Archiv der Kategorie: Horror & Unheimliches

Algernon Blackwood – Der Griff aus dem Dunkel. Gespenstergeschichten

Blackwood Griff aus dem Dunkel kleinInhalt:

In einer Novelle und fünf Kurzgeschichten gewinnt Algernon Blackwood (1869-1951), Meister der angelsächsischen Gruselliteratur, ihm wichtigen Themen (Naturmystik, Mehrdimensionalität, Tod als Übergang) neue, spannende Seite ab:

Das Haus der Verdammten (The Damned, 1914), S. 7-110: William und seine Schwester Frances werden von der reichen Witwe Mabel auf deren Landsitz in der Grafschaft Sussex eingeladen. Aus dem erhofften Urlaub auf dem Lande wird nichts, denn in „The Towers“ spukt es mächtig. Mabels verstorbener Gatte, der Bankier Samuel Franklyn, war ein Laienprediger übelster Sorte: ein bigotter, fanatischer Eiferer, der mit Inbrunst die ewige Verdammnis auf alle Sünder herab beschwor. Selbst der Tod konnte Samuel und seinen Missionseifer nicht stoppen; sein niederträchtiger Geist beherrscht „Two Towers“, die willenlose Mabel und tausend körperlose Seelen, Samuels Opfer, die ihr Gehorsam nicht ins Paradies, sondern in eine düstere Zwischenwelt fehlgeleitet hat, der sie nun verzweifelt und zornig endlich entkommen wollen. In einem letzten Aufflackern ihres Widerstandes hat Mabel Frances und William zu sich gerufen, doch die Geschwister können dem Ansturm der Verdammten ebenso wenig standhalten wie sie. Algernon Blackwood – Der Griff aus dem Dunkel. Gespenstergeschichten weiterlesen

Andreas Gruber – Der Judas-Schrein

Der Wiener Kripobeamte Alex Körner steckt in Schwierigkeiten. Sein erster Fall als Chefinspektor endete durch seine Fahrlässigkeit in einem Desaster mit mehreren Verletzten. Zur Rehabilitierung wird er auf den Mordfall eines Mädchens in einer Dorfdisko angesetzt. Beim abgelegenen Grein am Gebirge handelt es sich um Körners einstige Heimatstadt, in der er die ersten vierzehn Jahre seines Lebens verbrachte. Nach dem Tod seiner Eltern bei einem Hausbrand zog er nach Wien und brach jede Verbindung zu seinem alten Leben ab. Wider Willen muss Körner jetzt nach fast dreißig Jahren in seine Heimat zurückkehren. Als Unterstützung steht ihm die Polizeipsychologin Dr. Sonja Berger zur Seite. Den Rest des Ermittlerteams bilden seine Ex-Freundin Jana Sabriski als Gerichtsmedizinerin, der zurückhaltende Polizeifotograph Kralicz, von den anderen nur liebevoll „Basedov“ genannt, und der sarkastische Spurensicherer Rolf Philipp.

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Feige, Marcel – Inferno – Ruf der Toten

Der Berliner Autor Marcel Feige wagt sich mit seinem vierten Roman „Inferno – Ruf der Toten“ an eine Trilogie, die – soweit man dies nach dem vorliegenden ersten Band beurteilen kann – nichts Geringeres als das Ende der Menschheit heraufzubeschwören scheint. Eine Menschheit, die mit großen Schritten auf die Apokalypse zusteuert, auf einen Zusammenstoß von Imagination und Wirklichkeit, von Vergangenem und Gegenwärtigem, von Leben und Tod. Und eines möchte ich gleich vorwegschicken: Nach den letzten Sätzen von „Inferno – Ruf der Toten“ möchtet ihr am liebsten sofort wissen, wie die Geschichte weitergeht und alles zusammenhängt. Garantiert! Kein Zweifel!

_Unheilvolle Vorboten_

Nach einer durchgefeierten Drogen-Nacht kollabiert Philip auf den Straßen Berlins. Das beängstigende Nahtoderlebnis, das er in diesem Moment hat, ist nur der Beginn einer Reihe von merkwürdigen Visionen, die ihn von nun an heimsuchen sollen und ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Irgend etwas scheint mit ihm nicht in Ordnung zu sein …

London: Beatrice, eine völlig normale, 22-jährige junge Frau, erleidet wie aus heiterem Himmel einen Herzinfarkt. Im Krankenhaus kann ihrem zukünftigen Ehemann Paul wenig später nur noch die Nachricht des Todes seiner Verlobten überbracht werden. Als dieser sich in der Leichenhalle ein letztes Mal von Beatrice verabschieden will, macht er eine schockierende Entdeckung: Seine Freundin ist spurlos verschwunden.

An anderer Stelle Londons: Beatrice erwacht in einer dreckigen Gasse und kann sich nicht mehr an ihre Identität erinnern. Der obdachlose Elonard, der in allerletzter Sekunde verhindern kann, dass sie von ein paar schmierigen Typen vergewaltigt wird, ist ihr behilflich, ihr Leben zu rekonstruieren.

In Rom tritt eine geheime Versammlung von Würdenträgern des Vatikans zusammen, um über Maßnahmen zu beraten, wie eine sich durch verschiedene Zeichen andeutende Katastrophe für die Menschheit abgewendet werden kann …

_Beurteilung_

Marcel Feige lässt von Beginn seines Romans keinen Zweifel daran, dass es ihm mit seiner „Inferno“-Trilogie absolut ernst ist und er vor allem das Talent hat, eine etwas komplexere Geschichte nicht in einem Sumpf aus Überambition und Orientierungslosigkeit versickern zu lassen. Kontinuierlich steigert er die Spannung, so dass der Leser zusammen mit den Figuren in einen Strudel der Ereignisse gesogen wird. Dabei lässt Feige mehrere Handlungsstränge parallel zueinander ablaufen, deren Zusammenhänge in „Inferno – Ruf der Toten“ lediglich angedeutet werden und für die beiden kommenden Bände noch einiges hoffen lassen.

Die Hauptfiguren des Romans sind zudem so angelegt, dass sie dem Leser – wenn man den fantastischen Hintergrund der Geschichte außer Acht lässt – ein leises „Das könnte dir auch passieren“ einflüstern. Denn sowohl der junge Fotograf Philip, der zwischen Verantwortungsbewusstsein im Job und drogengeschwängerten Partys hin- und hergerissen ist, als auch Beatrice, eine 22-jährige Studentin, sind absolute Durchschnittsmenschen, wie sie einem jeden Tag auf der Straße über den Weg laufen. Beide schickt Feige auf einen sehr schmerzvollen Trip, auf dem der Tod ein ständiger Begleiter ist.

Neben diesen zentralen Personen erhoffe ich mir persönlich noch viel von den beiden dubiosen Vatikan-Schergen Lacie und Cato, die für die altehrwürdigen Eminenzen unliebsame Probleme auf eine hässliche, aber konsequente Art und Weise lösen. Da stehen uns für die kommenden Bände sicherlich noch einige Zeugenbeseitigungsaktionen ins Haus.

„Inferno – Ruf der Toten“ ist alles in allem ein wirklich lesenswertes Buch, das locker und sprachlich versiert geschrieben ist – vor allem gelingt es Marcel Feige, mit nur wenigen Worten, die verschiedenen Situationen lebhaft vor dem geistigen Auge des Rezipienten entstehen zu lassen – und einige Vorfreude auf die 2006 erscheinenden Bände zwei und drei weckt.

Temporeich, spannend und ziemlich kickend!

http://www.festa-verlag.de/
http://www.dasinferno.de/

Lovecraft, Howard Phillips – Vom Jenseits (Erzählungen)

Wer kennt ihn nicht, den Meister des kosmischen Grauens? Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) ist ganz sicher einer der meistzitierten, wichtigsten und zweifelsohne auch besten Horror-Autoren aller Zeiten und hat zu Lebzeiten eine Vielzahl von Klassikern geschrieben, die auch heute immer wieder bemüht werden, weil sie auch ein knappes Jahrhundert nach ihrer Entstehung nichts von ihrer beklemmenden Ausstrahlung verloren haben. Lovecraft gilt als Erfinder eines Horror-Stils, dessen bedrohliche Grundhaltung direkt dem Kopf des Lesers entspringt. Hierzu möchte ich auch den Buchrücken zitieren, auf dem es heißt, dass dem Meister die ‚Fähigkeit entspringt, in seinen Erzählungen nicht nur Momentaufnahmen, sondern ganze Panoramen des Grauens zu entwerfen‘. Dem gibt es wohl kaum noch etwas hinzuzufügen. Lovecraft ist kein einfacher Geschichtenerzähler; er dringt bis tief ins Innerste des Lesers ein, spielt quasi mit dessen Vorstellungskraft und schafft es manchmal auch, sein Publikum innerhalb einer seiner Kurzgeschichten in den Wahnsinn zu treiben. Ein Klassiker ist eben ein Klassiker, und mal abgesehen von Edgar Allan Poe gibt es in der US-amerikanischen Literatur-Historie wohl auch keinen weiteren Schriftsteller, der ähnlich intensive Dramen zu entwickeln imstande ist oder war.

In „Vom Jenseits“ hat der |area|-Verlag nun die meisten der Lovecraft’schen Kurzgeschichten gesammelt und in einem Band veröffentlicht. Ganze 32 beklemmende Werke sind in diesem Buch enthalten, darunter natürlich auch die bekanntesten Stücke „Cthulhus Ruf“ und „Die Katzen von Ulthar“, „Die Ratten im Gemäuer“ oder „Das Grauen von Dunwich“. Nie zuvor gab es das Lebenswerk des berühmten und speziell in letzter Zeit viel beachteten Autoren in so kompakter und derart umfassender Form, was natürlich ganz klar für dieses Buch spricht – zumal der Preis mit einem Gesamtbetrag von weniger als 10 €uro natürlich mehr als einladend ist. „Vom Jenseits“ enthält zwar nicht alle Stücke, die Lovecraft verfasst hat, aber definitiv die wichtigsten, und auch wenn ich dahin tendiere zu behaupten, dass man wirklich alles von diesem legendären Schriftsteller kennen muss, kann ich nur nachhaltig unterstreichen, dass dieses Sammelwerk vollkommen ausreicht, um die Magie, die von Howard Phillips Lovecraft ausgeht, zu begreifen und sein poetisches Können und seine Ausstrahlung in sich aufzusaugen.

Diesbezüglich möchte ich noch einen kleinen Tipp geben. Die meisten Geschichten sind relativ kurz gehalten, deswegen kann man sie auch immer wieder zwischendurch lesen. Bei mir persönlich hat sich allerdings herausgestellt, dass die 32 Werke vor allem zu später Stunde ihre wohl gruseligste und grausamste Wirkung auf die eigene Stimmung haben. Daher habe ich mir fast einen Monat lang kurz vorm Einschlafen immer wieder ein bis zwei Geschichten aus dem Buch herausgesucht und gelesen und dabei festgestellt, welch großen Unterschied es macht, bei welcher Atmosphäre man sich auf Lovecraft einlässt. Probiert es einfach selber mal aus, ich bin mir sicher, ihr werdet es merken!

Damit gehe ich auch schon davon aus, dass man das Buch zwingend kaufen sollte. Aber mal ganz ehrlich: Wenn man nicht schon im Besitz dieser Kurzgeschichten ist, wäre alles andere ein Frevel wider den Großmeister der düsteren Poesie. Howard Phillips Lovecraft’s Werke sind zeitlos genial, und das ist ein unumstößlicher Fakt.

Der Inhalt von „Vom Jenseits“:

Pickmanns Modell
Die Katzen von Ulthar
Die Musik des Erich Zann
Die Anderen Götter
Cthulhus Ruf
Der boshafte Geistliche
In der Gruft
Die Ratten im Gemäuer
Hypnos
Iranons Suche
Das Weiße Schiff
In den Mauern von Eryx
Kühle Luft
Jenseits der Mauer des Schlafs
Der Alchemist
Das Mond-Moor
Gefangen bei den Pharaonen
Polaris
Vom Jenseits
Der Schreckliche Alte Mann
Das Grab
Der Baum
Das Tier in der Höhle
Das Verderben, das über Sarnath kam
Das Unbeschreibliche
Celephais
Das Grauen von Dunwich
Der Leuchtende Trapezoeder
Die Aussage von Randolph Carter
Der Silberschlüssel
Durch die Tore des Silberschlüssels
Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath

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Harris, Charlaine – Vampir, der mich liebte; Der

„Der Vampir, der mich liebte“ ist mittlerweile der vierte Roman aus Charlaine Harris‘ Serie um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse. In den vergangenen drei Bänden konnte der geneigte Leser Sookies Wandlung vom schüchternen Mauerblümchen zur heißen Vampirgeliebten verfolgen – mit all den Nebenwirkungen, die so eine Beziehung mit sich bringt. Sookies Romanze mit dem Vampir Bill hat ihr zwar in Sachen Sex die Augen geöffnet (und dafür gilt es durchaus, dankbar zu sein), doch gleichzeitig führt sie zu einigen Beinahe-Zusammenstößen mit dem Tod. Da Bills Vampirvorgesetzter Eric Sookies Gedankenleserei nur zu gern für seine Zwecke einsetzt, landet sie mit schöner Regelmäßigkeit in potenziell tödlichen Situationen und wird zusammengeschlagen, gebissen und herumgeschubst.

