Schlagwort-Archive: Bastei Lübbe

Orson Scott Card – Der siebente Sohn (Die Legende von Alvin, dem Schmied 1)


Kind des Teufels: Alvin, der junge Magier

In seinem mehrteiligen Alvin-Zyklus schildert Card ein Amerika, das es nie gegeben hat: Der Unabhängigkeitskrieg hat – noch – nicht stattgefunden. Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts existieren so unterschiedliche Staaten wie die der kolonialen Engländer, der Franzosen in Kanada, der Irrakwa-Indianer (Irokesen) und der unabhängigen Siedler im Westen der Appalachen-Berge. Um die Zersplitterung komplett zu machen, sind die Kolonien der Engländer in königstreue Gebiete und in Länder des Lord-Protektors Oliver Cromwell aufgeteilt.

Im Startband „Der siebente Sohn“ kommt daher Benjamin Franklins Erfindung des Begriffs „Amerikaner“ und „Amerikanische Nation“ einer Revolution gleich. Und Franklins Freund und Dichterkumpel William Blake trägt diese Idee zu den Siedlern im Westen. Dort trifft er unvermutet Alvin Miller, den jungen Magier, dem in den folgenden Ereignissen eine Schlüsselrolle zufällt. Dessen Feind ist der Unschöpfer, die dunkle Macht des Zerstörers vom Anbeginn der Welt…
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David Baldacci – Finstere Lügen (Travis-Devine-Thriller 01)

Packender Wall-Street-Thriller

»Sie ist tot« – diese Textnachricht unterbricht den routinierten Arbeitsweg des ehemaligen US–Army–Rangers Travis Devine. An seinem Arbeitsplatz, einer Investment–Firma an der Wallstreet, angekommen, erfährt er, dass seine Kollegin und Ex-Freundin ermordet aufgefunden wurde. Als am gleichen Abend ein Polizist bei ihm auftaucht, ist Travis sofort klar, dass er ganz oben auf der Liste der Verdächtigen steht. Ein Ausweg scheint das zweischneidige Angebot des US-Geheimdienstes zu sein, als Undercover-Agent dem illegalen Treiben seines Arbeitgebers auf die Spur zu kommen und dabei Saras Mörder zu finden. Doch dieser hat einen ganz eigenen Plan, und Travis ist die Zielscheibe … (Verlagsinfo)

Diese Besprechung beruht auf der US-amerikanischen Originalausgabe.
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Stephen R. Lawhead – Das Schattenlicht (Die Schimmernden Reiche 4)

Frucht des Frevels: das Ende des Universums

Es gibt sie wirklich: die Ley-Linien. Pfade, auf denen man durch die Zeit reisen kann und die nur die wenigsten kennen. Kit Livingston kennt sie, denn er hat sie bereits benutzt. Mit seiner Freundin Mina ist er auf der Suche nach der Meisterkarte der möglichen Universen, zu denen die Ley-Linien führen. Diese Karte wurde zerteilt und in alle Welten zerstreut. Aber Kit ist nicht der einzige, der sie haben will …

Doch es geht um viel mehr, als um eine Schatzsuche: Scheinbar steht die Welt an der Schwelle zu einer Katastrophe, die das gesamte Universum bedroht! Kit und seine Freunde müssen nun alles tun, um das Rätsel der Karte zu entschlüsseln … Wie hängen die Meisterkarte, die Seelenquelle und die Schattenlichter zusammen? (erweiterte Verlagsinfo)

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Ambrose, David – Epsilon

Charlie Monk ist ein perfekter Agent: ein gewissenloser Killer. Allerdings verliert er die Loyalität zu seinen Auftraggebern. Und die Neurologin Dr. Susan Flemyng, die ihn für ihre Rachepläne gewinnt, setzt ihn auf eben diese Auftraggeber an. Ein Thriller mit doppeltem Boden, der in der Welt von Wissenschaft und Politik spielt.

_Der Autor_

David Ambrose steht für spannende Wissenschaftsthriller am Rande der Wahrscheinlichkeit. Er begann seine Karriere als Drehbuchautor für den Regisseur Orson Welles, lehrte Recht an der Universität Oxford und hat für Theater, Film und Fernsehen gerarbeitet. In Deutschland ist er mit [„EX“ 135 bekannt geworden, der neben unangenehmen Geistern auch eine interessante Zeitschleife vorzuweisen hat.

Ambroses Thriller waren schon immer ein wenig verwirrend für Leser, die unvorbereitet sind. Im Falle dieses Buches wäre es recht hilfreich, sich schon einmal mit Virtueller Realität (VR) und Gentechnik beschäftigt zu haben.

_Handlung_

Dr. Susan Flemyng hat einen Patienten namens Brian Kay. Kay hat zum Teil sein Erinnerungsvermögen verloren. Er ist schon seit 20 Jahren in Susans Obhut, und immer noch erkennt er seine Frau Dorothy nicht wieder, wenn sie ihn besuchen kommt. Seine Erinnerung reicht nur für etwa zwei bis drei Minuten. Sein Langzeitgedächtnis ist ausgefallen. Immerhin konnte ihm Flemyng die visuellen Eindrücke, das „Bild“ seiner Frau, einpflanzen. Und wer weiß? Vielleicht hat Kay tatsächlich etwas mit dieser Geschichte zu tun …

|A) Susan|

Flemyng bekommt eines Tages eine schlimme Nachricht: Ihr Mann, ein Ingenieur, ist in Sibirien bei einem Flugzeugunglück umgekommen. Von ihrem Vater Amery Hyde getröstet, wird sie erst durch einen mysteriösen Besucher stutzig, der vorgibt, ein Reporter zu sein: Ihr Mann sei nicht abgestürzt, sondern ermordet worden, weil er etwas Wichtiges herausgefunden hatte. Wenig später ist auch der Reporter tot.

Susan war noch nie der Typ Mensch, der die Dinge auf sich beruhen lässt. Sie fliegt mit einer Führerin nach Ostsibirien in die hinterste Taiga. Dort stößt sie in einem mickrigen Hotel auf geheime Unterlagen des toten Reporters, die sie sofort weiterleitet, aber auch auf ein supergeheimes Forschungsinstitut, das zu ihrer Verblüffung genau jener Organisation gehört, das auch ihre eigene neurologische Forschungsarbeit finanziert: die Pilgrim Foundation. Sie war von ihrem Vater für unbedenklich erklärt worden.

