklich nähert. Man kann kaum nachvollziehen, warum Melanie so unsterblich in ihn verliebt ist, denn Meyer schafft es nie, Anknüpfungspunkte für den Leser zu schaffen. Jared wirkt immer nur wie ein unerreichbarer Schwarm, nie wie ein Mensch aus Fleisch und Blut.

Das gelingt ihr bei Ian, in den sich Wanda im Verlauf der Handlung verlieben wird, deutlich besser, doch hat sie dort offensichtlich tief in die Klischeekiste gegriffen, denn er ist der perfekte Schwiegersohn. Er hilft Wanda, wo er kann, ist zuvorkommend, liebenswürdig, immer bereit, sich für Wanda in Gefahr zu begeben. Er ist so gut, so glatt, so ohne jeden Fehler, dass man in seiner Gegenwart ein herzhaftes Gähnen unterdrücken muss. Kurzum, er ist ein Langweiler, wenn auch ein sympathischer.

Stephenie Meyer hat mit „Seelen“ einen Roman geschrieben, der origineller daherkommt als ihre Vampirserie, und doch tappt sie in genau die gleichen Fallen wie in ihren vorherigen Büchern. Zunächst einmal ist „Seelen“ mit fast neunhundert Seiten schlicht zu lang. Viel hätte gekürzt oder komplett gelöscht werden können. Gerade, als Wanda auf die kleine Gruppe Menschen trifft und von ihnen in einer winzigen Höhle eingesperrt wird, tritt die Handlung für etliche Kapitel auf der Stelle. Wanda, die eben noch todesmutig durch die Wüste spaziert ist, mutiert plötzlich zu einem passiven Angsthasen. Sie redet nicht mit den Menschen, die sie eben noch so herbeigesehnt hat. Sie erklärt auch nicht ihre Lage. Sie sitzt da und schweigt – über mehrere Kapitel hinweg, ohne dass sich die Handlung in irgendeine Richtung weiterentwickeln würde.

Auch ist Meyer immer noch mit ihren Nebencharakteren überfordert. Die Charaktere, die Wanda/Melanie umgeben, bekommen durchaus ein Gesicht: Jamie, Ian, Walter (Wandas erster menschlicher Freund). Doch alle anderen Personen sind nichts weiter als Statisten, die da sind, um die Buchseiten zu füllen – sie haben keine nennenswerte eigene Handlung, keine eigene Geschichte, nichts, dass sie irgendwie charakterisieren würde. Besonders problematisch ist das bei Maggie und Sharon, die Wanda bis zur Unvernunft hassen. Der Leser erfährt jedoch nie Näheres über die beiden und hat so keine Chance zu ergründen, warum sie so handeln, wie sie es tun. Damit läuft dieser – zugegeben kleine – Nebenschauplatz völlig ins Leere und bleibt innerhalb des Romans losgelöst und sinnentleert.

Der größte Stolperstein ist jedoch einer, über den Meyer immer wieder fällt, ohne ihn jemals aus dem Weg zu räumen. Wandas Rasse ist friedliebend und gutmütig. Nachdem sie die Erde übernommen hatten, gab es in den Nachrichten nur noch Erfreuliches zu berichten und bei den Olympischen Spielen bekamen alle Teilnehmer eine Medaille. Wanda wird schon schlecht, wenn Melanie nur an Gewalt denkt. Und doch hat Wandas Rasse praktisch die gesamte Menschheit ausgelöscht, ohne zu realisieren, dass ihre Anwesenheit eventuell unerwünscht sein könnte. „Alles, was wir uns nahmen, machten wir besser, friedlicher und schöner“, sagt sie an einer Stelle, als wäre das Grund genug, einen Planeten zu übernehmen. Wanda fühlt sich hingezogen zu all diesen Lebensformen, respektiert und liebt sie gar. Doch auf der anderen Seite stellt sie eine ungeheure Arroganz zur Schau, einen stetigen Unwillen, andere Lebewesen als eigenständig zu akzeptieren. Sie verabscheut Gewalt, spricht aber im gleichen Atemzug völlig leidenschaftslos von Euthanasie: „Ein Körper, der nicht richtig funktionierte, wurde schnell und schmerzlos aussortiert, denn er war genauso unnütz wie ein Auto, das nicht fuhr.“ Dass sie einen Menschen tötet, wenn sie dessen Körper und Geist übernimmt, erkennt sie nicht als Mord. Sie hat hehre moralische Überzeugungen, doch letztendlich ist sie nicht anders als jedes andere Lebewesen – willens, über Leichen zu gehen, um das eigene Überleben zu sichern. Wanda verweigert sich dieser Erkenntnis stetig, und auch Meyer trägt nichts dazu bei, den Kern dieses Widerspruchs zu ergründen oder aufzulösen.

Trotzdem, „Seelen“ ist unterhaltsam, meistens sogar kurzweilig. Gerade der Anfang der Geschichte überzeugt auf ganzer Linie, wohl auch, weil der Leser vollauf damit beschäftigt ist, sich in dieser fremden Welt zurechtzufinden. Meyer kann dieses Tempo nicht halten, der Schluss ist zudem zu zuckrig und lässt zu viele unbequeme Fragen zurück, als dass man uneingeschränkt glücklich mit der Auflösung sein könnte. Doch Meyers Geschichte lebt von Melanie und Wanda. Wenn man diese beiden mag, wird man die Lektüre nicht bereuen.

|Originaltitel: The Host
861 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-551-58190-7|

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_Mehr von Stephenie Meyer auf |Buchwurm.info|:_

[„Bis(s) zum Morgengrauen“ 4600 (Bella und Edward 1)
[„Bis(s) zur Mittagsstunde“ 4647 (Bella und Edward 2)

Ridley Pearson – Der blinde Tod

Das geschieht:

In Sun Valley, US-Staat Idaho, verbringt Generalstaatsanwältin Elizabeth Shalor gern ihre raren Urlaubstage. Das ist bemerkenswert, denn vor acht Jahren versuchte sie genau hier ein mit ihrer Arbeit unzufriedener Staatsbürger umzubringen. Damals entkam Shalor nur, weil der junge Deputy Walter Fleming rechtzeitig auf der Bildfläche erschien und den Strolch ausschaltete.

Seither ist Fleming Shalors Freund, ein Status, der neuerdings mit Privilegien aber auch Pflichten verbunden ist: Elizabeth Shalor gedenkt sich für das US-Präsidentenamt zu bewerben. In Sun Valley möchte sie vorab ausspannen sowie auf einer Tagung ihre Kandidatur bekanntzugeben. Walter Fleming, seit seiner Heldentat Sheriff von Sun Valley, ist für ihre Sicherheit verantwortlich. Das FBI ist wenig erfreut darüber, denn Shalor ist aufgrund ihrer politischen Ziele außerordentlich exponiert. Mit Anschlägen ist zu rechnen. Gern würde das FBI sie isolieren, doch Shalor sperrt sich. Sie vertraut ihrem Lebensretter Fleming.

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Doyle, Arthur Conan – Sherlock Holmes Collectors Edition III

_Von suizidgefährdeten Patienten und anderen kniffeligen Kriminalfällen_

Ein scheinbar an Verfolgungswahn leidender Patient wird ermordet. Der König von Böhmen wird von einer ehemaligen Geliebten erpresst. Der junge McFarlane beteuert hartnäckig seine Unschuld in einem Mordfall, obwohl zahlreiche Beweise gegen ihn sprechen. Und der amerikanische Anwalt John Garrideb sucht Namensvettern, mit denen gemeinsam er eine millionenschwere Erbschaft antreten möchte. Auch für die dritte Ausgabe von |Maritims| „Sherlock Holmes Collectors Edition“ haben sich die Macher wieder vier spannende Abenteuer aus dem reichhaltigen Fundus von Conan-Doyles Kurzgeschichten um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes ausgesucht, um sie in ein kurzweiliges Hörspielerlebnis zu verwandeln.

Der Verpackungsaufdruck spricht zwar von einem Hörbuch, doch handelt es sich hier tatsächlich um bearbeitete Hörspielfassungen, welche die Geschichten auf vier CDs teilweise verkürzt, umgestellt und auch in den handelnden Personen verändert wiedergeben. So tritt in „Der Patient“ (ursprünglich „Der niedergelassene Patient“) statt Inspektor Lanner der wesentlich bekanntere Scottland-Yard Inspektor Lestrade auf. Möglicherweise wurde diese Veränderung vorgenommen, um die Collectors-Serie auf weniger Personen zu reduzieren. Allerdings ist Lestrade, der in dieser Fassung im Unterschied zum Originaltext rein gar nichts zur Aufklärung beiträgt, eigentlich geistig wendiger als Lanner. Auf die schrittweise Auflösung des Rätsels um den niedergelassenen Patienten wird zugunsten der Spannung verzichtet. So erfährt der Hörer erst zum Schluss, dafür aber sehr ausführlich von der Vorgeschichte des Patienten. Doktor Watson mutet ebenfalls gefräßiger an, als er eigentlich ist. Doch schlägt Watsons Nörgeln über eine unterbrochene Mahlzeit einen humorvollen Rahmen um die eigentliche Mordgeschichte.

