Archiv der Kategorie: Hörspiele / Hörbücher

Leroux, Gaston / Gruppe, Marc – Phantom der Oper, Das (Gruselkabinett 4)

„Das Phantom der Oper“ ist das vierte Hörspiel aus der kultigen „Guselkabinett“-Reihe mit den miesen Coverbildern und den höchst unterhaltsamen Inhalten. Beim „Phantom der Oper“ denkt jeder zwangsläufig an Andrew Lloyd Webber, Kahnfahrten in unterirdischen Gewölben und schmachtende Opernduette. Dagegen anzukämpfen, ist nicht leicht, doch in gewohnt überzeugender Manier liefern |Titania Medien| unter der Leitung von Marc Gruppe ein schauerliches Hörspiel in Starbesetzung.

Die Handlung ist wohl in den groben Zügen bekannt: Die junge Christine Daaé (gesprochen von Marie Bierstedt) fristet ihr Dasein als Chormädchen an der Pariser Oper, bis das geheimnisvolle Phantom (Torsten Michaelis) sie unter seine Fittiche nimmt und unterrichtet. Selbiges Phantom ist von Geburt an entstellt und lebt, zynisch und Menschen verachtend, unter der Oper, um zur abendlichen Vorstellung heraufzuklettern und in Loge 5 die Musik zu genießen (denn zufällig ist er auch noch ein sehr guter Sänger UND Architekt). Die neue Leitung der Oper sieht dieses Arrangement gar nicht gern, schließlich ist Loge 5 eine der teuersten des Hauses und könnte auch anderweitig verkauft werden. So entbrennt ein Machtkampf zwischen dem Opernmanagement und dem Phantom, während dieser Christine fördert und die Operndiva La Carlotta (Ursula Heyer) zum Gespött des Publikums macht. Dann betritt auch noch Christines Jugendfreund Raoul (Patrick Winczewski) die Bühne und Christine findet sich plötzlich zwischen zwei Männern wieder, von denen einer nicht davor zurückschrecken wird, den Rivalen zu töten …

Das Hörspiel kann wie immer mit wunderbaren Soundeffekten garantieren, sodass der geneigte Zuhörer prompt in die richtige Stimmung gebracht wird. Im Hintergrund breiten sich orchestrale Klangteppiche aus und erschaffen überzeugend die Illusion, sich in einer Oper zu befinden. Doch das Hörspiel steht und fällt mit der Darstellung des Phantoms, und Torsten Michaelis (Stimme von Wesley Snipes und Sean Bean) macht seine Sache ausgesprochen gut. Sein Phantom pendelt zwischen dem Bedürfnis nach Zuneigung und Freundschaft und dem Wunsch, die Menschen, die ihm das Leben so schwer machen, möglichst genussvoll zu zerstören. Er kann liebenswert und hilfsbereit, aber auch rachsüchtig und gnadenlos sein. Ob man nun Mitleid mit dem Phantom hat oder ihm dem Tod wünscht, bleibt also dem Zuhörer überlassen – eine leichte moralische Entscheidung ist es auf keinen Fall.

Hinter Torsten Michaelis‘ brillanter Darstellung müssen die anderen Sprecher zwangsläufig zurückstehen. Gerade des Phantoms Gegenspieler Raoul, gesprochen von Patrick Winczewski (wohl eher bekannt als Synchronstimme von Tom Cruise und Hugh Grant), bleibt im direkten Vergleich blass, naiv und uninteressant. Einzig die zickige Diva La Carlotta kann mit dem Phantom mithalten, da Ursula Heyer sich schwer ins Zeug legt und wohl über vier Oktaven schreit, zickt, meckert und generell ziemlich unerträglich ist.

Gaston Leroux’s „Das Phantom der Oper“, das 1910 erstmals erschien, hat bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt. Angelehnt an die Geschichte von der Schönen und dem Biest, spricht die romantische Handlung immer noch Menschen aller Couleur an. Wohl auch darum wird der Stoff immer wieder neu verarbeitet. Schon 1925 gab es die erste Verfilmung des Romans und erst 2004 kam die vorerst letzte in die Kinos. Am bekanntesten ist sicherlich die Musical-Adaption von Andrew Lloyd Webber. Und Marc Gruppes Hörspielversion reiht sich nahtlos in die lange Geschichte des Stoffes ein.

Der versprochene Grusel ist hier allerdings eher ein angenehmer Schauer, der sich ausbreitet, wenn man mit Christine die unterirdischen Gewölbe der Oper erkundet und die Gegenspieler des Phantoms in meisterlichen Spiegelkabinetten gefangen sind. Im Vordergrund steht die dem Untergang geweihte unglückliche Liebesgeschichte zwischen Christine und dem Phantom. Es lässt sich also ausgesprochen gut schmachten bei diesem Hörspiel aus dem |Titania|-Programm und romantische Gemüter werden am Ende sicherlich die eine oder andere Träne wegwischen müssen.

[Titania Medien]http://www.titania-medien.de hat sich innerhalb kürzester Zeit mit seiner Gruselkabinett-Reihe bei Hörern und Kritikern nach vorn gebracht. Bereits im Frühjahr dieses Jahres konnte |Titania| den Kritikerpreis der Hörspiel-Awards abstauben und auch dieses Jahr ist das Label gleich bei zwei Awards nominiert. Zu einem echten Kauf-mich-Preis bringt Marc Gruppe klassische Texte der Horrorliteratur auf den Silberling, jedes Mal mit bekannten Sprechern und tollen Klangeffekten. Da macht das Reinhören immer wieder aufs Neue Spaß.

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Doyle, Arthur Conan / Gustavus, Frank – vergessene Welt, Die

„Die vergessene Welt“ („The Lost World“) aus der Feder von Sherlock-Holmes-Erfinder Sir Arthur Conan Doyle wurde im Jahr 1912 zunächst als Fortsetzungsroman im britischen |Strand Magazine| veröffentlicht, eroberte kurz darauf als Buch die Bestsellerlisten und gilt heute zusammen mit Werken wie Jules Vernes „20.000 Meilen unter den Meeren“ und H. G. Wells‘ „Die Zeitmaschine“ als Meilenstein der phantastischen Literatur und des SciFi-Genres. Die |Great Britain Oxford Press| nennt „The Lost World“ eine der größten Abenteuergeschichten, die je geschrieben wurden. Conan Doyles Urzeitriesenspektakel war außerdem Inspirationsquelle für Werke wie „King Kong“ und „Jurassic Park“.

_Die Sprecher in der Reihenfolge ihres Auftretens:_
Maple White: Robert Missler
Blondell: Thomas Nicolai
McArdle: Jochen Schröder
Edward D. Malone: Timmo Niesner
Der alte Malone (Erzähler): Peter Weis
Professor Summerlee: Jürgen Thormann
Dr. Illingworth: Lothar Blumhagen
Professor Challenger: Klaus Sonnenschein
Lord Roxton: Ronald Nitschke
Sir Douglas: Friedrich Schoenfelder
Affenmenschen und Indianer: Die Maulhelden

Musik und Sounddesign: Jan-Peter Pflug
Geräusche: Martin Langenbach
Technik Berlin: Ahmed Chouraqui und Max von Werder
Technik Hamburg: Fabian Küttner
Regieassistenz: Antje Seibel/Kai Lüftner
Hörspielbearbeitung, Produktion und Regie: Frank Gustavus

Aufgenommen im On Air Studio Berlin, April 2005
Hörsaalaufnahmen: Museum für Völkerkunde Hamburg, Mai 2005
Gemischt im Eimsbütteler Tonstudio Hamburg, Juli/August 2005

http://www.ripperrecords.de

_Story:_

London im Jahre 1912: Der durchgeknallte Professor Challenger ist unter seinen Kollegen alles andere als beliebt und gilt gemeinhin als Aufschneider, der keinen Widerspruch duldet und auch gerne mal handgreiflich wird, wenn man versucht, ihm ins Werk zu pfuschen. Dementsprechend froh ist der Redner einer Podiumsdiskussion auch, als der verschrobene Wissenschaftler nicht wie angekündigt an dieser teilnimmt. Als dann aber bei eben jener Sitzung über das Leben von Tieren aus der Urzeit gesprochen wird, taucht Challenger plötzlich auf und behauptet, auf einem Hochplateau im südamerikanischen Dschungel lebendige Dinosaurier entdeckt zu haben.

Natürlich wollen ihm seine Kollegen nicht glauben, doch als der Redner die Menge anstachelt und schließlich veranlasst, dass Challengers größter Kritiker Professor Summerlee, sein Anhänger Lord Roxton und der abenteuerlustige Zeitungsreporter Edward D. Malone sich vor Ort selber ein Bild machen sollen, um die Welt vom Wahrheitsgehalt von Challengers Aussagen zu unterrichten, brechen die Abenteurer zu einer Expedition in den südamerikanischen Urwald auf, die sie wohl ihr Leben lang nicht vergessen werden …

Bevor sie jedoch im Dschungel ankommen, fühlen sie sich schon gelinkt, weil der angebliche Lageplan eine Fälschung ist. Dann taucht jedoch der Überraschungsgast Challenger auf und betont, dass er dringend bei dieser Reise selber dabei sein muss.

Gemeinsam zieht das vierköpfige Team, unterstützt von einigen Expeditionshelfern, mitten in den Urwald, und noch bevor Summerlee Challenger zum hundersten Mal beschuldigt, dass dieser sich lediglich Lügengeschichten ausgedacht habe, muss auch der ‚vernünftige‘ Professor feststellen, dass der Dschungel voll von Sauriern, totgeglaubten Vögeln und verschiedenen Eidechsen ist. Und bevor sich Summerlee und seine Gefährten richtig eingelebt haben, werden sie auch schon von diesen Geschöpfen verfolgt, müssen sich vor Flugsauriern verstecken und aus der Gefangenschaft eines Stammes von Affenmenschen entfliehen. Das Abenteuer in der vergessenen Welt hat begonnen …

„Die vergessene Welt“ ist ein vielzitierter Klassiker, der ganz klar als Inspiration für diverse Monster-Filme aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, aber auch für solche Spektakel wie „Jurassic Park“ hergehalten hat.

Die Hörspiel-Version dieses legendären Werkes bringt es insgesamt auf eine Spielzeit von 122 Minuten, und obwohl die Art und Weise, wie die Geschichte aufgebaut ist, und auch der inhaltliche Aspekt wirklich vom Allerfeinsten sind, wünscht man sich zwischendurch noch etwas mehr Detailarbeit, denn für meinen Geschmack kommt die Action im Dschungel ein wenig zu kurz. Natürlich ist es nicht leicht, die dort vorherrschende Atmosphäre auf diesem Medium originalgetreu wiederzugeben, gerade wenn man bedenkt, dass der Schwerpunkt auf den Dialogen liegen muss. Aber hier hätte man meiner Meinung nach ein wenig die Prioritäten verschieben müssen. Ich finde nämlich, dass die ständigen Feindseligkeiten zwischen Challenger und seinem gesamten Kollegium zugunsten tiefer ausgeschmückter Action-Sequenzen etwas in den Hintergrund gehören, aber da kann man sicher auch geteilter Meinung sein.

Ansonsten ist „Die vergessene Welt“ allerdings wirklich ein echtes Meisterwerk, auch als Hörspiel. Die Geschichte um den Professor, dem keiner glaubt, das von ihm entdeckte Urzeit-Gebiet und die spannende Expedition von vier vollkommen unterschiedlichen Charakteren, gibt nun mal eine ganze Menge her, und |Ripper Records| haben diese Vorgaben auch fabelhaft umgesetzt.

Das Abenteuer wird aus der Perspektive des alten Malone erzählt, der rückblickend wie in Tagebuch-Form von seinem Erlebnis im südamerikanischen Urwald mit den beiden Professoren und dem schießwütigen Lord Roxton berichtet. Dabei wechselt das Szenario im Jahre 1912 immer wieder zwischen dem Professoren-Kollegium in London, das den Schilderungen des Zeitungsreporters Malone in seinem Stammblatt |Gazette| keinen Glauben schenken will, und den vier Menschen, die im Urwald um ihr nacktes Überleben kämpfen. Vielleicht hätte man auch hier nicht immer wieder betonen müssen, dass die Menschen abseits des Dschungels die Ergebnisse der Expedition für bloßes Gewäsch halten, denn das kommt seitens der Erzählerstimme wirklich sehr häufig durch. Ansonsten ist das ständige Pendeln aber genau das richtige Mittel, um die beiden Welten sinnvoll miteinander zu verknüpfen und die Spannung in Bezug auf das eigentliche Abenteuer immer am Höhepunkt zu halten.

Zu meiner Schande muss ich allerdings gestehen, dass ich den Roman von Sir Arthur Conan Doyle noch nicht gelesen habe, gelobe aber für die nächsten Wochen Besserung. Das Hörspiel hat auf jeden Fall Lust auf mehr gemacht, und wenn die Romanvorlage nur ansatzweise so gut gestaltet ist wie dieses zweistündige Hörspiel, dann blicke ich der Lektüre mit großer Vorfreude entgegen. Aber immerhin hat ja hier der Autor von Sherlock Holmes zur Feder gegriffen …

_Fazit:_

„Die vergessene Welt“ ist ein tolles Abenteuer-Hörspiel, das zwar in wenigen Passagen ein bisschen überdramatisiert dargestellt wird, ansonsten aber von der fabelhaften und ausnahmslos überzeugenden Performance der Sprecher über die Produktion bis hin zum wundervollen Inhalt gelungen ist.

Wynes, Patrick / Gülzow, Susa – Kommissar X: Der Panther aus der Bronx

In Form von „Kommissar X“ haben sich |Maritim| an einen weiteren Krimi-Klassiker aus den Fünfzigern herangewagt und ihn als Hörspiel neu aufgelegt. Nach der Originalromanvorlage von Patrick Wynes ist so eine 63-minütige, arg kurzweilige Geschichte entstanden, die spannend erzählt wird, aber im Gegensatz beispielsweise zu den Hörspielen aus der Edgar-Wallace-Reihe nicht ganz das Flair dieser besonderen Zeit versprüht. Damit komplettiert der berüchtigte Kommissar nun sein Auftreten auf dem Büchermarkt, nachdem es bereits 1740 Titel gibt, die entweder als Heft, Buch oder eBook erschienen sind.

|Sprecher:|
Jo Walker: Robert Missler
Tom Rowland: Michael Weckler
April Bondy: Marianne Lund
u. a.

Romanvorlage: Patrick Wynes
Drehbuch und Regie: Susa Gülzow
Musik: Alexander Ester
Tonmeister: Carsten Berlin, Hans-Joachim Herwald, Peter Harenberg
Produktion: Nocturna Audio

Laufzeit: ca. 63 Minuten

_Story:_

In New York geht die Angst vor einem mysteriösen Serienmörder um. Ein schwarz gekleideter und maskierter Killer hat es auf all die Menschen abgesehen, die wegen Notzuchtverbrechen angeklagt waren, trotzdem aber freigesprochen wurden, nachdem ein gewisser Anwalt namens Lovelyn die jeweiligen Mandanten vertreten hatte. Dachten die fiesen Verbrecher zunächst noch, dass ihnen der Freispruch aus der Patsche helfen würde, mussten sie eines Tages erfahren, dass er gleichzeitig ihr Todesurteil bedeutete. Der maskierte Mörder, der von der Presse auch „Der Panther aus der Bronx“ genannt wird, rächt sich nämlich aus einem bislang noch unbekannten Motiv an den Frauenschändern und Vergewaltigern und schlägt jedes Mal völlig unerwartet zu. Auch die Art und Weise, wie er seine Opfer zur Strecke bringt, ändert sich individuell und reicht von einem Mord mit einem asiatiischen Langschwert bis hin zur Sprengung einzelner Gebäude.