Doch Susan wird zu ihrem Entsetzen nicht nur ihrer Freiheit beraubt, sondern auch zur weiteren Kooperation gezwungen: Man hat ihren Sohn Christopher als Geisel genommen. Da er alles ist, was ihr noch geblieben ist, willigt sie ein. Ihr erstes supergeheimes Projekt ist ein menschliches Wesen, das man mit Gentechnik aus einem Schimpansen herangezüchtet hat (ein momentan höchst unwahrscheinliches Szenario, aber wer weiß, was man in 20, 30 Jahren alles kann). Es handelt sich um Charlie Monk. Sie soll ihm „Bilder“ einpflanzen. Sie sieht eine Chance, sich und ihren Mann zu rächen.

|B) Charlie|

Charlie Monk ist der perfekte Agent für geheime US-amerikanische Regierungsstellen: gut aussehend, durchtrainiert, präzise und vor allem absolut gewissenlos und loyal zu seinen Auftraggebern. Er agiert sozusagen auf Knopfdruck, ohne Fragen. Sein „Führungsoffizier“ ist ein Mann, der sich Control nennt. Charlie kennt sein Gesicht.

Nach dem letzten Auftrag hat man Charlie jedoch „stillgelegt“. Er fühlte sich beschattet und entkam seinen Bewachern. Nun erwacht er in einem Affengehege, das sich offenbar in einer Art Zoo befindet und an jeder Stelle von Kameras überwacht wird. Doch an einer Stelle gibt es Fenster, die sein Gehege überwachen. Und zu seiner Überraschung sieht er dort Katie, seine Jugendliebe. Katie sieht genauso aus wie Dr. Susan Flemyng.

Als Charlie wieder einmal erwacht, sieht er Susan vor sich. Er erfährt, dass er das Schimpansengehege als eine perfekte Virtuelle Realität (VR) erlebt habe. Ein spezieller Apparat, den man ihm über den Kopf stülpt, versetzt ihn in eine andere Welt, die sich genauso „real“ anfühlt wie die Realität erster Ordnung, in der er bislang zu leben meinte – auch diese war VR! Wer also ist Charlie Monk „wirklich“?

Susan gelingt es, den immens starken Charlie zu überzeugen, für sie zu arbeiten – sie gewinnt seine Loyalität. Und gemeinsam werden sie ihren Sohn Christopher befreien und sich an den Hintermännern dieser ganzen Sauerei rächen, oder?

Leider hat Susan nicht damit gerechnet, dass zu diesen Hintermännern auch ein Mann gehört, dem sie bisher bedenkenlos ihr Leben anvertraut hätte: Es ist der Mann, der sich Control nennt.

Anmerkung: „Epsilon“ ist der 5. Buchstabe im griechischen Alphabet. Er bezeichnet im Buch die 5. Generation jener aus Schimpansen gezüchteten Menschen wie Charlie Monk.

_Mein Eindruck_

Es gibt manchmal Bücher wie diese, die einem den rationalen Verstand ebenso durcheinanderwirbeln wie das gewohnte Weltverständnis. Diese Wirkung verunsichert den Leser stark und macht ihn entweder frustriert oder wütend oder beides. Als Endergebnis wird die Zumutung einfach beiseite geschoben und verdrängt. Problem vergessen, Problem erledigt.

Diese Reaktion wäre nur zu verständlich auch bei diesem Buch. Erst verlangt der Autor, dass man diesen James-Bond-Verschnitt namens Charlie Monk als eine Inszenierung der Virtuellen Realität akzeptiert, die sich eine höchst illegale Regierungsagentur in ihren Labors ausgedacht hat. Danach soll man auch noch akzeptieren, dass dieser Monk aus einem Schimpansen gezücktet worden sei. Man fragt sich allerdings: Wozu der Aufwand der Gentechnik, wenn doch eh alles virtuell realisierbar ist? Offenbar ist auch die Schimpansensache reine VR.

Und das macht die Geschichte noch frustrierender. Denn nun erhält die Geschichte den Anschein, als seien alle Realitätsebenen darin VR und untereinander austauschbar, also völlig beliebig. Letzten Endes auch die des Lesers. Der Autor führt für die VR-Experimente an Charlie historisch verbürgte Psycho-Forschungen eines gewissen B.F. Skinner an, den Autors des utopischen Romans „Walden Two“. Und dass unsere eigene Realität lediglich von Sinneswahrnehmungen abhängt, wusste schon René Descartes im 17. Jahrhundert („Ich denke, also bin ich.“).

So weit, so verwirrend. Da nun alles ein virtuelles Spiel mit inszenierten Realitäten zu sein scheint, so hat doch der Leser durch den Kauf dieses Buches das Recht erworben, durch ein solches VR-Medium (= Roman) zufriedenstellend unterhalten zu werden.

Immerhin funktioniert das Buch als VR-Maschine recht gut: Die Anfangskapitel, die Charlie Monk als Agent 007 zeigen, sind flott erzählt und entbehren nicht einer gewissen Spannung. Seine Existenz als Schimpanse ist durchaus ironisch auffassbar, denn der ansonsten zur Diplomatie neigende Affe muss sich nun mit brachialer Gewalt gegen die anderen Männchen durchsetzen.

Das Finale zeigt dann wieder Charlie Monk, nun in eigener Regie an Susans Seite, in voller agentenmäßiger Aktion, wobei sich als hilfreich erweist, dass er wegen seiner äffischen Herkunft schneller reagiert, stärker ist und sich rascher bewegt als seine Widersacher, die allesamt Control unterstehen.

Klingt das hanebüchen? Ja, genauso hanebüchen wie jeder James-Bond-Film. Wie das dem Buch vorangestellte Sean-Connery-Zitat verrät, musste auch 007 erst einmal erfunden werden, um auf der Leinwand, einer weiteren VR, halbwegs glaubhaft zu erscheinen: Er hat keinerlei Eltern oder Geschwister und fiel im Alter von 33 Jahren vom Himmel, gewissenlos, wie Fleming (!) ihn schuf.

_Unterm Strich_

Wenn man nicht vor Zorn und Frust gegen die Zumutungen des Autors aufbegehrt und das Buch nach zehn Seiten in die Ecke feuert, kann man ein paar nette Kapitel genießen, in denen man sich an der Seite von Charlie Monk wähnt oder in denen man mit Susan Flemyng einem Komplott auf die Spur kommt. Und dies geht dann nach einem recht verwirrenden Mittelteil in ein actiongeladenes Finale über.