Auch in „Der Baumeister aus Norwood“ werden dem Hörer Informationen vorenthalten, die Conan Doyle schrittweise in den Text eingebaut hatte. So hat Holmes die Tageszeitung nicht erhalten, aus denen er bereits Informationen entnommen hat, bevor McFarlane in der Baker Street eintrifft, und auch die Tatsache, dass das Testament in Eile und im Zug geschrieben wurde, wird dem Hörer vorenthalten. Diese Reduktion wird an anderen Stellen mit der Betonung weiterer Hinweise, welche für McFarlanes Unschuld sprechen, ausgeglichen, so dass das Hörspiel trotz der Reduktion der Fakten spannend bleibt. Inspektor Lestrade wirkt in seiner Selbstsicherheit sehr überheblich, obwohl Conan Doyle den eigentlichen Holmes-Bewunderer erst im Laufe des Falles etwas anmaßend werden lässt, weil Holmes weiterhin alle Fakten ignoriert, die McFarlane auf erdrückende Weise schuldig aussehen lassen. Doch auch Sherlock Holmes wirkt selbstsicherer, als Conan Doyle es für seinen Meisterdetektiv geplant hatte, denn die Szene, in welcher Holmes McFarlanes Mutter besucht und von Zweifeln gebeutelt nach Hause zurückkehrt, wurde weggelassen. Holmes‘ Hang zu dramatischen Auftritten wird außer zu Beginn der Geschichte ein weiteres Mal am Schluss boykottiert, als die Hörspielfassung behauptet, die verborgene Tür, wäre nicht zu finden gewesen, während Sherlock Holmes sein Verhalten in der ursprünglichen Geschichte als „kleine Fopperei“ und Revenge geplant hatte.

Die Kurzgeschichten Conan Doyles sind trotz der Notwendigkeit von Textumstellungen für Hörspielfassungen prädestiniert, da sie bereits viel szenisches Schreiben enthalten. Außerdem wurden für die dritte Kollektion Geschichten ausgewählt, die aus der Vielzahl der Serie herausstehen. In „Ein Skandal in Böhmen“ wird der große Detektiv, der den Intellekt von Frauen gemeinhin zu unterschätzen pflegt, von einer Frau übertölpelt, für die er künftig die größte Hochachtung empfinden wird. Auch zeigt sich das Gerechtigkeitsverständnis des Autors, denn der untreue König, welcher mit den Gefühlen von Irene Adler gespielt hat, wird damit bestraft, dass der Betrug in der Vergangenheit in sein aktuelles Leben einbricht und ihn zu ruinieren droht.

In „Der Baumeister aus Norwood“ zeigt sich, dass Conan Doyle in seinen Geschichten die zur damaligen Zeit neuesten kriminalistischen Methoden verarbeitet. Hier ist es die Überführung des Täters durch den Fingerabdruck und gleichzeitig die damit verbundene Problematik der Fälschung eines vorgeblich so todsicheren Beweises.

„Die drei Garridebs“ ist die schwächste Erzählung der Sammlung, da recht bald klar wird, dass die Geschichte um die Erbschaft erlogen sein muss, man als Hörer bzw. Leser jedoch nicht die geringste Chance hat, das Rätsel eventuell noch vor dem Detektiv oder wenigstens vor Watson zu lösen, da der wichtigste Hinweis bis ganz zuletzt auch vor Watson geheim gehalten wird. Allerdings zeigt die Geschichte ebenfalls, dass der scheinbar müßig in den Tag hinein lebende Sherlock Holmes gelegentlich an seine Finanzen denken und Geld verdienen muss.

Die Storys werden jeweils von einer stimmigen Musik eingeleitet und abgeschlossen, welche die nebeligen Abende in London und eine geheimnisvolle Stimmung heraufbeschwört. Auch größere szenische Pausen werden mit musikalischen Einschüben markiert. Gelegentlich erinnert diese Begleitmusik an „Pink Panther“ oder die Themen der Edgar-Wallace-Soundtracks. Man könnte sich hier allerdings passender auch klassische Musik (Sherlock Holmes angemessen etwa Violinen) statt der jazzig anmutenden Töne vorstellen. Andere Hintergrundtöne wie knisterndes Feuer, Schritte, Türgeräusche werden sparsam eingesetzt. Die größte Aufmerksamkeit genießen die Sprecher. Sherlock Holmes wird überzeugend von Christian Rode (die deutsche Stimme von Christopher Plummer, Craig T. Nelson und Leonard ‚Spock‘ Nimoy) gesprochen, der den Meisterdetektiv auch in zahlreichen anderen Hörspielfassungen spricht. Peter Groeger (Stimme von Armin ‚Quark‘ Shimerman) spricht den Watson mit einem leicht ironischen Unterton; was häufig zu einem netten Geplänkel zwischen den beiden führt, das die analytische Denkmaschine Holmes recht menschlich erscheinen lässt. Alles in allem sind die Hörspiele sehr gelungen und eine kurzweilige Unterhaltung für feucht-nebelige Herbsttage nicht nur in London, sondern auch in Deutschland.

|230 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-938597-75-0|
http://www.maritim-produktionen.de

_Besetzung:_

|CD 1: Der Patient|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
Insp. Lestrade: Volker Brandt
Dr. Percy Trevelyan: Kai H. Möller
Mr. Blessington: Volker Bogdan
Graf Alexander Wolnikow: Peter Weis
Dimitri Wolnikow: Henry König
Kutscher: Thomas Karallus, Hans Sievers

|CD 2: Ein Skandal in Böhmen|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
König von Böhmen: Fritz von Hardenberg
Irene Adler: Dagmar Dempe
Godfrey Norton: Torsten Münchow
Stallbursche: Oliver Mink
Haushälterin: Ursula Vogel
Reverend: Edgar Bessen
des weiteren: Johannes Steck, Ulf Söhmisch, Michael Schwarzmaier

|CD 3: Der Baumeister von Norwood|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
John Hector McFarlane: Hubertus von Lerchenfeld
Mrs. McFarlane: Ursula Vogel
Mr. Jonas Oldacre: Manfred Erdmann
Direktor: Ulf Söhmisch

|CD 4: Die drei Garridebs|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
Inspektor Lestrade: Volker Brandt
Nathan Garrideb: Edgar Bessen
John Garrideb: Michael Schwarzmaier
Mr. Holloway: Torsten Münchow
Polizist: Manfred Erdmann

_Ergänzend dazu:_

[„Sherlock Holmes Collectors Edition I“ 1950
[„Sherlock Holmes Collectors Edition II“ 2130

Lindqvist, John Ajvide – So ruhet in Frieden

_Das geschieht:_

An einem heißen Augusttag legt sich ein mysteriöses elektrisches Feld über die schwedische Hauptstadt Stockholm. Es reizt die Menschen bis zum Wahnsinn, bevor es sich plötzlich auflöst. Die Erleichterung währt nur kurz, denn in der folgenden Nacht erwachen in den Sektionsräumen der Krankenhäuser die Leichen. Sie brechen aus und versuchen ’nach Hause‘ zurückzukehren, was ihnen oft gelingt. Die Wiedersehensfreude der Hinterbliebenen hält sich in Grenzen, denn die ‚Rückkehrer‘ zeigen sämtliche Schäden, die der Tod dem menschlichen Körper zufügt. Außerdem reagieren sie nicht, werden sie angesprochen; das Gehirn ist offenbar geschädigt. Immerhin sind die Zombies harmlos, d. h. weder aggressiv noch hungrig auf Menschenfleisch. Das zu wissen ist wichtig, denn kurz darauf graben sich die ersten Leichen aus ihren Friedhofsgräbern.

Dem Entsetzen folgt wilder Aktionismus. Die „Wiederlebenden“, wie man sie bald politisch korrekt nennt, werden mit Hilfe des Militärs gesammelt und in einer aufgelassenen Wohnsiedlung konzentriert, wo man sie besser untersuchen kann. Das gruselige Phänomen beschränkt sich glücklicherweise auf diejenigen Menschen, die vor höchstens acht Wochen gestorben sind. So sind es letztlich ’nur‘ 2000 Zombies, die leicht unter Kontrolle zu halten sind.

Doch wer sind „Wiederlebenden“? Sind es noch Menschen? Kann man sie ‚heilen‘? Haben sie Bürgerrechte? Die psychischen Folgen sind verheerend, denn wer zunächst um verstorbene Angehörige trauerte, wird nunmehr womöglich mit ihren schrecklichen Zerrbildern konfrontiert. Die Politik reagiert nervös, die Kirchen mauern, die Medien laufen Amok. Der Tod muss neu definiert werden. Die daraus resultierenden Konsequenzen drohen die Gesellschaft zu spalten. Fast geraten die Zombies selbst darüber in Vergessenheit, bis sie sich nachdrücklich in Erinnerung bringen, denn sie haben durchaus ihre eigene Sicht der Dinge …

_Was wäre, wenn sie wiederkehren?_

Die Zombies kommen! Dieses Mal bleiben sie eher friedlich und jagen die Lebenden nicht hungrig durch die Straßen. Das macht es möglich, einige Dinge zu überdenken, die über die Frage nach dem schnellstmöglichen Ausschalten der lästigen Schreckgestalten hinausgehen.

