Archiv der Kategorie: Hörspiele / Hörbücher

Berndorf, Jacques – Eifel-Feuer

Siggi Baumeister ist wieder mal auf der Suche nach einer Titelstory. Und die wird ihm prompt und überraschend geliefert. Als er General Otmar Ravenstein in seiner Jagdhütte in der Eifel besuchen will, stößt er nur noch auf dessen sterbliche Überreste. Der von der NATO als extrem wichtig eingestufte Logistikexperte für militärische Großeinsätze ist mit einer Maschinenpistole grausam hingerichtet worden. BND, MAD, CIA und der Geheimdienst der NATO sind nach nur wenigen Minuten zur Stelle und verpassen dem neugierigen Journalisten sofort einen Maulkorb.

Doch der „politisch ungehorsame“ Baumeister recherchiert trotz Nachrichtensperre auf eigene Faust weiter und findet schnell heraus, dass Ravenstein den Drahtziehern eines politisch motivierten Attentats dicht auf den Fersen war. Entscheidende Schützenhilfe erhält er von seinem Freund Rodenstock, der als hauptamtlicher Kommissar über das nötige Fingerspitzengefühl und kriminalistisches Fachwissen verfügt. Von nun an bestreiten sie gemeinsam den Wettlauf mit den Geheimdiensten, die alle Spuren des Verbrechens verwischen und die Identität des Mörders vertuschen wollen.

Jacques Berndorf (= Michael Preute) gelingt es mit diesem Kriminalroman, der Eifel internationales Flair zu verleihen und sie glaubhaft zum Schauplatz raffinierter Verbrechen und unerhörter Skandale werden zu lassen. „Die Deutschen erreichen durchaus internationalen Standard“, lässt der Autor den ermittelnden CIA-Agent über den BND urteilen. Ein Etikett, das durchaus auch auf Berndorf als Krimi-Autor zutrifft. Eifel-Feuer kann in Dramaturgie und Figurenzeichnung durchaus mit amerikanischen Vorbildern Schritt halten, bei denen das Lokalkolorit dem Werk den letzten, vielleicht sogar entscheidenden Schliff gibt.

„Nichts ist so spannend wie ein Mord am schönsten Arsch der Welt“, hat Berndorf einmal über seine Krimis gesagt. Im Hörspiel wird es aber erst richtig spannend, wenn die Charaktere von den Sprechern glaubhaft mit Leben erfüllt werden. Baumeister wird von dem Schauspieler Jochen Kolenda kongenial als kaltschnäuziger und waghalsiger Journalist interpretiert, während Rodenstock uns durch seinen Sprecher Walter Gontermann mit der ihm eigenen trockenen und überlegenen Gelassenheit gegenübertritt. Auch dessen Freundin Emma, gesprochen von Marianne Rogee, lässt uns durch ihren Akzent wissen, dass Holland nur einen Steinwurf von der Eifel entfernt liegt.

Ein rundum gelungenes Hörspiel, das mit durchweg überzeugenden Sprechern besetzt ist und vom Soundtrack des Kinofilms „alaska.de“ atmosphärisch und dramaturgisch untermalt wird. Hierdurch hebt sich das vor zwei Jahren vom WDR produzierte Hörspiel noch einmal von den bereits sehr gelungenen szenischen Lesungen der Eifel-Krimis mit Dietmar Bär als Baumeister und Günter Lamprecht als Rodenstock ab.

_Jörg von Bilavsky_
|Die Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

Douglas Adams – Per Anhalter ins All

|In vielen der etwas lässigeren Zivilisationen am äußersten Ostrand der Galaxis hat der Reiseführer „Per Anhalter durch Galaxis“ die große „Encyclopaedia Galactica“ als Standard-Nachschlagewerk für alle Kenntnisse und Weisheiten inzwischen längst abgelöst. Denn obwohl er viele Lücken hat und viele Dinge enthält, die sehr zweifelhaft oder zumindest wahnsinnig ungenau sind, ist er dem älteren und viel langatmigeren Werk in zweierlei Hinsicht überlegen.
Erstens ist er ein bisschen billiger und zweitens stehen auf seinem Umschlag in großen, freundlichen Buchstaben die Worte KEINE PANIK.|

Aus: „Per Anhalter durch die Galaxis“

„Per Anhalter durch die Galaxis“ ist über den Status eines reinen Kultbuches längst hinaus: Man darf sagen, dass es längst ebenso sehr Eingang in die westliche Kultur gefunden hat wie Mickey Mouse, Batman oder die Simpsons – der Anhalter gehört für jeden Reisenden (und wer wäre das nicht?) längst zur Allgemeinbildung. In diesem Sinne will ich gar nicht lange mit einer (ohnehin bestens bekannten) Inhaltsangabe langweilen, sondern lieber einen Blick auf die skurrilen Personen werfen, die das Universum bevölkern.

Da wäre natürlich zunächst Arthur Dent zu erwähnen, einer der letzten Nachkommen jener vom Affen abstammenden Spezies, die den Planeten Erde bevölkerten und deren simples Gemüt man leicht daran erkennt, dass sie Digitaluhren noch immer für eine ganz tolle Sache halten. Zu Beginn der Erzählung teilen sich Arthurs Haus und dann auch sein Planet das gleiche Schicksal: Beide müssen einer Umgehungsstraße weichen. Die eine ist von der Stadtverwaltung geplant und liegt als Konzept im Klo des Kellers einer Behörde aus, die andere ist von der Rasse der Vogonen vorgesehen und war auf einem unserer Nachbarsterne zu begutachten. Arthur wie auch die Menschheit im Allgemeinen hätten also jede Chance gehabt, gegen das Bauvorhaben zu protestieren, nur haben es leider beide versäumt, ihre Ansprüche gelten zu machen und so muss man sich eben von Haus und Heimat trennen.
Natürlich ist die Sprengung der Erde ein Ereignis, dem man sich nur schwer entziehen kann, aber Arthur Dent hat Glück im Unglück, denn kurz bevor der Planet Erde in seine Bestandteile aufgelöst wird, trifft er auf …

… Ford Prefect. Ford ist zwar dem Äußeren nach ein Mensch, stammt aber tatsächlich von einem fernen Stern aus dem Beteigeuze-System. Sein Name resultiert aus schlampiger Recherche – er dachte, er wäre auf der Erde unauffällig. Er ist so eine Art freischaffender Journalist und schreibt Artikel für den „Anhalter“. Unglücklicherweise ist er vor einigen Jahren in dem abgelegenen Spiralarm gestrandet, der bis vor kurzem auch das Sonnensystem und die Erde enthielt und kommt nun nicht mehr weg. Immerhin gab ihm das genug Zeit, einen neuen und verbesserten Artikel über den seltsamen Planeten zu verfassen, auf dem er da gestrandet war. Der alte Eintrag „harmlos“ war der reichen Kultur und der Geschichte des Planeten und seiner ganzen Bedeutung nicht mehr so richtig würdig und so konnte er im Laufe der Jahre auf „weitgehend harmlos“ erweitert werden.

Ford ist um drei Ecken mit dem Präsidenten des Universums verwandt und ein erfahrener Reisender und Anhalter, weswegen er auch nie ohne Handtuch an Bord eines fremden Raumschiffes gehen würde. Mit den Vogonen hat er sich und Arthur Dent leider relativ ungemütliche Zeitgenossen als Gastgeber gesucht. Nicht nur, dass diese sie durch die Luftschleusen einfach ins Vakuum hinausbefördern wollen, sie geben auch vorher einige Kostproben ihrer berüchtigten Dichtkunst ab. Da der Tod in der Kälte des leeren Alls jederzeit der vogonischen Dichtkunst vorzuziehen ist, finden sich die beiden Freunde schnell auf der falschen Seite der Schleuse wieder, doch da geschieht das Unwahrscheinlichste, was hätte passieren können … Die „Herz aus Gold“ nimmt sie im selben Moment auf!

Das ist selbstverständlich so unwahrscheinlich, dass es quasi gar nicht vorkommt, aber das Raumschiff „Herz aus Gold“ hat einen Unwahrscheinlichkeitsdrive, der auf der Theorie der Instochastik basiert. Mit Hilfe der Instochastik können ein Raumschiffantrieb konstruiert werden, die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass sich eine Rakete in einen Wal verwandelt oder – und daran sieht man wirklich, um welche Potenzen es bei der Unwahrscheinlichkeitstheorie geht – Fehler in einer Restaurant-Rechnung gefunden werden!

Die „Herz aus Gold“, das modernste Schiff der Galaxis, wurde jedenfalls soeben von Zaphod Beeblebrox entführt. Dieser ist ein Egomane vom Herrn, Präsident der Galaxis, Abenteurer und Ex-Hippi. Als Präsident obliegt es seiner Pflicht, von den wahren Machtverhältnissen im Universum abzulenken und daher gilt er als einer der erfolgreichsten Männer, die dieses würdevolle Amt je innehatten. Er hat übrigens einen zweiten Kopf und einen zusätzlichen Arm. Trotz der körperlichen Unterschiede ist er mit Ford Prefect verwandt.

Ebenfalls an Bord der „Herz aus Gold“ befinden sich Tricia McMillan, genannt Trillian, eine lose Bekannte von Arthur Dent, die ihn mal auf einer Party hat abblitzen lassen und lieber mit Zaphod davongebraust ist (weswegen sie die Zerstörung der Erde auch überlebt hat) und der Roboter Marvin, der über ein Gehirn mit einer absolut fantastischen Rechenleistung verfügt und zudem mit einem echten menschlichen Persönlichkeitsprofil ausgestattet ist – er ist also ständig depressiv.

Zusammen mit diesen – nennen wir sie doch in Ermangelung eines besseren Begriffs „Leute“ – mit diesen Leuten also durchstreift Arthur Dent das Universum, erlebt Abenteuer, bekommt tiefere Einblicke in den Sinn des Lebens und muss dazu nicht einmal einen Pangalaktischen Donnergurgler trinken – eine Kreation von Zaphod, die sich anfühlt, als würde einem mit einem in Zitronenscheiben gehüllten Goldbarren das Gehirn rausgeprügelt werden …

Der Kreis schließt sich: Als Radiohörspiel hat das Kultbuch „Per Anhalter durch die Galaxis“ seinen Siegeszug begonnen und nun ist es dort auch wieder angekommen: Dazwischen liegen alle bekannten Formen der medialen Umsetzung eines Stoffes, sowie der Eingang des Werkes – oder doch zumindest einiger seiner Teile – in die westliche Kultur: „Per Anhalter durch die Galaxis“ gehört längst zum Kanon einer Literatur jenseits Marcel Reich-Ranickis.

Jeder Mensch, der auf die eine oder andere Art und Weise an Büchern interessiert ist, wird früher oder später auf dieses brillante Werk stoßen und nun hat |Der Hörverlag| eine Möglichkeit gefunden, es auch allen Lesemuffeln zugänglich zu machen.

Das Hörspiel ist erfolgreich bemüht, die abstruse Atmosphäre des Buches einzufangen und dabei jener legendären, beinahe mystisch verklärten BBC-Produktion nachzueifern, die nun auch schon demnächst ein Vierteljahrhundert alt ist. Dies gelingt souverän und die Gründe heißen Dieter Borsche, Klaus Löwitsch und Bernhard Minetti. Als Stimmen der Hauptdarsteller hauchen sie den Textzeilen des großen Douglas Adams Leben ein, sind so verrückt und überdreht, so seltsam und philosophisch, so gleichgültig und engagiert, wie die Helden der einzig bekannten fünfbändigen Trilogie. Es wäre jedoch unfair, nur diese Sprecher lobend zu erwähnen, denn auch und gerade die Nebenrollen sind liebevoll und mit viel Feingefühl besetzt, man denke nur an die Rede der Frau vor der Demonstration gegen die Errichtung der Schnellstraße durch Arthurs Haus – eine staunenswerte Leistung, die mich ungläubig und sprachlos vor den Boxen kauern ließ: Gerade in diesen Zwischentönen bzw. Zwischensequenzen brilliert die Hörbuchfassung ungemein.

Leider ist mir nicht bekannt, ob die textliche Vorlage des Hörspiels die der Originalfassung des „Anhalters“ ist, aus dem ja erst später ein Buch wurde, oder ob es sich um ein eigenes „Drehbuch“ handelt, aber so oder so sind die Kürzungen, die vorgenommen wurden, eine Reduzierung auf das Maximum. Schnell und witzig kommt die Geschichte nun daher, ohne jedoch auf den Tiefgang der Romanvorlage zu verzichten.

Die optische Gestaltung des Covers dürfte ganz im Geiste der ersten Erscheinungen des berühmten Buches sein, meine Uralt-Taschenbücher sehen jedenfalls so ähnlich aus … Löblich zu erwähnen ist auch die Trackunterteilung, die so angelegt ist, dass ein schnelles Wiederfinden einer bestimmten Szene oder die Wiederaufnahme nach Unterbrechung des Hörgenusses kein Problem darstellt.

Ein Ersatz zur Lektüre des „Anhalters“ ist das Hörbuch nicht – aber den kann und wird es sowieso nicht geben. Vielmehr bietet die Produktion von |Der Hörverlag| eine willkommene Möglichkeit, in die unendlichen Weiten des Douglasschen Kosmos einzutauchen, selbst, wenn das Buch nicht zur Hand ist. Somit kann es Kennern wie Neulingen nur wärmstens empfohlen werden – macht’s gut und danke für den Fisch.

_Marcel Dykiert_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

Andrascz Jaromir Weigoni – Zur Sprache bringen …

Die Integration von Mesnchen mit Behinderung in die ’normale‘ Gesellschaft ist ein Prozess, der schon seit Jahren schleppend vorangeht, aber von vielen leider nicht wahrgenommen wird bzw. nicht die verdiente Aufmerksamkeit, welche diese Menschen verdient haben, bekommt. Sicherlich steckt hinter dieser Aussage eine recht negative Wertung, die ich mir an dieser Stelle aufgrund des direkten Bezuges – ich selber arbeite hauptberuflich mit körperlich und geistig behinderten Menschen zusammen – auch sicher erlauben darf.

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Stoker, Bram – Dracula (Hörspiel)

Bram Stokers „Dracula“ als Hörspiel auf zwei CDs – eigentlich müsste das Liebhaber des viktorianischen Briefromans von 1897 ärgern, da es mit Sicherheit dazu führen wird, dass noch mehr Interessierte ihr Wissen über den untoten Grafen aus allem, nur nicht dem originären [Buch 210 beziehen werden. Doch auch wenn das Coverartwork der CDs der Verfilmung von Francis Ford Coppola entnommen ist, vermeidet das Hörspiel den Kardinalfehler des Films (nämlich die Liebesgeschichte zwischen Dracula und Mina) und hält sich erfreulich dicht an die Romanvorlage. Das wird schon in der Form deutlich, denn die Tagebucheintragungen und Briefe, die den Roman ausmachen, werden auch in der Hörspielbearbeitung von Sven Stricker übernommen.

Wir folgen also zunächst Jonathan Harker (gesprochen von Konstantin Graudus) nach Transilvanien, um dem exzentrischen Grafen Dracula (Felix von Manteuffel) ein Grundstück in London zu verkaufen. Gleichzeitig (ein Handlungsstrang, der für das Hörspiel vorverlegt wurde) lernen wir den Irrenarzt John Seward (Andreas Fröhlich) kennen, dem sein Patient Renfield Rätsel aufgibt. Harker wird es derweil auf Draculas Schloss immer mulmiger, bis der Graf sich auf die Reise nach London begibt und Harker in den Fängen von drei Vampirbräuten zurücklässt, die ihm sinnlich, aber trotzdem endgültig den Garaus machen sollen.