Am Ende des dritten Bandes „Club Dead“ hatte Sookie nun die Nase voll. Sie will all diese Vampire und Gestaltwandler einfach nur noch aus ihrem Leben haben und beendet ihre Beziehung zu Bill. Für das neue Jahr nimmt sie sich vor, nicht wieder zusammengeschlagen zu werden. Doch entwickelt sich Sookies Leben in „Der Vampir, der mich liebte“ natürlich nicht zu einem erholsamen Kaffeekränzchen. Als sie von der Neujahrsfeier im „Merlotte’s“ nach Hause kommt, liest sie einen halbnackten Vampir auf der Straße auf. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich dieser als Eric, der Besitzer der Vampirbar in Shreveport. Der selbstbewusste und von seinen Reizen überzeugte Eric hat sein Gedächtnis verloren, was zu einer interessanten Nebenwirkung führt: Er wird nett und umgänglich und Sookie fühlt sich immer mehr von ihm angezogen.

Die Vampire in Shreveport sind außer sich, als sie von Erics Veränderung erfahren. Scheinbar hat sich ein Hexenzirkel im Gebiet breit gemacht und will nun die Geschäfte nicht nur der Vampire, sondern auch der Werwölfe übernehmen. Da Eric sich weigerte, seine Bar aufzugeben, wurde er mit einem Fluch belegt. Erics Untergebene organisieren einen Großangriff auf die Hexen und verstecken derweil ihren Anführer bei Sookie, um ihn aus der Schusslinie zu bringen.

Es kommt, wie es kommen muss: Während Sookie Erics unwiderstehlichen Reizen erliegt, verschwindet ihr Bruder, werden einige Gestaltwandler in Shreveport blutig niedergemetzelt, macht ein Werwolf ihr Avancen und es geht generell heiß her. Ob Sookie ihren Vorsatz fürs neue Jahr halten kann, muss der Leser allerdings selbst herausfinden.

Mit „Der Vampir, der mich liebte“ ist die Romanreihe um Sookie vom kleinen Verlag |Feder & Schwert| zum großen |dtv| gewandert, der für den unhandlichen und lieblosen Titel verantwortlich zeichnet. (Im Original führen alle Romane das Wort „dead“ im Titel.) Das lässt zunächst auf nichts Gutes hoffen. Zum Glück aber werden diese Ängste schnell beruhigt. Die Übersetzung von Britta Mümmler ist absolut flüssig und macht den Roman auch in der deutschen Fassung zum Pageturner. Und auch Charlaine Harris selbst hat mal wieder einen Schmöker allererster Güte vorgelegt.

Zwar verschwindet der Gut-Vampir Bill recht schnell von der Bildfläche, er wird jedoch elegant durch Eric ersetzt, der in diesem Band nun endlich zum Zuge kommt (im wahrsten Sinne) und zu einem Hauptcharakter avanciert. Während Bill ein Frauenversteher ist, ist Eric ein Charmeur, ein Verführer und ein Sexgott. Über drei Bände hinweg musste die weibliche Leserschaft darauf hoffen, mehr von ihm zu sehen und hier endlich übergibt Harris dem blonden Vampir die Bühne. Zwar hat sein Gedächtnisverlust zu einigen Charakterveränderungen geführt, doch ist er immer noch ein Traum von einem Mann und im Bett kaum zu schlagen, wie Sookie bald selbst am eigenen Leibe feststellen darf. Selbst eingefleischte Bill-Fans werden einsehen müssen, dass es zwischen Sookie und Eric aufs Heftigste knistert – ein wahres Fest für die geneigte Leserin.

Auch Harris‘ romaneigene Mythologie wird weiter ausgebaut. Vampire, Gestaltwandler und Werwölfe wurden bereits in den vergangenen Bänden eingeführt. Nun sind die Hexen und Wiccas dran. Zwar stellen sie eine große Gefahr dar, doch dies resultiert hauptsächlich aus der Tatsache, dass man nicht recht weiß, welche Begabungen und Fähigkeiten sie besitzen. Harris hält sich hier also noch alle Türen offen und man darf hoffen, dass sie in Zukunft noch etwas näher auf die Hexen eingehen wird.

Doch wie steht es eigentlich mit der Entwicklung von Harris‘ Hauptfigur Sookie? Es ist schon erstaunlich, welche Wandlung sie in den vergangenen Romanen durchgemacht hat. Auf Grund ihrer Behinderung (das Gedankenlesen) schüchtern, unerfahren und mit nur wenigen sozialen Bindungen, hat sie sich mittlerweile zu einem heißen Feger mit etlichen Verehrern entwickelt. Zwar sind alle diese Verehrer Supras (also Übernatürliche), aber immerhin. Was sich jedoch nicht geändert hat, ist Sookies freche Schnauze. Immer noch mit viel Verve und trockenem Humor erzählt sie von ihren Abenteuern und wie sie sich mehr schlecht als recht finanziell über Wasser hält. Denn im Grunde ist Sookie eine ganz normale junge Frau mit alltäglichen Problemen. Sie hat zu wenig Geld, ihr Auto ist ein reiner Schrotthaufen, ihr Job stresst sie und ihre Beziehungen gehen in die Brüche. Nur hat sie es darüberhinaus mit lauter Vampiren und Werwölfen zu tun, was all ihre anderen Probleme nur noch verkompliziert.

Charlaine Harris‘ Vorrat an Ideen scheint unerschöpflich. Mit jedem Band werden ihre Romane flotter und unterhaltsamer, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Ihre Charaktere, obwohl bis zu einem gewissen Grad stereotyp, bleiben trotzdem immer liebenswert und überzeugend, und man kann nicht anders, als mit der gutmütigen Sookie mitzufiebern. Harris‘ Universum gewinnt immer mehr an Tiefe und Farbenfreude, je mehr übernatürliche Wesen es bevölkern. Bisher wirkt es damit auf keinen Fall überladen oder forciert. Trotz des hölzernen deutschen Titels ist „Der Vampir, der mich liebte“ also wieder eine absolute Leseempfehlung!

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Hohlbein, Wolfgang – Verfluchten, Die (Die Chronik der Unsterblichen, Band 8)

Seit einer Ewigkeit – und das ist hier wörtlich zu verstehen – reisen die Gefährten Andrej Delany und der Nubier Abu Dun nun bereits durch die Weltgeschichte. Das Rätsel um den Ursprung und die Geheimnisse ihrer Existenz als Vampyre treibt sie unermüdlich voran. Mehr als einmal haben sie auf ihrer gemeinsamen Reise Kopf und Kragen riskiert, nur um einer noch so vagen Spur nachzugehen. Mehr als einmal musste ihre Freundschaft einer Zerreißprobe standhalten und mehr als einmal war das Angebot aufzugeben allzu verführerisch. Und doch haben sie ihren Weg nie aus den Augen verloren.

Länger als ein Menschenleben währt nun schon ihre Freundschaft, die im fernen Transsylvanien des 13. Jahrhunderts unter einem unglücklichen Stern begonnen hat. Als Feinde standen sich die beiden ungleichen Charaktere auf dem Sklavenschiff des Nubiers gegenüber und kämpften erbarmungslos auf Leben und Tod.

Nun stehen sie Seite an Seite im Sand der lybischen Wüste und haben Jahrhunderte ins Land gehen sehen, Kriege ausgefochten und nur in wenigen Momenten gespürt, wie sich Frieden im Herzen anfühlt. Beide haben sie auf dem langen Weg Geliebte und Freunde verloren und einzig die Erkenntnis gewonnen, dass Vertrauen und Aufrichtigkeit zu den rarsten Eigenschaften der Menschen gehören. Geblieben ist ihnen ihre Freundschaft, die unter der Fassade von sarkastischen Sticheleien tiefer geht, als sie sich jemals eingestehen würden. Bis jetzt.

Nachdem sie gemeinsam Himmel und Hölle erlebt haben, droht nun das Band zwischen ihnen zu zerreißen. Der Grund – wie könnte es anders sein – sind eine Frau und unangenehme Erinnerungen an längst vergangene Zeiten.

Seit Tagen sind die beiden Helden von einem Meer aus Sand und Fels umgeben und fernab jeglicher Zivilisation – so scheint es. Doch ehe sie sich der Gefahr bewusst werden, tritt ihnen eine Horde Sklavenhändler entgegen. Zwar bedarf es nur weniger Schwerthiebe und Faustschläge um der Situation Herr zu werden, doch insbesondere bei Abu Dun hinterlässt diese Begegnung Spuren.

Er vermutet hinter diesen Sklavenhändlern jene Organisation, die auch ihn einst versklavte und, als Folge dieser Gefangenschaft, auf den Weg brachte, selbst Sklavenhändler zu werden. Nach unablässiger Suche scheint der Nubier nun dem Versteck dieser Bande auf die Schliche gekommen zu sein. Doch der einzige Weg, Zugang zu ihrer Festung zu bekommen, scheint, sich freiwillig in die Hände seiner Todfeinde zu begeben. Andrej, der nur wenig Begeisterung für dieses selbstmörderische Vorhaben aufbringen kann, bringt es dennoch nicht über das Herz, seinen Freund im Stich zu lassen.

Doch als sie dem Oberhaupt Ali Jhin und seiner Räuberhorde unbewaffnet gegenübertreten, kommen ihnen berechtigte Zweifel am Sinn ihres Plans. Etwas voreilig scheinen sie sich in dieses Abenteuer gestürzt zu haben.

Als wäre diese Erkenntnis nicht Strafe genug, muss Abu Dun zusehen, wie sein bester Freund dem Zauber einer mysteriösen und unheimlichen Frau verfällt – Meruhe, Gefangene und im selben Moment Herrin der Sklaven mit uneingeschränkten Befugnissen.

Nicht das erste Mal bedroht eine Frau das Schicksal ihres gemeinsamen Weges, aber nie stand ihre Freundschaft derart auf Messers Schneide. Zu allem Überfluss in einem Moment größter Bedeutsamkeit für die beiden Vampyre, denn sie treffen auf Wesen ihrer Art, die so alt wie die Erde selbst sind. Noch nie waren sie so nahe daran, das Geheimnis um ihre Unsterblichkeit zu lüften.

An dieser Stelle wäre es fatal, auch nur ein weiteres Wort zum Inhalt zu verlieren, denn Wolfgang Hohlbein schafft es über die gesamten 530 Seiten, die Spannung auf einem abscheulich hohen Niveau zu halten. Abscheulich, weil der Leser des Gefühls der inneren Anspannung und nervenzerreißenden Erwartung auf die folgenden Seiten einfach nicht abkömmlich wird. Um nicht vollständig das Nervengerüst zum Einsturz zu bringen, spickt Hohlbein den Text mit feinsten Spitzen schwarzen Humors und einem guten Maß an Action. Für Liebhaber der Buchreihe sind diese Kriterien wohl aber eher sekundär. Was zählt, ist schließlich der Inhalt. In diesem Punkt lässt es sich leider nicht ohne kritische Worte auskommen.

Ein Manko, das auch in den Vorgängerbüchern schon zum Tragen kam, ist die Wiederholung einiger Handlungsschemata. Die schöne Unbekannte mit dem dunklen Geheimnis, die Freundschaft der Protagonisten auf dem Prüfstand, .. alles schon gehabt. Was in Band sieben noch ungeheuer gestört hat, kompensiert Hohlbein hier durch die Dynamik seiner Erzählung und gleicht es durch Fortschritte in der Gesamthandlung aus. Explizit soll das heißen, dass der rote Faden, die Suche nach dem Geheimnis der Unsterblichkeit, endlich weitergesponnen wird. Während die vorangegangenen Episoden eher schmückendes Beiwerk waren (man hätte sicherlich inhaltlich auf Band 3 und 7 gut verzichten können), wird hier wieder fokussiert und der Blick auf das Wesentliche gerichtet. Zumindest in dem Rahmen, den ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt des vorliegenden Bandes ihm lässt. Denn bedeutsam ist selbstredend auch der längst überfällige Einblick in die Vergangenheit des Nubiers. Während Andrejs Geschichte bereits mit den ersten Bänden wesentlich abgedeckt ist, bleibt Abu Dun über lange Strecken zweidimensional. Allein aus diesem Grund ist das Buch bereits ein Gewinn für die Serie.

Summa summarum lässt sich festhalten: Nichts Neues, aber viel Gutes. Der achte Band der |Chronik der Unsterblichen| macht endlich wieder Lust auf mehr.