Siehe da, es entsteht eine völlig neue Art der Spannung. Die Toten sind wieder da. Sie bleiben passiv und überlassen den Lebenden die Entscheidung, was mit ihnen zu geschehen hat. Das ist perfide, denn hier gilt es, Grundsätzlichkeiten des Lebens völlig neu zu beurteilen. Tod bedeutete bisher tot. Wer sich nach ein, zwei Tagen nicht mehr rührt und atmet, kann und muss unter die Erde, wird von Angehörigen und Freunden betrauert und schließlich mehr oder weniger vergessen. So läuft es seit jeher, und es funktioniert.

Selbstverständlich taucht in diesem Prozess häufig das Verlangen nach der Wiederkehr des oder der Verstorbenen auf – ein verständlicher Wunsch, der zuverlässig nicht in Erfüllung ging. John Ajvide Lindqvist schaltet dieses Hindernis nun aus. Er ist nicht der erste Schriftsteller, der dies tut und über die Konsequenzen nachdenkt. William Wymark Jacobs (1863-1943) griff bereits 1902 das Thema in einer der berühmtesten Gruselgeschichten überhaupt („The Monkey’s Paw“, 1902; dt. „Die Affenpfote“) auf. Bereits er kam zu dem Schluss, dass eine solche Wiedervereinigung die Lebenden überfordern würde.

Was damit gemeint ist, deutete Jacobs noch vornehm an. Lindqvist hält sich im 21. Jahrhundert in keiner Weise zurück und beschreibt ausführlich und drastisch, wie sich der Körper nach dem Tod aufzulösen beginnt. Er lässt 2000 verwesende, von Krankheiten zerfressene, durch Unfälle zerstörte Leichname durch Stockholm torkeln. Will und kann man sie wirklich wieder in die Gemeinschaft aufnehmen?

_Was machen wir mit ihnen?_

„So ruhet in Frieden“ lautet zwar sinnig aber wie üblich falsch der deutsche Titel dieses Romans. Das Original macht deutlicher, worum es wirklich geht: „Vom Umgang mit den Untoten“, könnte man ihn übersetzen. Wichtig ist dabei, dass die Romerosche Ur-Katastrophe ausbleibt. Es sind nicht die Toten einer ganzen Welt, die sich erheben, sondern gerade 2000 Leichen, denen weiterhin mehr als sechs Milliarden Menschen gegenüberstehen. Was das bedeutet, fasst eine von Lindqvists Figuren mit diesen Worten zusammen: |“Nichts deutete darauf hin, dass die Welt in dieser Nacht aus den Fugen geraten war.“| (S. 155)

Das Konfliktpotenzial entsteht unter den Lebenden. Sie müssen entscheiden, wie sie mit den Wiederkehrern umgehen. Das können und das wollen sie nicht. Die Folgen bilden die eigentliche Handlung dieses Buches. In diesem Punkt stimmt Lindqvist mit George A. Romero überein: Die Uneinigkeit der Lebenden ist der Schlüssel zu ihrem Untergang und zum Sieg der „Wiederlebenden“. Nur weil die Zombies dieses Mal in der Minderzahl sind, wird Schweden nicht zum „Land der Toten“.

Lindqvist gibt den unterschiedlichen Reaktionen Gesichter. „So ruhet in Frieden“ ist ein Roman in Episoden. Das Unfassbare wird aus mehreren Perspektiven durch die Augen verschiedener Figuren betrachtet, die einander erst später oder auch gar nicht begegnen: David fürchtet die Rückkehr seiner fremden, schrecklich veränderten Gattin Eva, während der Journalist Mahler seinen „wiederlebenden“ Enkel als Gelegenheit sieht, alte Fehler als Vater und Großvater wettzumachen. Die religiöse Elvy hält den Tag des Jüngsten Gerichts für gekommen. Ihre agnostische Enkelin Flora wartet auf eine positive Veränderung der Welt.

Sie alle müssen lernen, dass sie vor allem ihre eigenen Wünsche und Ängste auf die Rückkehrer projizieren, was fatale Auswirkungen haben wird. Überfordert zeigen sich auch die Ordnungsmächte. Politiker, Militärs, Gelehrte, Kirchenleute – sie versuchen ein nie gekanntes Phänomen mit alten Methoden zu meistern, zu instrumentalisieren oder zu verdrängen.

_Wer sind sie?_

Ob direkt oder indirekt betroffen: Die Menschen reagieren falsch. Der Wirbel um die Zombies ist wesentlich schädlicher als die „Wiederlebenden“ selbst. Wer oder was sie sind, klärt sich deshalb erst, als es beinahe zu spät ist. Dass sie „sind“ und eigene Pläne haben, kündigt der Autor spannenderweise schon früh an.

Lindqvist hat sich wie für seine Vampire in [„So finster die Nacht“ 5218 für seine Zombies eine ‚logische‘ Existenzerklärung einfallen lassen. Sie verharrt wohlweislich in den Grauzonen der modernen Medizin, die den meisten Laien ohnehin wie Voodoo erscheint.

Letztlich schwenkt Lindqvist doch wieder auf die klassische Horrorgeschichte ein, die zur zwar fesselnden, aber fast ‚literarischen‘ Beschäftigung mit der Rolle der lebenden Toten in einer modernen Gesellschaft eine ‚richtige‘ Handlung addiert. Der Tod ist nicht nüchterne Tatsache, sondern eine reale Wesenheit. Ob das nötig oder gar gelungen ist, bleibt eine Streitfrage. Es öffnet dem Verfasser vor allem eine Hintertür zu einem einigermaßen gelungenen Ende seiner Geschichte, auch wenn dieses an Filme wie „Final Destination“ oder „Reeker“ erinnert. Leider kann sich Lindqvist nicht zurückhalten, ein fantastisches, aber wohl doch im Gefüge der Naturgesetze verankertes Geschehen mit (christlich) religiösen Heilsmetaphern zu verquicken – ein unnötiger und sentimentaler Ausklang, mit dem sich der Autor vor weiteren Fragen drückt: Die Toten sind wieder fort, doch das Wissen um ihre Wiederkehr ist ein Vermächtnis, dessen Aufarbeitung gerade dort beginnt, wo dieser Roman endet.

_Der Autor_

John Ajvide Lindqvist wurde 1968 in Blackeberg, einem Vorort der schwedischen Hauptstadt Stockholm, geboren. Nachdem er schon in jungen Jahren als Straßenmagier für Touristen auftrat, arbeitete er zwölf Jahre als professioneller Zauberer und Comedian.

Sein Debütroman „Låt den rätte komma“ (dt. [„So finster die Nacht“), 5218 eine moderne Vampirgeschichte, erschien 2004. Bereits 2005 folgte „Hanteringen av odöda“ (dt. „So ruhet in Frieden“), ein Roman um Zombies, die in Stockholm für Schrecken sorgen. „Pappersväggar“ ist eine Sammlung einschlägiger Gruselgeschichten. Lindqvist schreibt auch Drehbücher für das schwedische Fernsehen. Das prädestinierte ihn, das Script für die Verfilmung seines Romanerstlings zu verfassen, die 2008 unter der Regie von Tomas Alfredson entstand.

Als Buchautor ist Lindqvist in kurzer Zeit über die Grenzen Schwedens hinaus bekannt geworden. Übersetzungen seiner Werke erscheinen in England, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen und Russland.

_Impressum_

Originaltitel: Hanteringen av odöda (Stockholm : Ordfront Förlag 2005)
Übersetzung: Paul Berf
Deutsche Erstausgabe: September 2008 (Bastei-Lübbe-Verlag/TB Nr. 15913)
446 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-404-15913-0
http://www.bastei-luebbe.de

Als Hörbuch: September 2008 (Lübbe Audio)
6 CDs, gelesen von Sascha Rotermund
445 min (bearbeitete Fassung)
EUR 19,95
ISBN 978-3-7857-3679-1
http://www.luebbe-audio.de

Benni, Stefano – schnellfüßige Achilles, Der

_“Es ist zwar nicht Beckett …“_

Ulysses ist Lektor in einem kleinen Verlag, der sich mit unaufhaltsamen Schritten auf den Ruin zu bewegt. Rettung könnte ein erfolgreicher Roman bringen, den es jedoch unter der Unmenge von Einsendungen zahlreicher Möchtegernschrifsteller erst noch zu finden gilt. Während Ulysses also die Nächte mit Manuskripten verbringt, deren Autoren und Figuren ihn bis in die Träume sowie auch tagsüber verfolgen, fordert die aufreizende Sekretärin Circe beständig seine Treue heraus. Obendrein droht seiner bildhübschen Freundin Pilar Penelope die Abschiebung. In dieser Situation macht Ulysses die Bekanntschaft des schwer körperbehinderten und durch eine missglückte OP entstellten Achilles, welcher mit Ulysses‘ Hilfe ein Buch schreibt, das den Verlag retten wird.