Akzeptiert man diese Zumutungen des Autors, so könnte man diesen Roman als ironische Antwort auf den James-Bond-Kult auffassen. Das geht aber nur, weil damit auch eine Kritik an den Medien verbunden ist, die sich allesamt skruppellos der Ausbeutung dieses selbst geschaffenen Medienkultes befleißigen. Wie lukrativ dies ist, hat man ja wieder am letzten, zwanzigsten JB-Film gesehen, der das 40-jährige „Dienstjubiläum“ des unsterblichen 33-Jährigen markierte.

Die VR-Maschine läuft allen Kanälen auf Hochtouren und heraus kommt – nun was? Dollars und noch mehr Dollars. Dass einigen Leutchen dabei der Sinn für die Realität erster Ordnung abhanden kommt, was macht das schon? Sind wir nicht alle Charlie Monks? Doch wer ist dann Control?

|Originaltitel: The discrete charm of Charlie Monk, 2000
Aus dem Englischen übertragen von Stefan Bauer|

David Gemmell – Eisenhands Tochter (Die Falkenkönigin 1)

Die Highlander haben ihre Unabhängigkeit in der Schlacht von Colden Moor verloren. Aus der Blutlinie der Könige hat nur eine einzige Frau überlebt: Sigarni, Gejagte und Jägerin, Hure und Prinzessin. Auf sie gründen sich alle Hoffnungen im Kampf gegen die Unterdrücker. Erster Band eines neuen Zweiteilers vor keltischem Hintergrund. (Verlagsinfo)

Dieser Fantasy-Roman gehört zwar zu einer Dilogie, kann aber auch abgeschlossen für sich bestehen und alleine gelesen werden. Er erzählt die Geschichte von Sigarni, der Falkenkönigin, die den Aufstand des Nordens gegen die Outlander anführt.

Die zwei Romane um die Falkenkönigin folgen einem völlig anderen Strickmuster als die übrigen Bücher Gemmells. Die Fortsetzung erschien unter dem Titel „Die Keltenkriege“  im Oktober 2000 (Taschenbuchausgabe Februar 2003).

Der Autor

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Sheffield, Charles – Kalt wie Eis

_Post-Holocaust: Das Geheimnis von Europa_

Das 21. Jahrhundert (huch, das ist ja unseres!): Vor 25 Jahren hat im Sonnensystem ein mörderischer Krieg stattgefunden. In vier Monaten starben neun Milliarden Menschen, denn es wurden entsetzliche Waffen eingesetzt. Die Rivalitäten sind aber im Jahr 2092 immer noch latent vorhanden, die Waffen existieren noch an verborgenen Stellen des Systems. Sie sind ein eifersüchtig gehütetes Geheimnis. Und wer dies zu lüften versucht, setzt sein Leben aufs Spiel.

Der Klappentext führt diesmal völlig in die Irre. Daher ist er keine Erwähnung wert.

_Der Autor_

Der 1935 in England geborene und seit den Sechzigern in den USA lebende Charles Sheffield studierte Mathematik und Physik in Cambridge, England, und gilt als eine Kapazität auf dem Gebiet der Astronomie – er war Präsident der |American Astronautical Society| und Vizepräsident der |Earth Satellite Corporation|.

Sheffield veröffentlichte 1977 seine erste Story im Magazin „Galaxy“, im Jahr darauf erschien sein erster Roman „Sight of Proteus“, der Auftakt seiner Proteus-Trilogie. Er vertritt darin optimistisch den Gedanken, dass mit Hilfe von Maschinen Menschen und andere Lebewesen ähnlich wie der antike Gott Proteus ihre Form verändern können, um zu den nahen Sternen zu fliegen. Es gehört zu Sheffields Markenzeichen, dass er das Universum (auch das mikroskopisch kleine) stets interessant findet und mit Vorfreude auf Entdeckungen wartet – selbst wenn sich diese als weniger angenehm herausstellen sollten. Er ist auch ein Meister in der Verwendung von Ironie.

In seinem zweiten Roman „The Web between the Stars“ (1979) beschrieb er einen „Fahrstuhl“ in die Erdumlaufbahn. Fast gleichzeitig verarbeitete Arthur C. Clarke den gleichen Gedanken in „Fountains of Paradise“. Beide gelangten unabhängig voneinander zur gleichen Idee. Kim Stanley Robinson griff diese Idee wieder in seinem Roman „Roter Mars“ auf, der mit dem katastrophalen Absturz eines solchen Fahrstuhls auf die Marsoberfläche endet.

Weitere interessante Romane Sheffields sind „Zwischen den Schlägen der Nacht“ (1985) mit seiner universumweiten Sicht à la Greg Bear sowie „Die Nimrod-Jagd“, eine Space-Opera mit interessanten Aliens und Cyborgs. Zuletzt erschienen bei uns „Die Welt der Handelsfahrer“ (1988, dt. bei |Heyne|), in der sich eine Post-Holocaust-Menschheit einer Alien-Invasion gegenübersieht, sowie „Feuerflut“ und „Sternenfeuer“. |Bastei-Lübbe| führt die Publikation Sheffields fort, zunächst mit „Der wundersame Dr. Darwin“ (2004), nun mit „Kalt wie Eis“ (1992, dt. 2004) und mit dessen Fortsetzung „Schwarz wie der Tag“ (Juni 2005).

_Handlung_

PROLOG.

Anno 2067: In den letzten Tagen des interplanetaren Krieges, der zwischen den erdnahen Planeten und den äußeren Welten auf Mars und dem Asteroidengürtel geführt wird und neun Milliarden Erdbewohnern das Leben gekostet hat, flieht ein zum Passagierschiff umgebauter Erzfrachter in den Gürtel. Verfolgt wird das Gürtelschiff von einem Sucher, einem halbintelligenten Jäger, der sein Ziel mit Raketen vernichtet. Doch von wem wurde er abgeschossen?

Die Crew des fliehenden Schiffes „Pelagic“ setzt kurz vor dem sicheren Ende neun Kapseln mit den Jüngsten an Bord aus, die in Kälteschlaf versetzt wurden. Man hofft, dass wenigstens sie überleben. Wenige Minuten später vernichtet ein Blitz das Schiff.

HAUPTHANDLUNG.