© _Stefanie Borgmann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Bionda, Alisha / Kleudgen, Jörg – Blutopfer (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 4)

Band 1: [Der ewig dunkle Traum 1899
Band 2: [Kuss der Verdammnis 1900
Band 3: [Die Kinder der fünften Sonne 1949

|1569, Atzlan|
In der aztekischen Stadt Atzlan wird ein seltsam weißhäutiges Kind geboren, welches von einer geheimnisvollen Gestalt mitgenommen wird.

|1891, London/Atzlan|
Dilara lernt auf einer Feier den Archäologen Roger Gallet kennen, dessen Spezialgebiet die Azteken sind. Gallet hat Zugang zu einem Dokument, welches von einer versunkenen Stadt berichtet, zu der er eine Expedition leiten will. Er bittet Dilara, ihn zu begleiten und die Vampirin geht nur allzu bereitwillig auf das Angebot ein. Doch in Mexiko angekommen, stellen die Abenteurer fest, dass Atzlan noch in der Blüte seiner Existenz steht. Aber die Bewohner sind Roger, Dilara und ihren Begleitern nicht gerade freundlich gesonnen. Sie werden gefangen genommen und verschiedenen Priestern für Blutopfer überantwortet. Doch wer sich hinter den Priestern verbirgt, erschüttert Dilara noch weit mehr, und eine seltsame Vertrautheit mit der Stadt der Azteken ergreift von der Unsterblichen Besitz …

|2005 London|
Dilara und Calvin gelingt es, die Schattenchronik in ihren Besitz zu bringen. Doch die Aktion ging zu reibungslos über die Bühne, so dass Dilara misstrauisch bleibt und eine Gemeinheit Antediluvians dahinter befürchtet. Darüber hinaus treibt immer noch der Wiedergänger John George Haigh sein Unwesen, und auch der Anführer der abtrünnigen Vampire, Guardian, treibt sein eigenes Spiel. Als ob das nicht genug Unsicherheitsfaktoren wären, wird Dilara von einem unerklärlichen Blut- und Morddurst erfasst – hat die Mumie, welche im British Museum ausgestellt wird, etwas mit den Vorgängen zu tun?

Mittlerweile liegt schon der vierte Band der noch recht jungen Serie vor und immer mehr Handlungsstränge und Personen kommen hinzu, verleihen der Schattenchronik immer mehr Tiefe und machen aus der Serie einen komplexen Zyklus.

„Blutopfer“ ist quasi die direkte Fortsetzung von Band 2, „Kuss der Verdammnis“, auch wenn einige Andeutungen des Buches nur nach dem Genuss des dritten Bandes völlig verstanden werden können. Aber im vorliegenden Roman wird endlich die Handlung um Roderick alias John George Haigh und Antediluvinas Pläne mit Dilara fortgeführt. Dabei ist die Handlung so temporeich in Szene gesetzt, dass man das Buch fast in einem Rutsch durchliest. Die Szenenwechsel mit der Vergangenheit tun ihr Übriges. Hier wagen die Autoren der neuen Serie ein Experiment: Zwei Handlungsstränge aus zwei verschienen Zeiten werden parallel zueinander erzählt, um zum Finale hin gekonnt zusammengeführt zu werden. Und die Rechnung geht voll auf, denn beide Geschichten sind äußerst spannend und die wechselnden Szenarien stiften keinerlei Verwirrung beim Leser, sondern animieren eher zum Weiterlesen, um so schnell wie möglich zu wissen, wie es im jeweiligen Zeitabschnitt weitergeht. Trotz des geringen Umfangs von 245 Seiten, in Anbetracht des Stoffes, den die Autoren hier verarbeitet haben, und des rasanten Schreibstils fehlt es dem Roman keineswegs an Atmosphäre.

Und der Leser wird auch nicht enttäuscht, denn einige offene Fragen werden geklärt, neue dafür aufgeworfen und vielversprechende Perspektiven für die Zukunft eröffnet. Wie sich das eben für eine richtige Serie gehört. Auch so manche Überraschung erwartet den Leser, wenn er nicht den Fehler begeht, sich die Vorschau auf den fünften Band vor der Lektüre des Buches durchzulesen. Damit kommen wir gleich zur Kritik, die dieses Mal aber sehr kurz ausfallen wird. Durch die Vorankündigung wird dem Leser wirklich ein Großteil des Überraschungseffektes genommen. Wer sich das Buch noch zulegen möchte, sollte die Vorschau erst lesen, wenn er den Roman bis zur letzten Seite konsumiert hat. Das Finale selber lässt es noch mal so richtig krachen, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Leider wird es dann sehr abrupt abgeschlossen, aber man darf versichert sein, dass Band 5 die Ereignisse direkt fortsetzt. Nur die Wartezeit wird sicherlich für den einen oder anderen sehr lang werden.

Ein ganz dickes Lob gebührt den Schriftstellern aber noch für ihre sorgfältige Recherche, was die alten Azteken anbelangt, denn Namen wie Tonatiuh oder Coyolxa entstammen keineswegs den kreativen Köpfen von Alisha Bionda oder Jörg Kleudgen, sondern sind vielmehr real existierender Bestandteil der aztekischen Mythologie. Und auch der Name des Urnosferatu Antediluvian ist keiner, der ausgewählt wurde, weil er so klangvoll ist, dahinter steckt wirklich Methode.

Die Innenillustrationen von Pat Hachfeld lockern das Buch wieder gekonnt an den Kapitelanfängen auf, auch wenn nicht jedes Bild meinen Geschmack getroffen hat. Das Cover dagegen passt hervorragend zum Roman, sowohl vom Motiv als auch vom Stil her.

http://www.blitz-verlag.de/

_Florian Hilleberg_

Schumacher, Jens / Lossau, Jens – Mahnkopff-Prinzip, Das (Magic Edition, Band 4)

Ruth Feldblum ist an Leukämie erkrankt und fährt aufgrund dessen mit ihrem Mann Hajo nach Mainz, wo Ruth in der Uniklinik untersucht werden soll, um eventuell eine erfolgversprechende Therapie einzuleiten. Aber bevor es so weit kommt, verschwindet Ruth plötzlich spurlos. In seiner Sorge und Verzweiflung informiert Hajo eine gemeinsame Freundin: Ines Lettweiler, eine Gerichtsmedizinerin, die in Mainz studierte. Ein Besuch bei der Polizei ergibt wenig Neuigkeiten, außer dass in Mainz bereits mehrere Vermisstenfälle aufgetreten sind und die ersten Verschwundenen im Zustand völliger Blutleere wieder aufgefunden wurden. Zu diesem Zweck wurde eine Sonderkommission namens „Vampir“ gegründet, welche aber auf der Stelle tritt und keine nennenswerten Fortschritte macht.

Bei ihren eigenen Nachforschungen macht Ines eine bemerkenswerte Entdeckung: Alle Verschwundenen waren wie Ruth an Leukämie erkrankt. Damit erhärtet sich der Verdacht, dass Ruth ebenfalls von den Vampiren von Mainz entführt wurde. Da erinnert sich die Ärztin an eine Geschichte aus ihrer Studentenzeit, in der von einem wahnsinnigen Arzt namens Mahnkopff berichtet wird, der zur Zeit des Dritten Reiches fragwürdige Experimente an Leukämie-Patienten durchführte. Mahnkopff hatte die fixe Idee, das kranke Blut zu reinigen, indem er es den eigenen Trägern zu trinken gab. Tatsächlich wurde bei der Obduktion der gefundenen Leichen eine erhebliche Menge ihres eigenen Blutes in den Mägen gefunden. Doch Mahnkopff und seine Anhänger starben bei einem Bombenangriff im Jahre 1945. Treibt ein irrer Nachahmungstäter sein Unwesen oder hat der wahnsinnige Arzt irgendwie überlebt, um jetzt seine grauenvollen Experimente fortzuführen?

Dieses Werk beweist einmal mehr die Vielseitigkeit der Magic Edition. Im vorhergehenden Band flogen noch Saurier durch die Lüfte und jetzt entführen uns die Autoren Schumacher und Lossau nach Mainz in eine undurchsichtige Geschichte, weitab von Science-Fiction und Fantasy. Dieser beklemmende Thriller hat seine Wurzeln im Dritten Reich und den Leser erwartet ein stimmungsvoller Roman mit einer sehr dicht gesponnenen Atmosphäre, die von einem Hauch der Hoffnungslosigkeit durchzogen ist. Die Protagonisten sind keine strahlenden Helden, sondern ältere Menschen, die kein Interesse daran haben, einfach aus Jux und Dollerei Kriminalfälle zu lösen, weil sie an Langeweile leiden, sondern Menschen, die sich verzweifelt um die Frau und eine Freundin sorgen. Der Vorteil von Hajo und Ines ist ihre Unscheinbarkeit, so dass potenzielle Gegner eher dazu neigen, sie zu unterschätzen. Dass das ungleiche Pärchen bisweilen stark an Miss Marple und Mister Stringer erinnern, ist wohl nicht völlig dem Zufall zuzuordnen, wird dieser Vergleich ja von Ines selbst bemüht.
Die Schwerhörigkeit von Hajo würzt das düstere Szenario mit einer wohl dosierten Prise Situationskomik, die teilweise aber auch sehr makaber anmutet.

Besonders eindringlich sind die Traumsequenzen von Hajo geraten und auch wenn man als Leser weiß, dass es nicht die Realität darstellt, bekommt man unwillkürlich eine Gänsehaut. Der Plot der Geschichte wandelt auf den menschenverachtenden Pfaden eines Dr. Mengele und die Auflösung der Story ist ebenso überraschend wie durchdacht.

Wer Lust auf einen mysteriösen, düsteren Kriminal-Roman im Stil von „Anatomie“ hat, wird hier bestens bedient. Dieses Buch ist ein echter Geheimtipp für alle Krimi- und Gruselfans.

http://www.blitz-verlag.de/

_Florian Hilleberg_

|Unsere Rezension zu Band 1: [„Die Geisterseherin“ 1096 |

E.-E., Marc-Alastor – Kinder der fünften Sonne, Die (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 3)

Band 1: [Der ewig dunkle Traum 1899
Band 2: [Kuss der Verdammnis 1900

Dilara und ihr kleinwüchsiger Diener Cippico steigen in dem Hotel |Maison de Vervins| in Avignon ab, um ein wenig Zerstreuung zu finden. Doch der Frieden währt nicht lange, denn zum einen verschwindet die Leiche eines von Dilaras Opfern spurlos und zum anderen verlangt Antediluvian, der Ur-Nosferatu, nach seiner „Tochter“. Dilara soll nämlich für ihn ein geheimes Dokument aus den Archiven des Vatikans holen. Ihr zur Seite steht dabei die Rosenkreuzerin Gelophee Roche, vor der Antediluvian aber eindringlich warnt, denn die Rosenkreuzer sind angeblich Diener der Lichtgöttin Methalumina, welche als Todfeindin aller Vampire bekannt ist und als unbezwingbar gilt.
Gemeinsam mit Cippico und Gelophee macht sich Dilara auf den Weg nach Lugano, wo ein abtrünniger Priester leben soll, der über den Aufenthaltsort des Dokumentes Bescheid weiß. Doch kaum dort angekommen, erscheint Methalumina und es kommt zur Konfrontation mit der Lichtgöttin. Dilaras Auftrag scheint vereitelt, bevor er richtig begonnen hat, und das Schicksal der Vampirin besiegelt …

Mit dem dritten Beitrag zur Schattenchronik gibt der Autor Mark-Alastor E.-E. seinen Einstand, hat er bislang doch nur für seine eigene Serie „Geisterdrache“ im |BLITZ|-Verlag seine Spuren hinterlassen. Doch mit „Die Kinder der fünften Sonne“ beweist er, dass er auch einfühlsame, stimmungsvolle und historische Vampirromane zu schreiben versteht. Band 3 der Schattenchronik ist eine echte Gothic-Novelle der Superlative und gibt der Heldin dieser Serie, Dilara, noch mehr Tiefe und noch mehr Hintergrund. Der Roman führt die Geschehnisse aus dem zweiten Band „Kuss der Verdammnis“ nicht unmittelbar fort, denn Dilara erzählt zunächst ihrem Gefährten Calvin eine Episode aus ihrer Vergangenheit. Dies geschieht so stilecht und fesselnd, dass man sofort in die Geschichte eintaucht. Der Autor hat hervorragend recherchiert und sich darüber hinaus auch der blumigen Sprache des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts bedient, was dieses Buch zu einem besondern Lesevergnügen macht. Der Leser macht außerdem nebenbei die Bekanntschaft historischer Persönlichkeiten wie Renoir und Monet, zweier bekannter französischer Maler.

Der Diener Cippico und die Rosenkreuzerin sind schillernde und bewegende Figuren, ebenso wie ihre Gegenspieler, allen voran Antediluvian, der Ur-Nosferatu. Insbesondere den kleinwüchsigen Diener Dilaras habe ich lieb gewonnen und hoffe noch öfter von ihm zu lesen, auch wenn er bisweilen arg unter seiner temperamentvollen Herrin zu leiden hat. Die Vampirin selber offenbart dieses Mal auch ein wenig ihrer bisexuellen Neigungen und einmal mehr ihre Rücksichtslosigkeit. Stimmig vervollständigt der Autor das Bild Dilaras, das wir von Wolfgang Hohlbein und Alisha Bionda her kennen. Die Tochter Antediluvians ist keine menschenfreundliche Zeitgenossin, die sich selbstlos für Andere einsetzt, das würde auch nicht zum Charakter der Vampire passen. Doch kann sie im Gegensatz zu anderen Nosferati auch zärtliche Gefühle hegen.

