Bilal, Enki – Bilal – Rendezvous in Paris

|Rote Fliegen, Fußball und Gehirnimplantate – nur ein paar Details aus »Rendezvous in Paris«, dem neuen Werk von Enki Bilal. Optisch wie inhaltlich ist der Band ein schwerer Brocken. Aber Unterhaltung auf hohem intellektuellen Niveau ist man von dem französischen Altmeister ja gewohnt. Mögen muss man das nicht.|

Mit »Rendezvous in Paris« erscheint der dritte Band von Enki Bilals phantastischer Science-Fiction-Trilogie, die 1998 mit »Der Schlaf des Monsters« ihren Anfang nahm. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die drei Waisen Nike Hatzfield, Leyla Mirkovic und Amir Fazlagic. Alle drei wurden zur Zeit des Bürgerkriegs in Sarajewo geboren. Seitdem verbindet sie auf geheimnisvolle Weise ein gemeinsames Schicksal.

In großen Panels und kurzen Episoden erzählt Bilal die Geschichte der drei Waisen weiter. Wir schreiben das Jahr 2027. Nike Hatzfield existiert inzwischen zweimal. Einmal ist er wirklich, einmal ist er das Replikat des wahnsinnigen Künstlers Optus Warhole. Eine Existenz von ihm liegt auf dem Mars, eine andere befindet sich auf der Erde. Bilals erzählerischer Fokus liegt auf dem irdischen Nike Hatzfield, wahrscheinlich das künstliche Duplikat. Er steht in den Diensten des wahnsinnigen Künstlers Holeraw, der wiederum ein jüngeres Replikat von Optus Warhole selbst ist. Verwirrt? Es geht noch weiter.

Leyla Mirkovic wird entführt und findet sich in der Gewalt der beiden Wissenschaftler Martha Saparadorn und Jeffrey Koulikov wieder. Gemeinsam mit Leyla wollen sie das Geheimnis der Adler-Stätte lüften, einer merkwürdigen Ruinenanlage, die schon im zweiten Band [»32. Dezember« 2313 eine wichtige Rolle spielte. Die Oberhäupter der Weltreligionen sind zum Jahreswechsel spurlos in diesen Ruinen verschwunden. Ein kosmisches Spektakel? Oder bloß eine verrückte Idee von Optus Warhole? Man war sich nicht sicher. Jetzt gibt es Hinweise auf den Verbleib der Vermissten, nämlich Leylas Träume. Saparadorn und Koulikov eröffnen ihr, dass sie ein Gehirnimplantat besitzt, mit dem sie Kamerasequenzen empfangen kann. Ihre Träume sind in letzter Zeit sehr greifbar, das war ihr auch schon aufgefallen. Sie träumte vom Mars und von ihrem alten Freund Nike Hatzfield. Eine Sonde überträgt Bilder von ihm direkt in ihre Träume. Im Hintergrund: Die beinernen Überresten der vermissten Religionsoberhäupter. Die Spur führt also zum roten Planeten.

Verwirrt? Es geht noch weiter. Bilals Vorrat an extravaganten Ideen geht offensichtlich nicht so schnell zur Neige. Bleibt noch Amir Fazlagic. Aus ihm wurde der dritte Torwart einer internationalen Fußballmannschaft, die auf einem umgerüsteten Flugzeugträger lebt und trainiert. Wo früher das Rollfeld war, präsentiert sich nun der Rasenplatz. Manager der Mannschaft ist der Unternehmer Branko. Er hat den Bürgerkrieg in Jugoslawien miterlebt und weiß von Nikes, Leylas und Amirs gemeinsamer Vergangenheit. So weit ein paar kurze Worte zum Inhalt von »Rendevouz in Paris«. Amirs mutierte Frau Sascha, der Todesrülpser über Bangkok oder die roten Spionfliegen des toten Warhole bleiben dabei noch unerwähnt. Aber, wie gesagt, extravagante Ideen gehen Bilal nicht so schnell aus.

Für eingefleischte Fans von Enki Bilal ist »Rendevouz in Paris« sicherlich ein Muss. Immerhin zwei Jahre musste man hierzulande auf den dritten Teil der Trilogie warten. Allerdings ist damit noch nicht Schluss, die Reihe geht weiter. Ein vierter Band ist angekündigt. Wann er erscheint, steht in den Sternen. So bleibt das Ende von »Rendezvous in Paris« offen, unabgeschlossener noch als »32. Dezember«. Eigentlich ist nichts geklärt. Wie Verlorene geistern die drei Hauptfiguren durch die öde und traurige Welt des Jahres 2027 auf der Suche nach – was eigentlich? Sie begegnen sich nicht, berühren sich nur irgendwie in weiter Ferne, da, wo alles diffus wird und man nichts mehr erkennt. Melancholie und Technik, ein kaltes und hartes Verständnis von Beziehungen und Kunst kreuzen sich und formen ein wirbelndes Episodenwirrwarr. Als Leser verliert man leicht den Überblick. Vielleicht bringen mehrmalige Lektüre und der vierte Band der Trilogie etwas Licht ins Dunkel. Nichtsdestotrotz wünscht man sich, Bilal würde es seinen Lesern ab und zu etwas leichter machen.

http://www.ehapa-comic-collection.de/

Douglas Adams – Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele (Dirk Gently’s Holistische Detektei)

Dirk Gently, der holistische Privatdetektiv, schlittert durch den merkwürdigen Tod eines neuen Mandanten wieder in einen skurrilen Fall. Erneut gerät er an Polizisten, die ihn schon kennen und nicht mögen, plagt sich mit seinem chronischen Geldmangel und einem kaputten Kühlschrank herum und schließlich noch mit einem rabiaten goldenen Adler. Auch Kate Schechter, eine in London lebende Journalistin, hat eine Pechsträhne. Als sie nach diversen Widrigkeiten endlich am Flughafen Heathrow ankommt, fliegt sie mitsamt dem Schalter und einem sturen Fluggast in die Luft. Bei ihren anschließenden Recherchen nach dem verschwundenen Mann gerät sie an Dirk Gently und in eine haarsträubende Geschichte.

Die Hauptfigur des Romans ist der Privatdetektiv Gently, den der Leser schon aus [„Der Elektrische Mönch“ 3097 kennt. „Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele“ ist allerdings keine Fortsetzung, sondern ein eigenständiger Roman. Das sehr individuelle Romanpersonal umfasst nordische Gottheiten, eine praktisch veranlagte Journalistin, einen Psychologen, der sich selbst der beste Patient sein könnte, ein fernsehsüchtiges Kind und ein typisches Yuppiepaar. Die Charaktere sind größtenteils recht schräg, wie es für Adams typisch ist.

Wie schon im ersten Buch mit Dirk Gently ist die Handlung Nebensache. Während jedoch im Vorgänger einiges noch nachvollzogen werden konnte, dient die Handlung in „Fünfuhrtee“ nur noch dazu, den Zeitgeist aufs Korn zu nehmen. Der Geschichte fehlt jede Logik, alles ist sinnlos absurd. Adams schildert erneut seine Sicht auf diese Zeit durch witzig-überspannte Gedanken zu alltäglichen Situationen, die jeder Leser kennt. Natürlich gibt es auch wieder den bekannten Sprachwitz, aber vor allem sehr viel Absurdes.

Die ebenso irre wie wirre Handlung beleuchtet das Leben der nordischen Götter, die in dieser Welt zurechtkommen müssen. Auch sie können sich den Zeichen der Zeit nicht entziehen: Donnergott Thor wird von Schwindel, Schuldgefühlen und allerhand Modekrankheiten geplagt, gegen die in der Fernsehwerbung Mittel angepriesen werden. Odin ist ein müder alter Mann, der mit einem Anwalt einen Vertrag abschließt, damit ihm ein gemütliches Dasein als umhegter Patient in einer Privatklinik garantiert ist. Fast alle Götter haben Alkohol- und Psychoprobleme, denn die Menschen, von deren Welt sie abhängen, glauben nicht mehr an sie.

Wer sich nicht an der völlig konfusen und von Zufällen vorangetriebenen Handlung stört, kann sich am bewährten Witz von Adams erfreuen. Einer der Höhepunkte der Geschichte ist sicher die Fähigkeit des Autors, zahlreiche Begriffe für unfreundlich herumlungernde Kellner zu finden. Aber auch die Situationen, die sich aus der Überschneidung der Welt der nordischen Götter mit jener der Menschen aus dem heutigen London ergeben, bieten gute Unterhaltung, zum Beispiel wenn Gently einen goldenen Adler in seiner Küche durchs Schlüsselloch ausspionieren will:

|“Zuerst meinte er, er könne gar nichts sehen, es sei offenbar von irgendwas verstopft. Ein leichtes Flackern und Glänzen ganz dicht an der anderen Seite enthüllte ihm dann plötzlich die erschreckende Wahrheit, dass auch der Adler ein Auge am Schlüsselloch hatte und zu ihm hinüberspähte.“|

Zwar kommt die Geschichte abrupt zum Ende und wirkt so, als habe Adams das Buch eben beenden müssen, doch wer sich für absurde Ideen und bissige Beschreibungen des Alltags begeistern kann, wird sich bei dieser Zeitgeistsatire gut unterhalten.

Taschenbuch: ‎288 Seiten

http://www.douglasadams.com/
http://www.heyne.de

_Maren Rhea Fanenbruck-Pelgrim_

Phillips, Elizabeth Magie / Darrow, Charles / Autorenteam – Monopoly express

_Jetzt wird gewürfelt_

„Monopoly“ – das vielleicht bekannteste Brettspiel der Welt hat in den letzten Jahren bereits seinen dritten und vierten Frühling erlebt, als über die verschiedensten Verlage komplett neue Editionen auf den Markt gebracht wurden, die einem mittlerweile sogar erlauben, das Haus- und Hotelbauspiel in der eigenen Heimatstadt zu spielen. Am Spielprinzip hat indes bislang noch nie einer so richtig gerüttelt. Der Aufbau des Spielbretts, die Optionen, die Zugmöglichkeiten, all das blieb fast immer gleich; lediglich die Namen der Straßen, Bahnhöfe, etc. veränderten sich über die Jahre permanent, je nach Version und Edition.

Nun jedoch eine kleine Revolution: Mit „Monopoly express“ haben Parker ein neues Spiel unter gleichem Titel veröffentlicht, welches sich thematisch am berühmten Original orientiert, inhaltlich aber völlig neue Wege einschlägt. Statt im Kreis zu ziehen und mit Glück und Geschick Straßen, Häuser und Hotels zu kaufen, wird nun gewürfelt und taktiert, ähnlich wie beim großen Mutterwürfelspiel „Kniffel“. Allerdings geht es bei „Monopoly express“ um mehr als nur darum, Pärchen und dergleichen zu sammeln. Vielmehr sollte man hier zugehörige Straßen verbinden, bevor der Gefängniswärter einen vorzeitig einbuchtet. Doch der Mann ist skrupellos und fügt dem Spiel eine Komponente hinzu, deren unschätzbarer Wert sich erst nach mehreren Partien offenbart. Wer hätte schon gedacht, dass „Monopoly“ spielen noch einmal so interessant und erfrischend sein könnte? Geschweige denn, dass man eine Runde schon in einer guten Viertelstunde zu Ende gebracht haben kann …

_Spielmaterial_

• 1 Spielbrett
• 1 Würfelschale
• 4 Häuser
• 1 Wertungsblock
• 11 Würfel
• 1 Regelheft

Kompakt, stabil und universell verwendbar – die runde Spielbox der „Monopoly“-Würfelvariante macht nicht nur optisch etwas her, sondern unterstreicht noch ein weiteres Mal die tolle Verquickung von Simplizität und Effizienz, die diesem Spiel zugrunde liegt. Das gesamte Material lässt sich mit wenigen Handgriffen in der kleinen Spielschachtel verstauen, kann aber auch wieder an jedwedem Ort ausgepackt werden, weil die Würfelfläche quasi mit inbegriffen ist und das kleine Spielbrett außerdem nicht zulässt, dass die Würfel verrutschen. Das Design der elf sechsflächigen Würfel lässt ebenfalls keine Wünsche offen und ist weitestgehend an das richtige Brettspiel angelehnt. Weil das Ganze schließlich auch noch sehr robust ist und auch nach etlichen Runden kaum Verschleißerscheinungen zeigt, gehen hier schon einmal beide Daumen nach oben.

_Spielidee_

Auch in „Monopoly express“ geht es hauptsächlich darum, die Straßen einer Farbe komplett zu sammeln und für ihre Verbindung einen Ertrag einzustreichen. Im Gegensatz zu den Geldscheinen des Brettspiels sammelt man hier durch Punkte symbolisierte Eurowerte ein, die jedoch erst dann lukrativ werden, wenn man eine oder mehrere Serien komplett hat. Insgesamt sind alle sechs Dreierkombinationen sowie die beiden Straßenduos in den entsprechenden Farben des Originals auf dem runden Spielbrett abgebildet und bieten vom Erlös her ebenfalls einen ähnlichen Aufbau. Während die beiden braunen Flächen die niedrigsten Punktzahlen erzielen, bekommt man für die beiden dunkelblauen Straßen den Spitzenwert von 3500 Punkten. Die übrigen Werte befinden sich irgendwo dazwischen und steigen von hellblau bis grün – ganz genau so, wie man das gewohnt ist.

Auf den Würfeln sind nun die verschiedenen Symbole für diese Straßen sowie Bahnhöfe, Elektrizitäts- und Wasserwerk abgebildet. Zusätzlich gibt es noch drei Würfel mit dem Gefängniswärter, die dafür sorgen, dass das Spiel sofort beendet ist, wenn alle drei gewürfelt wurden. In beliebig vielen Würfen ist es nun an jedem Spieler, komplette Farbkombinationen zu würfeln und sie auf dem Spielbrett auszulegen. Dabei muss man stets auch die Gefängniswürfel im Auge behalten, denn sobald diese allesamt den Polizisten zeigen, ist die gesamte Runde wertlos und der Zug zu Ende.

Schlussendlich geht es also darum, möglichst viele Punkte zu gewinnen und ein vorschnelles Rundenende intuitiv zu vermeiden. Wer dabei zuerst 15.000 € bzw. Punkte verdient hat (diese Zielvorgabe kann man natürlich von Spiel zu Spiel variieren), ist er Sieger.

_Ein Spielzug_

Zu Beginn eines Spiels werfen alle Spieler die drei Würfel mit dem bekannten Symbol „Gehen Sie in das Gefängnis“ und wählen damit den Startspieler. Dies ist natürlich derjenige mit den wenigsten erwürfelten Symbolen. Dieser Spieler nimmt nun alle Würfel außer den mit Hotels und Häusern und wirft sie in die Schale. Nun sortiert er erst einmal alle Gefängnissymbole aus und legt sie auf das dafür vorgesehen Feld im Zentrum des Spielfelds. Sollte er einen Pfeil mit dem „Los“-Symbol gewürfelt haben, schreibt er sich sofort 200 € gut. Anschließend beginnt die Entscheidungsphase, in der man individuell auswählen darf, welche Farben man behalten und welche man lieber neu werfen möchte. Hierbei sollte man natürlich versuchen, die lukrativeren Gruppen zu sammeln, zum Beispiel die dunkelblaue oder die grüne. Wer jedoch schon ein schlechtes Resultat mit den Gefängniswürfeln erreicht hat, sollte sich mit den besten vorliegenden Kombinationen zufriedengeben und eventuell auch schon aussteigen, um überhaupt ein paar Punkte zu ergattern. Sollte der Spieler einen Ereignisfeld-Würfel geworfen haben, darf er ihn als Joker zu einer beliebigen Gruppe hinzuaddieren und sie gegebenenfalls komplettieren. Einmal aussortierte und abgelegte Würfel dürfen jedoch in dieser Runde nicht wieder zurückgenommen und irgendwo anders ausgelegt werden.

Nachdem man dann entschieden hat, wie man fortfährt, nimmt man die verbliebenen Würfel und würfelt sie erneut. Wer bereits eine Gruppe komplett beisammen hatte, darf außerdem nun auch den Haus- und Hotelwürfel einsetzen. Mit ihm kann er bei entsprechendem Würfelergebnis fortan Häuser bauen oder sogar einen Gefängniswürfel entfernen. Es besteht jedoch mit dem gleichen Würfel auch die Möglichkeit, dass man ein gerade gebautes Haus zwangsweise wieder abreißen und zurückgeben muss. Wem es darüber hinaus auch noch gelingen sollte, vier Häuser zu bauen, der hat die Chance, das Ganze noch mit einem Hotel zu steigern – wenn er das entsprechende Symbol zur rechten Zeit wirft.

Jeder Spieler wirft so lange, bis er mit seinem Ergebnis zufrieden ist, keine Würfel mehr ausliegen oder aber vorzeitig eine Unterbringung im Gefängnis erforderlich war. Danach folgt die Wertung. Punkte (in Euro) gibt es für jede vollständige Gruppe, sofern man denn eine hat, beim Besitz aller Bahnhöfe sowie der Kombination aus E- und Wasserwerk. Wem es nicht gelungen ist, eine Gruppe zu vervollständigen, der wertet lediglich diejenige mit dem höchsten Gesamtwert. Weiterhin zählen Häuser jeweils 1000 € und ein Hotel 5000 €. All dies wird nun mit den eventuell schon vorher gesammelten „Los“-Werten verrechnet und anschließend auf dem Wertungsblock notiert. Dieser Schritt entfällt allerdings für den Fall, dass man vorzeitig eingebuchtet wurde.

Runde für Runde wird das Spiel nun fortgesetzt, bis schließlich der erste Spieler das zuvor bestimmte Spielziel erreicht hat. Für den Einstieg eignen sich hier durchaus 15.000 €.

