Cunningham, Michael – In die Nacht hinein

_Inhalt_

Peter und Rebecca sind glücklich verheiratet und haben als Galerist bzw. Zeitschriftenherausgeberin Berufe, die sie lieben. Ihre Tochter Bea ist bereits erwachsen und ausgezogen, und eigentlich könnte man das Leben jetzt genießen. Dann kündigt sich jedoch Rebeccas wesentlich jüngerer Bruder Ethan (oder, wie er von allen genannt wird, Missy) für einen Besuch von unbestimmter Länge an. Missy ist reizend und kaputt, attraktiv, hochintelligent und haltlos, er nimmt Drogen und wickelt seine Familie spielend um den Finger.

Die Anwesenheit des exzentrischen jungen Mannes weckt in Peter eine geheime Unruhe. Dieses egoistische, süße, manipulative Geschöpf mit dem Hang zur Selbstzerstörung hat irgendetwas an sich, das er auch möchte. Ist es seine Scheißegal-Attitüde? Ist es die totale, selbstvergessene Konsequenz, mit der der Junge lächelnd sein eigenes Leben vor die Wand fährt? Die Furchtlosigkeit, mit der er sehenden Auges in den Abgrund springt? Die vitale, lässige Attraktivität der Jugend, der nichts heilig ist? Ist es – Himmel! – vielleicht die Kombination aus all dem, ist es Missy selbst?

Die Fassade von Peters heiler Welt bekommt Risse, bricht auf. Er tut Rebecca gegenüber, als sei nichts, während seine Seele langsam aber sicher auf Links gezogen wird. Was will er denn noch? Kann er so weiter machen?

Im Licht von Missys Strahlen betrachtet Peter sein Leben unerbittlich und in jeder Einzelheit eine Bestandsaufnahme, die für ihn, seine Ehe, sein Selbstverständnis und seine Lebensführung zu einer bitteren Bewährungsprobe wird.

_Kritik_

Die Fragen, die Michael Cunningham für Peter aufwirft, gehen ohne Umweg direkt unter die Haut. Wer kennt sie nicht, die alte Geschichte: Wenn ich mich dort anders entschieden hätte? Wenn ich jenen Schritt gewagt hätte? Wenn ich dies unterlassen hätte?

Da Peters Leben in vielerlei Hinsicht gefestigt (langweilig?) ist, ist es ausgesprochen verständlich, dass die Fehler Missys, die Lust an der Unvernunft ihn besonders fesseln. Einmal über die Stränge schlagen, einmal alles auf eine Karte setzen … man möchte immer das, was man nicht darf, lautet schwer vereinfacht eine der Aussagen dieses Romans. Die Gesamtaussagen sind vielschichtiger und in einer Sprache erzählt, die bezaubert und gefangen nimmt. Ein Grundton von Melancholie durchzieht das Buch, selbst in den Passagen, in denen Hoffnung und Aufbruch mitschwingen, weil man weiß, dass es der Aufbruch ins Verderben wäre.

Cunningham hat meisterhaft die Lockung des fatal Sinnwidrigen dargestellt, indem er glaubwürdige Charaktere jeweils in sich schlüssige psychische Entwicklungen durchlaufen lässt. Da es Peters Geschichte ist, die erzählt wird, kommt man ihm als Leser am nächsten, doch auch die anderen Personen treten detailreich gezeichnet ins Licht. Es wirkt nicht so, als seien sie nur Lückenfüller; jede von ihnen hat ihre Sorgen, Wünsche, Ängste. Und dass Peter trotz relativ guter Beobachtungsgabe definitiv nicht alles erahnen kann, was in seinen Mitmenschen vorgeht, stellt sich immer wieder auf überraschende Art und Weise heraus.

Michael Cunningham hat ein bestrickendes, verschlungenes Psychogramm eines möglicherweise ganz normalen Menschen erstellt, der am Scheideweg steht und sich die Frage stellen muss: Fundament oder Abenteuer?

„In die Nacht hinein“ ist genau die Richtung, die die Gedanken und Wünsche des Lesers mit denen Peters gehen, die Regung des Aus- und Aufbrechens springt unaufhaltsam von dem Protagonisten über auf den Leser.

_Fazit_

Es gibt nur einen Rat zu diesem Buch: Lesen! Cunningham ist ein Meister der mentalen Zeichnung, sein Roman ein zauberhaftes Werk über Sehnsüchte, Ängste und Allzumenschliches mit einem perfekten Ende.

|Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Originaltitel: By Nightfall
Aus dem Amerikanischen von Georg Schmidt
ISBN-13: 9783630873534|
[www.randomhouse.de/luchterhand]http://www.randomhouse.de/luchterhand/index.jsp
[www.michaelcunninghamwriter.com]http://www.michaelcunninghamwriter.com

Marco Campanella – Leo Lausemaus wartet auf Weihnachten

_Der kleine Leo_ Lausemaus freut sich auf Weihnachten. Doch während er sich im Schnee amüsiert, friert das arme Vögelchen, das den Anschluss an seinen Flug in den Süden verpasst hat und bittet Leo um seinen Schal. Leo kann sich von seinem Lieblingsschal nicht trennen und geht nach Hause. Dort plagen ihn Gewissensbisse, und er fragt seine Mutter, ob der Weihnachtsmann alles sehe, was man Böses täte. Dann schleppt er voller Eifer Wolle an und bittet die Mutter um einen gestrickten Schal, den er dem Vögelchen bringen will. Doch scheint er schon zu spät zu kommen, denn der Vogel ist in dem eisigen Schneetreiben nicht mehr zu sehen …

_Die Bilderbuchreihe um_ die kleine Maus Leo erfreut sich großer Beliebtheit – vor allem bei den Eltern, denn Leo sammelt seine Erfahrungen auf ganz menschliche Art und bringt durch seine Erlebnisse erzieherische Themen an den Mann bzw. das Kind. Titel wie „Leo trödelt mal wieder“, „Leo will nicht schlafen“ oder dem vorliegenden „Leo wartet auf Weihnachten“ sprechen für sich. Sie behandeln ganz einfach das jeweilige Thema, ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Vielmehr geht es darum, ein Kind mit der Problematik vertraut zu machen und ihm zu zeigen, welche Folgen ein bestimmtes Handeln haben kann oder auch, welche Möglichkeiten es gibt, Probleme zu lösen.

Hier lernt Leo kurz die verschiedenen Aspekte der Vorweihnachtszeit kennen, das Warten, den Winter, das Schreiben eines Wunschzettels, aber auch die Tatsache, dass es nicht jedem zu dieser Zeit gut geht, dass es auch Personen gibt, die unter der Kälte des Winters leiden oder die sich nicht selbst helfen können. Und er lernt, dass es besser ist, spät zu helfen als nie – und seine Hilfe wird natürlich mit einem liebevollen Ergebnis belohnt.

Die Bilder greifen den zugehörigen Text und die Geschichte direkt auf und bleiben dabei von klarer Struktur, lenken das Auge des Betrachters nicht ab, sondern zeigen mit kindlicher Warmherzigkeit die Geschehnisse und Gefühle. Mit niedlichen Details wird deutlich, dass Leo wirklich eine Maus ist, die zum Beispiel in einer Streichholzschachtel als Bett schläft oder auf einem Korken als Stuhl sitzt. Garnrollen, Bausteine und andere Gegenstände dieser Größe bilden die Grundlagen der Einrichtung des Mäusehauses.

Die Wirkung auf meine kleinen Söhne (2 und 4 Jahre) ist unterschiedlich. Wenn sie schon in ruhiger Stimmung sind, lassen sie sich gerne das Buch von der Lausemaus vorlesen und vertiefen sich in die Bildergeschichte, erzählen manchmal ihre eigenen Gedanken zu den Bildern und entdecken die Details. Sind sie allerdings in wilderer Stimmung, scheint Leo nicht genügend Schwung zu bieten, dann müssen es schon Bagger, Feuerwehr oder andere spannende Geschichten sein, um sie an ein Buch zu fesseln.

_Insgesamt ist das_ Weihnachtsbuch der Lausemaus ein rundum schönes Bilderbuch mit einer thematisch passenden Geschichte um Hilfsbereitschaft und weihnachtliche Vorfreude, das in gewohnter Klarheit gemalt und geschrieben ist.

|Gebundene Ausgabe: 32 Seiten
Originaltitel: |Il natale di Topo Tip|
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 24 Monate – 4 Jahre
ISBN-13: 978-3937490458|
http://www.lingen-koeln.de
http://leo-lausemaus.de

Jonathan Stagge – Barmherziger Tod

stagge-barmherziger-tod-cover-1961-kleinEin etwas naiver Landarzt gerät in den Verdacht, unheilbar kranke Patienten zu ‚erlösen‘, was ihn zum idealen Sündenbock in einem Mordkomplott stempelt … – Spannender US-„Whodunit“ von 1937, dessen Verfasser weder an verdächtigen Figuren noch rätselhaften Vorfällen spart; sympathische Hauptfiguren und sachter Humor komplettieren das angenehm altmodische Lesevergnügen.
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Condie, Ally – Auswahl, Die (Cassia & Ky 1)

_|Cassia & Ky|:_

Band 1: _“Cassia & Ky – Die Auswahl“_
Band 2: „Crossed“ (November 2011, noch ohne dt.)
Band 3: – bisher nur angekündigt –

_Die 17 Jahre junge Cassia_ lebt in der Zukunft, einer Zeit, in der alles im Leben durch die „Gesellschaft“ streng vorherbestimmt wird. Um ein langes und glückliches Leben zu garantieren, entscheidet dieses „System“ über fast jeden Schritt, den die Menschen in ihrem Dasein unternehmen.

Das System entscheidet, was du isst, welchen Sport du treibst, welchen Beruf du wählst und über den Mann, den du heiraten wirst. Auch die Spanne, in der du deine Kinder bekommst, und sogar der Tag deines Todes werden vom System bestimmt. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, zum Besten für dich und die Gesellschaft.

Auch hat diese Gesellschaft entschieden, dass die Kultur viel zu überladen ist; nach einem strengen Auswahlverfahren sind nur noch die einhundert besten Werke vorhanden: einhundert Lieder, einhundert Gedichte, einhundert Gemälde, alle anderen Werke wurden für immer vernichtet. Denn wie soll man etwas wertschätzen, wenn es alles im Überfluss gibt?

Cassia lebt, wie alle anderen, glücklich in diesem System. An ihrem 17. Geburtstag findet ihr Paarungsbankett statt, bei dem sie ihren zukünftigen Ehemann kennenlernen wird. Sie hat Glück, denn während die meisten Mädchen einen völlig Unbekannten zugeteilt bekommen, ist ihr perfekter Partner ihr Sandkastenfreund Xander.

Ihre so scheinbar perfekte Welt bekommt allerdings bald Risse. Als Cassia sich am nächsten Tag den Microchip anschaut, auf dem alle Daten Xanders gespeichert sind, flackert plötzlich das Gesicht eines anderen Jungen auf. Cassia bekommt einen riesengroßen Schrecken, denn zu sehen ist dort ihr und Xanders gemeinsamer Freund Ky.

Hat Cassia doch die Möglichkeit zu wählen?

_Kritik_

Mit dem Jugendbuch „Cassia & Ky – Die Auswahl“ hat die Autorin Ally Condie den ersten Teil einer Trilogie geschaffen, die eine beängstigende Zukunftsvision zeigt, die zum Nachdenken anregt.

Das Thema wird von der Autorin glaubwürdig und erschreckend wiedergegeben. Was ist ein Leben wert, in dem alles vorbestimmt und keinerlei Auswahlmöglichkeit denkbar ist? Die Welt, die die Autorin hier zeigt, ist völlig fremdgesteuert, und die anfängliche Gehorsamkeit dem System gegenüber macht schon auf den ersten Seiten stutzig. Die einfache Sprache, die hier gesprochen wird, passt sich hervorragend der Geschichte an.

Ab dem Moment, in dem Cassia Kys Bild auf dem Microchip sieht und anfängt, das System infrage zu stellen, nimmt der Roman dann an Fahrt auf, der Leser wird in die Geschichte katapultiert und fiebert mit den Charakteren. Der fließend zu lesende Schreibstil der Autorin lässt dabei kaum Fragen offen, das System wird ausreichend beschrieben und erklärt. Auch die Umgebung wird detailliert beschrieben, sodass der Leser perfekt in diese Welt eintauchen kann. Der Plot entwickelt sich ruhig, da die Autorin viel Wert darauf legt, das System zu zeigen, in dem Cassia, ihre Familie und ihre Freunde leben. Dies ist wichtig für das Verständnis, und schnell wird klar, was so ein scheinbar perfektes Leben bedeuten kann.

Erzählt wird die Geschichte von Cassia selbst, daher werden ihre Gedanken und Gefühle sehr schnell deutlich und sehr überzeugend übermittelt.

Die Protagonisten sind sehr lebendig und sympathisch konzipiert. Schnell wachsen diese dem Leser ans Herz. Reichhaltig und trotz des Systems, in dem die Figuren leben, bereit, sich zu entwickeln, wirken besonders Cassia, Xander und Ky sehr greifbar und lebensecht.

Cassia, die anfangs noch an das System glaubt und denkt, dies wäre die perfekte Art zu leben, wird durch verschiedene Ereignisse immer kritischer und fängt an, das System und die Gesellschaft infrage zu stellen. Durch ihren Großvater, der ihr ein ganz besonderes Geschenk macht, fängt Cassia an, Fragen zu stellen. Dies wird von der Gesellschaft überhaupt nicht gerne gesehen, und schnell wird Cassia bewusst gemacht, auf welch dünnem Eis sie sich bewegt.

Ky, schon dadurch, dass er als „Aberration“ klassifiziert ist, stellt das System schon lange Zeit infrage, weil er während seiner Zeit, die er in den Grenzgebieten gelebt hat, einige Erlebnisse machen musste, die ihm das System und die Gesellschaft als fragwürdig erscheinen lassen.

Auch die weiteren Figuren sind wichtig für die Geschichte und bieten eine Menge, wenn auch teilweise versteckte Charaktereigenschaften, die beim Lesen durchaus überraschen können.

_Fazit_

Mit „Cassia & Ky – Die Auswahl“ hat Ally Condie einen perfekten Start ihrer Trilogie um die beiden Protagonisten Cassia und Ky vorgelegt. Glaubwürdig erzählt die Autorin von einem Leben, das so perfekt zu sein scheint, dass die in dieser Zeit lebenden Menschen anscheinend nicht mal daran denken, etwas infrage zu stellen … bis etwas Unvorhergesehenes passiert.

Spannend und zum Nachdenken anregend, erzählt Ally Condie von einer Welt, die es so tatsächlich geben könnte. Unterstrichen durch eine verbotene Liebe und dem für den Anfang richtigen Maß an Rebellion, wird hier eine Menge Lesespaß geboten.

Leser, die schon von der „Panem“-Trilogie begeistert waren, dürften hier ebenfalls genau richtig liegen.

„Cassia & Ky – Die Auswahl“ bekommt von mir eine klare Leseempfehlung und ich warte gespannt auf den nächsten Teil dieser Trilogie.

_Autorin_

Nach Beendigung ihres Studiums begann Condie für einige Jahre Englische Literatur in New York zu unterrichten. Mittlerweile arbeitet sie Vollzeit als Schriftstellerin. Ihre Bestsellerromanreihe um „Cassia & Ky“ erlangte internationale Anerkennung und wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Zusammen mit ihrer Familie lebt und arbeitet Ally Condie in Salt Lake City. (Verlagsinfo)

|Gebundene Ausgabe: 464 Seiten
Verlag: Fischer Fjb; Auflage: 1 (28. Januar 2011)
ISBN-13: 978-3841421197
Originaltitel: Matched
Mehr unter http://www.cassiaundky.de |

Eoin Colfer – Artemis Fowl VI – Das Zeitparadox (Lesung)

Artemis Fowl blickt mittlerweile auf eine lange und verzwickte Geschichte zurück, eine Reihe von Romanen, die in chronologischer Reihenfolge die Erlebnisse des jungen irischen Genies berichten und Bezug aufeinander nehmen, wobei gerade die ersten Bände direkt zusammenhängen. Mit dem vorliegenden Roman begibt sich Colfer auf gefährliches Terrain, fügt er der Historie des Jungen doch komplexe Aspekte hinzu und läuft Gefahr, sich in den Zeitparadoxa zu verzetteln und in Widersprüche zu verwickeln. Andererseits ist die Zeitreise eine logische Folge im Konzept der Reihe, die Artemis mit immer schwierigeren Problemen konfrontiert und sein Genie herausfordert. Hier ist es ein Höhepunkt: Der Konflikt zwischen Artemis und seinem jüngeren Ich.

Angelina Fowl, die Mutter des Artemis, ist an einer Seuche der Unterirdischen erkrankt: Die Funkenpest, die sich durch Magie überträgt. Artemis kontaktiert seine unterirdischen Freunde Foaley und Holly Short, die ein Gegenmittel kennen: die Hirnflüssigkeit eines madagaskischen Lemuren. Unglücklicherweise war es Artemis selbst, der in seiner Kindheit das letzte Tier an eine Extinktionistengruppe (die das Ziel verfolgte, möglichst viele Tierarten auszurotten) verkaufte, um seinen Vater zu retten. Die einzige Chance besteht in einer Zeitreise, um dem eigenen Ich zuvor zu kommen und den Lemur in die eigene Zeit und vor der Auslöschung zu retten. Doch in der Vergangenheit wartet nicht nur der jüngere Artemis als skrupelloser und genialer Gegenspieler, sondern auch eine alte Feindin des Jungen, die machtgierige, verrückte und größenwahnsinnige Wichtelin Opal Coboi …

Ein Hörbuch lebt zum großen Teil von seinem Sprecher, und da ist Rufus Beck eine sichere Wahl: Er liest mit ruhiger, modulationsfähiger Stimme und der Erfahrung regelmäßiger Engagements. Im Hörbuchbereich ist er inzwischen eine feste Größe, und so greift man gerne zu, wenn sein Name auf dem Booklet prangt. Im vorliegenden Projekt trifft er wie gewohnt gut die Charakteristika der einzelnen Protagonisten – mit Ausnahme zweier wichtiger Figuren: Butler, dessen Name für die Öffentlichkeit Programm ist, verpasst er die tiefste und kratzigste Stimme, derer er fähig zu sein scheint, und so klingt der Freund, Beschützer und Gefährte Artemis‘ eher wie ein dumpfer Schlägertyp als wie der bestausgebildetste, hochintelligente Weltmann, der er ist. Und der Zwerg Mulch Diggums malträtiert unsere Ohren mit einem bayrischen Dialekt, dessen Herkunft eine Erklärung schuldig bleibt.

Die Intonation ist auch konsequent situationsgerecht und gerade Foaleys Zentaurwiehern ist göttlich. Man fragt sich nur, warum es zur Formulierung von Zaubersprüchen einer eintönig leiernden Stimme bedarf.

Was den Vorgängern zu Eigen war, nämlich die unbedingte Jugendlichkeit der Erzählung, wird in diesem Band verwässert zu Gunsten eines beginnenden Geschlechterkonflikts zwischen Holly und Artemis. Dadurch gewinnt der Roman natürlich vor allem für weibliche Hörer eine interessante Nuance, und natürlich bleibt genügend Fowl-Manier übrig, um komplizierte Winkelzüge und überraschende Menschlichkeit zu transferieren. Dabei nutzt Colfer das direkte Aufeinandertreffen zweier Artemisse, um seine frühere Unnahbarkeit, seine überhebliche Art und sein Genie in Abhängigkeit der Erfahrung und des Alters gegenüberzustellen. Man bekommt also fast eine (im übertragenen Sinne) tabellarische Auflistung der positiven Veränderungen, die Artemis durch Holly erfahren hat. Und Artemis selbst bekommt natürlich einen ungewollten Spiegel vorgehalten, was ihn zum Nachdenken anregt. Neben der unauffälligen Wesensentwicklung über die vorherigen Bände thematisiert Colfer also hier ganz direkt die Weiterentwicklung vom sympathischen Gauner zum typischen strahlenden Helden.

Neu ist, dass neben Artemis und seinem Freund Butler jetzt auch die Mutter Kenntnis von den Unterirdischen hat.

Ein kleiner Punkt, der negativ auffällt, ist die Mächtigkeit der Magie, die je nach Bedarf von Colfer manipuliert wird. Vor allem scheint Opal Coboi in einem Moment übermächtig und unbesiegbar, um im nächsten mit fast weltlich zu nennenden Problemen an die Grenze ihrer magischen Fähigkeiten zu stoßen. Ansonsten gestaltet sich die Erzählung sehr konsistent. Colfer umschifft geschickt die Gefahren der Zeitreisegeschichte oder nimmt sie bewusst und ironisch aufs Korn, konfrontiert seine Protagonisten mit diesen Problemen, ohne sich in pseudowissenschaftlichen Erklärungen zu ergehen. So bleibt die Frage nach der Henne und dem Ei gänzlich ungeklärt, sprich: Wäre Artemis auch in die Vergangenheit gereist, wenn seine Mutter nicht erkrankt wäre? Und Opal Coboi folgte ihm nur in die Zukunft, weil er ihr den Lemur vor der Nase wegschnappte, also hatte sie dazu keinen Grund, bevor er auf die durch sie verursachte Bedrohung seiner Mutter die Reise antrat … Demnach trägt die Geschichte zumindest ihren Titel zu Recht!

„Das Zeitparadox“ ist eine schnelle, typisch Fowl’sche mit Ironie geladene und super unterhaltende Geschichte, die durch Rufus Becks professionelle und charismatische Interpretation als Hörbuch ein Genuss ist. Dass sie dabei erwachsener wird, tut ihrer Faszination keinen Abbruch.