Doch der Plot der Geschichte dreht sich um ein geheimnisvolles Dokument, welches in den Archiven des Vatikans schlummert. Dieses Dokument will der Ur-Nosferatu Antediluvian in die Hände bekommen und einmal mehr soll Dilara die Kastanien aus dem Feuer holen. Hier wird schon der Grundstock für die Abneigung und die Aufsässigkeit der Vampirin gegenüber ihrem Schöpfer gelegt. Zudem wird ein kleiner Vorstoß zu den Anfängen der Vampire gewagt. Auch eine mächtige Feindin der Blutsauger hat ihren ersten Auftritt: Methalumina, eine Lichterscheinung, die durch ihre bloße Anwesenheit die Vampire zu vernichten vermag. Diese Wesenheit ist weder greifbar noch wirklich einer Seite zu zuordnen, sie erscheint und verschwindet, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Und das ist auch schon alles, was von dieser Gestalt preisgegeben wird. Man erfährt weder, wo sie herkommt, noch was sie wirklich ist oder was sie beabsichtigt.

Einen weiteren interessanten und geheimnisvollen Aspekt der Geschichte bilden die Rosenkreuzer und ihre Verbindung zu Methalumina, wenn es denn eine gibt. Laut Antediluvian sind die Rosenkreuzer Diener der Lichtgöttin, doch Dilara schenkt ihrem „Vater“ schon länger keinen uneingeschränkten Glauben mehr, so dass seine Aussagen mit Vorsicht zu genießen sind.

Vom Stil her liest sich der Roman flüssig und ohne unnötige Längen, auch wenn die Action recht sparsam eingesetzt wurde, was eine herausragende Eigenschaft der Serie zu werden scheint. Die Spannung baut sich schleichend und subtil auf.

Die Innenillustrationen lockern das Buch angenehm auf, auch wenn sie nicht alle meinem Geschmack entsprechen und teilweise ein wenig comichaft wirken. Das Titelbild gehört zum Durchschnitt: Es ist nicht wirklich schlecht, aber auch kein Highlight. Aber die allgemeine Aufmachung der Serie sucht ihresgleichen und ist wie immer genial. Der düstere Rahmen, die charakteristischen Fledermausschwingen auf jeder Seite und die verschnörkelte Schrift machen die Bücher der Schattenchronik zu edlen Sammlerstücken.

_Florian Hilleberg_

Koch, Boris – Dionysos tanzt

_Boris Koch_, Jahrgang 1973, debütierte als Schriftsteller mit einer Erzählung in der Anthologie „Der Alp“ (Hrsg.: Jörg Bartscher-Kleudgen). Das war 1993. Inzwischen hat er mehrere Bücher publiziert, darunter „Ein Mann ohne Gesicht“ (|Festa|-Verlag, 2004) und „Dionysos tanzt“ (|Medusenblut|, 2003). Mit seinem Beitrag „Der Tod im Maisfeld“ ist er in der deutsch-italienischen Anthologie „Psycho Ghost“ vertreten (hierzulande 2004 im |UBooks|-Verlag erschienen).

Boris Koch hat sich auf unheimliche, groteske und sciencefictoide Geschichten spezialisiert. Zwei davon – „Terraforming“ und „Der Tod im Maisfeld“ – haben ihm viel Lob und Anerkennung gebracht (Deutscher Phantastik-Preis, Kurd-Laßwitz-Preis, Deutscher Science-Fiction-Preis). Er ist das Herz des kleinen Phantastikverlags |Medusenblut|, sitzt in der Redaktion des Magazins [Mephisto]http://www.dunkle-welten.de und spielt in der Dada-Pop-Combo AKW zusammen mit Eddie M. Angerhuber und Thomas Wagner.

Koch lebt als freier Autor in Berlin. Näheres auf http://www.boriskoch.de und http://www.medusenblut.de.

„Dionysos tanzt“ ist die dritte Sammlung mit phantastischen Erzählungen von Boris Koch.

_Storys:_
Dionysos tanzt
Ich war dabei
Monoleben
Lesen bildet
Manneskraft
Jo
Die Knochenfrau
Spiegel
Psiegel II – Epilog
Martina

_“Dionysos tanzt“_ war der erste komplexe Band von Boris Koch, den ich gelesen habe. Er startet mit einer „Art Vorwort“, das sich als Titelstory entpuppt und den Leser sofort an den Band fesselt. Dionysos ist der griechische Fruchtbarkeitsgott, aber auch der des Rausches, der Lust & der Musik, der Antagonist von Apollon, der sich für Intellekt und Vernunft verantwortlich zeichnet. Der sehr gelungener Auftakt einer erfreulich unterhaltsamen Kurzgeschichtensammlung.

Dionysos tanzt … mit ihm der Leser in einen Band, der seinen ganz eigenen „Rhythmus“ hat. Geschickt verquickt Boris Koch dabei alte Mythen mit der Moderne, die Plots sind voll aus dem Leben gegriffen, ebenso die Protagonisten. Sie sind keine Helden à la Hollywood, sondern Menschen wie du und ich, mit allen Fehlern und Schwächen, in allen Facetten geschildert. Denn Boris Koch vermag es vortrefflich, mehrdimensionale Charaktere zu erschaffen. Seine Protagonisten sind lebendig, fast greifbar, was zeigt, dass hier ein Autor am Werk ist, der zu schreiben versteht und von dem man gern mehr lesen möchte.

Boris Koch schreibt kurz und fesselnd, was mich persönlich besonders erfreut. Hier ist kein schwafelnder Seitenfüller am Werke, hier sitzt (fast) jedes Wort, hier schreibt einer mit viel Liebe zum Detail. Seine erotischen Szenen sind freimütig und dynamisch, ebenso die übernatürlichen Passagen. Dennoch wirkt nichts an seinem Stil „aufgesetzt“ oder „bemüht“ oder „betont forsch“. Er ist eigenwillig, geprägt von manchmal recht grotesken Ideen, mit einer Prise skurrilem Wortwitz. Und er ist eindeutig |gut|.

Für mich zählen „Manneskraft“, „Jo“ und „Die Knochenfrau“ zu den besten Geschichten, aber im Grunde – und auch das macht die Qualität dieses Bandes aus – gibt es keine wirklichen Schwächen.

In „Manneskraft“ greift der Autor zwar ein gängiges Thema auf: den Pakt mit dem Teufel, verbindet es aber – mit einem Augenzwinkern – mit einem Problem, das jeden Mann in die Bredouille bringen kann: dem vorzeitigen Samenerguss. Was dem Protagonist nach dem Pakt, der bezeichnenderweise mit Sperma und nicht mit Blut geschlossen wird, bleibt, ist eine Dauererektion, die ein fast noch größeres Problem wird und zu einer Lösung führt, die sich als ganz persönliche Hölle für den „Heimgesuchten“ entwickelt …

„Jo“ ist der etwas „eigenartige“ Freund von Tom, der beim Sex seine Frauen durch Halsbisse tötet und somit ein Vampir ist. Aber keiner, der nur auf das Blut seiner Opfer bedacht ist, sondern dessen spezieller Kick der Sex ist. Tom setzt mehr als einmal sein Leben aufs Spiel, als er versucht, seinen Freund davon abzuhalten, bei Vollmond weiteren Opfern ans Leben zu gehen – auf seine ganz spezielle Art und Weise. Das Besondere dieser unterschwellig homoerotischen Vampirgeschichte ist, dass selbst das Böse darin menschlich wirkt.

„Die Knochenfrau“ ist eine völlig „durchgeknallte“ Traumwelt-Geschichte, in der es um den Wunsch nach der wahren sexuellen Befriedigung geht. In dieser Story stellt Boris Koch meines Erachtens seine außerordentliche Phantasie am deutlichsten unter Beweis. Ich will nichts vorwegnehmen, man muss sie einfach |lesen|!

Fazit: Der Kurzgeschichtenband ist großartig und hebt sich durch seine lebendige Erzählkraft von vielen anderen Titeln dieses Genres ab. Kaufen – und vor allem |lesen|!!!

Diociaiuti, Walter & franc´O´brain (Hrsg.) / Gruber, Andreas / Koch, Boris / von Aster, Christian / – Psycho Ghost

|Diese Anthologie mit Horrorgeschichten deutscher und italienischer Autoren hat es in sich. „Psycho Ghost“ vereint einige der wohl bekanntesten und vielversprechendsten Schriftsteller aus diesem Genre mit zum Teil exklusiven Geschichten in einem Buch.|

Die Anthologie „Psycho Ghost“ war der erste Titel, den ich von |UBooks| unter die Lesefuchtel bekam, und ich muss sagen: Er ist sehr ordentlich geraten! Diese Horroranthologie mit deutschen und italienischen Autoren ist besser als manch andere, die ich in letzter Zeit lesen „durfte“. Dafür verbürgen sich vor allem die deutschen Autoren wie u.a. Andreas Gruber, Boris Koch, Jörg Bartscher-Kleudgen, Thomas Wagner, Christian von Aster, Malte S. Sembten, Eddie M. Angerhuber, frank’O’brain …

Allzu häufig denke ich beim Rezensieren einer Anthologie, in der der Herausgeber auch als Autor auftritt: „Hätte er sich das doch erspart“ (und den Lesern!). Da mache ich künftig auch bei meinen selbst herausgegebenen Anthologien keine Ausnahme. Aber auch hier ist „Psycho Ghost“ eine Ausnahme. Die Story „Villa Süßertod“ des Herausgebers frank’O’brain brilliert mit dem interessantesten Plot über eine sehr sexhungrige und mordlustige Pipi Langstrumpf. Aber auch „Nachtfalter“ von Christian von Aster weiß zu faszinieren. „Geistzeit“ von Jörg Bartscher-Kleudgen, ein Meister des filigranen Grusels, ist zwar nicht unbedingt der pure Horror, aber die Story bringt eine melancholische Stimmung und Aura herüber, die mich an den „Schimmelreiter“ erinnerte.

„Ein Wurm namens Ewigkeit“ von Thomas Wagner ist vielleicht die beste Story des Bandes. Da stimmt einfach alles: Stil, Plot, Atmosphäre … „Kein Netz“ von Jörn Zander war die erste Story, die ich von dem Autor gelesen habe, und sie ist wirklich gelungen und macht Lust auf mehr. „Rock the Road“ von Malte S.Sembten erinnerte mich zwar ein wenig an „Christine“ von Stephen King, aber die Story ist grandios erzählt! Hier beweist Sembten einmal mehr, dass er zu schreiben versteht. „Die Enthüllungen des Raupenwolfs“ von Eddie M. Angerhuber verdeutlicht die morbide Erzählkunst der Autorin.

Die Geschichten der italienischen AutorInnen sind teilweise vom Plot her interessant, aber hier hätte bei einigen ein strengeres Lektorat gut getan. Positiv dabei: Das Lektorat ist zwar nicht fehlerfrei (aber welches Buch ist das schon?), aber im Vergleich mit Titeln anderer Kleinverlage, die ich in der letzten Zeit rezensiert habe, deutlich sorgfältiger. Dennoch hätte aus den ausgezeichneten Storys ein strengeres Lektorat noch mehr gemacht. Dazu kann ich |UBooks| für zukünftige Veröffentlichungen nur raten – es würde sich bezahlt machen!

_Unterm Strich_: Ein lesens- und kaufwertes Buch, das manch andere Horror-Anthologie locker in den Schatten stellt.

_Übersicht:_

„Krähenschreie“ von Kathleen Weise
„Superbaby“ von Walter Diociaiuti
„Medusa“ von Andreas Gruber
„Durchsichtige Welten“ von Riccardo Coltri
„Der Tote im Maisfeld“ von Boris Koch
„Unendliche Liebe“ von Gianfranco Nerozzi
„Geistzeit“ von Jörg Bartscher-Kleudgen
„Bissige Küsse“ von Andrea G. Colombo
„Kein Netz“ von Jörn Zander
„Yuri“ von Massimo Perissinotto
„Ein Wurm namens Ewigkeit“ von Thomas Wagner
„Komm mit uns!“ von Gaetano Ristretta
„Nachtfalter“ von Christian von Aster
„Ein Kinderspiel“ von Nicola Lombardi
„Der Pool“ von Ulla Schill
„Beghy“ von Massimo Ferrara
„Rock the Road“ von Malte S. Sembten
„Die Graue“ von Barbara Becheroni
„Der Auftrag“ von Thomas Gleich
„Villa Süßertod“ von franc´O´brain
„Die Enthüllungen des Raupenwolfs“ von Eddie M. Angerhuber
„Der Würmertanz“ von Paolo Di Orazio

http://www.ubooks.de

Pinternagel, Stefan T. – Fragmente

Stefan T. Pinternagel, den Namen wird man sich merken müssen. „Fragmente“, seine ultimative Huldigung an die Abgründe der menschlichen Seele, ist das bei weitem bewegendste und beängstigendste Buch, das ich seit langem in die Finger bekommen habe. Zweiunddreißig Kapitel enthält dieses Kleinod der Gewalt, in dem der Erzähler durch seine tägliche Arbeit führt. Diese besteht zum größten Teil aus der Säuberung der Menschheit, durch des Erzählers – er nennt sich selbst den „Holiday-Killer“ – Hand. Es zeigt sich bereits in der Einleitung des Buches, dass dieser Schinken nichts für Zartbesaitete werden wird. Mit eiskaltem Gemüt berichtet der Killer über sein Treiben, seine Motivation, die anonyme Masse der alltäglichen Menschenflut zu durchdringen, einzelne, frei Erwählte darunter zu kennzeichnen, um dann schlussendlich seine gnadenlose Jagd zu einem befriedigendem Abschluss zu bringen. Allein die Einleitung lässt uns ob der seelischen Erstarrtheit und des Rechtsempfindens des fiktiven Erzählers frösteln und ein Buch erwarten, das im besten „Natural Born Killers“-Stil von der Lust am Töten erzählt, der Motivation zu reinigen.