_Meine Meinung_

„Monopoly“ mal ganz leicht gemacht? Denkste! Klar, das Würfelspiel ist superleicht verständlich und erfordert auch keine Vorkenntnisse aus dem Basisspiel, aber dennoch kann man „Monopoly express“ nicht ohne Weiteres knacken. Anders als beim großen Original muss man hier nämlich so richtig pokern und einfach nur hoffen, dass man nicht schon wieder ins Gefängnis muss. Man kann eine noch so gute Auslage haben und darauf spekulieren, den oder die letzten fehlenden Würfel in einem der nächsten Würfe zu bekommen. Doch schon im kommenden Wurf kann einem unerwartet alles zunichte gemacht werden, so dass das als leicht eingeschätzte Spielziel letztendlich doch nicht so einfach zu erreichen ist.

Dadurch bleibt aber auch die Motivation bis zum Schluss erhalten. Es ist zum Beispiel möglich, einen fast schon vernichtenden Rückstand in ein bis zwei Runden wieder aufzuholen, wenn die Gegenspieler dann auch mal ein wenig Pech haben. Mehrere Runden ohne Erfolg zu bleiben, ist ebenfalls gar kein Problem, denn es bietet sich gegebenenfalls immer noch die Chance, das Feld von hinten aufzurollen. Die Kontrahenten können nämlich auch nicht auf Nummer Sicher spielen, weil man relativ schnell die drei unliebsamen Gesichter des Polizisten gewürfelt hat und somit alle Hoffnungen bis auf weiteres begraben werden. Interessant, was sich dabei manchmal für Szenarien abspielen …

Alles in allem bin ich sehr überrascht von den vielen neuen Möglichkeiten, die sich in diesem kompakten Kurzspiel ergeben. Die taktischen Vorgehensweisen mögen zwar trotz allem eingeschränkt sein, doch weil sich in jeder Runde wieder völlig neue Voraussetzungen ergeben und der Verlauf sich mitunter schlagartig ändert, muss man jedes Mal wieder von Neuem planen, nur um später einzusehen, dass es schon wieder falsch war. Denn der letzte Gefängniswürfel kommt ganz bestimmt!

Aber das Spiel macht einfach Spaß, lebt vom ständigen Auf und Ab und verlangt ab einem gewissen Zeitpunkt förmlich danach, immer wieder ausgepackt zu werden – was aber auch kein Problem darstellt. Ob in der Kaffeepause, im Bett, zum Anheizen oder Ausklang eines Spielabends, einfach nur so für zwischendurch, es bieten sich immer wieder Gelegenheiten, die Würfel herauszuholen und das Spiel an Ort und Stelle zu spielen. Genau das macht „Monopoly express“ dann auch aus und qualifiziert es als eines der schönsten, universell tauglichen Familienspiele auf dem Markt. Da sage noch einmal jemand, „Monopoly“ sei ein Endlosspiel und auf Dauer langweilig …

http://www.hasbro.de

Berry, Steve – Urbi et Orbi

|Sancti Apostoli Petrus et Paulus, de quorum potestate et auctoritate confidimus, ipsi intercedant pro nobis ad Dominum.

Amen.

Precibus et meritis beatæ Mariae semper Virginis, beati Michaelis Archangeli, beati Ioannis Baptistæ et sanctorum Apostolorum Petri et Pauli et omnium Sanctorum misereatur vestri omnipotens Deus et dimissis omnibus peccatis vestris, perducat vos Iesus Christus ad vitam æternam.

Amen.

Indulgentiam, absolutionem et remissionem omnium peccatorum vestrorum, spatium verae et fructuosae penitentiæ, cor semper penitens et emendationem vitae, gratiam et consultationem sancti Spiritus et finalem perseverantiam in bonis operibus, tribuat vobis omnipotens et misericors Dominus.

Amen.

Et benedictio Dei omnipotentis Patris et Filii et Spiritus sancti descendat super vos et maneat semper.

Amen.|

|Urbi et Orbi| – der Stadt und dem Erdkreis: Damit verbindet wohl ein jeder Christ oder zumindest gläubige Katholik den apostolischen Weihnachts- und Ostersegen, den das Oberhaupt der Römisch-katholischen Kirche, der Stellvertreter Jesu Christi und Nachfolger des Apostelfürsten, pünktlich jedes Jahr zu Milliarden von Menschen rund um den Erdball sendet.

„Urbi et Orbi“ ist auch der Titel eines Romans vom Autor Steve Berry. Der Kundige stöhnt auf: Nicht schon wieder ein Roman, der sich mit dem Vatikan, einer Geheimloge, Verschwörungstheorien und Nachfolgern Christi beschäftigt! Sieht man sich die Auslagen der großen und kleinen Buchhandlungen an, so drängt sich dem literarisch interessierten Mitmenschen der Eindruck auf, dass es eine ganze Reihe von Autoren gibt, die sich im Wirkungskreis eines Dan Brown („Sakrileg“, „Illuminati“) bewegen wollen, um vielleicht einen ähnlich kommerzträchtigen Erfolg vorweisen zu können.

Nur wenige davon haben es bis dato geschafft, mein Interesse wirklich zu wecken und mir positiv in Erinnerung zu bleiben. Der vorliegende Roman ist empfehlenswert und gibt dem Leser viel mehr Einblicke in die Kurie des kleinen Kirchenstaates, als ich es anfänglich für möglich gehalten habe, denn der Buchrücken verheißt nicht wirklich viel Überraschendes.

Autor Steve Berry befasst sich mit alten Prophezeiungen: die „drei Geheimnisse von Fátima“, die als Wunder und daher für viele gläubige Menschen als Beweis für die Existenz Gottes gelten. Die „Echtheit“ wurde seitens der Römisch-katholischen Kirche bestätigt.

_Die Story_

13. Juli 1917. Cova da Iria bei Fátima in Portugal. Die drei ärmlichen Hirtenkinder Lucia dos Santos, Jacinta Marto und Francisco Marto empfangen von der heiligen Jungfrau Maria drei Botschaften, drei Visionen, drei Offenbarungen, die vielmehr eine Prophezeiung sind. Veröffentlicht wurden diese, „drei Geheimnisse von Fátima“ nicht, der Vatikan schenkte den drei Kindern anfänglich keinen Glauben. Der Grund war, dass der Papst die uneingeschränkte und einzige Wahrheit Gottes verkündete, und dass seine Worte niemals angezweifelt werden durften.

Erst 1927 soll Lucia dos Santos die Erlaubnis direkt als Botschaft von Gott erhalten haben, diese Geheimnisse zu lüften und niederzuschreiben. Aber auch hier verbot die Kirche die Veröffentlichung der Geheimnisse.

1941. Vierzehn Jahre später übergab sie die Niederschrift der Geheimnisse dem Bischof von Leiria. Ein Jahr später wurden die ersten beiden Geheimnisse vom Vatikan veröffentlicht. Die drei Kinder hatten mehrere Visionen, mehrere Begegnungen mit der Jungfrau Maria. Die wichtigste und tragendste Rolle spielte dabei Lucia dos Santos, die nicht nur die Jungfrau leibhaftig sah, sondern auch mit ihr als Einzige sprach.

Das dritte Geheimnis wird unter Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 öffentlich verlesen. Er sieht in der Prophezeiung, und interpretiert dies auch in der Öffentlichkeit, dass das Attentat auf ihn direkt damit im Zusammenhang steht.

Aber warum zweifeln Gläubige, Wissenschaftler und selbst Priester das dritte Geheimnis von Fatima an? Verschweigt die Kirche etwas, wodurch ihre Existenz, ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt würde, oder betreffen die Worte der Jungfrau Maria die gesamte Welt, ob nun christlich oder nicht?

Rom, Vatikan, in der Gegenwart. Colin Michener, der irisch-amerikanische Privatsekretär des kränklichen Papst Clemens XV. sorgt sich um den Stellvertreter Christi. Der Papst zieht sich immer öfter in die Geheimen Archive des Vatikanischen Staates zurück und betritt einen Raum, der nur den Päpsten zugänglich ist. Hier, an einem Ort, den nur die wenigsten Sterblichen je sehen, liegen auch die Orginaldokumente der Geheimnisse von Fátima – die originalen Aufzeichnungen von Lucia dos Santos. Papst Clemens sorgt sich um diese düsteren und schwer interpretierbaren Worte eines Hirtenmädchens und schickt seinen Privatsekretär Colin Michener auf eine mysteriöse Reise ins ferne Rumänien. Dort lebt sehr abgeschieden der letzte lebende Zeitzeuge, ein alter Priester, der die Weissagungen von Lucia ins Italienische übersetzte.

Doch die Angst des Papstes beobachten auch andere römische Kirchenoberste. Diese sorgen sich nicht um das Oberhaupt, sondern gieren nach dem Ring des Fischers, nach der Unfehlbarkeit der Papstwürde und der alleinigen Macht.

Ein potenzieller Nachfolger, ein italienischer Kardinal, der den Papst direkt mit seinen Ängsten konfrontiert, wird die größte Gefahr für den Sekretär Colin Michener, der selbst gerne die Kardinalswürde innehätte und über einen dunklen Punkt seiner Vergangenheit nicht hinwegkommt.

In Rumänien kann er das Geheimnis von Fátima mit Hilfe des letzten Zeitzeugen nicht auflösen. Noch mehr offene Fragen stellen sich ihm entgegen und immer mehr vermutet Colin, dass das dritte Geheimnis nicht vollständig veröffentlicht wurde. Im Gegenteil, wurde es gar verändert?

Er weiß nicht, wem er noch trauen kann, der Papst schickt ihn wiederum zu dem Wallfahrtsort Medjugorje (Bosnien Herzegowina), in dem Jugendliche seit den 80er Jahren ebenfalls Marienerscheinungen hatten und diesen ebenfalls Botschaften übermittelt wurden. Der Papst setzt ein offizielles Schreiben an die Seher auf und schickt Colin Michener wiederum auf die Reise, um Licht ins Dunkel der Geheimnisse zu bringen.

_Kritik_

„Urbi et Orbi“ bietet dem Leser einen einzigartigen Einblick in die Hierarchie des Vatikans. In vielen Passagen des Romans werden diverse Rituale und Gegebenheiten des kleinen, aber mächtigen Kirchenstaates erklärt. Der Autor Steve Berry hat für seine Recherche hierzu ein besonderes Lob verdient. Keine haltlosen Theorien, keine Verschwörungen mit Geheimlogen oder Politikern. Nein, ganz im Gegenteil. Berry erzählt in seinem Roman eine wirklich spannende Story, die, befasst man sich mit den Marienerscheinungen von Fátima, der Realität entsprechen könnte.

Auch greift Steve Berry alltägliche Themen und Skandale des kleinsten Staates der Welt auf. Dogmen wie das Zölibat, die Unfehlbarkeit des Papstes und selbst die sexuellen und homosexuellen Ausschreitungen der katholischen Priester werden thematisiert. Und dies weder ausschweifend noch von Vorurteilen geprägt.

Papst Clemens XV., der ja im Roman nur eine fiktive Person verkörpert, wird sehr menschlich dargestellt, mit allen Fehlern und Ängsten, die ein Mensch, sei er auch das Oberhaupt der weltweit größten Kirche, betreffen. Auch der zweiten und eigentlichen Hauptfigur in Person des Privatsekretärs Colin Michener hat der Autor Tiefgang verliehen, der die Protagonisten in thematisch ähnlichen Romanen wie eben „Sakrileg“ oder „Illuminati“ blass erscheinen lässt.

„Urbi et Orbi“ lebt von den Dialogen und bringt den Leser dazu, einen Spannungsbogen zu verfolgen, der anders gelagert ist als bei den meisten klerikalen Thrillern. Die Geheimnisse von Fátima, und dazu komme ich noch am Ende meiner Rezension, werden hier dem Lesen aufmerksam vermittelt, so interessant, dass man gerne mehr darüber erfahren möchte – auch wenn man, wie ich, gerade solchen Phänomenen eher skeptisch gegenübertritt.

Die verborgene Welt des Vatikans tritt hier für den Laien ein wenig deutlicher zutage und bringt dem Leser verständlich nahe, warum die Kirchenfürsten so um ihre weltliche Macht bangen. Ohne durch Detailreichtum an Spannung zu verlieren, liest sich der Roman flüssig und kommt ohne logische Fehler aus.

Ein guter Ansatz zum Gelingen des Werkes ist, dass Steve Berry sichtlich Mühen auf sich genommen hat, genau zu recherchieren, ohne dabei wie andere Autoren maßlos zu übertreiben. Auch wurden Details aufgegriffen wie das Ritual der Exkommunikation eines Priesters, der das Dogma des Zölibats in Frage stellt und sich vor einem Gericht aus Kardinälen dazu rechtfertigen soll. Nur ein Nebenthema in der Geschichte, aber ungemein interessant, spannend und prägend erzählt. Aber das ist nur ein Kleinod der Nebenschauplätze.

_Steve Berry_ ist amerikanischer Anwalt und hat auch „Die Romanow-Prophezeiung“ verfasst, die ebenfalls bei |Blanvalet| erschienen ist.

http://www.blanvalet.de

Nimmo, Jenny – Charlie Bone und das Geheimnis der blauen Schlange (Die Kinder des roten Königs 3)

Band 1: [„Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ 1992
Band 2: [„Charlie Bone und die magische Zeitkugel“ 2448

Was für ein Stress! Benjamin ist mit seinen Eltern nach Hongkong geflogen und hat seinen Hund Runnerbean ohne Vorwarnung bei Charlie deponiert. Dabei muss Charlie am Montag wieder ins Bloor … Und das ist längst nicht alles! Seine Großtanten haben ein Mädchen in Charlies Alter angeschleppt, sehr hübsch, aber auch sehr seltsam. Charlie traut dieser Belle keinen Schritt weit, und lästig ist sie obendrein! Als wäre das nicht schon genug, ist Charlies Onkel Paton verschwunden – „um etwas Schlimmes zu verhindern“, wie er in einer Nachricht geschrieben hat -, und als er zurückkommt, ist er ein Wrack, das seine Sonderbegabung verloren hat!

Kaum zurück im Bloor, findet Charlies Freundin Emma einen Brief, aus dem hervorgeht, dass der neue Kunstlehrer Mr. Boldova ans Bloor gekommen ist, um nach dem verschwundenen Ollie Sparks zu suchen, und sich deshalb in Gefahr befindet. Und dann muss Charlie auch noch feststellen, dass nach einem weiteren Besuch in Oma Bones Gemälde der dortige Hexenmeister Skarpo ihm offenbar aus dem Bild in die Gegenwart gefolgt ist und alles durcheinander bringt!

Wieder einmal hat Charlie die Hilfe all seiner Freunde nötig, um erneut Ordnung in das Chaos zu bringen und die Pläne der Darkwoods und Bloors zu vereiteln …

|Charakterreigen|

Die im letzten Band neu aufgetauchte Köchin ist tatsächlich noch da und eine wertvolle Verbündete für Charlie und seine Freunde.

Charlies Großonkel Henry, den Charlie im letzten Band mit so viel Mühe vor den Bloors gerettet hat, taucht erwartungsgemäß nicht mehr auf. Sein Platz wird von Ollie eingenommen, einem Jungen ohne Sonderbegabung, aber mit ausgeprägter Neugier. Eines Tages hat er seine Nase zu tief in die falsche Ecke gesteckt, und jetzt ist er unsichtbar. Zumindest fast, bis auf einen großen Zeh. Die Bloors behalten ihn als Versuchskaninchen, denn Ezekiel Bloor, Manfreds Großvater, wäre gern auch mal unsichtbar, allerdings erst, wenn er ein Mittel gefunden hat, danach auch wieder sichtbar zu werden. Bisher allerdings hat keiner seiner Versuche Ollie wieder zum Vorschein gebracht.