Wie ein Phantom bewegt sich der Panther und hinterlässt nach seinen sauber geplanten Taten keine Spur außer dem typischen Erkennungszeichen, einem bltuigen Mal auf den Gesichtern der Toten, für das er anscheinend messerscharfe Krallen eingesetzt hat.

Kommissar Jo Walker, in Fachkreisen auch als Kommissr X bekannt, erhält eines Tages den Anruf einer verzweifelten Frau, die ihm eröffnet, dass ihr Sohn unter Verdacht steht, eine Frau vergewaltigt zu haben und somit auch vom Panther aus der Bronx gefährdet ist. Walker möchte zwar die Tat des jungen Mannes nicht decken, lässt sich aber trotzdem auf die Dame ein und übernimmt den Auftrag, ihn zu beschützen. Dies hätte er allerdings besser nicht getan, denn die unscheinbare Frau ist die Gattin eines berüchtigten Mafiabosses, der überdies nicht sonderlich darüber erfreut ist, dass Kommissar X plötzlich in seinem Umfeld als Privatdetektiv herumschnüffelt …

_Bewertung:_

Obwohl die Geschichte sehr spannend und mitreißend erzählt wird – Robert Missler, der den Kommissar X aus der Ich-Perspektive spricht, macht hier einen verdammt guten Job -, läuft sie nach der Hälfte der Zeit doch auf ein absehbares Ende zu, denn auch wenn das Motiv des Killers nicht klar ist, so kommen doch nur wenige Personen in Frage, die sich hinter der Tarnung des Panthers befinden könnten, und im Endeffekt scheiden bis auf eine dann alle aus. Trotzdem hat die Geschichte auf ihre Weise einen besonderen Reiz, der in erster Linie von der astreinen Darbietung der drei vertretenen Sprecher(innen) ausgeht. Auch wenn die Wortwahl teilweise ein wenig einsilbig ist und sich manche Sätze in ihrer Essenz alle paar Minuten wiederholen, gelingt es dem Ensemble, diese potenzialreiche Geschichte mit einem packenden Unterton zu versehen, der die gute Stunde Spielzeit im Flug vergehen lässt. Die Handlung ist von Anfang an sehr schlüssig, die unerwarteten Morde sorgen für die notwendigen Wendungen und die Vorlage an sich gibt auch einiges her. Lediglich die Atmosphäre ist nicht ganz so spannungsvoll geraten und kann auch durch die Hintergrundmusik nicht diesen Status erreichen. Manchma wird sogar das genau Gegenteil erreicht, nämlich dann, wenn als Zwischensequenz einige Klangmalereien kommen, die auch schon für die „Alf“-Hörspiele herhalten mussten. Irgendwie will das nicht so recht passen …

An so etwas möchte ich mich aber jetzt nicht hochziehen, denn mir hat die Erzählung wirklich Freude gemacht und ich habe mich von diesem Hörspiel bestens unterhalten gefühlt. „Kommissar X – Der Panther aus der Bronx“ ist deswegen noch lange nicht das Nonplusultra auf diesem Gebiet, aber ganz sicher eine Bereicherung des Krimi-Sektors, die man sich als Fan auch blind anschaffen kann – trotz vereinzelter Schwächen.

Hodgson, William Hope / Newman, Kim / Busson, Paul / Lovecraft, H. P. / Somtow, S. P. / Lueg, Lars P – Necrophobia 2

Bereits zum zweiten Mal spielt Andy Materns Jingle zu „Necrophobia“ auf und lädt den geneigten Hörer ein, sich die „besten Horrorgeschichten der Welt“ zu Gehör zu führen. 2003 enthielt die erste Ausgabe von [„Necrophobia“ 1103 Geschichten von Lovecraft und Laymon und auch 2005 hat Mastermind Lars Peter Lueg wieder eine illustre Mischung auf zwei CDs gebannt. Fünf Geschichten darf der Hörer genießen, deren Bandbreite so groß ist, dass für jeden etwas dabei sein dürfte: eine gruselige Seemannsgeschichte, ein fanatischer Sammler, ein lebendig Begrabener, ein wandelndes Monster und ein religiöser Serienmörder haben in „Necrophobia“ ihren großen Auftritt.

Den Anfang macht William Hope Hodgons „Die Stimme der Nacht“ („The Voice in the Night“, 1914) mit einem durchaus interessanten Setting. Zwei Seeleute machen in einer finstren und nebligen Nacht eine außergewöhnliche Begegnung. Durch den Nebel hören die beiden ein „Schiff Ahoi“ auf sie zutreiben und machen kurz darauf in der Dunkelheit der Nacht ein Boot aus. Der Insasse weigert sich standhaft, nähert ans Licht zu kommen, bittet aber um etwas Proviant für die Dame, die er auf der Insel zurückließ. Die beiden Seemänner haben Mitleid, lassen ihm frische Früchte zukommen und im Gegenzug erzählt der mysteriöse Fremde seine Geschichte. So konnte er sich nämlich mit seiner Frau gerade so von einem sinkenden Schiff retten. Doch die Insel, auf die sie sich retten konnten, scheint von einem seltsamen und abstoßenden Pilz überwuchert zu sein, der vor nichts Halt macht. Die beiden harren zwar zwangsweise auf der Insel aus, doch sind sie dort gefangen und dem Pilz hoffnungslos ausgeliefert …

Hodgons Erzählung mäandert etwas dahin und bietet kaum unerwartete Überraschungen. Sie lebt vielmehr von dem beunruhigenden Gefühl, in völliger Freiheit eingesperrt zu sein und keine Hoffnung auf Rettung zu haben. Das junge Ehepaar kann nirgendwohin ausweichen, ihr Feind verfolgt sie überallhin. Und auch wenn sie es nicht wissen, als sie die Insel betreten, so sind sie doch bereits zum Tode verurteilt, als sie den Fuß auf den Strand setzen. Die Geschichte spielt mit der alten Frage, was sich alles da draußen in dieser Welt befindet; welche Schätze und Grauen noch nicht entdeckt sind. Und auch wenn wir heute meinen, uns die Welt untertan gemacht zu haben, so gibt es immer noch Flecken wie diese Insel, die böse Überraschungen bereithalten können.

Helmut Krauss bildet den Anfang als Sprecher auf dieser Höranthologie. Krauss (Synchronsprecher von Marlon Brando & Samuel L. Jackson) liest oft und viel für LPL und seine tiefe dräuende Stimme verfehlt nie ihre Wirkung. Hier überzeugt er vor allem als krächzender und lebensmüder Erzähler, dem man die Verzweilfung und Hoffnunslosigkeit anhört.

Weiter geht es mit dem totalen Gegenprogramm, Kim Newmans „Der Mann, der Clive Barker sammelte“ („The Man who collected Barker“, 1990), einer Erzählung, die zwischen böser Parodie und wohl temperiertem Schrecken hin und her pendelt. Die Ich-Erzählerin trifft auf einen Mann, dessen Lebensinhalt das Sammeln von Pulp-Autoren ist. Erstausgaben, signiert, mit persönlicher Widmung schmücken seine Privatbibliothek, die so eingerichtet ist, dass die Bücher möglichst nicht verblassen oder sonstwie Schaden nehmen. Der Sammler stellt sich schnell als fanatischer Spinner heraus (daher ja auch das Wort „fan“ von „fanatic“) und Kim Newman zielt und platziert genüsslich einen Seitenhieb nach dem anderen auf all die Berufsfans da draußen, diese Geeks, die so weit in ihrem Fandom aufgehen, dass sie darüberhinaus kein Leben haben. Newman schreibt damit das genaue Gegenprogramm zu Nick Hornbys Hymne an Fans und Sammler und Geeks moderner Popkultur, und dass er zunächst in seiner Beschreibung des Sammlers kaum überzeichnet, setzt der ganzen Sache die Krone auf. Doch als er die Ich-Erzählerin in den Schrein für Clive-Barker-Erstausgaben führt, wird es zusehends abstruser. Da gibt es Ausgaben in Menschenhaut gebunden, auf Papyrus gedruckt und mit Blut signiert. Eine Sonder-Sonderausgabe ist grauenhafter als die nächste und die Krönung seiner Sammlung ist die Ausgabe … doch das soll hier natürlich nicht verraten sein.

Newmans Erzählung ist eine wunderbar spritzige und dabei bitterböse Abrechnung mit fanatischen Fans aller Art. Die gesammelten Objekte sind ein Fetisch, ein Kunstwerk in sich und es wäre ein Sakrileg, würde der Sammler sie aus dem Regal nehmen und tatsächlich lesen. Ja, er habe sich Barkers [„Bücher des Blutes“ 538 mal aus der Bibliothek ausgeliehen und die Geschichten seien auch gut gewesen. Aber gehen wir lieber zu dieser Sonder-Sonderausgabe über … Das Objekt der Begierde kann vollkommen willkürlich gewählt sein, denn es scheint nicht, dass unser Sammler eine besondere Vorliebe für Pulp hat – offensichtlich liest er ja nicht mal. Doch wenn das Objekt erst einmal gewählt wurde, dann muss es besessen und beherrscht werden.

Marianne Groß (bekannt als Synchronstimme von Angelica Huston, Merryl Streep, Whoopie Goldberg) ist neu als Sprecherin bei LPL und nach ihrem Debüt auf „Necrophobia“ möchte man doch hoffen, dass sie den Hörbuchfans lange erhalten bleibt. Mit spitzer Zunge referiert sie die gesammelten Absurditäten der Barker-Sammlung und man hört ihr die Verachtung für derartiges Fanverhalten geradezu an. Ein wahres Fest!

Abgeschlossen wird CD1 mit einer kurzen Erzählung über ein altes Thema: „Rettungslos“ (1903) von Paul Busson beschreibt aus der Ich-Perspektive einen Mann, der lebendig begraben wurde. Neu ist an dieser Idee kaum etwas, doch schafft es Busson zumindest, das Grauen durch seinen Stil greifbar zu machen. Da dem Protagonisten nur noch sein Gehör zur Verfügung steht, schildert er hauptsächlich diese Eindrücke. Das Schließen des Sargdeckels, das Geräusch, als die Trauernden Erde auf den Sarg fallen gelassen wird – und erst dann, begraben unter ein Paar Metern Erde, kann er endlich zwei seiner Finger wieder bewegen. Doch natürlich zu spät.

Lutz Riedel, ebenfalls seit langem für LPL tätig, liest „Rettungslos“. Leider ist die Geschichte so schnell vorbei, dass man sich kaum eingehört hat. Doch Riedel (Stimme u. a. von Timothy Dalton; mit Marianne Groß liiert) schafft es, den eindringlichen Bewusstseinsstrom des Protagonisten ebenso eindringlich wiederzugeben. Ein beunruhigendes Finale für die erste CD der Anthologie.

Auf CD2 geht es mit dem Altmeister subtilen Horrors weiter, nämlich mit „Der Außenseiter“ („The Outsider“, 1926) von H.P. Lovecraft. Wer nicht ohnehin schon die Lovecraft-Hörbuchreihe von LPL im Regal stehen hat, der wird hier ordentlich angefüttert. Ein recht geheimnisvoller Ich-Erzähler – geheimnisvoll in dem Sinne, dass er sich nicht erinnern kann, wie wo und mit wem er eigentlich aufgewachsen ist -, versucht seiner Umgebung zu entrinnen. Er wohnt nämlich in einem unheimlichen Schloss, das so von Bäumen umstanden ist, dass er noch nie Sonne oder Mond gesehen hat. Also steigt er auf den höchsten Punkt des Schlosses, öffnet eine Falltür und … muss mit einer ziemlichen Überraschung fertig werden.

Der Erzählung merkt man schon nach den ersten Sätzen den Lovecraft’schen Stil an und nie verfehlt er seine Wirkung. Surreale Settings, lauernde Schatten, offene Fragen – all das verbindet Lovecraft mit einer Meisterschaft, die auch heute noch menschliche Urängste anspricht und zum Vorschein bringt. Man kann sich also eines unfreiwilligen Schauderns nicht erwehren, auch wenn man die Pointe der Geschichte schneller durchschaut als der Ich-Erzähler. Lovecrafts genialer Einfall, die Geschichte aus der Innenansicht des vermeintlichen Monsters zu erzählen, verwischt die sonst so klaren Grenzen einer Horrorgeschichte und trägt zum Gruselfaktor unbedingt bei.

David Nathan (Johnny Depp, „Spike“, Christian Bale,) als Sprecher ist ebenfalls seit einiger Zeit bei LPL dabei – zu Recht, versteht sind, denn seine Bandbreite weiß immer wieder zu überraschen. Mit viel Einfühlungsvermögen gibt er den Bericht des Außenseiters wieder und schafft Balance zwischen Mitgefühl und Abscheu.

Den Abschluss bildet die grausig-schwüle Slashergeschichte „Summertime“ („Fish are Jumping, and the Cotton is High“, 1996) von S. P. Somtow, die idyllisch genug beginnt: Vater und Sohn verbringen wie jedes Jahr den Sommer damit, durch das amerikanische Hinterland zu fahren und zu fischen. Doch schon bald stellt sich heraus, dass an der ganzen Sache nichts idyllisch ist. Zum einen führen die beiden das Skelett ihrer toten Oma in einem Koffer mit, stauben sie regelmäßig ab und behängen sie mit Wunderbäumen (gegen den Gestank natürlich). Zum anderen handelt es sich bei „fischen“ um einen Euphemismus dafür, Huren zu entführen, sie brutal zu foltern und dann zu töten. Alles im Namen des Herrn, versteht sich. Denn der Serienmörder ist ein religiöser Fanatiker.

Somtow liefert eine durchdachte Geschichte, die zwar große Mengen Blut produziert (und damit die hartgesottenen Fans begeistern dürfte), aber nicht vergisst, den beiden Hauptcharakteren ausreichend psychologischen Hintergrund mitzugeben, um die Geschichte zu tragen. Wenn Somtow also in die völlig zerstörte Psyche des Protagonisten eintaucht, dann ist das abwechselnd absurd, komisch, schockierend und eklig. „Summertime“ bildet einen wunderbaren modernen Gegensatz zu so polierten Erzählungen wie Lovecrafts „Der Außenseiter“ und trägt „Necrophobia“ sowohl thematisch als auch stilistisch ins 21. Jahrhundert.