Pinternagel versetzt sich erschreckend tief in diese Seele hinein und legt die Taten des „Holiday-Killers“ in der krassesten Bildsprache dar. Zermalmte Knochen, platzende Augäpfel, quellende Eingeweide, Erniedrigung bis hin zu Vergewaltigung, Blut, Ekel, Erbrochenes und Menschen, die sich in der grüngelben Pampe züngeln. Wer meint, er hätte bereits seinen Meister in Sachen literarischer Härte gefunden, wird nun eines Besseren belehrt.
Das Brutalste an dem Buch ist dennoch sicherlich, dass der Killer aus der Ich-Perspektive erzählt und so seine Taten und vor allem seine abstrakte Motivation erschreckend greifbar werden. Die Bilder schießen einem zwangsläufig durch den Kopf und was man sieht, lässt den Leser in einem Strudel gänsehäutigen Ekels erstarren.
Der Killer schlägt erzählerische Haken, vergleicht seine „Arbeiten“ mit denen seiner großen Vorbilder, den größten Serienkillern aller Zeiten, denen er in charmanter Art und Weise kleine Kapitelchen widmet.

Der Stolz, mit dem er über tausend seiner Morde berichtet, bildet die Grundlage dieses Buches, das lose von einer Rahmenhandlung, oder besser, von den beiden Hauptfiguren Jutta und Hans-Peter, einem deutschen Pärchen, zusammengehalten wird. Diese beiden sind eigentlich null wichtig, agieren als praktische Anschauungsobjekte der Handlungen und werden gerade aufgrund ihrer Normalität und Anonymität zu Opfern wie es auch du und ich hätten sein können. Ziellos erwählt, hat es diesmal die beiden getroffen. Doch der Killer lässt keine Seite aus, daran zu erinnern, dass es das nächste Mal auch dich treffen könnte.

Der Killer ist, wie auch häufig in der grausamen Realität, charmant, ein Nobody, gesichts- und konturlos. Er passt sich dem an, was er am meisten hasst und kann so unenttarnt seiner Arbeit nachgehen. Er verschwindet in der breiten Masse, indem er zu einem Teil von ihr wird und sich gibt, wie sich vertrauenswürdige Menschen geben sollten. Vertrauen ist ihm ins Gesicht geschrieben, auch wenn man nur zu schnell merkt, dass man mit seiner Einschätzung merklich auf dem Holzweg war.

„Fragmente“ zeichnet ein einzigartiges Psychogramm, dessen Umsetzung dem Autor selber einige schlaflose Nächte bereitet haben dürfte. Denn so abgründig, wie sich Pinternagel in die kranke Psyche seines „Helden“ hineinversetzt, könnte man glatt meinen, er hätte einen Tatsachenbericht geschrieben.

Bei aller Perversion, aller Brutalität und allem negierten Rechtsverständnis, die es zweifellos in der Welt gibt, bleibt festzuhalten, dass Pinternagels „Fragmente“ eben nicht dieser Tatsachenbericht ist, sondern eine fragile, psychisch fordernde, fiktive Auseinandersetzung mit dem Wesen eines Monstrums. Die hohe Kunst des Buches ist der Brückenschlag zur Realität, die flächendeckend auf den Seiten mitschwingt. Denn trotz aller Fiktion sieht man ähnliche Geschichten der Perversion, medienwirksam aufbereitet, allabendlich in der Tagesschau.

Herr Pinternagel, ganz großes Kino! An all diejenigen, die sich nicht an Psychothrillern und Psychogrammen satt lesen können: Holt euch „Fragmente“, ihr werdet dieses Buch so schnell nicht vergessen können. Extraklasse!!!

http://www.atlantis-verlag.de/

Gruber, Andreas – fünfte Erzengel, Der

Verlassene Herrenhäuser, Nervenheilanstalten und Friedhöfe – Andreas Gruber weiß die klassischen Sujets der Horror-Story geschickt in ein modernes Umfeld einzupassen. Nicht auf den harschen Effekt kommt es ihm an, sondern auf das subtile Grauen, das sich allmählich der Herzen seiner Leser bemächtigt, sich durch die Hintertür in ihre Vorstellungswelt einschleicht und ihnen zu später Stunde den Angstschweiß auf die Stirn treibt.

Neun Erzählungen und Novellen sind in „Der fünfte Erzengel“ enthalten, und dem geneigten Leser sei empfohlen, nicht alle auf einmal zu goutieren. Denn wie sagt Andreas Gruber in seinem Vorwort: „Und nun wünsche ich Ihnen viel Vergnügen mit den vorliegenden neun Geschichten – mögen sie Ihnen den Schlaf rauben …“

Die Erstausgabe erschien im August 2000 als neunter Band der Reihe |Medusenblut|. Für die vorliegende Neuausgabe wurde der Text vollständig überarbeitet und mit einem neuen Vorwort des Autors versehen. Das Buch ist eine Gemeinschaftsedition der Verlage |Medusenblut| und |Shayol|.

Andreas Gruber ist als Autor längst kein Insidertipp mehr – und das ist gut so! Das beweist „Der fünfte Erzengel“ von der ersten bis zur letzten Seite. Dieser Titel wurde dankenswerterweise neu aufgelegt, sonst wäre er an mir „vorbeigegangen“, was ein Verlust gewesen wäre. Und das nicht nur für mich, denn die Erstausgabe belegte beim Deutschen Phantastik-Preis in der Kategorie „Beste Anthologie“ den vierten Platz.

Das Vorwort der Neuauflage ist erstaunlicherweise eine Hommage des Autors an den |Medusenblut|-Verleger Boris Koch und nimmt mich schon sehr für Andreas Gruber ein. Durch die Art der Formulierung, aber auch, weil es mir aus der Seele spricht.

Doch widmen wir uns den phantastischen Düstertexten des Wiener Autors. Los geht es mit „Die Testamenteröffnung“, einer herrlich morbid-atmosphärischen Story, die dem Spiel mit dem Teufel – um das Leben und viel mehr – eine neue Sichtweise verleiht. Bevor Sie den ein oder anderen Verwandten zu Grabe tragen und ihn geweihter Erde übergeben, werfen Sie einen Blick in sein Testament – nein, besser sofort in seinen Sarg!

„In Gedenken an meinen Bruder“ ist die psychologische Variante einer Kindheitsbewältigung, wie sie leider nicht nur in Grubers Phantasie vorkommt, sondern mehr Realität beinhaltet, als man wahrhaben möchte. Sie macht betroffen, gerade weil sie so real ist. Somit ist sie für mich die beeindruckendste Story in dem Erzählband. „Der Antropophag“ erzählt die Leidens- und Lebensgeschichte eines Serienmörders und zeigt deutlich, wie lebendig und tiefsinnig Andreas Gruber zu fabulieren vermag. Man leidet mit dem Täter, durchlebt mit ihm in Rückblicken sein Kindheitstrauma – von der Mutter verlassen, von dem Urgroßvater gedemütigt –, das ihn zum Mörder werden lässt. Mehr noch, man verspürt Mitleid mit ihm, hat Verständnis für seine Taten, ganz so, als brauche man selbst das Ventil, als nehme man Mensch für Mensch Rache, stellvertretend an allen, die weggeschaut und nicht wahrgenommen haben.

Sollten Ihnen jedoch nachts „Im Treppenhaus“ spindeldürre Gestalten mit hohen Zylindern auf dem Korridor begegnen: Seien Sie auf der Hut und verschließen Sie fest Ihre Tür!

Gehen Sie gar dem Beruf des Fotografen nach und sind auf der Suche nach einer heißen Story, machen sie einen weiten Bogen um „Duke Manor“, dem Geisterhaus mit den lockenden „Rufen“ aus dem Keller, denen sich keiner entziehen kann, wie auch dem Haus als solchem nicht.

Es wundert nicht, dass auch die Titelstory zu überzeugen weiß. Nun mag der Überkritische sagen: Apokalypse, Siebtes Siegel, Erzengel – alles schon zigmal gehabt. Richtig! Doch man unterschätze nie einen Andreas Gruber, der auch dieser Variante seine ganz persönliche Nöte und neue Sichtweisen „aufdrückt“.

Andreas Gruber vermag in diesem Band eine dichte Atmosphäre zu erzeugen und fesselt den Leser durch seine Erzählweise und mit Charakteren, die den Namen auch verdienen, die nicht ins Flache, Seichte abplätschern. „Der fünfte Erzengel“ war für mich eines der Bücher der letzten Zeit, die mir mal wieder so richtig unter die Haut gingen.

Umso erfreulicher für den Autor und Leser, dass auch die Verlagsarbeit erfreulich gut ist. Sieht man einmal von der leider sehr kleinen Schrift ab (da hätte eine größere wohl getan), lässt sich auch die Aufmachung sehen. Das Covermotiv (Klappenbroschur) könnte nicht stimmungsvoller sein, das Papier ist edel und das Lektorat ist, bist auf die kleinen Kulanzfehlerchen, sehr gut. Leser, was willst du mehr? So wünsche ich es mir, und so bekomme ich es in diesem Fall.

Daher bin ich |Medusenblut| und |Shayol| dankbar für die Neuauflage, sonst wäre mir dieses Kleinod der düsteren Phantastik entgangen! Ich hoffe, es findet seinen Weg zu einer breiten Leserschaft! Also: KAUFEN!

http://www.epilog.de/shayol/index.html
http://www.medusenblut.de/

150 Seiten
Lektorat: Hannes Riffel
Titelbild: Rainer Schorm
Satz und Layout: Franziska Knolle
Umschlaggestaltung & Herstellung: Ronald Hoppe

Bionda, Alisha – Kuss der Verdammnis (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 2)

Gute Nachrichten für die Fans von „Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“: Die Geschichte von Dilara aus dem ersten Band der Chronik hat eine Fortsetzung bekommen. Band zwei knüpft an die Kurzgeschichte über eine junge, für ihre Zeit erstaunlich eigenständige Frau an, die im London des 17. Jahrhundert von furchteinflößenden Schattenwesen und einem mysteriösen, uralten Vampir verfolgt wird. In „Kuss der Verdammnis“ ist Dilara immer noch so eigenwillig, wie der Leser sie aus Hohlbeins Kurzgeschichte in Erinnerung hatte, jung ist sie allerdings mitnichten: Durch den Biss des Urvampirs Antediluvian ist aus der Heldin eine inzwischen 400 Jahre alte Vampirin geworden.

Alisha Bionda, die Autorin dieses Bandes, baut in ihrer Fortsetzung von Dilaras Geschichte nicht auf vordergründige Action, sondern legt großen Wert auf die Charakterzeichnung der Figuren. Mit Dilara portraitiert sie eine starke, faszinierende Frauengestalt, die gerade wegen ihrer Unsterblichkeit innerlich zerrissen ist.

Im London der Gegenwart macht sich die Heldin, die etliche gängige Klischees über Vampire widerlegt, auf die Suche nach ihrer Bestimmung und dem Sinn ihrer Unsterblichkeit. Von ihrem „Schöpfer“, dem Urnosferatu Antediluvian, entfremdet, trifft sie dabei auf zwei völlig unterschiedliche Männer, den jungen Calvin, den sie als Gefährten erwählt und den Anwalt Roderick Herrington, der selbst ein mysteriöses Geheimnis zu hüten scheint und auf Dilara eine ebenso seltsame Faszination ausübt wie sie auf ihn.

Auch bei den Nebenfiguren, vor allem bei dem sich selbst immer fremder werdenden Roderick Herrington, hat die Autorin viel Wert auf die Charakterentwicklung gelegt. Ganz nebenbei fließen dabei auch schöne Beschreibungen des heutigen London mit ein, wenn Dilara den Leser mitnimmt auf ihre Streifzüge. Doch Dilaras Reich geht über das moderne London, das wir kennen, weit hinaus und Biondas Beschreibungen des unterirdischen London, des Reichs der Vampire, atmet eine ganz eigene Atmosphäre.

Gegen Ende legt der eher ruhig beginnende Roman einiges an Tempo zu. Quälende Albträume und ein von ihr belauschtes Gespräch des Rates der Nosferati lassen Dilaras Lage langsam immer angespannter werden und zwingen sie endlich zu einer Entscheidung, die hier natürlich noch nicht verraten werden soll. Auf den letzten Seiten wird darüber hinaus eine weitere Person eingeführt, die für Fortsetzungen ebenfalls Potenzial haben könnte.