6 Audio CDs mit 476 Minuten Spieldauer
Gekürzte Lesung
Gelesen von Rufus Beck
Deutsch von Claudia Feldmann
Originaltitel:
Artemis Fowl and The Time Paradox
ISBN-13: 978-3899036534

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Kilborn, Jack – Angst

_Das geschieht:_

Safe Haven im US-Staat Wisconsin ist ein Städtchen mit 907 Einwohnern. Hier bleibt man gern unter sich. Sheriff Arnold Streng steht kurz vor der Pensionierung und amtiert 40 Fahrminuten entfernt, was dieses Mal von Nachteil ist: Ein Helikopter stürzt in den Wald und hinterlässt scheinbar nur Leichen. Aber noch während Feuerwehr und Sheriff zur Unglücksstelle ausrücken, springen vier böse Männer und eine ebensolche Frau aus dem Wrack: In ihren früheren Leben waren Bernie, Santiago, Taylor, Ajax und Logan sadistische Psychopathen und Serienkiller, die in diversen Gummizellen oder Todeszellen schmorten.

Doch seit die USA im Krieg mit allerlei Schurkenstaaten stehen, sind Gesetze nur noch Makulatur, wo sie mit der gerechten Sache kollidieren. Auf der Suche nach billigen und effizienten Waffen lief unter Leitung von General Tope das streng geheime Militär-Projekt „Red-op“ an: Entbehrliche Lumpen werden hirnmanipuliert und biotechnisch ‚verbessert‘, um hinter feindlichen Linien zu morden, zu vergewaltigen und anderen Schrecken zu säen.

Zu Topes Schrecken wurden seine Zöglinge nun in den USA aktiv. Schleunigst wird Safe Haven von der Außenwelt abgeriegelt, denn nichts darf an die Öffentlichkeit dringen, die nie verstehen will, dass ein Krieg auch Opfer erfordert. „Red-op“-Mediziner Ralph Stubin soll vor Ort die teuren Mordstrolche einfangen. Allerdings kocht er schon lange sein eigenes Terror-Süppchen: Das gruselige Quintett sucht in seinem Auftrag nach Warren Streng, dem Bruder des Sheriffs, der sich als Global-Gangster im Ruhestand in Safe Haven niedergelassen hat und ein lukratives Geheimnis hütet.

Während sich die „Red-op“-Killer durch Safe Haven schlachten, formiert sich Widerstand: Der Sheriff, Feuerwehrmann Josh VanCamp und Kellnerin Fran Stauffer kriegen zwar ständig kräftig aufs Maul, aber US-unverdrossen versuchen sie weiter, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen …

_Kein Klischee gerät in Vergessenheit!_

Der Weg ist das Ziel, und das heißt bei Jack Kilborn „Unterhaltung“. Anspruch, Originalität oder wenigstens Variation sind Elemente, die in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Der Verfasser kann uns sogar eine ganze Weile erfolgreich vorgaukeln, dass wir auf sie verzichten bzw. Standards und Stereotypen sie ersetzen können. Also entwirft er eine simple Hit-and-Run-Story, die er mit einschlägigen Szenen und Figurenmustern aus unzähligen Kino- und Fernsehfilmen der Kategorien B und C auskleidet.

Neu stellt er sich einzig der Herausforderung, grausige Folter- und Mord-Schnetzeleien zu ersinnen, die er aber – darin ist er ein Meister (glaubt er) – so be- oder besser umschreibt, dass wirklich erschreckende Details angedeutet bleiben. Dies ist wohl auch besser, denn wird mit aufgeblendeten Scheinwerfern gekillt, wirkt der Schrecken so grotesk, dass er abstrakt wird: Was Santiago mit den unglücklichen Mortons anstellt, ist wesentlich erschreckender als der vor allem logistisch komplizierte Massenmord (wo stapeln wir bloß die vielen Leichen?) an der trickreich zusammengelockten Dorfbürgerschaft.

|Zu viele Wiederholungen|

„Angst“ benötigt keine Geheimnisse. Wer da im Wald und auf der Heide mörderisch munkelt, wird vom Verfasser en passant erläutert. Die schon erwähnte Unterhaltung soll allein aus dem Katz-und-Maus-Spiel der Guten & Bösen entstehen. Es läuft jedoch durchweg nach dem berüchtigten Schema F ab. Auf der einen Seite verfolgen die fünf „Red-op“-Mutanten ihre Mission. Dass sie dabei stur und einfallsarm vorgehen, kann man nicht ihnen vorwerfen; schließlich wurden ihre Hirne in ferngesteuert bootfähige Festplatten verwandelt, die sie in reine Erfüllungsgehilfen verwandeln.

Auf ihrem Weg zum einprogrammierten Ziel fallen sie wie geplant über die ahnungslosen Bürger von Safe Haven her. Zwar gibt sich Kilborn Mühe (s. o.) und denkt sich diesbezüglich immer neue Gräuel aus, doch es hilft nichts: Nach dem fünften, sechsten oder zehnten Folter-Mord wirds langweilig. Schlimmer noch: Der Leser beginnt zu grinsen, weil er merkt, wie Kilborn immer stärker aufs Gaspedal tritt, um durch hohes Tempo die ständigen Wiederholungen zu verschleiern.

Diese werden noch wesentlich augenfälliger, sobald sich unsere Helden formieren. Sie haben im Grunde keine Chance, die sie trotzdem wacker nutzen: Kilborn reitet die uralte Moral vom Sieg der Gerechtigkeit. Zwar müssen solche guten Menschen auf dem Weg dorthin tüchtig bluten, dürfen aber ausgleichend auf Seelenfrieden, Erlösung oder wenigstens einen gemeinschaftsnützlichen Tod hoffen.

|Zu viele Unwahrscheinlichkeiten|

In fachkundiger Dosierung ist dieses Konzept erträglich. Bei Kilborn ist es kontraproduktiv. Lang und breit stellt er uns fünf ohnehin moralfreie Unmenschen vor, die dank Hightech in superstarke, unverwundbare, unüberwindliche Kampfmaschinen verwandelt wurden. Ihre ‚Gegner‘: ein alternder Sheriff, ein überforderter Feuerwehrmann, eine hübsche Kellnerin mit dem Mutterherz einer Löwin. Mitgeschleppt wird ein zehnjähriger Junge, der unbelehrbar wie ein lebensmüder Lemming immer dorthin rennt, wo es besonders gefährlich ist; wundert es, dass diese Nervensäge von einem zum Kotzen niedlichen Mischlingshund namens „Woof“ begleitet wird?

Zurück zum Thema: Die „Red-op“-Kämpfer machen Bürger zu Hunderten nieder, und eine bis an die Zähne bewaffnete Spezialeinheit der US-Army hält ihnen keine Minute stand. Das gerade skizzierte Grüppchen stellt sich den Mord-Soldaten wieder und wieder in den Weg, entkommt ihnen zuverlässig, fügt ihnen kräftige Blessuren zu und stiehlt ihnen die Ausrüstung. Nachdem dies mehrfach genau so geschah und sich fortsetzt, verfliegt die Langeweile des Lesers; er lächelt auch nicht mehr, sondern schreit vor Frustration und Ärger.

|Das Prinzip der „letzten Sekunde“|

Wieder sitzt einer unserer Helden hoffnungslos in der Falle. Alle Auswege sind versperrt, das Bein steckt in einem Loch fest, Flammen schlagen am Hintern hoch, und grinsend reckt der gerade für bedrohliches Auftreten eingeteilte Killer ihm oder ihr die Faust mit dem Ausbein-Messer entgegen. Der Sack ist zu – und dann schneidet Kilborn einfach ein Loch hinein, durch das besagter Held wider sämtliche Logik entschlüpft. Das ist Willkür und verhöhnt den Leser, der diese Masche als Methode erkennt, diesen Roman auf Länge zu bringen. Schematisch flanscht Kilborn Modul an Modul, bis es Zeit für das Finale wird. Erst dann dürfen auch Hauptfiguren sterben.

Dumm, dass die einem herzlich gleichgültig sind. Kilborns Schurken sind als Menschenfresser, Brandstifter oder Frankensteins Monster so übertrieben böse, dass es erneut ins Lächerliche umschlägt. Die Helden sind eindimensionale Pappkameraden, die in ihrem eindimensionalen Reden und Handeln nicht minder hirnmanipuliert wirken wie die „Red-op“-Kämpen.

|Kanonenfutter nach Abklatsch-Technik|

Bis es final ans Eingemachte geht, lässt Kilborn viele Bürger über diverse Klingen springen, nachdem er sie uns kurz vorgestellt und ans Herz gelegt hat. Der Versuch missglückt, denn die guten Menschen von Safe Haven sind schlicht und ergreifend Dorftrottel. Woof ist nur ein dummer Hund, doch welche Entschuldigung können sie geltend machen? Die Verheißung eines Lottogewinns lässt sie kollektiv in die Falle der „Red-op“-Meuchler stürzen, wo sie gierig zur Schlachtbank drängen. Als Individuen sind sie notorisch begriffsstutzig und immer bereit, ihren Mördern vor die Füße zu stolpern. Trotzdem versucht Kilborn, uns die Dörfler als liebenswerte Zeitgenossen zu verkaufen, deren Schicksale ganz schrecklich sind. Weit gefehlt – als es beispielsweise den tumben Hilfsfeuerwehrmann Erwin oder seine nervige Verlobte Jessie Lee erwischt, sind dies Momente echter leserlicher Erleichterung!

Diese steigert sich, als das Buchende naht. Wenigstens das Finale bringt noch einige spannende Momente. Dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack und „Angst“ das Produkt eines routinierten und fleißigen aber wenig inspirierten Autors. Der Titel dieses ersten in Deutschland erschienenen Kilborn-Werkes benennt deshalb auch jenes Gefühl, das sich angesichts der Möglichkeit einstellt, in den nächsten Monaten und Jahren öfter auf die Erzeugnisse dieses Verfassers zu stoßen …

_Verfasser_

Jack Kilborn wurde 1970 als Joseph Andrew Konrath in Skokie, einem Vorort von Chicago, US-Staat-Illinois, geboren. Nach dem College schrieb er zwölf Jahre nie veröffentlichte Romane. Erst mit „Whiskey Sour“, dem ersten Band einer Krimi-Serie um Jacqueline „Jack“ Daniels vom Chicago Police Department, fand er 2004 einen Verleger.

Konrath ist für sein ausgeprägtes Talent der Selbstvermarktung bekannt. Gemeinsam mit der Autoin Julia Spencer-Fleming pries er 2006 im Rahmen eines Mailings 7000 US-amerikanischen Bibliothekaren seine Werke an. Konrath ist ein Pionier als eBook-Autor. Exklusiv für das Amazon-Kindle veröffentlicht er immer wieder Kurzgeschichten und Romane. Am College of DuPage in Glen Ellyn, Illinois, lehrt er kreatives Schreiben.

Während er unter seinem Geburtsnamen weiterhin Kriminalgeschichten veröffentlicht, wählte Konrath 2008 für sein Debüt als Horror-Autor das Pseudonym „Jack Kilborn“. In schneller Folge schrieb er – oft mit Co-Autoren – weitere Gruselromane und Kurzgeschichten. 2011 kam „Joe Kimball“ als Verfasser einer Serie jugendorientierter SF-Romane hinzu. J. A. Konrath lebt und arbeitet in Schaumburg, ebenfalls einer Vorstadt von Chicago.

|Taschenbuch: 398 Seiten
Originaltitel: Afraid (London : Headline 2008/New York : Grand Central Publishing 2009)
Übersetzung: Wally Anker
ISBN-13: 978-3-453-52797-3|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne
[jakonrath.blogspot.com]http://jakonrath.blogspot.com

Palma, Félix J. – Landkarte der Zeit, Die

„Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells ist ein Klassiker der Literatur und wir erinnern uns noch gerne an die Verfilmung und Figuren der Elois und Morlocks, in der die Hauptrolle damals von Rod Taylor gespielt wure.

Träumen wir nicht immer davon, die Zeit zurückzudrehen? Wünschen wir uns nicht oft Fehler, die wir gemacht haben, wieder zu relativieren oder gar nicht erst gemacht zu haben? Wären wir nicht gerne mal Zeitzeugen bei dem Bau der Pyramiden oder der Geburt oder Kreuzigung Christi oder an dem einen oder anderen historischen Moment, der wichtig war und die Menschheit entscheidend geprägt hat?

Physik, gerade die Quantenphysik erklärt uns inzwischen eine ganz andere Perspektive einer mehrdimensionalen Raum/Zeit-Umgebung, die wie wir aber noch lange nicht erforscht, oder gar begriffen haben! Vielleicht sind wir einfach noch nicht so weit entwickelt.

Doch wenn es möglich wäre, in die Vergangenheit oder die Zukunft zu reisen, welche Auswirkungen hätten dann diese Reisen auf unsere Zivilisation und für uns unmittelbar? Würden wir uns ggf. selbst, aufgrund eines dummen Zufalls exekutieren? Wie würden sich diese zeitlichen Wellen auf unsere Gegenwart auswirken? Wahrscheinlich wären wir wie ein kleiner Stein, den ein Junge ins Wasser wirft, die Wellen wären um ein Vielfaches größer, und mit so viel Unbekanntem kombiniert, das wir gar nicht erst berechnen können.

Der in Madrid lebende Autor Félix J. Palma erzählt in seinem Roman „Die Landkarte der Zeit“ eine Geschichte, in der die Bedeutung der Zeit die wesentliche Rolle spielt und den Leser auf eine Reise durch Vergangenheit und Zukunft schickt.

_Inhalt_

London 1896 – Das Zeitalter der Industrialisierung, aber auch der Armut und der sozialen Ungerechtigkeiten. Eine Zeit, in der ein Menschenleben in den Armenvierteln rund um Whitechapel keine drei Pennies wert war. Andrew Harrington, der Sohn eines großen Unternehmers sieht keinen Sinn mehr in seinem Leben. Im Wohnzimmer seines Vaters stehend, begutachtet er die Waffensammlung seines Vaters. Noch immer macht er sich Vorwürfe, weil er seine Liebe zu der Prostituierten Marie sich nicht selbst eingestehen wollte, und nun gibt es auch keine Möglichkeit mehr, ihr seine Liebe zu gestehen. Marie wurde auf bestialische Art und Weise von Jack the Ripper umgebracht. Von Schuldgefühlen geplagt, auch acht Jahre nach ihrem Tode, findet der junge Mann keine Ruhe und so nimmt die Überlegung, Selbstmord zu wählen, immer mehr Bestand an.

Allerdings hält ihn sein Cousin in letzter Minute von seinem Vorhaben ab. Denn laut seinen Worten gibt es eine Möglichkeit, Marie zu retten. H.G. Wells hat eine Zeitmaschine gebaut und Andrew möchte um jeden Preis zurück, um Marie vor dem Killer retten zu können.

Claire Haggerty, eine junge Frau, die vom Leben gelangweilt ist, sehnt sich nach der Liebe ihres Lebens. Neugierig, wie die junge Frau ist, lässt sie sich darauf ein, eine Zeitreise ins Jahr 2000 zu unternehmen.

Abenteuerlustig, wie sie ist, möchte sie sich nicht an starre Zukunftspläne gewöhnen, die ihre Eltern traditionsbewusst für sie von langer Hand geplant haben. Die „Agentur für Zeiteisen Murray“ organisiert mit großem Elan und noch größeren Versprechen diese Reisen in eine Zukunft, in der die Menschen kurz vor einer Vernichtung stehen. Durch Zufall lernt sie im Jahre 2000 den Mann kennen, der die Welt retten soll und verliebt sich unsterblich in ihn. Und auch dieser Held tritt für sie eine Reise an, die ihn in Claires Zeit, das viktorianische London führt.

Ganz andere Probleme bekommt der Scotland-Yard-Inspekter Colin Garett. Innerhalb weniger Tage wurden in London drei Leichen gefunden. Die Wunden weisen darauf hin, dass keine bekannte Waffe dies verursacht haben kann. Also bleibt nur die Möglichkeit übrig, dass jemand aus der Zukunft diese drei Menschen ermordet hat. Garett ist bereit den oder die Verantwortlichen in der Zukunft zu suchen….

_Kritik_

„Die Landkarte der Zeit“ von Palma beruht auf den Theorien, dass es Parallelwelten geben muss und diese auch besucht und verändert werden können. Erinnern wir uns an die vielen verschiedenen Filme und Bücher, so ist das Verständnis für die Zukunft immer auch ein wenig verwirrend.

Auch in diesem Roman ist es so, schlimmer noch – beim Lesen wird die freudige Erwartungshaltung, die man vielleicht beim Lesen des Klappentextes hatte, schnell brutal gebremst. Trotz aller Fantasie kann der Leser der Erzählung nicht folgen. Worauf der Autor mit der Story eigentlich hinaus will, was er uns mitteilen möchte, bleibt im Dunkeln. Da hilft es auch nicht, dass Spannung zwar aufgebaut, aber auf den nächsten Seiten sofort terminiert wird.

Die Idee der Zeitreise in die Vergangenheit oder in die Zukunft bleibt so schräg, dass trotz aller philosophischer Gedankengänge, dann doch nur noch Schall und Rauch übrigbleiben. Palma bedient sich natürlich bei H.G. Wells und lässt die Zeitmaschine aufleben und im zweiten Teil begegnet uns dann eventuell der „Krieg der Welten“?!
Dass beide Werke den Leser oder den Cineasten mehr faszinieren werden, ist leider traurig, aber auch Fakt.

Alle drei Handlungsstränge und die abschließende Erklärung sind derartig an den Haaren herbeigezogen, dass man hier nicht von feinster Erzählkunst reden kann, sondern eher von Überheblichkeit und falscher Selbsteinschätzung. Eine Vielzahl an Metaphern gibt sich hier so unstrukturiert die Hand, dass der Leser auch die Spannung nicht mehr wahrnimmt, sondern sich über die logischen Fehler und Ideen schwarz ärgern wird.

Dichtung und Wahrheit können ja Geschwister sein, hier aber leben sie Lichtjahre voneinander entfernt. Einzig und allein die Konzeption der Charaktere ist lobend zu erwähnen. Ihre Motivation und ihr streben nach Glück, Liebe, Respekt und Sinn ist zu loben. Der Leser erfährt viel über die vielen ungesagten Worte, die sich in den jeweiligen Charakteren entfalten. Der Leser wird sich mit dem einen oder anderen Protagonisten identifizieren können, wenn aber auch weiterhin die Ideen des Autors ins Negative abdriften.

_Fazit_

Auch wenn der Autor den Sinn fürs Detail offensichtlich begriffen hat, so ist er weit über das Ziel hinausgeschossen, einen unterhaltsamen und abwechslungsreichen Roman zu schreiben. Den Stil des Autors kann man als „ausschmückend“ bezeichnen, doch verirrt er sich in den Irrungen und Wirrungen seiner eigenen Gedankenwelt, sodass er zu guter Letzt einen Ausweg gar nicht findet.

„Die Landkarte der Zeit“ kann ich überhaupt nicht empfehlen. Weder ist er besonders packend erzählt, noch gibt es eine anhaltende Spannung, die mich fesseln konnte. Stattdessen einen tumbe Enttäuschung, die mich abschrecken könnte, jemals wieder ein Buch des Autors in die Hand zu nehmen. Lesen Sie lieber H.G. Wells‘ Werk „Die Zeitmaschine“, denn dieses Werk ist zeitlos gut.

_Autor_

Felix J. Palma wurde 1968 in Sanlucar de Barrameda geboren und lebt heute in Madrid. Er absolvierte eine Ausbildung als Werbefachmann in Sevilla, bekam jedoch für seine ersten Erzählungen und Romane bereits so viele Stipendien und Preise, dass er den erlernten Beruf nie ausübte.

„Die Landkarte der Zeit“ war ein Bestseller in Spanien und wird in über zwanzig Sprachen übersetzt. Palma erhielt dafür den Premio Ateneo de Sevilla. (Verlagsinfo)

|Hardcover: 720 Seiten
Originaltitel: El mapa del tiempo
Aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen
ISBN-13: 978-3463405773|
[www.rowohlt.de/verlag/kindler]http://www.rowohlt.de/verlag/kindler

_Félix da Palma bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Landkarte der Zeit“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6708

Ashwood, Sharon – Vampirdämmerung

_Die |Dark Magic|-Romane_

Band 1: „Hexenlicht“
Band 2: _“Vampirdämmerung“_
Band 3: „Seelenkuss“ (07.06.2011)
Band 4: „Höllenherz“ (12.09.2011)

|Die Burg ist kein gewöhnliches Gefängnis.
Sie ist eine eigene kleine Welt, vor Jahrtausenden geschaffen, um Vampire, Werwölfe, Dämonen und andere übernatürliche Geschöpfe von der Erde zu verbannen – ein Ort voller Magie, Gewalt und Intrigen. Doch nun wurde ein Tor geöffnet … |

Conall Macmillian, besser bekannt als Mac, ist nach einem Jahr der „Burg“ entkommen. Er geht gerade auf dem St.-Andrews-Friedhof spazieren, als er wieder einmal von Alessandro Caravelli angegriffen wird. Seit Mac von der Dämonin Geneva geküsst wurde und damit zu einem Dämon wurde der Seelen frisst, hat der Vampir Alessandro eine Rechnung mit Mac offen. So schnell wie möglich will Alessandro Mac wieder in der Burg wissen, wo Mac keinen Schaden anrichten kann.

Dass die Hexe Holly Mac weitgehend von den dämonischen Spuren geheilt hat, interessiert Alessandro nur wenig, er sieht in Mac eine Gefahr, die gebannt werden muss. Dass Mac um seine Menschlichkeit kämpft und die dämonischen Reste in ihm gut unter Kontrolle hält, ist dem Vampir egal, er kennt nur sein Ziel: Mac muss zurück in die Burg.

Unterdessen in der Burg, die junge Vampirin Constance muss Schreckliches miterleben. Ihr Ziehsohn, der Inkubus Sylvius, wird von den Wachen der Burg in einen Dämonenwürfel gesperrt. Ihr Meister, der Zauberer Atreus, ist nicht bereit Constance und Sylvius zu helfen, dabei sollte er doch seine Untertanen schützen.