Deshalb ist Belle ans Bloor gekommen. In kürzester Zeit stellt sich heraus, wer dieses Mädchen wirklich ist, und was sie kann. Aber nicht einmal sie findet die Lösung des Geheimnisses, nach dem Ezekiel so verbissen sucht. Vielleicht liegt das daran, dass sie so sehr mit Charlie beschäftigt ist, beziehungsweise damit, ihn an der Durchkreuzung ihrer Pläne zu hindern. Mit der Zeit wird sie immer rachsüchtiger …

Mr. Boldova spielt in dieser ganzen Geschichte eher eine Nebenrolle. Seine Sonderbegabung ist zwar hübsch anzusehen, aber nicht unbedingt mächtig, und so wird er recht bald aus dem Verkehr gezogen.
Interessant ist dagegen, wie Billy sich entwickelt. Der einsame Junge, der sich für das Versprechen, adoptiert zu werden, als Spitzel hat kaufen lassen, ist längst schwer enttäuscht vom alten Ezekiel, da der sein Versprechen nicht mal andeutungsweise wahr gemacht hat. Als ihm auch noch Mr. Boldovas Ratte Rembrandt, mit der sich Billy nach dem Verschwinden des Lehrers angefreundet hat, weggenommen werden soll, beschließt er, sich auf Charlies Seite zu schlagen und ihm zu helfen.

|Blaue Boas und Zauberstäbe|

Denn der Handlungsgeber für diesen Band ist eine blaue Boa. Einst hat sie dem roten König gehört, wurde dann jedoch von dessen ältestem Sohn gestohlen und misshandelt, bis sie bösartig wurde. Eine Tochter des roten Königs hatte Mitleid mit dem Tier und versuchte, es zu retten, was ihr aber nicht gelang. Sie konnte lediglich den Tod, den die Schlange brachte, in Unsichtbarkeit abschwächen. Nun soll Billy mit der Schlange reden und herausfinden, ob sie Ollie auch wieder sichtbar machen kann …

Ausgeweitet wurde auch die Bedeutung des Zauberstabes, den Charlie im letzten Band dem Zauberer Skarpo auf Oma Bones Gemälde stibitzt hat. Onkel Paton hat ihn mitgenommen, als er verschwand, und bei seiner Rückkehr war der Zauberstab verkohlt, die silberne Spitze geschmolzen. Als Charlie ihn in die Hand nimmt, regeneriert der Stab sich auf wunderbare Weise wieder. Skarpo, den Charlie in der Hoffnung auf ein Heilmittel für Onkel Paton nochmals aufsucht, will den Stab aber erstaunlicherweise nicht wiederhaben. Er behauptet, er gehöre Charlie!

|Insgesamt|

Der dritte Band der Charlie-Bone-Serie hat mir bisher am besten gefallen. Zwar hat die Autorin zu dem Rätsel um Charlies Vater und auch zu dem um Billys Eltern immer noch kein weiteres Wort verloren – wobei erwachsene Leser zumindest die Lösung des ersteren längst ahnen -, dennoch hat sie eine interessante Geschichte erzählt. Das mag zum einen daran liegen, dass diesmal so viele Dinge gleichzeitig geschehen. Charlie hat nicht nur Belle im Nacken, die seine Rettungsversuche für Ollie sabotiert, er muss auch ein Heilmittel für Onkel Paton finden und einen durchgedrehten Hexenmeister aus dem Mittelalter wieder einfangen. Dies und der gewohnt zügige Erzählstil der Autorin machen den Handlungsverlauf turbulent und abwechslungsreich. Aber auch die Ideen dieses Bandes, die blaue Boa oder auch die verzauberte Kleidung, haben mir gut gefallen. Das Buch war unterhaltsam und gelegentlich auch amüsant. Und ich werde gerne auch das nächste lesen. Die Andeutung, dass Charlie nicht nur vom Roten König, sondern auch noch von walisischen Zauberern abstammt, eröffnet eine Menge Möglichkeiten für die Handlung der folgenden Bände, ebenso wie Belles Vater, der diesmal zwar nur am Rande auftaucht, aber Paton mit schrecklichen Drohungen überhäuft hat, sollte er Belle etwas antun.

Charlie Bone ist für Erwachsene eine nette Lektüre für zwischendurch, für Kinder spannend, ideenreich und empfehlenswert.

_Jenny Nimmo_ arbeitete unter anderem als Schauspielerin, Lehrerin und im Kinderprogramm der BBC. Geschichten erzählte sie schon als Kind, Bücher schreibt sie seit Mitte der Siebziger. Unter anderem stammt der Zyklus |Snow Spider| aus ihrer Feder, sowie „Im Garten der Gespenster“, „Der Ring der Rinaldi“ und „Das Gewächshaus des Schreckens“. „Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ ist der erste Band des Zyklus |Die Kinder des roten Königs|, und hat sie auch in Deutschland bekannt gemacht. Der neueste Band der Charlie-Bone-Reihe mit dem Titel „Charlie Bone and the Wilderness Wolf“ soll im Juni dieses Jahres auf Englisch erscheinen.

http://www.jennynimmo.me.uk
http://www.ravensburger.de

Masot, Núria – Labyrinth der Schlange, Das

„Nicht schon wieder der heilige Gral!“, möchte man schreien, wenn man „Im Labyrinth der Schlange“ von Núria Masot in die Hand nimmt und das Zeichen der Tempelritter auf dem Buchrücken entdeckt. Doch diese Sorge ist völlig unbegründet, denn der historische Krimi möchte uns nicht mit noch einer Version dieser alten Legende quälen.

Guillem de Montclar, ein junger Spion für die Tempelritter, kehrt aus Palästina nach Spanien zurück, um dort das Geheimnis des Baumeisters Serpentarius aufzuklären. Der Baumeister der Templer verschwand vor hundert Jahren spurlos aus der Gegend der Burg Miravet. Plötzlich entdeckt man in den Gemäuern des Klostern ein verborgenes Arbeitszimmer von Serpentarius und nun soll Guillem aufklären, wie der Baumeister damals verschwand.

Zur gleichen Zeit geschehen im nicht weit entfernten Wald Fontsanta mehrere Morde und die Bewohner des Klosters Santa María des Maleses und des nahe liegenden Dorfes sind in heller Aufregung. Man ruft die Templer zu Hilfe, denn vor hundert Jahren hat es bereits schon einmal mehrere Morde an der heiligen Quelle gegeben. Beginnt der Schrecken von damals wieder? Und was haben die Mönche des Klosters damit zu schaffen? Gibt es vielleicht eine Verbindung zwischen den beiden Fällen? Guillem, der ihm zur Seite gestellte Mönch Folch und der junge, clevere Stallbursche Abro müssen sich nicht nur mit Tatsachen, sondern auch mit dem Aberglauben der Gottesbrüder auseinandersetzen …

„Das Labyrinth der Schlange“ verbleibt zunächst im Fahrwasser historisch beschreibender Romane. Sowohl Handlung als auch Schreibstil sind einfach, trocken, stellenweise vielleicht sogar ein wenig spröde gehalten, was das Aufkommen von Spannung lange behindert. Gerade am Anfang scheint sich die Autorin nicht sicher zu sein, wo sie eigentlich genau hin möchte. Sie lässt zwar schon deutlich zwei Stränge durchschimmern, aber erst gegen Mitte des Buches geht es mit großen Schritten Richtung Spannung. Tatsächlich gewinnt der Roman letztendlich an Fahrt, kann die historische Lähmung aber nicht vollständig abschütteln.

Im schönen Gegensatz zu der trockenen Handlung stehen die lebendigen Charaktere, die man als Leser wirklich ins Herz schließt. Gerade Guillem sticht dadurch hervor, dass er sich durch Intelligenz und nicht vorhandenen Aberglauben von den meisten anderen Figuren im Buch unterscheidet. Auch der junge Ebro weiß zu begeistern, denn Masot gelingt die Darstellung des übereifrigen Jungen sehr authentisch. Seine fixen Ideen und seine Anhimmelung des Templers Guillem sind typisch für sein Alter und unglaublich plastisch dargestellt.

Der Schreibstil ist, wie bereits erwähnt, ein wenig trocken und anfangs auch ein wenig gewöhnungsbedürftig. Dabei benutzt Masot bzw. ihre Übersetzerin noch nicht mal besonders viele alte Begriffe. Es sind eher die verschachtelten, emotionslosen Sätze, die man erst auf den zweiten Blick entwirren kann. Erneut sind es die Personen, die die Situation retten. Die herzlichen Dialoge, vor allem zwischen den drei Ermittelnden, lockern den Erzählfluss auf, so dass der trockene Eindruck des Beginns sich mit der Zeit minimiert.

Núria Masots Roman ist sicherlich kein Glanzlicht des Genres, aber die Handlung liefert, nach anfänglichen Schwierigkeiten, gute Unterhaltung. Der Schreibstil ist zwar ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber nicht im Sinne von unlesbar, und die wunderbar ausgearbeiteten Charaktere und die steigende Spannung machen einiges wieder wett.

|Originaltitel: El Laberinto de la Serpiente
Originalverlag: Roca Editorial, Barcelona
Aus dem Spanischen von Hanna Grzimek, Anja Lutter
Taschenbuch, 576 Seiten|
http://www.heyne.de

Papini, Mario – Fischmarkt

_Willkommen auf dem Fischmarkt_

Und willkommen im hohen Norden, wo die Händler gerade den frischen Fang anpreisen und versuchen, ihre besten Exemplare und die wertvollsten Fische an den Mann bzw. an die Kundschaft zu bringen. Im gleichnamigen Spiel kontrolliert jeder Spieler einen Stand auf dem „Fischmarkt“ und versucht in einem Zeitraum von vier Tagen, der ständig wechselnden Nachfrage gerecht zu werden und genügend Fische zu veräußern. Allerdings muss er sein Angebot Tag für Tag ändern, denn die Leute sind beim Kauf ihres Fisches sehr wählerisch. Aber nicht selten sind noch Restbestände des Tagesfangs übrig geblieben und verlieren bis zum nächsten Morgen ihre Frische. Und da die Truhen ebenfalls nicht ständig neu beladen werden, droht auch schon mal die Entsorgung der wertvollen Güter. Auf dem Fischmarkt ist tatsächlich alles möglich …

_Spielidee_

In „Fischmarkt“ schlüpfen drei bis fünf Spieler in die Rolle eines Fischhändlers und versuchen, die frisch gefischte Ware direkt von den Kuttern an den Mann zu bringen. Tagtäglich bringen die Fischer neues Material heran und verkaufen es an den Höchstbietenden. Geschicktes Feilschen, Intuition und ein bisschen Glück beim Treffen der Nachfrage ist also gefragt, um mit dem Verkauf der gerade erwünschten Fische den maximalen Profit zu scheffeln und nach vier Tagen den Wettbewerb unter den Fischhändlern als Sieger zu beenden.

_Spielmaterial_

• 70 Fischkarten mit 10 verschiedenen Fischarten
• 16 Preistafeln mit jeweils 2 Preisen
• 16 Nachfragekarten mit 2 verschiedenen Fischarten
• 110 Münzen im Wert von 1, 5, 10 und 50 Geldeinheiten
• 1 Anlegestelle für die 6 Fischerboote
• 1 Wertungstafel
• 10 Eisblöcke
• 5 Sichtschirme
• 5 Tafeln mit den Namen der Fischerboote
• 10 Kontostandsanzeiger
• 1 Spielanleitung

Das Spielmaterial zu „Fischmart“ ist wirklich sehr schön aufgebaut und teilweise auch recht witzig illustriert. Einzige Ausnahme: die Fischkarten, die mit ihren blassen Abbildungen ein wenig befremdend zwischen den gezeichneten Tafeln und Sichtschirmen wirken. Ansonsten hat man sich für absolut robuste Mittel entschieden, angefangen bei den Holzfiguren für Eisblöcke und Kontostandsanzeigern über besagte Tafeln bis hin zu den Pappmünzen, die für ihren Zweck wirklich sehr stabil sind. Mit der Wertungstafel hat man zudem das Hin und Her mit verschiedenen Geldbeträgen ein wenig entschärft und für alle Spieler gleichzeitig eine recht überschaubare Übersicht geschaffen. Wäre rein optisch noch ein kleines bisschen mehr Farbe hineingekommen, gäbe es an dieser Stelle nur lobende Worte.

_Vorbereitung_

Vor jeder Partie wählt jeder Spieler eine Farbe und nimmt sich dementsprechend Kontostandsanzeiger und eine Sichttafel. Weiterhin erhält jeder zwei Eisblöcke, mit denen er später seinen Fisch für eine Nacht einfrieren kann. Die Anlegestelle wird in die Mitte des Tischs platziert, drum herum die einzelnen Sichttafeln, hinter denen die Spieler nun eine Tafel mit den Namen der Fischerboote ablegen. Die Karten werden nach Fisch, Nachfrage und Preis sortiert und einzeln durchgemischt. Als Letztes wird nun noch das Geld aufgeteilt und das Konto eingerichtet. Jeder Spieler erhält einen Bargeldbetrag im Wert von 50 Einheiten. Auch das Konto startet mit einem Wert von 50 und wird mit dem runden Kontostandanzeiger markiert. Der andere Anzeiger wird auf das Feld mit der 0 auf der abseits positionierten Wertungstafel gelegt. Ein Spieler muss sich noch bereit erklären, stellvertretend die Bank zu verwalten, und schon kann die illustre Feilscherei beginnen.

_Spielablauf_

Eine Partie „Fischmarkt“ wird in genau vier Abschnitten gespielt, die jeweils noch einmal in vier aufeinander folgende Phasen unterteilt sind. Die Abschnitte repräsentieren dabei jeweils einen Tag, wohingegen eine Phase für eine bestimmte Tageszeit steht. Nach insgesamt vier Runden bzw. Tagen schließt der Fischmarkt, und derjenige, der das meiste Geld erwirtschaftet hat, hat gewonnen.

Der Ablauf eines Tages sieht nun wie folgt aus:

|1.) Morgengrauen|

Vor dem Tagesanbruch wird das Spielfeld mit neuen Karten präpariert. In den ersten beiden Runden werden jeweils drei Fischkarten an so viele Anlegestellen angelegt, wie Spieler teilnehmen – plus eins. Dies heißt: Bei drei Spielern werden an vier der insgesamt sechs vorhandenen Boote drei Fischkarten gelegt. In den letzten beiden Runden werden sogar an jedes dieser Boote vier Karten mit Fisch ausgelegt. Anders verhält es sich mit den Nachfragekarten, von denen pro Spieler eine aufgedeckt wird. Schließlich erhält nun auch noch jeder eine Preistafel, die ihm sagt, welchen Preis er für seine Fische in der aktuellen Runde verlangen darf.

Nun beginnen die Händler zu feilschen. Ausgehend davon, was auf den Nachfragekarten abgebildet ist, machen sie verdeckt hinter ihrer Sichttafel Gebote für die Ware an den einzelnen Anlegestellen. Hierzu teilen sie ihren Bargeldvorrat beliebig auf die Tafeln mit den Namen der Fischerboote auf. Man bietet damit auf alle Fische, die an diesem Anlegeplatz angeboten werden. Wenn nun jeder für die Anlegestellen, an deren Fischen er Interesse hat, ein geheimes Gebot abgegeben hat, werden die Sichttafeln entfernt und die Boote bzw. der Inhalt an die Spieler mit dem Höchstgebot verteilt. Bei Gleichstand feilschen die betroffenen Spieler ein weiteres Mal verdeckt um die Ware.

|2.) Vormittag|

Nun beginnt die Feilscherei. Vom verdeckten Stapel wird eine weitere Nachfragekarte gezogen. Nun werden alle aktiven Nachfragekarten vermischt (es existiert also eine mehr als die Anzahl der Spieler) und jeweils eine an jeden Fischhändler verteilt. Diese Karte gibt ihm nun die beiden Fischsorten an, die er an diesem Tag ertragreich verkaufen kann. Insgesamt gibt es zehn verschiedene Fischsorten, darunter auch Hummer und Heringe, die man in jeder Runde zu einem Festpreis verkaufen kann. Die übrigen Fische unterscheiden sich an den Hintergrundfarben ihrer Karten in die Kategorien braun und grau. Wenn der Spieler nun seine Preistafel erhält, kann er auf dieser ablesen, wie viel Geld er für die Fische mit braunem und diejenigen mit grauem Hintergrund bekommt.

Wenn die Rahmenbedingungen abgesteckt sind, dürfen die Spieler nach Lust und Laune handeln und versuchen dabei natürlich, ihre Nachfrage zu befriedigen und gleichzeitig Unerwünschtes abzustoßen. Denn wenn man am Ende eines Tages auf seinem Fisch sitzen bleibt, muss man für jede zurückgebliebene Fischkarte 5 Geldeinheiten zahlen. Es besteht zwar die Möglichkeit, gleiche Fischarten für eine Nacht mit den Eisblöcken einzufrieren, aber da man nur über zwei solcher Blöcke verfügt, muss man hiermit auch bis zum Ende sparsam umgehen. Wer in der letzten Runde übrigens noch einen Eiswürfel übrig hat, kann damit alle noch übrigen Fische einfrieren, nicht bloß eine Sorte.

|3.) Nachmittag|

Am Nachmittag ist der Handel abgeschlossen. Die Spieler legen ihre Karten offen und verkaufen ihren Fisch für den entsprechenden Preis ihrer Preistafel. Überschüssiger, nicht eingetauschter Fisch wird entweder eingefroren oder entsorgt. Im letzteren Fall kostet dies jedoch pro Fisch 5 Geldeinheiten. Hat reihum jeder verkauft, eingefroren oder entsorgt, geht es endlich zur Kasse. Jeder Spieler zahlt mit seinem Bargeld oder setzt den Kontostandsanzeiger dem Verkaufserlös entsprechend vor oder zurück.

|4.) Abend|

Abends wird nun verlorenes und überschüssiges Geld gezählt. Jeder wappnet sich schon einmal für den nächsten Tag und füllt seinen Bargeldbestand wieder so weit auf oder baut ihn dementsprechend ab, dass er genau 50 Geldeinheiten besitzt. Restbeträge bzw. Schulden werden auf dem Konto hinzuaddiert oder subtrahiert. Anschließend hat man ein exaktes Bild vom derzeitigen Spielstand.

_Ende der kurzen Fischwoche_

Nach vier Spieltagen packen die Händler ihre Stände ein, zahlen ihr verbliebenes Bargeld ein und vergleichen ihren Kontostand. Derjenige mit dem höchsten Endwert hat das Spiel gewonnen.

_Meine Meinung_

„Fischmarkt“ ist ein wirklich nettes Spiel, das mich schon nach der ersten Runde überzeugt hat. Allerdings muss man hier zwischen dem Spiel zu fünft und dem zu dritt eindeutig differenzieren, weil sich das vorangegangene Urteil auf die Maximalspielerzahl bezieht. Das Problem an der Minimalvariante besteht nämlich darin, dass ein vergleichbar zu großer Anteil des Spielverlaufs vom Glück abhängt. Sollte man nämlich beim Auslosen der Nachfragekarten auch nur einmal Pech haben, kann das schnell das sofortige Aus bedeuten. Man findet keinen Tauschpartner mehr, um die unerwartet auftauchenden Fischarten aufzutreiben (nämlich die, die durch die zusätzlich eingeworfene Karte hinzukommen) und hat auch keine Chance, irgendetwas gegen dieses unverschuldete Schicksal zu unternehmen.