Torsten Michaelis (als Synchronstimme von Wesley Snipes offensichtlich total unterfordert) liest hier aus der Perspektive des Sohnes des Serienmörders und fängt dessen gestörte Wahrnehmung der Realität grandios ein. Mit kindlicher Naivität findet er es ganz selbstverständlich, die tote Oma im Auto mitzuführen und die knackigen Hinterteile der toten Huren zu essen (um die Leichen zu entsorgen und weil das Fleisch dort am leckersten ist).

Über einen Anspruch wie „die besten Horrorgeschichten der Welt“ wird man immer streiten können. Doch ohne Frage überzeugt die Auswahl der Geschichten, sind sie doch in Thema und Stil jeweils sehr unterschiedlich und bieten somit für jeden Geschmack etwas. Abgerundet wird die Anthologie von hochkarätigen Sprechern, die die 146 Minuten Spielzeit zu einem unheimlichen Vergnügen machen!

http://www.lpl.de

Stoker, Bram – Draculas Gast

Bei |LPL records| kennt man sich mit gepflegtem Grusel ja aus. In schöner Regelmäßigkeit werden dort ansprechende Hörbücher mit hochkarätigen Sprechern produziert und der Slogan von LPL, „Gänsehaut für die Ohren“, ist keineswegs ein leeres Versprechen. Bei LPL hat man schon Lovecraft oder Lumley auf CD gebannt, den Zuhörer mit Gruselmärchen unterhalten und HR Giger für eine Zusammenarbeit gewonnen. Bei so viel Gruselpotenzial darf natürlich auch ein Altmeister des gotischen Grauens nicht fehlen: Bram Stoker, wohl am besten (und fast ausschließlich) für seinen [„Dracula“ 210 bekannt, hat eine durchaus stolze Anzahl Romane und Kurzgeschichten geschrieben. Es gibt also keinen Grund, dem Hörer noch eine Interpretation des „Dracula“ zu bieten (die gibt es schon zur Genüge), stattdessen hat man sich bei LPL für drei Kurzgeschichten entschieden.

In „Draculas Gast“, der titelgebenden Geschichte, treffen wir auf Jonathan Harker, der auf seiner Reise nach Transsilvanien gerade einen Stopp in München einlegt. Von der Abenteuerlust gepackt, begibt er sich auf eine Ausfahrt, um die Gegend zu erkunden – die Warnungen seines Kutschers nicht beachtend. Dieser nämlich stirbt fast vor Angst, ist doch grad Walpurgisnacht. Dem Engländer allerdings bedeutet der kontinentale Volksglauben im katholischen Bayern überhaupt nichts, und so treibt er seine Erkundungstour nötigenfalls auch ohne den schlotternden Kutscher voran. Allerdings nicht, bevor dieser ihm eine unheimliche Geschichte von einem verlassenen Dorf ganz in der Nähe erzählt hat, dessen Bewohner offensichtlich Vampiren zum Opfer fielen. Jonathan lacht dem Kutscher – und der Gefahr – ins Gesicht, schickt die Kutsche zurück zum Hotel und geht zu Fuß weiter. Bald trifft er auf einen Friedhof, auf ein seltsames Grab, auf einen starken Schneesturm und und einen viel zu zutraulichen Wolf … Selbst dem überhaupt nicht abergläubischen Jonathan wird es da mulmig.

„Draculas Gast“ ist eigentlich das verworfene erste Kapitel von Stokers großem Roman über den Grafen der Vampyre und damit merkt man der Geschichte den Expositionscharakter auch an. Eigentlich wirft die Geschichte nämlich mehr Fragen auf als sie klärt, besonders nach dem ominösen Schluss (der hier natürlich nicht verraten wird). Stoker nimmt sich viel Zeit, seinen Handlungsort zu schildern und den Leser auf die kommenden unheimlichen Ereignisse einzustimmen. Und auch hier, stärker noch als später im Roman, wird dem Protagonisten seine überhebliche Haltung gegenüber dem Glauben und den Gebräuchen seines Reiselandes zum Verhängnis – offensichtlich ein beliebtes Thema für Stoker, wie die beiden anderen Kurzgeschichten zeigen werden. Zu Hochform läuft Stoker auf, wenn er die aufgewühlte Natur während des Schneesturms beschreibt. Wald und Wetter werden zum personifizierten Gegner, zu einem Charakter innerhalb der Geschichte, der zu großen Teilen für das Unwohlsein seines Zuhörers verantwortlich ist. Harker dagegen ist nur ein Spielball größerer Mächten – sein aufgeklärter Rationalismus hilft ihm angesichts solcher Ereignisse nicht weiter.

In „Das Haus des Richters“ geht es traditioneller und geordneter zu. Der Student Malcolm Malcolmson zieht sich aufs Land, genauer ins Städtchen Benchurch, zurück, um dort ungestört für sein Mathematikexamen lernen zu können. Er mietet sich in einem leer stehenden Haus ein, das im Ort nur als „das Haus des Richters“ bekannt ist, was bei der Gastwirtin hysterische Anfälle auslöst, ohne dass sie erklären könnte, was es mit dem Haus genau auf sich hat. Doch Malcolm, genauso rational veranlagt wie Jonathan Harker, lässt sich von einem neurotischen Frauenzimmer nicht schrecken und macht es sich in dem Haus bequem. Zunächst kommt er mit dem Lernen auch gut zurecht und lässt sich selbst von den zahlreich vorhandenen Ratten nicht stören (er ist eben sehr stoisch). Zwar befindet sich unter den Ratten auch ein besonders großes Exemplar, das sich ganz selbstverständlich auf einem Sessel niederlässt, doch kann er das Tier vertreiben, indem er es mit Büchern bewirft (was für eine Taktik). Nun sollte ihm zu denken geben, dass seine Mathematikbücher keine Wirkung zeigten und die Ratte sich nur durch die geworfene Familienbibel vertreiben ließ – doch Malcolm ist wie gesagt Rationalist und fröhnt keinesfalls dem Aberglauben.

Natürlich wird ihm letztendlich genau diese Einstellung zum Verhängnis und das Haus des Richters macht seinem Namen alle Ehre. Und so hat der arme Malcolmson ganz umsonst für sein Examen gelernt, stellt sich doch letztendlich heraus, dass die riesige Ratte gar keine Ratte ist.

„Das Haus des Richters“ ist eine klassische Gruselgeschichte über ein Spukhaus, das dennoch (oder gerade deswegen) seine Wirkung nicht verfehlt. Zwar bleiben einige Fragen offen, doch überzeugt Stoker gerade in der Beschreibung der Abgeschiedenheit seines Handlungsortes. Und natürlich läuft sein Protagonist Malcolmson sehenden Auges in sein Unglück, sodass man nur begrenztes Mitleid für ihn entwickeln mag.

Die dritte Geschichte, „Die Sqaw“, ist gleichzeitig der makabre Höhepunkt des Hörbuchs. Ein Ehepaar in den Flitterwochen (doch ihre romantischen Neigungen halten sich in Grenzen) befinden sich auf Sightseeingtour in Nürnberg. Ihnen schließt sich der Amerikaner Hutcheson an, der das Ehepaar durch seine Anwesenheit fortan nicht nur vom Streiten abhält, sondern es auch mit Abenteuergeschichten unterhält. Die beiden fressen, aus irgendeinem unverständlichen Grund, sofort einen Narren am laustarken und überheblichen Hutcheson, der beweist, dass das Stereotyp des unverdient selbstbewussten Amerikaners nicht erst eine Erfindung des 20. Jahrhunderts ist. Und so stellt sich Hutcheson selbst zwar als liebenswürdig und empfindsam dar, beschreibt die Indianer seiner Heimat aber als brutale Barbaren und ist sich nicht zu schade, eine Geldbörse aus Menschenhaut bei sich zu tragen. Kurzum: Dem Leser stößt Hutcheson mehr und mehr auf. Und das geht auch einer Katze so, auf die das Trio auf der Nürnberger Burg stößt. Hutcheson erschlägt – ganz aus Versehen natürlich – deren Junges mit einem Stein und spätestens seit Poe wissen wir, dass mit Katzen nicht zu scherzen ist. Hutcheson wird sein Ende finden, und es wird besonders blutig und besonders unangenehm sein.

Wieder ereilt den Protagonisten, der unfähig ist, andere Kulturen zu verstehen und zu akzeptieren, ein tödliches Schicksal. Doch wo Harker und Malcolmson noch Sympathien beim Leser hervorrufen konnten, da sieht man sich in „Die Sqaw“ unversehens auf der Seite der Katze wieder, die geschickt Rache an Hutcheson nimmt und so den Tod ihres Nachwuchses rächt. Das Ende, das Hutcheson ereilt, wird von Stoker lange und genüsslich vorbereitet und der Leser weiß längst, welchen Ausgang die Geschichte nehmen wird, als Hutcheson sich noch lautstark amüsiert.

Es ist wirklich eine Bereicherung, mal etwas anderes von Stoker genießen zu können als immer nur „Dracula“, wenn natürlich, der Gerechtigkeit halber, hinzugefügt werden muss, dass „Dracula“ sein bestes und suggestivstes Werk bleiben wird. Doch Stokers gotische Kurzgeschichtenschrecken vermögen auch heute wohlige Schauer hervorzurufen, gerade wenn sie von einem so patenten Sprecher wie Lutz Riedel vorgetragen werden. Mit Freude arbeitet er jeweils auf den Höhepunkt der Geschichte hin, um diesen dann ausgiebigst auszukosten. Billige Effekte braucht es da nicht. Stimme und Wortgewalt reichen vollkommen aus. Abgerundet wird das Hörbuch wie immer durch die Musik von Andy Matern, dessen dräuende Melodien dem Hörer wohlige Schauer über den Rücken laufen lassen werden. Mal wieder ist |LPL| damit ein Treffer ins Schwarze gelungen!

Tolkien, J. R. R. – Lord of the Rings, The (Lesung in Englisch)

Wo soll man beginnen, wenn man mit der schier unlösbaren Aufgabe betraut wurde, ein Hörspiel von 713 Minuten zu besprechen, das dazu noch die komprimierte Fassung eines Romans von 1300 Seiten ist? Mit der Handlung? Wohl kaum, schließlich gibt es nach der Verfilmung von Peter Jackson fast niemanden mehr, der nicht zumindest eine grundlegende Ahnung davon hat, worum es in J. R. R. Tolkiens „The Lord of the Rings“ geht: Ein Hobbit, nämlich Frodo Baggins, wird – recht unfreiwillig – mit der Aufgabe betraut, den Ring Saurons zu zerstören; ein Symbol für das ultimativ Böse. Parallel dazu gibt es Schlachten, Männer auf Wanderschaft, seltsame Rassen, viele Lieder und Gedichte und so etwas wie eine Liebesgeschichte. Die Handlung braucht hier also nicht rekapituliert werden, ist sie doch auch viel zu komplex, um sie in drei Absätzen wiederzugeben.

Womit also sonst beginnen? Den technischen Daten? Die 713 Minuten Spielzeit verteilen sich auf beeindruckende 10 CDs, die in einem stilsicheren Pappschuber nach Hause kommen. Dazu gibt es ein kleines Booklet mit einer Einleitung von Brian Sibley, der zusammen mit Michael Blakewell das Drehbuch für das Hörspiel schrieb. Eine ganze Reihe bekannter Namen wurden verpflichtet, allen voran natürlich Ian Holm als Frodo und Peter Woodthorpe als Gollum, der die Rolle bereits in Ralph Bakshis Trickfilmversion des Stoffes verkörperte („The Lord of the Rings“, 1978). Nach zwei Monaten im Studio wurde die erste der 26 Episoden von „The Lord of the Rings“ am 8.3.1981 auf Radio 4 im UK ausgestrahlt.

Vielleicht sollte man also einfach von vorn beginnen: Nämlich im Shire, diesem idyllischen Flecken (Mittel-)Erde, in dem die Geschichte vom Ringkrieg seinen Anfang nimmt. Das Hörspiel lässt sich für die Exposition viel Zeit, und bis die Hobbits Rivendell erreichen, vergehen zwei CDs. Zwar fehlt auch in der Hörspielversion Tom Bombadil, doch lässt sich die Erzählung zunächst viel Zeit, um die Hobbits vorzustellen und zu charakterisieren und Hintergrundwissen unterzubringen (so wird beispielsweise das Kapitel „Riddles in the Dark“ aus dem [„Hobbit“ 481 mit eingeflochten, um zu erklären, wie Bilbo an den Ring gekommen ist). Es gibt viel Interaktion zwischen Frodo und Bilbo und gerade Ian Holm als Frodo klingt viel erwachsener und ernster als sein Gegenpart Elijah Wood im Film. Auch William Nighy (wohl besser bekannt als Bill Nighy, zu sehen in Filmen wie „Underworld“ oder „Love, Actually“) als Sam spricht sich sofort in die Herzen der Zuhörer. Und die Tatsache, dass er eine wunderbare und ausdrucksstarke Singstimme hat, verstärkt diesen Effekt noch. Im Gegensatz zum Film arbeitet das Hörspiel nämlich oft und gern mit den Liedern und Gedichten, die Tolkien in sein Werk hat einfließen lassen. So dürfen mehrere Charaktere von Zeit zu Zeit singen oder rezitieren und man hört beispielsweise „The Fall of Gil-Galad“, „The Lay of Luthien“ oder „Elbereth Githoniel“ in Auszügen. In vielen Fällen werden die Lieder auch von Musik begleitet (komponiert von Stephen Oliver). Gerade diese Lieder und Gedichte, die die meisten im Roman überlesen, entfalten im Hörspiel ihre volle Wirkung und tragen damit nicht nur stark zur Stimmung bei, sondern treiben von Zeit zu Zeit auch die Handlung voran.

Die Hobbits sind noch nicht einmal in Rivendell, da erwarten Tolkien-Puristen schon die ersten positiven Überraschungen. Arwen wurde, wie von Tolkien vorgesehen, wieder an ihre Stickarbeiten zurückbeordert (sie hat im Hörspiel ohnehin nur einen kurzen Dialog am Ende der Geschichte) und so darf der verletzte Frodo ganz traditionell von Glorfindel gerettet und nach Rivendell befördert werden. Und er ist nicht der einzige Charakter, der es – im Gegensatz zum Film – ins Hörspiel geschafft hat. Dazu gehört auch Halbarad, der zusammen mit den Rangern Aragorn in der finalen Schlacht unterstützt. Auch viele Szenen, die der Film vermissen ließ, sind ausführlicher ausgearbeitet. So ist die finale Konfrontation zwischen Gandalf und Saruman („The Voice of Saruman“) als Schlüsselszene angelegt und damit ein viel überzeugenderer Schlusspunkt als die Version von Peter Jackson. Es gibt mehr aus den Kapiteln „The Houses of Healing“, „The Scourging of the Shire“ und auch auf den Schluss der Geschichte wird mehr Zeit verwendet. So wie schon der Beginn von „The Lord of the Rings“ bedächtig im Shire anfing, so klingt die Geschichte dort auch langsam aus. Mit der Rückkehr ins Shire wird die Stimmung immer melancholischer und wehmütiger und entspricht damit sehr gut Tolkiens Ende des Ringkriegs. Das Hörspiel klingt also sehr leise aus und emotionale Gemüter werden wohl die ein oder andere Träne wegwischen müssen.