25 Jahre später hat sich die menschliche Zivilisation wieder von den großen Verlusten erholt und bereits die Monde des Jupiter besiedelt. In Jupiters Gashülle bauen selbstreplizierende Maschinen, nach ihrem deutschen Erfinder „Von Neumanns“ genannt, wertvolle Elemente ab. Mehrere Wissenschaftler, Medienleute und Amateurforscher, die wir einzeln nacheinander kennen lernen, erforschen das Sonnensystem.

Doch etwas Mysteriöses geht vor sich, von dem den Betroffenen wenig bis nichts mitgeteilt wird. Der Tiefseeforscher Jon Perry erhält einen Rückruf, der ihn von seinem Projekt, der Erkundung von heißen Quellen am Meeresboden (Black Smokers) abzieht und auf den Jupitermond Europa schickt. Zudem müssen die beiden führenden Astronomen vom interplanetarisch gestützten Oberservatorium DOS (Delokalisiertes Observations-System) nach Europa gehen, weil die Geldgeber und die Behörde lieber den erdnahen Raum durchsuchen möchten. Lächerlich! Das DOS hat eine Reichweite von elf Milliarden Lichtjahren, und diese Deppen wollen Terras Hinterhof durchsuchen?! Doch die Geheimniskrämerei erhält letzten Endes einen Sinn, als der Mann hinter diesen Aktionen hervortritt: der so genannte „Sonnenkönig“ Cyrus Mobarak.

Dieser Hinterhof scheint aber auch den Amateurforscher Rustum Battachariya, genannt „Bat“ (Fledermaus), auf dem Jupitermond Ganymed sehr zu interessieren. Er sammelt wertvolle Artefakte aus dem Großen Krieg, der vor 25 Jahren zu Ende ging. Und weil diese Artefakte mitunter weit bessere Technik aufweisen als alles, was danach kam, zieht er oft Vorteil daraus – für seine Behörde, die Koordinationsstelle für Transporte zu den Äußeren Systemen (Jupiter, Asteroiden und Saturn).

Bats neuester Kostenantrag an seine Chefin ist etwas kostspieliger als sonst: Er sucht das Wrack eines im Krieg verschollenen Passagierschiffes, der „Pelagic“. Denn er wundert sich, warum ein Gürtelschiff ausgerechnet von einer Jägerrakete vernichtet wurde, die ebenfalls aus dem Gürtel kam. Was ist das Geheimnis der „Pelagic“? Leider muss er schon bald feststellen, dass Leute, die es lüften wollen, sich dadurch in große Gefahr begeben.

_Mein Eindruck_

Der Aufbau der Geschichte hat eine sehr wirkungsvolle Form: ein Fächer, dessen Nabe am Schluss der Haupthandlung platziert ist. Am Anfang sieht sich der Leser daher mit einer ganzen Reihe von unverbundenen Handlungsträngen konfrontiert, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Die Spannung steigt ins Unermessliche – oder die Langeweile. Doch keine Angst, denn schließlich wird doch noch ein Schuh draus. Spätestens dann, als die Akteure auf dem Jupitermond Europa, einer vereisten Wasserwelt, eintreffen, überschlagen sich die Ereignisse auf eine Weise, die für gute Unterhaltung sorgt.

|Elende Politik|

Doch die Action allein macht noch keinen guten Science-Fiction-Roman, wie man an den Machwerken John Ringos ablesen kann. Europa ist vielmehr der Zankapfel zwischen zwei maßgeblichen politischen Strömungen. Die „Auswärtsler“ wollen die Planeten und Monde links liegen lassen und in unberührtem Zustand als Schutzgebiete zurücklassen, wenn sie mit einem Generationenschiff zu fremden Sternen fliegen.

Leute wie Cyrus Mobarak hingegen haben handfeste wirtschaftliche Interessen und wollen die Monde und Planeten ausbeuten und wenn möglich sogar terraformen. Native Lebensformen sind ihnen ziemlich schnuppe. Bei ihrem Vorgehen schrecken Mobarak & Co. auch nicht vor fiesen politischen Tricks zurück. Die muss man aber erst einmal aufdecken. Und das machen so clevere Leute wie Battachariya.

|Sherlock Holmes|

Bat ist ein sehr später Nachfahre von Detektiven wie Sherlock Holmes, verfügt aber auch über Hackerqualitäten. Nicht von ungefähr ist er im Netz der schärfste Gegner von Cyrus Mobarak, der dort unter dem Decknamen „Torquemada“ auftritt. Wie in den traditionellsten Fifties-Science-Fiction-Romanen ist es denn auch Bat, der die Ehre hat, alles in jedem Detail zu erklären. Leider muss er aber auch einen großen Irrtum zugeben. Nobody’s perfect.

Der Große Monolog der Großen Erklärers ist denn auch einer der Punkte, an dem die Kritik anzusetzen hat. So etwas gibt es doch heutzutage gar nicht mehr. Allwissenheit gehört der Vergangenheit an und ist nur noch in traditionellen, um nicht zu sagen: nostalgischen Romanen zu finden. Aus dramaturgischer Sicht bietet es aber dem Autor eine gute Gelegenheit, alle Rätsel auf einen Schlag zu erklären und endlich zu einem Schluss zu kommen.

Aber wer mitgedacht und auf Details geachtet hat (etwas schwierig bei so viel Text), der konnte schon frühzeitig auf die Lösung kommen. Dem entlockt Bats Monolog nur noch ein Gähnen. Mir nicht, denn ich war nicht die ganze Zeit kontinuierlich nur mit diesem Buch beschäftigt, sondern hatte auch eine Menge anderer Sachen zu tun. Daher kam mir der Monolog gerade recht.

|Schwächen|

Aber ich ertappte mich dabei, einige Seiten, auf denen der Autor viel beschreibt, einfach zu überspringen. Der Story tat das keinen Abbruch: Sie blieb so spannend wie immer. Wie es sich für einen ordentlichen Krimi gehört, sind auch etliche Rätsel und eine falsche Fährte eingebaut. Dem Leser macht es der Autor denn doch nicht zu einfach. Der Epilog lässt auf die Fortsetzung hoffen: Denn wo sind die restlichen sechs Eiskinder abgeblieben?

Den Jupitermond Europa hat sich Sheffield, wie er offen und dankbar zugibt, bei Arthur C. Clarke „ausgeliehen“. Dieser hatte ja schon in seinem Roman „2010“ aus Europa eine tropische Welt gemacht – siehe die letzten Bilder aus der entsprechenden Verfilmung. Inzwischen wissen wir aus Sondenmeldungen, dass Europa tatsächlich eine gefrorene Wasserwelt ist, und Sheffields 1992 entworfenes Szenario erscheint nicht mehr so abwegig.