Dieser Ausnahmefall tritt im Mehrspielermodus hingegen höchst selten auf. Und selbst dann wird man immer noch jemanden finden, der zumindest eine Ware übrig hat, die man irgendwie verwerten oder weitertauschen kann.

Bezogen auf den Spielmechanismus ist dies dann auch der einzige nennenswerte Mangel. Natürlich, Glück spielt auch in manch anderer Phase eine Rolle, doch man kann es durch intuitives Denken beim Taktieren um die Fische und die Offerten beim Tauschhandel geschickt beeinflussen und selbst Situationen mit schlechteren Aussichten noch zufrieden stellend meistern. Zugegeben, eine echte Spieltiefe ist nicht vorhanden, doch darum geht es bei „Fischmarkt“ nur in zweiter Linie. Stattdessen haben wir es hier mit einem flotten Bluff- und Handelsspiel zu tun, welches seine Stärken im kommunikativen und taktischen Bereich hat und bei ausgereizter Spielerzahl auch immer wieder mächtig Spaß macht. Wer also mal wieder ein abwechslungsreiches, munteres Spiel für zwischendurch sucht oder aber ein Faible für Fische hat, ist mit „Fischmarkt“ wirklich gut bedient.

http://www.clementoni.com

Christopher Moore – Ein todsicherer Job

Der Tod – der Schnitter, Vollstrecker, Sensenmann, Klapperbein, Gevatter Tod … alles nur symbolische Namen für einen unausweichlichen Zustand, das Ende und den Anfang der biologischen Kette. Oft wird der Tod personifiziert in Filmen und in der Literatur, egal ob nun auf philosophische Art und Weise oder gar ins Dramatische hineingehend.

In der „bildlichen“ Kunst wird der Tod oft als Skelett mit schwarzem Kapuzenmantel und einer Sense gezeigt. Die Vergänglichkeit des Lebens wird hier mit Vanitas-Symbolen dargestellt. Die Sense trennt die Seele vom Körper, das Skelett soll die Vergänglichkeit des Körpers erklären.

Christopher Moore – Ein todsicherer Job weiterlesen

Westerfeld, Scott – Weltensturm

Captain Laurent Zai und Meisterpilot Jocim Marx von der kaiserlichen Raumflotte befinden sich in tödlicher Gefahr. Denn ihre Mission gestattet kein Versagen. Es würde einen Blutfehler darstellen, der nur mit dem Verlust des ewigen Lebens gesühnt werden kann. Denn Anastasia Vista Khaman, Schwester und Thronerbin des Auferstandenen Kaisers, der den Tod überwunden hat und seit 1600 Jahren über das Reich der Achtzig Welten herrscht, wurde von den Rix als Geisel genommen. Zusätzlich ist es den Rix-Invasoren gelungen, auf Legis XV ein globales KI-Verbundbewusstsein zu installieren, etwas, das dem Kaiserreich ein Gräuel und deshalb verboten ist.

Dieser Coup stellt den Auftakt eines weiteren Kriegs gegen die Rix dar, der Kaiser beruft umgehend einen Kriegsrat ein, zu dem auch Senatorin Nara Oxham gehört. Sie macht sich Sorgen um ihren Geliebten Captain Laurent Zai, aber auch um Legis XV. Denn der Kaiser ist willens, Zai und die gesamte Bevölkerung des Planeten sowie auch seine eigene Schwester zu opfern, wenn er nur sein |Geheimnis| bewahren kann, das in die Hände des Verbundbewusstseins der Rix zu fallen droht.

_Der Autor_

Scott Westerfeld (05.05.1963) wurde in Texas geboren. Er lebt und arbeitet heute abwechselnd in New York und Sydney, Australien. „Weltensturm“ ist ein Sammelband der im Jahr 2003 erschienenen Romane „The Risen Empire“ und „The Killing of Worlds“, |Tor Books| teilte das ursprünglich „Succession“ genannte Werk. Der Roman ist somit wieder vereint und in sich abgeschlossen. Der deutsche Science-Fiction-Autor Andreas Brandhorst zeichnet für die einem Extralob würdige exzellente Übersetzung verantwortlich. Einziger kleiner Makel ist, dass „the Lazarus-Symbiant“ auch in der Übersetzung als „Symbiant“ anstelle des deutschen „Symbiont“ bezeichnet wird. Das irritiert ein wenig während der Lektüre.

_Never judge a book by its cover_

Man sollte ein Buch nie anhand seines Covers oder seines Klappentextes bewerten, angesichts haarsträubender Vergleiche zu |Dune|, |Star Wars| und anderen Space-Operas in einigen Rezensionen und dem extrem pathetisch-trivialen Klappentext des |Heyne|-Verlags möchte ich dennoch darauf eingehen. Die an und für sich recht hübsche Umschlaggestaltung schlägt in dieselbe Kerbe, was bedauerlich ist. Der etwas reißerische Titel „Weltensturm“ ist mir unerklärlich und passt nicht zum Inhalt und soll wohl den Verkauf fördern. Das Gegenteil könnte der Fall sein, was sehr schade wäre!

Denn hinter dem vermeintlichen 08/15-Schinken eines unbekannten Autors verbirgt sich eine Space-Opera, die einige aktuelle und dennoch erfolgreiche Langweiler etablierter Autoren wie Peter F. Hamilton und Stephen Baxter mühelos übertrifft. Vergleiche mit Frank Herbert, Isaac Asimov und Dan Simmons, um Thematik und Stil Westerfelds zu beschreiben, sind zwar nahe liegend, aber leider auch irreführend und bemüht, darum möchte ich kurz das Universum des „Risen Empire“ vorstellen.

_Das ewige Leben der lebenden Toten_

Das Kaiserreich der Achtzig Welten umfasst einen dreißig Lichtjahre großen Raumsektor und hat gegenüber anderen menschlichen Reichen einen entscheidenden Vorteil: den Lazarus-Symbianten, der ewiges Leben nach dem Tod ermöglicht. Ursprünglich suchte der Auferstandene Kaiser nach Heilung für seine todkranke Schwester Anastasia, aber er fand das Geheimnis des ewigen Lebens. Oder des ewigen Todes, denn der Lazarus-Symbiant verbindet sich nur mit den Körpern toter Wesen. Um in den Genuss der Unsterblichkeit zu kommen, muss man sterben. Seit dem Erfolg der „Heiligen Experimente“ an Katzen und dem heroischen Selbstversuch des Kaisers verehrt man ihn und seine Schwester Anastasia, von ihren gläubigen Anhängern schlicht „der Grund“ genannt, wie Halbgötter. Das Reich basiert auf dieser unglaublichen Errungenschaft, jeder kann sich die Unsterblichkeit verdienen. Wer im Kampf für Kaiser und Reich fällt und dessen Körper nicht zu stark beschädigt ist, der zieht in eine Art Walhall ein, ihm werden die Ehre des Lazarus-Symbianten und der Aufstieg in die Reihen der „Grauen“, der auferstandenen Toten, zuteil. Diese bilden seit Jahrhunderten die Führungsschicht des Reichs, ein ultrakonservativer und stets kaisertreuer Block.

Die Schranke der Lichtgeschwindigkeit wurde in dieser Zukunft nicht überwunden, eine Vorliebe der Grauen neben der Betrachtung für Normalsterbliche kontrastloser schwarzer Bilder und Wände sind jahrhundertelange Pilgerfahrten mit relativistischen Geschwindigkeiten. Außerirdische Rassen sind nicht bekannt, dafür hat sich die Menschheit in unterschiedliche Gruppierungen entwickelt. Neben dem Reich der Achtzig Welten existieren beispielsweise noch die Tungai, die den Tod mit überlegener Biotechnologie lange hinauszögern, aber nicht verhindern können. Auch die Rix sind nicht unsterblich, aber ihre Götter sind es nahezu. Die Rix sind Cyborgs, die ihren menschlichen Körper nach und nach mit maschinellen Komponenten verbessern und ersetzen. Sie sehen sich als Geburtshelfer künstlicher Intelligenzen an, die, wenn sie zu einem gewaltigen planetaren Verbundbewusstsein verschmelzen, gottgleiches Wissen und Fähigkeiten entwickeln. Im Kaiserreich und vielen anderen Reichen werden KIs in ihrer Entwicklung gezielt beschränkt, was zur Folge hat, dass man den Rix technologisch hinterherhinkt. Die Grauen sind erklärte Feinde der gefürchteten Rix, die erste „Rix-Inkursion“ forderte unzählige Opfer und schürte zusätzlich zu den ideologischen Differenzen den Hass, vor allem auf Seiten des Kaiserreichs.

Politisch brodelt es im Kaiserreich. Die „pinken“ Säkularisten wie Nara Oxham lehnen das ewige Leben ab, sie sterben. Denn nach ihrer Überzeugung sind es die unsterblichen Dickköpfe aus längst vergangenen Zeiten, die Kreativität und Fortschritt behindern. Als Beispiel dient Nara Oxham der Fall Galileo Galileis, dessen heliozentrisches Weltbild sich in ihrer Überzeugung nur deshalb durchsetzen konnte, da die alten Kirchenfürsten mitsamt ihren überholten Vorstellungen starben – wohingegen das Kaiserreich seit Jahrhunderten stagniert und zurückfällt. Der Tod wird als Motor der Veränderungen und der Evolution gesehen, eine Vorstellung, die das Reich spaltet, denn ebenso viele gieren nach dem ewigen Leben.

_High-Tech-Drohnen statt Raumjäger_

Scott Westerfeld greift gar nicht so weit in die Zukunft, wenn er anstelle von Piloten in Raumjägern ferngesteuerte oder autonome Drohnen in Kampfeinsätzen verwendet. So ist Meisterpilot Jocim Marx dank computergestützten synästhetischen Sehens in der Lage, ganze Schwärme von Kampfdrohnen in Weltraumschlachten zu befehligen oder selbst vollständig zu steuern. Daten und Diagramme werden dabei als Sinnesreizung ins Hirn projiziert und können visualisiert werden; so markiert Nara Oxham im Parlament die Angehörigen verschiedener Parteien mit unterschiedlichen farbigen Punkten und kann bei Bedarf Dossiers zu ihnen ansehen. Die Fähigkeit zur [Synästhesie]http://de.wikipedia.org/wiki/Syn%C3%A4sthesie wird operativ erzeugt, die bereits heute bekannte Wahrnehmung der Sinnreize eines Sinnorgans gekoppelt mit denen eines anderen (zum Beispiel Farben als Töne hören oder Töne als Farben sehen) wird so nutzbringend angewendet. Marx steuert vom staubkorngroßen Mikrogleiter bis zur Weltraumkampfdrohne alles von seinem Leitstand an Bord von Captain Zais Fregatte |Luchs| aus, was ungewöhnliche Perspektiven und Möglichkeiten eröffnet.

Raumschlachten sind in diesem Universum an die Regeln der realen Physik gebunden, die nur selten ein wenig gebeugt werden. Hier gieren keine Raumschiffe oder erzeugen Triebwerksgeräusche wie in actionlastigen Science-Fiction-Filmen aus Hollywood. Dass sie nicht minder spannend sind, liegt nicht nur an den ungewöhnlichen Perspektiven aus der Sicht von Marx beziehungsweise seinen Drohnen, Westerfeld beschreibt die Probleme der Besatzung der |Luchs| und wie sie sich mit Glück und dank der verschlagenen Raffinesse Captain Zais dennoch gegen einen überlegenen Kreuzer der Rix halten kann, trotz schwerer Schäden und einem vermeintlich selbstmörderischen Auftrag. Hier springt Westerfeld häufig zwischen Marx, Zai und seinem ersten Offizier Hobbes sowie dem einfachen Soldaten Bassiritz – diese Erzähltechnik ist ein Markenzeichen des Romans. So erleben wir die Handlung aus der Sicht der Rixkämpferin h__rd, des Verbundbewusstseins „Alexander“, der Senatorin Nara Oxham und einiger anderer Charaktere, kurz sogar aus Sicht der Kindkaiserin Anastasia oder der illegalerweise überentwickelten KI von Nara Oxhams Haus! Westerfelds KIs sind leider eher simpel gestrickt und können nicht die Faszination und Komplexität anderer Cyberspace-Welten vermitteln, aber insbesondere der direkte Einblick in die Gedankenwelt der „feindlichen“ Rix ist erhellend und dient der besseren Reflexion über die beiden Parteien.

Einigen Charakteren merkt man an, dass sie in einem frühen Stadium der Planung des Romans entstanden sind. Westerfeld wollte laut seiner Webseite schon seit seiner Jugend George Lucas zeigen, wie eine Space-Opera auszusehen hat. Er störte sich maßlos an den aller Physik spottenden Effekten in |Star Wars|. Der smarte und tapfere Captain Zai ist so auch durchaus ein Stereotyp; interessanterweise wird er in der Folge auch kaum näher charakterisiert, zugunsten der weiblichen Charaktere wie seinem ersten Offizier Hobbes oder seiner Geliebten Nara Oxham. Auch die Rix h__rd und Rana Harter stellen weibliche Charaktere dar, die allesamt deutlich tiefer dargestellt als ihre männlichen Kollegen. Auch Meisterpilot Jocim Marx geht in seiner Rolle als Pilot genauso auf wie Zai in der des Captains und bietet wenig mehr. Diese Vorliebe für weibliche Charaktere scheint auch auf andere Romane Westerfelds zuzutreffen, seine 2005/06 erschienenen Romane „Uglies“, „Pretties“ und „Specials“ haben mit Tally Youngblood eine weibliche Hauptfigur, die sich für ihr natürliches Aussehen anstelle der ab dem sechzehnten Lebensjahr vorgesehenen Standard-Schönheitsoperation entscheidet.

Diese Romane gehören jedoch nicht dem Genre der Space-Opera an, bedienen sich aber lose an dieser bereits in „Weltensturm“ vorgestellten Idee: Durch Genmanipulation hat sich die Menschheit selbst perfektioniert und von Erbkrankheiten befreit, allerdings merkt man fast zu spät, was man eigentlich erreicht hat. Menschliche Monokulturen, perfekt angepasst aber auch inflexibel und anfälliger gegenüber unbekannten Krankheiten. Westerfelds Idee ist es, dass als krank oder schlecht erkannte Merkmale oft versteckte Vorteile haben: Sichelzellenanämie macht immun gegenüber Malaria, Autismus ist oft mit Genie verbunden. All diesen genetischen Reichtum hat man jedoch vernichtet, und die ehemals Armen und Kranken, die sich keine Verbesserung leisten konnten, werden zum wichtigsten genetischen Pool der Menschheit, der sogenannten „Seuchenachse“, die sogar im Kriegsrat des Kaisers eine eigene Stimme hat.

Die Ursache hinter den Angriffen der Rix und treibende Kraft hinter den Aktionen des Kaisers, die Captain Zai auszuführen hat, ist das bereits erwähnte |Geheimnis|. Andeutungen auf das Geheimnis des Kaisers ziehen sich von Beginn an durch den Roman, dessen Enthüllung fatale Folgen für das Reich haben wird. Bis Westerfeld die Katze aus dem Sack lässt, bietet er abwechslungsreiche und für das Space-Opera-Genre sogar anspruchsvolle Science-Fiction, wie man sie gerne öfter lesen würde.

_Fazit:_

Ein gelungener Roman, der einige Werke jüngeren Datums bekannterer Autoren mühelos in den Schatten stellt. Schade nur, dass Scott Westerfeld derzeit keine weiteren Science-Fiction-Romane plant, er hat sich mittlerweile ausschließlich dem Feld der Young Adult Novels zugewandt. Bedauerlich, denn frischer Wind könnte viele ein wenig selbstgefällig und langatmig gewordene Science-Fiction-Autoren wachrütteln. „Weltensturm“ ist eine ungewöhnlich tiefschürfende Space-Opera mit allem, was dazugehört – und noch viel mehr.

Homepage des Autors:
http://www.scottwesterfeld.com/

http://www.heyne.de

Berndorf, Jacques – Eifel-Kreuz

_Überraschend – Berndorf liest selbst vor!_

Drei Monate nach dem Erscheinen der Buchausgabe wurde der Roman nun als Hörbuch im Dauner Verlag |Technisat Digital Division Radioropa Hörbuch| vertont.

Jacques Berndorf heißt eigentlich Michael Preute und lebt seit der Mitte der achtziger Jahre in der Eifel. Ende der Achtziger schuf der frühere Journalist seine Serie um den freiberuflichen Journalisten Siggi Baumeister, der vorrangig in der Eifel abenteuerliche Geschichten recherchiert.

Berndorfs aktuelles Hörbuch „Eifel-Kreuz“ konfrontiert den Journalisten Siggi Baumeister mit einem absurden Mord, denn in einer verlassenen Villa entdeckt Baumeister einen jungen Mann namens Sven Dillinger, der wie Jesus Christus gekreuzigt wurde. Zeitgleich wird die ermordete Gabriele Sikorkski aus Köln in der unmittelbaren Nähe entdeckt. Die Polizei stellt bald fest, dass die beiden Fahrzeuge der Ermordeten nebeneinander abgestellt wurden. Ein Zusammenhang scheint deutlich und wird dadurch bewiesen, dass beide Toten auf dem Foto einer Radarfalle erkannt werden. Beide saßen im Porsche der Gabriele Sikorski.