Wie sieht es nun mit den Sprechern aus?; mit ihnen steht und fällt schließlich die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Auf alle kann hier natürlich nicht eingegangen werden, dafür ist das Ensemble einfach zu umfangreich, daher sollen hier einige Sprecher herausgepickt werden, die auf die ein oder andere Art aufgefallen sind:

|Menschen:|
Da muss natürlich Aragorn (Robert Stephens) erwähnt werden. Und welch einen Schock verursacht er zunächst, gerade im Gegensatz zu seinem filmischen Alter Ego (Viggo Mortensen). Wo Mortensens Aragorn ein nachdenklicher, von Selbstzweifeln geplagter König im Exil ist, so stellt Stephens ihn als selbstbewussten und zielgerichteten Mann dar, der durchaus weiß, was er will (nämlich König werden) und dieses Ziel auch hingebungsvoll verfolgt. Und dazu lacht er auch noch aus vollem Halse! Und das gleich in seiner ersten Szene! Robert Stephens ist gewöhnungsbedürftig, wohl auch, weil er stimmlich älter klingt, als man sich Aragorn vorstellen würde. Doch seine Interpretation wächst dem Hörer mehr und mehr ans Herz.

Theodén (Jack May) dagegen hat Tolkiens Pathos wohl etwas zu ernst genommen. Er klingt so theatralisch und überzogen, dass man sich wünscht, die Regie hätte hier eingegriffen und May etwas gedämpft.

Denethor (Peter Vaughan) dagegen ist ein echter Gewinn. Der Hörspiel-Denethor ist viel weniger verrückt als der Film-Denethor. Vaughan stellt ihn als einen überforderten Herrscher dar, der sich mit schier unüberwindlichen Problemen konfrontiert sieht – und bleibt damit viel dichter an Tolkiens Vorlage.

|Elben:|
Bei den Elben sticht kaum jemand heraus, anzumerken ist vielleicht nur, dass Galadriel (Marian Diamond) die erste Frauenstimme ist, die man im Hörspiel zu Ohren bekommt. Galadriel ist hier ein durchaus sympathischer und hilfsbereiter Charakter und keineswegs mysteriös oder zwiespältig.

|Hobbits und andere Kurze:|
Ian Holms Frodo macht im Verlauf des Hörspiels eine faszinierende Metamorphose durch. Zwar klingt er schon zu Beginn sehr seriös und erwachsen, doch nähert er sich später immer mehr Gollums Sprache und Modulation, was sehr gut den Einfluss illustriert, den der Ring auf ihn hat. Von einem durchaus ernsthaften und zielgerichteten Hobbit wird er so immer mehr zu einer unvernünftigen Kreatur, die nicht mehr für sich selbst entscheiden kann und geradezu krankhaft auf den Einen Ring fixiert ist.

Ein wahres Fest ist Peter Woodthorpe als Gollum. Er ist herrlich hysterisch und verrückt und Woodthorpe schafft es zielsicher, Gollums gesamten trickreichen Charakter mit seiner Stimme zu füllen. Da bleiben keine Wünsche offen. Ohne Frage ist Woodthorpe eines der großen Highlights des Hörspiels.

|Zauberer:|
Michael Hordern als Gandalf verleiht dem Charakter die nötige Würde und eine ordentliche Prise Mysterium und Witz: so, wie man Gandalf gewöhnt ist. Die wirkliche Überraschung ist jedoch Peter Howell als Saruman, der es tatsächlich schafft, den Zuhörer mit seiner Stimme zu bezaubern und für sich einzunehmen (ganz so, wie man es von Saruman behauptet). Wenn er will, klingt er so gutmütig, hilfsbereit und altruistisch, dass man ihm auf keinen Fall zutrauen mag, mit Sauron unter einer Decke zu stecken.

Im Hörspiel wirkt, trotz des großen Ensembles, niemand fehlbesetzt, auch wenn man natürlich zugeben muss, dass es unter Umständen schwierig werden kann, alle Charaktere auseinanderzuhalten. Schließlich werden alle zehn CDs, wenn man von den weiblichen Nebenrollen (Galadriel, Eowyn, Arwen) einmal absieht, von Männern bestritten. Doch wenn man ein grundlegendes Wissen darüber hat, was wann in der Geschichte passiert, so wird man auch keine Probleme haben, dem Hörspiel zu folgen. Ein Tipp sei jedoch erlaubt: Tolkiens „The Lord of the Rings“ in Buchform enthält in der Regel eine Karte von Mittelerde. Eine solche zur Hand zu nehmen, empfiehlt sich auch für das Hörspiel, um nachvollziehen zu können, wo sich die Gefährten gerade befinden. Wie das Leben nämlich so spielt, wird häufig darüber diskutiert, welcher Weg einzuschlagen ist (Männer können eben nicht nach dem Weg fragen …) und diese Diskussionen sind einfacher zu verfolgen, wenn man eine Karte zur Hand hat.

Abschließend ist zu sagen, dass das Hörspiel der BBC neben der Trickfilmversion von Ralph Bakshi und der Filmtrilogie von Peter Jackson eine wirklich faszinierende Interpretation des Stoffes von Tolkien ist. Das Hörspiel teilt sich mit dem Roman einige Längen (so beispielsweise der lange Expositionsteil im Shire), doch dafür kann es auch besonders gut die Stimmungen einfangen, die Tolkien zu evozieren versuchte. Überraschend ist auch, dass es gelungen ist, die Schlachten durchaus überzeugend darzustellen – und zwar nur mit Musik und kurzen Sprachfetzen. Und so wird zwar, naturgemäß, im Hörspiel wenig Elbisch gesprochen (was zwar schade, aber verständlich ist), doch macht man sich die vielen Lieder und Gedichte zunutze – für mich einer der großen Pluspunkte des Hörspiels. Weder der Trickfilm noch die Realfilme haben darauf viel Zeit verwendet und im Roman führt all diese Poesie eher ein Schattendasein. Im Hörspiel allerdings haben sie eine zentrale Rolle inne und können ihre ganze Suggestionskraft entfalten.

Dramatisierung: Brian Sibley und Michael Blakewell
Musik: Stephen Oliver
Sprecher: Ian Holm, Michael Hordern, Robert Stephens, Peter Woodthorpe, William Nighy, Richard O’Callaghan, John McAndrew, David Collings, Michael Graham Cox u. v. a.
Spielzeit: ca. 713 min

Den „Herr der Ringe“ als Hörspiel zu genießen, ist natürlich nicht ganz billig – die zehn CDs kosten knapp 50 €uro. Allerdings bekommt man dafür auch Hörgenuss vom Feinsten und Tolkien im englischen Original geboten.

http://www.hoerverlag.de

|J. R. R. Tolkien bei Buchwurm.info:|
[The Hobbit 481
[Der Hobbit 22
[Der Hobbit 130 (Hörspiel)
[Das Silmarillion 408
[Nachrichten aus Mittelerde 1407
[Der Elbenstern 805 (Hörbuch)

Wallace, Edgar / Gruppe, Marc – indische Tuch, Das (Krimi-Klassiker 1)

Mit „Das indische Tuch“ beginnt eine Hörspielreihe von Titania Medien, die unter dem Titel „Krimi Klassiker“ mehrere Geschichten des britischen Krimialromans aufbietet. Neben einzelnen Erzählungen des berühmten Sherlock Holmes kommt auch Krimi-Legende Edgar Wallace im Laufe dieser Serie zu Hörspiel-Ehren, wobei die erste Episode, „Das indische Tuch“, sich gleich mit einer Geschichte jenes berühmten Schriftstellers befasst.
|Titania Medien| bzw. Drehbuchautor und Regisseur Marc Gruppe haben eigens für die Realisierung dieses Projekts bekannte Synchronsprecher verpflichtet, die ihren Job bei diesem ersten Teil überragend lösen. Hier eine kurze Auflistung der vertrenenen Schauspieler (in Klammern die Namen der ansonsten synchornisierten SchauspielerInnen):

Lord Willie Lebanon – Daniel Werner
Lady Lebanon – Dagmar von Kurmin
Isla Crane – Manja Doering (Natalie Portman)
Dr. Amersham – Christian Rode (Christopher Lee)
Gilder – Jürg Löw
John Tilling – Gero Wachholz
Joan Tilling – Dörte Lyssewski (Cate Blanchett)
Studd – Jens Hajek

_Story:_

Auf dem düsteren Schloss Marks Priory ist die Atmosphäre unter den dort lebenden Leuten hundsmiserabel. Jeder wettert gegen jeden, einzelne Bündnisse werden geschlossen, um die Gegner gegen einander auszuspielen und im Endeffekt traut man selbst seinen Nächsten nicht. Im Kreuzfeuer der Kritik steht dabei der fiese Dr. Amersham, Leibarzt der Adelsfamilie Lebanon, der vom Lord nicht mehr erwünscht wird, jedoch von Lady Lebanon weiter geduldet wird. Ähnlich verhält es sich mit dem Chauffeur Studd, den Amersham als einen Spion bezeichnet und gegen den er daher auch Intrigen spinnt, die zur Entlassung Studds führen.

Als Studd sich bei seiner Entlassung ein letztes negatives Wort über Amersham äußert, zieht er den Zorn des Arztes auf sich. Kurze Zeit später wird Studd dann im Park tot aufgefunden; in seiner Nähe befindet sich ein indisches Halstuch, mit dem der ehemalige Chauffeur erdrosselt wurde. Auch wenn der Hauptverdacht auf Amersham fällt, so hat im Endeffekt jeder ein Tatmotiv.

Nach und nach finden die Officers von Scotland Yard unter der Leitung von Chief Inspector Tanner und Detective Seargent Totty heraus, wie die Bewohner und Angestellten zueinander stehen, und bestimmen nach Überprüfung sämtlicher Alibis und Tatmotive einen Hauptverdächtigen. Doch just in dem Moment, in dem Totty diesen festnehmen möchte, wird dieser ebenfalls tot aufgefunden.

Die beiden Polizeibeamten klären infolgedessen auf, welche Details ihnen bisher von den Leuten auf Marks Priory verschwiegen wurden, und kommen dem rätselhaften Mordkomplott Schritt für Schritt auf die Spur. Doch inzwischen geschehen weitere merkwürdige Dinge auf dem düsteren Schloss …

Das Hörspiel zu „Das indische Tuch“ hat im Jahre 2003 verschiedene Kritikerpreise gewonnen, unter anderem für das beste Einzelhörspiel, die beste Sprecherin (Dagmar von Kurmin) und die beste Musik (hier begleitend eingefügt von Manuel Rösler). All diese Preise sind meiner Meinung nach auch vollkommen gerechtfertigt und basieren vor allem auf der fabelhaften Leistung der beteiligten Sprecher. Die Emotionen der Betroffenen werden ausgezeichnet übertragen, die Geschichte wird überaus spannend erzählt und die musikalische Untermalung unterstreicht die mystische Atmosphäre immer wieder aufs Neue.

Dabei bietet die Geschichte ähnlich wie die Story bei [„Die blaue Hand“ 1266 wiederum sehr viele Verstrickungen, einen komplexen Handlungsstrang und einige unerwartete Wendungen. Lediglich zu Beginn schreitet die Story ein wenig schleppend voran, weil die Einführung der Hauptdarsteller ein wenig in die Länge gezogen wird. Andererseits scheint dies dann aber auch wieder nötig zu sein, um den zunächst ermordeten Chauffeur Studd und seine Beziehung zu den Angestellten auf Marks Priory vorzustellen. So richtig spannend wird die Geschichte jedoch erst nach dem ersten Mord, denn von dort an wird es zunächst richtig kompliziert. Neue Protagonisten kommen ins Bild, Alibis werden aufgebaut, kurze Zeit später aber auch wieder widerlegt, der Haupttatverdächtige wechselt alle paar Minuten und in dem Moment, in dem man sich sicher ist, den Richtigen identifiziert zu haben, wird man durch eine Umkehrung der Ereignisse wieder auf eine andere Fährte gelockt.

„Das indische Tuch“ bietet erstklassige Krimi-Unterhaltung mit exzellenten Sprechern und einer Top-Geschichte bester britischer Machart. Nicht nur Nostalgiker, sondern auch Neueinsteiger finden hier wirklich schmackhafte Genre-Kost, die man sich auch gerne mehrfach anhört. Im Doppelpack sind die beiden Geschichten von Edgar Wallace im Zuge der Serie „Krimi Klassiker“ ein echtes, abendfüllendes Erlebnis. Kann ich daher nur uneingeschränkt weiterempfehlen!

Wallace, Edgar / Gruppe. Marc – blaue Hand, Die (Krimi-Klassiker 3)

Auch beim dritten Teil der Krimi-Klassiker aus dem |Titania Medien|-Verlag handelt es sich um eine klassische Erzählung, hier nach einer Vorlage von Edgar Wallace. Dieses Mal wird die Geschichte „Die blaue Hand“ erzählt, und das in einer Besetzung, die einem als Liebhaber des Hörspiels das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen sollte. Nachfolgend ein Überblick über die teilnehmenden Rollen bzw. ihre Sprecher (in Klammern der Name der ansonsten verkörperten Synchronstimme):

_Jane Groat_ – Dagmar von Kurmin
_Digby Groat_ – Torsten Michaelis (Wesley Snipes)
_Septimus Salter_ – Heinz Ostermann
_Jim Steele_ – David Nathan (Johnny Depp)
_Eunice Weldon_ – Heide Jablonka
_Mrs. Fane_ – Gisela Fritsch (Susan Sarandon)
_Madge Benson_ – Evelyn Maron (Kim Basinger)
_Jackson_ – Charles Rettinghaus (Jean-Claude van Damme)
_Mary Weatherwale_ – Regina Lemnitz (Kathy Bates)
_Tom_ – Detlef Bierstedt (George Clooney)
_Postbote_ – Lothar Didjurgis
_Portier_ – Joachim Tennstedt (John Malkovich)

Wie man unschwer erkennen kann, ist dieser 70-minütige Krimi also bestens besetzt, und dementsprechend ist auch die Qualität der Erzählungen sehr hoch einzustufen. Vor allem David Nathan in der Hauptrolle des Anwalts Jim Stelle weiß zu überzeugen, aber dazu mehr nach dem Überblick über die eigentliche Geschichte.

_Story:_

Nachdem ein Millionenerbe entsprechend den Regeln des Testaments 20 Jahre ruhen musste, soll es nun nach dem Ablauf dieser Zeit in den Besitz der Groats, der einzigen Verwandten der verstorbenen Familie Danton, übergehen. Der engagierte Anwalt Jim Steele beschäftigt sich gerade mit dem Fall und stellt erste Ermittlungen an, denn ihm persönlich ist die Familie Groat, vor allem der junge Digby, nicht ganz geheuer. Gleichermaßen bandelt Steele gerade mit der jungen Eunice Weldon an, muss aber entsetzt feststellen, dass diese demnächst im Hause der Groats als Sekretärin eingestellt werden wird.

Schon in der ersten Nacht spielen sich merkwürdige Dinge im Hause Groat ab; jemand ist in Eunices Zimmer eingedrungen und hat eine geheimnisvolle Warnung hinterlassen: „Jemand, der dich liebt, bittet dich dringend, dieses Haus so schnell als möglich zu verlassen!“ Außerdem bleiben mehrere blaue Abdrücke einer Damenhand zurück.