Allerdings sollte man eine Mutter auch keinen Moment unterschätzen, auch wenn Constance nie Blut getrunken hat und so nicht viel stärker ist als ein normaler Mensch, ist sie bereit alles für die Rettung ihres Ziehsohnes zu tun. Sogar ihre Unschuld würde sie opfern und menschliches Blut trinken und endgültig zu einem vollwertigen Vampir werden.

Constance läuft durch die finsteren Gänge der Burg, als ihr Mac über den Weg läuft, Constance weiß nicht, dass sie keinem reinen Menschen gegenüber steht. Besteht trotzdem die Chance Sylvius zu retten und kann Mac seine Menschlichkeit bewahren?

_Kritik_

„Vampirdämmerung“ ist der zweite, originelle Roman der geheimnisvollen und düsteren „Dark Magic“-Serie von Sharon Ashwood.

Gleich zu Beginn macht der Leser wieder Bekanntschaft mit schon bekannten Figuren und die Autorin schafft es, direkt an das Geschehen zu anzuknüpfen. Die Autorin verbindet wieder einen spannenden Plot mit der genau richtigen Dosierung spritzigem Humor und einer gefährlichen Liebe. Mit ihrem klar verständlichen, originellen und flüssigen Erzählstil baut sie einen Spannungsbogen auf, der den Leser an das Geschehen fesselt und ihn mit den Protagonisten mitfühlen lässt. Stetig, bis zum Finale steigend, entwickelt sich dieser Spannungsbogen und flaut auch nach dem Finale nur langsam ab.

Das Geschehen findet in „Vampirdämmerung“ an zwei Orten statt, einmal in der realen Welt und ebenso in der „Burg“, dem Gefängnis aller magischen Wesen. Die reale Welt wird von der Autorin recht blass gezeichnet. Beschreibungen, die das innere Auge ansprechen, gibt es hier kaum. Um so detaillierter ist dann die Burg beschrieben, die einzelnen Gänge, Räume und besondere Orte werde von der Autorin so lebendig beschrieben, dass der Leser hier keinerlei Probleme hat, diesen düsteren und mystischen Irrgarten zu erleben. Die düstere Stimmung, die Sharon Ashwood schafft, hält sich durch die ganze Geschichte und macht diesen Roman aus. Trotzdem schafft die Autorin es, eine überzeugende und glaubwürdige Romanze in die düstere Handlung einzubauen.

Die Geschehnisse werden von einem Beobachtungspunkt aus erzählt, der zwischen den Protagonisten wechselt. Die wichtigsten Charaktere sind hierbei Constance und Mac, aber auch Alessandro, Holly und andere für die Geschichte wichtigen Figuren werden genügend behandelt und so bleibt keine Frage offen.

Ihre Protagonisten entwickelt die Autorin mit viel Liebe zum Detail, nicht nur das Aussehen, auch Charaktereigenschaften, die Ziele und persönliche Motivation sind bei jeder Figur erkennbar. Bereits bekannte Charaktere entwickeln sich weiter und noch unbekannte Darsteller werden überzeugend konzipiert.

Mac und Constance kämpfen beide darum menschlich zu bleiben, jeder muss dabei mit eigenen Dämonen kämpfen, sei es ein wirklicher Dämon, oder der Blutdurst, der einsetzen könnte, sollte Constance zu einer vollständigen Vampirin gewandelt werden.

Auch die aus dem ersten Teil bekannten Figuren Holly und Alessandro, tragen wieder zu dem Geschehen bei und nehmen wichtige Rollen ein. Besonders Alessandro lernt aus seinen Fehlern und wird anderen gegenüber offener und lässt einige Vorurteile irgendwann außer Acht.

Auch die Nebendarsteller und Widersacher sind ausreichend erklärt, die Motivation, die hinter diesen steht, ist erkennbar und für den Leser daher nachvollziehbar.
Überflüssige Charaktere gibt es hier nicht, ein jeder trägt zu der Geschichte bei.

Das Cover ist wieder ein echter Hingucker, mit metallischem Druck und einem größeren Format fällt es ins Auge. Die Gestaltung passt zu den Ereignissen, besonders interessant ist dabei der Hintergrund gewählt.

_Fazit_

Mit dem Roman „Vampirdämmerung“ hat die Autorin eine hervorragende Fortsetzung zum ersten Teil der „Dark Magic“-Serie „Hexenlicht“ vorgelegt. Dieses Buch aus der Hand zu legen, dürfte den Lesern schwerfallen, zu sehr ist man dabei an die Geschichte gefesselt.

Wieder schafft es Sharon Ashwood, den Leser mir düsterer Spannung, einer ordentlichen Portion Humor und einer sinnlichen Lovestory zu unterhalten und zu begeistern. Ihre Mischung aus sympathischen Figuren, geheimnisvollen Schauplätzen und einem reizvollen Plot kann nur weiterempfohlen werden.

Bei dieser Autorin kann der Leser sich nach „Vampirdämmerung“ schon auf den 07. Juni 2011 freuen, wenn es mit „Seelenkuss“ weitergeht.

_Autorin_

Sharon Ashwood lebt in der kanadischen Provinz British Columbia und arbeitet seit ihrem Universitätsabschluss in Englischer Literatur als freie Schriftstellerin und Journalistin. Schon als Kind war sie an Mythen und Märchen interessiert. Heute setzt die Autorin ihre Faszination für alles Seltsame, Unheimliche und Phantastische in erfolgreichen Romantic-Fantasy-Romanen um. Mehr Informationen im Internet unter: www.sharonashwood.com (Verlagsinfo)

|Gebundene Ausgabe: 496 Seiten
Verlag: Knaur HC (10. Januar 2011)
ISBN-13: 978-3426652442
Originaltitel: Scorched|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de

[Leseprobe]http://www.droemer-knaur.de/livebook/LP__978-3-426-65244-2/index.html

Ulrike Schweikert – Das Antlitz der Ehre

Nach „Die Dirne und der Bischof“ folgt nun der zweite Teil um die Geschichte der Elisabeth, die Tochter, dem Bankert des Fürstbischofs Johnann II von Brunn zu Würzburg.

_Inhalt_

Würzburg 1430: Nach dem Mordanschlag auf Elisabeth, ihrer Amnesie und der Zeit, die sie als Dirne in einem „Frauenhaus“ ihren Körper verkaufte, ist die junge Frau eine förmlich andere geworden. Ihr gesamtes Weltbild, gerade die der sozialen Stellung einer Frau ist deutlich ins Wanken gekommen. Elisabeth, die nun Entbehrungen, Hunger und das Gefühl, ausgeliefert zu sein kennt, zeigt nun viel mehr Verständnis für die Frauen, die sie bisher keines Blickes gewürdigt hat.

Jeglichen Hang zu Luxusgütern, schönen Kleidern und ein sorgenfreies Leben, das sie als des Bischofs Tochter kennen- und auch lieben gelernt hat, sieht sie nun aus einer ganz anderen Perspektive. Doch die Zeit als „Dirne“ hat auch noch andere Spuren hinterlassen. Spuren, die ihr Innerstes selbst berühren und sie nicht zur Ruhe kommen lassen.

Ihren Verlobten Albrecht von Wertheim hat sich Elisabeth noch nicht anvertraut. Er würde dies nicht nachvollziehen können und würde sich wahrscheinlich voller Ekel von ihr distanzieren. Es scheint, als hätte sich die ganze Welt gegen sie verschworen, denn auch ihr Vater verliert an Macht und Einfluss.

Fürstbischoff Johnann II. von Brunn wird abgesetzt und muss seinen Sitz, die Marienburg, und sein Amt aufgeben. Die Stadt Würzburg hatte genug von dem verschwenderischen Lebensstil seines Kirchenfürsten und handelte dementsprechend konsequent. Zu hoch waren die Schuldenlast und die Anzahl der Verpfändungen, sodass auch das Bistum in der Kritik stand.

Doch der Schein trügt, denn nun entbrennt ein gnadenloser Kampf um die Macht in der Region und Elisabeth wird ein wichtiger Spielball zwischen den Kontrahenten. Neben den Kirchen- den Landes- und noch viel wichtiger, den persönlichen Interessen steht sie zwischen ihrem Verlobten Albrecht, etwaigen Nachfolgern und ihrem eigenen Vater. Von seinem Exil auf Burg Zabelstein aus, plant der ehemals mächtige und noch immer sehr einflussreiche Bischof seine nächsten Schritte. Und das Schicksal seiner eigenen Tochter in seiner Hand, kann für seine politischen Ränkeschmiede von hohem Wert sein …

_Kritik_

„Das Antlitz der Ehre“ von Ulrike Schweikert ist ebenfalls im Verlag blanvalet erschienen.
Die Autorin, die enorm viel Wertt auf gute Recherchearbeit legt, gerade in einem historischen Roman, ist hier wieder einmal betont zu loben. Fakten und Fiktion um den lebens- und wahrscheinlich sehr weltlichen und liebeshungrigen Bischoff Johann II. von Brunn, erzählt sie hier geschickt und mit viel Präzision, was die politischen Konflikte angeht. Und genau diese politischen Intrigen sind der größte Schwachpunkt in diesem Roman.

„Das Antlitz der Ehre“ ist bei Weitem leider nicht so spannend wie bei „Die Dirne und der Bischof“, in der Elisabeth die Hauptrolle spielte und in der die Autorin eine facettenreiche und vielseitige Welt beschrieb. Allein die Konzeption der Charaktere wird hier nur eindimensional und farblos geschildert. Johann II. von Brunn hebt sich aber hier deutlich von den anderen ab. Eigentlich geht es hier nur um Politik, um Einfluss und Macht, sodass Elisabeth und selbst ihr Verlobter nichts anderes sind, als wichtige, aber durchaus austauschbare Figuren auf einem Schachbrett.

„Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“, ein Credo, das für Johann II. von Brunn längst schon zum Lebensmotto und -inhalt geworden ist. Elisabeth transformiert allerdings zu einer Randfigur in diesem Politikum, sicherlich ist sie sich im Grunde selbst treu geblieben, aber der Macht der einflussreichen Fürsten kann sie nichts entgegensetzen und von Durchsetzen reden wir an dieser Stelle erst gar nicht.

Der Leser wird schon nach wenigen Seiten feststellen, dass der Band viel schwächer ist, als der erste. Die Richtung dieser Geschichte ist schnell erkannt und in den vielen Dialogen geht es immer nur um die Macht in der Stadt Würzburg. Vom gesellschaftlichen und sozialen Leben einer Frau im Mittelalter bekommt man geradezu nichts mit. Konflikte hin oder her – Spannung sieht anders aus, die sucht man hier leider vergebens. Auch sollte man nicht zu „Das Antlitz der Ehre“ greifen, ohne den ersten Band „Die Dirne und der Bischof“ gelesen zu haben. Die Charaktere sind komplex, zudem natürlich noch die gewissen Abhängigkeiten hier eine große Rolle spielen, und ohne eine gewisse Vorkenntnis bleibt sonst vieles unbeantwortet auf der Strecke.

Zu loben allerdings ist die bildliche und gute Sprache der Autorin, die einfach und plastisch erzählt, auch wenn sie sich hier manchmal richtiggehend verrennt. Im Epilog und im Kapitel: Dichtung und Wahrheit – erklärt die Autorin die historischen Hintergründe, sodass diese mit der Kombination des Glossars und einer abschließenden Danksagung ein professionelles Ende findet.

_Fazit_

Historische Romane sollen unterhalten, sicherlich kann auch Politik unterhaltsam erzählt werden, doch leider verliert Frau Ulrike Schweikert mit der Figur ihrer Elisabeth ihre spannende Präsenz in dem Titel.

Die junge Frau wirkt hilflos, deplatziert und ist einfach eine Statistin, in einem perfiden Spiel um die politische Macht in Würzburg. „Das Antlitz der Ehre“ hätte ein eigenständiger Roman werden sollen, ohne eine Protagonistin, die hier überflüssig ist, denn die Persönlichkeit des Bischofs, glaubt man der Autorin und den historischen Fakten, gibt genug Potenzial für ein spannendes politisches Drama.

Dass Ulrike Schweikert eine sehr gute Autorin ist, die zweifelsfrei ihre Heldinnen spannende Abenteuer und Dramen bestehen lässt, steht außer Frage. Auch wenn dieser Roman der schwächste war, den ich bis dato gelesen habe, freue ich mich auf einen weiteren historischen Roman von ihr, den ich dann bestimmt gerne wieder lesen werde.

Die Erben der Nacht:

01 – „Nosferas“
02 – „Lycana“
03 – „Pyras“
04 – „Dracas“

Hardcover: 480 Seiten
ISBN-13: 978-3764503178
www.randomhouse.de/blanvalet

Terry Goodkind – Die Säulen der Schöpfung (Das Schwert der Wahrheit 7)

_Routine-Fantasy mit gutem Finale_

Eine junge Frau aus der Provinz macht sich mit einem Gefährten auf den Weg, um herauszufinden, wer sie ist. Daraufhin macht sie sich auf den Weg, den Tyrannen zu töten: Richard Rahl, den Helden der Serie „Das Schwert der Wahrheit“. Hoffentlich hat sie etwas missverstanden, sonst reißt nämlich Goodkinds Erfolgsserie nach zehn Jahren plötzlich ab.

_Der Autor_

Mit seinem mehrbändigen Zyklus um „Das Schwert der Wahrheit“, die er 1994 begann, hat sich der 1948 geborene Amerikaner Terry Goodkind in die erste Reihe der meistverdienenden Fantasyautoren geschrieben. Aus der Masse der High-Fantasy-Bücher heben sich seine Romane wie „Wizard’s First Rule“ oder „Stone of Tears“ durch eine nüchterne, wenn nicht sogar düstere moralische Vielschichtigkeit und durch Momente von Erfindungsreichtum – meist hinsichtlich unangenehmer Überraschungen – heraus.

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Goodkind, Terry – Reich des dunklen Herrschers, Das (Schwert der Wahrheit 14)

_Spannende Fantasy vom Meistererzähler_

Im 14. Roman um das Schwert der Wahrheit befindet sich das Reich D’Hara kurz vor der Invasion durch den Kaiser Jagang, dessen Imperiale Ordnung alle Personen gleichschalten will. Doch wo treibt sich der Herrscher D’Haras herum? Richard Rahl, der Träger des Schwertes der Wahrheit, stolpert mit seinem Gefolge durch die Wüste, wird Opfer von Überfällen und Giftanschlägen. Derweil geraten seine Verbündeten in die Hände seiner Widersacher. Es sieht gar nicht gut aus für die Guten …

_Der Autor_

Mit seinem mehrbändigen Zyklus um „Das Schwert der Wahrheit“, die er 1994 begann, hat sich der 1948 geborene Amerikaner Terry Goodkind in die erste Reihe der meistverdienenden Fantasyautoren geschrieben. Aus der Masse der High-Fantasy-Bücher heben sich seine Romane wie „Wizard’s First Rule“ oder „Stone of Tears“ durch eine nüchterne, wenn nicht sogar düstere moralische Vielschichtigkeit und durch Momente von Erfindungsreichtum – meist hinsichtlich unangenehmer Überraschungen – heraus.

Mit seinem mehrbändigen Zyklus um „Das Schwert der Wahrheit“, die er 1994 begann, hat sich der 1948 in Nebraska geborene Amerikaner Terry Goodkind in die erste Reihe der meistverdienenden Fantasyautoren geschrieben. Heute lebt er in Neuengland. Aus der Masse der High-Fantasy-Bücher heben sich seine Romane wie „Wizard’s First Rule“ oder „Stone of Tears“ durch eine nüchterne, wenn nicht sogar düstere moralische Vielschichtigkeit und durch Momente von Erfindungsreichtum – meist hinsichtlich unangenehmer Überraschungen – heraus.

|Das Schwert der Wahrheit|:

Band 1: „Das erste Gesetz der Magie („Wizard’s First Rule 1“)
Band 2: [„Der Schatten des Magiers („Wizard’s First Rule 2“)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1179
Band 3: „Die Schwestern des Lichts („Stone of Tears 1“)
Band 4: „Der Palast des Propheten („Stone of Tears 2“)
Band 5: „Die Günstlinge der Unterwelt („Blood of the Fold 1“)
Band 6: „Die Dämonen des Gestern („Blood of the Fold 2“)
Band 7: „Die Nächte des roten Mondes („Temple of Winds 1“)
Band 8: „Der Tempel der vier Winde („Temple of Winds 2“)
Band 9: „Die Burg der Zauberer („Soul of Fire 1“)
Band 10: „Die Seele des Feuers („Soul of Fire 2“)
Band 11: „Schwester der Finsternis („Faith of the Fallen 1“)
Band 12: „Der Palast des Kaisers („Faith of the Fallen 2“)
Band 13: „Die Säulen der Schöpfung („The Pillars of Creation“)
Band 14: „Das Reich des dunklen Herrschers“ („Naked Empire“)
Band 15: „Die Magie der Erinnerung“ („Chainfire“)
Band 16: „Am Ende der Welten“ („Phantom“)
Band 17: „Konfessor“ („Confessor“]

„Das Verhängnis der Schuld“ – Die Vorgeschichte von „Das Schwert der Wahrheit“

_Vorgeschichte_

Im ersten Band, „Wizard’s First Rule“ („Der Schatten des Magiers“, 1994), gerät der Serienheld Richard, ein bis dahin unscheinbarer Provinzjüngling, in den Sog größerer Ereignisse, als sein Ziehvater ermordet und er selbst von menschlichen und nichtmenschlichen Agenten verfolgt wird, die der dunkle Herrscher Darken Rahl gegen ihn ausgesandt hat. Im Verlauf seiner Quest, um diesen Gefahren zu begegnen, erlebt Richard sowohl größtes Leid als auch größte Liebe: Er verliebt sich in die wunderschöne Kahlan, mit der er noch in „Säulen der Schöpfung“ zusammen ist.

Im zweiten Band muss Richard die magischen Konsequenzen, die sich aus seinem Sieg über Darken Rahl ergeben haben, wieder ausbügeln, doch zeigt sich, dass dafür ein hoher Preis zu bezahlen ist. Das Universum, in dem die Romane um das „Schwert der Wahrheit“ spielen, basiert nämlich auf verschiedenen Balancen aus polaren Gegengewichten: Leben und Tod, Gut und Böse, Schöpfer (Gott) und Hüter (der Widersacher), Schwestern des Lichts und Schwestern der Finsternis.

Diese manichäische Welt ist auch die Grundlage für „Säulen der Schöpfung“, doch nun tritt ein interessantes neues Element auf: Menschen, die für Magie unempfänglich sind. Sie sind „Lücken in der Schöpfung“. „Das Reich des dunklen Herrschers“ schließt nahtlos an „Die Säulen der Schöpfung“ an.

_Handlung_

Richard Rahl, der Sucher und der Träger des Schwertes der Wahrheit, Herrscher von D’Hara, schleppt sich mit seinem Gefolge durch die Wüste. Seine Gefolge besteht aus der geliebten Kahlan, der Konfessorin, Cara, einer Mord-Sith, die Richard mit ihrem Leben beschützt, Jennsen, eine für Magie unempfängliche Halbschwester Richards, und zwei männlichen Gefährten. Nach dem Zwischenfall bei den „Säulen der Schöpfung“ ist Richard auf der Hut, doch den Augen der Riesenkrähen, die über ihm kreisen, entgeht er nicht. Wer hat sie geschickt und wem berichten sie?

Ein seltsamer junger Mann, der sich Owen nennt, stolpert ebenfalls auf die wüste Ebene, doch er kommt aus den Bergen. Das mancht Richard misstrauisch, denn dort verläuft eine Grenze, die niemand übertreten darf. Doch wie es die Gastfreundschaft gebietet, gibt er Owen zu trinken. Owen bittet ihn, den Lord Rahl von D’Hara, seinem Volk zu helfen, denn es werde von Truppen der Imperialen Ordnung, die Kaiser Jagang dienen, unterjocht. Doch Richard will sich nicht aufhalten lassen, denn eben dieser Jagang greift auch die Pässe seines eigenen Reiches an.

Wenig später erhält er von einem Boten namens Sabar eine Nachricht von einer konvertierten Hexenmeisterin namens Nicci. Die Dinge stehen nicht gut in D’Hara, und sie gibt ihm vorsichtshalber eine magische Warnstatuette mit. Kaum zeigt sich deren Warnsignal, erfolgt auch schon der Angriff. Es sind 28 Krieger einer Spezialtruppe der Imperialen Ordnung. Richard, Kahlan und Cara können 27 davon töten, doch den letzten zwingt Kahlan durch ihre Konfessorinnenmagie unter ihren Willen, bis er alles tut, um ihr zu gefallen. Er berichtet, dass seine Spezialtruppe nur Richard und Kahlan gefangen nehmen sollte, damit sie zu einem Mann namens Nicholas der Schleifer gebracht würden.

Cara ertappt den seltsamen jungen Mann namens Owen erneut beim Anschleichen. Er sagt, er habe das Gegenmittel für das Gift, unter dessen Einfluss sich Richard krümmt und Blut erbricht. Nachdem ihm Kahlan das Gegengift verabreicht hat – es ist leider nicht genug, um länger als vier Wochen zu wirken -, berichtet Owen bereitwillig dem stets nach der Wahrheit suchenden Richard.

Owen gehört dem friedliebenden Volk des Landes Bandakar, wurde aber verbannt. Das Besondere an seinem Volk: Seine Angehörigen sind alle nicht für Magie empfänglich, ihre Vorväter wurden vor 3000 Jahren in eine abgeschiedene, magisch verborgene Region hinter den nahen Bergen verbannt. Doch Kahlan hob diese magische Schutzbarriere aus gewissen Notwendigkeiten heraus auf. In der Folge konnten Truppen der Imperialen Ordnung in Bandakar eindringen, alle gebärfähigen Frauen zu Zuchtzwecken verschleppen und alle kräftigen Männer versklaven.