In London angekommen, verbeißt sich Dracula nun zunächst in die frisch verlobte Lucy (Anna Carlsson). Seward wird herangezogen, da Lucy immer blasser und schwächer wird. Doch da Seward keinen Rat weiß, benachrichtigt er seinen alten Mentor van Helsing (Gerd Baltus), der extra aus Amsterdam anreist, um sich das junge hübsche Ding anzuschauen. Gerade als der Kampf um Lucys Leben in die Endphase gerät, erhält ihre Freundin Mina (Céline Fontanges) Nachricht von ihrem Verlobten (Harker nämlich) und reist zu ihm nach Budapest, da er aus Draculas Schloss entkommen konnte und nun an einem starken Nervenfieber erkrankt ist. Als sie als frisch verheiratete Mina Harker wieder nach London kommt, ist Lucy bereits vollkommen vampirisiert und greift als „Blutige Lady“ kleine Kinder auf Spielplätzen an, um ihnen die Eckzähne in den Hals zu schlagen.

Den Männern um van Helsing bleibt nur die rituelle Pfählung, doch kaum ist das geschafft, macht sich Dracula an Mina ran. Auch sie wird gebissen, auch sie wird immer schwächer. Doch mittlerweile wissen die Jäger, mit was für einem Wesen sie es zu tun haben. Um die holde Mina zu retten, müssen sie nun Geld, Kombinationsgabe, Wissen und Glauben einsetzen, um den Grafen endgültig ins Jenseits zu schicken.

Die Hörspielfassung von Sven Stricker schafft es, die starken sexuellen Konnotationen des Romans von Bram Stoker fast vollständig zu eliminieren. Die heftig flirtende Lucy, die eigentlich am liebsten drei Männer heiraten würde, ist im Hörspiel überzeugend in Arthur Holmwood verliebt. Der Vampirismus, bei Stoker sowohl ein unbewusstes Symbol für weibliche Lust (außer Dracula selbst trifft es nur Frauen) als auch homoerotische Neigungen der männlichen Personage des Romans (Dracula beendet die Verführung Harkers durch die Vampirbräute mit einem kraftvollen „Dieser Mann gehört mir!“), ist im Hörspiel nur das: Vampirismus. Die Gewichtung liegt demnach auf der Darstellung der Grausamkeit des Vampirs und seiner Verfolgung und schließlichen Vernichtung. Dabei kann das Hörspiel einige Längen des Romans, vor allem gegen Ende, verhindern. Die ausführlichen Beschreibungen der Informationsgewinnung, die bei Stoker Seite um Seite füllen, werden hier effektiv zusammengekürzt, was dazu führt, dass die Handlung flotter voranschreitet. Allerdings führt es auch dazu, dass eine der wichtigsten Personen des Romans, Mina Harker nämlich, zur Damsel in Distress reduziert wird, wohingegen sie bei Stoker die männlich dominierte Romanwelt erfolgreich unterwandert, indem sie es ist, die die durchschlagenden Ideen liefert, die zum Sieg über den Vampir führen. Im Hörspiel ist dies nur noch durch ihr Dasein als Medium präsent, als sie durch ihre telepathische Verbindung mit Dracula die Verfolger auf die richtige Spur führen kann.

Unterschiede zwischen Roman und Hörspiel sind natürlich nicht zu vermeiden. Der auffallendste für den Romankenner ist wohl die Tatsache, dass Quincey Morris, amerikanischer Lebemann mit immensen finanziellen Mitteln, hier nicht vorkommt. Diese „Einsparung“ wird dem unbedarften Hörer jedoch nicht auffallen und es überrascht zu sehen, dass die Geschichte auch ohne Morris perfekt funktioniert. Der Hörer muss weniger Stimmen auseinanderhalten und die Handlung leidet darunter nicht.

Insgesamt ist Strickers Bearbeitung des Romanstoffes daher durchaus gelungen. Demjenigen, der sich nicht näher mit „Dracula“ beschäftigt hat, werden die beiden CDs einen solideren Einstieg vermitteln als jeder auf dem Markt befindliche Film, der behauptet, auf Stokers Roman zu fußen. Sowohl im Ton als auch in der Handlung bleibt das Hörspiel sehr dicht an der Vorlage und kann dabei noch mit gruseltauglichen Effekten überzeugen. Überblendungen, unheilschwangere Musik von Jan-Peter Pflug, heulende Wölfe und kreischende Vampirladies: Das alles macht das Hörspiel zu einem Ohrenschmaus. Und wem die Effekte gut gefallen, der kann sie sich über die Enhanced-Funktion der CD auch als „Realtone“ fürs Handy runterladen. In jedem Fall schicker als tanzende Nashörner!

Auch die Sprecher schaffen es ohne Ausnahme, ihren Charakteren Leben einzuhauchen. Besonders zu nennen sind hier Jörg Pleva, der Renfields zunehmenden Wahnsinn überzeugend darzustellen vermag, und Andreas Fröhlich, der als John Seward den Hörer über weite Strecken durch die Handlung führt. Auch Gerd Baltus, der seinen van Helsing als väterlich besorgten Freund anlegt, sollte hier Erwähnung getan werden.

„Dracula“ als Hörspiel lohnt sich, so einfach lässt sich das zusammenfassen. Die Bearbeitung ist rund und schafft es sogar, einige Längen des Romans auszubügeln. Wem die freudianische Interpretation des Romans egal ist (und das werden die meisten sein …), der wird an Sven Strickers Gewichtung der Themen nichts auszusetzen wissen. Er hat es geschafft, die besondere Stimmung, die den Roman ausmacht, in das Hörspiel zu transportieren und so bleibt die Faszination des Dracula-Stoffes auch in diesem Medium erhalten.

Maupassant, Guy de – HR Giger\’s Vampirric 4 – Der Horla

Die letzte CD aus HR Gigers Viererpack „Vampirric“, einer Hörbuch-Anthologie mit Vampirgeschichten, bietet noch einmal ein echtes Erlebnis. Dem Gruselfreund wird hier nämlich Guy de Maupassants „Der Horla“ (frz. „Le Horla“, 1887) vorgelesen, ein Klassiker der Vampirliteratur und ein Schmuckstück psychologischen Grusels.

Man verfolgt die Tagebucheintragungen eines zunächst lebensfrohen und naturverbundenen jungen Mannes: Er wohnt am Fluss in einem Häuschen, winkt den vorbeifahrenden Schiffen und spatziert durch die Wälder. Doch diese Idylle wird immer mehr gestört, als sich unser Protagonist Jean zunehmend schlapp und unwohl fühlt. Er schäft schlecht und leidet unter Albträumen. Letztlich beschließt er, dass er sich auf eine Erholungsreise begeben sollte. Ein weiser Entschluss, denn bei seiner Rückkehr fühlt er sich gesund und wohl. Doch schon nach der ersten Nacht im eigenen Haus stellen sich die Symptome wieder ein. Bald vermutet er sogar, dass er schlafwandelt, da aus seinem Krug des Nachts Wasser verschwindet, ohne dass er sich erinnern kann, es getrunken zu haben. Er fürchtet, wahnsinnig zu werden, doch bemerkt er, dass sich etwas anderes in seinem Haus herumtreibt, ein Wesen, das ihn nachts heimsucht und sich offensichtlich von Milch und Wasser ernährt, andere Speisen aber verschmäht. Gleichzeitig entzieht es Jean offensichtlich die Lebensenergie und zwingt ihm seinen Willen auf. Dieser Horla, so stellt sich das Wesen im Laufe der Erzählung vor, ist offensichtlich Teil einer Rasse, die evolutionär über dem Menschen steht und sich ihn Untertan macht. Jean pendelt daraufhin zwischen Verzweiflung und Wahn; ein Versuch, den Horla zu vernichten, schlägt fehl. Mit der Ausweglosigkeit der Situation konfrontiert, bleibt Jean nur noch eine Möglichkeit, sich dem Zugriff des Wesens zu entziehen: der Selbstmord.

Guy de Maupassant (1850-1893) ist dem Liebhaber französischer Literatur sicher kein Unbekannter. Als frischgebackener Beamter machte er seine ersten zögerlichen Schritte in der Schriftstellerei, war aber mit seinem Debüt „Fettklößchen“ gleich so erfolgreich, dass er sich fortan nur noch dem Schreiben widmete und einer der beliebtesten Autoren seiner Zeit wurde. Er war mit so bekannten Namen wie Flaubert oder Turgenev bekannt, bei Maupassants Tod 1893 hielt kein Geringerer als Emile Zola die Grabrede. Maupassants Leben endete in Wahnsinn. Schon früh litt er an einer Nervenkrankheit, die die damalige Medizin nicht zuordnen konnte: Sehstörungen, Angstzustände, Depressionen und partielle Lähmungen stellten sich in Schüben ein. Als sein Bruder durch ein ähnliches Leiden im Wahnsinn starb, war für Maupassant klar, dass ihm das gleiche Schicksal blühen würde. Unter diesem Licht lässt sich „Der Horla“ auch als Maupassants Auseinandersetzung mit dem fortschreitenden Wahnsinn lesen. Jean fragt sich an mehreren Stellen, ob er denn wahnsinnig geworden sei. Anstatt das Unmögliche und Unglaubliche zu akzeptieren, zieht er zunächst den Gedanken vor, selbst nicht mehr zurechnungsfähig zu sein. Dann, als das Unmögliche unwiderruflich bestätigt ist, drängt ihn gerade diese Gewissheit weiter an den Rand des Wahnsinns. Die Vorstellung, der Mensch sei nicht die Krönung der Schöpfung und nur Sklave eines höheren Wesens, raubt ihm den Seelenfrieden. Jeans Ringen um sein inneres Gleichgewicht zeigt Maupassant unverblümt in den schmerzhaft glaubwürdigen Tagebucheintragungen des Geplagten.

Gelesen wird die Geschichte diesmal von Torsten Michaelis, der sonst Wesley Snipes seine Stimme leiht. Dass er damit offensichtlich hoffnungslos unterfordert ist, beweist er hier eindrucksvoll. Mit samtener Stimme zieht er den Hörer in seinen Bann und klingt dennoch mit zunehmender Sprechzeit (und zunehmendem Wahnsinn) gehetzter, unkontrollierter und gebrochener. Innerhalb der 78 Minuten des Hörbuchs kann er damit eine ungeheure Bandbreite beweisen – und das mit nur einer Geschichte!

Qualitativ liegt diese CD ungefähr gleichauf mit „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“, das sich auf dem dritten Hörbuch findet. Welche Geschichte letztendlich das Rennen macht, ist Geschmackssache, beide jedoch bieten eine spannende Studie über das Innenleben eines vermeintlich Wahnsinnigen. Wer nicht alle vier CDs der Sammlung kaufen will, sollte sich jedoch zumindest diese beiden anschaffen. Jeweils eine gute Stunde gepflegten Nervenkitzels und Gruselns sind garantiert.

Wer nach dem Genuss von „HR Giger’s Vampirric“ immer noch nicht genug von vampirischen Geschichten hat, der kann sich das dazu passende Buch (erschienen bei |Festa|) zulegen. Für die Hörbücher wurden nämlich nur einige Erzählungen ausgewählt (sechs insgesamt), die Anthologie selbst bietet noch eine ganze Reihe mehr, nämlich insgesamt 23 Geschichten.

Alle vier Hörbücher im Überblick:

[HR Giger’s Vampirric 1: 581
Thomas Ligotti „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ und
Horacio Quiroga „Das Federkissen“

[HR Giger’s Vampirric 2: 582
Leonard Stein „Der Vampyr“ und
Amelia Reynolds Long „Der Untote“

[HR Giger’s Vampirric 3: 583
Karl Hans Strobl „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“

HR Giger’s Vampirric 4:
Guy de Maupassant „Der Horla“

Strobl, Karl Hans – HR Giger\’s Vampirric 3 – Das Grabmal auf dem Père Lachaise

HR Gigers Anthologie von Vampirgeschichten, die 2003 bei Festa unter dem Titel „HR Giger’s Vampirric“ erschienen ist, erlebt in Auszügen eine Neuauflage in vier Hörbüchern. Auf dem dritten Hörbuch findet sich Karl Hans Strobls Vampirerzählung „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“ – das Tagebuch eines Hunger leidenden Naturwissenschaftlers, der ein Jahr in einem Mausoleum auf eben jenem Pariser Friedhof zubringen will.

Ernest erfüllt das Testament einer offensichtlich übermäßig exzentrischen Russin. Diese Anna Feodorowna Wassilska hat nämlich verfügen lassen, dass derjenige zweimal 100.000 Franc erhält, der ein Jahr in ihrem Grabmahl zubringt. Ernest beschließt, dieses Jahr zur Beendigung seines Opus Magnus zu nutzen, mit dem er unsterblichen Ruhm in der Welt der Wissenschaft zu erringen sucht. Doch natürlich lockt den armen Privatgelehrten auch das Geld, mit dem er seiner Freundin Margot ein Leben in Sorglosigkeit bescheren könnte. Und die zwei üppigen Mahlzeiten, die ihm der einzige Diener der Wassilska – ein pockennarbiger Tatar namens Iwan – auf einem Wägelchen vorbeibringt, sind auch nicht zu verachten.

Ernest fragt sich immerhin, was diese außergewöhnliche Russin, die er nicht persönlich kennen gelernt hat, mit dieser seltsamen Verfügung bezwecken wollte. Jemanden in der Nähe zu haben, falls sie lebendig begraben wurde? Ein Schutz vor Grabräubern? Oder die sadistische Befriedigung zu wissen, wie sich jemand ein Jahr lang auf einem Friedhof quält? Diese Möglichkeit scheint Ernest am wahrscheinlichsten, nach allem, was er über die Wassilska in Erfahrung bringen konnte. Eine sinnenfrohe Frau aus der weiten Ferne Russlands, die in Paris offensichtlich Vergnügen und das Absonderliche suchte und auch nicht davor zurückschrecke, dem Bäckerlehrling Geld zu bieten, um ihn beißen zu dürfen. Spätestens hier schrillen bei Horrorkennern die Alarmglocken, doch Ernest ist ein zu treuer Naturwissenschaftler, als dass er sich von solchen Geschichten beunruhigen lassen würde. Er schwört, die Zeit im Grabmahl sinnvoll zu nutzen und sich von absonderlichen Begebenheiten nicht schrecken zu lassen.

Und tatsächlich schwant dem Hörer bald, dass im Grabmahl der Wassilska nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Die Zettel, die Ernest als Denkhilfen für sein Buch ordentlich sortiert hat, werden des nächtens im ganzen Grabmahl verstreut. Außerdem machen ihn das üppige Essen und die mangelnde Bewegung so fett, dass er in einem Augenblick der Klarheit erkennt, dass er wie eine Gans gemästet wird. Doch das Seltsamste ist wohl das grüne Licht, das sich Nacht für Nacht einstellt und den Marmor des Grabmahls weich macht.