So viel zum Inhalt des Romans des italienischen Schriftstellers und Kolumnisten Stefano Benni, der in „Der schnellfüßige Achilles“ einen ironisch komischen Blick auf den Alltag eines Kleinverlages wirft. Der Autor hat sich in seinem Heimatland mit satirischen und politischen Texten einen Namen gemacht. Nach seinem Erstlingsroman „Terra“ (1983) veröffentlichte er in den Folgejahren weitere fantastische Werke. Was jedoch diesen Roman abgesehen von seinem durchaus originellen und in der Realität der Gegenwart angesiedelten Plot lesenswert macht, ist vor allem die überschäumende Fantasie des Autors, sein Spiel mit Ideen, Ironie und Intertextualität. Das fängt bereits bei den Namen der drei Protagonisten an, welche allesamt nach Helden von griechischen Sagen benannt sind, deren Heldenstatus sich wiederum ironisch an der Realität bricht. So muss der Abenteurer Odysseus (Ulysses) seine um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten strippende, aber sonst absolut treue Penelope vor der Auswanderungsbehörde retten; während der beinahe unverwundbare Achilles tatsächlich ein an den Rollstuhl gefesselter Krüppel und nur in seiner Fantasie ein schnellfüßiger Held sein kann. Denkt man weiter, ergibt sich die Tatsache, dass Italos in einem latent fremdenfeindlichen Italien, welches tatsächlich von einem beständigen Flüchtlingsstrom aus Afrika heimgesucht wird, bei Benni nun von einer illegal eingewanderten Latinoschönheit gezeugt wird.

Doch kritisiert Benni auf den 260 Seiten nicht nur gesellschaftliche Phänomene wie Fremdenfeindlichkeit, menschlichen Wankelmut und den Drang zur Öffentlichkeit, sondern auch Politiker sowie Gesetzesvertreter, bei denen Korruption und Bestechung an der Tagesordnung sind. Dabei führt der allgegenwärtige Einfluss der Politik in „Der schnellfüßige Achilles“ nicht zur Ausweisung von Pilar, sondern ironischerweise nur zur Publikation eines weniger guten Buches. Wortspiele wie „Skriptmanuse“ statt Manuskripte oder die Verweigerung von Anglizismen, was beispielsweise zur Folge hat, dass die Protagonisten einen „Hahnenschwanz“ statt einen Cocktail trinken, sind nur die Spitze des intellektuellen Spiels mit Wortbedeutungen sowie von metatheoretischen Ausflügen ins Schreiben. Mit Hilfe der Manuskripttexte und des skurrilen Buches, in welchem Achilles sein und Ulysses‘ Leben verfremdet darstellt, gelingt es Benni, verschiedenste Textgattungen miteinander zu verweben und Möglichkeiten literarischen Schreibens aufzuzeigen. Den durchaus philosophischen Betrachtungen über Leben, Tod, Liebe und Freundschaft wird dadurch eine komische Komponente hinzugefügt. Dieses Umschlagen ins Humorvolle bewahrt den Autor stets vor philosophierendem Geschwafel. Außerdem hat Benni in den Figuren selbst bereits eine breite Intertextualität angelegt. Der eine ist Lektor und Schriftsteller; der andere hat sich eine riesige Bibliothek einverleibt, um aus der Literatur das zu lernen, was das Leben ihm verwehrt hat. So findet man zum Beispiel eine vergleichende Anspielung auf Kafkas hässlichen Käfer in [„Die Verwandlung“. 2395

Beeindruckend gelingt es dem Autor außerdem, Realität und Fiktion immer wieder verschmelzen zu lassen. Ulysses leidet an der „Bäckerkrankheit“, welche ihn nachts wach hält und tagsüber immer wieder unvermittelt einschlafen und träumen lässt. Somit wird es dem Leser schwer gemacht, sich von der Geschichte einlullen zu lassen. Immer wieder befindet man sich unvermittelt an Punkten, an denen man sich fragt, ob Ulysses noch wach ist oder schon wieder träumt. Manchmal scheinen die Träume in ihrer Absurdität gar nicht so realitätsfern zu sein.

Die Sprache ist dabei so vielfältig wie die Textgattungen. Vor allem Achilles neigt zu einer derben Ausdrucksweise, insbesondere was die Sexualität betrifft. Er liebt es, mit seiner Ausdrucksweise zu verstören, um von seiner verstörenden Erscheinung abzulenken. Zum Schluss bleibt es dem Leser überlassen, ob man an einen Selbstmord oder Mord von Achilles glauben möchte. Doch ahnt man als Leser nun, was es bedeuten könnte, eine „unerträgliche Wahrheit“ gesehen zu haben, die „sich in einem dunklen Winkel des Herzens festsetzt“. Es gibt nicht viele zeitgenössische Autoren, die es ihren Lesern ermöglichen, gleichzeitig anspruchsvolle Literatur zu genießen, zu lachen und sich zudem unmerklich mit einem Text und seinen Anspielungen auf die eigene Welt auseinanderzusetzen. Oder um es mit den Worten von Achilles zu sagen: „Es ist zwar nicht Beckett, aber doch ein merkwürdiges Buch. Und vor allem ist es kurz.“

|Originaltitel: Achille piè veloce
Aus dem Italienischen von Moshe Kahn
265 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-404-92302-1|
http://www.blt.de

Higgins Clark, Carol – Alptraum in Weiß

Carol Higgins Clark ist ein Teil des schreibenden Mutter-Tochter-Duos Higgins Clark. Dass sie auch alleine erfolgreich sein kann, hat sie schon längst bewiesen. Mit „Alptraum in Weiß“ erscheint bereits der achte Band um die Privatdetektivin Regan Reilly, die in nächster Zeit eigentlich etwas anderes im Sinn hatte als zu ermitteln …

Regan Reilly steht kurz davor, ihren Verlobten Jack, Ermittler bei der New Yorker Polizei, zu heiraten. Doch leider kommt ihr etwas Unvorhergesehenes dazwischen: Ihr Brautkleid, das von den hippen Jungdesignern Alfred und Charisse geschneidert wurde, wurde gestohlen, zusammen mit zwei anderen Kleidern. Ein weiteres wurde zerrissen und blutbeschmiert zurückgelassen, die Designer wurden geknebelt und mussten zusehen, wie ihr Safe ausgeraubt wurde. Eine tragische Geschichte, bei der es glücklicherweise keine Verletzten gab – doch verärgerte Bräute sind beinahe genauso schlimm.

Die eine, Brianne, schäumt vor Wut und möchte die Täter am liebsten eigenhändig erwürgen, und Tracy droht, die Designer zu verklagen, doch die anderen beiden Frauen zeigen sich seltsam ungerührt. Regan beginnt mit der Suche nach den Verbrechern und konzentriert sich dabei auf die armen Aprilbräute. Ob sie einen Grund hätten, die eigene Hochzeit zu sabotieren, oder gibt es jemanden in ihrem Umfeld, der so etwas geplant haben könnte? Es stellt sich heraus, dass die zukünftigen Ehen nicht immer so fest sind, wie sie scheinen. Tracys Fast-Gatte kommt der Diebstahl ganz gelegen und er macht einen Rückzieher, während sich bei der Braut Shauna herausstellt, dass ihre Motive ganz anderer Natur sind … Gemeinsam mit Jack, der nebenbei noch eine Serie von Bankraubüberfällen zu lösen hat, kommt die clevere Regan den Tätern auf die Spur …

Der Titel des Buches erinnert weniger an einen Krimi als vielmehr an einschlägige Frauenlektüre. Diese Assoziation ist von der Wahrheit nicht besonders weit entfernt. Carol Higgins Clark hat keinen fesselnden Thriller geschrieben, sondern einen leicht verdaulichen Vorabendkrimi für das weibliche Geschlecht, ohne Leichen und ohne Action. Regans Privatleben drängt sich häufig sehr in den Vordergrund, und nicht alle Abschnitte haben auch immer einen direkten Bezug zum zu lösenden Kriminalfall. Diesen gestaltet die Autorin sehr einfach. Einen stufenweisen Spannungsaufbau gibt es nicht. Stattdessen werden während der Geschichte neue Handlungsstränge begonnen und es kommt zu teilweise nicht besonders realistischen Auflösungen einiger anderer Handlungsenden. Neben der Entführung der Brautkleider geht es um den Bankraub, ein Hochstaplerpärchen, lügende Verlobte und eine vermisste Frau, die zufällig die Freundin eines der Diebe ist. Möchte man die Handlung des Buches mit wenigen Adjektiven beschreiben, wären simpel, seicht und unrealistisch bestimmt darunter.

Trotzdem muss man der Autorin lassen, dass das, was sie erzählt, nett verpackt ist. Sie erschafft eine stimmige Atmosphäre, in der es manchmal amüsant zugeht, die aber nie bissig oder bösartig wirkt. Alle sind sehr freundlich, was dazu führt, dass einige der Figuren stereotyp wirken. Higgins Clark skizziert zwar Eigenschaften und Benehmen der Personen, geht aber selten in die Tiefe. Stattdessen greift sie an der einen oder anderen Stelle auf Klischees zurück, die sie aber ansprechend einzusetzen weiß. Es ist schwierig, der Autorin deswegen böse zu sein, weil die Figuren doch immer liebenswerte Züge aufweisen und so nett beschrieben werden, dass man sie irgendwie ein bisschen mögen muss. Sie sind einfach gestaltet, aber das hat den Vorteil, dass man sie leicht versteht und nicht viel Konzentration in sie investieren muss.