Der Roman endet mit einer Art „Cliffhanger“ und es bleiben eine Menge Fragen offen, vor allem natürlich die nach Dilaras wahrer Herkunft und Bestimmung und jener Kraft, die der Urvampir Antediluvian so an ihr fürchtet – aber der nächste Band der Schattenchronik erscheint ja in Kürze …

Anzumerken sei noch, dass wie bereits beim ersten Band die liebevolle Gestaltung des Buches überzeugen kann. Das sehr stimmungsvolle Cover hat wieder Mark Freier gestaltet und den einzelnen Kapiteln sind wieder inhaltlich passende Zeichnungen von Pat Hachfeld vorangestellt.

http://www.blitz-verlag.de

_Stefani Hübner-Raddatz_
|Verbrechen sind in der Realität selten so spannend wie in der Literatur. Das stellte Stefani Hübner-Raddatz während ihrer Zeit als Strafrichterin schnell fest. Seitdem weigert sie sich standhaft, eine klassische Juristenlaufbahn einzuschlagen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter, zwei Pferden und Katzen bei Hamburg und schreibt Kurzkrimis, Kinder- und Fantasy-Geschichten. Sie ist Mitglied bei den sisters in crime.|

Bionda, Alisha / Borlik, Michael (Hrsg.) – ewig dunkle Traum, Der (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 1)

Faszinierend vielseitig – das ist der erste Eindruck dieser morbiden Anthologie, in der die Herausgeber Alisha Bionda und Michael Borlik sechzehn Horrorgeschichten bekannter Genreautoren versammelt haben.
Unglaublich spannend – das ist der zweite Eindruck, den der erste Band der neuen Serie „Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“ aus dem [BLITZ-Verlag]http://www.blitz-verlag.de/ hinterlässt.

Doch halt – haben Sie das gehört? Dieses Kratzen und Knirschen? Dieser schleifende Laut auf dem Boden? Das Wispern in den dunklen Zweigen? Und waren da nicht Tropfen von Blut auf dem Teppich? Dann sollten Sie dieses Buch vielleicht nicht nach Einbruch der Dunkelheit lesen, denn einige der Geschichten, wie „Das Höllenwunder“ von _Mark Freier_ (von dem übrigens auch das sehr passend gestaltete Cover stammt) oder _Barbara Büchner_s „Die Nahrung der Toten“ sind wirklich nichts für schwache Nerven.

Der Band startet mit der zunächst eher konventionell anmutenden Story „Ein besonderer Geschmack“ von _Markus Heitz_. Die Geschichte eines Dämonenpärchens auf Rachefeldzug, das aus ureigensten Motiven auch mal das Werk des Herrn tut und sich dabei einer ganz besonders „explosiven Mischung“ bedient, entwickelt allerdings beim genaueren Hinsehen einen feinen unterschwelligen Witz.

_Eddie Angerhuber_s „Das Nachtbuch“ erzählt von einem seltsamen Folianten, dem einzigen Trost einer in ewiger Nacht Gefangenen. Am Ende der Geschichte ist nichts so, wie es am Anfang schien … mehr soll hier nicht verraten werden.

Überhaupt scheinen seltsame Bücher in der Anthologie eine besondere Rolle zu spielen, schließlich verdankt die Serie einem solchen auch ihren Titel, nämlich der „Schattenchronik“, aus _Wolfgang Hohlbein_s „Schattenchronik – der ewig dunkle Traum“. Der Meister der Fantasy verwebt in der Geschichte der jungen Dilara, deren Leben kurz vor ihrer Verlobung völlig aus den Fugen gerät, geschickt Gegenwart, Erinnerungen und Visionen der Zukunft, während Dilara in den Seiten des mysteriösen, alten Buches blättert. In Gedanken durchlebt sie noch einmal die vorhergegangene Nacht, an die sie nur bruchstückhafte Erinnerungen hat und in deren Verlauf ihr Verlobter auf grauenvolle Weise zu Tode kam. Oder ist auch das nur eine der verstörenden Visionen, die mit der Schattenchronik zu tun haben und Realität und Wahnsinn ineinander fließen lassen? Gibt es Antediluvian, den uralten Vampir aus dem Buch, wirklich? Was will er von ihr und wer ist die Frau aus dem Buch, die ihr so frappierend ähnelt?
Der Leser kann Dilaras Verwirrung gut nachempfinden, denn so wie es ihr beim Durchblättern der Schattenchronik geht, fühlt man sich als Leser dieser Anthologie gelegentlich auch.

Aber auch für diejenigen, die es weniger blutig mögen, ist gesorgt. _Boris Koch_s „Heiligabend bei Manfred“ ist mit knapp zwei Seiten ein echter Quickie und beleuchtet auf heiter-witzige Weise die Frage, ob Vampire eigentlich Weihnachten feiern.

Die Geschichte der Herausgeberin _Alisha Bionda_ fällt ebenfalls aus dem Rahmen. Sie erzählt mit überraschenden Perspektivwechseln von einer obsessiven Liebesbeziehung, der nur auf den ersten Blick etwas Vampirisches anhaftet und die den Leser recht nachdenklich zurück lässt.

Auch in _Frank Haubold_s „Stadt am Fluss“ wird kein Blut vergossen, der Leser fühlt sich trotzdem bei der Fahrt des heimkehrenden Ich-Erzählers durch seine offenbar (fast) verlassene Heimatstadt auf beklemmende Weise an „Die Mächte des Wahnsinns“ erinnert. Das Gegenteil einer Coming-of-Age-Geschichte und dazu gut geschrieben.

Soliden Horror bieten die Geschichten von _Armin Rößler_ über einen Grusel-Vergnügungspark, in dem einiges realer ist, als man denken sollte, und _Dominik Irtenkauf_ und _Javier Hurtado_s „Trauerflug aus dem Süden“, in dem ein in spanischer Sprache gewisperter Hauch eine ganz besondere Rolle spielt.

_Michael Borlik_, der andere Teil des Herausgeber-Duos, geht in „Engel der Nacht“ der Frage nach, wie ein Vampir versucht, seine sterbliche Angebetete zu erobern und wie diese darauf reagiert – Romantik auf Vampirart, garantiert nicht unblutig!

Zwei weitere Geschichten verquicken das Vampirthema mit ägyptischer Mythologie, nämlich die Geschichten von _Linda Budinger_, die den Leser mit der köstlichen Idee ( hoffentlich!?) einer „Auswickelparty“ überrascht, bei welcher einem vertrockneten englischen Lord seine Faszination für Mumien zum Verhängnis wird.

_Marc-Alastor E.E._ schafft das wirkliche Kunststück, die Vorgänge bei der Vorbereitung einer Mumie aus Sicht der Mumie selbst zu schildern – sehr gelungen! Eine Geschichte, nach der man gleich im Lexikon nachschlagen würde, wie das noch mal war, mit der Mumifizierung – wenn man sich nicht gerade zu sehr gruseln würde, versteht sich.

Zwei wirkliche Highlights hält der Band für den Leser noch zum Schluss bereit. _Markus K. Korb_s „Die Brut“ erinnert von der Grundidee her an Stephen Kings „The Boogeyman“, variiert das Thema aber sehr schön auf eine Weise, die eher an Poe oder gar Lovecraft denken lässt. _Christel Scheja_s „Der Verfluchte von Tainsborogh Manor“ beschwört gekonnt die Atmosphäre jener Gothic Novels herauf, die ihre Heldin so gerne liest und erzählt auf diese Weise eine eher romantische Vampirgeschichte.

Der Band wird durch verschiedene Essays zum Thema abgerundet.

Erwähnenswert ist noch, dass alle Storys mit exklusiven, inhaltlich passenden Ilustrationen des Wolfsburger Künstlers [Pat Hachfeld]http://www.dunkelkunst.de/ versehen sind – sehr ungewöhnlich für dieses Format und für den Leser noch ein zusätzliches „Sahnehäubchen“.

Ach ja: Das Preis-Leistungsverhältnis überzeugt ebenfalls: 387 Seiten praller Horror und mehrere Stunden wohlig-gruseliges Lesevergnügen plus Hintergrund-Informationen für 9,95 Euro – was will man mehr?

_Stefani Hübner-Raddatz_
|Verbrechen sind in der Realität selten so spannend wie in der Literatur. Das stellte Stefani Hübner-Raddatz während ihrer Zeit als Strafrichterin schnell fest. Seitdem weigert sie sich standhaft, eine klassische Juristenlaufbahn einzuschlagen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter, zwei Pferden und Katzen bei Hamburg und schreibt Kurzkrimis, Kinder- und Fantasy-Geschichten. Sie ist Mitglied bei den sisters in crime.|

Reaves, Michael / Pelan, John [Hg.] – Sherlock Holmes: Schatten über Baker Street

Arthur Conan Doyle meets H. P. Lovecraft: 18 neue Storys um Sherlock Holmes, der dieses Mal keinen Kriminellen das Handwerk legt, sondern mit den Umtrieben des außerirdischen Kraken-Gottes Cthulhu konfrontiert wird. Das Crossover funktioniert erstaunlich gut & vor allem dann, wenn sich die Autoren von den ursprünglichen Erzählmustern frei machen und den jeweiligen Mythos interpretieren: Insgesamt ein ungewöhnlicher und ungewöhnlich unterhaltsamer Lese-Spaß für Krimi- und Horrorfans.
Reaves, Michael / Pelan, John [Hg.] – Sherlock Holmes: Schatten über Baker Street weiterlesen

Johannes Thiele (Hg.) – Gänsehaut garantiert

Thiele Gänsehaut Cover kleinInhalt:

Dreizehn Gruselgeschichten, sortiert nach den drei klassischen Kategorien dämonische Verfolgung, Rache aus dem Jenseits und Tod durch Geisterhand:

Dämonische Schatten

– Richard Matheson: Die Beute (The Hunt, 1952), S. 9-26: Ignoranz kann sich rächen, wenn man wie diese junge Frau als Geburtstagsgeschenk ausgerechnet eine magische Jägerfigur aus Afrika erwirbt, die auch in ungewohnter Umgebung nicht von ihrem Auftrag lassen mag.

– Eleanor Scott: Die Gestalt am Strand (The Cure, 1929), S. 27-51: Natürlich lässt sich ein wackerer Engländer nicht von abergläubischen bretonischen Küstenbewohnern daran hindern, einen verwunschenen Strandabschnitt zu durchwandern, was dessen gruselige Bewohner freudig zur Kenntnis nehmen. Johannes Thiele (Hg.) – Gänsehaut garantiert weiterlesen

Masterton, Graham – Opferung, Die

_All die Kinder, oh du Graus, nunmehr sind sie Jenkins Schmaus …_

Brown Jenkin ist für mich eines der furchterregendsten Geschöpfe, die H. P. Lovecraft jemals auf seine Leser losgelassen hat. So groß wie eine Ratte sei es, beschrieb der Meister einst, mit einem pelzigen Gesicht, dessen Züge etwas bösartig Menschliches aufwiesen, während seine schrecklich kichernde Stimme in allen Zungen sprechen konnte …

Dabei ist es der subtile Terror, der Brown Jenkin ausmacht: Es ist kein kriechendes Chaos, das die gesamte Menschheit aus den Abgründen der Zeit heraus zu vernichten versucht, und es ist auch kein tentakelbewehrter Dämon aus den Tiefen äonenalter Ozeane; ein kicherndes kleines Scheusal ist es, das in den fiebrigen Träumen der Bürger von Bonchurch herumkriecht, und zwischen den verfluchten Wänden von Fortyfoot House.

Lovecraft hatte den teuflischen Hybriden schon 1881 durch Gilmans „Träume im Hexenhaus“ schleichen lassen, Graham Masterton indes lässt Brown Jenkin in unserer Zeit wieder auftauchen und verbeugt sich mit „Die Opferung“ tief vor der Ikone des angedeuteten Übels:

_Von nächtlichen Lichtern und menschlichen Ratten._

David Williams hat gerade eine schwere Trennung hinter sich und sucht sich eine zurückgezogene Arbeit, die ihn auf andere Gedanken bringen soll. Zu diesem Zweck scheint Fortyfoot House geradezu einzuladen: Ein altes, viktorianisches Gemäuer, das David renovieren soll. Kurzentschlossen schnappt er sich seinen Sohn Danny und zieht dort ein; Warnungen um nächtliche Lichter und mysteriöse Geschehnisse, die ihm von den Dorfbewohnern entgegenbranden, ignoriert er.

Schon in der ersten Nacht allerdings wird er von nächtlichen Geräuschen um den Schlaf gebracht. Ratten, dessen ist er sich sicher, treiben sich in den Zwischenwänden herum und verleiden ihm eine durchgängige Nachtruhe. Also steigt er auf den Dachboden, um den Ruhestörern den Kampf anzusagen, und auch wenn es überflüssig ist, das anzumerken: Ratten findet er dort keine.