Doch anstatt sich vor solchen Erscheinungen zu fürchten, lässt sich Ernest von Iwan Gerätschaften und Prismen bringen, um das Licht zu untersuchen. Eines Morgens jedoch findet er unter seiner auf einem Notizzettel notierten Frage nach der Natur dieses seltsamen Lichts die Antwort: „Es ist der Atem der Katechana“ – in seiner eigenen Handschrift. Halb wahnsinnig von dem Gedanken herauszufinden, was hier gespielt wird, bombardiert er Iwan mit Fragen nach dem unbekannten Begriff, während Margot immer öfter sein Grabmahl heimsucht, um ihn zum Abbruch dieses Jahres zu bewegen. Doch es kommt, wie es kommen muss. Ernest stellt fest, dass es sich bei der Wassilska um einen Vampir handelt, der nun jede Nacht in wilden Küssen über ihn herfällt und das Blut aus seinen fetten Adern saugt. Er lauert ihr auf, um sie zu vernichten… Doch bleibt der Hörer ohne letzte Gewissheit zurück: Ist Ernest tatsächlich wahnsinnig? Bildet er sich die Vampirin Wassilska nur ein? Oder handet es sich tatsächlich um eine Untote und tat Ernest das einzig Richtige?

Der Österreicher Karl Hans Strobl (1877- 1946) zählt zusammen mit Hanns Heinz Ewers zu den bedeutendsten Autoren deutscher Phantastik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Neben dem „Grabmahl auf dem Père Lachaise“ verfasste er mit „Das Aderlassmännchen“ noch eine weitere Vampirgeschichte, die in ihrer Komposition jedoch komplizierter als „Das Grabmahl auf dem Pere Lachaise“ ist. Strobls Erzählung ist innerhalb der Hörbuchreihe „HR Giger’s Vampirric“ ein wahrhaftes Highlight, wozu auch der Sprecher David Nathan – unter anderem als die deutsche Stimme von Johnny Depp bekannt („Savvy?“) – viel beiträgt. Nathan gibt der tagebuchartigen Erzählung Ernests Charaktertiefe. Auf der einen Seite ist er der forschungswütige, überspannte und an leichter Überschätzung leidende Physiker. Dann wieder ist er der geldgeile Egoist, der die Absonderlichkeit des Testaments der Wassilska erfolgreich verdrängt, um am Ende des Jahre die ausgesetzte Unsumme und täglich zwei warme Mahlzeiten zu kassieren. Und gegen Ende der Erzählung scheint durch Nathans Interpretation auch deutlich Ernests zunehmender Wahnsinn durch – gerade hier kann David Nathan brillieren und dem Zuhörer mit Leichtigkeit Schauer über den Rücken laufen lassen.

Wirklich unheimlich und gruslig wird Strobls Erzählung erst gegen Ende. Bis dahin resultiert das Gefühl des Unwohlseins beim Hörer hauptsächlich aus dem ungewöhnlichen Setting und den seltsamen Begebenheiten, denen Ernest aber mit positivistischer Einstellung gegenübertritt. Diesen subtilen Grusel jedoch kann Strobl über die gesamte Erzählung hinweg aufrechterhalten, sodass „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“ keine Längen aufweist und konstant Spannung erzeugt wird. Dieser Teil der „Vampirric“-Reihe ist definitiv der Höhepunkt der vier Hörbücher. Daher heißt es: Kaufen, kaufen, kaufen!

Alle vier Hörbücher im Überblick:

[HR Giger’s Vampirric 1: 581
Thomas Ligotti „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ und
Horacio Quiroga „Das Federkissen“

[HR Giger’s Vampirric 2: 582
Leonard Stein „Der Vampyr“ und
Amelia Reynolds Long „Der Untote“

HR Giger’s Vampirric 3:
Karl Hans Strobl „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“

[HR Giger’s Vampirric 4: 584
Guy de Maupassant „Der Horla“

Stein, Leonhard / Long, Amelia Reynolds – HR Giger\’s Vampirric 2 – Der Vampyr / Der Untote

„HR Giger’s Vampirric“ – eine Sammlung von vier Hörbüchern mit Vampirkurzgeschichten, die jeweils einzeln erhältlich sind -, wartet mit einigen Überraschungen auf. So finden sich auf der zweiten CD zwei Erzählungen von Autoren, die heute fast vollkommen in Vergessenheit geraten sind. Den Anfang macht Leonhard Steins „Der Vampyr“ (1918), gefolgt von der etwas kürzeren Geschichte „Der Untote“ (amerik. „The Undead“, 1931) der Amerikanerin Amelia Reynolds Long, die für sich in Anspruch nehmen kann, eine der ersten weiblichen Science-Fiction-Autoren gewesen zu sein.

In Steins Erzählung trifft der Hörer auf den nur leidlich sympathischen Büroangestellten Hermann Samassa. Samassa führt ein kleinbürgerliches Leben, ist geizig und so gefühlsarm, dass er selbst für seine Verlobte keine echte Begeisterung aufbringen kann und mit ihren Liebesbezeugungen hoffnungslos überfordert ist. Samassa nun trifft seinen Untergang in Form der neuen Schreibkraft in seinem Büro – ein abstoßendes Weibsbild mit strähnigen Haaren und einem Buckel. Ihr rotes Haar und ihre funkelnden grünen Augen markieren sie sofort als eine diabolische Frau und tatsächlich hat sie es offensichtlich auf den kleinlichen Büroangestellten abgesehen. Das Zettelchen, das sie ihm zukommen lässt, zerknüllt dieser entsetzt. Doch stellt er bald fast, dass die Neue im gleichen Haus wohnt wie er und ihn fortan jede Nacht heimsucht, um ihm ihren einen langen beinernen Zahn in die Brust zu stoßen. Der Arme wird zusehends schwächer und versucht, den Blutverlust mit herzhaftem Essen und starken Rotweinen auszugleichen. Gleichzeitig wird die Vampirin immer schöner – die strähnigen Haare wandeln sich in eine Mähne und der Buckel verschwindet ganz. Samassa erweist sich als Hasenfuß. Anstatt es mit der Vampirin aufzunehmen, bringt er sich selbst aus der Schusslinie, indem er ihr seine Verlobte Clara als Futter zuschanzt. Doch damit stürzt er nur alle Beteiligten ins Unglück.

Über Leonhard Stein ist heute nichts mehr bekannt, doch seine Geschichte mutet typisch für die Zeit an, in der sie entstanden ist. Stein verlegt die Handlung in ein modernes Ambiente – ein Büro – und konfrontiert den Leser mit einer Menagerie entfremdeter Charaktere. Die Vampirin lebt offensichtlich nur für den nächtlichen Bluttrunk. Und Samassa selbst ist so entmenschlicht, dass er seine Verlobte in den Tod schickt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Allerdings verwendet Stein trotz dieses modernen Settings auch altbekannte Elemente: Rote Haare und grüne Augen weisen die Vampirin als Hexe und Femme Fatale aus. Je mehr Blut sie zu sich nimmt, desto mehr erblüht auch ihre Schönheit, während ihr Opfer immer mehr dahinsiecht. Auch das Motiv, dass sie im Moment des Todes so etwas wie inneren Frieden zu finden scheint, wird in vielen Erzählungen verwendet. Besonders interessant ist jedoch ihr einzelner Vampirzahn (überhaupt der einzige Zahn in ihrem Mund), der mit seinen eindeutig phallischen Konnotationen mehr als beunruhigend anmutet. Steins Erzählung bietet ein gutes Beispiel dafür, wie man sich den Vampir zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorstellen muss: Keine verwunschenen Schlösser, sondern profane Bürogebäude. Keine alten Münzen, die wie bei [„Dracula“ 210 einfach so in der Ecke rumliegen, sondern die proletarische Vampirin, die für ihre Miete arbeiten muss. Und ein unfreiwilliger Vampirjäger, der kleinbürgerlich und überängstlich ist.

In „Der Untote“ geht es um das Brüderpaar Henry und James. James, der im Sterben liegt, teilt seinem Bruder mit, dass er noch einen Zwillingsbruder George habe, dem er das Anwesen vererben würde. Sollte George sechs Monate nach James’ Tod noch nicht eingetroffen sein, so würde das Erbe an Henry fallen. Sagte es … und starb. Henry ist verwirrt, hat er doch noch nie etwas von diesem George gehört. Dieser trifft aber tatsächlich etwas später ein, gibt bekannt, dass er im Turm zu leben wünsche und ward nicht mehr gesehen. Stattdessen werden in der Umgegend zunehmend Personen vermisst und später tot aufgefunden. Und dann findet Henry auch noch ein Buch, das davon berichtet, wie man Tote wieder zum Leben erwecken kann. Ist dieser geheimnisvolle George vielleicht hier, um James wiederzuerwecken?

„Der Untote“ erinnert in einigen Motiven stark an Byrons „Fragment“: Wie bei Byron wird dem Protagonisten ein Schwur abgerungen, der die Identität und damit das Überleben des Vampirs sichern soll. In beiden Geschichten wird der (zukünftige) Vampir von einer siechenden Krankheit befallen, die ihn scheinbar das Leben kostet. Byrons Fragment endet an dieser Stelle, doch für Amelia Reynolds Long ist dies nur die Ausgangsposition. Und tatsächlich wird die Umgebung nach Georges Ankunft von mysteriösen Toden heimgesucht. Doch braucht Henry eine Weile, bis er die Identität dieses lange verschollenen Bruders entschlüsseln kann. Und gerade darin liegt das Problem der Erzählung. Ein heutiger Leser durchschaut sofort die Lösung des Rätsels, lange bevor Henry auch nur in die Nähe der Antwort kommt. Die Geschichte kommt einfach nicht schnell genug voran, um mit der Kombinationsgabe des Lesers (oder Hörers) mitzuhalten und so sticht sich der Grusel selbst aus, indem er einfach zu leicht zu durchschauen ist.

Die beiden Geschichten auf dieser CD könnten kaum unoriginellere Titel haben. Es muss unzählige Erzählungen und Kurzgeschichten geben, die „Der Vampyr“ oder „Der Untote“ heißen. Und tatsächlich bleiben Stein und Long kaum im Gedächtnis des Hörers zurück. Einige Passagen wirken durchaus gelungen, besonders in Steins Geschichte. Doch vor allem Longs Erzählung wirkt auf den modernen Leser antiquiert und uninspiriert. Helmut Krauss, der unter anderem Marlon Brando und Samuel L. Jackson seine Stimme leiht, macht das Beste aus den Texten und klingt gewohnt maskulin.

Alle vier Hörbücher im Überblick:

[HR Giger’s Vampirric 1: 581
Thomas Ligotti „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ und
Horacio Quiroga „Das Federkissen“

HR Giger’s Vampirric 2:
Leonard Stein „Der Vampyr“ und
Amelia Reynolds Long „Der Untote“

[HR Giger’s Vampirric 3: 583
Karl Hans Strobl „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“

[HR Giger’s Vampirric 4: 584
Guy de Maupassant „Der Horla“

Thomas Ligotti / Horacio Quiroga – HR Giger’s Vampirric 1 – Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts

HR Gigers Zusammenstellung von Vampirkurzgeschichten, die 2003 unter dem Titel „HR Giger’s Vampirric“ in Buchform bei Festa erschienen ist, ist nun auch in vier einzeln erhältlichen Hörbüchern bei LPL records auf den Markt gekommen. Eine Auswahl von insgesamt sechs Erzählungen (also eine Art „Best-of“ der Anthologie) soll beim Hörer für gepflegten Grusel sorgen – der Slogan des Verlags lautet schließlich nicht umsonst „Gänsehaut für die Ohren“. Zwei dieser Kurzgeschichten finden sich auf dieser ersten CD: „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ (amerik. „The Lost Art of Twilight“, 1989) von Thomas Ligotti und „Das Federkissen“ (dem Band „Cuentos de Amour, de Locura y de Muerte“ von 1917 entnommen) von Horacio Quiroga. Eingeleitet werden beide Geschichten jeweils von einem kurzen Vorwort des „Meisters“ Giger selbst.

Thomas Ligotti / Horacio Quiroga – HR Giger’s Vampirric 1 – Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts weiterlesen

Lovecraft, H. P. / Carter, Lin / Howard, Robert E. / Smith, D. R. / Aster, Christian von – Cthulhu-Mythos, Der

Im Jahr 2002 begann |LPL records| mit der Hörbuchreihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“. Der hier vorliegende erste Teil, „Der Cthulhu-Mythos“, wurde mit dem |Deutschen Phantastik-Preis 2003| als _Bestes Hörbuch/Hörspiel des Jahres 2002_ ausgezeichnet.

_Lovecrafts Werk und Vermächtnis_

Howard Phillips Lovecraft war zu Lebzeiten leider kein ernst zu nehmender schriftstellerischer Ruhm vergönnt, auch wenn die Gründung der Zeitschrift |Weird Tales| im Jahre 1923 ihm einen einigermaßen beständigen Absatzmarkt eröffnete. Posthum hat sein Lebenswerk, der |Cthulhu-Mythos|, jedoch eine recht anschauliche, weltweite Leserschaft gefunden. Dass wir heute überhaupt in den Genuss seiner Werke – leider nur etwa 40 Kurzgeschichten und 12 längere Erzählungen – kommen, verdanken wir zum Einen der |United Amateur Press Association|, der er im Jahre 1914 beitrat, als auch seiner Entdeckung des Schriftstellers |Lord Dunsany| (mit vollem Namen Edward John Moreton Drax Plunkett) im Jahr 1919. Der rege Austausch gegenseitiger Kritik und Ermunterungen unter den Mitgliedern der UAPA ermöglichte es ihm, sich der schlimmsten archaischen Züge und Unbeholfenheiten seines Stils zu entledigen. Aus der Mitte dieser eingeschworenen Gemeinschaft kam dann auch die Bitte, er möge doch mit dem Schreiben unheimlicher Geschichten fortfahren, worauf er 1917 eine Geschichte über den Meeresgott „Dagon“ verfasste, die auch in diesem Hörbuch vertreten ist. Die Werke Lord Dunsanys verliehen seiner Schriftstellerei gewaltigen Auftrieb und animierten ihn, ein künstliches Pantheon mit einer eigenen Mythenwelt zu erschaffen – den |Cthulhu-Mythos|.

|“That is not dead which can eternal lie, yet with strange aeons even death may die.“| – „Das ist nicht tot, was ewig liegt, denn in fremder Zeit wird selbst der Tod besiegt.“ war Lovecrafts Bitte an die Nachwelt, seine Kreaturen nicht sterben zu lassen, derer sich nicht nur seine Freunde annahmen. Bis heute finden sich immer wieder Autoren bereit, den Mythos zu bereichern und am Leben zu erhalten. Wie Mosaiksteinchen zusammengesetzt, weisen diese Geschichten unseren Blick zu den nahezu unerforschten Gebieten des menschlichen Geistes – dem Wahnsinn und den Nachtmahren, in denen das Grauen leibhaftig wird.

_Die Vorlage_

Frank Festa (|Festa|-Verlag) nahm sich des Lebens H. P. Lovecrafts und seiner Werke an und veröffentlichte u. a. „Der Cthulhu-Mythos“, eine zweibändige Sammlung ausgewählter Erzählungen von Lovecraft und anderen Meistern des Schreckens, die sich um den kosmischen Mythos der |Großen Alten| drehen – Cthulhus dämonische Brut, die zu einer Zeit von den Sternen in unsere Welt drang, da die Sonne noch jung war und die Erde noch kein eigenes Leben beherbergte. In dem vorliegenden Hörbuch sind sechs dieser Geschichten enthalten.

_Die Erzählungen_

|“Der Ruf des Cthulhu“ – H. P. Lovecraft (1928)|
Übersetzt von Andreas Diesel

Den Auftakt übernimmt das zentrale Werk Lovecrafts: die Geschichte um einen uralten Schrecken, der seit Aeonen – tot und doch nicht tot – auf dem Grund des Meeres lauert, um einst wieder aufzusteigen und erneut seine (unsere) Welt zu beherrschen. |“Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu R’lyeh wgah’nagl fhtagn“| – „In seinem Haus in R’lyeh wartet träumend der tote Cthulhu“.