„Alptraum in Weiß“ ist trotz des Titels alles andere als furchteinflößend. Es handelt sich um eine nette kleine Geschichte, die weniger Krimi als vielmehr nette Frauenunterhaltung ist. Das, was passiert, ist zwar ganz amüsant, aber nicht unbedingt realistisch und sicherlich nicht für jeden etwas. Den einen wird das Buch zu seicht sein, die anderen werden es gerade wegen der Kürze und inhaltlichen Abgeschlossenheit lieben.

|Originaltitel: Hitched
Aus dem Englischen von Julia Walther
332 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-548-26948-1|
http://www.ullstein-taschenbuch.de
http://www.carolhigginsclark.com

Stephen Lawhead – Scarlet – Herr der Wälder (Rabenkönig 2)

Die Rabenkönig-Trilogie:

Hood – König der Raben
Scarlet – Herr der Wälder
Tuck (Januar 2009, US-Ausgabe)

Stephen Lawhead (* 1950) setzt seine historisch fundiert recherchierte Fassung der Legenden um Robin Hood auf interessante Weise mit einem erzählerischen Kniff fort:

Der titelgebende Will Scarlet, Vertrauter des Rabenkönigs Rhi Bran y Hud, sitzt im Gefängnis und wartet auf seine Hinrichtung. Nur der Verrat am Rabenkönig und seinen Gefährten könnte ihn vor Abt Hugos Zorn retten. Scarlet diktiert Bruder Odo seine Geschichte, und beide werden allmählich Freunde, denn Scarlet denkt gar nicht daran, Hugo oder den Sheriff mit Informationen zu versorgen. Er schildert Odo, wie sein Thane Aelred entmachtet und er zum Geächteten wurde, wie er sich dem Rabenkönig anschloss und schließlich gefangen gesetzt wurde.

Erst nach dieser Rückschau setzt die weiterführende Handlung des zweiten Bandes ein:

Rhi Brans Männer haben einen an den Papst adressierten Brief erbeutet, dessen Inhalt sie vorerst nicht richtig deuten können. Dieser ist jedoch brisant und grenzt an Hochverrat: Einige der Barone von König Wilhelm Rufus kochen lieber ihr eigenes Süppchen als treu zu ihrem Lehnsherrn zu stehen. Auch die Familie de Braose ist in das Komplott verwickelt, und Bran sieht die lang erwartete Gelegenheit gekommen, sein Erbland Elfael zurückzugewinnen und die Gnade und Gerechtigkeit des Königs zu erlangen.


Meine Eindrücke

Da dies der zweite Band einer Trilogie ist, kann man erahnen, dass Rhi Bran/Robin und der König differierende Auffassungen von ‚Gerechtigkeit‘ haben. Historisch wurde Wilhelm Rufus von dem verirrten Pfeil eines Untergebenen niedergestreckt; nach dem Ende des zweiten Bandes bin ich mir sehr sicher, dass es sich in dieser Trilogie nicht um ein Versehen handeln wird. Aber in „Scarlet“ wird der König überleben; die Eskalation des Kampfes zwischen dem König, dem Sheriff und Robin Hood wird erst im abschließenden Band „Tuck“ stattfinden.

Der erste Teil des Buches behandelt das Leben William Scatlockes, der sich selbst Scarlet nennt – aufgrund seines Namens, nicht wegen einer besonderen Vorliebe für die Farbe. Er wird nie in scharlachroter Montur auftreten, wie dies in diversen Filmfassungen der Fall ist. Diese Romanpassage langweilte mich ein wenig, denn so nett und interessant Scarlets Geschichte auch sein mag, die Erzählung vom brutal durch die Normannen enteigneten Waliser, der daraufhin zum Geächteten wird und in die Wälder flüchtet, wurde im ersten Band bereits erzählt. Robin und Scarlet sind beide erstklassige Bogenschützen, auch sonst sind sie sich sehr ähnlich, sowohl in ihrer Geschichte als auch in ihrem Charakter.

Erst als die Sprache auf den Brief kommt, läuft „Scarlet“ zur Höchstform auf. Mit Sir Guy de Gysburne und Richard de Granville, dem Sheriff, treten notorisch berühmt-berüchtigte Figuren der Legenden um Robin Hood auf. Auffallend ist, dass Granville zwar Sheriff, aber nicht der Sheriff von Nottingham ist. Hier möchte ich daran erinnern, dass Lawhead die Handlung in das walisische Grenzgebiet verlegt hat. Im Gegensatz zu anderen Fassungen sind der Sheriff und Sir Guy auch nicht ein Herz und eine Seele oder Herr und Untergebener. Sir Guy und seine Ritter dienen dem ehrgeizigen Abt Hugo, nachdem sie von Robin überfallen und ausgeraubt wurden, ihren Baron enttäuschten und Guys Karriere in dessen Diensten beendet war. Er ist dem Sheriff nicht direkt unterstellt, obwohl dieser sehr oft nach Gysburne ruft.

Ziemlich zurückgenommen hat Lawhead den Groll, den Gysburne gegen Robin hegt. Er dient jetzt dazu, zwei verschiedene Arten von Grausamkeit und Unrecht zu zeigen, unter denen die Waliser zu leiden haben: So töten die jungen Ritter Guys nach einer frustrierend erfolglosen Jagd ein paar Tiere aus der Herde eines walisischen Hirten. Er lässt sie gewähren und schlägt den ihn um Gerechtigkeit anflehenden Hirten nieder. Er hat keine besondere Beziehung zu den Bewohnern oder dem Land, in dem er jetzt dient und lebt. Sie sind ihm völlig egal. Die Grausamkeit des Sheriffs ist anderer Natur: Er kennt die Regeln der Macht und setzt das Gesetz mit erbarmungsloser Härte durch. Bewusste Abschreckung durch Terror und ein Hang zum Sadismus zeichnen ihn aus, der dem gedankenlos brutalen Guy fehlt. Sir Guy kennt Ritterehre; er nimmt es den Sheriff übel, wenn er Wort bricht und Gefangene trotzdem hängen will, obwohl er ihnen zuvor Versprechungen gemacht hat.

Der weitere Verlauf ist geradezu klassisch: Der Sheriff jagt Robin, doch er erwischt ihn nicht. Robin versucht einmal sogar, den betrunkenen Sheriff zu entführen, und schleppt ihn wie einen nassen Sack über der Schulter mit sich. Verkleidet unter den Männern des Sheriffs, schlägt er ihnen so manches Schnippchen, und es kommt sogar zu einem Bogenschießen mit Sir Guy, obwohl es kein direkter Wettbewerb zwischen den beiden sein wird. Besonders interessant wird die Geschichte, als Robin sich in die Dienste des Königs stellt: Sein Erbland Elfael gegen die Aufdeckung einer Verschwörung gegen Wilhelm Rufus. Dieser ist leider, wie bereits erwähnt, kein edler Richard Löwenherz. So entledigt sich Robin zwar der Familie de Braose, sein Land erhält er dennoch nicht zurück:

|“Nach einer angemessenen Zeit des Nachdenkens ist der König zu dem Schluss gekommen, dass es nicht im besten Interesse der Krone ist, Elfael zu diesem Zeitpunkt wieder unter walisische Herrschaft zu stellen.“ „Und was wird aus uns?“, schrie Bran, der nun sichtlich wütend wurde. „Das ist unser Land – unsere Heimat! Man hat uns Gerechtigkeit versprochen!“

„Gerechtigkeit“, erwiderte der in Seide gewandete Bischof kühl, „habt ihr auch bekommen. Euer König hat ein Urteil gefällt. Sein Wort ist Gesetz.“
(…)

Gysburne war der Einzige, der diese Katastrophe amüsant fand – er und ein paar der nicht ganz so klugen Soldaten bei ihm.| (S. 444/446)

Ich hoffe etwas klüger zu sein als die Soldaten Gysburnes, aber als Leser finde auch ich die Situation köstlich. Erst jetzt wird Robin Hood vom lästigen Räuber zum ernsthaften Problem, eine Eskalation und das Aufeinanderprallen von Sheriff, Gysburne und Robin unvermeidlich. Und auch mit dem König und Abt Hugo wird noch abgerechnet. Viel Stoff also für den abschließenden Band, der wieder von einer anderen Person – dem aufgrund der Ernährung im Wald nicht mehr ganz so dicken Mönch Tuck – erzählt werden wird.

Fazit

Erwähnenswert ist auch das neue Erscheinungsbild der Trilogie: „Scarlet“ verwendet dasselbe moderne und hübsch anzusehende Titelbild wie die amerikanische Fassung. Auch wenn mir dieser Stil persönlich besser gefällt als der des ersten deutschen Bandes „Der König der Raben“, ist es dennoch ärgerlich, dass das Erscheinungsbild der Trilogie verändert wurde. „Der König der Raben“ ist jetzt im neuen Einband unter dem leicht veränderten Titel „Hood – König der Raben“ erhältlich.

Bei der wie üblich lobenswerten Übersetzung von Rainer Schumacher fielen mir einige Schludrigkeiten bei der Namensgebung auf: Baron Neumarché heißt jetzt Baron Neufmarché (im ersten Band Neumarché), das englische William und das deutsche Wilhelm werden wahllos miteinander gemischt und vermischt für ein- und dieselbe Person, und aus Guy von Gysburne wird manchmal auch Guy de Gysburne. Die verschiedenen Stadien der Verballhornung von Rhi Bran y Hud über Rhi Bran Hud zu Riban Hud und schließlich Robin Hood sensibilisieren für die Namensgebung, und es mag gut möglich sein, dass im Original Gysburne von normannischen Adeligen als „de Gysburne“ und von den Walisern als „von Gysburne“ bezeichnet wird, allerdings konnte ich diese mögliche Unterscheidung im Text der deutschen Übersetzung nicht nachvollziehen und die Verwendung erschien mir wie bei William/Wilhelm sehr willkürlich.