Was ich aber mehrmals belächeln musste, ist die Dauer, die Sheffield für komplexe Computerberechnungen veranschlagt: Stunden, ja, sogar Tage! Naja, 1992 steckte Intel noch in den Kinderschuhen, und von Moores Gesetz* hatte Sheffield seltsamerweise noch nichts gehört, sonst hätte er diese Rechenzeiten drastisch herabgesetzt.

_Unterm Strich_

„Kalt wie Eis“ kombiniert auf unterhaltsame Weise kriminalistische Ermittlung mit planetarer Abenteuergeschichte und einem wirtschaftspolitischen Ringen um die Zukunft des Sonnensystems. Das Ergebnis ist ein relativ unblutig ablaufendes, aber dennoch spannendes Abenteuer, das Leute, die über einen wissenschaftlichen und astronomischen Background verfügen, interessieren könnte. Für Fans von „Mechwarrior“ und John Ringo ist hier hingegen kaum etwas zu holen: kein wildes Geballer, keine Aliens und schon gar keine Militärs. Ätsch!

|Originaltitel: Cold as Ice, 1992
Aus dem US-Englischen übersetzt von Ulf Ritgen|

* – Moore’s Law: Alle 18 Monate verdoppelt sich die Zahl der Transistoren bzw. ihres Äquivalents auf einem Prozessor. Das heißt, die Zeit, die für eine Anzahl von Rechenoperationen benötigt wird, verringert sich in proportionalem Verhältnis. Das gilt für siliziumbasierte CPUs, aber wie es bei Licht- und Molekül-Prozessoren aussieht, ist eine spannende Frage. Es ist immer wieder erstaunlich, dass die Gültigkeit des 1965 aufgestellten Gesetzes (happy birthday, Mr. Moore!) bis heute anhält und dies noch für einige Jahrzehnte tun dürfte.

Lloyd Alexander – Taran – Der Fürst des Todes

Dies ist der fünfte Roman eines fünfbändigen Fantasy-Zyklus, der es vielleicht nicht mit Tolkiens „Herr der Ringe“ aufnehmen kann, der aber ebenso stark auf Mythen und Fantasythemen zurückgreift. Und die Hauptfigur Taran, die im Laufe des Zyklus eindrucksvoll heranreift, lieferte wie Tolkiens „Herr der Ringe“ die Vorlage zu einem Zeichentrickfilm.

Der Autor

Lloyd Alexander, geboren 1924, ist der Autor der „Chroniken von Prydain“ (= Britannien). Ähnlich wie bei Tolkien, der mit „The Hobbit“ (1937) zunächst eine Fantasy für Kinder schrieb, beginnt auch Alexander mit einer leichtfüßigen Kinder-Fantasy, um dann jedoch schnell auf tiefere, dunklere Themen zu sprechen zu kommen. Der erste und Teile des zweiten Bandes fanden Eingang in einen gleichnamigen Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1985: „Taran und der Zauberkessel“.

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Stephen King – Nachtschicht. Ein Stundenbuch des Grauens

Rasenfressende Monster

Die zwanzig Erzählungen in Nachtschicht sind Stephen Kings persönliche Auswahl vom Besten, was er je geschrieben hat: der Stoff, aus dem die Alpträume sind. Unter der Oberfläche unseres Alltags lauert der allnächtliche Wahnsinn. Nachtschicht ist ein Stundenbuch des Grauens. Stephen King blättert es auf. Seite um Seite fällt den Leser das Entsetzen an. Nachtschicht: kein Buch, um früh schlafen zu gehen! (Verlagsinfo)

Dies ist Stephen Kings erste Sammlung von Stories überhaupt – und wohl auch die wichtigste, denn sie umfasst beinahe alle Werke des Meisters, die er in seiner Anfangszeit schrieb. Das Qualitätsniveau ist leider recht unterschiedlich. 16 Geschichten waren bereits vorher in verschiedenen amerikanischen Magazinen erschienen, u.a. in Männermagazinen wie „Penthouse“ und in „The Cavalier„, die besser zahlten als Genremagazine.

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David Gemmell – Die Nacht des Falken (Rigante 2)

Dieser Fantasyroman erinnert in seinem Kern an nichts so sehr wie an Ridley Scotts Film „Gladiator“ und an Kubricks „Spartacus“. Doch sowohl die Ausgangslage als auch die Ergebnisse der dramatischen Ereignisse der Gladiatorenkämpfe unterscheiden sich in entscheidenden Punkten von jenen verfilmten Geschichten. Und das bringt dem Buch einige Pluspunkte ein. „Midnight Falcon“ ist der zweite Roman um das keltische Volk der Rigante, das sich der Bedrohung von jenseits des Meeres gegenübersieht: den Armeen des Imperiums von Stone, das stark an das antike Rom erinnert.

Die Rigante-Saga:

Band 1: „Sword in the Storm“ (1998; dt. als „Die steinerne Armee„)
Band 2: „Midnight Falcon“ (1999, dt. als „Die Nacht des Falken”)
Band 3: „Ravenheart“ (2000, dt. als „Rabenherz”)
Band 4: „Stormrider“ (2001, dt. als „Sturmreiter„)

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David Gemmell – Die steinerne Armee (Rigante 1)

Den abenteuerreichen Aufstieg eines jungen Kriegerführers schildert dieser erste Band eines neuen Heroic-Fantasy-Zyklus des einschlägig bekannten britischen Autors David Gemmell. Der Rigante-Zyklus wendet sich wie schon der Drenai-Zyklus an ein junges männliches Publikum, und dieses weiß er hervorragend zu unterhalten.

Inzwischen sind vier Rigante-Romane veröffentlicht. Man darf davon ausgehen, dass weitere folgen. Die deutsche Ausgabe ist sehr schön aufgemacht – mit einem verzierten Hardcover-Einband. Das Sammeln lohnt sich also.