Bald stellt Siggi Baumeister fest, dass der ermordete Schüler Sven Dillinger an seiner von Patres geführten katholischen Schule als Querulant und Stimmungsmacher galt, der die biblischen Überlieferungen immer wieder anzweifelte. Baumeister stellt bei seinen Recherchen fest, dass der Tote den Geistlichen wegen seiner Führungsrolle unter den Schülern ein Dorn im Auge war. Bald stellt sich Baumeister die Frage, ob die Lehrer der Schule so weit gehen würden, den Schüler durch eine Kreuzigung zu bestrafen …

Das Verschweigen von kirchlichen Skandalen und auch den Missbrauch von jungen Schulkindern durch Geistliche, wie es immer wieder bekannt wurde, stellt Berndorf ohne Wenn und Aber in den Mittelpunkt. Besonders erschreckend wirkt, wie Rat suchende junge Menschen immer wieder an einer Mauer des Schweigens scheitern. Berndorf scheut sich nicht, düstere Kapitel der katholischen Kirche anzusprechen, kritisiert als Autor die teils verschwiegenen Machenschaften der Kirche zu Zeiten der Hexenverbrennungen und der Inquisition, Dinge, die bis heute oft lieber ausgesessen als aufgearbeitet werden.

Berndorf als Vorleser ist eher eine Überraschung. In der Regel werden Schauspieler oder Synchronsprecher mit entsprechender Stimmausbildung für das Einlesen von Hörbücher verpflichtet. Die Wahl, den Autor selbst zum Vorleser zu machen, wird vor allem die Liebhaber der Eifelkrimi-Serie erfreuen. Aber auch objektiv betrachtet überrascht Jacques Berndorf: Seine sanft brummige Stimme und seine Modulation beweisen ein bislang noch unbekanntes Talent des Autors: vorzulesen. Währende beispielsweise der Nobelpreisträger Heinrich Böll beim Vorlesen eigener Werke wie „Ansichten eines Clowns“ durch seinen rheinischen Dialekt mehr als gewöhnungsbedürftig ist, brilliert Berndorf durch sprachliche Perfektion. Zudem weiß der Autor, durch feine Modulation den Zuhörer zu bannen.

Berndorfs mittlerweile 70 Lebensjahre haben seine literarische und inhaltliche Qualität nicht verändert. Nach einigen Romanen ohne große Höhepunkte, auch wenn sie trotzdem lesenswert waren, dreht der Autor nochmals richtig auf, bewegt den Zuhörer durch eine Geschichte, die neben kritischen Gedanken auch echte Krimikunst vermittelt.

Berndorf vermischt Offenheit für die Kirche und deren Historie mit harscher Kritik an Geistlichen, die weltfremd und herrisch den Glauben vertreten. Privat erlebt Berndorfs Titelheld Siggi Baumeister ein „Coming Out“ – seine Tochter offenbart sich als lesbisch. Doch mit ihrer Homosexualität haben Gesellschaft, Kirche und Freunde offenbar mehr Probleme als der weltoffene Siggi Baumeister. Berndorf scheut sich nicht, den Finger in die Wunde zu legen, wenn Intoleranz und religiöse Fanatiker sich der Moderne und den gesellschaftlichen Veränderungen verschließen.

Fast zehn Stunden dauert das von Berndorf gelungen eingelesene Manuskript. Erhältlich ist es auf acht Audio-CDs zum Preis von 17,80 Euro. Günstiger ist eine Alternative im mp3-Format zum Preis von 9,80 Euro.

|8 Audio-CDs|
http://www.hoerbuchnetz.de/

Wilson, Kevin – Descent: Reise ins Dunkel (Journeys in the Dark)

_Gefahren in der Dunkelheit_

Mächtige Monster, unsterbliche Hexenmeister und Oger, gewaltige Riesen – in der Dunkelheit lauern die größten Gefahren auf eine Gruppe von mutigen Abenteurern. Ihre Waffen: Zauberstäbe, Schwerter, Dolche und die eigenen Fäuste. Doch gegen den finsteren Overlord selbst braucht es mehr als das. Mit Geschick tritt man gegen ganze Horden von mörderischen Gegnern an, durchforstet die Düsternis und vollendet die schwierigsten Questen. Die Reise ins Dunkel hält viele Aufgaben bereit, doch wer den Mut, den Willen und die Bereitschaft zur Kooperation mit seinen Gefährten zeigt, der wird selbst die hinterhältigsten Fallen des Overlords bestehen und in diesem umfangreichen Spiel den Sieg erringen.

_Spielziel_

In „Descent: Reise ins Dunkel“ wird alles von der Queste bestimmt. Sie ist das Herz des Spiels und legt sowohl den Weg als auch die Bestimmung der Helden fest. Im Basisspiel sind insgesamt zehn verschiedene durch die Questen bestimmte Abenteuer enthalten. Der Overlord schlüpft dabei in die Rolle des Spielleiters und baut den Spielplan individuell auf, rekrutiert neue Monster, setzt Fallen sowie Schätze ein und versucht mit aller Macht zu verhindern, dass die Helden bei ihrer Reise durch das finstere Dungeon (Verlies) in das letzte Gebiet gelangen, wo es meist darum geht, einen mächtigen Gegner zu vernichten. In der ersten Quest zum Beispiel geht es darum, den Riesen Narthak aufzuspüren und ihn zu besiegen. Dabei gilt es jedoch zuerst, den verborgenen Schlüssel zum Tor des Endgegners zu finden und sich an zahlreichen Auswüchsen der Finsternis vorbeizuschlängeln. Gewonnen haben die Helden, sobald der letzte Gegner, also der Riese Narthak, besiegt ist. Sollten sie dabei jedoch ihre im Laufe des Abenteuers eingesammelten Questmarker komplett verlieren, trumpft der Overlord auf und gewinnt das Spiel.

_Spielmaterial_

• 1 Regelheft
• 1 Questhandbuch
• 20 Charaktertafeln
• 20 Heldenfiguren
• 39 weiße Monsterfiguren
• 21 rote Monsterfiguren
• 12 Spezialwürfel
• 24 Monsterkarten
• 36 Overlordkarten
• 36 Fertigkeitskarten
• 24 Ausrüstungskarten
• 56 Schatzkarten
• 4 Reliktkarten
• 1 Kompassmarker
• 1 Stadtmarker
• 61 Spielplanteile
• 10 Türen plus Plastikstandfüße
• 49 Ausstattungsmarker
• 55 Lebensmarker
• 24 Ausdauermarker
• 52 Geldchips
• 16 Befehlsmarker
• 32 Drohmarker
• 24 Questmarker
• 1 Schablone Feueratem
• 55 Effektmarker
• 39 Schatzmarker
• 4 Spielzugmarker
• 12 Trainingsmarker
• 6 sonstige Marker

Nun, spricht diese Liste nicht für sich? Einmal mehr entpuppt sich ein Spiel aus der amerikanischen Brettspiel-Schmiede als absolute Materialschlacht. Unzählige pompös aufgemachte (leider nicht bemalte) Monster, Marker ohne Ende, eine riesige Auswahl an Puzzleteilen für den Aufbau der jeweiligen Dungeons und dann noch einmal haufenweise Karten und noch mehr Marker. Wahnsinn, was in dieser riesigen Spielschachtel aufbewahrt wird, und dies dann auch noch bei einer durchgängig hochwertigen Materialqualität. Lediglich die Kompatibilität der einzelnen Spielplanteile ist arg bescheiden und beschert einem im Laufe des Dungeonaufbaus so manchen nervigen Moment. Ähnliches hatte ich zuletzt noch bei [„Doom“ 3099 erlebt, welches überhaupt gravierende Ähnlichkeiten zu „Descent“ aufweist. Der Grund hierfür ist jedoch auch schnell gefunden. Autor Kevin Wilson ist für beide Spiele verantwortlich, hat die grundlegenden Ideen und Regeln daher auch für sein neues Projekt übernommen, dabei allerdings einige Mechanismen erneuert und zuletzt noch viele Optionen eingebaut. Doch damit gehen wir schon aufs Fazit zu, und das wäre zu diesem Zeitpunkt noch etwas verfrüht. Festzuhalten bleibt bis hierhin, dass das Spielmaterial in jeglicher Hinsicht vom Feinsten ist und optisch und zweckmäßig absolut überzeugt.

Einen Kritikpunkt gibt es allerdings doch noch, und das betrifft erneut die Aufteilung der Spielmittel in der riesigen Schachtel. Zwar gibt es drei größere Fächer und einige kleine, transparente Schatullen, doch um dem gesamten Material gerecht zu werden, führt die schlechte Ausstaffierung des Kartons einmal mehr zu einer Überforderung beim Einsortieren.

_Die Monster_

Monster trifft man bei der Reise durchs Dungeon fast mit jedem Schritt. Der Overlord kann mithilfe seiner Karten sehr oft neue Figuren ins Spiel bringen und verfügt diesbezüglich über derart viele Möglichkeiten, dass das Bestehen einer Quest für die Helden zu einer wirklich kniffligen Aufgabe werden kann. Sich den Monstern im Kampf zu stellen, muss dabei nicht immer die beste Lösung sein, denn die meisten dieser Figuren sind dem einzelnen Helden hinsichtlich ihrer Fähigkeiten um einiges überlegen.

Insgesamt gibt es in „Descent: Reise ins Dunkel“ zwölf verschiedene Monstercharaktere in den Farben weiß und rot, die je nach Fähigkeit seltener vertreten sind. Gerade in den ersten Quests ist es aber so, dass zunächst nur die (relativ betrachtet zumindest) etwas leichter zu besiegenden Monster am Spiel teilnehmen, wohingegen Drachen und Dämonen erst in den späteren Profi-Quests eingreifen. Doch für die Einführung ins Spiel reicht dies auch völlig aus, zumal es manchmal auch enorm schwierig werden kann, gegen eine Vielzahl von vergleichsweise schwächeren Monstern wie Tiermenschen oder Skeletten zu bestehen.

Je nach Spielerzahl variieren die Fähigkeiten der Monster, das heißt sie werden mit wachsender Anzahl der Helden immer stärker, so dass in allen Spielvariationen immer dafür gesorgt wird, dass die Voraussetzungen für beide Seiten ungefähr gleich sind – wobei es schon manchmal so ausschaut, als wären die Monster im Vorteil. Unterschiede bestehen auch zwischen den Monstern selber; sie sind unterteilt in Standard- (weiß) und Elite-Monster (rot), wobei sich die Einteilungen schon durch die Namen erklären. Die roten Elite-Monster haben stärkere Rüstungen, mehr Lebenskraft und zudem eine besondere Eigenschaft zusätzlich. Daher sollte man sich dieser stärkeren Monster auch zuerst entledigen, denn wenn sie einmal zum Angriff ansetzen, kann dies bereits tödlich sein.

Insgesamt sind die Fieslinge des Overlords sehr gut ausgestattet, was den Anspruch des Spiels auch gehörig anhebt. Doch das ist auch gut so und macht selbst eine bereits bestandene Quest nicht langweilig. Selbst wenn man den Aufbau und die verschiedenen Verstecke kennen gelernt hat, ist das Spiel immer noch taktisch und spannend genug, so dass sich auch weitere Versuche am selben Abenteuer lohnen. Und schon wieder wären wir bei einem Teil des Fazits, der hier nicht hingehört …

_Die Helden_

Insgesamt stehen den Heldenspielern 20 Charaktere zur Verfügung, die normalerweise vom Spieler des Overlords ausgehändigt bzw. verdeckt gezogen werden. In einer Sonderregel ist jedoch auch erwähnt, dass man seinen Helden selber auswählen darf. Dies sollte besonders dann erwogen werden, wenn es sich beim Overlord um einen Spieler mit mehr Erfahrung handelt.

Ähnlich wie Monster haben auch die Helden ganz unterschiedliche Fähigkeiten sowie jeweils drei Zusatzfertigkeiten, die sich aus ihren zu Beginn gezogenen drei Fertigkeitskarten ergeben. Im weiteren Spielverlauf dürfen die Heldenspieler ihre Figuren jedoch mit stärkeren Rüstungen, Waffen, Zaubern und Gegenständen ausrüsten, müssen dabei jedoch beachten, dass jeder Held nur ein gewisses Ausrüstungskontingent mit sich bzw. im Rucksack für den späteren Gebrauch führen kann. Diese Gegenstände können sie entweder in der Stadt kaufen oder sie werden in einer der vielen versteckten Schatztruhen aufbewahrt, auf die man an verschiedenen Stellen des Dungeons stößt. Ähnlich wie für die Monster, so gilt auch für die Helden, dass sie dank ihrer vielfältigen Waffen und der später auch noch hinzustoßenden externen Gefährten sehr gut für den Kampf im Dunkeln gewappnet sind.

_Spielvorbereitung_

Vor jedem Spiel findet zunächst einmal die Rollenverteilung statt. Während die Heldenspieler sich mit ihren Charakteren vertraut machen, die entsprechenden Karten ziehen, sich mit Lebens-, Geld-, Befehls- und Ausdauermarkern bestücken und schließlich in der Stadt ihr Geld gegen Waffen, Rüstungen und dergleichen eintauschen, baut der Overlord-Spieler nach Auswahl der Quest den Spielplan samt Türen und allen Utensilien (Monster, Marker, Hindernisse, usw.) des Startgebiets auf. Anschließend wird um das Spielfeld herum das üppige Kontingent an Karten, Markern und generell allen Gegenständen, die im Spiel benötigt werden, in Griffbereitschaft ausgelegt. Der Overlord nimmt einen Satz Monsterkarten, deckt sie der Spielerzahl entsprechend offen vor sich auf und legt auch die Overlord-Karten sowie die Drohmarker in der Nähe seines Platzes ab. Weiterhin sollte er alle Materialien, die er für den Aufbau weiterer Gebiete benötigt, bereithalten, damit es nicht zu unnötig langen Unterbrechungen bei der Entdeckung eines neuen Spielabschnitts kommt. Sobald alle Vorbereitungen getroffen sind, kann das Spiel nun mit dem ersten Heldenspieler beginnen.

_Spielablauf_

In jeder Spielrunde beginnen zunächst die Heldenspieler die Erkundungsreise durchs Dunkel. Sie dürfen dabei Runde für Runde neu entscheiden, in welcher Reihenfolge sie agieren und dadurch eventuell angeschlagene Spieler schonen bzw. ihnen den Weg freiräumen oder Bedrohungen fernhalten und besiegen.

Der Zug eines Helden setzt sich nun aus folgenden Schritten zusammen:

|1.) Karten auffrischen|

Alle im letzten Spielzug verwendeten Karten gelten als erschöpft und werden nach ihrer Benutzung zunächst umgedreht. In der nächsten Runde werden sie nun wieder aktiviert und offen vor den Heldenspieler ausgelegt. Er kann sie nun wieder für den aktuellen Spielzug zum Einsatz bringen.

|2.) Ausrüstung zusammenstellen|

Jeder Spieler darf pro Zug nur ein gewisses Kontingent an Ausrüstungsmaterialien mitnehmen. Erlaubt sind hierbei Waffen mit einer Gesamtzahl von zwei Händen (schließlich hat jeder Held auch nur zwei Hände), eine Rüstung, drei Tränke und zwei Gegenstände. Außerdem darf jeder Held in beliebiger Anordnung noch drei weitere Ausrüstungsteile in seinem Rucksack bei sich führen, die er jedoch in dieser Runde nicht aktiv einsetzen kann. Es gilt also, schon vorher abzuwägen, mit welcher Ausstattung man in jedem Spielzug durch die Dunkelheit zieht.

|3.) Eine Aktion durchführen|

Der aktive Teil einer Heldenspielphase beginnt eigentlich erst in der letzten Aktion. Insgesamt stehen ihm vier verschiedene Aktionskombinationen zur Verfügung, wobei er jedes Mal gemeinsam mit den übrigen Helden abwägen muss, welcher Schritt in der aktuellen Phase der sinnvollste ist. Ein Fluchtversuch oder eine beschleunigte Entdeckung lassen sich am besten mittels ‚Rennen‘ ermöglichen. Der Held kann mit dieser Aktion die doppelte Anzahl der auf der Charakterkarte angezeigten Schritte horizontal, vertikal oder diagonal über den Spielplan ziehen oder aber spezielle Bewegungen über bestimmte Hindernisse oder durch Portale wie die Glyphen oder Treppen durchzuführen. Weiterhin kann er Ausdauermarker einsetzen, um noch weitere Schritte zu gehen. Das andere Extrem ist der pure Kampf. Entsprechend den Möglichkeiten seiner Waffenausrüstung kann er im Nah-, Fern- oder Zauberkampf den Monstern gegenübertreten und mit den auf den Waffenkarten abgebildeten Würfeln (plus durch weitere Fertigkeiten oder Ausdauermarker ergänzte Machtwürfel) gleich zwei Angriffe durchführen. Dies empfiehlt sich besonders dann, wenn man einen vernichtenden Schlag gegen ein stärkeres Monster durchführen möchte und möglicherweise gleich mehrere Versuche benötigt, um den Gegner in die Knie zu zwingen. Mit ‚Vorrücken‘ kann man diese beiden Aktionen auch kombinieren und in beliebiger Reihenfolge kämpfen und seinen Helden bewegen. Die letzte Option ist die ‚Alarmbereitschaft‘ Mit ihr kann man entweder kämpfen oder eine Bewegung durchführen und zusätzlich einen Befehlsmarker ausspielen. Auch hier kann man noch einmal zwischen vier verschiedenen Möglichkeiten wählen, und zwar ‚Zielen‘ (Kampfwürfel nach dem Wurf eventuell durch neues Auswürfeln verbessern), ‚Ausweichen‘ (bei einem Angriff des Overlords beliebige Angriffswürfel neu werfen lassen), ‚Absichern‘ (bei einem feindlichen Angriff selber zuerst einen Angriff starten) und ‚Ausruhen‘ (das Gesamtkontingent der eigenen Ausdauermarker wieder auf die Hand nehmen).

|Overlord|

Der Spieler des Overlords führt in seinem Zug ebenfalls drei Schritte durch. Zunächst zieht er abhängig von der Mitspielerzahl jeweils einen Drohmarker. Mit genau diesen Drohmarkern muss er anschließend die Aktionen auf seinen Overlord-Karten bezahlen. Allzu mächtige Aktionen sind also somit nicht sofort zu Beginn eines Spiels möglich, sondern müssen erst erarbeitet werden. Sollte der Overlord-Spieler keine spezielle Karte ausgespielt haben, darf er nun in jeder Runde zwei neue Karten ziehen, muss jedoch das Maximum von acht Handkarten beachten. Weiterhin darf er nun auch Karten abwerfen, was ihm ebenfalls Drohmarker beschert.