Auch wenn mir der Charakter Will Scarlet wie ein schwächeres Abziehbild Robin Hoods erscheint, kompensieren die späteren Auftritte des Sheriffs und die Handlung um den politisch brisanten Brief für diese gewisse Redundanz zum ersten Band. Es wird nicht mehr so viel Hintergrund über die Lage im Land dargelegt, nur wenige, spärlich kurze Passagen werden noch aus der Sicht der normannischen Adeligen erzählt. Das habe ich ein wenig vermisst, dafür gibt es jetzt mehr äußere Handlung – es wird erfrischend viel gekämpft, intrigiert und getrickst.

Zu meiner großen Freude scheint der Abschlussband aufgrund des Cliffhangers, in dem Abt Hugo Sir Guy de Gysburne gezielt auf die Jagd nach Robin schickt, noch mehr davon zu bieten. Stephen Lawhead, obwohl – wie seit Anfang 2007 bekannt ist – an Krebs erkrankt, geht es nach eigenen Angaben wieder besser, und die Ankündigung im Nachwort der deutschen Übersetzung (der abschließende Band könne aufgrund gesundheitlicher Probleme eine Weile auf sich warten lassen) ist somit überholt. „Tuck“ erscheint im US-Original am 10. Februar 2009; über den Erscheinungstermin der Übersetzung ist noch nichts bekannt.

Gebunden: 461 Seiten
Originaltitel: Scarlet
Ins Deutsche übertragen von Rainer Schumacher
ISBN-13: 978-3-7857-2341-8

http://www.stephenlawhead.com
http://www.luebbe.de

_Mehr von Stephen Lawhead auf |Buchwurm.info|:_

[Hood – König der Raben
[„Der Sohn des Kreuzfahrers“
[„Der Gast des Kalifen“
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[„Empyrion – Die Belagerung “
[„Der Sohn der grünen Insel“

Chaplet, Anne – Schrei nach Stille

Der Kinofilm „Der Baader-Meinhof-Komplex“ hat im Herbst 2008 für Furore gesorgt und lässt die 1960er Jahre lebendig werden. Anne Chaplet, ihres Zeichens eine der bekanntesten deutschen Krimiautorinnen, legt mit ihrem neuen Kriminalroman „Schrei nach Stille“ nach. Sie hat zwar nicht die RAF im Blickpunkt, setzt sich dafür aber mit dem Jahr 1968 und dem Sommer der Liebe auseinander.

Vierzig Jahre nach dem Sommer der Liebe hat sich in Klein-Roda, der Wahlheimat von Chaplets Helden Paul Bremer, nur wenig geändert. Es ist nach wie vor ruhig und beschaulich und ein bisschen verschlossen, als er von einer langen Reise mit seiner Freundin Anne zurückkehrt. Fremde mag man noch immer nicht besonders gerne in dem kleinen hessischen Dorf, wie Sophie Winter erfahren muss, die neu in eines der Häuser in der Siedlung eingezogen ist. Niemand möchte Kontakt mit der erfolgreichen Schriftstellerin haben, deren Debüt „Summer of Love“ auf Platz eins sämtlicher Bestsellerlisten stand und mittlerweile verfilmt wird.

Das findet sie selbst aber nicht besonders schade, denn sie hat genug damit zu tun, gegen die Dämonen ihrer Vergangenheit zu kämpfen. Der „Summer of Love“ ist nämlich nicht ohne Spuren an ihr vorbeigezogen. Ihre Vergangenheit ist enger mit Klein-Roda verbunden, als man glaubt. Außerdem hat sie mit Gedächtnislücken zu kämpfen und glaubt, verfolgt zu werden – von einer realen Person.

Tatsächlich scheint es, als ob es jemand auf sie abgesehen hätte. Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen, unter anderem wird ihr Auto sabotiert. Paul Bremer, hilfsbereit wie immer, versucht sich um die Frau zu kümmern, auch wenn sie seine Hilfe abweist. Da erfährt er, dass vor vierzig Jahren in Klein-Roda eine junge Frau verschwunden ist, die nie gefunden wurde – und dass die Dorfbewohner bei dem Verschwinden des zugezogenen Mädchens keine geringe Rolle spielten … Ganz nach seiner Art beginnt Paul, in der Vergangenheit herumzustochern und bringt dabei einiges zutage …

Das Lob und die Preise, die Anne Chaplet bisher eingeheimst hat, kommen nicht von ungefähr. Bereits auf den ersten Seiten merkt der Leser, dass er es hier nicht mit einem einfachen, faden Krimi zu tun hat, sondern mit mehr. Der Erzählstil und die Personengestaltung, die bei anderen Autoren nur als Bewertungskriterium herangezogen werden, nehmen in ihrem Roman einen eigenen Platz neben der Handlung ein. „Schrei nach Stille“ ist nämlich ein ungewöhnlich vielschichtiger Krimi, der einen literarischen, bildreichen Stil mit einer spannenden Handlung und der ein oder anderen Persönlichkeitsstudie verbindet.

Die Handlung ist dabei die eine Sache. Sie besteht aus mehreren Strängen, die am Ende gekonnt ineinander übergehen, ohne dass dies zu weit hergeholt wirkte. Als übergreifendes Motto dient der Sommer ’68, und es ist bewundernswert, wie konsequent die Autorin dies durchhält. Neben der Perspektive von Paul Bremer, der Stammlesern bekannt sein wird, kommen unter anderem einige Dorfbewohner, Sophie Winter und der Frankfurter Polizist Giorgio DeLange zu Wort, und alle haben etwas über den Sommer der Liebe zu sagen. Was genau, das offenbart sich erst mit der Zeit. Anne Chaplet schafft es, die Spannung der Geschichte immer wieder zu steigern, und sorgt durch die Person der Sophie Winter dafür, noch ein bisschen Verwirrung zu stiften. Deren Gedächtnislücken und ihre Angst, verfolgt zu werden, bringen den Leser immer wieder auf eine falsche Fährte. Besonders am Anfang ist noch nicht ganz klar, ob sie nun verrückt ist oder ob die Dinge wirklich passieren, und dies sorgt dafür, dass man das Buch nicht so schnell aus den Händen legt.

Die Personen in „Schrei nach Stille“ sind so gut ausgearbeitet, dass jede von sich aus einen ganzen Roman fühlen könnte. Über Paul Bremer muss man nicht mehr viel sagen. Er ist, als Zugezogener, für die augenzwinkernd-kritische Betrachtung des Dorfes Klein-Roda zuständig und erfüllt diese Aufgabe wie immer mit Bravour. Bodenständig und stets hilfsbereit, manchmal nachdenklich präsentiert sich Chaplets Held auch bei seinem siebten Abenteuer sympathisch und neugierig wie immer. Die Figur der Sophie Winter dagegen wird als zerrissene, von ihrer Vergangenheit gequälte Frau dargestellt, deren Leben in Scherben liegt. Unpathetisch, aber unglaublich eindrücklich, stellenweise sogar bedrückend schildert die Autorin das Leben und die Gedanken der Frau, ohne zu dick aufzutragen oder den Fortgang der Geschichte zu stören.

Am überraschendsten ist allerdings Giorgio DeLange, Opernliebhaber, alleinerziehender Vater zweier pubertärer Töchter und Meister des inneren Monologs. Sarkastisch und manchmal beinahe schon bissig schildert er seinen Alltag als Schreibtischpolizist bei der Pressestelle der Frankfurter Polizei. Sein wachsames Auge erfasst dabei viele amüsante Details des Alltags, spöttelt über das Verhalten der halbwüchsigen Töchter und darüber, wie es ist, als Berater bei einem Film beteiligt zu sein. Dieser Film heißt im Übrigen „Summer of Love“ und sorgt dafür, dass DeLange die verschreckte Sophie Winter kennenlernt. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht DeLanges letzter Auftritt war, denn seine Kommentare sind wirklich köstlich!

Die dritte wichtige Komponente in diesem Buch ist der Schreibstil, der für einen Kriminalroman unglaublich lebendig und literarisch daherkommt. Die Autorin hält sich nicht an Genregrenzen auf. Man merkt, dass es ihr wichtiger ist, ein durch und durch gutes Buch schreiben anstatt ’nur‘ einen spannende Krimi abzuliefern. Das zeigt sich schon an ihren sorgfältigen Personenzeichnungen, die viel Raum einnehmen, und ist eben auch an ihrem Schreibstil erkennbar. Sie benutzt einen sehr großen, breit gefächerten Wortschatz, mit dem sie immer wieder Akzente setzt. Sie spielt mit Satzbau und rhetorischen Stilmitteln und versucht, die einzelnen Perspektiven auch stilistisch voneinander abzusetzen. Während Paul Bremers Abschnitte gemäß seinem Wesen eher nüchtern und abgeklärt, manchmal aber auch belustigt wirken, sind die der Sophie Winter geprägt durch ihre Verwirrtheit und ihre Ängste. Abgehackte Sätze, eingestreute Erinnerungen, die verschnörkelte, metaphernreiche Umschreibung von Sophies Gedanken sorgen häufig für Gänsehaut und auch dafür, dass der Leser versteht, was in Sophies Kopf vorgeht. DeLanges Perspektive dagegen fällt aus dem Rahmen, was anfangs befremdlich wirkt, dann aber schnell zu einem dicken Pluspunkt wird. Die Form des inneren Monologs ist in diesen kleinen Dosen sehr erfrischend und sorgt vor allem ob des humoristischen, bittersüßen Tonfalls für Abwechslung.