Die Rigante-Saga:

Band 1: „Sword in the Storm“ (1998; dt. als „Die steinerne Armee„)
Band 2: „Midnight Falcon“ (1999, dt. als „Die Nacht des Falken”)
Band 3: „Ravenheart“ (2000, dt. als „Rabenherz”)
Band 4: „Stormrider“ (2001, dt. als „Sturmreiter„)

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Dahl, Kjell Ola – Lügenmeer

_Mord in Oslo, Verhängnis in Uganda_

Ausgerechnet eine Journalistin findet die Leiche von Kristine Ramm an einem Montagmorgen in einer Tiefgarage. Normalerweise fallen Drogentote nicht in das Ressort von Kommissar Gunnarstranda, aber jemand will ihm eins auswischen. Gunnarstranda, nicht blöd, schlägt zurück und veranlasst eine superteure Obduktion. Überraschung: Sie starb nicht an einer Überdosis Heroin, sondern wurde vorher mit Äther betäubt und im Auto deponiert.

Verzweifelt sucht Gunnarstranda nach einem Mann auf dem Überwachungsvideo, der zur Tatzeit dort war: Stuart Takeyo. Doch der ist unter falschem Namen längst wieder in seiner Heimat Uganda. Einer von der Kripo muss dorthin, um diesen wichtigen Zeugen – und womöglich Mörder – ausfindig zu machen. Alle schauen Frank Frølich an …

_Der Autor_

Kjell Ola Dahl, 1958 in Norwegen geboren, hat mit seinen beiden Romanen „Sommernachtstod“ (dt. 2002) und „Schaufenstermord“ (dt. 2003, beide bei |Lübbe|) die deutschen Krimifans begeistert. Der ehemalige Gymnasiallehrer für Ökonomie und jetzige Halbtags-Landwirt in der Gegend von Gunnarstranda lässt in „Lügenmeer“ (2004) zum dritten Mal das einmalige Ermittlerduo Gunnarstranda und Frølich auf Verbrecherjagd gehen.

_Handlung_

Als Lise Vagenes, die Journalistin einer Osloer Tageszeitung, morgens durch die dunkle Tiefgarage geht, bekommt sie Raumangst. Außerdem ist sie eh schon spät dran. Und dann bemerkt sie in dem neben ihr geparkten Auto eine Frau, die sich nicht rührt und den Kopf in einem unnatürlichen Winkel hält. Lise weiß sofort, dass sie eine brandheiße Story hat, und ruft als Erstes einen Fotografen herbei. Dann erst informiert sie die Bullen.

|Die Kripo|

Kriminalhauptkommissar Gunnarstranda bekommt den Fall mit der offensichtlich an einer Überdosis Heroin Gestorbenen reingewürgt. Er revanchiert sich fies mit einer superteuren Obduktion. Während er auf deren Ergebnis wartet, finden er und sein Kollege, Kommissar Frank Frølich, heraus, dass die Tote die Kellnerin und Studentin Kristine Ramm ist, die mit Marianne Sandvik die Wohnung teilte. Auf dem Überwachungsvideo ist der Bekannte Kristines zu sehen: Stuart Takeyo, ein Wissenschaftler aus Uganda, der an der Uni von Oslo forschte. Der Mann ist unauffindbar, sein Pass noch da. Er flog aus dem Land mit dem Pass eines Freundes, zurück nach Uganda.

Den Mann zu finden, wird umso dringender, als die Obduktion ergibt, dass Kristine Ramm bereits vor ihrem Goldenen Schuss betäubt worden war, mit Chloroform. Will heißen: Die Überdosis wurde ihr verabreicht, es war Mord. Ist Takeyo der Mörder? Der Mann muss hergebracht oder wenigstens vor Ort vernommen werden, und die Wahl für diesen Auftrag fällt einhellig auf Frank Frølich. Der ist davon nicht sonderlich erbaut, findet sich aber mit seinem Schicksal ab.

Während er im gleichen Flieger wie Lise Vagenes nach Nairobi düst, schnüffelt Gunnarstranda den Spuren Takeyos und Kristine Ramms nach. Er findet heraus, dass beide am Tag vor ihrem jeweiligen Ableben bzw. Verschwinden an Bord der Luxusjacht des zwielichtigen Unternehmers Pedersen waren, Kristine als Kellnerin und Takeyo – ja, als was? Er schien einen Vortrag zu halten. Und so unwahrscheinlich es klingt: über ein AIDS-Heilmittel. Das es so ein Heilmittel nicht gibt, gräbt Gunnarstranda noch tiefer in der Vergangenheit Pedersens und stößt auf mafiöse Strukturen im eigenen Land.

|Uganda|

Frank Frølich wird von der Polizei hunderte von Kilometern ins Landesinnere gefahren, von Nairobi an den Viktoriasee. Er befürchtet, dass Lise Vagenes, die von einer Kooperation mit ihm nichts wissen will, bereits vor ihm eingetroffen sein wird, da sie geflogen ist. Aber das macht nichts, wie sich herausstellt, denn sie ist keinen Deut weitergekommen in ihrer Recherche.

Allerdings merken Lise und Frank Frølich ein wenig zu spät, dass ihr Erscheinen einige lokale Mächtige nervös macht und sie dadurch das Leben Stuart Takeyos in Gefahr bringen – und nicht zuletzt sich selbst …

_Mein Eindruck_

Der Krimi zeigt auf spannende Weise, wie gewissenlose norwegische Unternehmer die Ressourcen von Uganda ausbeuten, andererseits aber auch ahnungslose Investoren abzocken.

Wie jedem Fernsehzuschauer mittlerweile durch die Dokumentation „Darwins Albtraum“ bekannt sein dürfte, haben Entwicklungshilfen am Viktoriasee dazu geführt, dass der in den 1950er Jahren von Briten ausgesetzte Nilbarsch inzwischen als Exportgut gefördert wurde. Von diesem Exportgut haben die Einheimischen überhaupt nichts, außer einem Hungerlohn für die Fischer. Doch weil der Nilbarsch inzwischen alle anderen Fischarten gefressen hat, bleibt den Einheimischen nicht einmal mehr genug zum Fischen, dass sie überleben können. Vielmehr leiden die Kinder unter Mangelernährung, weil das einzige proteinhaltige Nahrungsmittel, das ihnen ihre Mütter heute noch servieren können, die Gräten des Nilbarsches sind: der Abfall der Fischfabriken. Das Knowhow für diese Fabriken kommt, so der Autor, von den Norwegern, die ja Experten für Fischzucht sind.