Sollte sich unter den gezogenen oder den Handkarten eine Entstehungskarte befinden, kann diese nun ausgespielt werden. Dies ist jedoch kein Muss, aber für den weiteren Spielverlauf höchstwahrscheinlich sehr förderlich. Jede dieser Karten ermöglicht dem Spieler, zusätzliche Monster ins Dungeon zu bringen und die Helden noch stärker einzukesseln. Pro Runde darf man diese Aktion jedoch nur einmal wählen.

Nun beginnt auch die tatsächliche Aktionsphase des Overlords. Jedes seiner Monster darf er nun einmal aktivieren, das heißt er darf mit jeder Figur genau eine Bewegung und einen Angriff starten. Und natürlich kann er dabei auch weiterhin Karten ausspielen, sofern die nötigen Drohmarker zur Begleichung der Kosten vorhanden sind.

Eine zusätzliche Aufgabe des Overlord-Spielers ist der weitere Aufbau des Spielfelds. Sobald ein Heldenspieler eine Tür zu einem neuen Gebiet geöffnet hat, baut er dieses neue Gebiet den Anordnungen im Questhandbuch entsprechend mit Markern, Monstern und weiteren Gegenständen auf und liest auch die dazugehörigen Aufgaben, Hintergrundgeschichten und Zielvorgaben vor.

_Der weitere Verlauf_

Runde für Runde erkunden die Helden nun das Dungeon, während der Overlord ihnen immer neue Monster in den Weg stellt, Schatztruhen und Schlüssel bewacht und versucht, ihnen durch den Tod der einzelnen Helden die Questmarker zu rauben. Sobald ihm dies tatsächlich gelungen ist, müssen die Heldenspieler sich geschlagen geben. Allerdings ergeben sich im Lauf des Spiels zahlreiche Möglichkeiten, neue Questmarker aufzusammeln, sei es nun durch das Überschreiten von Transportglyphen oder eben durch Aufspüren von Schatztruhen, die außerdem häufig noch wichtige Waffen, Zauber oder andere Gegenstände enthalten, mit denen sich die Kraft der Helden verstärken lässt.

Dennoch ist das Spiel für die Helden hart; je näher man auf das Ziel zusteuert, desto stärker werden die Monster, und wenn ein Oger mit der Fähigkeit ‚unsterblich‘ trotz seiner Vernichtung mit viel Glück immer wieder neu belebt wird und man schier verzweifelt mit ansehen muss, wie der Overlord ohne großes Zutun die Helden dezimiert, kann das Ganze schon frustrierend sein. Doch wäre es nicht langweilig, wenn die Reise ins Dunkel ein einziger Durchmarsch und die tatsächliche Herausforderung gar nicht so schwer wäre? Aber, das kann man schlussendlich schon nach den ersten Partien konstatieren, dem ist bei „Descent“ durch die höheren Anforderungen an das Heldenteam schon entscheidend vorgebeugt worden. Die Aufgaben sind von einem erhöhten Schwierigkeitsgrad geprägt und gerade für die Heldenspieler tatsächlich die ersuchte Herausforderung.

Meist entscheidet sich das Spiel erst in der entscheidenden Schlacht gegen den Endgegner, doch der Weg dorthin ist manchmal wirklich lang, garantiert spannend und nicht selten sehr schwierig zu bewältigen – für den Laien genauso wie für den Profi.

_Meine Meinung_

Ich habe in der Beschreibung des Spiels schon Vieles vorweggenommen, und ich denke, man hat meinen teils begeisterten Schilderungen auch schon angemerkt, dass ich „Descent: Reise ins Dunkel“ bislang jedes Mal mit größer Freude und völliger Faszination ob der großartigen Idee auf den Tisch gebracht habe. Egal ob man nun nur zu zweit spielt – in diesem Fall hat der Heldenspieler zwei Charaktere auf seiner Seite) – oder im ultimativen Fünfkampf gegeneinander antritt, das Spiel hat in jeder Version seinen Reiz, zehrt dabei sicherlich auch vom Einsatz der vielen, logisch miteinander verknüpften Materialien, fesselt einen aber jedes Mal wieder an das finstere Dungeon, welches das Spielfeld des Fantasy-Games beschreibt.

Dennoch wird das Spiel jetzt keinen Originalitätspreis bekommen, denn Autor Kevin Wilson hat insgesamt recht viel von seiner Brettspiel-Adaption des PC-Klassikers „Doom“ übernommen. Die Spielzüge sind sogar nahezu gleich, ebenso der Aufbau der Spielfläche und das Prinzip des „Einer gegen alle“-Kampfes und natürlich die in einem zusätzlichen Handbuch aufgeführte Differenzierung in verschiedene Abenteuer. Doch der wesentliche Unterschied besteht darin, dass man wirklich jeden Spielzug und jede erdenkliche Spieloption durch zusätzliche Möglichkeiten ergänzt und so die grundlegenden, ohnehin schon sehr umfassenden Spielprinzipien noch einmal um ein Vielfaches erweitert hat. Es gibt unterschiedliche Kampfhandlungen (zum Beispiel den interessanten und teils sehr effektiven Zauberkampf), die Monster haben ganz individuelle Fähigkeiten und Besonderheiten, die Marker offenbaren komplexere Aufbauten, das Mehr an Karten und dadurch ausgelöste Aktionen macht das Ganze zudem unberechenbarer, als das Spiel samt der zunächst verborgenen Gebiete sowieso schon ist, und durch die Wahl der Ausrüstung und der Zugreihenfolge gewinnt auch die taktische Komponente noch mehr an Bedeutung. Nicht zu vergessen die Drohmarken, die den Overlord bei seinen Aktionsmöglichkeiten ein wenig einschränken und ihm so verbieten, seinen leichten Vorteil durch die insgesamt etwas stärkere Monsterfraktion noch weiter auszubauen. Und damit wäre nur ein kleiner Teil der ausgebauten Ideen beschrieben …

Letzten Endes kann man also sagen, dass der Spielcharakter von „Doom“ die Idee zu „Descent“ sicher vorangetrieben und auch Pate für den Aufbau des Spielverlaufs gestanden hat, aber weil „Doom“ sich längst bewährt und auch rundum begeistert hat, ist dagegen ja erstmal nichts zu sagen. Weil „Descent“ die Ideen jedoch auch nur aufnimmt, um das Prinzip zu forcieren und schließlich eine weitaus umfangreichere Variante eines derart aufgebauten Spiels zu kreieren, all das zudem auch vollkommen legitim ist, weil hier nicht abgekupfert, sondern tatsächlich nur aus dem Fundus desselben Designers verbessert wird und „Descent“ mit all seinen Möglichkeiten, seiner beachtenswerten Optik und dem fantastisch umgesetzten Spielsystem wirklich pausenlos für Begeisterung sorgt, ist man am Ende sogar froh, dass Wilson sich stellenweise in der kreativen Vergangenheit bedient hat – zumal die wiederum sehr anschaulich aufgeführten Spielregeln für eingefleischte „Doom“-Fans von Beginn an nur noch Formsache sind.

Der Rahmen wird schließlich durch die unbegrenzte Abenteuervielfalt, die sich mittlerweile auch im Internet ausbreitet, gesprengt. Erst kürzlich hat man zum großen Wettbewerb ausgerufen, um neue innovative Questen vorzustellen, die man sich nun auf der Seite des |Heidelberger Spieleverlags| gesondert anschauen und natürlich nachspielen kann. Und natürlich ist jedem auch freigestellt, eigene Questen zu erfinden und sie gegebenenfalls mit Gleichgesinnten zu teilen. Bei all dem, was sich hier visuell und spielmechanisch bietet, kann man als Fazit nur eines sagen: Wilson hat mit „Descent“ die Brettspielwelt ein weiteres Mal revolutioniert und eines der besten, wenn nicht vielleicht sogar das beste Fantasy-Spiel der letzten Jahre entworfen. Ich kenne jedenfalls kein Spiel, bei dem Quantität und Qualität so sehr in Einklang waren oder sind wie beim Inhalt dieser riesigen, lilafarbenen Spielschachtel. Bei einem (für das üppige Spielmaterial) noch recht günstigen Preis von 45 € bei |amazon.de| bzw. 60 € empfohlenem Ladenpreis kann man hier nichts, aber auch wirklich gar nichts falsch machen.

http://www.hds-fantasy.de/
http://www.heidelberger-spieleverlag.de

Thiesler, Sabine – Kindersammler, Der

In unserer heutigen Zeit, und das nicht nur in unserem Land, gibt es, glaubt man den Medien, immer mehr Fälle von Serienmorden. Die Opfer: meist wehrlose Kinder, und finden sich Berichte dieser Morde oftmals detailliert und grausam geschildert in der Presse und in den verschiedenen Nachrichtenmagazinen sowie im Fernsehen wieder. Die Täterprofile ähneln sich; meist unscheinbare, unauffällige Männer, zumeist Einzelgänger. Die meisten werden gefasst, die meisten begehen zum Glück Fehler in dem Versuch, entweder Aufmerksamkeit zu erlangen oder die Taten zu vertuschen.

Psychologen, Polizisten, Politiker versuchen die Psyche dieser oftmals krankhaften Mörder zu ergründen. Vieles wird versucht zu erklären, oftmals durch die Presse bis in grausamste Detail transparent gemacht, nicht nur der Verlauf der Morde, vielmehr geht es um die Frage, warum dieser allen Anschein nach „harmlose“ Mann eine solche Tat begangen hat, die ihm kein Mensch zugetraut hätte.

Ist der Mensch von sich aus „böse“ oder beeinflussen verschiedene Mechanismen, Erlebnisse in der Kindheit den Täter so sehr, dass er nicht mehr unterscheiden kann zwischen Grausamkeit und individueller Auslebung seines devianten Charakters?

|Was macht einen Menschen zum Mörder?|

Der Roman von Sabine Thiesler mit dem Titel „Der Kindersammler“ greift ein Thema auf, das wie oben schon beschrieben immer wieder Schrecken und Angst hervorruft. Gerade junge Eltern können ihre alptraumhaften Ängste gar nicht greifbar machen und denken immer wieder, dass dies nur anderen widerfahren kann, auf gar keinen Fall ihnen selbst.

„Der Kindersammler“ ist ein Roman, der der wahrscheinlichen Realität viel zu nahe kommt. Er berührt, aber zumeist erschreckt er und ein Grauen breitet sich im Leser aus, wie man es selten erlebt. Oftmals fragte ich mich bei der Lektüre: Musste das wirklich so erzählt werden? Musste aus diesem grausamen Muster an Fällen der Vergangenheit ein Roman entstehen?

_Die Geschichte_

Berlin 1986. Alfred, ein junger Mann Anfang dreißig, unauffällig und ein Einzelgänger, lebt vor sich hin. Ein Überlebenskämpfer in der anonymen Größe einer Stadt, immer bereit, dieser so schnell wie es geht den Rücken zu kehren. Er hat schon gemordet, nicht nur Menschen, krampfhaft versucht, dieser Unruhe Herr zu werden, dem Drang zu widerstehen, Kindern seine Macht aufzuzwingen und sie später fast schon in einer theatralischen Szene zu töten.

Seine Kindheit ist ein einziger lang anhaltender Schrecken. Die einzige Bezugsperson ist sein älterer Bruder, der ihn beschützt, nicht nur vor Mitschülern, die ihn hänseln, sondern er gibt Alfred auch Rückendeckung gegenüber der chronisch kranken und sozial schwachen Mutter. Aber dieser erkrankt schwer und stirbt schließlich. Alleine gelassen, glaubt er zu erkennen, dass er die Macht über Leben und Tod hat. Nur er bestimmt, wann der Tod ihn einholt, nur er hat die Kontrolle über sich und andere. Ein Gotteskomplex.

Ein Zufall lässt Alfred in der Gegenwart wieder töten. Bei einem Spaziergang hilft er einen kleinen Jungen, der von zwei Jugendlichen ausgeraubt werden soll. Er verjagt diese und gewinnt dadurch das Vertrauen des kleinen Benjamin. Benjamin Wagner ist kein guter Schüler. Seine Familie ist in Schwierigkeiten, der Vater hoffnungslos damit überfordert, dass seine Frau unheilbar an Multipler Sklerose erkrankt und durch einen erneuten Schub an den Rollstuhl gefesselt ist, seine Abende verbringt er in Kneipen und entflieht mit Alkohol der Gegenwart und der Zukunft. Eine zerstörte Familie, die dem fast schon Zwölfjährigen keinen Rückhalt bietet. Nachts lauscht er den Gesprächen seiner Eltern und morgens geht er übermüdet in die Schule.

Alfred vergewaltigt Benjamin Wagner und tötet diesen, danach präpariert er dessen Leiche. Er versteckt sie nicht, sondern setzt den Körper an einen Tisch und stellt ihn dort gewissermaßen aus. Eine Szene für die Nachwelt; er will jedem zeigen, wer der Herr über Leben und Tod ist. Aber nicht, ohne ein „Souvenir“ des toten Kindes zu behalten.

Doch Alfred wird der Boden zu unsicher, nicht nur in Berlin auch in anderen Städten hat er gemordet. Die Polizei fahndet mit Hochdruck und zusammen mit einer Frau, die ihm nur zur Vertuschung dient, wandert er in die Toskana aus, wo beide mit bescheidenen Mitteln leben.

Aber auch hier mordet Alfred, der jetzt in der Toskana unter dem Namen Enrico weiterlebt. Doch die italienische Polizei verfolgt die Spuren nach einer gewissen Zeit nicht weiter. Sein nächstes Opfer wird wieder ein kleines Kind – Felix, Sohn einer kleinen Familie, die in der Toskana Urlaub macht.

Nach dem Verschwinden ihres Sohnes kehren Anne und Harald wieder zurück nach Deutschland. Doch Anne hat nach zehn Jahren noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben und kehrt an den Ort ihres Verlustes zurück. Sie will auf eigene Faust herausfinden, was damals passiert ist, und bei aller Angst und Ungewissheit ahnt sie nicht, wie nahe sie dem Serienmörder kommt …

_Meine Meinung_

Sabine Thiesler erzählt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, und genau das ist das Erschreckende an diesem Roman. Den Mord aus der Sichtweise des Opfers, des zwölfjährigen Benjamin Wagner zu schildern, mitsamt all seiner Empfindungen und Ängste, weckt im Leser eine solche düstere Beklemmung, dass er fast schon überlegt, ob es ratsam ist, diesen Roman weiterzulesen. Aber nicht nur diese Sichtweise ist fast schon brutal; die Kindheit des Mörders, die für die Autorin wohl der Auslöser für die Morde ist, ist ebenso deutlich gezeichnet.

Die Autorin spielt mit verschiedenen Varianten des Schreckens. Als Elternteil liest man den Roman wahrscheinlich mit einer ganz anderen Empfindung. Gerade die Sichtweise der besorgten und verängstigen Eltern, die darauf warten, dass der Sohn zur Türe reinkommt, ist gnadenlos. Auch hier musste ich manches Mal den Roman beiseitelegen. Sabine Thiesler spielt mit unseren Urängsten, unseren Beschützerinstinkten, die ein jeder Vater oder eine jede Mutter hat.

Ich gebe zu, der Roman ist spannend, die Story ist jedoch von Klischees überfüllt. Der Mörder, der eine zerstörte Kindheit vorzuweisen hat; die Kinder, die ermordet wurden, kommen entweder aus zerstörten oder zu glücklichen Familien. Ein jeder Leser wird diese „Geschichten“ aus den Medien wiedererkennen. Spannend, aber zugleich viel zu brutal schildert Sabine Thiesler die Sichtweisen der Charaktere: des Mörders – des Opfers – der Eltern.

Brutal ist dieser Roman nur durch die Ängste, mit denen er spielt. Die Morde werden nicht im Detail geschildert, nicht blutig beschrieben. Ganz im Gegenteil. Ist es das, was diesem Roman auf den Bestsellerlisten einen solch hohen Rang einbringt? Ich denke schon. Unsere Zivilisation ist abgestumpft und träge geworden. Aufregung bieten nur die Medien mit ihren täglichen Schreckensbildern, die sich, gleich, aus welchem Land sie kommen, ähneln. Heute ein Mord, morgen eine Naturkatastrophe, übermorgen ein Krieg mit unzähligen Opfern. Aber nichts ist darunter, was uns wirklich schockiert, nur krankhaft fasziniert.

Ich kann diesen Roman nicht guten Gewissens empfehlen, und dies aus vielen Gründen. Unter anderem, weil Kinder die Opfer sind, weil mit ihren Ängsten gespielt wird und mit unserem Voyeurismus. Weil man zwar Nervenkitzel bei der Lektüre erlebt, dies aber weniger der fiktiv-erzählerischen Güte wegen als vielmehr, weil die Darstellung viel zu real gehalten wird. Der Roman zeigt uns, dass jedes Kind verletzlich ist und zum Opfer werden kann, egal, wie viel Liebe und wie viel Sicherheit wir innerhalb der Familie geben können. Wann wird aus einer fiktiven Geschichte Realität, wann wird aus dieser Geschichte erbarmungslose Brutalität? Der Roman schildert nur die Tat und erklärt nicht die Morde, wenn diese ebenso wie die Beweggründe nur als Klischees zu empfinden sind.