Was bleibt am Ende noch zu sagen zu „Schrei nach Stille“? Eigentlich nicht viel. Außer dass Anne Chaplet ruhig noch einen Deutschen Krimipreis erhalten sollte.

|331 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-471-77282-9|
http://www.list-verlag.de
http://www.anne-chaplet.de

_Anne Chaplet bei |Buchwurm.info|:_
[„Russisch Blut“ 2713

Pearson, Ridley – blinde Tod, Der

Das Timing hätte nicht passender sein können. Im November standen gerade in den Vereinigten Staaten die Präsidentschaftswahlen an. „Der blinde Tod“ von Ridley Pearson ist eine optimale Lektüre zum Thema – wenn auch aus einem anderen Blickwinkel. Die fiktive Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Shaler soll nämlich Opfer eines Anschlags werden, und den gilt es nun zu verhindern.

Walt Fleming ist ein junger Streifenpolizist auf der Suche nach einem abenteuerlichen Einsatz, als er Generalstaatsanwältin Elizabeth Shaler eines Abends knapp vor einem Anschlag rettet. Acht Jahre später ist Walt der Sheriff von Blane County und an dem Wochenende, an dem Elizabeth auf einer Versammlung ihre Kandidatur als Präsidentin bekanntgeben möchte, für deren Sicherheit zuständig.

Dem FBI ist nämlich zu Ohren gekommen, dass erneut ein Anschlag auf die Politikerin geplant ist. Das Security-Aufgebot ist entsprechend hoch, doch es mehren sich die Beweise, dass der Killer sich schon längst in Sun Valley befinden könnte. Der Leser, der den Ermittlern immer ein wenig voraus ist, weiß, dass dies eine Tatsache ist, denn er begleitet den Kriminellen Milav Trevalian auf Schritt und Tritt bei seinen Vorbereitungen für den Anschlag. Er weiß, dass Trevalians Plan vielleicht nicht glattgelaufen, der gute Mann aber kaum aufzuhalten ist. Seine Methoden sind zu gewieft und zu brutal …

Ridley Pearson wird auf der Buchrückseite von den Kollegen James Patterson und Lee Child enthusiastisch gefeiert. In dieses Loblied kann die Rezensentin nur bedingt einstimmen. Bereits der Einstieg in die Geschichte läuft nicht ohne Probleme ab. Trotz des Prologs, der erklärt, in welchem Verhältnis Walt zu Elizabeth Shaler steht, wird dem Leser nicht genug Hintergrundwissen zur Verfügung gestellt. Es ist schwierig zu durchschauen, wer die aufgeführten Personen sind, worin ihre Funktion besteht und auf wessen Seite sie stehen. Es werden zu viele Charaktere auf einmal eingeführt und das noch nicht einmal besonders sorgfältig. Dadurch hat man über weite Strecken richtiggehend Verständnisschwierigkeiten. Trotzdem hat „Der blinde Tod“ seine spannenden Momente. Diese finden sich vor allem dort, wo die Handlung ausbricht und nicht mehr stur dem Schema folgt, das ihr zugrunde zu liegen scheint.

Dem Buch mangelt es außerdem an Menschlichkeit. Es ist schwierig, Zugang zu den einzelnen Personen zu finden. Nur bei wenigen spielen Emotionen überhaupt eine Rolle, zum Beispiel bei Walt, der mit der Scheidung von seiner Frau und deren neuen Flamme – ein Kollege von ihm – sowie mit seinem trinkenden Vater zu kämpfen hat. Die Einblicke in seine Seele sind jedoch so rar gestreut, dass sie kaum auffallen, und ihr Beitrag zum Buch gering bleibt. Im Endeffekt bleiben die einzelnen Charaktere dadurch sehr schemenhaft, und bei einigen fällt es schwer, sie voneinander zu unterscheiden.

Der Schreibstil hat es auch nicht unbedingt einfach. Pearson schreibt sehr reduziert. Viele Beschreibungen lässt er weg, weshalb das Verständnis erschwert wird. Er bringt wenig Leben in seine Worte, sondern erzählt die Geschichte nüchtern und beinahe ein wenig steif. Das macht den Zugang zu diesem Thriller nicht einfacher.

Ridley Pearsons Buch über einen geschickten Killer und seinen Gegenspieler, den eifrigen Sheriff Walt Fleming, hält leider nicht das, was eine solche Kombination verspricht. Die Handlung ist unübersichtlich und teilweise unverständlich, die Charaktere haben wenig Leben in sich und der Schreibstil ist unbeweglich und besitzt wenig Tiefgang. Es gibt eindeutig lesenswertere Bücher.

|Originaltitel: Killer Weekend
Aus dem Englischen von Joachim Honnef
316 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15911-6|
http://www.bastei-luebbe.de

_Ridley Pearson bei |Buchwurm.info|:_

[„Die letzte Lüge“ 1602
[„Die einsamste Stunde“ 4273

Hill, Susan – Der Seele schwarzer Grund

Nach mittlerweile zwei Romanen hat Susan Hill rund um den Ermittler Simon Serrailler eine durchaus lesenwerte Krimireihe aufgebaut, die sich vor allem durch ihre ausgefeilte Figurenskizzierung aus der Masse des Genres heraushebt. Mit „Der Seele schwarzer Grund“ legt die Britin nun den dritten Serrailler-Krimi vor, der mehr oder minder nahtlos an die Handlung des Vorgängerbandes „Des Abends eisige Stille“ anschließt.

Der ungelöste Fall um das Verschwinden des achtjährigen David Angus belastet Simon Serrailer noch immer. Der Fall tritt auf der Stelle und Serrailler und sein Team kommen dem Täter kaum einen Schritt näher. Doch eines Tages bittet die Polizei von Yorkshire Simon um seine Hilfe. Die Kollegen vermuten einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden eines siebenjährigen Jungen und dem Fall David Angus.

Und endlich gibt es sogar tatsächlich eine greifbare Spur. Das Auto des Verdächtigen wurde gesehen. Simon nimmt zusammen mit den Kollegen aus dem Norden die Verfolgung auf. Es kommt zu einer dramatischen Verhaftung, bei der die Identität des Täters alle Beteiligten überrascht.

In Lafferton treibt derweil ein anderer Täter sein Unwesen. Reverend Jane Fitzroy, noch neu in der Gemeinde von Lafferton, gerät als Erste in seine Fänge …

Susan Hill schreibt keine Krimis von der Stange. Im Fokus steht bei ihr oft weniger das Verbrechen an sich, bzw. dessen Auflösung, sondern die Menschen, die davon betroffen sind. Sie lässt viele Figuren agieren, wechselt häufig die Perspektive und lässt viele Aspekte in die Handlung einfließen, die andere Autoren wohl als schmückendes Beiwerk empfinden und weitestgehend ignorieren würden.

Hill schreibt gegen die Gewohnheiten des Genres und fordert damit auch den Leser ganz anders als der Großteil anderer Krimiautoren. Schon in ihrem ersten Roman passierte der erste Mord erst nach weit über 100 Seiten, und so ist auch „Der Seele schwarzer Grund“ wieder einmal ein Krimi gegen die Lesegewohnheiten. Das eigentliche Verbrechen ist schon im vorherigen Roman passiert und der Täter ist schon nach etwa 90 Seiten dingfest gemacht.

Was folgt, ist mehr eine Auseinandersetzung mit den Folgen des Verbrechens, die nicht nur für die Ermittler mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Der Täter bleibt verschlossen, die Taten rätselhaft. Selten genug kommt es vor, dass auch die Aufarbeitung der Tat durch die Angehörigen des Täters ein Thema ist – Susan Hill nimmt sich dafür reichlich Zeit und lässt dessen Mutter daran fast zerbrechen.

Wie auch in den vorangegangen Romanen kehrt Susan Hill stets die menschliche Sicht der Dinge heraus. Und so hat sie in ihrem mittlerweile dritten Roman der Reihe schon erstaunlich plastische Figuren herausgearbeitet. Simon Serraillers Familie, insbesondere seine Schwester Cat, die mit Mann und Kindern in einem alten Bauernhaus lebt und neben Haushalt und Familie auch noch den Praxisalltag als Ärztin zu bewältigen hat, ist häufig ein Thema.

Bei Susan Hill ist alles miteinander vernetzt. Lafferton ist ein recht kleiner Ort, so dass Berührungspunkte zwischen den Protagonisten sich fast von selbst ergeben. Als neue Figur taucht in diesem Roman Reverend Jane Fitzroy auf, die auch mit im Zentrum des neuen Falls steht, der die Polizei von Lafferton auf Trab hält. So entstehen – der ursprüngliche Fall ist schließlich schon gelöst – dennoch immer wieder Spannungsmomente in einem ansonsten eher gemächlichen Plot. Hill setzt auf eine feine, psychologische Spannung. Actionreiche Situationen findet man bei ihr genauso selten wie blutrünstige Mordschilderungen.