Das zweite Übel für Uganda – wie für den Rest Schwarzafrikas – ist AIDS. Dem Autor zufolge wurden den Afrikanern AIDS-Medikamente geliefert, die wirkungslos waren. Vielmehr zeigten sie sogar schwere Nebenwirkungen. Die Lieferanten wussten jedoch, dass das Medikament in Europa deswegen längst verboten war. Sie arbeiteten im Auftrag skrupelloser Unternehmer, die lediglich Investoren mit einem AIDS-Heilmittel abzocken wollten. Dass sowohl Geldgeber als auch Ugander „bluten“ mussten, kümmerte sie wenig. Im Roman ist der Drahtzieher dieser Verbrecher ein ehemaliger Entwicklungshilfe-Ingenieur aus Oslo, der mit dem Schwindler Pedersen unter einer Decke steckt. Dass dieser Mann seine Leute auch vor Ort am Viktoriasee hat, liegt nahe.

Nacheinander kommen sowohl Lise Vagenes und Frank Frølich dieser Organisation in die Quere. Die Folgen sind fatal für sie wie auch für Stuart Takeyo, der nun nicht mehr in sicherer Entfernung lebt, sondern mitten in die Schusslinie gerät. Frank Frølich entgeht einem Anschlag und Lise einer Entführung. Dass diese Gefahren die beiden näher zusammenbringen, dürfte wohl nicht verwundern, und sie landen im Bett. „Welcome to Africa.“

Die Schilderung der afrikanischen Verhältnisse ist kenntnisreich und fußt zumindest teilweise auf nachprüfbaren Fakten, wie man an der erwähnten Dokumentation „Darwins Albtraum“ leicht erkennen kann. Anscheinend gibt es zudem Quellen für die Nachprüfung von norwegischen Entwicklungshilfeprojekten. Diese muss ja irgendjemand genehmigen, und dieser Jemand lässt sich in Listen wiederfinden. Als Lise Vagenes den Namen dieses Jemands herausfindet, fällt sie aus allen Wolken: Sie war nur eine Art Laufbursche. Nun ist ihr Leben in unmittelbarer Gefahr …

Sowohl Frank Frølich als auch Gunnarstranda sind Kommissare mit Ecken und Kanten, besonders Letzterer. In diesem ihrem dritten Fall wird ihr besonderes Verhältnis zueinander nicht mehr begründet und der Leser bleibt im Dunkeln, woher die Dynamik dieses Duos rührt. Frank Frølich scheint mehr der Handlanger des „Kopfes“ Gunnarstranda zu sein. Er, der Schwerenöter auf Frauensuche, bildet einen sympathischen Kontrast zu dem Witwer Gunnarstranda, der die Gesellschaft seines stummen Goldfischs Kalfatrus vorzieht, aber auch mal einen Abend mit seiner Freundin Tove verbringt. Dass er vom Kettenrauchen ein Lungenemphysem hat, dürfte schon bald das Aus für seinen Konsum von Sargnägeln bedeuten.

Ich konnte den Roman sehr schnell lesen. Die Sätze sind kurz und prägnant, die geschilderten Szenen kann man sich bildlich vorstellen. Besonders die Figurenzeichnungen haben mir gefallen. Der Autor liebt es, boshafte Adjektive und Epitheta einzusetzen, um eine Distanz zu der Figur aufzubauen. Das gilt aber auch für die Helden Frølich und Gunnarstranda. Durch ihre Fehler und Macken erscheinen sie als sehr menschlich und sympathisch. Sie sind nicht schlauer als der Leser, sondern wissen meist sogar noch noch weniger.

|Die Übersetzung|

… ist ausgezeichnet gelungen. Die zahlreichen englischsprachigen Ausdrücke wurden einfach so belassen, weil dies ja die Eigenart der jeweiligen Figur hervorhebt. Man sollte also wissen, was unter „hard feelings“ (Ärger, Groll) zu verstehen ist.

Die Hardcover-Ausgabe von 2004 bei |Ehrenwirth| informiert den Leser mit zwei Landkarten. Auf der Einbandinnenseite ist a) die Innenstadt von Oslo verzeichnet, auf dem hinteren Gegenstück b) die Region um den Viktoriasee mit den drei Statten Uganda, Tansania und Kenia – ein riesiges Gebiet. Dabei fiel mir die unterschiedliche Schreibweise eines Dorfes am See auf: hier heißt es Whichloom, im Text aber Witchloom. Woher kommt das? (Die Bezeichnung „witch-loom“ würde zumindest den Sinn „Hexen-Webstuhl“ ergeben.)

_Unterm Strich_

Auch das dritte Abenteuer der Osloer Kommissare Gunnarstranda und Frølich ist rätselhaft, spannend bis zum Schluss und kritisch-engagiert, wenn es die Zustände in Uganda und Oslo anprangert. Die Geschichte liest sich flüssig, geizt nicht mit Kabbeleien zwischen den Hauptfiguren, bissigen Dialogen und erotischen Begegnungen. Besonders gelungen fand ich die boshaften Charakterzeichnungen des Autors. Sie machen das Buch für jeden Zyniker zu einem wahren Festschmaus. Man sollte aber auch nicht die menschlich-allzumenschliche Seite außer Acht lassen, die ich relativ realistisch geschildert fand.

|Originaltitel: Lille tambur, 2003
Aus dem Norwegischen von Kerstin Hartmann|
http://www.bastei-luebbe.de

James Herbert – Moon. Schauerroman

Unheimliches Mondlicht

Frieden, endlich Frieden… Jonathan hat die Insel seiner Zuflucht gefunden. Hier werden ihn die Schrecken der Vergangenheit nicht einholen.
Frieden, endlich Frieden – bis die Visionen kommen.
Schreckensvisionen, die Jonathans Gehirn grausame Bilder vorgaukeln. Und er weiß, dass diese Dinge wirklich geschehen; denn sein Bewusstsein verbindet sich mit dem Geist von jemand – von Etwas -, das sich im Licht des Mondes auf krankhafte Weise an Mord und Verstümmelung erfreut. Sehr bald spürt er die Anwesenheit des unsichtbaren Zeugen und macht sich auf die Suche nach ihm… (Verlagsinfo)

Der Autor
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Stephen R. Lawhead – Das Knochenhaus (Die schimmernden Reiche 2)

Die schimmernden Reiche:

Die Zeitwanderer. Lübbe, Bergisch Gladbach 2011, ISBN 3-404-20648-7.
Das Knochenhaus. Lübbe, Bergisch Gladbach 2012, ISBN 3-404-20670-3.
Die Seelenquelle. Lübbe, 2013, ISBN 3-404-20690-8.
Das Schattenlicht. Lübbe, 2014, ISBN 3-404-20726-2.
Der Schicksalsbaum. Lübbe, 2015, ISBN 978-3-8387-5950-0.