Als der Großneffe des verstorbenen George Gammel Angell – emeritierter Professor für semitische Sprachen an der |Brown University| von Providence – dessen Hinterlassenschaft sichtet, stößt er auf eine verschlossene Schatulle, deren Inhalt den Anfang einer Kette grausiger Erkenntnisse bildet. Er entdeckt ein abscheuliches Basrelief, das einen gebeugten humanoiden Körper mit oktopodem Kopf und Drachenflügeln darstellt. Die uralten Schriftzeichen, die sich unter dieser Abbildung befinden, stehen jedoch im Widerspruch zu dem recht geringen Alter dieser Scheußlichkeit. Weiterhin beinhaltet die Schachtel ein in seines Großonkels Handschrift verfasstes Manuskript, das in peinlich genauen Buchstaben mit |Cthulhu-Kult| überschrieben ist. Neugierig ob des scheinbar verwirrten Geisteszustandes des alten Mannes, beginnt er mit seinen Nachforschungen und fördert einen Kult zutage, dessen Anhänger im Verborgenen auf die Auferstehung ihres träumenden Gottes warten. Doch was er dann in Folge seiner weiteren Ermittlungen in Erfahrung bringt, lässt ihm schier das Blut in den Adern gefrieren …

|“Der Schwarze Stein“ – Robert E. Howard (1931)|
Übersetzt von Eduard Lukschandl

_Robert Ervin Howard_s (* 22. Januar 1906, + 11. Juni 1936) bekannteste Schöpfung ist wohl |Conan, der Barbar|, doch auch die Geschichten um |Kull von Atlantis| oder |Solomon Kane| stammen aus seiner Feder.
Seine eigene psychische Labilität spiegelt sich in seinen latent depressiven Helden durchaus wider. Leider nahm sich der langjährige Brieffreund H. P. Lovecrafts im Alter von 30 Jahren – nach dem Ableben seiner Mutter – selbst das Leben. Lovecrafts Einfluss auf Robert E. Howards Werke, wie auch die enge Freundschaft, die beide verband, spiegeln sich zum Beispiel in dem gelungenen Versuch der folgenden Horrorgeschichte wider, die ganz klar in den |Cthulhu-Mythos| gehört.

Ein schwarzer Monolith bildet den Kern dieser Geschichte. Nachdem der Erzähler in mehreren Quellen auf die schrecklichen Legenden gestoßen ist, die sich seit altersher um den schwarzen Felsen ranken, reist er selbst nach Ungarn, um das Quentchen Wahrheit zu ergründen, das in jeder Legende verborgen ist. Er bringt zwar Interessantes über Land und Leute in Erfahrung, doch über den schwarzen Stein mag niemand so recht reden. Als die Mittsommernacht – welche häufig in diesen Legenden Erwähnung findet – bevorsteht, begibt er sich zu der Berglichtung, in deren Mitte der schwarze Monolith aufragt. Der Albtraum, dessen er in dieser Nacht gewahr wird, bringt ihn an den Rand des Wahnsinns …

|“Die Glocke im Turm“ – H. P. Lovecraft & Lin Carter (1989)|
Übersetzt von Ralph Sander

_Lin Carter_ (mit vollem Namen Linwood Vrooman Carter) wurde am 09. Juni 1930 in St. Petersburg, Florida, geboren und verstarb am 07. Februar 1988 in Montclair, New Jersey. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit nahm er sich einiger zu Unrecht vergessener oder unbekannter Juwelen der Fantasy an, bereitete sie liebevoll auf und gab sie in der |Adult Fantasy|-Reihe (erschienen bei |Ballentine Books|) neu heraus.
Zusätzlich zu seinen eigenen Serien, die in allen Bereichen der Phantastik beheimatet sind, arbeitete er in den sechziger Jahren – zusammen mit |L. Sprague de Camp| – vor allem an der |Conan|-Reihe und nahm sich Robert E. Howards |Kull|-Fragmenten an. Sein Werk umfasst über 50 Bücher wie auch Biographien und Sekundärliterarisches aus der Phantastik (z. B. |LOVECRAFT: A Look Behind The Cthulhu Mythos|).
Er nahm sich – wie auch einige andere – ebenso der Fragmente und Notizen aus Lovecrafts Hinterlassenschaft an und suchte diese in einer posthumen Gemeinschaftsarbeit im Stil H. P. Lovecrafts zu vollenden. Eines dieser Werke ist die folgende Erzählung – wenn ich auch anmerken muss, dass Carter zumeist nicht an die düstere Atmosphäre und den hintergründigen Schrecken des |Einsiedlers aus Providence| heranreicht.

Nachdem er endlich das |“Necronomicon“| – das verbotene Buch des Abdul Al Hazred – in einer staubigen kleinen Buchhandlung erstanden hat, muss Williams leider feststellen, dass er mit der Übersetzung des altertümlichen Lateins seine Sorgen hat. Kurzerhand eilt er über den Flur, um mit Hilfe des Nachbarn – eines zurückgezogen lebenden, alten Sonderlings – die Geheimnisse seines neuen Besitzes zu ergründen. Lord Northam ist dem Wahnsinn nahe, als der junge Williams ihm das |“Necronomicon“| präsentiert und rät dem jungen Besucher dringend vom Studium dieses unheiligen Buches ab. Auf dessen Drängen hin erzählt der Alte dann aber doch von seinen eigenen Erfahrungen mit dem Buch und berichtet auch von den Schrecken, die ihn seither heimsuchen …

|“Warum Abdul Al Hazred dem Wahnsinn verfiel“ – D. R. Smith (1950)|
Übersetzt von Alexander Amberg

Das |“Necronomicon“| des wahnsinnigen Arabers Abdul Al Hazred, der im 7. Jahrhundert n. Chr. lebte, ist so sehr in die Horror- und Fantasyliteratur eingegangen wie kein anderes Buch. Lovecraft verweist in seinen Geschichten selbst darauf und nimmt es als Beleg für Beschwörungsformeln und Rituale.
Den Quellen zufolge soll |Al Hazred| um 700 in Sanaa im Jemen geboren worden sein. Nach einer langen Reise durch die innerarabische Wüste ließ er sich in Damaskus nieder und schrieb sein Buch |“Kitab Al’Azif“ (Vom Heulen der Wüstendämonen)|, welches später als das „Necronomicon“ bekannt wurde. Dieses Buch enthält Informationen über die Älteren Wesen – z. B. die |Großen Alten| – und ihre Zivilisation zur Zeit der Entstehung der Erde. Es ist voller verschlüsselter Andeutungen und Doppeldeutigkeiten, zwischen denen geschickt verschiedene magische Anweisungen verborgen sind. Der Legende zufolge wurde |Al Hazred| kurze Zeit nach Vollendung des Buches im Jahre 738 auf einer Straße in Damaskus von einem unsichtbaren Ungeheuer verschlungen.
Tatsächlich handelt es sich bei dem „Necronomicon“ um ein Werk aus der Feder H. P. Lovecrafts selbst. In seinen Erzählungen verweist er immer wieder auf unterschiedliche Bücher, um den Geschichten eine glaubwürdige Note zu verleihen. Manche dieser Bücher existieren wirklich, andere finden in Legenden Erwähnung und einige – wie eben auch das |Necronomicon| – wurden von ihm selbst erdacht.

_D. R. Smith_ (nicht zu verwechseln mit Clark Ashton Smith) – über den ich leider nichts in Erfahrung bringen konnte – erzählt hier vom römischen Feldherrn Marcus Antonius, der sich mit seinen Soldaten in den Alpen verirrt. Der Geschichte zufolge sind diese Geschehnisse im letzten Kapitel des „Necronomicon“ niedergeschrieben.
In einem Bergtal entdeckt die kleine Armee neben einem Bach den Eingang zu einer finsteren Höhle, aus der der Pesthauch des Todes hervorströmt. Neugierig begibt sich Marcus Antonius in die Höhle, um ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen – kurz darauf ertönt Kampflärm aus der dunklen Öffnung …

|“Dagon“ – H. P. Lovecraft (1917)|
Übersetzt von Andreas Diesel

In seiner autobiographischen Schrift „Einige Anmerkungen zu einer Null“ (aus dem Jahr 1933) äußert sich H. P. Lovecraft über unheimliche Literatur: |“Ich bin der Ansicht, daß die unheimliche Literatur ein ernst zu nehmendes Genre darstellt, das der besten literarischen Künstler wert ist, obwohl sie zumeist ein ziemlich eng begrenztes Gebiet ist, das nur einen kleinen Ausschnitt der unendlich vielfältigen Gemütsverfassungen des Menschen spiegelt. Gespenstergeschichten sollen realistisch und stimmungsvoll sein – sie sollen ihre Abweichung von der Natur auf die eine ausgewählte übernatürliche Bahn beschränken und nie aus dem Auge verlieren, daß Szenenschilderung, Stimmung und Naturerscheinung bei der Vermittlung des zu Vermittelnden weit wesentlicher sind als Charaktere und Handlung. Die ‚Wucht‘ einer wahrhaft unheimlichen Geschichte ist einfach die Aufhebung oder Überschreitung eines unumstößlichen kosmischen Gesetzes – eine phantasievolle Flucht aus der erdrückenden Wirklichkeit. Denn Naturerscheinungen, nicht aber Personen sind ihre logischen ‚Helden‘. Das Grauen sollte originell sein – der Rückgriff auf alltägliche Mythen und Legenden mindert nur seine Wirkung.“|
Getreu diesem Credo schrieb Lovecraft sechzehn Jahre zuvor eine Geschichte, die wohl als die erste des |Cthulhu-Mythos| gelten muss.

|“Ich schreibe dies unter beträchtlicher geistiger Anspannung, (…) Wenn Du diese hastig hingekritzelten Seiten gelesen hast, magst Du zwar erahnen, aber nie gänzlich begreifen, warum ich das Vergessen oder den Tod suche.“| Dann schildert der Erzähler, was er als junger Seemann im ersten Weltkrieg erfahren musste. Er war der Gefangenschaft auf einem deutschen Kriegsschiff entkommen und irrte in einem kleinen Rettungsboot über den Pazifik. Als er eines Morgens erwachte, fand er sich mitsamt seinem Boot auf einem Eiland wieder – von den brausenden Wogen des Meeres war jedoch nichts mehr zu sehen oder zu hören. Die Ebene war von einem schwarzen, fauligen Morast überzogen, in den der junge Mann halb eingesunken war. Er verbrachte den Tag und die folgende Nacht in seinem Boot und bemerkte, dass die Hitze der Sonne den Boden so weit ausgetrocknet hatte, dass er sich auf eine Erkundungstour über dieses unheilvolle Eiland begeben konnte. Die Schrecken, die ihm nach einem mehrtägigen Weg über diese ungastliche Insel begegneten, trieben ihn in den Wahnsinn …

|“Ein Portrait Torquemadas“ – Christian von Aster (2002)|

Der deutsche Schriftsteller _[Christian von Aster]http://www.vonaster.de _betätigt sich in vielen Bereichen der Literatur. Zudem bereicherte er in der Vergangenheit einige Anthologien mit seinen Werken, darunter |“Yamasai – des Fürchterlichen fürchterlichstes Kind“| in „Die Saat des Cthulhu“ und |“Ein Portrait Torquemadas“| in „Der Cthulhu-Mythos 1973 – 2002“.
Von Asters Geschichte versetzt den |Cthulhu|-Mythos in die Gegenwart und bereichert ihn um einige zeitgenössische Verschwörungstheorien. Seine Erzählung erreichte bei einem |Cthulhu|-Schreibwettbewerb den ersten Platz.

Der Dominikanermönch Cajetanus sitzt am Krankenbett des Kunsthistorikers Felix Ney und blättert in dessen Aufzeichnungen. Dem Vatikan, in dessen Auftrag Cajetanus unterwegs ist, liegt nichts ferner, als dass diese Schriften an die Öffentlichkeit gelangen. Ney war offensichtlich bereits dem Wahnsinn verfallen, als er in der münchener Pinakothek ein Bild des florentinischen Malers Delcandini zerstörte.
Während der Dominikanermönch die Unterlagen durchsieht, kommt er einer Verschwörung auf die Spur, die seinen Glauben in den Grundfesten erschüttert …

_Über die Hörbuchproduktion_

Nachdem die Buchreihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ (erschienen im |Festa|-Verlag) geradezu Kultstatus erlangt hat, war es abzusehen, dass die Werke des |Großmeisters der Angst| und die seiner getreuen Nachfolger als Ohrenschmaus mit Gänsehautgarantie aufbereitet werden. Für die gelungene Umsetzung zeichnen sich neben Lars Peter Lueg, dem Produzenten und Verlagsleiter von |LPL records|, die Regisseure Sven Hasper (die deutsche Stimme von Michael J. Fox und Christian Slater) und Oliver Rohrbeck (bekannt als |Justus Jonas| von den „drei ???“) verantwortlich. Die beiden waren u. a. auch für die deutsche Fassung der Filme „Sleepy Hollow“ und „The Game“ zuständig.

Frank Festa legte bereits bei seiner Buchreihe großen Wert darauf, die ungekürzte Fassung der Erzählungen in neuer Übersetzung zu veröffentlichen, wovon nun auch die Hörbücher der gleichnamigen Reihe profitieren.

Die Rolle des Erzählers übernimmt kein Geringerer als Joachim Kerzel – einer der besten Sprecher Deutschlands. Auf unnachahmliche Weise gelingt es ihm, die grauenerregende Atmosphäre der Geschichten einzufangen und dem geneigten Hörer einen eisigen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Das Grauen und der Wahnsinn nehmen beinahe eine leibhaftige Gestalt an.
Der Schauspieler Joachim Kerzel (* 1941 in Oberschlesien) ist heute überwiegend als Synchronsprecher und -regisseur tätig. Neben Jack Nicholson lieh er sein Stimme u. a. auch Robert DeNiro und Sir Anthony Hopkins. Die zahlreichen Bestseller-Lesungen und die Rolle des Erzählers in diversen Hörspielen und Hörbüchern brachten ihm einen rapide wachsenden Hörerkreis ein. Seine leidenschaftliche Arbeit an den Projekten ist Garant für eine |Gänsehaut für die Ohren|.

Durch dieses Hörbuch geleitet uns David Nathan, der mit einer ironisch distanzierten Stimme Howard Phillips Lovecraft seinem Grab entsteigen und wieder zum Leben erwachen lässt. Zwischen den einzelnen Erzählungen weiß er einige interessante Details über Lovecrafts Leben und die Geschichten zu berichten. Die Texte stammen allesamt aus der Feder von Lovecraft-Verleger Frank Festa und fügen sich mit den Geschichten nahtlos zu einem Ganzen zusammen.
David Nathan (* 1971) arbeitet als Regisseur und Synchronsprecher. Er ist u. a. die Synchronstimme von Johnny Depp und |Spike| (aus der TV-Serie „Buffy“), doch auch aus Werbung und Computerspielen ist seine Stimme nicht mehr wegzudenken.

Die Einleitung spricht Franziska Pigulla, die deutsche Stimme von Gillian Anderson (aus „Akte X“).

Für die passende musikalische Untermalung sorgt Andy Matern (|Sonic Piracy|). Die eigens für dieses Hörbuch komponierte Musik besticht durch ihre düstere Atmosphäre und lässt die abendlichen Schatten zu den ungeahnten Schrecken heranwachsen, die sich nachts in unseren Albträumen erheben.