Die wenigen Rebellen, denen sich Owen anschloss, wurden, fing man sie ein, schwer bestraft. Doch dann kam ein Mann, der für den Kaiser Informationen sammelte. Er werde Nicholas der Schleifer genannt, berichtet Owen. Wir wir erfahren, ist ein „Schleifer“ ein Magiebegabter, der einem Lebenden die Seele entreißen und sie zu seinen Zwecken missbrauchen kann. Nicholas schickt Richard die Riesenkrähen und die Spezialkommandos auf den Hals, um Richard zu töten und die Mutter Konfessor Kahlan zu seinem Sexspielzeug zu machen. Für diese beiden Trophäen will Nicholas von Jagang mit dem Reich D’Hara belohnt werden. Ob das klappt?

|Zedds Schicksal|

Unterdessen fällt die Burg der Zauberer, jedoch nicht vor dem Ansturm eines Heeres, sondern durch eine kleine Kommandotruppe, die aus Magie-Unempfänglichen gebildet wird. Folglich nützen Zedd, dem Obermagier, seine magischen Alarmsignale nichts. Ein Halsring fesselt die Quelle seiner magischen Kraft, und er ist einer Hexenmeisterin hilflos ausgeliefert. Strackts bringt man ihn zum Kaiser. Der Traumwandler wird schon Verwendung für einen Ex-Obermagier haben ….

|Im Palast des Volkes |

Auch die Prälatin der Schwestern des Lichts, die knapp tausend Jahre alte Annalina, fällt in die Hände eines Feindes. Unvorsichtigerweise hat sie sich in die Höhle des Löwen begeben: in den Palast des Volkes, wo seit jeher ein Lord Rahl zu herrschen pflegt. Doch das Design der Architektur des Palastes ist ein Bannspruch, der die Magie der Rahls stärkt, gleichzeitig aber die Magie anderer Sterblicher schwächt. Sie erkennt die Gefahr zu spät und von Mord-Sith verhaftet und in ein tiefes Verlies gesperrt. Es ist jedoch durchaus ein Rahl, dem sie nun gehört, allerdings nicht Richard, sondern Nathan – der Prophet. Und er weiß genau, was sie nun zu tun versuchen wird …

|Nach Bandakar |

Richard Rahl sieht sich gezwungen, Bandakar vom Joch der Imperialen Ordnung zu befreien, um das Gegenmittel zu Owens Gift zu bekommen. Doch auf diesem Weg läuft er genau in jene Falle, die Nicholas der Schleifer für ihn aufgestellt hat.

_Mein Eindruck_

Ich habe von diesem 14. Roman aus der Reihe „Das Schwert der Wahrheit“ das Schlimmste erwartet. Umso angenehmer war meine Überraschung, als sich die Spannung, nach einem langsamen Mittelteil, bis zu einem actionreichen Maximum steigerte. Der Mittelteil dient lediglich dazu, beim Leser eine andauernde Beklemmung auszulösen, denn Richard verliert zunehmend seine magische Gabe, zudem machen sich die Folgen der Vergiftung durch Owen immer heftiger bemerkbar. Hängt das eine mit dem anderen zusammen? Richard befürchtet es.

Und der Leser muss zunehmend um das Leben seines Lieblingshelden bangen. Der Leser wird dabei vertreten durch Kahlan, die Richard wie ihr eigenes Leben liebt und alles für ihn täte – und es schließlich auch tun muss, als Nicholas der Schleifer es verlangt. Dass auch Cara und Jennsen um ihn bangen, versteht sich von selbst, aber sie bringen nicht das Opfer, zu dem Kahlan bereit ist: ihr Leben.

Bevor der Knoten dieser Beklemmung platzt, fügt der Autor, als wäre dies noch nicht genug, ein weiteres retardierendes Element ein. Wie soll Bandakar befreit werden, wenn nicht durch seine Rebellen? Doch erstens sind das nur lumpige 50 Mann und zweitens wurden sie zeit ihres Lebens zu Pazifisten erzogen, die Gewalt, Töten und Krieg grundsätzlich ablehnen. Daher muss Richard sie in einem langwierigen Prozess, der einer Gehirnwäsche gleichkommt, umpolen. Gut, dass er das „Buch der Prophezeiungen“ über diese „Säulen der Schöpfung“ gelesen hat. So kann er ihnen erklären, wer sie sind: ein vor 3000 Jahren zu Unrecht verbanntes Volk von Menschen, die (wie die Juden im Dritten Reich) selektiert, deportiert und wie in einem riesiges KZ eingepfercht wurden. Die Statue des dafür verantwortlichen Zauberers Kara-Jang ist der richtige Ort für diese Rede.

Diese Wahrheit ist ein echter Schocker, reicht aber noch nicht, um sie zum bewaffneten Kampf zu motivieren. Daher muss ihnen Richard eine viele Seiten lange Rede über die Natur des Bösen und die Pflicht, es zu bekämpfen, halten, die ihn völlig erschöpft. Doch hätte er diesen Rat selbst beherzigt, dann wäre die eigene magische Gabe wieder zu ihm zurückgekehrt. Ach ja: die Magie. Was soll das überhaupt sein, fragen die Bandarakaner. Und das ist gar nicht so einfach zu demonstrieren. Wieder kostet es ihn Kraft. Es grenzt an eine Wunder, dass sich Richard überhaupt noch nach Bandakar schleppen kann.

Doch dann geht die Post ab, und es ist, als wäre ein Knoten geplatzt: Es folgen fast 200 Seiten Non-stop-Action – nicht nur in Bandakar, sondern auch in Jagangs Heerlager, wo Zauberer Zedd um sein Leben bangen muss. Gewisse Momente, an denen die Kavallerie in letzter Sekunde erscheint, erhöhen die emotionale Achterbahnfahrt dieses furiosen Finales.

Ganz besonders gefiel mir jedoch ein bestimmter Trick, den der Autor einsetzt. Dem Leser und der Hauptfigur ein Rätsel aufzugeben und es dann über viele Seiten hinweg nicht zu lösen, ist zwar der älteste Kniff im Buch, aber er ist nichtsdestotrotz einer der wirkungsvollsten. Die Frage lautet ganz einfach: Woher weiß Nicholas immer so genau, welche Pläne Richard verfolgt und wo er sich befindet? Die Antwort wird nie gegeben, aber der Leser kann es sich nach ein paar Perspektivenwechsel zusammenreimen – und hat so einen wunderbaren Aha-Moment. Erst nach dieser Erleuchtung ist er nicht mehr völlig von den Socken, wenn Richard im Privatzimmer von Nicholas auftaucht, um „hallo“ zu sagen.

|Die Übersetzung|

Caspar Holz bildet die Diktion des Originals recht getreu ab – zu getreu für meinen Geschmack, aber das ist Ansichtssache. Ein ziemlich nervendes Stilmerkmal Goodkinds sind nämlich a) ellenlange vor ein Substantiv geschobene Adjektivkonstruktionen (Q.E.D.) und b) Einschübe, die eine Satzkonstruktion zwar nicht auseinanderreißen, aber doch komplizierter machen als nötig.

Druckfehler gibt es natürlich, wie in fast jedem Taschenbuch, massenhaft. Aber es gibt ein paar besonders Schlimme. Auf Seite 75 heißt es unten auf einmal „scheidend“ statt „schneidend“, wenn es um eine Stimme geht. Auf Seite 100 heißt es unten „in freundlichen, kontrastieren Tönen“, doch es müsste korrekt natürlich „in … kontrastierenden Tönen“ heißen. Und so weiter und so fort.

_Unterm Strich_

Endlich werden die Goodkind-Romane nicht mehr in zwei Teile aufgespalten! Das ist eine wahre Wohltat für den deutschen Leser. Dafür fängt nun der Verlag an, die alten halbierten Romane wieder zusammenzufügen und erneut zu günstigen Preisen auf den Markt zu werfen. Das ist reine Geldmacherei, aber ich bin sicher, Blanvalet alias Bertelsmann betrachtet dies als gutes Marketing.

Wie auch immer: Dies war jedenfalls ein nach langer Durststrecke wieder mal ein sehr guter Goodkind. Die verschachtelte Struktur mit (mindestens!) drei Handlungssträngen ist man ja von ihm gewöhnt, und so kann es nicht verwundern, dass die Szenen ständig wechseln. Das ist aber nicht so wild, wie es klingt. Im letzten Drittel, also auf nicht weniger als 200 Seiten, steigert sich die Spannung mit der Action zu einem langen Finale mit mehrfachen Höhepunkten, sodass der Leser aus dem Nägelkauen kaum herauskommt. Die Episode in Bandakar ist keineswegs unnötig, denn Richard, die Hauptfigur, lernt eine sehr wichtige Lektion. Erst dann ist er dazu in der Lage, es mit seinem größten Widersacher, Kaiser Jagang und seinen „Schwestern der Finsternis“, aufzunehmen.

Das Titelbild und der deutsche Titel haben herzlich wenig mit dem Inhalt des Romans zu tun. Die antike Seeschlacht, die auf dem Cover zu sehen ist, ist dermaßen weit hergeholt, dass ich nur den Kopf schütteln kann. Davon soll sich der Leser aber nicht abschrecken lassen, denn mit dem Roman kommt er auf jeden Fall voll auf seine Kosten, wenn es um spannende und actionreiche Fantasy geht – und das betrifft auch weibliche Leser, denn Richards Frau Kahlan gerät ebenfalls in höchste Gefahr. Lediglich die Predigt über die Natur des Bösen und die Pflicht, ihm entgegenzutreten, finde ich bedenklich, aber ein Amerikaner ist diesbezüglich sicher anderer Meinung als ein Europäer.

|Hardcover: 607 Seiten
Originaltitel: Naked Empire (2003)
Aus dem US-Englischen übersetzt von Caspar Holz
ISBN-13: 978-3809024934|
[www.randomhouse.de/limes]http://www.randomhouse.de/limes

Iain Banks – Welten

Science-Fiction-Romane erscheinen selten bis nie zwischen echten Pappdeckeln, doch um vom Kuchen überhöhter Buchpreise etwas abzuzwacken, verlegen sich die Verlage bei den Erstausgaben bekannter Autoren vermehrt darauf, sie in Form der sogenannten „Tradepaberbacks“ zu produzieren. Die Bücher erhalten dadurch die Maße und Ausmaße eines Hardcovers, ohne mit ihrem Inhalt diesem Umfang gerecht zu werden – die Täuschung des Kunden, der hier ein unhandliches Taschenbuch in Übergröße teuer bezahlen muss. Iain Banks‘ Romane eignen sich besonders für diese Art der Veröffentlichung, da man von ihm traditionell dicke und umfangreiche Romane erwartet. So hält sich die Augenwischerei in Grenzen.

Obwohl er sich mit der Space Opera „Der Algebraist“ in faszinierender Weise ein neues Universum schuf, kehrte er mit „Die Sphären“ in seine KULTUR zurück, konnte damit aber nicht überzeugen. Sein vorliegender neuester Roman entfaltet trotzdem nicht neue Facetten des Algebrauniversums, sondern entwirft erneut was eigenständiges, das zusammenhangslos in dem Kosmos Banks’scher Erzählungen steht. Trotz seines augenscheinlichen, paperbackinduzierten Umfangs ein schneller, intensiver Roman ohne die typischen ausufernden Längen Banks’schen Erzählstils.

Der Mann, dessen wahrscheinlichster und gebräuchlichster Name Temudschin Oh ist, hat ein besonderes Talent: Er kann mit Hilfe einer Droge zwischen den unendlichen Realitäten der Erde wechseln, in die Körper ausgesuchter Personen springen und dort eigenständig handeln. So erfüllt er im Auftrag des Konzerns (einer realitätsumfassenden Organisation) verschiedene Aufträge, deren Erfüllung Einfluss auf die Entwicklung der jeweiligen Realität nimmt und sie positiv lenkt. So denkt er.

Im Hintergrund arbeiten jedoch Strippenzieher, die neben der persönlichen Macht und Unsterblichkeit auch andere, den Forscherdrang der Menschen unterdrückende Ziele verfolgen und Temudschin und seinesgleichen für ihre Zwecke benutzen. Bis Tem eines Tages neue Talente entdeckt, die ihn der Kontrolle des Konzerns entziehen …

Adrian Cubbish hat offenbar gerade eine Glückssträhne: Er steigt vom gerissenen Drogendealer zu einem der mächtigsten Finanzmanager der Welt auf. Doch als sich ihm seine Mittelsmänner offenbaren, kann er es kaum glauben. Denn es gibt neben unserer Realität noch eine Vielzahl weiterer Welten, die von einem mächtigen Konsortium überwacht werden. Ehe sich Adrian versieht, ist er in ein weitreichendes Komplott zwischen diesen Welten verstrickt – und nicht nur sein Leben, sondern unsere gesamte Realität steht auf dem Spiel …
(Verlagsinfo)

Und wieder ein Beispiel für das ungeschickte Händchen, mit dem die Heyne-Redaktion die Klappentexte ihrer Romane gestaltet. Der erwähnte Adrian ist nicht viel mehr als eine Nebenfigur, die weder großen Einfluss auf die Geschichte nimmt, noch die im Klappentext suggerierte Erkenntnis der Zusammenhänge erlangt. Vielmehr thematisiert die Geschichte Intrigen, Machtgelüste, Geschlechtsverkehr in allen möglichen Spielarten, Folter, Solipsismus und Mord sowie den kleinen Menschen, der zwischen den Fronten steht und außergewöhnliche Leistungen erbringen muss, um nicht zerquetscht zu werden.

Banks nutzt in bisher unbekannter Ausführlichkeit sexuelle Begegnungen als erzählerische Untermalung für signifikante Dialoge, Stützpfeiler der Erzählung und Entwicklungs- und Wendepunkte. Selten sitzen die Entscheidungsträger und Protagonisten im stillen Kämmerlein zur Besprechung, sondern ergehen sich meist in ausschweifenden, durch die Realitätswechsel teils spektakulären Sexspielen, während ihre Unterhaltungen die Geheimnisse der Geschichte zu entschleiern suchen. Ob damit die Charaktere glaubwürdig geschildert werden, mag strittig sein, doch bezieht sich Banks dabei meist auf Temudschin Oh, der dadurch ja eine gewisse Charakterisierung erhält, die scheinbar auf beiden Seiten der Gegner bekannt ist und ausgenutzt werden soll. Andererseits erzählen sich die Figuren auch von ihren Erfolgen, die sie per Sex (in Hinsicht auf die Weltenwechsel) erzielten, sodass es ein Charakterzug des Konzerns wird und damit übertragbar auf jeden Angehörigen.

Banks zeigt aber mit den beiden wichtigsten Methoden zur Erzeugung starker Gefühle (Sex und Folter), wie in der Geschichte der Realitätswechsel funktioniert und beschreibt dadurch glaubwürdig, dass für dieses Talent die stärksten Gefühle nötig sind. Damit gewinnt der allgegenwärtige Sex eine neue Bedeutung, er ist quasi ein Resultat, eine logische Folge und Bedingung des Grundgedankens von „Welten“, denn wer würde sich für die andere Methode des induzierten Weltenwechsels entscheiden, wenn man es auch so kann?

Der Roman bewegt sich auf einigen unterschiedlichen Ebenen, die im ständigen Wechsel eine fast kaleidoskopische Reise durch die Erzählung darstellen und den Leser erstens rasch und intensiv in sich hinein ziehen (quasi den Realitätswechsel für uns erzeugen), zweitens von ihm auch geistige Beweglichkeit und Zusammenhangsgefühl fordern. So schleudert Banks den Leser zwischen den Ebenen hin und her und man kann nicht genau festlegen, auf welcher sich die Fäden endlich verbinden, um die Geschichte zum nötigen Zentrum zu leiten.

Es bleibt also überall gleichermaßen spannend und fordert beim Leser mehr Konzentration, um die oft angedeuteten Verbindungen zu erfassen und richtig einzuordnen. Gerade zum Ende muss man sich der Anfänge neuerlich gewärtig sein.

Während sich alles gut aus der Geschichte entwickelt, wirkt eine Figur fast wie ein Deus ex machina: die übermächtige, Realitäten kontrollierende und darüber verrückte Entität Bisquitine, derer sich der Konzern bedienen will, ohne die Folgen überblicken zu können. Zwar bemüht sich Banks um eine Einführung und man könnte sie als Produkt geheimer Forschungen sehen, doch in ihrer Wirkung drängt sich der leichte Verdacht einer Notlösung auf. Zum Glück gewinnt die Geschichte dadurch noch eine gute Seite: Sie lässt den Protagonisten nicht als Superhelden da stehen, sondern relativiert seine Talente wieder.

Trotz manchen abschreckender Dicke und unnütz aufgeblähtem Format als Tradepaperback einer der wertvollsten phantastischen Romane des Jahres. Banks hält seine Ausführlichkeit im Zaum zu Gunsten einer komplexen, faszinierenden Weltenschöpfung und intensiver Unterhaltung – eigenständig, einbändig und abgeschlossen.

Taschenbuch: 560 Seiten
ISBN-13: 978-3453527102
Originaltitel: Transition
Deutsch von Friedrich Mader

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Arthur, Robert (Buch); Francis H.G. (Adaption) – Die drei ??? und der seltsame Wecker (Hörspiel – Folge 12)

Bald feiert man 50jähriges Jubiläum bei einer der wohl ältesten, immer noch fortgeführten Jugendserien überhaupt. Bekannt wurden die „Drei ???“ hierzulande aber erst durch die Hörspieladaptionen des |EUROPA|-Studios in den späten Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts. Von da an war der Erfolgskurs gesetzt und nur selten mussten Klippen umschifft werden. „Der seltsame Wecker“ wurde 1980 vertont und ging als Folge 12 an den Start. 2009 erlebte er seinen zweiten Frühling, als das inzwischen berühmte sowie kultige Hörspiel-Ensemble mit diesem Fall auf groß inszenierte Live-Tour ging. Das Original ist da doch wesentlich bescheidener gestrickt.

_Zur Story_

Ein dubioser Wecker, aus einer Kiste mit anderem Trödelkram stammend, erweckt Justus‘ Interesse. Er lässt als Weckton nämlich nicht etwa ein Klingeln, Rasseln oder gar Beethovens Neunte, sondern einen grausigen Schrei erschallen. Dazu noch ein Brief mit einem sehr seltsamen Rätsel, in welchem ein gewisser Rex aufgefordert wird, sich auf die Suche nach irgendetwas zu begeben. Ein gefundenes Fressen für die Jugenddetektei „Die drei ???“, denn wer lässt sich so etwas Schräges bloß einfallen? OK, wir befinden uns schließlich in Kalifornien und gar nicht so weit weg von Los Angeles, sprich: Hollywood – und ein Teil der Lösung hat entfernt sogar mit dem Umfeld der amerikanischen Traumfabrik zu tun. Doch zunächst gilt es heraus zu finden, wer so ein verrücktes Teil baut.

Es gelingt tatsächlich, den Uhrmacher des vermeintlich seltenen Stücks zu ermitteln und einen Namen zu bekommen: Clock. Dabei stellt sich heraus, dass dieser Kunde mit dem zum offensichtlichen Uhren-Tick passenden Namen nicht nur diese eine Sonderanfertigung bei ihm in Auftrag gab. Die Spur führt weiter zu Alfred Hitchcock, Mentor und Förderer der Jungs, der zu berichten weiß, dass er sowohl den Schrei als auch Bert Clock sehr wohl kenne, der ist früher einmal ein gefragter Mann beim Hörfunk gewesen, wo er als Spezialist fürs Schreien zur Untermalung von Hörspielen tätig war. Er hat sich schon vor geraumer Zeit aus dem Business zurück gezogen, doch eine Adresse hat der Altmeister immerhin zu bieten.

Dort kennt man allerdings niemanden diesen Namens. Lediglich die Haushälterin Smith und ihr Sohn Harry bewohnen das Haus, das einem Mr Hadley gehört. Dieser ist jedoch schon vor Längerem Hals über Kopf nach Südamerika abgezischt – wo er kürzlich verstarb. Die Fakten sprechen eindeutig dafür, dass es sich dabei in der Tat um Bert Clock handelte. Kurz nach seiner Flucht wurde seinerzeit eine Razzia im Haus veranstaltet und dabei Harrys Vater – bis dato ein braver, unbescholtener Versicherungsvertreter – verhaftet. Nach einem Indizienprozess kam er für einen Kunstdiebstahl hinter Gitter, den er stets beteuerte nicht begangen zu haben. Die drei Fragezeichen müssen gut kombinieren, um das Geheimnis des seltsamen Weckers zu lüften, die restliche Beute aufzuspüren und somit einen Unschuldigen zu rehabilitieren.

_Eindrücke_

Der markante Schrei des Weckers gleich zur Eröffnung dieses 1980 erschienenen Hörspiels gehört sicher zu den nennenswertesten Stil-Ikonen in der gesamten Reihe. Beigesteuert hat ihn die bis heute noch für die“Die-drei-???“-verantwortliche Regisseurin Heikedine Körting. Die Buchvorlage stammt noch vom Erfinder der „Three Investigators“ (so der Originaltitel der Serie aus den Sechzigern) selbst: Robert Arthur. Dessen in den Büchern so unverkennbare Handschrift wird in der Audiofassung leider ein wenig verwässert. Schuld daran ist maßgeblich die Technik. Damals war die Laufzeit auf LP/MC auf rund 45 Minuten begrenzt, was zwangsläufig immer teils erhebliche Kürzungen nach sich zog. SciFi-Autor (u.a. „Perry Rhodan“, „Commander Perkins“) und EUROPA-Drehbuchschreiber H.G. Francis hat dennoch eine spannende Kultfolge daraus gezaubert.

Dass die Hörspiele nicht in chronologisch korrekter Reihenfolge zu den Büchern vertont wurden, ist im Prinzip eigentlich vollkommen unerheblich, da die Fälle stets in sich abgeschlossene Episoden sind, welche nur sehr selten auf vorangegangene Bezug nehmen. Gelegentlich stößt man hier und dort doch auf ein paar Löcher in der Kontinuität. So kennt das Publikum seit der vermeintlichen Nummer 1 („Super-Papagei“ – eigentlich Band 2) Victor Hugenay schon, weshalb es den deutschen Hörer leicht verwundert, dass er den Dreien hier so seltsam fremd und distanziert erscheint – tatsächlich lernen sie den Meisterdieb nicht erst jetzt kennen. Der „Super-Papagei“ ist zeitlich auch bei den Büchern vor dem „seltsamen Wecker“ einzuordnen (Band 9), welcher bei |EUROPA| die Nummer 12 verpasst bekam.