_Die Autorin_

Sabine Thiesler wurde in Berlin geboren und wuchs in der Hauptstadt auf. Sie studierte Theaterwissenschaft und Germanistik. Einige Jahre arbeitet sie als Schauspielerin im Fernsehen und auf der Bühne. Außerdem war sie Ensemblemitglied der „Berliner“ |Stachelschweine|. Sie verfasste Drehbücher fürs Fernsehen, z. B. für die Reihen des Tatorts und Polizeiruf 110.

„Der Kindersammler“ ist ihr Debütroman.

|527 Seiten|
http://www.heyne.de

Connolly, John – Nocturnes

In zwei Novellen und 13 Kurzgeschichten erkundet Connolly, sonst als Meister des psychologischen Thrillers bekannt, die Abgründe nicht nur menschlicher Seelen:

– „Der Krebscowboy reitet“ (The Cancer Cowboy Rides), S. 5-83: Die moderne Pest hat Köpfchen und lässt ihren unglücklichen Wirt dafür sorgen, dass stets frische Opfer ihren tödlichen Weg kreuzen …

– „Mr. Pettingers Dämon“ (Mr. Pettinger’s Daemon), S. 84-99: Gräbst du unter einer alten Kirche nach einem Geheimnis, kann es sein, dass es sich dir entgegenwühlt …

– „Der Erlkönig“ (The Erlking), S. 100-110: Er haust im Wald, hat Kinder zum Fressen gern und lässt sich gar nicht gern um sein Opfer betrügen …

– „Die neue Tochter“ (The New Daughter), S. 111-125: Elfen mögen klein sein, sind aber gar nicht niedlich & gehen des Nachts gern auf Kinderfang …

– „Das Ritual der Knochen“ (The Ritual of the Bones), S. 126-140): Der englische Arbeiter ist nicht nur das Salz, sondern auch das Blut der Erde, das die Oberschicht zur Wahrung ihrer Privilegien lieber vergießt als den eigenen Lebenssaft …

– „Der Heizungskeller“ (The Furnace Room), S. 141-154: Der Eingang zur Hölle ist für manchen Sünder näher, als er sich vorstellen mag – bis es zu spät ist …

– „Die Hexen von Underbury“ (The Underbury Witches), S. 155-198: Eine echte Hexe ist durch ihren Tod nicht aufzuhalten …

– „Der Affe auf dem Tintenfass“ (The Inkpot Monkey), S. 199-210: Ein bisschen Blut im Austausch gegen Tinte, die Bestseller entstehen lässt? Der erfolglose Schriftsteller denkt nicht lange nach, doch sein dämonischer Helfer hat eigene Pläne …

– „Treibsand“ (The Shifting of the Sands), S. 211-225: In diesem Küstenstädtchen halten sich die Bürger lieber an ihre seit Urzeiten bekannten Götter, auch wenn hier und da ein Menschenopfer fällig wird …

– „Manche Kinder laufen aus Versehen weg“ (Some Children Wander by Mistake), S. 226-237: Der Zirkus kommt in die Stadt, und als er sie verlässt, hat er eine neue Attraktion …

– „Dunkles Grün“ (Deep Dark Green), S. 238-247: Manches Übel ist nicht dadurch zu stoppen, dass man es zu ertränken versucht …

– „Miss Froom, Vampirin“ (Miss Froom, Vampire), S. 248-260: Vampire sind gar keine garstigen Untoten, erfährt ein verliebter Jüngling; nur neigen sie leider zur Lüge …

– „Nocturne“ (Nocturne), S. 261-273: Wie kämpft man gegen einen Mörder, wenn dieser längst tot ist, aber nicht in Frieden ruhen mag?

– „Die Wakefordschlucht“ (The Wakeford Abyss), S. 274-288: Meidet diesen Ort, warnt der alte Bauersmann, was zwei wackere Wanderer natürlich nicht abhält, genau dorthin zu gehen – mit den üblichen Folgen …

– „Das spiegelnde Auge“ (The Reflecting Eye: A Charlie Parker Novella), S. 289-410: Ein ertappter Kindermörder meint den idealen Zufluchtsort gefunden zu haben, doch der Teufel ist einfallsreich, wenn es gilt, ihm zustehende Sünderseelen einzutreiben …

John Connolly gehört zu den großen Stars des aktuellen Buchthrillers. Seine Romane um den vom Schicksal hart geprüften Privatdetektiv Charlie „Bird“ Parker gehören zu den modernen Klassikern ihres Genres. Selten gelingt es einem Schriftsteller – zumal auf dem gern verachteten Sektor der Unterhaltung – so gut, die dunklen Seiten der Psyche in Worte zu fassen.

Dabei sieht Connolly das Böse als reale Kraft, die nicht zwangsläufig dem menschlichen Hirn entspringt, sondern in einer Sphäre außerhalb der Welt, wie wir sie kennen, beheimatet ist. Immer wieder entstehen „Portale“, durch die es in Gestalt von Dämonen und anderen Kreaturen der Finsternis ins Diesseits vordringt, wobei diese Durchgänge oft in den Köpfen derjenigen Zeitgenossen entstehen, die wir als Sadisten oder Serienmörder bezeichnen. Hier scheint der Durchbruch einfacher zu sein, da es zwischen diesen Unmenschen und den Kräften von „draußen“ eine eigene Affinität zu geben scheint: |“Es gibt Mythen, und es gibt die Realität. Wir erschaffen Ungeheuer und hoffen, dass die Moral, die in den Geschichten verpackt ist, uns leiten wird, wenn wir dem größten Schrecken im Leben begegnen. Wir geben unseren Ängsten falsche Namen und beten, dass wir möglichst nichts Schlimmes erleben werden als das, was wir selbst erschaffen haben.“| (S. 101) Was geschieht, wenn diese Rechnung nicht aufgeht, beschreibt der Autor in den hier vorgelegten Storys.

Diese eigenwillige Definition des Bösen belegt, dass Connolly den Thriller mindestens so liebt wie die Phantastik. In der Tat schreibt er schon seit vielen Jahren Kurzgeschichten um Gespenster und Gruselwesen, die er u. a. auf seine Website gestellt hat. Mit dem Erfolg der Charlie-Parker-Serie wuchs das Interesse an diesen Storys, aus denen sich womöglich ebenfalls Profit schlagen ließ. In seinem Nachwort erläutert Connolly, wie die ehrwürdige BBC ihn beauftragte, für eine Reihe von Grusel-Hörspielen Vorlagen zu schreiben – ein Vorhaben, das von großem Erfolg gekrönt und wiederholt wurde. Neun der hier versammelten Geschichten gehen auf diese Projekte zurück. (Eine Forderung scheint übrigens gewesen zu sein, dass diese Storys in den Jahren nach dem „Großen“, d. h. dem I. Weltkrieg von 1914-18, spielen, als die klassische angelsächsische Geistergeschichte ihre letzten Höhepunkte erreichte.)

„Erinnert an Stephen King – aber Connolly schreibt besser“, liest man auf der Rückseite des Buchumschlags. Es ist eine dieser wie gekauft wirkenden, völlig nutzlosen „Kritiken“, der man in einem Punkt indes zustimmen kann: Storys wie „Der Krebscowboy reitet“ oder „Der Erlkönig“ lesen sich in der Tat wie vom Horrorkönig aus Maine verfasst. Das bedeutet freilich nicht, dass Connolly diesen imitiert, sondern bezieht sich auf die Meisterschaft, mit der es ihm gelingt, das Grauen in einer ansonsten fast aufdringlich durchschnittlichen Alltagswelt zu erden. Connollys Kreaturen drängt es nicht zur Weltherrschaft. Sie tun, was sie tun müssen, und haben die Regeln der Welt, in die es sie verschlagen hat, gut begriffen: Verhalte dich unauffällig, meide das Licht der Öffentlichkeit, vergreife dich an denen, die niemand vermisst.

In unserer unmittelbaren Nachbarschaft gibt es diffuse aber sehr aktive Wesen, die unsere Ahnen noch sehr gut kannten und fürchteten, während wir „modernen“ Menschen nicht mehr an sie glauben. Eine Ausnahme gibt es: Kinder besitzen in ihrer „irrationalen“ Unschuld einen besonderen Sinn für diese Eindringlinge. Deshalb schweben vor allem sie in Gefahr. Nicht, weil sie „wissen“: Diesen Kreaturen ist es gleichgültig, ob man an sie „glaubt“. Sie „sind“ – und sie nutzen die Chancen, die ihnen die ihre Anonymität bietet („Treibsand“, „Dunkles Grün“, „Die Wakefordschlucht“). So breitet sich das Böse nicht unbedingt aus; es fristet sein Dasein und richtet örtlich begrenzt seinen Schaden an, bis es entdeckt, aber nicht unbedingt unschädlich gemacht wird.

Dabei nimmt es viele Gestalten an. Viele sind klassisch: Gespenster („Nocturne“), Hexen („Die Hexen von Underbury“), Vampire („Miss Froom, Vampirin“), Dämonen („Mr. Pettingers Dämon“), das „kleine Volk“, das so gar nichts gemeinsam hat mit den liebenswerten Elfen, wie wir sie heute „kennen“ („Die neue Tochter“). „Der Erlkönig“ ist die weitere Variante einer Natur, deren Palette des Lebens weitaus breiter ist, als wir Menschen wissen oder wissen möchten. Wie es eine gute Gruselgeschichte auszeichnet, kommt der Schrecken manchmal umso besser an, wenn er mit grimmigem Humor dargeboten wird („Miss Froom, Vampirin“, „Der Affe auf dem Tintenfass“).

Die Fans der erwähnte Charlie-Parker-Serie wird aufhorchen lassen, dass Connelly seinen „Nachtstücken“ – so die Übersetzung von „Nocturnes“ – eine bisher unbekannte, 120-seitige Novelle um seinen beliebten Anti-Helden beifügt. Sie verschärft die Neuorientierung der Reihe, die viele Leser, die Connolly als Meister des Psychothrillers schätzen, vor ein Problem stellt: Charlie Parker bekommt es als Detektiv nicht mehr nur mit „normalen“ Kriminellen, sondern mit den Ausgeburten des Jenseits zu tun. Diese Wendung ist nicht ohne Risiko, da Connolly damit zwischen den Stühlen steht: Rationale Krimi-Freunde und Geisterfans stehen meist in unterschiedlichen Leser-Lagern. Allerdings hält Connolly die Balance auf dieses Messers Schneide mit erstaunlicher Souveränität. „Das spiegelnde Auge“ spielt kurz nach den Ereignisse des vierten Romans (dt. „Die weiße Straße“) und ist daher ein wichtiger Mosaikstein, der dem düsteren Universum des Charlie Parker eine weitere Fassette hinzufügt. „Das spiegelnde Auge“ ist außerdem die mit Abstand beste Geschichte dieser Sammlung. Sie spielt in der Gegenwart, der Connolly meisterhaft die Regeln der phantastischen Literatur anzupassen weiß, und komplettiert den rundum positiven Eindruck dieser „Nocturnes“, die zu den angenehmen Überraschungen gehören, die das noch junge Buchjahr 2007 den deutschen Gruselfreunden bieten konnte.

John Connolly ist ein waschechter Ire, der nicht nur in Dublin geboren wurde (1968), sondern dort auch aufwuchs, studierte und (nach einer langen Kette von Aushilfsjobs, zu denen standesgemäß einer als Barmann gehörte) als Journalist (für „The Irish Times“) arbeitete; Letzteres macht er weiterhin, obwohl sich der Erfolg als freier Schriftsteller inzwischen eingestellt hat. Die amerikanischen Schauplätze seiner von der Kritik gelobten und von den Lesern geliebten Charlie-Parker-Thriller kennt Connolly indes durchaus aus eigener Erfahrung; schon seit Jahren verbringt er jeweils etwa die Hälfte eines Jahres in Irland und den Vereinigten Staaten.

Verwiesen sei auf die in Form und Inhalt wirklich gute [Connolly-Website,]http://www.johnconnollybooks.com die nicht nur über Leben und Werk informiert, sondern quasi als Bonus mehrere Gruselgeschichten und Artikel präsentiert.

http://www.ullstein.de/

_John Connolly bei |Buchwurm.info|:_

[„Das dunkle Vermächtnis“ 2251
[„In tiefer Finsternis“ 1803
[„Die weiße Straße“ 3098

[„Die Insel“ 1646

Koontz, Dean / Anderson, Kevin J. – Frankenstein: Das Gesicht

_Handlung_

Deucalion hat nach über 200 Jahren der Verfolgung in einem buddhistischen Kloster im Himalaja seinen Frieden gefunden. Von den dortigen Mönchen wird er respektiert und vor allem akzeptiert. Doch als ein Bote eine Nachricht ins Kloster bringt, ist die Ruhe vorbei: Der Brief enthält ein Bild seines Schöpfers, der nach all der Zeit immer noch am Leben ist …

Eine schreckliche Mordserie erschüttert New Orleans. Allen Mordopfern fehlen bestimmte Teile des Körpers. Detective Carson O’Connor und ihr Partner ermitteln in dem Fall, der immer merkwürdiger wird, als ein narbengesichtiger Mann auftaucht und behauptet, dass sein Schöpfer an der Mordserie Schuld sein soll.

_Die Autoren_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren und lebt heute mit seiner Frau in Kalifornien. Seine zahlreichen Romane – Thriller und Horrorromane – wurden sämtlich zu internationalen Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat er bislang über 250 Millionen Exemplare verkauft. Seine letzten Veröffentlichungen waren „Der Wächter“, die „Frankenstein“-Reihe, „Die Anbetung“ und „Trauma“. Im März 2007 erscheint „Todesregen“.

Kevin J. Anderson, geboren 1962 und studierter Physiker, ist einer der populärsten amerikanischen Science-Fiction-Autoren. Er wurde durch seine Star-Wars-Romane und -Anthologien international bekannt. Seine High-Tech-Thriller und Akte-X-Romane stürmen die Bestsellerlisten. Die Romanreihe um die „Young Jedi Knights“ schrieb er gemeinsam mit seiner jungen Ehefrau Rebecca Moesta. Zudem schrieb er die „Saga der sieben Sonnen“ sowie einige |Wüstenplanet|-Romane zusammen mit Brian Herbert.

_Mein Eindruck_

Eigentlich klingt ein Remake von Mary Shelleys „Frankenstein“ nicht besonders spannend. Zu oft wurde der Stoff verfilmt, durch den sprichwörtlichen Kakao gezogen und veralbert. Doch Dean Koontz wäre nicht Dean Koontz, wenn er dem Stoff nicht eine völlig neue Sichtweise hinzufügen könnte: Was wäre, wenn ein Viktor Frankenstein die technischen Möglichkeiten unserer heutigen Zeit zur Verfügung hätte? Und genau hier wird der Stoff langsam richtig interessant. Der Frankenstein in Koontz‘ Roman hat es geschafft, sich über die 200 Jahre am Leben zu erhalten, und lebt mittlerweile in New Orleans. Dort ist er ein reicher Mann und betreibt seine Studien. Er gräbt zwar keine Leichenteile oder ähnliches aus, aber er bedient sich der Möglichkeiten der modernen Wissenschaft: Klonen und Genmanipulation.

Hier schlägt Dean Koontz eine ähnliche Richtung ein wie in seinem Roman „Die zweite Haut“: Er befasst sich mit der ethischen Problematik des Klonens und beschreibt, dass ein Mensch mehr ist als die Anzahl seiner Gene. Und diese Botschaft verstärkt sich noch, indem er das allseits bekannte frankensteinsche Monster als geläuterte Person darstellt, die ihrem diabolischen Erschaffer das Handwerk legen will.

Selbstverständlich ist dieser Roman keine wissenschaftlich-ethische Abhandlung, sondern ein spannender und sehr lesenswerter Horror-Roman, wie man sie von Dean Koontz nur zu gut kennt. Die Handlung ist rasant, es gibt einige sehr unerwartete Wendungen, und das Tempo ist hoch. Das liegt auch daran, dass einige Handlungsstränge nebeneinander herlaufen. Da die Kapitel sehr kurz sind, springt der Leser von Strang zu Strang, was eine ungeheure Spannung aufbaut. Dem Tempo merkt man an, dass die Reihe eigentlich eine Serie fürs Fernsehen werden sollte, mit keinem Geringeren als Martin Scorsese als Executive Producer. Da dies aber nicht zustande kam, hat sich Koontz entschieden, sein Projekt in Buchform zu verwirklichen. Und das hat er wie gesagt sehr gut gemacht. Der Roman hat zwar schon ein gewisses Tempo, doch sind die Beschreibungen und die Ausgestaltung der Personen nicht von fersehtypischer Konturlosigkeit geprägt. Die Charaktere sind sehr interessant gestaltet, auch wenn mich Detective O’Conner doch sehr an andere Protagonistinnen aus früheren Romanen des Autors erinnert. Sie ist stur, selbstbewusst, ein wenig bärbeißig aber nichtsdestotrotz attraktiv. Hier wühlt er mir ein wenig zu tief in Klischees oder eben in seinen älteren Romanen wie „Unheil über der Stadt“ oder „Drachentränen“, die sehr ähnliche Polizistinnen präsentieren. Ansonsten sind die Charaktere aber sehr interessant gestaltet und die Dialoge teilweise äußerst amüsant geworden.