Zu guter Letzt beinhaltet die letzte CD auch noch eine vierzehnminütige Hörprobe aus dem zweiten Hörbuch dieser Reihe, „Der Schatten über Innsmouth“, die dem geneigten Hörer Lust auf mehr macht.

|Umfang: 275 Minuten auf 4 CDs|

_Abschlussbetrachtungen_

Den absoluten Tiefpunkt bildet sicherlich die Geschichte von D. R. Smith. Der Versuch, das Pantheon der |Großen Alten| bis ins Kleinste aufzuschlüsseln, wie auch die Frechheit zu behaupten, dass ein Mensch den Kampf mit einem von ihnen unbeschadet überstehen könnte, überzeugen genauso wenig wie die Art der Erzählung selbst. Meines Erachtens hätte diese Unflätigkeit auch gerne in der Versenkung verschwinden können – aber es ist ja glücklicherweise die kürzeste Erzählung.

Die Geschichten von Lin Carter, Robert E. Howard und Christian von Aster passen nicht nur inhaltlich in den |Cthulhu-Mythos|, sie beinhalten auch eine ähnlich düstere Atmosphäre und wurden sicherlich äußerst gut gewählt.
Lin Carters Vollendung dieses Fragments verkörpert durchaus den Geist von H. P. Lovecrafts Horrorgeschichten. Man könnte fast meinen, die beiden hätten zusammen an diesem Werk gearbeitet – aber eben nur fast.
Robert E. Howard nimmt sich – ähnlich wie Lovecraft – viel Zeit, um in die Begebenheiten einzuführen. Er beruft sich auf Quellen und Legenden, die er näher erläutert und glaubhaft vermittelt, bevor sein Erzähler eigene Erfahrungen macht, die ihn schier in den Wahnsinn treiben. „Der Schwarze Stein“ ist eine sehr gelungene und atmosphärische Geschichte, die Lovecraft sicher gefallen hat.
Christian von Asters Geschichte hat mir – sieht man einmal von den beiden Geschichten |des Meisters| ab – allerdings am besten gefallen, wenn auch am Schluss der unausweichliche Wahnsinn, dem Lovecrafts Erzähler zumeist sehr nahe sind, fehlt. Dennoch vermittelt die Geschichte in makelloser Form einige andere Aspekte von Lovecrafts Geschichten – den Fatalismus und die Erkenntnis, dass es kein Entkommen gibt. Dass von Aster sich in seiner Geschichte durchaus bei anderen großen Autoren bedient (ich sehe da z. B. einige Aspekte aus „Der Club Dumas“ von Arturo Perez-Reverte), stört dabei überhaupt nicht.

Mit „Der Cthulhu-Mythos“ war der Startschuss zu einer äußerst gelungenen und durch Wissen um den Autor angereicherten Hörbuchreihe gegeben. Es folgten [„Der Schatten über Innsmouth“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=424 sowie „Das Ding auf der Schwelle & Ratten im Gemäuer“. Leider ist Lovecrafts Lebenswerk nicht gerade umfangreich, doch es bietet noch genügend Erzählungen, um diese Reihe weiterzuführen. Vielen Dank an die Verantwortlichen!

Byron, Lord / Polidori, John William / Gustavus, Frank – Vampyr, Der – oder Gespenstersommer am Genfer See

1816 ereignete sich in der Villa Diodati am Genfer See ein Geschehen, das auch heute noch als literarische Anekdote in Vampiranthologien und Frankenstein-Nachwörtern regelmäßig Eingang findet. Damals nämlich verbrachte eine illustre Gesellschaft den verregneten Sommer in der Villa: Der englische Dichter Percy Shelley, seine spätere Frau Mary Wollstonecraft, deren Stiefschwester Claire (wohl die Einzige in der Runde ohne literarischen Nachruhm), der englische Dichter und Lebemann Lord Byron und dessen Leibarzt John William Polidori. Die Gruppe verbrachte einen angeregten Abend beim Lesen deutscher Gespenstergeschichten und aus einer Laune heraus schlug Byron vor, die Anwesenden sollten sich jeweils selbst an einer Geistergeschichte versuchen. Was aus Percy Shelleys Beitrag geworden ist, bleibt unbekannt. Mary Wollstonecraft jedoch begann ihre Arbeit am weltberühmten „Frankenstein“, Byron verfasste eine Fragment gebliebene Kurzgeschichte und Polidori, nicht nur Mediziner, sondern auch aspirierender Schriftsteller, trug sich mit einer Geschichte über eine Frau, der ein Totenkopf auf den Schultern sitzt.

Nun war die Beziehung zwischen dem exzentrischen Byron und seinem Leibarzt Polidori keineswegs eine harmonische. So kam es, dass Polidori bald aus Byrons Diensten entlassen wurde, doch die in der Villa Diodati geschriebenen Geistergeschichten ließen ihn scheinbar nicht in Ruhe. Er baute auf Byrons „Fragment“ auf und verfasste seine eigene Novelle: „The Vampyre, A Tale“ (dt. „Der Vampyr“). Sie erschien 1819 unter dem Namen Lord Byrons, der sofort die Urheberschaft bestritt. Doch der Siegeszug des „Vampyr“ war nicht mehr aufzuhalten, es folgten Übersetzungen, mehrere Auflagen und sogar Bühnenadaptionen. Mit „Der Vampyr“, so mittelmäßig die Novelle in ihrer literarischen Qualität auch sein mag, brach eine neue Ära für die Vampirliteratur an. Sicher, es hatte schon vorher Vampire in der Literatur gegeben (sogar große Namen wie Goethe waren sich nicht zu schade, sich mit den Untoten zu beschäftigen). Doch Polidoris Vampir, der aristokratische Lord Ruthven, war kein in Lumpen gehüllter Zombie mehr, der auf Friedhöfen lauerte. Stattdessen sucht er die Salons der Großstädte heim und macht sich an holde Jungfrauen heran, um sie ins Unglück zu stürzen. Er ist schön, blass, kaltherzig, reich, weltgewandt, grausam, aber auch charmant – das genaue Ebenbild Lord Byrons. Die Bedeutung von Polidoris Erfindung für spätere literarische Vampire lässt sich kaum unterschätzen, ist die Anziehungskraft des Byronschen Vampirs doch auch heute noch ungebrochen (man denke nur an Anne Rices Lestat oder Laurell K. Hamiltons Jean-Claude).

Mit „Der Vampyr“ hat |Ripper Records| in Zusammenarbeit mit |Lübbe Audio| nun ein liebevoll produziertes Hörspiel auf den Markt gebracht, das sich den Ereignissen am Genfer See widmet. Dass die beiden CDs den Titel von Polidoris Novelle tragen, zeigt gleich, wo die Sympathien von Frank Gustavus liegen, der für Buch und Regie zuständig war. Man folgt Polidoris Sicht der Dinge, wenn er am Totenbett einem namenlosen Journalisten seine Geschichte erzählt: Wie er von Byron angestellt wird und mit ihm auf den Kontinent reist. Wie er mit den anderen Schriftstellern in der Villa Diodati zusammentrifft und deren Spott über seine mittelmäßigen literarischen Werke ertragen muss. Wie er nur in Mary Shelley eine Freundin findet und schließlich den „Vampyr“ verfasst, nur um ihn unter Byrons Namen veröffentlicht zu sehen. Diese Katastrophe wird sich fatal auf sein Leben auswirken. Der Streit um die Urheberschaft ruiniert ihn, andere seiner Werke werden verrissen oder gar nicht erst verlegt. Desillusioniert nimmt er sich mit 26 das Leben, ohne je literarischen Ruhm erreicht zu haben. Ironischerweise hat sich sein im Hörspiel geäußerter Wunsch, seinen Namen einmal neben Byrons zu sehen, mittlerweile mehr als erfüllt. In Anthologien stehen die Erzählungen Byrons und Polidoris in der Regel nenebeneinander und literaturgeschichtlich markiert Polidoris Novelle die Geburt des modernen Vampirs.

Frank Gustavus verbindet gekonnt Teile der Erzählungen (man hört Auszüge aus Byrons „Fragment“, Polidoris „Der Vampyr“, Coleridges „Christabel“, aber auch Abschnitte aus Briefen und Tagebucheintragungen) mit überlieferten Tatsachen (so stimmt es tatsächlich, dass Shelley bei der Rezitation von „Christabel“ einen Nervenzusammenbruch erlitt) mit frei erfundenen Teilen (beispielsweise die Ausgangssituation des Hörspiels, in dem Polidori seine Geschichte einem Reporter erzählt). Sämtliche Sprecher erwecken ihre Charaktere überzeugend zum Leben, allen voran natürlich Andreas Fröhlich als Polidori und Joachim Tennstedt als Byron. Fröhlich, der seine Stimme auch schon Edward Norton lieh, lässt seinen Polidori zwischen dem jungen Naiven in der Gesellschaft von hochgebildeten Literaten und dem vom Leben enttäuschten und vollkommen desillusionierten Selbstmörder changieren. Joachim Tennstedt, der unter anderem auch John Malkovich synchronisiert, lässt Byron wie einen manischen Irren klingen und macht es dem Zuhörer damit leicht, diesen genialen, aber menschlich wohl unleidlichen Dichter leidenschaftlich zu hassen. Unterstützt werden beide von atmosphärischer Musik und überzeugenden Soundeffekten.

Wer die jeweiligen Erzählungen von Byron und Polidori kennt, der wird im Hörspiel von |Ripper Records| eine engagierte und lohnende Bearbeitung der Ereignisse um die Entstehung der Geschichten finden. Allen anderen wird „Der Vampyr“ garantiert Lust auf mehr machen: mehr Hörspiele, mehr Vampirgeschichten, vielleicht ein wenig „Frankenstein“. |Ripper Records| ist ein kleines Juwel mit hohem Unterhaltungswert gelungen, in dem eine bekannte Anekdote zu neuem Leben erweckt wird. Die Geschichte zieht den Hörer sofort in ihren Bann und man mag keine Sekunde von Polidoris Erzählung verpassen. Die Handlung ist spannend, unterhaltsam, gruselig, aber auch mit Witz aufgearbeitet worden, deswegen gibt es eine ganz klare Empfehlung: Kaufen, hören, genießen!

(p.s.: Falls nun jemand nach dem Hören auf die beiden Geschichten von Byron und Polidori neugierig geworden sein sollte, so kann demjenigen natürlich geholfen werden. Beide Erzählungen finden sich in einer hervorragenden Anthologie von Dieter Sturm und Klaus Völker, die sich bereits seit Jahrzehnten als Standardwerk behauptet: „Von denen Vampiren oder Menschensaugern“ enthält zahlreiche Gedichte und Kurzgeschichten, aber auch historische Dokumente. Im Dezember erscheinen übrigens bei |Ripper Records| die kompletten „Vampyr“-Erzählungen als Hörbuch, gelesen von A. Fröhlich und J. Tennstedt.)

Verne, Jules – 20.000 Meilen unter den Meeren (DVD Hörbuch)

Ein Hörspiel als DVD-Audio heraus zu bringen, ist auch heute nicht unbedingt üblich. Doch genau dies taten der MDR und RB bei ihrer Produktion der Jules Verne Klassikers „20.000 Meilen unter den Meeren“ bereits im Jahre 2003. Inzwischen ist dieses nicht mehr solo erhältlich, sondern nur noch als Teil der vertonte Verne-Trilogie „Phantastische Reisen“ im |Hörbuchverlag|. Dieses CD-Pack enthält zum fraglichen Titel zusätzlich auch noch „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ und „In 80 Tagen um die Welt“. Natürlich bleibt weiterhin der einschlägige Gebrauchtmarkt, um an den einzelnen, und überdies recht raren, 5.1 Surround DVD-Silberling mit erweiterter Laufzeit zu gelangen. Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der die Story nicht kennt. Oder doch? Ok, hier dann noch mal eine kleine Gedächtnisauffrischung:

_Zur Story_

Wir schreiben das Jahr 1866, genauer gesagt den 20. Juli 1866, als diese Geschichte beginnt. Seit geraumer Zeit macht ein seltsames Objekt von stattlichen Abmaßen die Schiffswege unsicher. Es wird allgemein angenommen, dass es sich um ein Seeungeheuer handelt und ein sehr schnelles noch dazu – es kann mehrere hundert Seemeilen scheinbar mühelos am Tag zurücklegen. Manche Überlebende der Attacken berichten auch von phosphoreszierenden Augen, was die Theorien, dass es sich lediglich um einen selten großen Narwal handelt nicht gerade stützt. Ebenso wenig, wie die Löcher, die dieses Objekt selbst in stählerne Schiffsrümpfe zu reißen vermag.

Der Pariser Meeresbiologe Professor Pierre Aronnax erhält in New York ein Jahr später – 1867 – das Angebot sich mit der Fregatte „Abraham Lincoln“ einzuschiffen und auf die Jagd nach dem mysteriösen Phänomen zu gehen. Das „Ungeheuer“ interessiert ihn aus wissenschaftlicher Sicht brennend. Tatsächlich stoßen sie nach wochenlanger, ergebnisloser Fahrt auch auf das geheimnisvolle Objekt, dass sie zunächst nur umkreist und seine Spielchen mit ihnen zu treiben scheint. Bis Kapitän Farragut es mit der Bordkanone unter Beschuss nimmt. Zwecklos – Die Kanonenkugel richtet keinen Schaden an. Auch die Harpune des kanadischen Meister-Harpuniers Ned Land zeigt keinerlei Wirkung, außer, dass es das vermeintliche Ungeheuer wohl soweit reizt, dass es zum Angriff übergeht und das Schiff rammt.

Professor Aronnax wird bei dem heftigen Stoß über Bord geschleudert, ihm hinterher springt sein treuer Diener Conseil. Freiwillig. Wassertretend müssen die beiden mit ansehen, wie sich die beschädigte Fregatte rasch von ihnen entfernt. Ned Land ist ebenfalls von Bord gefallen und fischt die beiden – wundersamerweise aufrecht stehend – aus dem Wasser. Bestürzt müssen sie feststellen, dass sie sich auf dem stählernen Rücken des Ungeheuers befinden, dass, wie ihnen nun schnell klar wird, eigentlich ein von Menschenhand erschaffenes Unterwasserschiff ist. Das schickt sich zudem gerade an abzutauchen. Ihre Hilferufe werden erhört und das bringt sie in die Hände des seltsamen Kapitän Nemo, auf dessen „Nautilus“ sie eine Reise in Gefangenschaft antreten, die 20.000 (französische) Meilen betragen wird… unter den Meeren.

_Eindrücke_

Die Story ist naiv aber zugleich auch sehr visionär. Als sie geschrieben wurde tickten die Uhren noch ganz anders und vieles von dem, was Verne schreibt, war zu dieser Zeit pure Zukunftsmusik und im wahrsten Sinne des Wortes Science Fiction. Es ist jedoch faszinierend, wie viel sich davon später aber als zutreffend herausstellen sollte – vor allem in technischer Hinsicht. Anderes hingegen erweist sich heute als überholt und falsch bzw. physikalisch nicht zutreffend. Doch vieles konnte er mit dem damaligen Kenntnisstand nicht wissen, sondern nur vermuten. Weniger fiktiv ist seine Gesellschaftskritik an der Menschheit selbst, auch hier beweist Verne sehr viel Voraussicht, denn bis in die Jetztzeit hat sich was das angeht nichts wirklich gravierend verändert.

Die Kernaussage: Macht korrumpiert und jedwede Technik kann zur Waffe pervertiert werden – unabhängig davon, welche (wenn auch eigentlich hehre) Motive und Ziele dahinter stecken. Gerade bei Nemo ist der Grat zwischen Genie und Wahnsinn extrem schmal, der selbst ernannte Racheengel hat nicht realisiert, dass er seinen damaligen Peinigern in seinen despotischen Methoden ähnlicher ist, als er es wahrhaben will. Dass Gewalt stets Gegengewalt erzeugt ist ihm in diesem Zusammenhang ebenfalls irgendwie entfallen. Eine Binsenweisheit, die damals wie heute uneingeschränkt gilt – und das bereits seit Menschengedenken.