Pace und Handlungsverlauf weichen vom Original ab und verleihen dem Hörspiel ein anderes Flair als dem Buch. Dass so Manches heute generell vielleicht anders laufen würde, dürfte niemanden wirklich stören und gehört zum nostalgischen Charme der erfolgreichen Jugendkrimireihe. Trotzdem funktioniert die Story mit den alten Patentrezepten der Serie, sprich: durch ein Rätsel angestoßene Schnitzeljagd, nicht nur gut, sie kommt auch trotz aller nötigen Kürzungen ohne Logikpatzer daher. Dass zudem eine Menge Interaktion zwischen den Figuren zu erwarten steht, wird bereits aus der recht umfangreichen Sprecherliste (mal wieder eine Gastrolle: Volker Brandt – die deutsche Stimme von Michael Douglas) ersichtlich. Die Leistungen der üblichen Verdächtigen – der Stimmbruch von Justus, Peter und Bob rückt übrigens merklich näher – sind wie immer tadellos und auch die Geräuschkulisse kann sich durchaus hören lassen.

_Fazit_

Ein geradlinig erzähltes und sauber produziertes Hörspiel aus den Anfangstagen der Serie, welches sich keine wirklich ankreidbaren Schwächen leistet. Die Story mag gegenüber der (noch besseren, weil ausgeklügelteren) Vorlage stark eingedampft worden sein, ihren Kern trifft sie aber immer noch. Somit darf sich dieser Fall, im besten Sinne ein Klassiker alter Schule, zu Recht als eine der Folgen mit erhöhtem Kultstatus schimpfen. Eine gute Wahl auch für Einsteiger, sei es als relativ puristische Version von 1980 (CD/MC/LP) oder als aufgebohrte „Live and Ticking“-Tour (DVD) von 2009. Der seltsame Wecker hat seit 30 Jahren einen festen Platz im Herzen der Fans. Verdient.

_Die Hörspieldaten auf einen Blick:_
Titel: „Die drei ??? und der seltsame Wecker“ – Folge 12
EUROPA (Sony Music), März 1980
Laufzeit: ca. 43 Minuten
Buchvorlage: Robert Arthur
Hörspieladaption: H.G. Francis
Produktion & Regie: Heikedine Körting
Musik: Brac, George, Stahlberg, Morgenstern, Zeiberts
Cover: Aiga Rasch

|Die Figuren und ihre Sprecher:|
Erzähler – Alfred Hitchcock: Peter Pasetti
Erster Detektiv – Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Zweiter Detektiv – Peter Shaw: Jens Wawrczeck
Recherchen & Archiv – Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Mr Felix: Karl-Ulrich Meves
Harry Smith: Marco Beddis
Mrs Smith: Maria Benders
Mrs King: Helga Bammert
Julie Taylor: Renate Pichler
Gerald Cramer: Volker Brandt
Gerald Watson: Werner Cartano [alias Werner van Thiel]
Victor Hugenay: Wolfgang Kubach [alias Albert Giro]
Mr Jenkins: Lothar Zibell
Carlos: Günter Heising [alias Hans-Werner Kuhn]
Martha Harris: Marga Maasberg
Hauptkommissar Reynolds: Horst Frank

Clarke, Arthur C. – 2001 – Odyssee im Weltraum (Lesung)

_Endlich im Hörbuch: HAL9000 und die Monolithen_

Dieser Roman erschien 1968 im gleichen Jahr wie der zugehörige Film von Stanley Kubrick. Aber die literarische Idee ist viel älter. Schon 1948 schrieb und 1951 veröffentlichte Clarke in seiner Kurzgeschichte „Der Wächter“ (|The Sentinel|) den Einfall, dass ein Sternenvolk der Menschheit zu Intelligenz verholfen habe und nach dem Ausgraben des Wächtersteins auf dem Mond erfahren würde, dass die Menschen die Raumfahrt entwickelt hätten. Ein Signal lockt eine Expedition zum Planeten Saturn, doch die Besatzung der „Discovery“ ist todgeweiht …

Dieses Hörbuch ist vollständig mit Fotos aus Stanley Kubricks Kultfilm ausgestattet.

_Der Autor_

Sir Arthur C. Clarke, geboren 1917 in England, lebte seit den fünfziger Jahren in Sri Lanka, wo er im Jahr 2008 starb. Seine besten und bekanntesten Werke sind „Die letzte Generation “ (|Childhood’s End|) und „2001 – Odyssee im Weltraum“. Ebenfalls empfehlenswert ist der Startband des RAMA-Zyklus‘: „Rendezvous mit 31/149“ (|Rendezvous with Rama|), von dem Morgan Freemans Filmproduktionsfirma seit Jahren eine Verfilmung vorbereitet. Übrigens erfand der Ingenieur Clarke schon 1947 das Konzept eines künstlichen Satelliten und später das eines Fahrstuhls in die Erdumlaufbahn. Clarke starb am 19. März 2008, also mit rund 90 Jahren.

Der |Odyssee|-Zyklus:

1) [„2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1510
2) „2010 – Das Jahr in dem wir Kontakt aufnehmen“ (1985)
3) „2061 – Odyssee III“ (1988)
4) „3001 – Die letzte Odyssee“ (1997)

Die |Zeit-Odyssee|-Romane, mit Stephen Baxter:

1) [„Die Zeit-Odyssee“ (|Time’s Eye|, 2004)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1496
2) [„Sonnensturm“ (|Sunstorm|, 2005)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2128
3) [„Wächter“ (|Firstborn|, 2008)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5870

_Der Sprecher_

Zu Wolfram Koch liefert das Hörbuch keine Informationen.

Regie führte Simon Jaspersen, den Ton nahm Martin Freitag auf.

_Handlung_

Am Anfang ist die Erde „wüst und leer“, wie es in der Genesis heißt. Schließlich ein Menschenaffe und seine wenigen Artgenossen, die als friedliche Pflanzenfresser neben Tapiren koexistieren (das wird sich ändern). Diese Sippe ist die von Alphamännchen Mond-Schauer. Die Menschenaffen verständigen sich zwar, aber Sprache würde man das nicht nennen. Eingesetzt wird diese Kommunikation aus Beschwichtigungs-, Droh- und Wutschreien besonders dann, als Mond-Schauers Sippe vom einzigen Wasserloch weit und breit verjagt wird und eine andere, wildere Sippe das Loch übernimmt.

Mond-Schauers Sippe ist ganz klar vom Aussterben bedroht, und die Angst vor dem nächsten Angriff des Leoparden beherrscht ihn. Am nächsten Morgen steht jedoch ein schwarzer Monolith von perfekter Glätte aufrecht vor ihm, den eine merkwürdige Aura umgibt. Dem anfänglichen Schrecken Mond-Schauers weicht die Berührung dieses unnatürlichen – und in der Tat außerirdischen – Objektes. Mond-Schauer und seine Leute wandeln sich von Menschenaffen zu Affenmenschen, insbesondere durch den Erwerb von Sprache. Plötzlich verfügen die Affenmenschen nämlich über ein Gedächtnis, das ihnen ermöglicht, in die Vergangenheit zu schauen und sich eine Zukunft vorzustellen.

Schon bald triumphiert Mond-Schauer über die Tapire, schmeckt Blut, isst Fleisch und besiegt die feindliche Sippe im Kampf um das Wasserloch, Brudermord inklusive. Die Geschichte der Menschheit ist offensichtlich eine Geschichte der Gewalt, des Mordens – und der dabei eingesetzten Technik. Mond-Schauer wirft sein Werkzeug des Sieges in die Luft, den Knochen. Aber ist es wirklich sein Sieg – oder der des Monolithen?

Drei Millionen Jahre später.

Dr. Heywood Floyd, ein führender Bürokrat der Nationalen Raumfahrtbehörde, befindet sich auf dem PanAm-Flug der Raumfähre „Orion 3“ zur halbfertigen Orbitalstation. Auf der Station schlendert Floyd nach dem Sicherheitscheck am Hilton-Hotel und Howard-Johnson-Restaurant vorbei, ruft seine Tochter an, wimmelt ein paar neugierige Russen ab und trifft endlich beim Anlass seines Besuchs hier ein: eine Sitzung der Verwalter der amerikanischen Zone des Mondes. Die Amis teilen sich die Mondverwaltung mit den Russen.

Man munkelt, auf dem Mond sei eine Epidemie ausgebrochen. Ist da was dran? Seltsame Dinge gehen auf Luna vor sich, und Floyd muss die Maßnahmen der Amis rechtfertigen: In seiner Rede erneuert er die Kontrolle, die seine Behörde ausübt, indem er die Tarngeschichte einer Epidemie und die Nachrichtensperre verteidigt. Aber warum das alles?

Floyd fliegt mit dem Mondtransporter „Aries“ und zwei Kollegen weiter. Das Ritual des Essens verbindet sie mit Mond-Schauers Sippe. Der Astro-Dom der amerikanischen Mondbasis öffnet sich wie eine Blüte. Der Weiterflug führt zum Krater Tycho, wo die Ursache des Aufruhrs und der supergeheime Anlass für Floyds Reise steht: Es ist eine weitere Ausgabe des schwarzen Monolithen.

Der erstaunliche Befund: Er wurde vor drei Millionen Jahren hier verbuddelt, von wem, weiß man nicht. Aber dies ist offensichtlich der erste Beweis für außerirdische Intelligenz, wie die Proportionen 1:4:9 beweisen. Floyd kann nicht umhin, es Mond-Schauer nachzumachen: Er muss das mysteriöse Objekt berühren. Dieses stößt nicht nur einen schrillen Pfeifton aus, sondern sendet zugleich ein starkes Radiosignal – zum Saturnmond Japetus. Der Monolith ist ein Wachposten. Wen oder was warnt er?

18 Monate später.

Die „Discovery“, ein knochenförmiges Raumschiff, fliegt am Jupiter vorbei und auf den Riesenplaneten Saturn zu, um auf dessen Mond Japetus den zweiten (eigentlich den dritten) Monolithen zu suchen. Die Startvorbereitungen waren natürlich wieder mal supergeheim, sodass die zwei wachen Piloten David Bowman und Frank Poole nicht ahnen, was sie dort sollen.

Lediglich die drei im Kälteschlaf eingesargten Wissenschaftler ahnen, was der wahre Grund ihrer Reise ist, denn sie sollen den Monolithen untersuchen. Der Einzige, der ihn ebenfalls kennt, ist kein Mensch, sondern ein „Elektronengehirn“, eine künstliche Intelligenz namens HAL-9000. Dem Paar der zwei wachen Piloten entspricht das Zwillingspaar der beiden HAL-9000s, dem an Bord der „Discovery“ und dem in Houston bei der NAC. Man ist auf Ausfallsicherheit und Kontrolle bedacht. Entsprechend technisch ist der Jargon, in dem man mit der Bodenstation kommuniziert.

Das nützt aber alles nichts, als HAL Dave Bowman bekanntgibt, dass in 72 Stunden ein Bauteil der Außenantenne zu 100 Prozent und mit absoluter Sicherheit ausfallen werde. Der Grund: „ein menschlicher Irrtum/Fehler“. Eine seltsame Begründung für einen neutralen Computer, der ständig seine Verpflichtetheit gegenüber der „Mission“ beteuert. HALs Zwilling kann die Prognose nicht bestätigen. Als auch Bowman an dem ausgebauten Bauteil keine Fehler finden kann und somit HAL widerlegt, überlegen er und Poole, HAL abzuschalten. HAL und ergreift Gegenmaßnahmen.

Beim Wiedereinbau des Bauteils kappt er mit Hilfe der Greifarme des Außenbordmoduls Pooles Luftschlauch, sodass der Astronaut nicht nur erstickt, sondern auch abtreibt. Als Nächsten nimmt er sich Bowman vor. Doch Dave ist gewitzter als Poole und versteckt sich in einer Luftkammer, wo er in einen Raumanzug schlüpft. Nachdem HAL auch die drei Wissenschaftler in ihren Kühlkammern getötet hat, macht sich Dave daran, die Speichermodule HALs zu entfernen.

Was HAL dem Kapitän nicht verraten darf, ist der wahre Grund der Expedition. Man zwang ihn zu lügen, und dieses Dilemma veranlasste ihn, die menschliche Crew zu eliminieren, um nicht als Lügner entlarvt zu werden und die Mission wie vorgesehen „erfolgreich“ zu Ende zu führen. Doch nach HALs „Tod“ bekommt es Dave mit dem Monolithen zu tun und entdeckt, was es damit auf sich hat: „Mein Gott, es ist voller Sterne!“

_Mein Eindruck_

Es wird sehr wenig geredet in diesem Hörbuch, und was geredet wird, ist oft nicht der Rede wert. Die Menschen des 21. Jahrhunderts haben verlernt, auf natürliche Weise zu kommunizieren. Sie verständigen sich durch Funksignale von der Missionskontrolle, abgespielte Filmaufnahmen mit Geburtstagsglückwünschen, einem Ferntelefonat. Falls es doch einmal zu einem Mensch-zu-Mensch-Gespräch kommen sollte, was Gott verhüten möge, so endet es an einer Mauer des Schweigens: Zuerst blockiert Heywood Floyd den Versuch des Russen ab, mehr über die „Epidemie“ auf dem Mond zu erfahren, dann vergattert er selbst seine Mitbürokraten zu Stillschweigen. Selbst Bowman und Poole dürfen nur funktionieren, wenn sie sich auf knappe Anfragen und Befehle beschränken. Sie haben keine Ahnung, was Sache ist.

|Mensch gegen Maschine|

Der unentrinnbare Konflikt zwischen Mensch und Technik bzw. Maschine beginnt schon mit dem Gebrauch des ersten Werkzeugs durch Mond-Schauer und endet erst, als Bowman HALs Speichermodule deaktiviert – der erste Mord an einem äffischen Rivalen findet sein Echo in einem letzten Mord an einer intelligenten Maschine. Sind die Monolithen gute oder böse Maschinenwesen? Und: Wo sind sie alle geblieben, wenn sie uns vor Urzeiten geholfen haben? Baxter zieht Parallelen zu Romanen von Gregory Benford (|Contact|-Zyklus) und Fred Saberhagen (|Berserker|-Zyklus), die Clarke erst in seinem letzten Odysssee-Roman, „3001 – Die letzte Odyssee“, weiterführt und abschließt (siehe meinen Bericht zum Original).

Zwischen den zwei Morden liegt ein Erwachen. Es beginnt, als Bowman auf der Brücke von HAL alle Luft entzogen wird. Er soll sterben wie sein Kollege Poole. Denn HAL hat ja den Menschen an sich als Störfaktor und Bedrohung der Mission ausgemacht. Der Mensch muss kämpfen oder aussterben, abgelöst durch eine Maschinen-Evolution. (Diese hat beispielsweise der Sciencefiction-Autor und Physiker Gregory Benford geschildert.)

Das Erwachen und der Mord an HAL führen Bowman zu einer weiteren Stufe seines evolutionierenden Bewusstseins. Weiterzukommen hilft ihm das Sternentor, das der schwarze Monolith bietet. Durch Stufen der Alterung und des Todes gelangt Bowman – als erster Vertreter der Menschheit – zu einem Neuanfang: Als Sternenkind. Erst jetzt ist der Mensch nicht mehr fremd im Kosmos, sondern ein Teil davon: Ein Sternenkind. Und als der Atomkrieg die Erde zu zerstören droht (wieder ein Sieg der Maschinen und Werkzeuge?), setzt Bowman seinen neu erworbenen Willen dazu ein, die schwebenden Bomben detonieren zu lassen, bevor sie Schaden anrichten können.

|Der Film|

Clarke lieferte mit der Story „The Sentinel“ (|Der Wachtposten|) aus dem Jahr 1948 die literarische Vorlage zu Kubricks Filmsymphonie in vier Sätzen, die ursprünglich „Journey beyond the stars“ heißen sollte. Sie wurde zwischen 1964 und 1968 für die damals astronomische Summe von 10,5 Millionen Dollar realisiert. Wobei 4,5 Millionen Dollar für die Spezialeffekte und Tricks verbraten wurden – was allerdings zu Kubricks einzigem OSCAR führte, immerhin. Clarke hat das detaillierte Treatment zu seinem gleichnamigen Roman ausgearbeitet, der in zahlreichen Punkten vom Film abweicht. Diese aufzuzählen, würde hier zu weit führen.

_Der Sprecher_

Wie oben schon angedeutet, bildet Sprache einen zentralen Aspekt für die Bedeutungsebenen dieser Geschichte. Die Sprachverwalter Floyd und Halversen, der Mondgouverneur, reden ja noch ganz manierlich, ebenso die beiden Piloten Frank Poole und Dave Bowman, wenn sie gerade keine technischen Arbeiten erledigen oder mit der Bodenkontrolle reden.

Aber daneben begegnet einem ständig ein funktionaler und entpersönlichter Sprachgebrauch, so etwa von der Flugbegleiterin an Bord des Shuttle „Orion 3“, aber natürlich auch von HAL9000 selbst. Die Sprache ist zu einem Werkzeug geworden, um andere Wesen zu manipulieren, so wie es Mond-Schauer von Anfang getan hat, instruiert vom Monolithen. Ist dies also der Preis der Evolution, oder gibt es noch etwas darüber Hinausweisendes, scheint der Autor zu fragen.

Der Sprecher vollzieht diesen unterschiedlichen Sprachgebrauch sehr deutlich nach. Mal klingt er heiter und freundlich, dann wieder mechanisch, monoton und abgehackt. Neben diesen zwei Sprachregistern gibt es ein drittes: Das des Erzählers. Dieser bestreitet während des letzten Aktes von Bowmans Reise und Evolution fast den gesamten Text, denn Bowmans Tagebucheinträge sind ziemlich kurz und sachlich.

Als Erzähler versucht der Sprecher dem Hörer die Aufgabe zu erleichtern, das Erzählte zu begreifen. Denn die Wunder, die Bowman nun erlebt, sind etwas völlig Neues. Dementsprechend langsam und deutlich spricht Wolfram Koch, ohne jedoch in weihevolles Pathos zu verfallen. Das hätte ich lächerlich gefunden. Der Grat, den Koch stilistisch wandelt, ist denkbar schmal, doch er entledigt sich seine Aufgabe sehr zufriedenstellend. Ich muss an keiner Stelle lachen oder die Stirn runzeln.

|Zusatzinformationen|

Der Einsteckkarten des Hörbuchs enthält Informationen über den Autor Clarke, aber nicht über den Sprecher Koch, was ich sehr schade finde. Für den Sammler empfiehlt sich das Hörbuch unter anderem durch seine Filmbilder, die heute wie Ikonen wirken und vielfach Dave Bowman zeigen. Weitere Informationen betreffen die Verantwortlichen seitens des Verlags.

_Unterm Strich_

Sobald man sich an Clarkes betulichen Tonfall aus den sechziger Jahren gewöhnt hat – er erklärt alle Geschehnisse ganz genau – macht es richtig Vergnügen, Dave Bowmans Odyssee zum Saturnmond Japetus und darüber hinaus zu folgen. Den Spekulationen des Autors über das, was der Monolith beabsichtigt, muss man nicht unbedingt folgen, denn die Geschichte gibt an sich schon einiges an Gedankennahrung her. Ich finde nicht, dass das Eingreifen von Außerirdischen an den Haaren herbeigezogen ist. Erstens handelt es sich um Fiktion, zweitens um Clarkes Fiktion und drittens hat es wirklich Sprünge in der Entwicklung der Menschheit gegeben. Nur Anhänger des Absurden nennen Sprache einen „virus from outer space“ (William S. Burroughs).

Wie schon „Childhood’s End“ (|Die letzte Generation|) ist „2001“ ein philosophischer Roman, der das Verhältnis von Mensch und Maschine untersucht, aber auch Phänomene wie Gewalt, Sprache und Wahrheit. Wäre HAL nicht zum Lügen gezwungen worden, wäre die Expedition nicht gescheitert, indem er die Besatzung fast komplett auslöschte.

Einer (im Film) der ergreifendsten Momente ist die umgekehrte Evolution HALs, der Dave Bowman, seinen Gegner, unterwirft, indem er ihm die Speichermodule entzieht. So wie Mond-Schauer einst sein Gedächtnis gewann, so verliert nun HAL seines. Diese Gewalttat lässt sich nur sühnen, indem Dave eine Weiterentwicklung seines Bewusstseins durchmacht: Zur Transzendenz, der Grenzüberschreitung. Dann bieten sich ihm ganz neue Möglichkeiten: Gewalt ist ebenso überflüssig geworden wie Sprache und Maschinen.

|Das Hörbuch|

Die Handlung ist nur stellenweise spannend, denn der Autor setzt auf das bewährte Mittel des „sense of wonder“, wodurch Action und Humor fast überflüssig werden. Im Mittelpunkt stehen, umgesetzt in Szenen, philosophische Aussagen über Sprache, Maschinen und Evolution. Wolfram Koch trägt den vielschichtigen Text meines Erachtens kompetent, wenn auch nicht umwerfend oder gar unterhaltsam vor.

|5 Audio-CDs mit 352 Minuten Spieldauer
Originaltitel: 2001: A Space Odyssey
Aus dem Englischen von Egon Eis (1969)
ISBN-13: 978-3898137607|
[www.der-audio-verlag.de]http://www.der-audio-verlag.de

_Arthur C. Clarke bei |Buchwurm.info|:_
[„Das Lied der fernen Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=649
[„Das Licht ferner Tage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1503
[„Die letzte Generation“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1511
[„Im Mondstaub versunken“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2807
[„Inseln im All“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4067
[„Rendezvous mit Rama“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4930

Van Vogt, Alfred Elton – unheimliche Raumschiff, Das

_Das geschieht:_

Nachdem entsprechende Untersuchungen ergaben, dass die Sonne sich, das Sonnensystem und damit die Erde zerstören wird, wurde das riesige Raumschiff „Hoffnung der Menschheit“ gebaut. Seine Insassen sollen sich auf einem der Planeten des mehr als vier Lichtjahre entfernten Alpha-Centauri-Systems niederlassen und auf diese Weise die Menschheit vor der völligen Vernichtung bewahren.