Eunice ist die Sache nicht geheuer, doch trotzdem setzt sie ihre Arbeit bei der mysteriösen Familie fort. Steele indes untersucht auch die Vergangenheit von Mrs. Weldon genauer und stellt dabei fest, dass Eunice im selben Alter wie die einst verschollene Dorothy Danton sein muss. Jedoch gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass Zusammenhänge zwischen der Vermissten und der geliebten Sekretärin bestehen. Eines Tages jedoch bringt Steele diesbezüglich Licht ins Dunkle; er stellt fest, dass das Verhältnis zwischen Digby und seiner Mutter gar nicht so gut ist, wie es nach außen hin scheint, freundet sich mit der Wittwe Groat an und erfährt dabei auch wichtige Details über die Vergangenheit. Von nun an gilt es für Jim Steele zu verhindern, dass das Millionenerbe in die falschen Hände gerät …

Die Geschichte um die blaue Hand ist in ihrer Struktur gewohnt komplex und mit vielen Details gespickt. Oder um es kurz zu sagen: der typische Edgar-Wallace-Stoff. Spannung ist jedenfalls im gesamten Verlauf geboten, selbst in dem Moment, wo man glaubt, dass die eigentliche Geschichte schon aufgelöst ist – und genau diese Eigenart besitzen nur die ganz guten Krimis aus der alten britischen Schule. Wallace wählt die Charaktere dabei nach den üblichen Kriterien aus; ein hoffnungslos verliebter junger Mann, eine Dame, die sich der Gefahr, in der sie schwebt, nicht bewusst ist, und auf der anderen Seite ein kompromisloser Schurken, der zusammen mit seinem Handlanger seine gemeinen Pläne durchsetzen möchte, selbst wenn er dabei über Leichen gehen muss.

Die komplexen Verflechtungen lösen sich dabei im Laufe des Hörspiels auf, jedoch kann man anfangs keinesfalls vorausahnen, in welche Richtung sich die Erzählung entwickeln wird. So sind vor allem die Rollen der Eunice Weldon und die der Jane Groat unklar. Weiterhin stellt sich die Frage, zu wem der Butler der Familie schließlich halten wird. Oder aber welche Motivation Jim Steele abgesehen von seinen Gefühlen für die junge Mrs. Weldon beim Ermitteln im Falle Danton antreiben.

Marc Gruppe, der Mann hinter diesem Drehbuch, hat die Rollen sehr gut verteilt und sich hierfür prominente und überaus talentierte Synhcronsprecher ins Haus geholt, die allesamt einen fabelhaften Job erledigen. Das gilt für den fabelhaft und heimtückisch auftretenden David Nathan alias Jim Steele ebenso wie für die undurchschaubare Jane Groat, der Dagmar von Kurvin ihre Stimme leiht.
Im Krimisektor ist dieses Hörspiel daher definitiv eines der besten seiner Machart und macht nach der recht kurzen Spielzeit von 70 Minuten Lust auf einen weiteren Durchlauf. Eine Seltenheit in diesem Genre, aber gerade dieser Fakt macht „Die blaue Hand“ auch für diejenigen interessant, die mit Hörspielen bzw. Krimis im Normalfall nicht so viel anfangen können. In diesem Fall wird die Kombination aus erstklassig agierenden Sprechern, einer spannungsgeladenen und gut ausgeschmückten Story und natürlich der Tatsache, dass die Legende Edgar Wallace hierzu die Vorlage geliefert hat, jedenfalls zu einem echten Glücksfall.

Agatha Christie – Die blaue Geranie

Beim Hörverlag sind in letzter Zeit diverse Lesungen von Agatha-Christie-Romanen als Hörbuch erschienen, und jedes dieser Hörbücher erstreckt sich über die Spielzeit von 3 CDs bzw. ungefähr 170 Minuten. Im Rahmen dieser Serie sind unter anderem Klassiker wie „16 Uhr 50 ab Paddington“, „Mord im Orientexpress“ oder „Die Morde des Herrn ABC“ erschienen, Meisterleistungen und Klassiker der Krimi-Geschichte. Das mir vorliegende Hörbuch zu „Die blaue Geranie“ mit gerade mal knappen vierzig Minuten Spielzeit fällt da in der Konzeption etwas aus dem Rahmen, sowohl, was die Aufmachung, aber auch die Güteklasse der Story an sich und die Umsetzung als Lesung angeht. Die hektische Erzählweise und die über weite Strecken fehlende Spannung, welche man ja sonst aus den Erzählungen der legendären Krimi-Autorin gewohnt ist, überraschen nämlich durchaus unangenehm. Dabei könnten die Rahmenbedingungen kaum besser sein; mit der deutschen Stimme des Gandalf aus den „Herr der Ringe“-Filmen, Achim Höppner, hat man einen sehr guten Sprecher für diese Geschichte finden können und die Story an sich gibt in den Grundzügen auch einiges her; doch das Resultat gehört einerseits sicherlich zu den schwächeren Arbeiten der Krimikönigin und wird zudem durch die Umsetzung der Lesung selbst noch geschmälert.

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Bram Stoker / Marc Gruppe – Das Amulett der Mumie (Gruselkabinett 2)

Abel Trelawny ist Mumienforscher. Sein gesamter Haushalt ist mit Fundstücken aus dem alten Ägypten vollgestellt und das ganze Haus durchweht der (recht stickige) Dunst der Geschichte. Doch eines Nachts, als er wie immer an seinen Forschungen arbeitet, findet ihn seine Tochter Margaret aus tiefen Schnittwunden an den Handgelenken blutend in seinem Arbeitszimmer vor. Der hinzugezogene Arzt versorgt zwar die Wunden, doch Trelawny will einfach nicht aus seinem unnatürlichen Schlaf erwachen.

Bram Stoker / Marc Gruppe – Das Amulett der Mumie (Gruselkabinett 2) weiterlesen

Herman Melville – Moby Dick

„Moby Dick“ ist ein Literaturklassiker. Und das, obwohl es bei der Erstveröffentlichung des Romans von Herman Melville 1851 nach einem Flop aussah. Als „trostloses Zeug, stumpfsinnig und öde“ und als eine „übel zusammengeschusterte Mischung aus Abenteuerroman und Tatsachenbericht“ wurde der Roman in Rezensionen gescholten. Und gilt dennoch heute als größtes Werk des Amerikaners. Melville selbst sah die damalige Kritik eher gelassen, war er sich doch von vorneherein darüber im Klaren, dass „Moby Dick“ eine literarische Gratwanderung darstellte. Und so verwundert der folgende Ausspruch von ihm wenig: „Es ist besser, auf der Suche nach Originalität zu scheitern, als mit bloßer Nachahmung Erfolg zu haben.“

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Tolstoi, Alexej K. / Gruppe, Marc – Familie des Vampirs, Die (Gruselkabinett 3)

1815 in Wien: Eine bunte Gesellschaft hat sich in der Weltstadt versammelt. Das politische Tauziehen des Wiener Kongresses ist beendet und nun trifft man sich in gemütlicher Runde, um Gruselgeschichten auszutauschen. Mit von der Partie ist Serge d’Urfé, der seinen Zuhörern eine Erzählung größter Unheimlichkeit verspricht, die dazu noch wahr ist – sie ist ihm selbst passiert.

In jungen Jahren unsterblich in die Fürstin Isabelle Grammont verliebt, beschließt er, in den Diplomatendienst zu gehen, da Isabelle seine Avancen offensichtlich nicht erwidert. Zum Abschied, erschüttert darüber, dass sich Serge ins gefährliche Osteuropa begeben wird, schenkt sie ihm ein Kreuz und warnt ihn eindringlich vor den Gefahren der bevorstehenden Reise.

Es verschlägt Serge in das kleine serbische Dorf Kisolova, wo er bei der Familie des Gortscha Unterkunft findet. Die Stimmung ist gedrückt, denn der alte Gortscha hatte sich aufgemacht, einem Räuber (und Schlimmerem) den Garaus zu machen. Kehre er innerhalb von zehn Tagen nicht zurück, solle man ihn für tot halten. Kehre er aber nach Ablauf der zehn Tage nach Hause zurück, so solle man ihn für einen Vampir halten und ihm eine Pflock durchs Herz treiben. Der Tag, an dem Serge bei der Familie eintrifft, markiert genau den Ablauf des gesetzten Frist. Und tatsächlich, mit dem Stundenschlag kehrt Gortscha heim. Doch niemand weiß, ob die zehn Tage nun abgelaufen sind oder nicht …

Der alte Gortscha ist plötzlich stark verändert, er fährt seine Familie an und ist ungewöhnlich aufbrausend. Zwar hat er den Räuber getötet, so wie er es sich vorgenommen hatte, doch scheinbar sind in den zehn Tagen noch andere Dinge von Bedeutung passiert: Gortscha hat sich in einen Wurdalak, einen Wiedergänger verwandelt, der Nachts um das Haus seiner Angehörigen schleicht und einen nach dem anderen zu sich holt.

Während sich Gortscha zunächst an seinen Enkel ranmacht, wirft Serge – selbst kein Kostverächter – ein Auge auf Zdenka, eine bezaubernde Landschönheit, in die er sich sofort Hals über Kopf verliebt. Er schwört ihr ewige Liebe, doch bevor er Zeuge der Eskalation der Vampirsituation in Kisolova werden kann, muss er die Weiterreise antreten.

Als er ein halbes Jahr später auf der Rückreise wieder durch Kisolova kommt, findet er das Dorf ausgestorben vor. Der Priester des nahe gelegenen Klosters warnt Serge, dass alle dem Wurdalak Gortscha zum Opfer gefallen wären … und Zdenka habe den Verstand verloren. Natürlich begibt sich Serge bei der Erwähnung dieses Namens in die Höhle des Löwen. Doch welche Schrecknisse werden ihn wohl erwarten, wenn er in Kisolova übernachtet?

Alexej K. Tolstois Erzählung „Die Familie des Vampirs“ (manchmal auch „Die Familie des Wurdalak“) von 1847 setzt dem osteuropäischen Volksglauben um den Wiedergänger ein literarisches Denkmal. Tatsächlich fand nämlich in dem durchaus realen Kisolova im 18. Jahrhundert eine Vampirplage statt, der ein Großteil der Dorfbevölkerung zum Opfer fiel. Die behördlichen Dokumente zu den Toden und den darauffolgenden Exhumierungen vermeintlicher Vampire unter der Aufsicht von Staatsbeamten sind noch heute klassische Texte der Vampirliteratur und erregten seinerzeit großes Interesse bei Wissenschaftlern und Theologen. Wie im Volksglauben ist auch Tolstois Wurdalak ein Vampir, der von den Toten wiederkehrt, um jedoch ausschließlich seine nahen Familienangehörigen mit in den Tod zu reißen. In manchen ländlichen Gebieten Südosteuropas hat sich der Glauben an Wiedergänger bis heute gehalten.

Tolstoi fügt solche Versatzstücke des serbokroatischen Volksglaubens immer wieder in die Erzählung ein und Marc Gruppe verstärkt diese Elemente noch in seiner Hörspielbearbeitung. Gruppe macht aus der Erzählung eine klassische Gruseltour, indem er den Originaltext an einigen Stellen durchaus auffällig verändert. So lässt er Serges Frauengeschichten, die sich bei Tolstoi ironisch durch den Text ziehen, zugunsten einer romantischen Liebe fallen und schreibt den Schluss von „Die Familie des Vampirs“ komplett um, um das Hörspiel mit einem Knalleffekt enden lassen zu können.

Mit seiner furiosen Schlussklimax kann das Hörspiel das etwas behäbige Ende von Tolstois Erzählung spannender gestalten. Gruppes Idee, den zentralen Konflikt zwischen Zdenka und Serge in die Rahmenhandlung hinüberzutragen und mit einem Cliffhanger enden zu lassen, trägt durchaus zum gesteigerten Unterhaltungswert bei. Um Serges Charakter als Frauenheld ist es allerdings irgendwie schade – diese Einschübe Tolstois geben der Erzählung Leichtigkeit und Verschnaufpausen zwischen den unheimlichen Elementen. Im Hörspiel wurden sie leider eliminiert, um nicht von der eigentlichen Handlung abzukommen.

|Titania Medien| konnte für seine Reihe „Gruselkabinett“ bekannte Namen verpflichten. So wird Serge d’Urfé von David Nathan gesprochen, den viele als die deutsche Stimme von Johnny Depp kennen werden. Er mimt die Hauptrolle in gewohnter Qualität, stimmliches Highlight des Hörspiels ist allerdings Jürg Löw als Gortscha, der so maskulin, furchteinfößend und ruppig durch die Laustsprecher kommt, dass es eine wahre Freude ist. Ebenfalls erwähnenswert ist die Musik von Manuel Rösler, dessen Untermalung wie eine Hommage an alte Horrorfilmklassiker klingt und damit an den Schlüsselstellen die gewohnten Gruselschauer beim Publikum hervorruft.

|Titania| arbeitet sich mit seinen Gruselhörspielen langsam aber sicher durch die klassischen Texte der Horrorliteratur. Man kann nur hoffen, dass die Macher auch weiterhin ein so glückliches Händchen bei Text- und Sprecherauswahl haben werden. Bisher zumindest ist es ein ungeteiltes Vergnügen, sich bei den Hörspielen von Marc Gruppe wohlige Schauer über den Rücken jagen zu lassen.

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Taylor, G. P. – Schattenbeschwörer, Der

Eigentlich ist es sehr schade, dass nur die wenigsten Fantasy-Epen es auch schaffen, als auditives Erlebnis vermarktet zu werden, soll heißen: Hörbücher gibt es zwar schon einige, aber für meinen Geschmack viel zu wenige in diesem Genre. Dabei gibt es in dieser Sparte eine Menge empfehlenswerten Materials, auch wenn man selbst im Bereich der Audiobooks wirklich jeden neuen Release mit dem „Herr der Ringe“ messen lassen muss.
Eine etwas modernere Variante ist nun mit dem vierteiligen CD-Hörbuch „Der Schattenbeschwörer“ gelungen, welches basierend auf der Vorlage von G. P. Taylor die Geschichte des jungen Thomas erzählt, der sich gegen die Mächte der Finsternis behaupten muss und dabei auf allerhand Widerstand trifft.

Seit der dreizehnjährige Waise Thomas denken kann, leben er und die anderen Bewohner des kleinen Dorfes Thorpe unter dem Einfluss des düsteren Pfarrers Demural. Demural, Vikar von Thorpe, kontrolliert den Ort mit eiserner Hand und versucht in seinem Größenwahnsinn durch die Beschwörung dunkler Mächte seine Macht auszudehnen.
Zunächst scheint sich ihm niemand in den Weg stellen zu wollen, bis Thomas den geheimnisvollen Fremden Raphah trifft. Gemeinsam mit ihrer Freundin Kate lassen sie sich auf Gefahren ein, welche weit über ihre Vorstellungskraft hinausgehen.
Ein Kampf gegen finstere Mächte und Dämonen beginnt, der den drei Freunden beinahe zum Verhängnis wird. In dem Moment, in dem die Situation dann zu eskalieren droht und keine Hoffnung mehr zu erwarten ist, bekommen Thomas und seine Gefährten unerwartete Hilfe.