Empfänglicher für übernatürliche Schwingungen, durchforstet David am nächsten Morgen den Garten und findet dort neben einer unheimlichen Kapelle einen Friedhof, auf dem nur Kinder bestattet liegen – die seltsamen Erscheinungen, die ihn schon jetzt heimzusuchen beginnen, schreibt er noch seiner überreizten Fantasie zu.

Dann trifft er Liz. Sie ist eine junge Studentin, und wollte sich aus Geldmangel im verlassenen Fortyfoot House einnisten. David ist heilfroh über einen „vernünftigen Geist“ und lädt das Mädel dazu ein, ihm und seinem Sohn Gesellschaft zu leisten, so lange es möchte – ein Vorschlag, dem Liz nur zu gerne zustimmt.

Schon bald aber bröckelt die Idylle: Die unerklärlichen Erscheinungen werden häufiger und rücken den Bewohnern von Fortyfoot House immer dichter auf den Leib, so dicht, bis David beginnt, Nachforschungen anzustellen, um den Ursachen auf den Grund zu kommen. Hat er die Ängste der Dorfbewohner anfangs noch für maßlose Übertreibungen gehalten, so muss er jetzt einsehen, dass diese nur an der Oberfläche des Schreckens schaben, der hinter dem verrotteten Gemäuer lauert: Raum und Zeit stehen Kopf, Brown Jenkin wird zur Schachfigur eines kosmischen Grauens, das in Fortyfoot House seinen Anfang und seine Vollendung finden soll …

_Frischer Wind in alten Gemäuern._

„Die Opferung“ ist Geisterhaus-Grusel, wie er typischer nicht sein könnte, Punktum.
Ganz im Sinne seines kauzigen Vorbildes lockt Masterton den Leser von Andeutung zu Andeutung, konfrontiert ihn mit verschlossenen Dorfbewohnern, die sich kaum Informationen aus der Nase ziehen lassen, und lässt den Schrecken hinter den Mauern von Fortyfoot House nur schemenhaft erscheinen: Der Leser weiß, dass es sich bei all den Unheimlichkeiten nur um die Spitze des Leichenberges handelt, und fragt sich bange, wann David Williams vollends vom Grauen verschlungen werden wird, das durch seine Ankunft aufgeweckt wurde.

Einen Originalitätspokal bringt das nicht, aber das macht nichts: Es geht um Atmosphäre, und die gibt es in „Die Opferung“ satt. Masterton weiß genau, wie man den Leser nach einem nächtlichen Lesevergnügen dazu bringt, das Licht nur mit Unbehagen zu löschen. Vor allen Dingen die erste Hälfte des Buches zeichnet sich durch das Ungesagte aus, das höchstens im Augenwinkel auftaucht, und damit umso verstörender wirkt. „Die Opferung“ ist eine Story wie ein kühler Abendwind: Geheimnisvoll, frisch und man bekommt eine Gänsehaut davon.

_Schlaglöcher auf der Zielgeraden._

Masterton, der 1946 in Edinburgh geboren wurde, muss ein wahrer Schreib-Besessener sein: Nach [„Manitou“ 754 (1975) hat er 72 weitere Romane veröffentlicht (wenn ich richtig gezählt habe) und dabei habe ich nicht die Sex-Ratgeber berücksichtigt, die er in ebenfalls schwindelerregender Zahl verfasst (über 30) und verkauft (über drei Millionen) hat.

Ein derart gigantischer Output verlangt natürlich auch eine flotte Schreibe, und zu deren Gunsten hat Masterton im letzten Drittel des Buches ein wenig die Sorgfalt vermissen lassen: Er möchte zu einem Ende kommen, das merkt man besonders daran, dass David Williams nicht immer, sagen wir, lebensnahe Entscheidungen trifft. Auch das Schlachtermesser, das zum Schluss Regie führt, hätte es nicht unbedingt gebraucht.

Dem Lesespaß fügt das aber keinen nennenswerten Schaden zu, denn der Gruselfaktor bleibt enorm. Die vielen Anspielungen auf das Lovecraft-Universum entschädigen überdies für die gelegentlichen Naivitätsanfälle von David Williams und für die Abkehr vom Subtilen.

Masterton kann sich außerdem das eine oder andere Augenzwinkern nicht verkneifen und verdeutlicht somit, dass es eben dieser Spaßfaktor war, der ihn beim Schreiben angetrieben hat: „Die Opferung“ ist somit kein bierernstes Schauermärchen, sondern gruseltechnisches Popkorn-Kino.

_Finale: unbefriedigend befriedigend._

Das wiederum hat zur Folge, dass die Schaueratmosphäre nicht bis zur letzten Seite durchhält. Wo Lovecraft einen verstörten Leser zurücklässt, der die Fundamente seiner vernünftigen Welt plötzlich als bröckelnde Fassaden wahrnimmt, hinterlässt Masterton einen Leser, der mit einem zufriedenen Schaudern sein Buch zuschlägt. „Die Opferung“ ist rund und ausgewogen, es bleiben keine Fragen offen und jeder Handlungsstrang schließt sich. Selbst Brown Jenkin bekommt eine Ursprungserklärung auf den Leib geschneidert. Oh, die ist nicht schlecht, aber die genaue Betrachtung seiner „Kinderstube“ zerstört alles Mystische, das hauptsächlich für sein Grauen verantwortlich war. Man könnte sagen, dass Masterton seinen Stil wechselt: Von anfänglichem Suspense zu schlussendlichem Splatter.

Eine würdige Verbeugung vor dem Meister bleibt „Die Opferung“ dennoch, und auch wenn Masterton damit sicher nicht in der Lovecraft-Liga spielt, hat er dem Horrorfan trotzdem eine kleine Genre-Perle geschenkt, die alles bietet, was das schauerlustige Herz begehrt. Ein Lob also an den |Festa|-Verlag, der mit sicherer Hand in die Klassiker-Kiste gegriffen hat, um etwas zu entstauben, das man sich ruhigen Gewissens ins spinnwebverhangene Gruselregal stellen kann. Wer in „Die Opferung“ hineinschnuppern möchte, kann das auf der [Homepage]http://www.festa-verlag.de/ des |Festa|-Verlages tun, wer Masterton näher kennen lernen möchte, mag sich auf dessen Seite begeben: http://homepage.virgin.net/the.sleepless/masthome.htm.
Lohnen wird sich beides.

Lovecraft, H. P. – kosmische Schrecken, Der

„Der kosmische Schrecken“ ist ein Sammelband mit den besten Kurzgeschichten und Novellen von Howard Phillips Lovecraft, dem sogenannten Tolkien der Horrorliteratur. Er gilt noch heute als einer der Vordenker und Begründer der klassischen Horrorliteratur und ist zusammen mit Edgar Allen Poe wohl auch der bekannteste Autor dieses Genres. Wer mehr über den Autor erfahren möchte, sollte unbedingt die unten stehenden Links beachten.

Seine bekanntesten und in diesem Band versammelten Werke sind „Der Schatten über Innsmouth“, „Die Ratten im Gemäuer“ sowie „Das Ding auf der Schwelle“. Desweiteren enthält „Der kosmische Schrecken“ die Kurzgeschichten „Dagon“, „Der Flüsterer im Dunkeln“ und „Der Außenseiter“ sowie Anmerkungen, Notizen und eine verworfene Fassung zur Geschichte „Der Schatten über Innsmouth“.

Der Sammelband erschien in „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ des |Festa|-Verlags und ist edel gebunden und von hoher Qualität, sowohl inhaltlich als auch materiell.

Ich möchte nunmehr die Geschichten kurz vorstellen, wobei ich „Dagon“ und „Der Außenseiter“ bewusst auslasse, da diese beiden den Begriff Kurzgeschichte mit sieben beziehungsweise neun Seiten durchaus wörtlich zu nehmen wissen.

_Die Ratten im Gemäuer_

Ein Amerikaner namens Delapore bezieht den neu renovierten Stammsitz seines Clans in England, die Exham Priory. Das Gemäuer stand seit 1610 leer, da ein Vorfahre nach Virginia auswandern musste. Warum, ist dem Neuankömmling noch unklar. Doch schnell merkt er, dass er von den Einwohnern der umliegenden Dörfer gemieden wird und zahlreiche Schauergeschichten über die Exham Priory und das Geschlecht derer De la Poer(so hießen sie vor der Auswanderung) kursieren.

Delapore stellt Nachforschungen an und findet heraus, dass seine Vorfahren und er als Geschlecht erbranker Dämonen dargestellt werden, gegen die Gilles de Rais und der Marquis de Sade wie blutige Anfänger wirken. Besonders lebhaft allerdings bleibt ihm die Geschichte von einer Rattenarmee im Gedächtnis, die sich aus dem Haus ergossen haben soll und vielen Tieren und einigen Menschen aus der Umgebung den Tod brachte. Er bringt außerdem in Erfahrung, dass die Grundmauern seines Hauses noch aus der Römerzeit stammen und dort der dunkle Kult der Magna Mater seine Riten praktizierte.

Nachdem Delapore nun eine Woche in Exham gewohnt hat, geschieht etwas Merkwürdiges. Seine zahlreichen Katzen spielen verrückt, einschließlich seines Katers Nigger, denn hinter den Wänden des Herrenhauses ist das Tippeln von unzähligen Ratten zu hören. Bei den Nachforschungen zu diesem Vorfall, die er zusammen mit seinem Bekannten Captain Norrys betreibt, entdeckt er im Keller einen Altar der Fruchtbarkeitsgöttin Kybele.

Zusammen mit einigen eiligst eingeladenen Archäologen untersuchen sie das Steingebilde und finden darunter einen Gang. Sie wissen nicht, dass der Schrecken, der dort unten lauert, weit älter ist als die Römerzeit und seine Finger schon nach Delapore ausgestreckt hat …

_Das Ding auf der Schwelle_

|Es ist wahr, dass ich meinem besten Freund sechs Kugeln durch den Kopf gejagt habe, und dennoch hoffe ich mit dieser Aussage zu beweisen, dass nicht ich sein Mörder bin.| (Auszug aus dem Buch)

Der Berichterstatter und ausführendes Organ dieser Tragödie, Daniel Upton, berichtet, wie es zu ebenjener kam. Der Freund, den er erschoss, hieß Edward Pickaman Derby und war zu Lebzeiten ein Student des Okkulten an der Miskatonic-Universität in Arkham, Neuengland. Da er allerdings von weichem Gemüte war und den Campus nicht verlassen wollte, studierte er mit seinen 38 Jahren noch immer dort. Das wurde ihm zum Verhängnis, als er die junge Asenth White kennen und lieben lernte.

Nach kurzer Zeit heirateten Edward und Asenath. Von nun an bekommt Upton seinen Freund nur noch selten zu sehen, und wenn doch, ist er stark verändert. Der Wandel Derbys vom schwachen Lethargiker zum schwungvollen, energiegeladenen Bonvivant macht Upton misstrauisch. Daher beginnt er, Nachforschungen über Asenath White und deren Vergangenheit anzustellen.

Asenaths Vater ist der im Wahnsinn verstorbene Hexenmeister Ephraim White, der um 1850 in Innsmouth einen Pakt mit seltsamen Wesen aus dem Meer geschlossen haben soll (siehe auch „Der Schatten über Innsmouth“ weiter unten). Sie scheint erstaunliche Gaben von ihrem Vater geerbt zu haben, denn sie ist eine begnadete Hypnotiseurin und vermag das Bewusstsein zweier Personen kurzfristig auszutauschen.

Die Jahre vergehen, und Ed Derby wird immer dynamischer und jünger, doch als Upton zufällig Asenath durch ein Fenster erblickt, bekommt er einen Schreck. Sie sieht alt und krank aus und scheint von ihrem Ehemann im ersten Stock eingesperrt worden zu sein. Wenige Tage später bekommt der Protagonist einen Anruf, in dem er erfährt, dass Edward Derby völlig verwirrt im Wald aufgefunden wurde. Upton holt ihn ab und auf der Heimfahrt eröffnet Edward ihm Ungeheuerliches.

Seine Frau würde mit ihm immer wieder die Seelen tauschen und ihn dann in Asenaths Körper einsperren. Außerdem sei es gar nicht Asenaths Seele, sondern die von ihrem Vater Ephraim White, die in ihrem Körper wohne. Er habe nämlich schon im Kindesalter die Kontrolle über seine Tochter übernommen und sucht jetzt einen männlichen Körper, da der weibliche nicht ausreichend für seine Zwecke sei. Daher hat er vor, die Seelen dauerhaft mit Derby zu tauschen.

Kurze Zeit später tötet Derby seine Frau und ein Ding klopft an Uptons Türe und fordert einen letzten Gefallen ein.

_Der Flüsterer im Dunkeln_

Albert N. Wilmarth ist Literaturprofessor an der Miskatonic-Universität. Er wird gebeten, einen Artikel über merkwürdige Sichtungen bei einer Überschwemmung in Vermont anno 1927 zu schreiben. Bei dieser wurde von krustentierartigen Wesen mit Flügeln berichtet, die tot in den Fluten trieben. Der Professor tut dies als Aberglauben ab, da die Beschreibungen außergewöhnlich gut zu alten Sagen und Volksmärchen aus dieser Gegend passen.