Nach unseren heutigen Standards fällt die Charakterzeichnung sehr stereotyp und schablonenhaft aus, Verne legte wesentlich mehr Wert auf die Beschreibung der phantastischen Unterwasserwelt und die Technik der ‚Nautilus‘, als der detaillierten Ausarbeitung seiner Figuren. Zum Glück hat man diese ausufernden Ergüsse im Hörspiel weitgehend glatt gebügelt, ohne jedoch das alte, faszinierende Flair zu zerstören. Auch die aus heutiger Sicht unzutreffenden, wissenschaftlichen Halbwahrheiten und Spekulationen Vernes blieben unangetastet, sein unvergleichlicher Stil, sowie seine darin enthaltene Message, sind klar erkennbar geblieben, wenn auch an einigen Stellen gestrafft. Insbesondere dort, wo einige der Inkonsistenzen oder Kanten am Original vorsichtig abgeschliffen wurden.

Die Umsetzung des MDR kann sich also mehr als hören lassen, das gilt im Besonderen für die um 30 Minuten längere Version in DD 5.1 Mehrkanalton, welche die zuvor im Handel befindliche Doppel CD/MC-Variante in Stereo zwar nicht komplett ablöst, jedoch ergänzt. Beide Fassungen finden sich auf der DVD als getrennt anwählbare Hörspiele und gliedern sich jeweils in zwei Teile. Als Bonbon können bei der DVD zusätzlich die Original-Illustrationen von Edouard Riou und Alphonse de Neuville der französischen Erstausgabe auf dem Bildschirm dargestellt werden. Insgesamt sind es 110 Bilder, die wie bei einer Diashow jeweils passend zum Gehörten auf dem Bildschirm eingeblendet werden.

Wahlweise liegen die Bilder aber auch bequem im DVD-ROM Part vor, sodass man sie sich auch losgelöst vom Rest einzeln – mittels Windows Explorer/ Mac Finder oder auch jedem beliebigen Bildbearbeitungsprogramm – auf dem Computer anschauen kann. Apropos DVD-ROM: Das komplette Drehbuch/Manuskript, sowie ein Produktionstagebuch und ein Essay über Jules Verne hat man im Adobe PDF-Format ebenfalls mit drauf gepresst. Das Essay kann man sich als Lesefauler aber auch über die DVD-Features im Bonusmaterial geben, dieser 25 Minuten-Text wird da nämlich komplett vorgelesen.

Das restliche Bonusmaterial ist im Übrigen ziemlich karg, eine kleines Making Of und einige wenige Bilder aus dem Studio – mehr nicht. Es gefällt aber vor allem das vollständige Manuskript ausgesprochen gut, einige Sachen hätte der ewig nörgenlde Rezensent beispielsweise anders betont, als es die Sprecher tun. Schön, wenn man mal die seltene Gelegenheit eines Vergleichs hat, zwischen der Rohfassung und dem fertigen Hörspiel. Dieses Beispiel sollte unbedingt Schule machen. Damit wären wir über Umwege beim wichtigen Thema Sprecher angelangt.

Viele Sprechrollen gibt es ja nun nicht zu besetzen, man griff beim MDR auf gestandene Mimen zurück, die bereits eine lange Karriere sowohl beim öffentlich-rechtlichen, als auch beim privaten TV, oder Bühnenerfahrung beim Theater respektive als Synchronstimmen vorzuweisen haben. Eine kurze Biographie aller 4 Hauptsprecher ist im Bonusmaterial abrufbar, weswegen man darauf verzichten kann, hier eine ellenlange Liste herunter zu leiern. Urgestein Ernst Jacobi als Kapitän Nemo gefällt mir nicht ganz so gut, was nicht an seiner Leistung, als vielmehr an seiner – nach meinem Empfinden – zu hohen und leicht heiseren Stimme liegt.

Nemo sollte, so der subjektive Eindruck, gerne etwas volltönender und barscher klingen. Als Synchronstimme ist der ältliche Herr aus vielen Filmen positiv in Erinnerung, doch passt diese Figur nicht zu ihm. Vielleicht wäre es angebrachter gewesen mit Gottfried John zu tauschen, der größtenteils in der Ich-Form in Gestalt Professor Aronnax die Geschichte souverän erzählt und natürlich auch dessen Dialoge übernimmt. Sein Diener Conseil (Hermann Lause) und Ned Land (Peter Gavajda) sind vorzüglich getroffen, vor allem letzterer mit seinem tiefen, polterigen Organ kann in der Rolle des rebellischen Harpuniers vollends überzeugen.

Die Geräuschkulisse lebt in der Hauptsache vom wohldosierten Surround, der das Geschehen auch räumlich darstellt, die Effekte sind ansonsten aber eher dezent und nicht überzogen. Auch die spärliche musikalische Untermalung ordnet sich der Dialoglastigkeit unter, es sei denn natürlich Nemo greift in die Tasten seiner Orgel. Die Soundtechniker haben sich eine Menge einfallen lassen, um realistisch zu bleiben und den Bogen nicht zu überspannen, trotz des filigranen Hintergrundsounds, der ständig zu hören ist. Knalleffekte gibt es wenige, es geht recht beschaulich zu.

Einen Fauxpas hat man sich aber dennoch geleistet, obschon das ein Fehler der Regie ist: Der (sinngemäß korrekt dem Roman entnommene) Dialog am Ende des ersten Teils des Hörspiels zwischen Aronnax und Nemo, nachdem man ein Besatzungsmitglied der Nautilus auf dem Meeresgrund bestattet hat, findet hier an dessen Grab statt (Im Roman erst zurück an Bord der Nautilus), wie man an den Atemgeräuschen der Lungenautomaten der Taucheranzüge eindeutig hören kann, doch sind diese |nicht| mit Sprechgeräten ausgestattet. Ansonsten verständigt man sich durchweg auf allen Exkursionen außerhalb des Schiffes nämlich höchst umständlich mit Handzeichen und Gesten – auch hier im Hörspiel, mit Ausnahme dieses einen Dialogs.

_Die Produktion_

Originaltitel: „Vingt Mille Lieues sous les Mers“
Nach dem Roman von Jules Verne
basierend auf einer anonymen, deutschen Erstübersetzung von 1875
Produktion: Mitteldeutscher Rundfunk und Radio Bremen
DVD-Version: 2003 – Der Hörverlag / MDR
Tonformat: wahlweise DD 5.1 oder Stereo*
Bildformat: 4:3 (1:1,33) / Bild- und Videoteil
ISBN: 3-89940-286-3

|Bonusmaterial|

– 110 Illustrationen, plus Bilder von der Produktion
– Making Of Video-Sequenz
– Biografien und Essay über Jules Verne
– DVD-ROM Teil mit Manuskripten und Produktionsnotizen

_Fazit_

Die DVD ist ein gelungenes Beispiel, wie Mehrkanalton ein Hörspiel durch Räumlichkeit aufwerten kann und man buchstäblich in andere Klangwelten abtaucht. Im Gegensatz zur ebenfalls als Dreingabe enthaltenen Stereo-Version eine deutliche Verbesserung in der Atmosphäre dieses Meilensteins. Die Umsetzung hält sich streckenweise wortwörtlich an die Vorlage und verschweigt nur Nebenhandlungen und Details von eher geringem Interesse. Klar ist der Roman im Zweifelsfalle immer vorzuziehen, doch die MDR-Produktion ist schon verdammt nah dran. Näher als jedes andere Hörspiel oder die Verfilmung von Walt Disney aus dem Jahre 1954, dessen unvergessliches ‚Nautilus‘-Design das Cover ziert. Hätte man doch nur Nemos Stimme etwas besser ausgewählt, wäre es eine nahezu perfekte Umsetzung.

|DVD mit Laufzeit: 178 Minuten (Mehrkanal-) bzw. 141 Minuten (Stereo-Fassung)|

Hohlbein, Wolfgang – Auf der Spur des Hexers (Hörbuch)

Wolfgang Hohlbein, der selbsternannte Chronist Robert Cravens, liest „Auf der Spur des Hexers“. In dieser Erzählung, welche die Vorgeschichte seiner phantastischen |Hexer|-Saga schildert, dreht sich das Geschehen um Robert Cravens Vater, Roderick Andara.

_Überblick_

Wir schreiben den 9. Juli anno 1862. Seit mehr als zehn Jahren ist Roderick Andara schon auf der Flucht vor den grauenvollen Geschöpfen, die jenseits der Realität, in Nachtmahren und im Wahnsinn hausen – den |GROßEN ALTEN|.

Nun führt ihn sein Weg nach Colorado, in das verschlafene Nest Walnut Falls, um seinen dreijährigen Sohn einer Frau anzuvertrauen, die er nur aus ihren Briefen kennt. Nicht um ihn – wie sie glaubt – aus dem Weg zu haben, sondern um ihm das Leben zu ersparen, zu dem er, Roderick Andara, verdammt ist. Er klammert sich an die Hoffnung, seine Widersacher könnten dem Jungen hier nichts anhaben – viel zu spät erkennt er seinen Irrtum. Robert wird entführt …

Im weiteren Geschehen lernt Roderick Andara einen Mann kennen, der sich ihm als H. P. vorstellt – kein Geringerer als Howard Phillips Lovecraft höchstpersönlich. Doch das erste Zusammentreffen der beiden zukünftigen Kampfgefährten verläuft nicht so harmonisch, wie man es sich vielleicht vorstellen mag. Das Abenteuer, welches die beiden zusammen bestehen müssen, bringt Andara so nahe an seine Feinde heran, wie wohl noch nie einen Menschen zuvor – er kämpft den Kampf seines Lebens; doch kann er ihn auch gewinnen?

_Die Hörbuchserie_

Nachdem vor mittlerweile über 13 Jahren die beiden Hörspiele „Der Hexer von Salem“ (1990) und „Neues vom Hexer von Salem“ (1991) auf den Markt kamen, haben sich Wolfgang Hohlbein und Albert Böhne letztes Jahr dazu entschlossen, eine |Hexer|-Hörbuch-Serie in Angriff zu nehmen. Anlass dafür bot die Hexer-Sammler-Edition im |Weltbild|-Verlag, bei der erstmalig, zum zwanzigjährigen Jubiläum der Hexer-Reihe, alle Hexer-Heftromane komplett in der Originalfassung und von Wolfgang Hohlbein chronologisch geordnet als Hardcover veröffentlicht werden. Geplant ist, zu jedem Buch der Sammler-Edition ein Hörbuch herauszugeben.

Der erste Teil dieser Hörbuch-Reihe ist seit Anfang 2004 auch bei |Lübbe Audio| erhältlich. Wolfgang Hohlbein liest persönlich seinen 1990 erschienen Roman „Auf der Spur des Hexers – Wie der Horror begann“, welcher ursprünglich nicht aus der Heftroman-Serie stammt. Der Vollständigkeit halber erscheint er trotzdem in der Sammler-Edition als erster Band.
Leider gestehen Hohlbein und Böhne den Hörbüchern nur einen Umfang von drei Audio-CDs zu, was gewisse Kürzungen und Bearbeitungen voraussetzt. Sehen wir mal, was daraus geworden ist …

_Bearbeitung und Kürzungen_

Die überarbeitete Fassung beinhaltet zum Glück keinerlei Kürzungen, die dem Gesamtbild der Geschichte großartigen Schaden zufügen, allerdings gehen ein paar schöne Anspielungen auf H. P. Lovecrafts Originalwerke verloren, durch welche den belesenen Lovecraft-Kenner einige Vorahnungen ereilen könnten. Zudem wurde etwa in der Mitte der Geschichte ein kompletter Abschnitt mitsamt den daraus resultierenden Folgeszenen herausgestrichen. Dieser durchaus atmosphärische Teil ist zwar nicht lebensnotwendig für die Erzählung, erklärt aber zu einem Teil Andaras Gemütszustand gen Ende der Geschichte.

Einige Passagen sind, wie ich finde, sinnvoll gekürzt oder um ein paar erläuternde oder der Atmosphäre zuträgliche Sätze erweitert worden, so dass sich der Lesefluss dort durchaus verbessert hat. Glücklicherweise sind auch einige Fehlerteufelchen dem Korrekturstift zum Opfer gefallen, was zum Beispiel den zeitlichen Ablauf der Geschichte im Hörbuch durchaus ein wenig glaubwürdiger erscheinen lässt.

Was ich aber einfach nicht verstehen kann, ist, warum Roderick Andaras Frau im Hörbuch |Victoria| Price heißt, während ihr Name in meiner Ausgabe des Romans |Jennifer| Price lautet. Nicht, dass sie in der Geschichte auch nur einmal in persona aufträte, verstarb sie doch zwei Jahre zuvor, aber das macht das Ganze nicht weniger rätselhaft.

Es sei noch erwähnt, dass die letzten Seiten des Romans – Roberts kurzes Scharmützel mit drei abtrünnigen Templern – aus rein chronologischen Gründen unter den Tisch fallen mussten. Das lässt sich aber auch einigermaßen leicht begründen: Ursprünglich ist dieser Roman zwischen dem zweiten und dritten Hexer-TB erschienen, also zu einer Zeit, als die Hexer-Saga schon dementsprechend weit vorangeschritten war. Nun erscheint er als Vorgeschichte im allerersten Band der Sammler-Edition und von daher scheint es ratsam, die paar Seiten, die im Grunde nichts mit den eigentlichen Geschehnissen zu tun haben, entfallen zu lassen.

_Wenn der Autor selbst erzählt_

Zum Auftakt der Hexer-Hörbücher ließ Wolfgang Hohlbein es sich nicht nehmen, den Part des Erzählers persönlich zu übernehmen. Leider bringt das neben den klaren Vorteilen auch einige Nachteile mit sich. Sicherlich weiß er selbst am besten, welche Stimmungen er erzeugen und wie er die Geschichte gelesen bzw. verstanden wissen will, doch leider wirkt die Umsetzung anfangs eher holprig. Im Laufe der Erzählung wird die Akzentuierung der wörtlichen Rede wie auch der zu erzählenden Passagen immer besser, bis sich die Erzählung am Ende zu einem Hochgenuss steigert. Das Gesamtbild betrachtend, reichen seine Künste leider dennoch nicht an die eines Profis, wie zum Beispiel Joachim Kerzel, heran. Wirklich auffallend ist dies bei zwei Passagen im mittleren Teil der Geschichte – die |Traum-Sequenz| glänzt mit einer prächtig gelungenen sphärischen Hintergrundmusik, doch Hohlbeins kaum veränderte Stimme torpediert die musikalisch wunderbar aufgebaute Atmosphäre; beim Kampf mit dem |Tiefen Wesen| ist es allerdings am schlimmsten, denn da wirken sich sowohl die unpassenden Gitarrenriffs im Hintergrund als auch Hohlbeins Erzählstil sehr schädigend auf die Atmosphäre aus.

Ich muss leider noch etwas Unerfreuliches zur Sprache bringen, denn die Kapitelansagen, die alle zehn bis fünfzehn Minuten von Jürgen Hoppe beigesteuert werden, stören den Hörgenuss in ziemlich hohem Maße.