Aufgrund eines Konstruktionsfehlers erreicht die „Hoffnung der Menschheit“ nie die vorgesehene Reisegeschwindigkeit. Bis das Ziel erreicht ist, vergehen viele Jahrzehnte. Das Raumschiff verwandelt sich in eine fliegende Stadt. Neue Generationen wachsen heran. Sie kennen die Erde nur aus Filmen und den Erzählungen ihrer Eltern. Der eigentliche Zweck der Reise droht in Vergessenheit zu geraten. Meuterei droht, aber Captain John Lesbee hält die Zügel mit straffer Hand.

Endlich ist Alpha Centauri erreicht. Allerdings sind die Planeten dieses Sternsystems für eine Besiedlung untauglich. Statt umzukehren, lässt Lesbee den fernen Sirius ansteuern. Auch dort ist die Irrfahrt nicht zu Ende. Im Inneren der „Hoffnung“ herrscht längst ein mühsam kontrollierter Bürgerkrieg. Der Stuhl des Kommandanten wird in der Regel durch die Ermordung des Vorgängers neu besetzt. Intrigen und Misstrauen bestimmen den Schiffsalltag.

Nach der Begegnung mit einem intelligenten Robotervolk kann die „Hoffnung“ endlich wie vorgesehen Lichtgeschwindigkeit erreichen. Nach mehr als einem Jahrhundert ist der Rückflug möglich, aber aufgrund der dabei auftretenden Zeitverzögerung kehrt man nur sechs Jahre nach dem Start auf die Erde zurück und löst dort eine globale Krise aus …

_Problemen fliegt man nicht davon_

Das Generationsraumschiff ist als Motiv der Sciencefiction so beliebt, dass es dort ein eigenes Subgenre mit bemerkenswerter Titelanzahl darstellt. Das Thema selbst ist älter, weil nicht von der Platzierung in der Zukunft abhängig. Die Isolation einer einsamen Insel genügt, sodass mit einigem Wagemut ein roter Faden zwischen „Robinson Crusoe“ und „Das unheimliche Raumschiff“ gespannt werden kann.

Unabhängig vom abenteuerlichen oder utopischen Beiwerk geht es in erster Linie um den Menschen oder, um genau zu sein, den Menschen in einer Krise, die ihn auf die Grundsätzlichkeiten des Lebens zurückwirft. Das Raumschiff wird zum perfekten Versuchslabor, denn während Robinson immerhin hoffen konnte, eines Tages von einem Schiff gerettet zu werden, ist man im Weltall von dieser Möglichkeit abgeschnitten. Auch die Besatzung der „Hoffnung der Menschheit“ – ein Name voller unfreiwilliger Ironie, wie die Handlung belegt – ist auf sich allein gestellt.

Wie werden sich die auf sich konzentrierten Menschen verhalten, wie wird ihre Gesellschaft sich entwickeln? Van Vogt wählt die pessimistische (oder realistische?) Variante: Die Besatzung schleppt einerseits die unbewältigten Probleme der Erde mit sich, während sie andererseits neue Bedrückungen ausbrütet.

|Autorität wird zu Absolutismus|

Van Vogt postuliert eine Raumfahrt, die sich in einen unendlichen Kleinkrieg verwandelt. Die Generationen kämpfen gegeneinander, und als die Älteren ausgeschaltet sind, beginnen sich ihre Nachfahren zu bekriegen. Sie sind so beschäftigt mit ihren Konflikten, dass sie kaum registrieren, wenn sich außerhalb ihrer fliegenden Heimat Wichtiges ereignet. Jeder Zwischenstopp bringt die „Hoffnung der Menschheit“ an ferne Orte, die von fremden Zivilisationen bevölkert werden. Diese werden entweder ignoriert, beschossen oder anderweitig vor die Köpfe – falls vorhanden – gestoßen. Kommunikation schließt van Vogt beinahe kategorisch aus; eine seltsame Haltung für einen SF-Autoren.

Freilich geht es ihm bevorzugt um andere Dinge. Mit bemerkenswerter Detailtreue entwirft van Vogt ein Gesellschaftsmodell, das wie selbstverständlich der Demokratie eine Abfuhr erteilt. Bereits der erste Captain mutiert zum Monarchen, der absolutistisch die Geschicke seines ‚Volkes‘ – der Besatzung – lenkt, seinen Sohn als Erb-Nachfolger einsetzt und Widerstand scheinbar legal aber tatsächlich brutal bricht.

Der moralische Verfall beschleunigt sich: Schon Lesbee III. wird zum Usurpator, der seinen Thron – den Kapitänsstuhl – gewaltsam an sich reißt. So geht es weiter; jeder Captain umgibt sich mit einer Privatarmee, während er die Frau (oder Frauen) seines Vorgängers übernimmt: Eine weibliche Selbstbestimmung ist in van Vogts Konzept der Zukunft erst recht nicht vorgesehen.

Die ständigen Revolten sind für den Leser ermüdend, weil sie stets nach demselben Muster ablaufen. Erst im letzten Drittel weitet van Vogt die Geschichte zur ‚echten‘ Sciencefiction. Die „Hoffnung der Menschheit“ verwandelt sich in „Das unheimliche Raumschiff“ des deutschen Titels. Endlich kommt jener Einfallsreichtum zum Vorschein, der den frühen van Vogt auszeichnete. Er schert sich nicht oder nur scheinbar um physikalische Realitäten, sondern schildert fantasievoll Phänomene, die den Zustand der Überlichtgeschwindigkeit begleiten könnten.

|Aus drei mach einen …|

Während der Leser diesen Teil der Geschichte als triviales aber unterhaltsames Spektakel genießt, mag er sich wundern, wie wenig das letzte Drittel zum Rest der Handlung passt. Schon die Begegnung mit der Roboter-Zivilisation stellt einen Bruch dar. In der Tat lesen wir mit „Das unheimliche Raumschiff“ eine jener berühmten bzw. berüchtigten |fix-up-novels|, in denen van Vogt ältere Kurzgeschichten kombinierte und durch neue Zwischentexte mehr oder weniger kunstvoll miteinander verleimte.

Für „Das unheimliche Raumschiff“ vergriff er sich an „Centaurus II“ (1947, kein dt. Titel), „The Expendables“ (1963, dt. „Rebellion im Sternenschiff“ bzw. „Die Entbehrlichen“) und „Rogue Ship“ (1950, auch: „The Twisted Man“, dt. „Das verhexte Schiff“). Den zeitlich wie thematisch schlecht miteinander korrespondierenden Storys setzte er ein originalverfasstes Finale an, das allerdings an eine am Boden hastig zusammengedrehte Papiertüte erinnert, die ihren Inhalt nur notdürftig hält.

So bleibt „Das unheimliche Raumschiff“ eher als Kuriosum denn als gelungener SF-Roman in Erinnerung. Van Vogt klebt einerseits an der Wunder-‚Wissenschaft‘ der „Goldenen Ära“ dieses Genres, während er andererseits die durchaus erkannten Veränderungen nicht nachvollziehen kann. Eine |fix-up-novel| ist wohl nicht der richtige Schritt auf diesem Weg, aber van Vogt blieben zwanzig weitere Schriftsteller-Jahre, in denen er erschütternd überzeugend unter Beweis stellte, dass er noch wesentlich schlechtere Romane schreiben konnte.

_Autor_

Alfred Elton van Vogt wurde am 26. April 1912 im kanadischen Winnipeg als Sohn eines aus den Niederlanden immigrierten Rechtsanwalts geboren. Als der Vater seinen Job verlor, ging Alfred von der Schule ab und verdiente Geld als Hilfsarbeiter. Nebenbei schrieb er Hörspiele, melodramatische Kurzgeschichten und Romane sowie Ende der 1930er Jahre auch Sciencefiction. Seine erste Kurzgeschichte „Vault of the Beast“ (dt. „Der Turm der Bestie“) erschien 1939 in „Astounding Science Fiction“.

Ebenfalls 1939 heiratete van Vogt die Autorin Edna Mayne Hull (1905-1975), mit der er eng zusammenarbeitete. Einen ersten Erfolg feierte er 1939 mit der Story „Black Destroyer“, dem er 1940 den zunächst in Magazin-Fortsetzungen erschienenen Roman „Slan“ folgen ließ. „Slan“ ist programmatisch für van Vogts Werk. Immer wieder stellt er Einzelgänger mit besonderen geistigen und körperlichen Fähigkeiten in den Mittelpunkt, die einen zunächst aussichtslosen Kampf gegen übermächtige Gegner, das Schicksal oder die Naturgesetze führen. Sein Einfallsreichtum und sein Talent, diese an sich simplen Supermann-Geschichten in einen flamboyanten Stil zu fassen, ließen ihn zu einem Top-Autoren des |Goldenen Zeitalters| der Sciencefiction aufsteigen.

Doch auf dem Höhepunkt seiner Popularität wandte sich van Vogt Ende der 1940er Jahre von der SF ab. Er wurde zu einem frühen Jünger des Sekten-Gurus L. Ron Hubbard (1911-1986), dessen Dianetik-‚Lehre‘ er zunächst unterstützte, bis Hubbard sie als Grundlage seiner |Scientology|-Sekte instrumentalisierte. Van Vogt kehrte 1957 zur Literatur zurück, doch er fand den Anschluss an eine inzwischen stark veränderte SF nicht mehr. Übel nahm man ihm auch das Prinzip der |fix-up-novel|: Van Vogt fasste ältere Storys zu Romanen zusammen und ging dabei oft recht brachial vor.

Obwohl van Vogt bis 1987 regelmäßig veröffentlichte, blieb sein Spätwerk tief im Schatten der frühen Jahre. Das Wissen um die Tatsache, dass wenig später die Alzheimer-Krankheit bei ihm festgestellt wurde, wirft ein neues Licht auf diesen Niedergang. Van Vogts letzter ‚Erfolg‘ war die erfolgreiche Klage gegen das Filmstudio |20th Century Fox|, das ihm 50.000 Dollar für die unrechtmäßige Aneignung der Figur Ixtl aus dem Roman „The Voyage of the Space Beagle“ (1950; dt. „Die Weltraumexpedition der „Space Beagle“) als Vorlage für den Blockbuster „Alien“ (1979; „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“) zahlte. Am 26. Januar 2000 starb van Vogt an den Folgen einer Lungenentzündung.

|Taschenbuch: 222 Seiten
Originaltitel: Rogue Ship (Garden City/New York : Doubleday 1965)
Deutsche Erstausgabe: 1966 (Wilhelm Heyne Verlag/SF 06/3078)
Übersetzung: Wulf H. Bergner
176 S.
[keine ISBN]
Neuausgabe (geb.): 1983 (Hohenheim Verlag/Edition SF)
Übersetzung: Thomas Schlück
232 S.
ISBN-13: 978-3-8147-0032-8
Derzeit letzte (TB-) Ausgabe: 1986 (Bastei-Lübbe-Verlag/SF Bestseller 22093)
ISBN-13: 978-3-404-22093-9|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_Bücher von und mit A. E. van Vogt bei |Buchwurm.info|:_
[„A. E. van Vogt – Der Autor mit dem dritten Auge“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3579
[„Die besten Stories von 1942“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3701

Interview mit Karsten Kruschel

_Buchwurm.info:_ Wie geht es Ihnen? Wo sind Sie? Was machen Sie gerade?

_Karsten Kruschel:_ Abgesehen von einer Bandscheibe unter Fluchtverdacht geht es mir gut. Ich sitze in meinem Arbeitszimmer zu Hause vor dem iMac und will grade die Ideen ins neue Buchmanuskript einarbeiten, die mir im Wartezimmer der Röntgenabteilung gekommen sind.

_Buchwurm.info:_ Aus Ihrer Biografie (s. u.) ist zu erfahren, dass Sie schon früh zum Schreiben kamen, aber auch im Kabarett mitwirkten. Hing das eine mit dem anderen zusammen? Tut es das heute noch?

_Karsten Kruschel:_ Das Kabarett hatte mit dem Schreiben nichts zu tun. Allerdings ertappe ich mich beim Überarbeiten manchmal dabei, dass ich dem einen oder anderen wirklich dusseligen Witz beim Schreiben nicht widerstehen konnte. Das wird dann meist gestrichen. Spätestens beim Lektorat.

_Buchwurm.info:_ Was macht Ihnen am Erzählen den meisten Spaß?

_Karsten Kruschel:_ Das wunderbare Gefühl, wenn „es schreibt“: Wenn die Geschichte begonnen hat, sich selbst nach ihren eigenen, inneren Gesetzen weiterzuentwickeln, und ich als Autor staunend vor dem Ergebnis sitze. Natürlich hab ich anfangs einen Plan, aber an den halten sich die Figuren oft nicht. Es ist schon vorgekommen, dass ich einen Abschnitt schrieb und am nächsten Tag überrascht war, dass eine meiner Lieblingsfiguren dabei ins Gras beißen musste. Wenn ich feststelle, dass das für die Geschichte gut ist, bleibt es auch dabei.

_Buchwurm.info:_ Sie sind durch Ihre Doktorarbeit und Rezensionen ein Kenner der ost- wie auch westdeutschen Sciencefiction geworden. Ist Ihnen der literaturhistorische Hintergrund bewusst, wenn Sie schreiben oder ein Buch veröffentlichen?

_Karsten Kruschel:_ Das muss man trennen. Wenn ich schreibe (wenn „es schreibt“), ist mir die ganze Literaturgeschichte piepegal, und auch, ob jemand schon mal dieselbe Idee hatte. Was unbewusst alles mitspielt, kann ich nicht sagen.

Wenn ich überarbeite – und das ist der weitaus größte Teil des Schreibens -, ist das alles natürlich da. Da werden Sachen, die als unbewusstes Echo von Gelesenem in den Text gerutscht sind, rigoros gestrichen, oder sie werden in etwas Eigenes umgeformt, adaptiert, eingehegt.

Bei meinem Beitrag zur David-Bowie-Anthologie „Hinterland“ beispielsweise war mir schon klar, dass das Thema bereits bei Harrison vorkam, aber die Art, wie ich es verarbeitet habe, macht es zu etwas Eigenem. Das haben die Leser dann auch so gesehen.

_Buchwurm.info:_ Wer sind Ihre Lieblingsautoren und welche Ihre Lieblingsbücher in SF und Phantastik?

_Karsten Kruschel:_ Unter den Autoren natürlich Bradbury, außerdem Lem und die Strugazkis, Cordwainer Smith und James Tiptree jr., Wolfgang Jeschke und Iain Banks, J.G. Ballard, Jonathan Carroll und David R. Bunch, die Steinmüllers und die Brauns.

Bücher: Alle paar Jahre lese ich im Sommer hintereinanderweg erst den „Hobbit“ und dann den „Herrn der Ringe“. Dann fallen mir spontan ein (obengenannte Autoren ausgeschlossen): „Helliconia“ (von Brian W. Aldiss), „Die Jahre des schwarzen Todes“ (von Connie Willis), „Darwinia“ (von Robert Charles Wilson), „Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest“ (von John D. MacDonald), „Ein Feuer auf der Tiefe“ (von Vernor Vinge), „Drachenpiloten“ (von Keith Roberts)…

_Buchwurm.info:_ Ihr in zwei Teile aufgespaltener Roman VILM hat Auszeichnungen und viel Anerkennung erfahren. Freut Sie das? Und was an dieser Anerkennung am meisten?

_Karsten Kruschel:_ Nicht übertreiben. EINE Auszeichnung hat er bekommen: Den Deutschen Science Fiction Preis.

Und natürlich freut mich das. Ich habe mich auch über den dritten Platz beim Kurd-Laßwitz-Preis gefreut – da landet ein Debütroman selten so weit vorne.

Beim DSFP finde ich gut, dass dieser Preis von einer Jury vergeben wird, in der wirklich jeder Juror jedes nominierte Buch liest und in der über die Kandidaten diskutiert wird.

_Buchwurm.info:_ Wollten Sie mit VILM die Evolution einer neuen Gesellschaft schildern, einer Gesellschaft, die von ihrer Umwelt und ihrer Geschichte determiniert wird?

_Karsten Kruschel:_ Die ersten Kapitel entstanden u. a. aus dem Versuch,
a) einer als erstarrt und verkrustet empfundenen Gesellschaft eine vorzuhalten, in der ganz im Gegenteil sich ständig was bewegt und entwickelt; und
b) einer obrigkeitshörigen und obrigkeitsbestimmten Gesellschaft eine vorzuhalten, die prima ohne Obrigkeit auskommt.
Danach hat „es sich geschrieben“…

_Buchwurm.info:_ Wie wichtig sind Ihnen Ihre Figuren? Warum?

_Karsten Kruschel:_ Sehr. Die Figuren sind es, die den Leser in die Geschichte ziehen. Wenn ich einer Figur Leben einhauchen konnte, dann funktionert das auch. Übers Internet haben mir Leser geschrieben, dass sie immer noch mit Eliza mitleiden, weil das mit ihrer Pflaumenpflanzung nichts geworden ist (im letzten Kapitel von „Vilm. Der Regenplanet“) und dass sie immer noch Lafayette hinterhertrauert. Oder dass Leser auch beim zweiten Lesen vor Zorn beben, wenn sie das siebente Kapitel von „Vilm. Die Eingeborenen“ durchhaben. Ja, ich war beim Schreiben auch überrascht, dass Tom die Sache nicht überlebt.

_Buchwurm.info:_ Holen Sie auch andere Meinungen ein, bevor Sie ein Manuskript abgeben? Wie wichtig ist das?

_Karsten Kruschel:_ Gelegentlich liest meine Frau einen unveröffentlichten Text, oder jemand aus meinem Freundeskreis. Wichtig ist, dass ich den Text so lange liegenlasse, bis ich ihn als Fremder lesen kann. Dann geht das Überarbeiten los… Und dann ist da ja noch Heidrun Jänchen, die als Lektorin sehr genau hinschaut und mir schon mal vorrechnet, warum dies oder das nicht stimmen kann.

_Buchwurm.info:_ Recherchieren Sie für bestimmte Bücher? Nutzen Sie dazu Bibliotheken, das Internet oder gar Profis (so wie Peter Prange)?

Wer ist Peter Prange? Hab ich was verpaßt? Firefox an … Kurze Parallel-Recherche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek und bei Wikipedia. Aha, „Das Bernstein-Amulett“… So mach ich das; sitze aber auch oft im Lesesaal der Deutschen Bücherei von Leipzig.

_Buchwurm.info:_ Würden Sie gerne mehr Bücher verkaufen? Sie haben ja schon die 4. Auflage von VILM verkauft.

_Karsten Kruschel:_ Um ausschließlich von der Belletristik leben zu können, müssten es schon noch ein paar mehr sein.

_Buchwurm.info:_ Welche Bedeutung kommt dabei dem jeweiligen Verlag zu, in Ihrem Fall Wurdack?

_Karsten Kruschel:_ Große Bedeutung. Ernst Wurdack sorgt dafür, dass die Texte ordentlich lektoriert werden; sie werden deutlich besser dadurch. Das Manuskript von Vilm ist z. B. um fast hundert Druckseiten erleichtert worden.

Der Wurdack-Verlag sorgt letzten Endes auch dafür, dass Leser überhaupt an ein Buch kommen, listet es bei Amazon und bei Libri und bei buch.de und so weiter. Außerdem ist Ernst Wurdack Grafiker und setzt den Text in einem ordentlichen, gut lesbaren Layout, in dem die Buchstaben Platz zum Atmen haben (andere kleine Verlage füllen dagegen Seiten mit Ameisengewimmel). Und Ernst Wurdack läßt mich beim Cover mitreden. Beim neuen Roman („Galdäa“) hat er sogar die Abdruckrechte für mein Wunschmotiv aus Polen herbeigeschafft.

_Buchwurm.info:_ Sie werden im April VILM 3 veröffentlichen, das den Titel „Galdäa. Der ungeschlagene Krieg“ trägt. Bitte sagen Sie uns, worum es darin geht. Werden wir bekannten Figuren aus VILM 1+2 wiederbegegnen?

_Karsten Kruschel:_ Der neue Roman ist keine direkte Fortsetzung von Vilm, deswegen kommen keine bereits bekannten Figuren vor. Er handelt allerdings im selben Universum und bietet, eingepackt in eine Thriller-Handlung, Besuche auf Atibon Legba und einer Weltenkreuzerwerft sowie noch mehr Goldene und Karnesen. Insofern beantwortet er einige Fragen, die bisher offen geblieben waren.

Den Klappentext kann man bei Amazon nachlesen:
„Wir wollen diesen Krieg beenden. Das kann nur auf zwei Weisen geschehen. Entweder durch die völlige Harmonie der Beteiligten oder die totale Vernichtung einer der Parteien.“ – Tara SKhanayilhkdha Vuvlel TArastoydt, galdäische Konsulin auf Penta V.

Dabei behauptet die offizielle Geschichtsschreibung, die Sicherheit sei schon vor Jahrzehnten wieder hergestellt worden. Allerdings geraten die Dinge in Bewegung, als ein Datenchaos die offiziellen Stellen lahmlegt und Michael Sanderstorm einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur kommt.