Die Handlung der Geschichte ist eigentlich sehr gut und auch sehr interessant gestaltet, was ich vor allem daran festmache, dass hier einige Rollen vertauscht werden, die in der Realität sicher nicht so aussehen, aber dazu beitragen, dass die Erzählung nicht vorhersehbar wird und die Spannung über die gesamte Zeit erhalten bleibt. So übernimmt zum Beispiel ein Pirat die Rolle des Verteidigers der Guten, während der heilige Priester von Thorpe wider seine Aufgabe die Macht an sich reißt und sein Volk unterwirft. Außerdem treten viele religiöse Themen in den Vordergrund, wobei ich jedoch nicht auf einen Bezug zu aktuellen soziokulturellen Kritikpunkten schließen möchte, auch wenn der Machtmissbrauch des fanatischen Priesters ein zentrales Thema der Geschichte ist.

Für Anhänger von Magie innerhalb des Fantasy-Bereiches wird auch hier eine Menge geboten, denn an manchen Stellen hagelt es nur so Zaubersprüche, aber das war bei einem solchen Titel auch zu erwarten. Insgesamt ist so eine sehr ausgewogene Mischung aus abenteuerlichen Grundstrukturen, religiösem Fanatismus und phantastischem Traumdenken kombiniert worden, welche im Rahmen der Fantasy-Literatur alle wichtigen Gesichtspunkte erfüllt, um als Story empfohlen werden zu können.

Leider hat man sich auf der Hörbuchversion von „Der Schattenbeschwörer“ nicht genügend Zeit gelassen, um die Sache noch ausführlicher auszuschmücken, denn an manchen Stellen wirkt das Ganze doch sehr hektisch, bzw. zu viele Inhalte werden in einen viel zu kurzen Zeitrahmen gepackt, was im Endeffekt sicher schade ist, denn die Story an sich hat einiges an interessantem Inhalt zu bieten. Da ich den Vergleich zur Romanvorlage (|Arena|, Februar 2004) mangels Unterlagen nicht bemühen kann, möchte ich mir auch kein Urteil über diese und die auditive Umsetzung erlauben, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass Taylor Stoff für mehr als diese 305 Minuten aus der Geschichte herausgeholt hat (immerhin 400 Seiten umfasst die gebundene Ausgabe).

Dafür fällt aber der Erzähler Wolfgang Rüter wiederum sehr positiv auf, der von Anfang an die Geschichte mitlebt und die Intrigen, Konflikte und Abenteuererzählungen mit vollem Herzblut interpretiert. Das wertet „Der Schattenbeschwörer“ wieder ungemein auf, auch wenn die relaxte Stimmung so mancher anderer Hörbuchumsetzungen dem hier Gebotenen abgeht. Trotzdem: Fans düsterer Fantasy-Literatur, und dabei vor allem die jüngere Generation – „Der Schattenbeschwörer“ ist nicht nur wegen des jungen Hauptdarstellers, sondern auch wegen der einfachen und leicht verständlichen Erzählweise ganz klar auf den jungen Leser eingestellt – dürfte aber schnell Gefallen an der Geschichte um Thomas, Kate und Demural finden. Ich für meinen Teil muss jedenfalls ganz klar sagen, dass ich mich in den fünf Stunden des Hörspiels prima unterhalten gefühlt habe.

Le Fanu, Joseph Thomas Sheridan – Carmilla, der Vampir (Gruselkabinett 1)

Laura ist jung und schön, doch leider nützt ihr das wenig, da sie einsam, nur mit ihrem Vater und zwei Gouvernanten, im Familienschloss in der Steiermark des 19. Jahrhunderts lebt. Sie leidet unter der Abgeschiedenheit ihres Wohnsitzes und freut sich daher besonders auf die ebenfalls junge Bertha, die sich als Sommergast angesagt hat. Doch ihr Vater muss ihre Hoffnungen zerstören: Bertha ist plötzlich verstorben. Laura hat jedoch Glück im Unglück, wie es zunächst scheint, denn kurz darauf verunfallt eine Kutsche genau vor dem Schloss und die geheimnisvolle Insassin lässt ihre bewusstlose Tochter in der Obhut Lauras und ihres Vaters, da sie sofort weiterreisen muss.

Carmilla, so heißt der überraschende Gast, erobert schnell die Herzen ihrer Retter. Laura, immer noch auf der Suche nach einer vertrauten Freundin, ergreift die Chance und lässt sich von Carmillas reizendem Charme einwickeln. Nach kurzer Zeit schwören sich die beiden ewige Freundschaft und gestehen sich ihre gegenseitige Hingabe. Doch Carmilla hat auch ihre dunkle Seite. Nie verlässt sie vor dem Mittag ihr Zimmer, nie nimmt sie mit der Familie ihre Mahlzeiten ein und nie lässt sie etwas über ihre Herkunft oder Familie verlauten. Laura ist zwar frustriert über Carmillas Verschwiegenheit, aber sie dringt nicht weiter in sie, um die neu gewonnene Freundschaft nicht zu gefährden.

Bald nach Carmillas Ankunft fängt Laura an, seltsame Dinge an sich zu beobachten. Sie träumt schlecht und meint des Nachts eine große schwarze Katze in ihrem Zimmer zu sehen. Sie verspürt einen Schmerz wie von zwei Nadelstichen am Halse und fühlt sich tagsüber zunehmend matter und müder. Der hinzugezogene Arzt vermutet den Angriff eines Vampirs, denn seit kurzem scheint in der Gegend ein Untoter sein Unwesen zu treiben.

Der irische Autor Sheridan Le Fanu veröffentlichte seine Novelle „Carmilla“ erstmals 1872 in seinem Erzählband „In a Glass Darkly“. Die darin geschilderte lesbische Vampirin Carmilla dominierte die Erzählung mit ihrem Charisma dermaßen, dass sie auch noch heute literarischen Einfluss auf Autoren von Vampirgeschichten ausübt. Selbst Bram Stoker, gemeinhin als der Urvater des Vampirgenres bekannt, verneigte sich vor Le Fanus Vampirin, indem er seinen „Dracula“ ursprünglich in der Steiermark spielen lassen wollte – dem Ort, an dem auch „Carmilla“ spielt.

Der Originaltext ist geprägt von einer für den heutigen Leser kaum zu übersehenden sexuellen Spannung zwischen Laura und Carmilla. Die Vampirin, die es ausschließlich auf Frauen abgesehen hat (in Liebes- und Ernährungsfragen gleichermaßen) überschüttet Laura mit den bekannten Formen der Liebeswerbung und das geht so weit, dass sich Laura an einer Stelle gar fragt, ob es sich bei Carmilla vielleicht um einen Mann in Frauenkleidern handelt. So gibt es Tête-á-têtes im Garten, leidenschaftliche Blicke und zarte Küsse. Laura schwankt ob dieser Aufmerksamkeit zwischen Erregung und Entsetzen, macht aber nie den entscheidenen Schritt, Carmillas Verhalten als sexuelles Interesse zu werten. Begehren wird immer nur männlich gedacht, die Unmöglichkeit von Carmillas Annäherungen kann Laura daher nur verwirren.

Das Hörspiel aus der Feder von Marc Gruppe schwächt die homoerotischen Elemente etwas ab, eliminiert sie jedoch nicht ganz. So wandert zwar der ursprüngliche Vampirbiss vom Busen hoch zum keuschen Hals, doch gibt es auch im Hörspiel eine Liebeserklärung zwischen den beiden. Gruppe setzt hier also den Schwerpunkt nicht auf das sexuelle Innuendo zwischen den Hauptfiguren, sondern konzentriert die Handlung auf die Ambivalenz in Carmillas Charakter, die zwischen echter Freundin und kaltblütiger Vampirin schwankt. Dass man Carmilla die Infiltration von Lauras Leben ohne Zögern abnimmt, liegt auch an der Sprecherin Daniela Hoffmann, die viele als deutsche Stimme von „Ally McBeal“ kennen. Sie klingt über weite Strecken so süß, unschuldig und ungefährlich, dass die raren Momente, in denen die Maske fällt und sie stimmlich zur Furie mutiert, besonders schockierend anmuten.

Doch auch sonst ist das Hörspiel hochkarätig besetzt: Manja Doering als Laura ist wunderbar naiv und jugendlich und Regina Lemnitz und Arianne Borbach als Lauras Gouvernanten herrlich abergläubisch und schwärmerisch. In den männlichen Rollen sind besonders der sehr fürsorgliche Heinz Ostermann als Lauras Vater und ein wunderbar maskulin klingender Christian Rode als General Spielsdorf zu nennen.

Marc Gruppes Hörspiel hält sich auffallend dicht an den Text von Sheridan Le Fanu. Natürlich, es gibt einige Änderungen, besonders die Träume und die schließliche Vernichtung Carmillas betreffend. Doch davon abgesehen kann man alles wiederfinden, was auch Le Fanu in seiner Novelle beschreibt. Selbst Laura als Erzählerin wurde beibehalten und so folgt der Hörer ihrer (naiven) Sicht der Dinge. Was man allerdings im Hörspiel nicht erfährt (im Gegensatz zum Text), ist die Tatsache, dass Laura einige Jahre nach den Begebenheiten um Carmilla verstirbt. Die Vampirin triumphiert am Ende also doch!

Man sollte sich daher nicht vom recht trashigen Cover der CD (in der ersten Fassung, die Cover wurden mittlerweile neu gestaltet) abschrecken lassen, denn wie heißt es so treffend: „Don’t judge a book by its cover.“ Im Innern findet sich nämlich ein wirklich hochwertiges Hörspiel, das unterhält und gleichzeitig einen klassischen Text der Vampirliteratur einem Publikum zugänglich macht, das eine so alte Novelle freiwillig vielleicht nicht in die Hand genommen hätte. Die 78 Minuten Spieldauer der CD sind in keinem Fall verschenkte Zeit!

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Taylor, Stephen B. / Lueg, Lars Peter – Gruselmärchen mit Alptraumgarantie

|“Wie kommt man in der heutigen Zeit dazu, alptraumhafte Gruselmärchen zu schreiben?
Die Antwort liegt auf der Hand!
Nichts ist so fesselnd wie die pure Angst, die ein jeder Mensch auch heute noch in sich trägt. (…)“| (Lars Peter Lueg)

Und so verfassten Stephen B. Taylor und Lars Peter Lueg ihr erstes Hörbuch. Es entstand ein _“Gruselmärchen mit Alptraumgarantie“_ – vielmehr sieben an der Zahl, die geeint zu einer schaurigen Geschichte in diesem Hörbuch vertreten sind.

In einer Unwetternacht verunglückt ein junger Schriftsteller in einer abgelegenen, ländlichen Gegend mit dem Auto. Er entdeckt ein einsames Haus in der Nähe des Waldes, dessen Fenster hell erleuchtet sind. Dem jungen Autor scheint das Glück hold, gewährt ihm der Herr des Hauses doch Zuflucht am warmen Kamin und bietet ihm sogar an, ihn am folgenden Morgen mit in die Stadt zu nehmen. Dankbar ob der Gastlichkeit erklärt unser Gestrandeter sich bereit, aus seinem Manuskript vorzulesen – sechs schaurige Märchen hat er zusammengetragen, doch das siebente, welches ihm sein Gastgeber im Morgengrauen erzählt, wird sein ganzes Leben verändern …

_|Grusel| und |Märchen| – wie das wohl zusammenpasst?_

|Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren, von grôzer arebeit,
von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ír nu wunder hœren sagen.|
Aus: Der Nibelunge Not (um 1200)

Hier gilt es wohl, zunächst ein wenig erklärend auszuholen: Das Wort Märchen ist ein Diminutiv zu dem heute veralteten Nomen |Mär| oder |Märe| (‚Kunde‘ oder ‚Nachricht‘) und wurde bis ins 19. Jahrhundert in der Bedeutung von ‚kleine Erzählung‘, aber auch im Sinne von ‚Gerücht‘ gebraucht. Der Wortstamm lässt sich jedoch bis zu den alten Germanen zurückverfolgen, deren Adjektiv |mar| so viel bedeutete wie ‚groß‘, ‚bedeutend‘, ‚berühmt‘. Im Alt- und Mittelhochdeutschen finden wir die Verben |maren| (ahd.) und |mæren| (mhd.), die man mit ‚verkünden‘ oder ‚rühmen‘ übersetzen kann.

Märchen sind frei erfundene kürzere Geschichten, die zumeist von wunderbaren Begebenheiten erzählen. Sie haben üblicherweise keinen direkten Bezug zu historischen Ereignissen, Orten oder Personen und sind zeitlich nicht festgelegt, wodurch sie sich von Sagen und Legenden unterscheiden. Das phantastische Element tritt in Form von sprechenden Tieren, verwunschenen Menschen in Tier- oder Pflanzengestalt, Hexen und Zauberern, Zwergen, Riesen oder Fabelwesen (Drachen, Einhörner etc.) in Erscheinung. Inhaltlich steht in der Regel eine heldenhafte Gestalt im Mittelpunkt, die sich mit natürlichen und übernatürlichen Ausprägungen des Guten wie auch des Bösen auseinandersetzen muss, um mit Herz und Geschick einem glücklichen Ausgang des Märchens entgegenzustreben. Diese Hauptfigur wird stets so beschrieben, dass die Zuhörerschaft sich mit ihr zu identifizieren vermag.

Alle volkstümlichen Märchen bedienen sich einer einfachen, eindimensionalen Erzählform, die es ermöglichte, die Geschichten von Generation zu Generation weiterzugeben. In vielen Märchen finden sich daher Sprichwörter und Redensarten.

Märchenhafte Erzählungen finden sich bei allen Völkern und waren ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Ausprägung. Wie alt Märchen tatsächlich sind, ist jedoch nicht geklärt.

Nun mag mancher denken, |Ich kenne die Kindermärchen der Gebrüder Grimm, die waren doch nicht gruselig, da hat immer das Gute gesiegt!|, und soweit es Kindermärchen betrifft, ist das wohl auch richtig, enden die meisten doch mit dem Satz |“Und so lebten sie glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.“| oder |“Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“|. Diese Kindermärchen sind jedoch nur ein geringer Teil der Volksweisen, die überliefert wurden. Viele Märchen richteten sich an Heranwachsende und Erwachsene und dienten – neben einer vielleicht zu übermittelnden Botschaft – überwiegend der Geselligkeit.

Und so ist es in der heutigen Zeit kaum verwunderlich, dass auch das |Grauen| in einigen neueren Märchen seinen Platz findet. Während die klassischen Gespenstergeschichten eher den Mythen oder Legenden zuzuordnen sind, kann man die kurzen Geschichten eines H. P. Lovecraft durchaus als moderne Horror-Märchen bezeichnen.