Neben diesen zum Teil weniger erfreulichen Begebenheiten gibt es aber noch etwas, das ich positiv hervorheben möchte – Roderick Andaras suggestiv verstärkte Befehle werden zweistimmig vorgetragen, dabei scheint die zweite Stimme stark verfremdet und wirkt somit düster und beschwörend. Ein wirklich gelungenes Stück tontechnischer Bearbeitung.

Einen kleinen Brückenschlag zu den alten Hörspielen vollführt Böhne mit Dirk Vogeley, der bereits 1991 dem Erzähler auf „Neues vom Hexer von Salem“ seine Stimme lieh. Auf dem vorliegenden Hörbuch übernimmt er die Stimme aus dem Kristall, die eine Botschaft aus der Vergangenheit zu verkünden weiß.

_Der Ton macht die Musik_

Für die musikalische und klangtechnische Verfeinerung des Hörbuches sorgen Albert Böhne und sein |ANDARA Project|. Die musikalische Begleitung ist im Gegensatz zu den früheren Hexer-Hörspielen zumeist rockig und wird nur in der Traumsequenz und der Botschaft aus der Vergangenheit durch düstere Sphärenklänge stilgerecht unterbrochen. Zudem bietet die CD zwei erstklassige Leckerbissen, aber dazu später.

Betrachten wir zunächst den Titelsong „Warlock“, der den Liebhabern der alten Hexer-Hörspiele im ersten Moment sehr wohl vertraut vorkommen dürfte. Das altbekannte |Hexer-Thema| erklingt genau einmal – auf den Saiten einer E-Gitarre – um dann auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung zu verschwinden. Der Song gleitet in ein orchestrales Thema mit akustischer Gitarre, Cello und Englisch-Horn-Klängen über, wird jedoch plötzlich von rockigen Gitarren und einem Schlagzeug dominiert. Alleine damit sollte allen altgedienten Hexer-Hörern klar sein, dass hier etwas gänzlich Neues seinen Anfang nimmt.

Sieht man einmal von den peinlichen Gitarrenriffs bei der oben erwähnten Kampfszene ab, trifft die musikalisch Untermalung allerorten den richtigen Ton und sorgt während der dramatischen Szenen für eine angenehm unbehagliche Atmosphäre.

Kommen wir nun zum ersten musikalischen Highlight. Für den Gesangspart von „Necron’s Song: Run!“ konnte Albert Böhne den Frontmann von |Accept| und |U.D.O.| verpflichten. Ja, liebe Freunde schwermetallischer Klänge, ihr lest richtig: Udo Dirkschneider bereichert mit seiner unvergleichbaren Stimme „Die Spur des Hexers“. Den Text zu [„Necron’s Song: Run!“]http://www.hohlbein.de/autor/audio/run.txt habe ich euch mal herausgesucht.

Bevor ich euch den zweiten Gaststar vorstelle, möchte ich noch ein paar Worte zur klanglichen Umsetzung des |Cthulhu|-Rituals verlieren. Hier hat sich Albert Böhne selbst übertroffen – durch den Einsatz vieler echter Trommeln und der stark verfremdeten Stimmen, mit denen die Beschwörungsformel zelebriert wird, kommt zum Ende des Hörbuches noch einmal richtige Gänsehaut-Stimmung auf.

|:Cthulhu – Fthagn – Ngai – R’Lyeh!:
Yog – Sothoth – Shudde – Mell
Nyarla – Tothep – Shubb – Niggurath
Azatoth – Glaaki – Wendigo – Hastur
Cthuga – Shodagoi – Dagon – ChoCho
Tsa – Thoggua – Yib – Tsstl
:Cthulhu – Fthagn – Ngai – R’Lyeh!:
R’Lyeh!
R’Lyeh!|

Dieser Part hat mir ehrlich gesagt am besten gefallen, zumal ich jetzt auch endlich weiß, wie all ihre Namen ausgesprochen werden.
|“Sie – das waren die, DEREN NAMEN MAN NICHT AUSSPRECHEN SOLL, will man nicht Gefahr laufen, sie zu rufen und den Preis für ihr Kommen zu zahlen, der schrecklich ist.“|

Zu guter Letzt kommen wir zum zweiten musikalischen Höhepunkt, dem Schlusssong „The Age of Damnation“. Niemand anderer als Steve Whalley, der Sänger der altgedienten Hardrock-Formation SLADE, bringt den glorreichen Abschluss dieser drei CDs.

_Mitwirkende_

|Sprecher:|
Wolfgang Hohlbein – Erzähler
Dirk Vogeley – Stimme aus dem Kristall
Jürgen Hoppe – Einleitung und Kapitelansagen

|Gesang:|
Udo Dirkschneider – „Necron’s Song: Run!“
Steve Whalley – „The Age of Damnation“
Albert Böhne – „Ritual“

|Musiker:|
Albert Böhne – Klavier, Keyboards, Background Vocals
Bernie Adamkewitz – Gitarre
Stefan Kaufmann – Gitarre
Michael Dötsch – Gitarre
Ian Stewart – Bass
Karl Övermann – Schlagzeug, Percussion

|3 CDs, Spielzeit 222 Minuten|

_Schlusswort_

Und nun noch ein paar abschließende Worte zum ersten Teil der neuen Hörbuch-Reihe aus dem Hause Hohlbein. Ich muss leider sagen, dass diese Umsetzung meines Erachtens nicht mehr als befriedigend ausfällt. Es lässt sich zwar nicht leugnen, dass ich am Ende dieses Werkes ein gutes Gefühl verspürt habe, aber das Gesamtbild reflektierend, kann ich diverse Unstimmigkeiten einfach nicht ignorieren. Ich würde mich freuen, wenn Wolfgang Hohlbein auch die anderen Hörbücher dieser Reihe erzählt, aber bitte mit der erzählerischen Finesse der letzteren Szenen. Ich kann eigentlich nur empfehlen, sich die Taschenbücher oder die Sammler-Edition zu besorgen und zu lesen – dieses Hörbuch ist dann sicherlich eine Bereicherung, aber ersetzen kann es das geschrieben Wort Hohlbeins nicht.

Wer jetzt Lust bekommen hat, sich näher mit H. P. Lovecrafts |Cthulhu|-Mythos oder Wolfgang Hohlbeins Hexer-Saga zu beschäftigen, dem seinen zwei meiner Rezensionen ans Herz gelegt:
[„Der Schatten über Innsmouth“ 424 sowie
[„Der Hexer von Salem“. 249

Lovecraft, Howard Phillips – Schatten über Innsmouth, Der

Howard Phillips Lovecraft ist bekannt für seinen – zumindest für heutige Verhältnisse – eigentümlichen Schreibstil. Seine Erzählung „Schatten über Innsmouth“ (Buchtitel) ist in Form eines Reiseberichtes gehalten – genauer gesagt, erzählt ein junger Mann rückblickend von zwei Tagen seiner Reise.

Er feiert seine Volljährigkeit mit dieser Reise durch Neuengland – um das Land kennen zu lernen und außerdem historische und genealogische Studien zu betreiben. In Newburyport angekommen, bemüht sich der Erzähler um eine Passage nach Arkham. Als er den horrenden Fahrpreis für den Dampfzug beanstandet, berichtet ihm der Fahrkartenverkäufer von einem Autobus, der zweimal täglich von Newburyport über Innsmouth nach Arkham fährt. Die Einheimischen meiden jedoch diese kleine Hafenstadt an der Mündung des Manuxet, da sie sich vor den Bewohnern ekeln, ja sogar ängstigen. Es habe den Anschein, so erfährt der junge Mann, dass die Einwohner von Innsmouth, je älter sie werden, zunehmend einer heimtückischen Krankheit zum Opfer fallen. Daher ranken sich um das geheimnisumwogene Innsmouth und seine Bewohner ungeheuerliche Legenden. Von der Neugier gepackt, schickt sich der Reisende an, noch am selben Abend den Autobus zu nehmen, wird jedoch in seinem Enthusiasmus von seinem Gesprächspartner gebremst, der ihm rät, erst am nächsten Morgen zu fahren, um den Tag in Innsmouth zu verbringen, jedoch noch am Abend des selben Tages seine Weiterreise nach Arkham anzutreten. Als Begründung führt er die Erzählungen eines Gewerbeinspektors an, der vor zwei Jahren im Gilman House, dem einzigen Hotel in Innsmouth, abgestiegen war. Dieser Mann berichtete von seltsamen, unnatürlichen Stimmen, die aus den leer stehenden Zimmern des Hotels drangen und sich in einer fremden Sprache die ganze Nacht unterhielten. Er habe es nicht gewagt, sich zu entkleiden und zu Bett zu gehen, jedoch am nächsten Morgen die Beine in die Hand genommen und mit dem Autobus die Stadt verlassen. Im weiteren Gespräch erfährt der junge Mann auch, dass selbst der Bahnangestellte, der doch gar nicht aus dieser Gegend stammt, die Menschen aus Innsmouth nicht besonders leiden kann. Sie seien eben ein sehr sonderbares Völkchen. Der Erzähler nutzt die ihm verbleibende Zeit des Tages für Recherchen in den örtlichen Archiven und Museen, wobei seine Neugier nur weiter angestachelt wird.

Am nächsten Morgen findet er sich an der Haltestelle des Autobusses ein und beginnt seine abenteuerliche Reise nach Innsmouth. Seine Mitreisenden wirken tatsächlich ein wenig sonderbar und ihr Äußeres stößt ihn wahrlich ab. Am Ziel angekommen, erkundet er den kleinen Platz, an dem der Autobus hält und vergewissert sich ob der abendlichen Abfahrtszeit. Der junge Mann entdeckt einen kleinen Laden, in dem er sich mit Proviant für den Tag versorgt. Der Verkäufer erkennt ihn als Zugereisten und so kommen sie ins Gespräch. Er sei auch nicht von hier und wäre lieber an jedem anderen Ort auf der Welt, doch die Geschäftsleitung habe ihn nach Innsmouth versetzt und da er seine Stellung nicht aufgeben wolle, habe er sich damit abgefunden. Doch immer, wenn es ihm möglich sei, verlasse er diesen Ort, denn hier sei es nicht geheuer. Er berichtet von dem alten Zadok Allen, der ihm bestimmt mehr über Innsmouth und seine Einwohner erzählen könne. Es werde jedoch nicht gerne gesehen, wenn der alte Zadok sich mit Fremden unterhalte, doch mit einer Flasche seines Lieblingsstoffes könne man seine Zunge lösen. Das meiste, was er zu erzählen habe, seien jedoch Schauergeschichten, die man nicht glauben könne. Der Verkäufer zeichnet noch eine grobe Skizze der Stadt und der junge Reisende macht sich auf den Weg, die Stadt zu erkunden…

Die unheimlichen Geschichten von H. P. Lovecraft (* 20. August 1890, + 15. März 1937), dem Großmeister der Angst, zählen heutzutage zum Weltliteraturerbe. Dabei war er zu Lebzeiten nicht gerade von sich und seinen Werken überzeugt. Eine seiner längsten autobiographischen Schriften trägt den Titel “Einige Anmerkungen zu einer Null”. Er wagte damals nicht einmal zu hoffen, dass seine Werke jemals mit denen von Poe, Dunsany oder Blackwood auf einer Ebene stünden. Er selbst schrieb hierzu: |“Für mein Werk kann ich nichts weiter vorbringen als seine Redlichkeit. Ich weigere mich, den mechanischen Konventionen der Unterhaltungsliteratur Tribut zu zollen oder meine Erzählungen mit Klischeefiguren und abgedroschenen Situationen vollzustopfen. Ich lege Wert darauf, echte Gemütsäußerungen und Eindrücke so gut zu schildern, wie ich es vermag. Die Ergebnisse mögen armselig sein, doch ringe ich lieber weiter hartnäckig um echten literarischen Ausdruck, als die künstlichen Maßstäbe wohlfeiler Schnulzen zu akzeptieren.”|

In frühester Kindheit lauschte er den Märchen und Sagen und bereits im Alter von vier Jahren waren die Gebrüder Grimm seine bevorzugte Lektüre. Kurz darauf zog ihn „Tausendundeine Nacht“ in ihren Bann. Doch nicht nur Bücher und Sagen übten ihre Faszination auf ihn aus, auch die alten Straßen seiner Heimatstadt Providence, in denen die mit gefächerten Oberlichtern ausgestatteten Türen im Kolonialstil, winzige Fenster und anmutige Dachfirste aus der Zeit König Georgs den Glanz des achtzehnten Jahrhunderts lebendig erhalten hatten, übten einen Zauber auf ihn aus, den er sich kaum erklären konnte. Sein Faible für das achtzehnte Jahrhundert spiegelt sich in vielen seiner Erzählungen wider, so auch in “Schatten über Innsmouth”. In langen Passagen beschreibt er die Straßenzüge voll verlassener Häuser mit ihren vernagelten Türen und Fenstern, von denen eine gespenstische Atmosphäre ausgeht.

Aus gesundheitlichen Gründen war es ihm nicht vergönnt, regelmäßig die Schule zu besuchen, so dass er sich seine Bildung in Form eines chaotischen Selbstudiums bereits in jungen Jahren allein aneignen musste. Sein Augenmerk fiel auf die Wissenschaften und so trachtete er anfänglich mehr nach der Wahrheit denn nach Mythen und unheilmlichen Geschichten. Alsbald begann Lovecraft sich für Edgar A. Poe zu interessieren, doch seine frühe literarische Zeit war geprägt von Gedichten und Essays. Für ihn waren die wenigen phantastischen Gehversuche, die er unternahm, eher eine unbedeutende Nebensache. Zwar schrieb er seine erste unheimliche Geschichte ‚Der edle Lauscher‘ schon im Alter von sieben Jahren, doch er bezeichnete sie im Nachhinein als jämmerlich und infantil. Den |Cthulhu|-Mythos mit seinem eigenen Pantheon schuf er erst über 20 Jahre später, nach seiner Entdeckung Lord Dunsanys (mit vollem Namen Edward John Moreton Drax Plunkett), welche seiner Schriftstellerei gewaltigen Auftrieb verlieh. H. P. Lovecraft kann man guten Gewissens, ebenso wie Poe und Dunsany, als einen der Pioniere der phantastischen Literatur bezeichnen. Wenn auch sein Stil nicht gerade hohe literarische Maßstäbe anlegt, so vermitteln seine Erzählungen doch einen hintergründigen Schrecken und eine unheimliche Atmosphäre. Die Städte Arkham und Kingsport, die in einigen seiner Geschichten vorkommen, sind ein mehr oder weniger verändertes Salem und Marblehead (Massachusetts), die er neben einigen anderen Städten auf seinen Reisen durch die Vereinigten Staaten besuchte.

“Schatten über Innsmouth” gehört zweifelsohne in den |Cthulhu|-Mythos, den Lovecraft in überwiegend fragmentarischer Form ins Leben rief. Es ist die einzige längere Geschichte, die noch zu seinen Lebzeiten in Buchform bei einem kleinen Verlag publiziert wurde. Das Grauen in dieser recht aparten Erzählung geht zwar nicht von |Cthulhu| und dem Geschlecht der |Großen Alten|, ebenso wenig von dessen Dienerkreaturen aus, doch auch die |Tiefen Wesen|, grauenerregende Froschkreaturen, die in den Meeren leben, kamen einstmals von den Sternen und bevölkerten neben den |Großen Alten| die Erde, als diese noch kein eigenes Leben beherbergte. H. P. Lovecraft versteht es, mittels seiner detaillierten Schilderung der Stadt und des von ihr ausgehenden Unbehagens, den Leser in eine Atmosphäre des Grauens einzuführen und obwohl das schreckliche Ende bereits zu Beginn der Geschichte offenbar wird, steigert sich die Spannung und bietet einen kleinen Einblick in die abscheulichen Abgründe des |Cthulhu|-Mythos.