Der heilige Gral aller Schatzkarten

Es gibt sie wirklich: die Ley-Linien. Pfade, auf denen man durch die Zeit reisen kann und die nur die wenigsten kennen. Kit Livingston kennt sie, denn er hat sie bereits benutzt. Mit seiner Freundin Mina ist er auf der Suche nach der Karte der möglichen Universen. Diese wurde zerteilt und in alle Welten zerstreut. Aber Kit ist nicht der Einzige, der sie haben will …

Stephen R. Lawhead – Das Knochenhaus (Die schimmernden Reiche 2) weiterlesen

James Herbert – ’48. Horror-Roman

Vampirjagd in der toten Stadt

London 1948: Trümmer, Ruinen, Leichen. Eine sogenannte Wunderwaffe der Nazis hat den Bluttod über die Weltstadt gebracht. Von dem schleichenden Tod bleiben nur wenige Menschen verschont, die der Blutgruppe AB-negativ angehören.

Fünf von ihnen suchen Zuflucht in den Ruinen eines verlassenen Grandhotels: Zwei junge Frauen, die über die Schranken unterschiedlicher gesellschaftlicher Herkunft hinweg eine tiefe Freundschaft verbindet; ein Deutscher mit undurchsichtiger Vergangenheit und ein weltfremder Engländer vom Zivilschutz. Und Hoke, der Kriegsfreiwillige aus Kanada, der seit drei Jahren auf der Flucht vor jenen Menschen lebt, die wissen, dass sie sterben müssen.

Ein nervenzerfetzendes Drama von ungeheurer Intensität entwickelt sich zwischen diesen fünf Menschen. (Verlagsinfo)

Der Autor
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James Herbert – Magic Cottage. Das Haus auf dem Land. Schauerroman

Magische Häuser und anderer Spuk

Midge und ich waren überglücklich: wir hatten unser Traumhaus gefunden. Es lag mitten im Wad, zauberhaft romantisch, und es strahlte eine Ruhe aus, die wir beide für unsere Arbeit als Künstler so dringend brauchten. Die erste Zeit in unserem kleinen Liebesnest erlebten wir wie im siebten Himmel. Es war, als läge über diesem Haus ein ganz eigenartiger Zauber, als hätte es magische Kräfte. Aber dieser erste Eindruck war gefährlich trügerisch.

Es geschahen Dinge, die einfach unglaublich waren und die mir bis heute unbegreiflich geblieben sind. Es geschahen Wunder, wirklich Wunder, Wunderheilungen.

Und dann diese Sekte, die unser Haus für sich allein haben wollte, die abscheulichen Kreaturen, die aus den unteren Regionen heraufgekrochen kamen, und die Fledermäuse, ja, die Fledermäuse, die werde ich wohl niemals in meinem Leben vergessen. Bis heute will ich das, was damals geschehen ist, nicht glauben. Aber es ist die Wahrheit. Die grausame Wahrheit. Also, seien Sie gewarnt. Dies ist – bei Gott – keine Gute-Nacht-Geschichte. (Verlagsinfo)

Der Autor
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James Herbert – Jenseits. Schauerroman

Horrorthriller mit psychologischem Tiefgang

Der Horrorautor packt ein heißes Eisen an: Experimente mit behinderten Menschen. Hinzu kommen ausgefallene Charaktere und unheimliche parapsychologische Phänomene. Verpackt in eine realistisch erzählte Krimihandlung, bietet die Handlung befriedigende Spannung bis zum langen Finale.

Ich dachte zunächst, dies wäre die Romanvorlage zu Nicole Kidmans erfolgreichem Horrorfilm „The Others“. Da hatte ich mich aber getäuscht. Dessen Drehbuch stammt von einem spanischen Autor. Und Herberts Roman ist auch schwierig zu verfilmen. Nicht wegen vieler Szenen, sondern wegen seiner Thematik: menschliche Missgeburten und ihr Missbrauch.
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Andreas Eschbach – Exponentialdrift


Auf einer Pflegestation erwacht ein Mann, der seit vielen Jahren im Wachkoma gelegen hat. Die Welt um ihn herum kommt ihm seltsam verändert vor. In seinen Erinnerungen mischen sich Bilder, die nicht zueinander passen. In ihm reden Stimmen durcheinander, die er nicht versteht. Am wenigsten identifizieren kann er sich mit dem Elementarsten von allem, mit sich selbst. Er kommt zu der Überzeugung, in Wirklichkeit ein Außerirdischer zu sein, den es in den Körper eines Menschen verschlagen hat. (Lovelybooks.de)

Der Autor
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Kim Stanley Robinson – Flucht aus Katmandu. Eine verrückte SF-Tour durch den Himalaja. Erzählungen

Himalaya-Storys: Jimmy Carter und der Yeti

Was tun zwei verrückte Amerikaner in Nepal? Für Kim Stanley Robinson bietet diese Frage Stoff für vier im wahrsten Sinne des Wortes wunderbare Geschichten. Seine Helden George Fergusson und Freds Fredericks schlagen sich eigentlich als Touristenführer durch, doch so ganz nebenbei erleben sie die unglaublichsten Abenteuer.

So befreien sie mit der ganz und gar unfreiwilligen Hilfe von Jimmy Carter einen leibhaftigen Yeti aus dem Badezimmer eines Luxushotels. Dann erklimmen sie ohne Sauerstoffgerät den Mount Everest, um einen tibetanischen Guru von einem mehr als wunderlichen Fluch zu befreien. Und schließlich steigen sie in ein Tunnelsystem unter der hauptstadt Katmandu hinab, geraten an bewaffnete Revolutionäre und verschaffen sich beim König von Nepal eine Privataudienz – mit dem Ergebnis, dass die ganze Armee sie jagt… (Verlagsinfo)
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William R. Forstchen – Der letzte Befehl (Das verlorene Regiment 1)

Eine unbekannte Macht versetzt das ruhmreiche 37th Maine-Regiment aus dem amerikanischen Bürgerkrieg des Jahres 1865 ins finstere Mittelalter irgendwo in Russland – und offenbar auch auf eine andere Welt. Die 600 Mann können sich gegen Fürsten, Bischöfe und Bauernarmeen wehren, aber haben sie eine Chance gegen eine nach Hunderttausenden zählende Horde von wilden Aliens? Wohl kaum. Oder?

Der Autor
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