_Gebrüder Grimm goes Horror_

Inspiriert von einer Originalausgabe der |Grimmschen Kinder- und Hausmärchen| aus dem Jahre 1812 kam Stephen B. Taylor (mit bürgerlichem Namen Steffen Schneider) die Idee zu diesem „Gruselmärchen mit Alptraumgarantie“. Für die Umsetzung stieg er tief hinab in die Katakomben seines Selbst, um dort die verborgenen Ängste zu ergründen und ans Tageslicht zu bringen. Zur besseren ‚Vorlesbarkeit‘ überarbeitete Lars Peter Lueg zusammen mit Stéphane Bittoun die Texte noch einmal und übernahm neben der Produktion auch die Regie. Die durchweg passende musikalische Untermalung stammt von den |Mountain Birds|.

Mit diesem Debüt-Werk, das im Herbst/Winter 2001 auf den Markt kam, fiel der Startschuss zu einer Reihe außergewöhnlicher Horror-Hörbücher aus der Schmiede von |LPL records|. Lars Peter Lueg wählt die Geschichten persönlich aus und sorgt für die notwendige dramaturgische Aufbereitung. Während er in den folgenden Jahren Oliver Rohrbeck, Sven Hasper und Frank Gustavus für die Regie verpflichtete, übernimmt er seit 2004 wieder selbst das Steuer.

_Eine Stimme, als käme sie direkt aus dem Fegefeuer_

Zum größten Teil verzaubert Stéphane Bittoun das Publikum und entführt die Hörerschaft in eine Welt des Grauens und der Angst. Dem |Gastgeber| jedoch leiht Lars Peter Lueg höchstpersönlich seine Stimme. Auf die Frage, wie es zu dieser Besetzung kam, antwortete LPL in einem Interview: |“Ich war schon für den Hessischen Rundfunk als Sprecher tätig, aber noch nie als Schauspieler! Aus Kostengründen war es uns einfach nicht möglich eine(n) weiteren Sprecher(in) zu engagieren. Daher musste ich einspringen. Da aber meine Stimme klingt, als käme sie direkt aus dem Fegefeuer war die Besetzung doch recht gelungen. Es hat sich jedenfalls noch niemand beschwert. ;-)“|
Dem habe ich nichts entgegenzusetzen, denn Anlass zu Beschwerden birgt dieses Hörbuch in keiner Weise. Ausgenommen vielleicht einer schlaflosen Nacht, wenn eine zart besaitete Seele dieses Märchen kurz vor dem Schlafengehen zu hören wünscht.

|Stéphane Bittoun| (geboren am 12. Februar 1970) ist seit 1997 für Rundfunk, TV und Film tätig. Neben Regie und Schauspielerei begeistert er sich auch für das Erzählen spannender und lebendiger Geschichten. Mit viel Liebe kleidet er sich in die verschiedenen Rollen und haucht ihnen Leben ein. Seine deutsch-französische Herkunft eröffnet ihm viele Möglichkeiten und so arbeitet er unter anderem für schauspielfrankfurt, ARTE, den Hessischen Rundfunk und das ZDF.

Lars Peter Lueg lebt und arbeitet in einem kleinen hessischen Dorf an der |Deutschen Märchenstraße|. Dort hört er „die verlorenen Seelen in der Ferne schreien, wenn der Wind des Nachts über die Dächer streicht.“ Nach erfolgreichen Jahren als Freier Mitarbeiter beim HR, Tourmanager und Musikproduzent entschied sich LPL letztendlich, die Menschen das Fürchten zu lehren und verzaubert uns seither mit seiner „Gänsehaut für die Ohren“.

Ich komme nicht umhin: Dieses Gruselmärchen wirkt wie eine gelungene Synthese aus alten Mären und dem subtilen Grauen eines H.P. Lovecraft. Zu guter Letzt bleibt mir nur noch, euch einen schaurigen Hörgenuss zu wünschen.

_CD1_
Der Anfang |(03:09)|
Eine Nacht auf dem See |(16:13)|
Der Trank |(16:14)|
Gevatter Tod |(24:24)|

_CD2_
Drei Uhr |(00:30)|
Frisches Fleisch |(14:01)|
Bruder Lukas |(17:49)|
Furcht |(36:25)|
Das Ende |(03:07)|

Verne, Jules – Reise um die Erde in achtzig Tagen

Mit diesem Hörbuch präsentiert der |Hörbuch Hamburg|-Verlag einen der großen Klassiker aus der Feder Jules Vernes, vorgetragen auf sechs CDs von Rufus Beck.

Der exzentrische englische Gentleman Phileas Fogg ist ein Mann der Gewohnheit. Den Großteil seines perfekt durchorganisierten Tages verbringt er dabei in einem vornehmen englischen Herrenclub Londons, dem Reformclub. Im Herbst des Jahres 1872 beherrscht ein Bankräuber, welcher eine enorme Summe Geld gestohlen hat, die Londoner Tagespresse. Die Mitglieder des Reformclubs debattieren über die Wahrscheinlichkeit, den Dieb zu finden und dingfest zu machen. Foggs meint, man würde den Täter schon finden, da aufgrund der zunehmend besseren Verkehrsbedingungen jeder Ort der Welt schnell zu erreichen sein. Er geht sogar so weit zu behaupten, dass es möglich sei, die Erde in lediglich achtzig Tagen zu umrunden. Diese Aussage bringt ihm den Spott der anderen Gentlemen ein, sodass Phileas Fogg auf der Stelle 20.000 Pfund – die Hälfte seines Vermögens – wettet und sich fast augenblicklich auf die Reise macht, um den anderen Herren den Beweis seiner These zu liefern. Sein neu eingestellter französischer Diener Passepartout, welcher auf der Suche nach einer ausgeglichenen Tätigkeit war, begleitet ihn auf der abenteuerlichen Reise. Per Eisenbahn, Schiff, Ballon und auf dem Elefantenrücken nehmen die beiden den Wettlauf mit der Zeit auf. Dabei haben sie jede Menge Gefahren zu bestehen, wie die Rettung einer jungen indischen Witwe vor dem Scheiterhaufen.

Die überstürzte Abreise Phileas Foggs in England resultiert jedoch in einer fatalen Konsequenz. Scotland Yard, vor allem der übereifrige Detektiv Fix, vermutet in Fogg den gesuchten Bankräuber. Dieser Verdacht erhält durch den ungewissen Ursprung von Foggs Vermögen weitere Nahrung. Fix macht sich auf den Weg, den vermeintlichen Verbrecher zu stellen.

Der 1873 erschienene Roman von Jules Verne ist ein Vorzeigeexemplar des klassischen Abenteuer- und Reiseromans des 19. Jahrhunderts. Exotische Orte, undurchsichtige Gefahren, moderne und skurrile Beförderungsmittel, dazu eine intelligente, spannende Handlung, welche mit einer Prise Humor gewürzt ist. Daher resultieren auch der anhaltende Erfolg des Buches, auch 130 Jahre nach dem Erscheinungsdatum, und die zahlreichen Verfilmungen und Variationen des Themas, wobei hier lediglich auf den monumentalen Film mit David Niven in der Rolle des Phileas Fogg hingewiesen werden soll. Hierbei ist interessant, dass sich der Blickwinkel im Laufe der Jahrzehnte geändert hat. Bei Erscheinen traf Jules Verne den Nerv der Zeit, die Gesellschaft befand sich in Aufbruchsstimmung und Verne propagierte wie in anderen Werken den unglaublichen technischen Fortschritt. Mit seinem Werk belegte er glaubwürdig, dass eine solche Reise in dieser Rekordzeit tatsächlich möglich sei. Heute muten der Roman und die beschriebenen Technologien natürlich altmodisch an und die Freude an dem Werk liegt zum Teil auch in der ausgestrahlten Nostalgie begründet. Der unumstrittene Glaube an die moderne Technik ist sicherlich heute einem gewissen technologischen Misstrauen gewichen und so denkt man sich bei vielen Abschnitten der Reise von Fogg und seinem treuen Begleiter, wie schön und unberührt die Natur einst war.

Das Hörbuch stellt eine erstklassige Umsetzung des Romans dar, was hauptsächlich an dem Sprecher Rufus Beck liegt. Er schafft es durch die wohlklingende Intonation und seine klare Sprechweise, den Zauber des Buches an den Hörer weiterzugeben. Die verschiedenen Ton- und Stimmlagen passen sowohl zu dem Erzähler als auch zu den zahlreichen unterschiedlichen Charakteren. Die beiden Protagonisten, Phileas Fogg und Passepartout, werden mit all ihren Eigenheiten und Facetten widergegeben. Neben der nasalen, etwas arroganten Sprechweise des Phileas Fogg, eines Upperclass-Gentlemans des 19. Jahrhundert, hat mich besonders der Kontrast zu seinem Diener beeindruckt. Es gelingt Beck nicht nur, den französischen Akzent glaubhaft zu imitieren, sondern auch die liebenswürdige Art des Passepartouts darzustellen. Noch intensiver als beim Lesen des Romans wächst einem dieser einzigartige Butler ans Herz. Das ist wirklich eine außergewöhnliche Leistung. So vergeht die Zeit wie im Flug und schon ist der Hörer am Ende der Geschichte und bei der letzten CD angelangt und würde am liebsten wieder von vorn beginnen.

Jules Verne wurde 1828 in Nantes geboren. Neben H. G. Wells in England und Kurd Laßwitz in Deutschland gilt er häufig als der Hauptbegründer der Science-Fiction-Literatur und ihr einflussreichster Wegbereiter. So beschrieb er viele technische Errungenschaften vor ihrer tatsächlichen Erfindung. Seinem anfänglich absoluten Glauben an den technischen Fortschritt folgte in späteren Jahren eine kritischere Auseinandersetzung mit den sich ergebenden gesellschaftlichen Konsequenzen. Bis zu seinem Tod im Jahre 1905 schrieb Verne über neunzig Romane.

Rufus Beck, Jahrgang 1957, arbeitete als Theater- und Filmschauspieler in den verschiedensten Rollen, bis er ab dem Jahr 2000 durch seine Tätigkeit als Sprecher der Harry-Potter-Bücher zahlreiche Preise erhielt und seither zu den begehrtesten Sprechern für Hörbuchproduktionen zählt.

Byron, Lord / Polidori, John William – Vampyr, Der – Die Erzählungen

2004 beschenkte |Ripper Records| die Hörspielfans mit [„Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=525 – einer sowohl unterhaltsamen als auch klugen Bearbeitung der berühmten Anekdote um die Entstehung zweier vampirischer Urtexte: Byrons „Ein Fragment“ und Polidoris „Der Vampyr. Eine Erzählung“. Der exzentrische Byron nämlich war zusammen mit seinem Leibarzt Polidori in die Schweiz geflohen (wohl vor Geldeintreibern und empörten Müttern junger respektabler Mädchen) und verbrachte dort den Sommer zusammen mit Percy und Mary Shelley sowie deren Cousine Claire Clairmont. Man vertrieb sich die Zeit mit dem Lesen von Gespenstergeschichten, die Percy Shelley so schockierten, dass er einen Nervenzusammenbruch erlitt. Die Dichter beschlossen, sich jeweils selbst an einer Gespenstergeschichte zu versuchen. Mary Shelleys Beitrag zum Wettstreit ist wohl der heute berühmteste: Ihr gab der „Gespenstersommer am Genfer See“ die Idee zu ihrem „Frankenstein“ ein. Byron verlor offensichtlich schnell das Interesse an der ganzen Sache, und so blieb sein Beitrag nur Fragment. Polidori jedoch, mittelmäßiger Arzt und verkappter Schriftsteller, beteiligte sich mit seiner schauerlichen Erzählung „Der Vampyr“.

Seine Erzählung war offensichtlich ein kaum verhüllter Exorzismus der unerträglichen Beziehung zu seinem Brotgeber Byron, den er in „Der Vampyr“ als ruchlosen Blutsauger darstellt, der Jagd auf unschuldige Mädchenhälse macht und den Erzähler Aubrey damit zunächst ins Unglück und schließlich in den Tod stürzt. Der junge und naive Aubrey nämlich fühlt sich in der englischen Gesellschaft sofort von dem exotischen und weltgewandten Lord Ruthven angezogen und lädt ihn dazu ein, die Grand Tour durch Europa mit ihm zu absolvieren. Auf dem Kontinent angekommen, häufen sich jedoch bald die Verdachtsmomente, dass es sich bei Ruthven um einen Mann von fragwürdigem Lebenswandel handelt, und Aubrey versucht, sich von ihm zu trennen. Er setzt die Reise allein fort, doch offensichtlich folgt ihm Ruthven, tötet ein griechisches Mädchen und setzt, wieder in England, Aubreys Schwester nach.

Polidoris Erzählung mag literarisch kein großer Wurf sein, doch stellt sie erstmals ausführlich die Urform des romantischen Vampirs vor, wie er uns auch noch heute geläufig ist. Ruthven ist blass und von einem gewissen Weltschmerz geplagt. Er ist weltgewandt, exzentrisch, verführerisch und dabei ohne jede Moral. Auch heute noch bedienen sich Autoren von Vampirromanen gern bei diesen Charakteristika und das macht den „Vampyr“ auch heute noch so gut lesbar, auch wenn nirgends von Kreuzen, Knoblauch oder Holzpflöcken die Rede ist.

Byrons „Fragment“ dagegen umfasst nur ein paar Seiten und bricht, leider, genau an der spannendsten Stelle ab. Und so ist die Betitelung mit „Der Vampyr. Ein Fragment“ für dieses Hörbuch ein wenig irreführend, da durchaus nicht klar wird, um was für ein Wesen es sich bei Darvell handeln soll. Dieser zeigt zwar auch die mittlerweile bekannten Charakteristika des Vampirs (reich, exzentrisch, gebildet, melancholisch), doch kann man ihn ansonsten nur schwer mit dem gemeinen Blutsauger in Verbindung bringen. Auch er wird vom Ich-Erzähler zur Grand Tour eingeladen. Doch als die beiden auf einem türkischen Friedhof ankommen, erleidet Darvell einen unvorhergesehenen Schwächeanfall, dem er einige Tage später erliegt. Jedoch nicht, ohne dem Ich-Erzähler das Versprechen abzuringen, nichts von seinem Tod verlauten zu lassen und ihm genaue Instruktionen zum Umgang mit seiner Leiche zu hinterlassen. Nun wäre es natürlich interessant zu wissen, welche Art Wiederauferstehung Darvell geplant hatte, doch – wie bereits erwähnt – hält uns Byron dieses Wissen vor und bricht die Erzählung überraschend ab.

„Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“ behandelte die Ereignisse rund um die Entstehung der beiden Texte und flocht auch einige Ausschnitte aus den Erzählungen mit ein. Dies scheint die Hörer neugierig gemacht zu haben, denn mit „Der Vampyr. Die Erzählungen“ hat Ripper Records die beiden zugrunde liegenden Texte nun auch als Hörbuch zugänglich gemacht. Die Sprecher wurden beibehalten: Joachim Tennstedt, der im Hörspiel den Byron sprach, liest nun dessen Erzählung. Und Andreas Fröhlich, der Polidori mimte, gibt dessen „Vampyr“ zum besten. Beide lesen in gewohnter Qualität und versuchen, die Atmosphäre einer abendlichen Geschichtenlesens zu evozieren, wie sie wohl am Genfer See stattgefunden haben muss. Im Hintergrund knackt ein Feuer, es rollt der Donner (der Sommer 1816 war von heftigen Gewittern durchzogen) und man kann sich der Vorstellung nicht erwehren, Polidori und Byron säßen uns im Ohrensessel gegenüber und läsen ihr neuestes Manuskript.