„Vielleicht ist die Einmischung der Goldenen Bruderschaft ein Akt der Verzweiflung und die die Maden wollen damit nur ihre Pfründe erhalten? Wie gewaltig ist eigentlich das Wespennest, in das wir da gestochen haben?“

Eine schwielige Hand packte seinen Nacken und schob ihn zu seinen Instrumenten und Rechnern hinüber. Eine leidenschaftslose, unbarmherzige Melodie, Verzweiflung und Sehnsucht, süß und scharf, unwiderstehlich, wenn jemand sie spielt, der am Rand eines glassplittergespickten Abgrunds steht.“

Kleine Abschweifung: Die Numerierung ist leider ein bißchen verwirrend geworden. Bei den ersten Galdäa-Ankündigungen stand „Dritter Roman aus dem Vilm-Kosmos“. Daraus wurde dann irgendwo als jetzige Bezeichnung „Vilm 03“ gebastelt, die sich im Internet, bei Distributoren und in Bibliothekskatalogen blitzartig ausgebreitet hat wie Tinte auf Löschpapier. Deswegen lasse ich es jetzt auch so. Viel zu aufwendig, diese Explosionswolke wieder in ihre Dynamitstange zurückzukriegen.

_Buchwurm.info:_ Woran arbeiten Sie gerade? Welche Pläne haben Sie?

_Karsten Kruschel:_ Ich schreibe gerade an dem tatsächlichen dritten Band über den Planeten des ewigen Regens – „Vilm. Das Dickicht“ (so der Arbeitstitel). Bis jetzt kommen Will, Eliza, Pak-46-erg und einige andere alte Bekannte vor …

„Emotio“ ist der Titel der nächsten Wurdack-Anthologie, die im Herbst 2011 erscheinen soll. Sie wird, wenn alles gutgeht, meine Geschichte „Violets Verlies“ enthalten.

Zu den Plänen: Eine Hörbuch-Version von Vilm, weitere Romane aus demselben Kosmos, ein in der Gegenwart handelnder Thriller phantastischer Natur, mehrere längere Erzählungen – und ein unveröffentlichtes Kinderbuch, das gerne zwischen zwei Buchdeckel möchte.

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_Biografie_

Karsten Kruschel wuchs in Magdeburg auf, wo er auch Bühnenerfahrung als Kabarettist sammelte – erst mit den Kritiküßchen des legendären Erich Hengstmann, dann mit den Pfeffis des nicht minder legendären Günter Kulbe. Größter Erfolg: Der Titel „Hervorragendes Volkskunstkollektiv“. Erste Veröffentlichungen mit dreizehn (oder so) in der Pionierzeitung „Trommel“, die heute glücklicherweise kaum mehr auffindbar sind. Mitglied im „Zirkel schreibender Arbeiter“ und aktiv in der FDJ-Poetenbewegung; mehrfach Teilnehmer beim Poetenseminar in Schwerin.

In Klein Wanzleben machte Kruschel eine Facharbeiterlehre und begann 1979 ein Studium der Pflanzenproduktion in Halle/Saale, das er nach einem Semester abbrach. Er arbeitete danach als Hilfspfleger in einer Magdeburger Nervenklinik, erste Erzählungen erschienen im Magazin „Neues Leben“. 1980 bis 1984 studierte er in Magdeburg Pädagogik mit der Fachrichtung Deutsch und Geschichte. Während dieser Zeit begann er damit, Rezensionen zu verfassen, die zuerst in der Volksstimme Magdeburg, später auch in anderen Publikationen erschienen. Studienabschluss mit einer Diplomarbeit über die Science-Fiction-Literatur in der DDR.

Kruschel arbeitete ab 1984 als Lehrer in Leipzig-Grünau und absolvierte – kurz ehe er aus Altersgründen dem Wehrkreiskommando entgleiten konnte – den Grundwehrdienst in Eilenburg und Dresden (als Stabssoldat, Lazarettinsasse, Funker, Kfz-Lagerist, Wachsoldat, Küchenlagerist, Pförtner). Die übliche Beförderung zum Gefreiten gegen Ende dieser bewegten Zeit fand wegen fortgesetzter Renitenz nicht statt. 1985 war das erste eigene Werk erschienen, eine Erzählung.

1987 ging Kruschel nach einem kurzen Lehrer-Zwischenspiel (wieder Grünau) als wissenschaftlicher Assistent an die Pädagogische Hochschule Leipzig, wo er mit einer Arbeit über die Science-Fiction-Literatur der DDR promovierte.

Nach dem „Wende“ genannten Ereignis – vermutlich nicht durch seinen 1989 veröffentlichten Band mit Erzählungen verursacht – kam ihm zusammen mit der DDR auch die Hochschule abhanden. Er arbeitete als Projektleiter am „Institut für Bildungsreform und Medienerziehung“ und mehr als ein Jahrzehnt als Chefredakteur einer Baufachzeitschrift in Leipzig. Er hatte eine Zeitlang eine Wohnung in der Berliner Eilenburger Straße und einen Job als Public-Relations-Berater, dann schlug er sich einige Jahre in verschiedenen Call-Centern durch, ehe er sich 2010 als Redakteur und Autor selbständig machte.

Seit seiner Kindheit schreibt Kruschel Prosa und Lyrik, später auch Essays und Literaturkritiken (Volksstimme, Leipziger Volkszeitung, Science Fiction Times, Das Heyne Science Fiction Jahr) sowie Beiträge für Nachschlagewerke und Lexika.
2009 erschienen die beiden Romane „Vilm. Der Regenplanet“ und „Vilm. Die Eingeborenen“ im Wurdack-Verlag. Das Buch wurde vom Internetportal phantastik-couch.de zum „Buch des Monats“ erklärt, für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert und 2010 mit dem Deutschen Science Fiction Preis als bester Roman des Jahres ausgezeichnet; eine Leseprobe ist als Lesung von Rena Larf (mp3, 28 Min., 40 MB) und als PDF-Download verfügbar.

Ein neuer Roman „Galdäa. Der ungeschlagene Krieg“ ist für das 1. Quartal 2011 angekündigt.

_Bibliographie (aus der Wikipedia)_

|Eigenständige Publikationen |

* Raumsprünge, Erzählung (illustriert von Karl Fischer), Neues Leben, Berlin 1985
* Das kleinere Weltall, Science-Fiction-Erzählungen (illustriert von Dieter Heidenreich), Das Neue Berlin, Berlin 1989, ISBN 978-3-360-00245-7
* Bildschirm im Gegenlicht, Texte zur Medienerziehung, 1992 (mit Ralf Hickethier).
* Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnbild. Utopisches und Dystopisches in der SF-Literatur der DDR in den achtziger Jahren, Sachbuch, edfc, 1995, ISBN 3-924443-77-7
* Vilm. Der Regenplanet, Roman, Wurdack, Juni 2009, ISBN 978-3938065-36-5
* Vilm. Die Eingeborenen, Roman, Wurdack, 2009, ISBN 978-3-938065-54-9

|Kurzgeschichten und Erzählungen (Auswahl)|

* Aussage des Assistenten, Neues Leben, 1979.
* Theorie der Kugelblitze, Neues Leben, 1979.
* Schach mit Otto, in „Aus dem Tagebuch einer Ameise“, hrsg. von Michael Szameit, 1985.
* … und stets das Vernünftigste tun, in „Lichtjahr 5“, hrsg. von Erik Simon, 1988. ISBN 3-360-00052-8
* Ein Fall von nächtlicher Lebensweise, in „Der lange Weg zum blauen Stern“, hrsg. von Michael Szameit, 1990. ISBN 3-355-01019-7
* Großartige Party, wirklich großartig, in „Johann Sebastian Bach Memorial Barbecue“, hrsg. von Wolfgang Jeschke. 1990. ISBN 3-453-04279-4
* Herrliche Zeiten, in „Alexanders langes Leben, Stalins früher Tod“, hrsg. von Erik Simon, 1999. ISBN 3-453-14912-2
* Regendrachen sterben, wenn die Sonne scheint, in „Lichtjahr 7“, hrsg. von Erik Simon, 1999. ISBN 3-00-005005-1
* Barnabas oder Die Vorzüge kleiner Welten, in „Lotus Effekt“, hrsg. von Heidrun Jänchen und Armin Rößler, 2009. ISBN 3-938065-32-X
* Ende der Jagdsaison auf Orange, in „Die Audienz“, hrsg. von Heidrun Jänchen und Armin Rößler, 2010. ISBN 978-3-938065-62-4
* Vierte und Erste Sinfonie, oder: Müllerbrot, in „Hinterland. 20 Erzählungen, inspiriert von der Musik David Bowies“, hrsg. von Karla Schmidt, 2010. ISBN 978-3-938065-69-3

Copyright des Fotos: Thomas Schreiter

Der Schöpfer der Regendrachen

_Buchwurm.info:_ Wie geht es Ihnen? Wo sind Sie? Was machen Sie gerade?

_Karsten Kruschel:_ Abgesehen von einer Bandscheibe unter Fluchtverdacht geht es mir gut. Ich sitze in meinem Arbeitszimmer zu Hause vor dem iMac und will grade die Ideen ins neue Buchmanuskript einarbeiten, die mir im Wartezimmer der Röntgenabteilung gekommen sind.

_Buchwurm.info:_ Aus Ihrer Biografie (s.u.) ist zu erfahren, dass Sie schon früh zum Schreiben kamen, aber auch im Kabarett mitwirkten. Hing das eine mit dem anderen zusammen? Tut es das heute noch?

_Karsten Kruschel:_ Das Kabarett hatte mit dem Schreiben nichts zu tun. Allerdings ertappe ich mich beim Überarbeiten manchmal dabei, daß ich dem einen oder anderen wirklich dusseligen Witz beim Schreiben nicht widerstehen konnte. Das wird dann meist gestrichen. Spätestens beim Lektorat.

_Buchwurm.info:_ Was macht Ihnen am Erzählen den meisten Spaß?

_Karsten Kruschel:_ Das wunderbare Gefühl, wenn „es schreibt“: Wenn die Geschichte begonnen hat, sich selbst nach ihren eigenen, inneren Gesetzen weiterzuentwickeln, und ich als Autor staunend vor dem Ergebnis sitze. Natürlich hab ich anfangs einen Plan, aber an den halten sich die Figuren oft nicht. Es ist schon vorgekommen, daß ich einen Abschnitt schrieb und am nächsten Tag überrascht war, daß eine meiner Lieblingsfiguren dabei ins Gras beißen mußte. Wenn ich feststelle, daß das für die Geschichte gut ist, bleibt es auch dabei.

_Buchwurm.info:_ Sie sind durch Ihre Doktorarbeit und Rezensionen ein Kenner der ost- wie auch westdeutschen Science Fiction geworden. Ist Ihnen der literaturhistorische Hintergrund bewusst, wenn Sie schreiben oder ein Buch veröffentlichen?

_Karsten Kruschel:_ Das muß man trennen. Wenn ich schreibe (wenn „es schreibt“), ist mir die ganze Literaturgeschichte piepegal, und auch, ob jemand schon mal dieselbe Idee hatte. Was unbewußt alles mitspielt, kann ich nicht sagen.

Wenn ich überarbeite – und das ist der weitaus größte Teil des Schreibens –, ist das alles natürlich da. Da werden Sachen, die als unbewußtes Echo von Gelesenem in den Text gerutscht sind, rigoros gestrichen, oder sie werden in etwas Eigenes umgeformt, adaptiert, eingehegt.

Bei meinem Beitrag zur David-Bowie-Anthologie „Hinterland“ beispielsweise war mir schon klar, daß das Thema bereits bei Harrison vorkam, aber die Art, wie ich es verarbeitet habe, macht es zu etwas Eigenem. Das haben die Leser dann auch so gesehen.

_Buchwurm.info:_ Wer sind Ihre Lieblingsautoren und welche Ihre Lieblingsbücher in SF und Phantastik?

_Karsten Kruschel:_ Unter den Autoren natürlich Bradbury, außerdem Lem und die Strugazkis, Cordwainer Smith und James Tiptree jr., Wolfgang Jeschke und Iain Banks, J.G. Ballard, Jonathan Carroll und David R. Bunch, die Steinmüllers und die Brauns.

Bücher: Alle paar Jahre lese ich im Sommer hintereinanderweg erst den „Hobbit“ und dann den „Herrn der Ringe“. Dann fallen mir spontan ein (obengenannte Autoren ausgeschlossen): „Helliconia“ (von Brian W. Aldiss), „Die Jahre des schwarzen Todes“ (von Connie Willis), „Darwinia“ (von Robert Charles Wilson), „Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest“ (von John D. MacDonald), „Ein Feuer auf der Tiefe“ (von Vernor Vinge), „Drachenpiloten“ (von Keith Roberts)…

_Buchwurm.info:_ Ihr in zwei Teile aufgespaltener Roman VILM hat Auszeichnungen und viel Anerkennung erfahren. Freut Sie das? Und was an dieser Anerkennung am meisten?

_Karsten Kruschel:_ Nicht übertreiben. EINE Auszeichnung hat er bekommen: Den Deutschen Science Fiction Preis.

Und natürlich freut mich das. Ich habe mich auch über den dritten Platz beim Kurd-Laßwitz-Preis gefreut – da landet ein Debütroman selten so weit vorne.

Beim DSFP finde ich gut, daß dieser Preis von einer Jury vergeben wird, in der wirklich jeder Juror jedes nominierte Buch liest und in der über die Kandidaten diskutiert wird.

_Buchwurm.info:_ Wollten Sie mit VILM die Evolution einer neuen Gesellschaft schildern, einer Gesellschaft, die von ihrer Umwelt und ihrer Geschichte determiniert wird?

_Karsten Kruschel:_ Die ersten Kapitel entstanden u. a. aus dem Versuch,

a) einer als erstarrt und verkrustet empfundenen Gesellschaft eine vorzuhalten, in der ganz im Gegenteil sich ständig was bewegt und entwickelt; und

b) einer obrigkeitshörigen und obrigkeitsbestimmten Gesellschaft eine vorzuhalten, die prima ohne Obrigkeit auskommt.

Danach hat „es sich geschrieben“…

_Buchwurm.info:_ Wie wichtig sind Ihnen Ihre Figuren? Warum?

_Karsten Kruschel:_ Sehr. Die Figuren sind es, die den Leser in die Geschichte ziehen. Wenn ich einer Figur Leben einhauchen konnte, dann funktionert das auch. Übers Internet haben mir Leser geschrieben, daß sie immer noch mit Eliza mitleiden, weil das mit ihrer Pflaumenpflanzung nichts geworden ist (im letzten Kapitel von „Vilm. Der Regenplanet“) und daß sie immer noch Lafayette hinterhertrauert. Oder daß Leser auch beim zweiten Lesen vor Zorn beben, wenn sie das siebente Kapitel von „Vilm. Die Eingeborenen“ durchhaben. Ja, ich war beim Schreiben auch überrascht, daß Tom die Sache nicht überlebt.

_Buchwurm.info:_ Holen Sie auch andere Meinungen ein, bevor Sie ein Manuskript abgeben? Wie wichtig ist das?

_Karsten Kruschel:_ Gelegentlich liest meine Frau einen unveröffentlichten Text, oder jemand aus meinem Freundeskreis. Wichtig ist, daß ich den Text so lange liegenlasse, bis ich ihn als Fremder lesen kann. Dann geht das Überarbeiten los… Und dann ist da ja noch Heidrun Jänchen, die als Lektorin sehr genau hinschaut und mir schon mal vorrechnet, warum dies oder das nicht stimmen kann.

_Buchwurm.info:_ Recherchieren Sie für bestimmte Bücher? Nutzen Sie dazu Bibliotheken, das Internet oder gar Profis (so wie Peter Prange)?

_Kruschel:_ Wer ist Peter Prange? Hab ich was verpaßt? Firefox an… Kurze Parallel-Recherche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek und bei Wikipedia. Aha, „Das Bernstein-Amulett“… So mach ich das; sitze aber auch oft im Lesesaal der Stadtbibliothek von Leipzig.

_Buchwurm.info:_ Würden Sie gerne mehr Bücher verkaufen? Sie haben ja schon die 4. Auflage von VILM verkauft.

_Karsten Kruschel:_ Um ausschließlich von der Belletristik leben zu können, müßten es schon noch ein paar mehr sein.

_Buchwurm.info:_ Welche Bedeutung kommt dabei dem jeweiligen Verlag zu, in Ihrem Fall Wurdack?

_Karsten Kruschel:_ Große Bedeutung. Ernst Wurdack sorgt dafür, daß die Texte ordentlich lektoriert werden; sie werden deutlich besser dadurch. Das Manuskript von Vilm ist z. B. um fast hundert Druckseiten erleichtert worden.

Der Wurdack-Verlag sorgt letzten Endes auch dafür, daß Leser überhaupt an ein Buch kommen, listet es bei Amazon und bei Libri und bei buch.de und so weiter. Außerdem ist Ernst Wurdack Grafiker und setzt den Text in einem ordentlichen, gut lesbaren Layout, in dem die Buchstaben Platz zum Atmen haben (andere kleine Verlage füllen dagegen Seiten mit Ameisengewimmel). Und Ernst Wurdack läßt mich beim Cover mitreden. Beim neuen Roman („Galdäa“) hat er sogar die Abdruckrechte für mein Wunschmotiv aus Polen herbeigeschafft.

_Buchwurm.info:_ Sie werden im April VILM 3 veröffentlichen, das den Titel „Galdäa. Der ungeschlagene Krieg“ trägt. Bitte sagen Sie uns, worum es darin geht. Werden wir bekannten Figuren aus VILM 1+2 wiederbegegnen?

_Karsten Kruschel:_ Der neue Roman ist keine direkte Fortsetzung von Vilm, deswegen kommen keine bereits bekannten Figuren vor. Er handelt allerdings im selben Universum und bietet, eingepackt in eine Thriller-Handlung, Besuche auf Atibon Legba und einer Weltenkreuzerwerft sowie noch mehr Goldene und Karnesen. Insofern beantwortet er einige Fragen, die bisher offen geblieben waren.

Den Klappentext kann man bei Amazon nachlesen:
„Wir wollen diesen Krieg beenden. Das kann nur auf zwei Weisen geschehen. Entweder durch die völlige Harmonie der Beteiligten oder die totale Vernichtung einer der Parteien.“ – Tara SKhanayilhkdha Vuvlel TArastoydt, galdäische Konsulin auf Penta V.

Dabei behauptet die offizielle Geschichtsschreibung, die Sicherheit sei schon vor Jahrzehnten wieder hergestellt worden. Allerdings geraten die Dinge in Bewegung, als ein Datenchaos die offiziellen Stellen lahmlegt und Michael Sanderstorm einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur kommt.

„Vielleicht ist die Einmischung der Goldenen Bruderschaft ein Akt der Verzweiflung und die die Maden wollen damit nur ihre Pfründe erhalten? Wie gewaltig ist eigentlich das Wespennest, in das wir da gestochen haben?“

Eine schwielige Hand packte seinen Nacken und schob ihn zu seinen Instrumenten und Rechnern hinüber. Eine leidenschaftslose, unbarmherzige Melodie, Verzweiflung und Sehnsucht, süß und scharf, unwiderstehlich, wenn jemand sie spielt, der am Rand eines glassplittergespickten Abgrunds steht.“

Kleine Abschweifung: Die Numerierung ist leider ein bißchen verwirrend geworden. Bei den ersten Galdäa-Ankündigungen stand „Dritter Roman aus dem Vilm-Kosmos“. Daraus wurde dann irgendwo als jetzige Bezeichnung „Vilm 03“ gebastelt, die sich im Internet, bei Distributoren und in Bibliothekskatalogen blitzartig ausgebreitet hat wie Tinte auf Löschpapier. Deswegen lasse ich es jetzt auch so. Viel zu aufwendig, diese Explosionswolke wieder in ihre Dynamitstange zurückzukriegen.

_Buchwurm.info:_ Woran arbeiten Sie gerade? Welche Pläne haben Sie?

_Kruschel:_ Ich schreibe gerade an dem tatsächlichen dritten Band über den Planeten des ewigen Regens – „Vilm. Das Dickicht“ (so der Arbeitstitel). Bis jetzt kommen Will, Eliza, Pak-46-erg und einige andere alte Bekannte vor…

„Emotio“ ist der Titel der nächsten Wurdack-Anthologie, die im Herbst 2011 erscheinen soll. Sie wird, wenn alles gutgeht, meine Geschichte „Violets Verlies“ enthalten.

Zu den Plänen: Eine Hörbuch-Version von Vilm, weitere Romane aus demselben Kosmos, ein in der Gegenwart handelnder Thriller phantastischer Natur, mehrere längere Erzählungen – und ein unveröffentlichtes Kinderbuch, das gerne zwischen zwei Buchdeckel möchte.

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_Biografie_

Karsten Kruschel wuchs in Magdeburg auf, wo er auch Bühnenerfahrung als Kabarettist sammelte – erst mit den Kritiküßchen des legendären Erich Hengstmann, dann mit den Pfeffis des nicht minder legendären Günter Kulbe. Größter Erfolg: Der Titel „Hervorragendes Volkskunstkollektiv“. Erste Veröffentlichungen mit dreizehn (oder so) in der Pionierzeitung „Trommel“, die heute glücklicherweise kaum mehr auffindbar sind. Mitglied im „Zirkel schreibender Arbeiter“ und aktiv in der FDJ-Poetenbewegung; mehrfach Teilnehmer beim Poetenseminar in Schwerin.

In Klein Wanzleben machte Kruschel eine Facharbeiterlehre und begann 1979 ein Studium der Pflanzenproduktion in Halle/Saale, das er nach einem Semester abbrach. Er arbeitete danach als Hilfspfleger in einer Magdeburger Nervenklinik, erste Erzählungen erschienen im Magazin „Neues Leben“. 1980 bis 1984 studierte er in Magdeburg Pädagogik mit der Fachrichtung Deutsch und Geschichte. Während dieser Zeit begann er damit, Rezensionen zu verfassen, die zuerst in der Volksstimme Magdeburg, später auch in anderen Publikationen erschienen. Studienabschluß mit einer Diplomarbeit über die Science-Fiction-Literatur in der DDR.

Kruschel arbeitete ab 1984 als Lehrer in Leipzig-Grünau und absolvierte – kurz ehe er aus Altersgründen dem Wehrkreiskommando entgleiten konnte – den Grundwehrdienst in Eilenburg und Dresden (als Stabssoldat, Lazarettinsasse, Funker, Kfz-Lagerist, Wachsoldat, Küchenlagerist, Pförtner). Die übliche Beförderung zum Gefreiten gegen Ende dieser bewegten Zeit fand wegen fortgesetzter Renitenz nicht statt. 1985 war das erste eigene Werk erschienen, eine Erzählung.