Die Spannung ergibt sich aus dem Plot heraus, aus der Entwicklung der Figuren und ihren Verflechtungen und nicht aus der Menge an Blut, die vergossen wird. Hill ist sehr subtil und zeigt damit sehr schön, wie auch mit wenig Blutvergießen ein spannender Krimiplot entstehen kann, zu dem der Leser dank der ausgefeilten Figurenskizzierung eine tiefe Beziehung aufbaut.

Dennoch hat gerade dieser dritte Roman der Reihe auch so seine Schönheitsfehler. Simon Serrailler ist eine durchaus reizvolle Hauptfigur, bewegt sich in seiner persönlichen Entwicklung aber zunehmend in eine Sackgasse. Das schreit für den nächsten Band nach einem Befreiungsschlag, doch gestaltet Hill das Ende des Romans leider etwas zu flach und uninspiriert, als dass man gleich zum nächsten Band (den es sicherlich geben wird) greifen möchte. Die Geschichte wird nicht so richtig aufgelöst. Die losen Enden bleiben in der Luft hängen und vor allem mit Blick auf den zentralen Fall weiß der Leser am Ende eigentlich kaum mehr als schon zu Anfang des Romans.

Für meinen Geschmack ist es etwas zu schwammig, ein Buch, das eigentlich ein Nachklang des vorangegangen Buches (welches ja auch schon ein recht offenes Ende hatte) ist, in einem derartigen Schwebezustand zu beenden. So richtig zufrieden ist man auf diese Weise am Ende nicht, denn es ist eben einfach keine ganz runde Sache.

Dabei versteht Susan Hill ihr Handwerk eigentlich sehr gut. Sie weiß den Leser auch mit wenig greifbarer Handlung zu unterhalten, sie skizziert interessante Figuren und erzählt in einem lockeren Ton, der das Buch zu leichter und flotter Lektüre macht. Nur fällt eben diesmal der Schlussakkord am Ende etwas dissonant aus.

Bleiben unterm Strich gemischte Gefühle zurück. Susan Hill versteht sich darauf, eine feinsinnige psychologische Spannung zu erzeugen, und beweist auch mit ihrer gelungenen Figurenskizzierung, wie gut sie sich auf die leisen Töne des belletristischen Krimis versteht. Dennoch ist dieser Band der Serrailler-Reihe eine etwas unrunde Sache, die den Leser am Ende nicht ganz zufrieden zurücklässt. Zu vieles bleibt gerade auch mit Blick auf den zentralen Fall in der Schwebe. Dennoch kann man die Reihe an sich durchaus noch jedem ans Herz legen, für den Krimispannung sich nicht einfach nur in der Menge des vergossenen Blutes niederschlägt.

_Susan Hills Serrailler-Krimis in chronologischer Reihenfolge:_

[„Der Menschen dunkles Sehnen“ 1698
[„Des Abends eisige Stille“ 3889
„Der Seele schwarzer Grund“

|Originaltitel: The Risk of Darkness
Aus dem Englischen von Susanne Aeckerle
489 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-426-66148-2|
http://www.knaur.de

Sheldon, Sidney – Blutspur

Sidney Sheldon, der 2007 verstorbene, amerikanische Bestsellerautor, kam erst spät zur Schriftstellerei. Er begann als Drehbuchautor, unter anderem am Broadway, ist heute aber vermutlich eher durch seine Thriller bekannt. Einer davon, „Blutspur“, wurde bei |Ullstein| nun neu aufgelegt.

Auf den Schultern von Elizabeth Roffe lastet ein schweres Erbe, nachdem ihr Vater bei einer Bergtour ums Leben gekommen ist. Er war der Leiter des global agierenden Familienunternehmens für Pharmazeutika, das aufgrund seiner außergewöhnlichen Struktur schon oft Grund für Ärger geboten hat. Es handelt sich dabei nämlich um ein reines Familienunternehmen. Fremden ist es nur durch Heirat in die Familie möglich, eine Stimme und Aktienanteile zu erhalten, wobei man Letztere wiederum nicht veräußern darf. Dumm nur, dass sämtliche Mitglieder des Direktoriums, alles Mitglieder der Familie Roffe, Geldprobleme haben und nichts lieber täten, als die Anteile zu veräußern.

Sam Roffe war derjenige, der sich die ganze Zeit in seiner Funktion als Vorsitzender des Unternehmens dagegen sträubte, etwas an der alten Satzung zu verändern. Sein Tod kommt einigen Mitgliedern des Direktoriums daher nur recht, hoffen sie doch, nun endlich an Geld zu gelangen. Doch wider Erwarten entscheidet sich Elizabeth, die bislang nur wenig mit den Geschäften zu tun hatte, dagegen, das Erbe ihres Vaters abzutreten, und übernimmt selbst die Leitung des Unternehmens. Ihr Plan: Alles bleibt so, wie es ist, denn sie ahnt, dass irgendjemand im Direktorium darauf lauert, endlich die Aktien verkaufen zu können. Doch dieser Entschluss soll sich als lebensgefährlich für sie herausstellen …

„Blutspur“ verfügt über einen sehr ungewöhnlichen Aufbau für einen Thriller. Er orientiert sich nicht an der üblichen Spannungskurve, sondern beginnt, im Gegenteil, damit, die Situation der einzelnen Direktoriumsmitglieder in einzelnen Kapiteln darzustellen. Sheldon schlüpft dazu als Autor in vier Perspektiven in vier Städten und rekonstruiert eigenständige Hintergrundgeschichten, die mit der Handlung selbst nicht besonders viel zu tun haben. Im Anschluss berichtet er wiederum davon, wie Elisabeth im Schatten ihres Vaters erwachsen wird und ein Büchlein findet, in dem der Gründer des Familienunternehmens seinen Aufstieg beschreibt.

Und der Zusammenhang zur Geschichte? Nun, der ist in den meisten Fällen zwar gegeben, aber nicht immer. Anders als erwartet, stört dieses Drumherum aber nicht, da es erzählerisch sehr schön gestaltet wird. Dass das Buch erst wesentlich später in Gang kommt, fällt dank der schriftstellerischen Leistung kaum auf, auch wenn die eigentliche Krimihandlung recht kurz geraten ist. Die Suche nach dem Täter ist trotzdem spannend, da das umfassende Hintergrundwissen den Leser zu Verdächtigungen verführt. Wer letztendlich der Verdächtige ist, ist an keinem Punkt der Geschichte vorhersehbar, und das, obwohl die Anzahl von möglichen Tätern gering ist. Auch wenn es zuerst nicht so wirkt, aber tatsächlich schafft Sidney Sheldon es, mit wenigen Mitteln eine sehr spannende Mördersuche zu inszenieren, die den Leser in ihren Bann schlägt.

Die Personen sind aufgrund der umfassenden Einführung sehr gut ausgestaltet. Ihre Motive werden klar gemacht und ihre besonderen Charakterzüge gut hervorgehoben. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass der eine oder andere Charakter ein wenig zu sehr in bereits vorgefertigte Kerben schlägt. Da wäre der arme Ehemann, der unter einer sex- und herrschsüchtigen Gattin leidet, der blendend aussehende Skilehrer, der sich eine Erbin angelt, der unglückliche Reiche, der sich in ein liederliches Mädchen verliebt, dem das Landleben viel zu bieder ist – Sheldon verwendet an solchen Stellen Stereotype, die in der Masse, in der sie auftreten, einfach zu viel sind. Hinzu kommt, dass seine Charaktere sich ständig mit Sex beschäftigen – und zwar in allen erdenklichen Ausformungen. Davon ausgenommen sind eigentlich nur zwei: Elizabeth und Rhys Williams, die rechte Hand von Sam Roffe. Die beiden haben von allen auftretenden Personen am wenigsten Dreck am Stecken, so dass man in diesem Zusammenhang durchaus von den Guten und von den Bösen sprechen kann.

Zu den Guten gehört übrigens auch der Schreibstil von Sidney Sheldon. Leichtfüßig und elegant, eher belletristisch erzählt Sheldon und ermöglicht dadurch paradoxerweise, dass sich das Buch so spannend lesen lässt. Die vielen Nebensächlichkeiten werden dadurch anschaulich verpackt und mit der Haupthandlung verbunden, was an und für sich eine Meisterleistung ist. Ein anderer Schreibstil hätte das Buch sonst leicht zu einer Nullnummer werden lassen können.

Sidney Sheldon neu aufzulegen, ist demnach völlig gerechtfertigt. Der kunstvoll gewobene Plot sucht seinesgleichen und der Schreibstil erweist sich als leicht lesbar und wunderbar locker. Einziger Wermutstropfen sind die Klischees in der Figurenzeichnung, doch ansonsten ist „Blutspur“ ein Thriller, der mit jüngeren Veröffentlichungen ohne Probleme mithalten kann.

|Originaltitel: Bloodline
Aus dem Englischen von Martin Lewitt
445 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-548-26964-1|
http://www.ullstein-taschenbuch.de