Kurze Zeit darauf erhält er einen Brief von einem gewissen Henry W. Akeley, der ihn bittet, die öffentliche Diskussion über die Sichtungen einzustellen, da die Leute von den Bergen Vermonts ferngehalten werden müssten. Er führt aus, dass es diese Wesen wirklich gebe und er ihm sogar Beweise zukommen lassen würde, wenn Wilmarth das wolle. Zudem behauptet er, die Wesen seien eine außerirdische Rasse, die in den Bergen Vermonts Rohstoffe abbaue und sehr ungehalten auf Störungen reagiere. Wilmarth stimmt dem Versand der Beweise zu und erhält ein Tonband, auf dem die Stimmen der Wesen aufgezeichnet sind, sowie Fotos von deren Fußabdrücken.

Die beiden Herren schreiben sich immer häufiger, und Akeley berichtet von menschlichen Spionen der Außerirdischen, dass er von diesen Wesen bedrängt würde und dass er seine Sicherheit nur seinen Wachhunden zu verdanken habe. Seine Briefe werden immer ängstlicher, doch er lehnt kategorisch ab, dass Wilmarth ihm zu Hilfe kommt, da er ihn nicht ebenfalls in Gefahr bringen möchte.

Doch nach einige merkwürdigen Vorfällen berichtet Akeley, dass er sich mit dem Wesen verständigt habe und lädt Wilmarth in sein abgelegenes Landhaus in die Berge von Vermont ein …

_Der Schatten über Innsmouth_

Ein junger Mann bereist im Jahre 1927 Neuengland. Auf seiner Reise hört er Geschichten über einen Ort namens Innsmouth, der allerdings auf keiner Straßenkarte verzeichnet ist. Dies weckt seine Neugier und er beschließt, diesem Städtchen einen Besuch abzustatten, trotz der Warnungen der Bevölkerung umliegender Dörfer. Dort seien die Menschen degeneriert und unchristlich und so mancher Fremder sei nicht mehr von dort zurückgekehrt.

Als der Ich-Erzähler in Innsmouth ankommt, erwartet ihn, was ihm beschrieben wurde: Eine halb verfallene und heruntergekommene Gemeinde, abweisende froschgesichtige Bewohner und einen unchristlichen Kult, der sich die Kirche des Dagon nennt.

Neugierig macht sich der junge Mann auf die Suche nach Informationen und erhält sie auch von einem 96-jährigen alkoholsüchtigen Kauz. Zadok Allen, wie dieser Kerl heißt, erzählt ihm mit lallender Zunge, dass ein hier ansässiger Kapitän einen Teufelspakt mit fischartigen Kreaturen aus dem Meer geschlossen habe und seitdem deren Gott Cthulhu Menschenopfer darbringe. Doch das ist noch nicht alles, denn die Rassen, Meereswesen und Menschen, haben angefangen sich zu vermischen, und die meisten Bewohner von Innsmouth seien mittlerweile hybride Mischwesen, die aus dieser ungeheuerlichen Verbindung hervorgegangen seien.

Dass es sich bei dieser Erzählung des Alten nicht um seniles Gerede handelt, merkt der Protagonist schnell, denn jetzt wird unerbitterlich Jagd auf ihn gemacht …

_Mein Eindruck_

Lovecraft versteht es meisterlich, trotz relativ absehbarer Handlung, den Leser zu überraschen. Die Geschichten sind alle in der Ich-Perspektive geschrieben und beschreiben alle, bis auf „Der Außenseiter“, vergangene Ereignisse. Dadurch erhalten sie eine Spannung und Direktheit, die den Leser fesselt. Sie fesseln nicht durch Action, wie das viele der heutigen Horrorgeschichten tun, sondern durch die Atmosphäre und den hintergründigen Schrecken. Interessant ist, dass das Ende der Geschichte meist schon zu Beginn feststeht; es ist also der Weg zu diesem Ende, der so spannend ist.

Auch die Zusammenstellung des Sammelbandes ist hervorragend. „Die Ratten im Gemäuer“, „Das Ding auf der Schwelle“, „Der Flüsterer im Dunkeln“ und „Der Schatten über Innsmouth“ zählen zweifellos zu den besten Kurzgeschichten Lovecrafts. Die Auflockerungen durch die wirklich kurzen „Dagon“ und „Der Außenseiter“ sind eine willkommene Abwechslung, und speziell erstere Geschichte passt stimmig zusammen mit „Der Schatten über Innsmouth“, schließlich heißt der dortige Kult nicht zufällig „Kirche des Dagon“.

Allerdings muss man Lovecraft auch durchaus kritisch bewerten. Schließlich ist das Frauenbild, das er in seinen Geschichten, speziell in „Das Ding auf der Schwelle“, präsentiert, alles andere als fortschrittlich. Wenn ein Hexer einen männlichen Körper sucht, weil der weibliche nicht über genügend geistige Kapazität verfügt, spricht das Bände. Auch der fremdenfeindliche Unterton in „Der Schatten über Innsmouth“ oder solche Dinge wie der Name des Katers (Nigger) in „Die Ratten im Gemäuer“ sind nicht zu leugnen. Doch meine ich, man sollte sich erst bewusst machen, dass erstens die Geschichten zwischen 70 und 80 Jahren alt sind und einer anderen Kulturepoche entstammen, und dass zweitens Lovecraft ziemlich eigenbrötlerisch und fremden Dingen allgemein wenig aufgeschlossen war.

Wer über diese Dinge hinwegsehen kann, wird mit diesem Sammelband seine wahre Freude haben. Doch auch wer schon einige der Kurzgeschichten besitzt, sollte eine Anschaffung erwägen, denn das Zusatzmaterial zu „Der Schatten über Innsmouth“ ist äußerst interessant, und Lovecrafts Notizen lassen durchaus auch auf seinen Charakter schließen sowie Zugang zu den Gedanken finden, die er sich über seine Geschichten gemacht hat.

So bleibt zu sagen, dass sich dieser Band sowohl für Lovecraft-Neulinge als auch für Fans eignet und einen guten Überblick über das Schaffen dieses bedeutenden Phantastik-Autors vermittelt.

Wer noch mehr über Lovecraft und seine Werke erfahren möchte, sollte sich ergänzend diese Besprechungen näher anschauen:

[Schatten über Innsmouth 506

[H. P. Lovecraft – Eine Biographie 345

Weitere Rezensionen zu Lovecraft-Werken bei |Buchwurm.info|:

[Der Cthulhu-Mythos (LPL-Hörbuch) 524

[Cthulhu: Geistergeschichten 1421

[Das Ding auf der Schwelle & Ratten im Gemäuer (LPL-Hörbuch) 589

[Der Fall Charles Dexter Ward 897

[Der Schatten über Innsmouth (LPL-Hörbuch) 424

[Die Katzen von Ulthar und andere Erzählungen 1368

Perry, S. D. – Resident Evil – Die Umbrella-Verschwörung

Die „Special Tactics And Rescue Squad“ (S.T.A.R.S.) rund um die ehemalige Diebin Jill Valentine und den Allroundpolizisten Chris Redfield bekommt den Auftrag, rätselhafte Morde in der Umgebung des Waldes in der Nähe der Bergstadt Raccoon City aufzuklären. Dabei handelt es sich offensichtlich um Kannibalenmorde, die die Gegend in Angst und Schrecken versetzen. Polizeichef Chief Irons schickt zunächst das Bravo-Team, einen Teil der S.T.A.R.S.-Truppe, mit einem Hubschrauber voraus, um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Als der Kontakt mit dem Team abbricht, wird auch das zweite Team um die beiden oben genannten Protagonisten mit dem Hubschrauber losgeschickt.

Die zweite Mannschaft, das Alpha-Team, findet ein zertrümmertes Fluggerät und einen toten Mann des Bravo-Teams vor. Als die Mannschaft selbst unter Druck gerät und von mörderischen, mutierten Hunden angegriffen wird, bleibt aufgrund der Tatsache, dass Brad Vickers, der Pilot des Alphateams, flieht, nur der Sprint in die nahe gelegene Villa eines der Gründer des Umbrella-Konzerns, Spencer. Dort teilt sich die Mannschaft auf, um Überlebende und einen anderen Fluchtweg zu finden.

Im zweistöckigen Haus mit Garten treiben sich fortan Albert Wesker (Chef des S.T.A.R.S.-Teams), Barry Burton (Waffenexperte), Jill und Chris herum. Chris findet in einem abgelegenen Ruheraum Verstärkung in der jungen Rebecca Chambers, ihres Zeichens Biochemikerin und einzige Überlebende des Bravo-Teams. Nach kurzer Steppvisite stellt sich auch relativ bald die ungeheure Wahrheit heraus, denn anhand von Tagebüchern und Briefen wird der eigentliche Zweck des Herrenhauses offenbar: Es gewährte den Forschern der Umbrella-Corporation Unterschlupf und ist im Endeffekt nichts anderes als ein Vertuschungsmanöver des Pharmaziekonzerns, denn unterhalb des Hauses befinden sich die geheimen Labors des Unternehmens, die nur mit Hilfe eines sensationellen Mechanismus zu betreten sind. Dort wurde unter anderem an Biowaffen und Mutationen gearbeitet. Durch einen Fehler der Angestellten brach der so genannte T-Virus aus, der die Mitarbeiter in schreckliche Zombies verwandelte und jegliches Leben früher oder später auslöscht.

Somit wird das S.T.A.R.S.-Team Untoten, mörderischen Mutantenhunden, den so genannten Huntern oder der zerstörerischen Tyrant-Mutation ausgesetzt. Diese Tatsache ist nicht das einzige Problem, denn das Haus ist voll mit Fallen und Schlössern, und um den Garten mit dem Zugang zu den Laboren betreten zu können, benötigt die Mannschaft vier Medallions, die kreuz und quer im Haus versteckt sind. Darüber hinaus ist ein Verräter in den eigenen Reihen, der von Umbrella bezahlt wird und die Beweise, die für die Forschung am T-Virus sprechen, vernichten soll …

S.D. Perry veröffentlicht mit diesem Roman den ersten Teil der Resident-Evil-Reihe, die auf den Kult-Videogames basiert. Endlich erfährt man die Zusammenhänge, die im Spiel ungeklärt bleiben. Die Autorin verändert die Geschichte nur leicht, indem sie die Mannschaft beispielsweise komplett im Haus ankommen und zusammenarbeiten lässt. Das Herumirren im Haus ist für die Protagonisten genauso verwirrend wie für den Leser selbst, wodurch man sich noch besser in die Charaktere hineinversetzen kann. Besonders interessant ist die Geschichte aufgrund der Tatsache, dass die Perspektiven ständig wechseln. Noch dazu werden Gedankengänge der Hauptfiguren dargestellt. Vertieft wird die Story ab und an mit Briefen und Zettelbotschaften der Mitarbeiter. Ebenso genial ist der Einstieg in die Serie mit Hilfe von Artikeln der Zeitungen in Raccoon City.

Den eigentlichen Sinn des Horrorromans erfüllt S. D. Perry tadellos: Die Kämpfe mit den Mutationen werden genau wie die Leichen oder das Herumirren im Haus detailreich beschrieben, so dass man sich ein perfektes Bild der Morde, aber auch der Räume und Gänge erschaffen kann.

Die wichtigsten Aufgaben, wie der Ritterrüstungen-Raum oder das Vernichten der Riesenschlange in der Mansarde, finden natürlich statt, nur werden diese im S.T.A.R.S.-Team verteilt und vernichten somit den etwas unsinnigen ursprünglichen Spielablauf, in dem nur die gewählte Hauptperson alle Aufgaben erledigen muss und alle anderen sich anscheinend schlafen gelegt haben, nur um irgendwann mysteriöserweise zurückzukehren. Einige Rätsel beschreibt Perry nicht, zumindest die Zimmer der angesprochenen Rätsel werden aber erwähnt (z.B. der Raum mit der mutierten Pflanze, bei der die Chemikalie eingesetzt werden muss).

Nichtsdestotrotz sind die Zusammenhänge teilweise zu verwirrend beschrieben; es scheint unmöglich, mehrere dutzend Räume und das eigentliche Anwesen komplett und zusammenhängend zu beschreiben. Zu diesem Zweck hätte S. D. Perry vielleicht eine Karte zeichnen oder beilegen sollen. Durch das Hin- und Herspringen der Perspektiven wird die Verwirrung für Nichtspieler des Games außerdem noch größer sein, obwohl die verschiedenen Sichtungsweisen wie oben beschrieben Vorteile bringen. Ein weiterer Punkt: Zusätzlich hätte für meinen Geschmack der Schluss im Labor etwas ausführlicher sein können, der Roman endet ziemlich abrupt und lässt Fragen offen, die nicht im Spiel, aber dafür in den Fortsetzungsromanen geklärt werden.

Fazit: Sowohl für Spieler als auch für Neulinge absolut empfehlenswert. Resident-Evil-Fans werden aufgrund der detailreichen Erzählung Antworten finden, die bisher nicht geklärt worden sind, Neulinge werden sich sofort in die Handlung und Reihe verlieben.

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