1987 ging Kruschel nach einem kurzen Lehrer-Zwischenspiel (wieder Grünau) als wissenschaftlicher Assistent an die Pädagogische Hochschule Leipzig, wo er mit einer Arbeit über die Science-Fiction-Literatur der DDR promovierte.

Nach dem „Wende“ genannten Ereignis – vermutlich nicht durch seinen 1989 veröffentlichten Band mit Erzählungen verursacht – kam ihm zusammen mit der DDR auch die Hochschule abhanden. Er arbeitete als Projektleiter am „Institut für Bildungsreform und Medienerziehung“ und mehr als ein Jahrzehnt als Chefredakteur einer Baufachzeitschrift in Leipzig. Er hatte eine Zeitlang eine Wohnung in der Berliner Eilenburger Straße und einen Job als Public-Relations-Berater, dann schlug er sich einige Jahre in verschiedenen Call-Centern durch, ehe er sich 2010 als Redakteur und Autor selbständig machte.

Seit seiner Kindheit schreibt Kruschel Prosa und Lyrik, später auch Essays und Literaturkritiken (Volksstimme, Leipziger Volkszeitung, Science Fiction Times, Das Heyne Science Fiction Jahr) sowie Beiträge für Nachschlagewerke und Lexika.
2009 erschienen die beiden Romane „Vilm. Der Regenplanet“ und „Vilm. Die Eingeborenen“ im Wurdack-Verlag. Das Buch wurde vom Internetportal phantastik-couch.de zum „Buch des Monats“ erklärt, für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert und 2010 mit dem Deutschen Science Fiction Preis als bester Roman des Jahres ausgezeichnet; eine Leseprobe ist als Lesung von Rena Larf (mp3, 28 Min., 40 MB) und als PDF-Download verfügbar.

Ein neuer Roman „Galdäa. Der ungeschlagene Krieg“ ist für das 1. Quartal 2011 angekündigt.

_Bibliographie (aus der Wikipedia)_

|Eigenständige Publikationen|

* Raumsprünge, Erzählung (illustriert von Karl Fischer), Neues Leben, Berlin 1985
* Das kleinere Weltall, Science-Fiction-Erzählungen (illustriert von Dieter Heidenreich), Das Neue Berlin, Berlin 1989, ISBN 978-3-360-00245-7
* Bildschirm im Gegenlicht, Texte zur Medienerziehung, 1992 (mit Ralf Hickethier).
* Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnbild. Utopisches und Dystopisches in der SF-Literatur der DDR in den achtziger Jahren, Sachbuch, edfc, 1995, ISBN 3-924443-77-7
* Vilm. Der Regenplanet, Roman, Wurdack, Juni 2009, ISBN 978-3938065-36-5
* Vilm. Die Eingeborenen, Roman, Wurdack, 2009, ISBN 978-3-938065-54-9

|Kurzgeschichten und Erzählungen (Auswahl)|

* Aussage des Assistenten, Neues Leben, 1979.
* Theorie der Kugelblitze, Neues Leben, 1979.
* Schach mit Otto, in „Aus dem Tagebuch einer Ameise“, hrsg. von Michael Szameit, 1985.
* … und stets das Vernünftigste tun, in „Lichtjahr 5“, hrsg. von Erik Simon, 1988. ISBN 3-360-00052-8
* Ein Fall von nächtlicher Lebensweise, in „Der lange Weg zum blauen Stern“, hrsg. von Michael Szameit, 1990. ISBN 3-355-01019-7
* Großartige Party, wirklich großartig, in „Johann Sebastian Bach Memorial Barbecue“, hrsg. von Wolfgang Jeschke. 1990. ISBN 3-453-04279-4
* Herrliche Zeiten, in „Alexanders langes Leben, Stalins früher Tod“, hrsg. von Erik Simon, 1999. ISBN 3-453-14912-2
* Regendrachen sterben, wenn die Sonne scheint, in „Lichtjahr 7“, hrsg. von Erik Simon, 1999. ISBN 3-00-005005-1
* Barnabas oder Die Vorzüge kleiner Welten, in „Lotus Effekt“, hrsg. von Heidrun Jänchen und Armin Rößler, 2009. ISBN 3-938065-32-X
* Ende der Jagdsaison auf Orange, in „Die Audienz“, hrsg. von Heidrun Jänchen und Armin Rößler, 2010. ISBN 978-3-938065-62-4
* Vierte und Erste Sinfonie, oder: Müllerbrot, in „Hinterland. 20 Erzählungen, inspiriert von der Musik David Bowies“, hrsg. von Karla Schmidt, 2010. ISBN 978-3-938065-69-3

Schüller, Martin – TATORT: A gmahde Wiesn

Den TATORT kennt heute selbst jedes Kind. Kaum ein Format kann auf eine längere und erfolgreichere Geschichte im deutschen Fernsehen zurückblicken als die legendäre Krimiserie der ARD. 2010 feierte man Vierzigjähriges. Die beliebtesten Kommissare bzw. Ermittlungsteams gehen seit einiger Zeit auch in Buchform auf Verbrecherjagd. Als Vorlage dienen bereits im TV ausgestrahlte Fälle. Die jeweils meist um die 160 Seiten starken Bücher erscheinen seit Ende September 2009 als Broschur bei |Emons| und kosten 8,95 Euro pro Band. Mit der zweiten Veröffentlichungswelle wurde das äußere Erscheinungsbild etwas angepasst. „A gmahde Wiesn“ gehört noch zur ersten Tranche und ist – wie der mundartliche Titel unschwer erkennen lässt – das Stichwort für das beliebte Münchener Trio Leitmayr, Batic und Menzinger.

_Zur Story_

Es ist Wiesn-Zeit in München, das heißt die heiße Phase der Vergabe hat begonnen. Da die Plätze auf der berühmten Theresienwiese begrenzt sind, trifft die Stadt nach einem mehr oder weniger ausgeklügelten Punktesystem die Entscheidung, welcher Wirt und welcher Schausteller – ob überhaupt und in welchem Umfang – eine der begehrten Lizenzen ergattert. Der Konkurrenzdruck, auf dem „größten Volksfest der Welt“ zugegen zu sein, ist hoch. Für manch ansässige Gewerbetreibende ist die Wiesn nicht nur die umsatzstärkste Zeit des Jahres, sondern es geht teilweise sogar um die blanke Existenz, wenn für sie diese lukrative Einnahmequelle wegfallen oder auch nur reduziert werden würde. Fast schon traditionell haben sich Wirte und Schausteller gegenseitig im Visier, gegenüber der anderen Gruppe benachteiligt zu sein.

Das schafft selbstverständlich Nährboden für Gerüchte um angebliche Mauscheleien, versuchte Bestechung und Gefälligkeiten unter Spezis. Vor diesem Hintergrund ist der recht Aufsehen erregende Tod des für die Vergabe maßgeblich verantwortlichen Stadtrates Serner natürlich besonders pikant: Verprügelt, angeschossen und schließlich im Gartenteich seiner Prunkvilla ertrunken. In dieser Reihenfolge. Da es für München um Millionenumsätze geht und man negative Publicity logischerweise fürchtet, werden den Kommissaren Franz Leitmayr, Ivo Batic und Carlo Menzinger von ganz oben Fingerspitzengefühl, absolute Diskretion und rascher Erfolg abverlangt. Damit sieht es aber eher mau aus, denn Ivo verguckt sich ausgerechnet in eine offensichtlich nicht ganz unbeteiligte Zeugin und wird beim intimen Techtelmechtel angeschossen.

_Eindrücke_

Der Titel ist Programm und wie nicht anders zu erwarten durchaus mehrdeutig zu verstehen. „A gmahde Wiesn“ heißt ins Hochdeutsche übersetzt: „Eine gemähte Wiese“. Es bezeichnet aber auch eine bayuwarische Redensart, worunter „eine todsichere/abgemachte Sache“ zu verstehen ist. Und dass die „Wiesn“ letztendlich auch den nun noch fälligen Bezug zum berühmten Oktoberfest herstellt, dürfte ebenfalls klar sein. Überhaupt strotzt der Roman vor Lokalkolorit, welches mit einer feinen Prise Humor und teilweise auch in Mundart serviert wird. Martin Schüller, der sonst eher die nordrheinwestfälischen Kommissare (Thiel/Boerne sowie Ballauf/Schenk) literarisch „betreut“, scheint sich im vermeintlichen Sumpf der Münchener Vetternwirtschaft und in der Gedankenwelt des ermittelnden Trios höchst wohl zu fühlen.

Die manchmal etwas schrulligen Münchener Hauptkommissare (in diesem Fall noch drei, Carlo – im TV dargestellt durch Michael Fitz – verlässt die Serie später) sind im Bewusstsein des Zuschauers stark durch die Schauspieler Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec verankert. Das drückt dem Fall auch in der Romanform seinen Stempel vor dem geistigen Auge auf – jedenfalls wenn man zu den halbwegs kundigen Tatort-Zuschauern gehört. Allerdings gehört die Fernsehfassung zwar zu den sehenswerten Episoden, die man unter dem Prädikat „ganz nett aber durchschnittlich“ einsortieren mag, die Buchfassung toppt sie jedoch problemlos. Das ist eigentlich eher selten, da die Geschichte schließlich fürs TV konzipiert wurde. Dennoch erscheint die Adaption von Friedrich Anis Drehbuch irgendwie runder und flotter als die Vorlage.

_Fazit_

Um im Bild zu bleiben: Eine klare Sache. Die Umsetzung des Stoffes in einen Roman hat der ansonsten absolut identischen Story sehr gut getan und die Essenz sowie Ambiente des Münchener TATORTs exakt getroffen. Der Stil ist fluffig, hat Spannung, Witz, recht authentische Charaktere und gewährt zudem ziemlich glaubhafte Einblicke in die Persönlichkeiten der (Haupt-)Figuren. Das macht die ohnehin charmanten Kommissare noch eine Spur sympathischer und verschafft dem Buch einen deutlichen Vorteil im Vergleich zur Fernsehfassung. Es liest sich auch an den Stellen noch flüssig, an denen die TV-Version ein wenig durchhängt.

|ISBN: 978-3-89705-664-0
160 Seiten, Broschur|
http://www.emons-verlag.de

_Tatort beim Buchwurm:_
[Blinder Glaube]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5914
[Strahlende Zukunft]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5956
[Todesstrafe]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6346
[Aus der Traum]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6547
[Tempelräuber]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6549
[Die Blume des Bösen]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6803

Michelle Paver – Seelenwächter (Chronik der dunklen Wälder 6)

Chronik der dunklen Wälder:

Band 1: „Wolfsbruder“
Band 2: „Seelenwanderer“ auch „Torak – Wanderer zwischen den Welten“
Band 3: „Seelenesser“
Band 4: „Schamanenfluch“
Band 5: „Blutsbruder“
Band 6: „Seelenwächter“

_Auf dem Berg der Geister: Halloween plus Walpurgisnacht_

Die Wälder vor 6000 Jahren erstrecken sich von einem Ende der Welt zum anderen, voller lebendiger Seelen – außer einer … Der 13-jährige Torak, seine Freundin Renn und ein junger Wolf haben die Welt von einem gefährlichen Dämon befreit und auf den Inseln des Robbenclans einen Seelenesser, einen bösen Schmananen, getötet. Doch dann geriet Torak in die Hände der Seelenesser, die ihm ihr Zeichen einbrannten.

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von Michalewsky, Nikolai (als Mark Brandis) – Mark Brandis: Alarm für die Erde (Weltraumpartisanen – Band 12)

_Mark Brandis:_

Band 01: [Bordbuch Delta VII]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6535
Band 02: [Verrat auf der Venus]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6539
Band 03: [Unternehmen Delphin]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6536
Band 04: [Aufstand der Roboter]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6618
Band 05: [Vorstoß zum Uranus]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6630
Band 06: [Die Vollstrecker]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6636
Band 07: [Testakte Kolibri]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 08: [Raumsonde Epsilon]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6781
Band 09: [Salomon 76]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 10: [Aktenzeichen: Illegal]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6801
Band 11: [Operation Sonnenfracht]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6802

_Band 12: Alarm für die Erde_

Es war eine der erfolgreichsten deutschen SciFi-Serien der Siebziger- und Achtzigerjahre. Nikolai von Michalewsky (1931 – 2000) alias „Mark Brandis“ schuf mit dem gleichnamigen Titelhelden, welcher quasi seine Memoiren in der Ich-Form präsentiert, einen wahren Klassiker. Zwischen 1970 und 1987 brachte er es immerhin auf 31 Bände, wobei die originalen Hardcover des |Herder|-Verlages nur noch antiquarisch und – zumindest die Erstauflage – zu teils horrenden Preisen zu bekommen waren bzw. sind. |Bertelsmann| scheiterte beim Versuch sie als doppelbändige Taschenbuchausgaben über den hauseigenen Buchclub wieder zu etablieren. Bis zum Jahr 2000 senkte sich allmählich immer mehr Vergessen über die „Weltraumpartisanen“.

Ausgerechnet in seinem Todesjahr startete NvM den letzten Versuch der Wiederbelebung und Neuausrichtung seiner Figur, kam aber über einen einzigen – wenig beachteten und noch weniger geliebten – Band („Ambivalente Zone“) nicht mehr hinaus. Erst weitere acht Jahre später nahm sich der |Wurdack|-Verlag der Originalserie noch einmal mit der ihr gebührenden Ernsthaftigkeit an und legte sie komplett neu auf: Jedes Quartal erscheinen seither zwei Bände als broschierte Sammlerausgaben für je 12 Euro. Dabei wurde der Inhalt (sogar die alte Rechtschreibung) unangetastet gelassen, das äußere Erscheinungsbild jedoch deutlich modernisiert und gelegentlich einige Randbeiträge eingebaut.

_Vorgeschichte_

Der Weltraum unseres Sol-Systems wird bereist und die nächsten Himmelskörper sind auch bereits kolonisiert. Die Zeiten einzelner Nationalstaaten sind vorbei. Nur zwei große Machtblöcke belauern sich auf dem Mutterplaneten Erde noch: Die Union Europas, Afrikas und Amerikas (EAAU) und die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR). Commander Mark Brandis, unfreiwilliger Bürgerkriegsheld (Band 1 – 4) und – seit dessen Ende – endlich wieder in der zivilen Institution VEGA (Venus-Erde Gesellschaft für Astronautik) tätig, hat in den Folgejahren schon so manchen heiklen Job im Dienste der Erde übernommen. Dabei ficht der deutschstämmige Kosmopolit und -pilot vehement für Humanität, Gerechtigkeit, Demokratie und gegen Militar- sowie Rassismus. Kurzum: Eine bessere und friedlichere Welt.

_Zur Story_

Trotz aller Bemühungen, die nuklearen Altlasten vom Kilimandscharo mit eilig umgebauten Frachtraumschiffen auf Nimmerwiedersehen in die Sonne zu schicken, ist der Super-GAU eingetreten (vgl. Band 11 – Operation Sonnenfracht). Der inaktiv geglaubte Vulkan ist im Zuge der tektonischen Unruhen in der Planetenkruste doch ausgebrochen und bläst neben Lava nun auch, wie von den Wissenschaftlern prophezeit, massiv radioaktiv verseuchte Asche in die Atmosphäre. Große Teile Afrikas sind bereits entvölkert, Mensch und Tier an der Strahlenkrankheit krepiert. Die Fall Outs nähern sich auch weiter unaufhaltsam dem Süden Europas. Die anfangs noch planvoll durchgeführten Evakuierungsmaßnahmen der EAAU sind längst in eine heillose Massenflucht mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen gewichen. Gewaltsames Chaos herrscht.

Doch es besteht Hoffnung. Zumindest eine Atempause liegt im Bereich des Möglichen – sofern es gelingt, den Tod und Vernichtung speienden Berg mittels gezielter Sprengungen zur Ruhe zu bringen. So jedenfalls eine sehr gewagte Theorie – aber die einzige derzeit durchführbar scheinende. Der Meinung sind auch die Stabschefs sowie die Regierungsrepräsentanten der EAAU. Denen sitzt zu allem Übel noch die VOR im Nacken, welche die Gelegenheit nutzen, territoriale und politisch-militärische Vorteile aus dem Desaster zu ziehen. Man beauftragt die VEGA mit dieser heiklen Aufgabe, denn um den Kilimanjaro dicht zu bekommen, muss ein bis zum Rand mit Sprengstoff gefüllter Raumer in einer der kurzen Eruptionspausen an einer ganz exakt definierten Position gelandet und zur Detonation gebracht werden.

Das allein ist schon ein absolutes Himmelfahrtskommando mit wenig Überlebenschancen für die entsprechende Crew, da diese mit dem Beiboot innerhalb von rund anderthalb Minuten ausschleusen und buchstäblich aus der Todeszone abzischen müssen. Noch dazu kommt es auf sehr gutes Timing an, denn gleichzeitig wird an anderer Stelle eine Entlastungsöffnung in die gigantische Magmakammer gesprengt. Selbstverständlich ist VEGAs bester Mann dazu angedacht das Kind zu schaukeln, doch Brandis leidet derzeit unter unerträglichen Kopfschmerzen und ist flugunfähig. Ohnehin ist er der Ansicht, das Ganze habe weniger mit Fliegerei als mit Akrobatik zu tun. Freund und Kollege Robert Monnier soll’s nun für die Menschheit richten.

_Eindrücke_

Dieser Band setzt nahtlos am Vorgänger an und bildet somit die Fortsetzung der so unglücklich geendeten „Operation Sonnenfracht“. Dementsprechend finden sich hier eine Menge Figuren wieder ein, die schon dort anzutreffen waren. Brandis‘ Konterpart Pionier-Colonel Friedrich Chemnitzer etwa – und somit auch ein erneuter Schlagabtausch der beiden. Medizinmann John Malembo und seine renitente Guerillatruppe „Fliegende Löwen“ (kurz: FL) sorgen erneut durch ihre Sabotage- und Störaktionen für andauernde Spannungen. Zudem fügen sie der Geschichte einen gewissen Mystery-Faktor hinzu, denn offensichtlich sind die FL, trotz Verzichts auf jegliche Art von Schutz, gegen die Strahlung seltsamerweise immun. Außerdem haben sie – bzw. ihr Anführer Malembo – mit Brandis seit jenen Tagen des Vulkanausbruchs noch eine persönliche Rechnung offen.

Dieses Setup sorgt für ein hohes Tempo. Einzig und allein die ominösen Kopfschmerzepisoden von Mark Brandis bremsen die Pace herunter und erlauben ihm und dem Leser eine distanziertere Sicht. MB ist überdies verhältnismäßig lange zur Untätigkeit verdammt, was durchaus eine neue Komponente in der Serie darstellt. Überhaupt ist die Erzählweise diesmal ein wenig anders gestaltet und erweitert die in der Serie übliche Ich-Form von MB als Erzähler zusätzlich auf Ruth O’Hara, die hier aus ihren – fiktiven – Memoiren („Die Pilotenfrau“) zitiert. Auch VEGA-Chef John Harris streut zwischenzeitlich immer wieder seinen Beitrag ein („Harris-Report“). Diese Kapitel sind kurioserweise allerdings in der dritten Person bzw. aus der Perspektive eines externen, nüchtern-neutralen Beobachters abgefasst. Das erscheint stilistisch etwas inkonsequent.

Wie immer übertrifft die menschliche Komponente die Science Fiction. Während man Nikolai von Michalewsky für den Mut, seinen Heldenvor Angst regelrecht krank und damit untätig werden zu lassen, bis es fast zu spät ist, Respekt zollen muss, kränkelt mal wieder mal die physikalisch-technische Seite. So richtig plausibel ist der Plot diesbezüglich nicht. Insbesondere was Tektonik sowie Radioaktivität angeht, herrscht eine gewisse Naivität vor. NvM macht es sich hinsichtlich solcher gerade für eine glaubwürdige SciFi-Story wichtigen Dinge grundsätzlich zu leicht oder biegt sich die Elemente im Namen der Handlung oft soweit zurecht, sodass sie manchmal arg konstruiert wirken. Spannung aufzubauen gelingt ihm damit allerdings, spätestens beim zweiten Blick sollte man häufig jedoch generös die Augen zudrücken. Kenner der Serie sind darin geübt.

_Spoilerwarnung!_

Selbstverständlich bekommt die Hauptfigur Brandis letztendlich doch noch die Kurve, rettet (wieder mal sowie wenig überraschend) die Menschheit und sich selbst samt Crew, denkbar knapp. Einen kräftigen Schluck aus der Pathos-Pulle muss man – zumindest im Finale – schon verdauen, doch das gehört einfach zu einem MB-Roman. Dabei schafft NvM es auch gleich die noch offenen Nebenhandlungen zu einem halbwegs befriedigenden Abschluss zu bringen. Nur die vielleicht vom einen oder anderen Leser mit Freude erwartete erneute Konfrontation mit dem schmierig-arroganten Colonel Chemnitzer fällt ziemlich zahnlos aus. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben, die beiden vertagen ihre Zwistigkeiten auf den nächsten Band. Die nächste Baustelle wartet nämlich schon auf die Streithammel und so endet der „Alarm für die Erde“ mit einem Cliffhanger.

_Fazit_

„Alarm für die Erde“ bietet solide, action- sowie temporeiche MB-Kost mit allen bekannten Stärken und Schwächen, welche die Serie so sympathisch machten. Dabei überwiegen die positiven Aspekte. Obschon prinzipiell eigenständig, ist dieser Band der mehr oder weniger inoffizielle zweite Teil des gelungenen „Operation Sonnenfracht“ und gleichwohl der Brückenschlag zu „Countdown für die Erde“. Ohne den Vorgänger zu kennen ist das Buch kaum sinnvoll, daher ist es für Quer- wie Neueinsteiger in die Serie eigentlich nicht geeignet.

|ISBN: 978-3-93806-553-2
180 Seiten, Broschur|

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