In dieser Geschichte finden sich Lovecrafts gewohnte Stilmittel wieder. Ein einzelner Mann sieht sich mit einer widernatürlichen Übermacht des Grauens konfrontiert und bietet sein ganzes Wesen auf, um ihr zu entgehen. Jahre danach entschließt er sich, von Alpträumen geplagt und in der Überzeugung, keinen weiteren Schaden mehr anzurichten, seine Erlebnisse der Welt zu enthüllen. Wie so oft ist die Erzählung also nur wenig von wörtlicher Rede durchzogen – sieht man einmal von ein paar Gesprächen zu Beginn und der längeren Unterhaltung mit Zadock Allen ab. Alles, was der Leser erfährt, beruht auf den Erlebnissen des Erzählers, den Geschichten, die ihm auf seiner Reise zutragen werden und dem schrecklichen Schicksal, mit dem er sich heute konfrontiert sieht.

In den letzten beiden Jahren erschienen gleich zwei Hörbücher der Reihe |H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens| aus der Schmiede von |LPL records|. Während „Der Cthulhu-Mythos“ (2002) mit dem |Deutschen Phantastik-Preis 2003| als „Bestes Hörbuch/Hörspiel des Jahres“ ausgezeichnet wurde, steht ihm sein jüngerer Bruder „Der Schatten über Innsmouth“ (2003) in nichts nach. In Zeiten, da immer weniger Menschen Zeit zum Lesen finden, vermag dieses neue Medium vielleicht auch den |Cthulhu|-Mythos aufs Neue zu entfachen.

Die deutsche Fassung stammt aus der Feder von Andreas Diesel und wurde von Frank Festa (|Festa|-Verlag) für die Hörbuchfassung überarbeitet. |LPL records| hat mit diesem Hörbuch eine von Lovecrafts besten Horrorgeschichten in ein eindrucksvolles Gewand gekleidet. Nicht nur, dass Lars Peter Lueg, der Produzent und Verlagsleiter von |LPL|, dem geneigten Zuhörer eine ungekürzte Fassung dieser Erzählung bietet, außerdem ergänzt eine Bonus-CD mit Texten von S. T. Joshi und David E. Schultz, welche düstere Hintergrundinformationen über die Entstehung von Lovecrafts bekanntester Geschichte liefert und interessante Details über dessen alptraumhafte und geniale Gedanken enthüllt, die 215 Minuten lange Geschichte. Als letzte Zugabe befindet sich auf dieser CD auch eine 26-minütige Hörprobe aus „Der Cthulhu-Mythos“.

Ebenso trägt die Wahl der Sprecher maßgeblich zu der herausragenden Umsetzung bei. Lutz Riedel leiht dem Erzähler seine Stimme, während Joachim Kerzel – der bereits den Erzählungen in „Der Cthulhu-Mythos“ eine schauderhafte Atmosphäre verlieh – auf unnachahmlich eindrucksvolle Weise die Rolle des alten Zadok Allen übernimmt. Der Zuhörer vermag die Angst des Alten förmlich zu spüren. Im Zusammenspiel dieser beiden altgedienten Synchronsprecher entsteht eine Atmosphäre, die das Grauen und das spätere blanke Entsetzen, welches den Erzähler immer mehr in die Fänge des Wahnsinns zu treiben droht, sehr überzeugend zu vermitteln vermag. Beide wandeln auf einem schmalen Grat zwischen Realität und Wahnsinn.

Lutz Riedel nimmt den geneigten Hörer mit auf eine Reise in die düsteren Abgründe der Phantasie, die Stadt Innsmouth erscheint buchstäblich vor den Augen der Hörerschaft und die Flucht durch die alten Straßen der Stadt lässt einem einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Er versteht es, die Spannung dieser Geschichte zu keinem Punkt abreißen zu lassen, und so wird aus der Synthese von Lovecraft und Riedel ein Meisterwerk wahnhaften Grauens.

Andy Matern sorgt zudem für eine passende musikalische Untermalung, welche die schaurige Atmosphäre an den richtigen Stellen noch unterstreicht. Dunkle Chöre und düstere, sphärische Klänge begleiten die Erzähler auf ihrem Weg und lassen den Schrecken beinahe real werden.

Wie auch schon bei „Der Cthulhu-Mythos“ übernimmt David Nathan auf der Bonus-CD die Rolle des H. P. Lovecraft, während Nana Spier sich der Texte annimmt, die dieses Bonusmaterial gänzlich abrunden. Selbst für Lovecraft-Liebhaber – jene unter euch, die sich mit dem Meister des Makaberen schon längere Zeit beschäftigen – wird die eine oder andere Information auf dieser CD möglicherweise einen neuen Aspekt seines Lebens und Schaffens eröffnen. Ich möchte mich hier bei den Verantwortlichen für dieses Lovecraft-Liebhaber-Paket bedanken, mehr kann man einfach nicht erwarten.

Der Berliner Schauspieler Lutz Riedel erblickte 1947 das Licht der Welt. Neben seiner Tätigkeit als Buch- und Dialogregisseur, sowie Dialogautor synchronisierte er u. a. Timothy Dalton („James Bond – Lizenz zum Töten“) und Richard Gere („Internal Affairs“). Er war auch die Stimme von Jan Tenner in der gleichnamigen Hörspielserie.
Joachim Kerzel wurde 1941 in Oberschlesien geboren und besuchte ab 1963 die Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Neben der Schauspielerei begann er mit der Synchronarbeit, als Sprecher wie auch als Regisseur. Er ist die deutsche Stimme von Jack Nicholson und lieh sie u. a. Dustin Hoffmann und Robert DeNiro. Joachim Kerzel hat sich durch zahlreiche Bestseller-Lesungen einen Namen gemacht. Der versierte Sprecher sorgt neben seinen Rollen in den Lovecraft-Hörbüchern als Erzähler der neuen John-Sinclair-Hörspiele für Spannung und lässt den Hörer gruseln, erzittern und mitfiebern.
David Nathan (*1971) ist Regisseur und Synchronsprecher. Seine Stimme leiht er seit 1991 der Werbung, der Synchronisation und Dokumentation sowie Computer- und Hörspielen. Er ist u. a. die Synchronstimme von Johnny Depp. Neben Deutsch und Englisch spricht David Nathan auch fließend Berlinerisch.
Nana Spier (*1971) ist u. a. die deutsche Stimme von Drew Barrymore und Sarah Michelle Gellar. Die gebürtige Berlinerin ist zudem seit 1992 immer wieder im deutschen Fernsehen zu sehen, zuletzt als Schwester Elke in der Serie „Dr. Sommerfeld – Neues vom Bülowbogen“ (ARD).

Zu guter Letzt sei mir noch ein Ausblick auf die Fortsetzung dieser Reihe gestattet.
Im September 2004 erscheint „Howard Phillips Lovecrafts Bibliothek des Schreckens 3 – Das Ding auf der Schwelle“. Auf dieser Doppel-CD befindet sich neben der Titelgeschichte auch H. P. Lovecrafts Erzählung „Ratten im Gemäuer“. Als Sprecher wurde wieder Lutz Riedel verpflichtet. Ich denke, wir dürfen gespannt sein.

Mehr Informationen bei |wikipedia|: http://de.wikipedia.org/wiki/Lovecraft

Bitte beachtet auch unsere [Rezension 506 der Buchausgabe.

J. R. R. Tolkien – Der Hobbit

In „Der Hobbit“ erzählt J. R. R. Tolkien die Geschichte des Hobbits Bilbo Beutlin. Hobbits sind nur etwa halb so groß wie Menschen und noch kleiner als Zwerge. Es ist gar nichts von Zauberei an ihnen, außer die alltägliche Gabe, rasch und lautlos zu verschwinden.

Eines Morgens bekommt Bilbo Beutlin überraschenden Besuch von Gandalf, dem Zauberer, und dreizehn Zwergen. Die dreizehn Zwerge, unter der Führung von Thorin Eichenschild, wollen versuchen, dem Drachen Smaug den Schatz wieder abzunehmen, den dieser dem Großvater von Thorin, dem König unter dem Berge, vor langer Zeit geraubt hatte. Zu diesem Zweck benötigen die Zwerge jedoch einen erfahrenen Meisterdieb, der sie unterstützen soll. Obwohl Bilbo gar keine Erfahrung als Meisterdieb und eigentlich auch überhaupt keine Lust auf ein Abenteuer hat, erklärt er sich bereit, die Zwerge auf ihrer Queste zu begleiten.

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Cornwell, Patricia – Wer war Jack the Ripper? Porträt eines Killers

„Wer war Jack the Ripper?“ Bis jetzt gelang es wohl niemandem, diese Frage mit endgültiger Sicherheit zu beantworten. Seit 115 Jahren wurde versucht, dieses „Mysterium“ zu lösen und dabei hat man unzählige Theorien über die Identität des Rippers entwickelt. Einige davon klingen äußerst plausibel, jedoch beruhen alle auf Annahmen und Vermutungen. Für keine Theorie konnten bis jetzt schlüssige Beweise erbracht werden.

Fakt ist, dass zwischen dem 31. August und dem 9. November 1888 in Londons „East End“-Stadtteil Whitechapel fünf Prostituierte auf grausame Weise ermordet wurden. (Über die Jahre schwankte die Zahl der dem Ripper zugeschriebenen Morde, aber diese fünf werden von fast allen Autoritäten auf diesem Gebiet akzeptiert.)
Das erste Opfer, Mary Ann (Polly) Nichols, wurde am 31. August gegen vier Uhr morgens gefunden. Sie starb an zwei vertikalen Schnitten durch ihren Hals, die sowohl die Luftröhre als auch die Speiseröhre durchtrennten. Nach Aussage des herbei gerufenen Arztes war sie noch nicht länger als eine halbe Stunde tot und sie wurde an ihrem Fundort getötet. Von den befragten Anwohnern hatte jedoch niemand etwas Verdächtiges gesehen oder gehört. Im Leichenschauhaus wurde dann festgestellt, dass Polly’s Unterleib tiefe Messerschnitte aufwies, die ihr aber vermutlich erst nach dem Tod zugefügt wurden.
Das zweite Opfer, Annie Chapman, wurde am 8. September um sechs Uhr morgens gefunden. Obwohl die Straßen um diese Zeit schon belebt waren, hatte auch diesmal niemand etwas gesehen oder gehört. Der untersuchende Arzt vermutete, dass sie seit etwa zwei Stunden tot war. Annie Chapman wurde am Fundort vermutlich erst bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und anschließend mit einem Schnitt durch die Kehle getötet. Auch ihr Unterleib wurde nach dem Tod mit einem Messer zerschnitten.
In der Nacht vom 29. auf den 30. September wurden zunächst das dritte Opfer Elisabeth Stride und dann das vierte Opfer Catherine Eddowes gefunden. Elisabeth Stride, entdeckt um ein Uhr morgens in Dutfield Vard, war vermutlich erst eine halbe Stunde tot, als man sie fand. Ihr wurde die Kehle durchgeschnitten und ihr Unterleib wurde mit einem Messer ausgeweidet. Ebenso war es bei Catherine Eddowes, die etwas später am Mitre Square aufgefunden wurde.
Das fünfte und vermutlich letzte Opfer des Rippers war Mary Kelly, die man am 9. September in ihrem Zimmer mit durchtrennter Kehle und grausam verstümmeltem Unterleib fand.

Die wohl bekannteste und in Filmen und Büchern am meisten verwendete Theorie über die Identität des Rippers ist die „Königliche Verschwörung“ (die auch die Grundlage für den neuesten Ripper-Film „From Hell“, basierend auf einer Comic-Reihe, bildete):
Prinz Albert Victor, Enkelsohn von Queen Victoria, verliebt sich in ein armes Mädchen aus Whitechapel, schwängert und heiratet sie anschließend in einer geheimen Trauung. Um einen Skandal für die Queen zu vermeiden, müssen sowohl das Mädchen und ihr Kind, aber auch ihre fünf Freundinnen, die davon wissen, beseitigt werden. Der königliche Leibarzt nimmt sich der Sache an, bringt das Mädchen in ein Irrenhaus und erfindet für die fünf Freundinnen „Jack the Ripper“. Da diese Theorie sehr viele Lücken aufweist und Teile davon einfach erfunden wurden, gehört sie zu den weniger glaubwürdigen.

Die amerikanische Krimi-Autorin Patricia Cornwell, die vor allem durch ihre Kay-Scarpetta-Romane bekannt geworden ist, behauptet nun, dass die grausamen Morde von Englands angesehenem viktorianischen Maler Walter Sickert begangen wurden. Die ehemalige Polizeireporterin gab über sechs Millionen Dollar aus, um ihre Theorie mit Beweisen zu untermauern. Sie befragte Forensiker, DNA-Analytiker, Graphologen und Kunsthistoriker und kaufte mehrere Bilder Sickerts, um diese auf DNA-Spuren zu untersuchen. Diese wollte sie dann mit DNA-Spuren vergleichen, die eventuell auf einem oder mehreren von den 250 von Jack the Ripper unterschriebenen Briefen vorhanden waren. Leider hatte sie bei der Suche nach DNA-Spuren keinen Erfolg. Ihre Theorie stützt sich bislang also nur auf Vermutung und Indizien. So malte Walter Sickert einige makabre Gemälde, die Cornwell mit dem Ripper in Verbindung bringt. Auf einem seiner Gemälde will sie beispielsweise das Zimmer wiedererkennen, in dem Mary Kelly (Opfer Nr. 5) ermordet wurde. Außerdem hat sie herausgefunden, dass ein weithin als echt eingestufter Brief des Rippers das gleiche Wasserzeichen aufweist wie die Korrespondenz des Malers. Walter Sickerts psychologisches Profil scheint dazu für einen Serien-Killer maßgeschneidert zu sein. Er hatte einen gewalttätigen Vater und wurde mit einer Penis-Mißbildung geboren. Durch einen chirurgischen Eingriff im Kindesalter musste er wahrscheinlich mit einer Verstümmelung leben.

Patricia Cornwell schafft es aber in „Wer war Jack the Ripper?“, ihre Vermutungen auf packende und überzeugende Weise darzustellen. Vor allem die Beschreibungen der fünf Whitechapel-Morde sind sehr eindrücklich und nichts für schwache Nerven, obwohl, oder gerade weil sie ohne die in fiktiven Romanen übliche Effekthascherei beschrieben werden. Die Atmosphäre der viktorianischen Epoche wird durch die sorgfältige Recherche der Autorin überzeugend geschildert. Ein großer Nachteil bleibt jedoch, dass Patricia Cornwell in der Chronologie hin und her springt, was zwar dem wirklichen Verlauf ihrer Ermittlungen entspricht, es aber dem Zuhörer sehr erschwert, ihrem Versuch, Walter Sickert als Ripper zu überführen, zu folgen.

Die im Vergleich zum Buch gekürzte Hörbuchfassung wird im Wechsel von Fransiska Pigulla (bekannt als Synchronstimme von „Scully“ aus „Akte X“) und Stephan Benson gelesen. Sie besteht aus vier CDs mit einer Gesamt-Laufzeit von 293 Minuten. Negativ fällt das Papp-Booklet auf, das die CDs enthält. Es ist nicht sehr stabil und die CDs werden nur eingesteckt, können also jederzeit bei unvorsichtiger Handhabe herausrutschen und die Handhabung ist für die Oberflächenbeschichtung nicht gerade schonend.

Homepage der Autorin: http://www.patriciacornwell.com

Deutsche Infoseite zum Thema: http://www.jacktheripper.de