So kommt das Hörbuch ganz ohne große Knalleffekte oder Überraschungsmomente aus. Die Erzählungen wirken ausschließlich aus sich selbst heraus, zum Leben erweckt von zwei großartigen Sprechern. „Der Vampyr. Die Erzählungen“ vervollständigt das Hörspiel „Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“. Die Appettithäppchen, die im Hörspiel aus den beiden Erzählungen geliefert wurden, werden hier in einem intimen Mahl aufgetragen. Wen das Hörspiel also neugierig gemacht hatte, dem wird hier geholfen. Wer die beiden Erzählungen ohnehin aus Anthologien kannte, wird ihnen in der Hörbuchfassung durchaus noch neue Seiten abgewinnen können. Ein Gewinn ist das Hörbuch also in jedem Fall!

Die CD ist im Handel oder direkt unter http://www.ripperrecords.de erhältlich.

Wolfgang Hohlbein – Am Abgrund (Die Chronik der Unsterblichen 1)

Transsilvanien im 15. Jahrhundert: Andrej Delãny reitet, scheinbar ziellos, durchs Land. Nach dem Tod seiner Frau gibt es für ihn keinen Platz mehr auf dieser Erde. Allerdings trägt ihn sein Pferd geradewegs in sein Heimatdorf Borsã, wo ihn eine böse Überraschung erwartet. Das ganze Dorf ist ausgestorben, eine große Anzahl der Bewohner liegt hingemetzelt im Wehrturm und der einzige Überlebende, ein kleiner Junge namens Frederic, erzählt ihm von einem furchteinflößenden Inquisitor. Das Dorf sei mit dem Teufel im Bunde, behauptete der, und so schlachtete man einen Teil der Dörfler hin und nahm den Rest gefangen.

Wolfgang Hohlbein – Am Abgrund (Die Chronik der Unsterblichen 1) weiterlesen

Lumley, Brian – Necroscope 2 – Vampirblut

„Vampirblut“, das ist der zweite Teil von Brian Lumleys Mammut-Vampirsaga „Necroscope“. Während im ersten Teil, [„Das Erwachen“, 779 hauptsächlich Figuren und Settings eingeführt wurden, geht in „Vampirblut“ nun endlich die Handlung los. Zunächst werden die Erzählungen der beiden Gegenspieler wieder aufgegriffen. Da wäre auf der einen Seite der Engländer Harry Keogh. Er selbst bezeichnet sich als Necroscope – als jemand, der mit den Toten reden kann. Da er weltweit offensichtlich der einzige Lebende mit dieser Gabe ist, sind die Toten geradezu wild darauf, mit ihm zu reden. Sie bezeichnen ihn als Freund und versuchen, ihm in schwierigen Situationen zu helfen. Demgegenüber steht der für den russischen Geheimdienst arbeitende Nekromant Boris Dragosani. Seit seiner Kindheit hat er einen außergewöhnlichen Mentor, nämlich den in seinem rumänischen Grab gefangenen Vampir Thibor Ferenczy. Dessen Weltübernahmepläne fangen langsam an auf seinen Schützling abzufärben, sodass Dragosani beschließt, seinen Vorgesetzten Borowitz aus dem Weg zu räumen, um das sowjetische E-Dezernat (eine geheime Einrichtung zur Spionage mittels übersinnlicher Fähigkeiten) selbst zu übernehmen.

Während im ersten Band die Geschichten um Keogh und Dragosani noch nebeneinander herliefen und keine Berührungspunkte aufwiesen, so wird dieser Makel in „Vampirblut“ mehr als behoben. Lumley flicht nämlich ein kompliziertes Netz von Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den englischen und sowjetischen Geheimdiensten und gibt der gerade startenden Handlung damit Pepp und Potenzial. Keogh beschließt, seinen Stiefvater Viktor Shukshin zu töten, der für den Tod von Harrys Mutter verantwortlich ist. Um diesen Mord nach seinen Wünschen ausführen zu können, trainiert er hart und wird während seiner Vorbereitung vom englischen E-Dezernat kontaktiert. Dessen Chef, Keenan Gormley, möchte Harry anwerben, da dessen Fähigkeiten einzigartig und herausragend sind.

Doch nun fängt der sowjetische Geheimdienst an dazwischenzufunken. Dragosani und sein neuer Partner Max Batu werden nach England geschickt. Sie sollen ebenfalls Shukshin elegant um die Ecke bringen, da es sich bei ihm um einen getürmten sowjetischen Spion handelt. Bei dieser Aktion stoßen sie allerdings unfreiwillig mit Harry Keogh zusammen, der somit die Aufmerksamkeit des sowjetischen E-Dezernats auf sich zieht. Als Dragosani dann auch noch Gormley beseitigen lässt, fühlt sich Harry persönlich beleidigt und beschließt, etwas gegen die sowjetischen Angriffe zu unternehmen …

„Vampirblut“ bietet für jeden etwas. Liebhaber von Spionage-Romanen werden hier geeignetes Lesefutter finden. Lumley verwebt englischen und sowjetischen Geheimdienst auf interessante Weise und die Beziehungen und Animositäten zwischen beiden werden in den zukünftigen Bänden sicher noch anwachsen. Mit der Idee des E-Dezernats gibt er den Geheimdiensten einen übersinnlichen Touch, um seine Figuren exotischer und abwechslungsreicher gestalten zu können.

Auch Fans des klassischen Horrors kommen auf ihre Kosten. In „Das Erwachen“ war von Vampiren ja noch nicht viel zu sehen, doch das ändert sich hier schlagartig. Thibor Ferenczy wird als Charakter weiter ausgebaut und Dragosani trifft auf einen rumänischen Vampirexperten, der Licht auf die Unklarheiten wirft, die der erste Band aufgeworfen hat. Lumley gelingt es, einen völlig entromantisierten Vampir zu präsentieren, indem er Vampirismus zu einer medizinischen Pathologie macht. Der Vampir selbst ist ein Parasit, ein ekliges Ding, das in seinem Wirt Eier legt und daraufhin im menschlichen Körper komplett neue innere Organe ausbildet. Diese Vorstellung ist gewöhnungsbedürftig, aber gleichzeitig originell. Vor allem führt sie auch dazu, dass man Thibor als Charakter kaum einschätzen kann. Lügt er Dragosani ständig an? Oder hat er vor, seine Versprechen zu halten?

Der dritte große Themenkomplex, der in „Das Erwachen“ ebenfalls nur angedeutet wurde, sind Mathematik und Physik. Harry scheint ein besonderes Interesse für Formeln und Zahlen zu besitzen und so macht er sich auf zum Grab des Mathematikers Möbius, um von ihm das Teleportieren zu lernen. Wie man dies mit Zahlen und Schleifen erreichen kann, wird zwar irgendwie erklärt, der Sinn hinter diesen Ausführungen wird den meisten Lesern aber sicherlich verborgen bleiben. Für Mathe-Analphabethen sind diese Passagen von „Vampirblut“ unverständlich und damit langatmig. Sie bringen die ansonsten spannende und zügige Handlung zu einem Stillstand und führen zu einigen Hängern in der Story.

Doch trotzdem kann man sich von „Vampirblut“ gut unterhalten lassen. Lumleys Erzählung gewinnt im zweiten Teil auffallend an Fahrt und Komplexität, was Hör-Spannung garantiert und für zukünftige Bände hoffen lässt. Natürlich verdankt das Hörbuch auch dem Sprecher Helmut Krauss, dass es beim Hörer den beabsichtigten Grusel erzeugt. Krauss ist unter anderem als deutsche Stimme von Marlon Brando bekannt und seine maskuline und selbstbewusste Stimme gibt dem Text andere Akzente als es sein Vorgänger in „Das Erwachen“ tat (dort sprach Joachim Kerzel). Gerade Thibor Ferenczy ist hier eher ein zweideutiger Charakter denn ein geradliniger Bösewicht. Auf die markanten und beunruhigenden Ausrufe Thibors („Ahhhhhh, Dragosaaaaani!“), die Joachim Kerzel im ersten Teil mit Spaß auf den Silberling brachte, hofft man hier allerdings vergebens. Ebenfalls trägt die Musik von Andy Matern zur Atmosphäre bei, der ein Thema auf immer wieder neue Weise variiert. Gut gelungen!

„Vampirblut“ ist der eigentliche Anfang der Serie um Harry Keogh, denn erst hier setzt die Handlung richtig ein. Die Story ist flott erzählt (der Roman wurde für die Hörbuchfassung leicht gekürzt) und endet mit einem echten Paukenschlag, der sofort Lust macht, sich den dritten Band vorzunehmen.

Tolkien, John Ronald Reuel – Elbenstern, Der

In dem Dorf Großholzingen lebte einst ein Schmied, der – sei es durch Glück oder die Vorsehung – in den Besitz eines magischen Elbensterns gelangte.

Als Kind nahm er an einem ganz besonderen Fest teil, das nur alle paar Jahre stattfindet. Der Meisterkoch des kleinen Örtchens liefert zu dieser Gelegenheit stets sein Meisterwerk ab: Eine Torte, die ihn in den kulinarischen Annalen von Großholzingen unsterblich machen soll. In jenem besonderen Jahr, zu dem das Fest wieder einmal stattfand, war jedoch gerade ein besonders schlechter und fauler Mann Meisterkoch und nur mit Hilfe seines Lehrlings gelang es ihm überhaupt, eine Torte zu diesem Anlass zu präsentieren.
Da es üblich war, allerlei Tand, wie wertlose Münzen u. ä. in dem Backwerk zu verstecken, tat er auch den merkwürdigen Stern hinein, den er in der Gewürzkiste seines unter seltsamen Umständen hinfortgegangenen Vorgängers fand. So kam der Sohn des Schmiedes in den Besitz des Elbensterns, denn er verschluckte ihn versehentlich und war von nun an für alle, die es zu sehen vermochten, ein Besucher beider Welten: Der Stern der Elben leuchtete von Stund an auf seiner Stirn.

So begleitet der Zuhörer den Schmied durch ein ereignisreiches Leben. In dieser Welt ist er ein angesehenes Mitglied seiner dörflichen Gemeinschaft und ein Schmied ohnegleichen. Was er in seiner Schmiede aus Metallen macht, grenzt an Zauberei und erfreut das Auge ebenso, wie es sich im Alltag als nützlich erweist. Als Mann von Ehre und Gewissen nutzte er sein herausragendes Talent niemals, um eine Waffe herzustellen; obgleich ihm klar war, dass ein Schwert oder ein Speer aus seiner Schmiede den Stoff für Legenden geboten hätte, war ihm das Leben doch zu heilig, um seine Kunst einem so fürchterlichem und destruktiven Zweck zu unterstellen.

Im Land der Elben, das er dank seines wundersamen Sterns ebenfalls bereisen kann, ist er ein Wanderer, der die Wunder zu schätzen weiß und den sein Herz voller Liebe immer wieder in das geheimnisvolle Reich jener Wesen zieht – auch wenn er weiß, dass er dort nur Gast sein kann.

Was es jedoch mit dem geheimnisvollen Stern auf sich hat, wieso gerade er ihn bekommen hat und all die anderen Fragen, die sich im Laufe der Geschichte herauskristallisieren, das wird der freundliche Schmied erst am Ende eines langen und glücklichen Lebens erfahren.

Mit dem Namen Tolkien kann man dieser Tage eine Menge Geld machen, und da wäre es doch dumm, sich auf den „Herrn der Ringe“ zu beschränken. Schon munkelt man von einer Verfilmung des „Kleinen Hobbits“, Tand und Schrott aller Art – Hauptsache, es hat irgendetwas mit dem Kultautoren zu tun – erscheinen massenhaft und da bringt der Hörverlag also den „Elbenstern“ als Hörbuch heraus. Man mag sich seinen Teil dazu denken, doch kann man den Hype offensichtlich auch zu positiven Zwecken nutzen.
„Der Elbenstern“ ist ein wundervolles und poetisches Märchen – nicht mehr und nicht weniger. Wer also Fantasy erwartet, ist hier sicher falsch. Kein orkmordender Legolas und auch kein weiser Elrond, Tolkien präsentiert die Elben hier ganz in der Tradition der englischen Märchen und Sagen und schafft natürlich dennoch eine Synthese aus den überlieferten Volksmärchen und seiner eigenen Welt.
Tatsächlich ist es nicht uninteressant, festzustellen, wo Tolkien ihm wichtige Gedanken aus dem „Herrn der Ringe“ auch im „Elbenstern“ aufgreift, etwa seine berühmte Liebe zu den Bäumen oder auch das Sujet vom „kleinen Mann“, der es zu etwas ganz Besonderem bringt, ohne dabei seine Wurzeln zu vergessen.

Dass es sich beim „Elbenstern“ um ein Märchen handelt, bedeutet allerdings auch, dass sich die Geschichte in erster Linie an Kinder richtet. Ich höre jetzt natürlich schon den Aufschrei und lese vor meinen inneren Augen bereits die Anmerkungen sämtlicher Fans zu dieser Rezension, in denen sie versichern, dass sie den „Elbenstern“ auch als Erwachsene genießen und ihn allen wärmstens weiterempfehlen – meinetwegen. Fakt ist aber, dass sich die Figuren in typischer, märchenhafter Eindimensionalität bewegen, die Geschichte eigentlich keinen Höhepunkt hat, sondern stattdessen auf ihre moralische Botschaft hinsteuert und das alles in einem sehr gemächlichen Tempo.

Perfekt besetzt ist Joachim Höppner in der Rolle des Erzählers – dem Kinogänger dürfte er noch als Gandalf im Ohr sein. Seine ruhige und einfühlsame Art und Weise passt perfekt zum Stil der Kurzgeschichte, doch auch hier bedeutet dies zweierlei: Zwar ist Höppner ebenso poetisch und warmherzig wie der „Elbenstern“ selbst, doch klingt er auch ein bisschen zu sehr nach „Märchenonkel“, was sich insbesondere in den sehr pointiert vorgetragenen Dialogen zeigt.

Am Ende muss jeder selbst wissen, was er vom „Elbenstern“ hält. Im Gegensatz zum „Herrn der Ringe“ wird man vielleicht nicht automatisch verzaubert, sondern muss die Bereitschaft mitbringen, sich auf das Märchen einzulassen.
Kinder sind mit Sicherheit sehr gut bedient, Erwachsenen dürfte die recht simpel gestrickte Geschichte mit ihrem gemächlichen Tempo vielleicht doch ein wenig zu einfach geraten sein.
Die durch die Erzählung herausgestellte Moral, die immerhin nicht ganz so aufdringlich wie in klassischen Märchen daherkommt, ist aber in jedem Fall mehrheitsfähig: Ein Plädoyer für die Macht der Phantasie – wer könnte da schon nein sagen?

_Marcel Dykiert_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|