„Frankenstein: Das Gesicht“ ist kein abgeschlossener Roman, sondern nur der Auftakt zu einer Frankenstein-Trilogie, die sich mit „Frankenstein: Die Kreatur“ fortsetzt. Wenn sich die Qualität in diesem Band auch auf die nachfolgenden Bände erstreckt, können wir einer sehr gelungenen Reihe entgegenblicken.

_Fazit_

Nicht umsonst ist Dean Koontz neben Stephen King einer der wenigen Horror-Autoren, die regelmäßig die US-Bestsellerlisten anführen. Hier zeigt er mal wieder, wie es geht. Dass er sich mit Kevin J. Anderson einen starken Autor an seine Seite geholt hat, bringt einige sehr interessante und frische Ansätze in den Roman. Bester Popcornlesegenuss, bei dem man das Buch am liebsten nicht mehr aus der Hand legen möchte. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein

|Originaltitel: Dean Koontz‘ Frankenstein 1: Prodigal Son
Aus dem Amerikanischen von Ursula Gnade
Taschenbuch, 384 Seiten|

Home Page


http://www.heyne.de

Evers, Harald – 7. Buch der Schatten, Das – Das Amulett

Eigentlich müsste Marie tot sein! Nachdem der grausame, kleine Mann – dem es völlig unerwartet gelungen ist, Maries Herrin Sharica mit deren eigenem Schwert niederzustrecken – verschwunden ist, ist Marie zu ihrer Herrin geeilt, in der Hoffnung, sie könnte noch etwas für sie tun. Doch es ist zu spät! Alles, was Sharica noch tun kann, ist, Marie ein Amulett anzuvertrauen, das sie um den Hals trägt, dann stirbt sie. Doch der Mörder war noch in der Nähe. Und jetzt will er das Amulett. Marie, in der völligen Überzeugung, dass der Mann sie auf jeden Fall töten wird, ist nicht bereit, ihm auch noch diesen Triumph zu lassen. Lieber stürzt sie sich von der Spitze des Felsens mehrere hundert Meter in die Tiefe! Um danach in einer einfachen Holzhütte zu erwachen …

Thoren, Sharicas Gemahl, erfährt von ihrem Tod erst bei seiner Rückkehr aus Dhangras, dem Nachbarreich auf dem Kontinent. Sharicas Tod trifft ihn zutiefst. Doch es ist nicht der einzige Schlag, der ihn trifft! Es stellt sich heraus, dass die Bitte seines Nachbarkönigs Vender um Unterstützung durch Thorens Truppen eine hinterhältige Falle war. Die Freiheit und Sicherheit Turmalins sind in Gefahr, und Thoren sieht nur einen Weg, sein Inselreich zu retten: Magie!

|Charaktere|

Sharica scheint eine schier übermenschliche Persönlichkeit gewesen zu sein. Nicht nur äußerlich von unübertrefflicher Schönheit, sondern auch innerlich. Ein charakterliches Wunder ohne jeden Fehl. Das erscheint umso erstaunlicher, als sie auch eine mächtige Magierin war.

Marie fühlt sich dagegen wie eine graue Maus. Sie ist klein, schmächtig, schüchtern und besitzt kaum Selbstvertrauen. Aber ihre Herrin hat sie so vergöttert, dass sie alles tut, um ihren letzten Willen zu erfüllen. Des Amuletts wegen springt sie von einer hohen Felsenklippe, legt sich mit einem Charakterschwein unter den Soldaten an und wagt sich in Thorens Nähe, um „auf ihn aufzupassen“, was zu diesem Zeitpunkt nicht ungefährlich ist. Und zu guter Letzt erklärt sie sich bereit, die Welt zu retten, indem sie das siebte Buch der Schatten findet. Ein erstaunlicher Mut für ein so ängstliches Mädchen …

Thoren ist im Grunde ein kluger und vernünftiger Mann, aber auch stolz und leicht zu erzürnen. Sharica hat er abgöttisch geliebt. So treffen der Verlust seiner Frau und eines großen Teils seines Heeres ihn an seinen empfindlichsten Punkten. Kein Wunder, dass er regelrecht rast vor Wut! Doch schon bald werden seine Wutausbrüche von Gewalttätigkeiten begleitet, er sieht überall Verschwörungen. Immer wieder scheint die Vernunft bei ihm völlig auszusetzen, dann denkt er wieder geradezu erschreckend klar, allerdings hauptsächlich dann, wenn es um die Vorbereitung des Krieges gegen Dhangras geht.

Damit wäre die Riege der wichtigen Personen bereits erschöpft. Alle weiteren sind Nebenfiguren und nur wenig detailliert beschrieben.

Thorens Brüder sind zwar noch bei Vernunft, dennoch unterstützen sie Thoren, was sie wahrscheinlich nicht mehr täten, wenn sie wüssten, was er plant!

Marosh, der Schmied, in den Marie sich verliebt, ist ein naturverbundener und außerordentlich schwärmerischer Poet, aber nur deshalb von Belang, weil er Marie mit Yvven bekannt macht.

Yvven ist der einzige, wichtigere Protagonist der Geschichte, dessen Charakterzeichnung allerdings dadurch begrenzt ist, dass es sich um eine Katze handelt. Genauer gesagt einen Tierdämon, der aber offenbar einen Narren an Marie gefressen hat. Obwohl das Tier nicht spricht und der Leser nicht erfährt, was es denkt, ist die Schilderung dieser Katze plastischer ausgefallen als die mancher Personen.

Das gilt sogar für Targhyen, den Mörder Sharicas. Von ihm erfährt der Leser im Grunde nur, dass er bösartig und äußerst eitel ist.

Beweggründe, Gedanken, Herkunft und was einem Charakter sonst noch Lebendigkeit verleihen mag, fehlen bei all diesen Nebenfiguren völlig.

|Magie und Phantasie|

Die Fantasy-Elemente des Buches sind da schon vielfältiger. Sichtlich um Eigenständigkeit bemüht, hat Evers seine Geschichte nicht mit Elfen, Trollen und Zwergen bevölkert, sondern mit Dryaden, Sonnenwürmern und Gnarls – auch wenn seine Dryaden der landläufigen Vorstellung von geflügelten Elfen ziemlich nahe kommen und seine Sonnenwürmer im Prinzip flügellose Drachen sind. Bisher spielen diese Wesen aber auch nur eine untergeordnete Rolle. Am ausführlichsten wurden die Dryaden beschrieben, wohl auch deshalb, weil ihre Magie später für den Fortgang der Handlung wichtig wurde. Die Sonnenwürmer dürften im nächsten Band zunehmend auftauchen, denn schließlich will Thoren in den Krieg ziehen.

Die vorerst wichtigsten Elemente sind Sharicas Amulett sowie das Buch der Schatten – das ein Vorfahr Thorens in sieben Teile zerlegt, gut versteckt und durch starke Magie gesichert hat, damit niemand es missbrauchen kann – und in diesem Zusammenhang die Keller der geheimen Bibliothek. Außerdem ist der Herzstein von Bedeutung, ein magisches Artefakt, die Quelle der Energie Turmalins.

|Handlungsverlauf|

Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Handlung. Und die enthält – von dem Mord an Sharica und Thorens Gewaltausbrüchen abgesehen – erstaunlich wenig von dem, was man gemeinhin als Action bezeichnet. Genau betrachtet, passiert fast gar nichts. Hauptsächlich erlebt der Leser mit, wie Thorens Rachsucht ihn mehr und mehr in den Wahnsinn zu treiben droht.

Die Auslöser dafür, die Intrige, die König Vender gegen Thoren und sein Reich gesponnen hat, war gar nicht mal schlecht. Ich hätte allerdings nicht erwartet, dass sie funktioniert. Welcher Herrscher stellt denn, selbst wenn er seinem Gegenüber militärische Unterstützung zugesagt hat, noch an Ort und Stelle einen schriftlichen Marschbefehl für seine Truppen aus? Einen Bündnisvertrag vielleicht, ja.

Nun gut, nehmen wir an, Thoren hätte das trotzdem schon mal erledigt. Wie kam Vender an diesen Befehl? Bei seiner Ankunft in Turmalin klingt Thoren äußerst überrascht darüber, dass seine Truppen schon fort sind. Das kann nur bedeuten, dass er den ausgefertigten Marschbefehl Vender übergeben hat, denn sonst hätte er sich nicht nur über den Zeitpunkt gewundert, sondern darüber, dass seine Truppen überhaupt schon unterwegs waren. Welcher Herrscher bitte überlässt die Einberufung seiner Truppen einem Verbündeten?

Die weitere Handlung war frei von logischen Brüchen, dafür empfand ich etwas anderes als störend, und das war die sexuelle Komponente. Unterschwellig zieht sie sich durch das gesamte Buch, womit ich durchaus leben kann. Es finden sich aber auch gelegentliche Ausbrüche, von denen einer ganz überflüssig war und der andere nicht unbedingt so ausführlich hätte beschrieben werden müssen. Mag sein, dass andere damit kein Problem haben, aber ich finde sowas eher lästig.

_Insgesamt_ hat das Buch einen recht gemischten Eindruck bei mir hinterlassen. Die Ideen in Bezug auf die Magie waren interessant und kamen zur Abwechslung mal ohne detailliert beschriebene, grauenhafte Monster aus, dürfen aber ruhig noch weiter ausgebaut werden. Die Darstellung der Hauptcharaktere war in sich stimmig und gut nachvollziehbar, allerdings könnte ich nicht sagen, dass ich für Thoren viel Sympathie aufgebracht hätte. Dafür ist seine Angewohnheit, ständig jemanden am Kragen oder am Arm zu packen und anzubrüllen, einfach zu ausgeprägt. Der Spannungsbogen hing zwar nicht durch, könnte aber noch weitere Straffung vertragen. Es fehlte die Zuspitzung auf das Ende hin, eine überraschende Wendung oder zumindest etwas, das den weiteren Verlauf in Frage stellt. Aber da der Autor die geballte Katastrophe bereits zu Beginn auf Thoren hat niedergehen lassen, blieb für die restliche Handlung wohl erst mal nichts mehr übrig.

_Harald Evers_ hat seine ersten Geschichten bereits als Jugendlicher auf der Reiseschreibmaschine seines Vaters getippt. Sein erster Roman „Die Kathedrale“ basierte auf einem von ihm entworfenen Computerspiel, ebenso wie die achtbändige Höhlenwelt-Saga, mit der er letztlich bekannt wurde. „Das Amulett“ ist der erste Band seiner neuen Trilogie |Das 7. Buch der Schatten|, dessen zweiter Band im Oktober dieses Jahres erscheinen soll. Harald Evers verstarb im November letzten Jahres im Alter von nur 49 Jahren an einem Herzinfarkt. Das Manuskript für den dritten Band wurde noch von ihm fertiggestellt, ein genauer Erscheinungstermin steht allerdings noch nicht fest.

http://www.hoehlenwelt-saga.de

Crichton, Michael – Next

Mit „Next“ legt Michael Crichton seinen neuesten Spannungsroman vor, der im Stile seines letzten Buches [„Welt in Angst“ 880 ebenfalls ein kontrovers diskutiertes aktuelles Thema aufgreift. Nach Crichtons Schilderungen zur Klimaproblematik nimmt er sich dieses Mal die Gentechnik vor und beleuchtet in Romanform einige ihrer „Auswüchse“.

Zunächst lernen wir den Kopfgeldjäger und Privatdetektiv Vasco Borden kennen, der auf der Jagd nach einem Nachwuchsforscher ist, der sich schließlich selbst umbringt, als Borden ihm zu nahe auf die Pelle gerückt ist. Doch der Forscher, der unerlaubterweise Zellen aus seinem Labor entwendet hat, wird nicht Bordens einziger Auftrag in diesem Buch bleiben. Im späteren Verlauf soll er einen Jungen oder seine Mutter kidnappen, wird aber bei diesem Entführungsversuch durch einen Hybriden eines Ohres entledigt.

Ein weiterer Handlungsstrang befasst sich mit Frank Burnet, der nach einer schweren Krebserkrankung wieder genesen ist und nun seinen behandelnden Arzt anzeigt, weil dieser ihm Zellen und Gewebeproben entnommen hat, um sie kommerziell zu vermarkten. Doch Burnet hat nie die Genehmigung für diese Vermarktung unterschrieben und möchte nun zumindest an diesem Milliardengeschäft beteiligt werden. Sehr zu Burnets Verwunderung und zum Entsetzen seiner Tochter Alex, die als Juristin arbeitet und ihren Vater in diesem Fall verteidigt, verliert Burnet den Prozess und ist somit anschließend nicht mehr der Besitzer seiner Körperzellen. Als im Labor die Burnet-Zelllinie kontaminiert wird, ist die Not groß: Die Zellen müssen unbedingt wiederbeschafft werden, allerdings ist Frank Burnet untergetaucht, sodass nun Alex und ihr kleiner Sohn Jamie ins Kreuzfeuer geraten, da sie dieselben Zellen liefern könnten.

Bei einer Expedition in Zentralsumatra beobachten Fotografen einen Menschenaffen, der die Abenteurer in verschiedenen Sprachen beschimpft. Der sprechende Affe macht Schlagzeilen, allerdings ist dies nicht das einzige sprechende Tier, das uns in „Next“ begegnen wird, denn wir lernen auch den Papageien Gerrard kennen, der nicht nur wunderbar sprechen, sondern sogar rechnen kann. Etwas ganz Besonderes ist auch Dave – ein Schimpanse, der von seinem Vater im Labor gezeugt wurde und nun eingeschläfert werden soll. Doch sein leiblicher Vater rettet Dave, bringt ihn zu seiner Familie und schickt ihn sogar zur Schule. Dass dies Probleme mit sich bringen wird, dürfte offensichtlich sein.

Michael Crichton erzählt zahlreiche weitere Geschichten in seinem gut 500-seitigen Wissenschaftsthriller: Josh Winkler gerät in große Probleme, als sein drogensüchtiger Bruder aus Versehen eine Probe inhaliert, die eigentlich für Tierversuche bestimmt war. Als Joshs Bruder anschließend von seiner Drogensucht befreit ist und sein Leben wieder in die richtigen Bahnen lenken kann, ist Joshs Mutter begeistert, allerdings weiß sie noch nicht, dass ihr Sohn durch das Mittel wesentlich schneller altern wird. Gentechnik bringt eben nicht nur Gutes mit sich…

„Next“ mag zwar durchaus Michael Crichtons neues Buch sein, wahrscheinlich wird es sogar sein nächster Bestseller werden, doch eines ist „Next“ ganz sicher nicht: sein nächster ausgefeilter Roman mit überzeugendem Spannungsbogen! Michael Crichton ist einer der Väter des Wissenschaftsthrillers. In „Timeline“ befasste er sich mit der Teleportation und dem vieldiskutierten Quantencomputer, in „Beute“ waren es die Nanoroboter, die sich plötzlich selbständig gemacht und dadurch für allerhand Ungemach gesorgt haben. Gentechnik und die damit verbundene Problematik ist sicher ein brisantes Thema, das viel Potenzial hat, um es in einem spannungsgeladenen Roman auszubreiten. Doch dies war wohl nicht Michael Crichtons Absicht.

Von Beginn an öffnet er zahlreiche Handlungsstränge, stellt uns selbst 100 Seiten vor Schluss noch neue Protagonisten vor und verliert dabei offensichtlich selbst den Überblick, denn es häufen sich die losen Enden, die nicht fortgeführt werden. Viele Figuren werden präsentiert und geraten anschließend in Vergessenheit. Einen roten Faden lässt dieses Buch ebenso vermissen wie einen Spannungsbogen, Hauptcharaktere oder Sympathieträger. Wir lernen so viele verschiedene Figuren kennen, dass es ratsam wäre, sich beim Lesen eine Personenliste zu erstellen. Eine solche wäre mit Sicherheit deutlich hilfreicher gewesen als das kommentierte Literaturverzeichnis, das stattdessen den Abschluss des Buches bildet.

Wieder einmal ist Michael Crichton missionarisch unterwegs. Wie das ausführliche Literaturverzeichnis vermuten lässt, hat sich Herr Crichton in den letzten Monaten oder auch Jahren intensiv mit der Gentechnik beschäftigt und nun ist für ihn die Zeit gekommen, der Welt seine Meinung kundzutun. In Form zahlreicher Handlungsstränge, in denen uns Michael Crichton Forscher als gewissenlose Egoisten vorstellt, führt er uns vor Augen, welch schreckliche Folgen die Gentechnik denn haben kann und wie rücksichtslos Wissenschaftler und Unternehmer mit den Zellen anderer Menschen und auch ihrem Schicksal umgehen. Zwischendurch flechtet Crichton immer wieder fingierte Zeitungsartikel ein, die sich ebenfalls den negativen und erschreckenden Folgen der Gentechnik widmen. Im Grunde genommen ist es natürlich sehr löblich, dass sich Michael Crichton dieses in der Tat sehr wichtigen Themas annimmt, das ja zu Recht kontrovers diskutiert wird und sicherlich nicht nur Gutes bringen wird. Doch leider offeriert Crichton uns nicht nur Fakten und wahre Begebenheiten, anhand derer man sich sein eigenes Urteil bilden kann – nein, Michael Crichton schwingt den Holzhammer, mit dem er uns seine eigene Meinung einhämmern möchte. Das muss zwangsläufig schiefgehen. Als halbwegs gebildeter und eigenständig denkender Mensch muss man sich von diesem Buch einfach veräppelt fühlen. Crichton hält seine Leser offenbar für geistig beschränkt und meint, uns eine Meinung an die Hand geben zu müssen, nämlich seine eigene.

Dabei ist gerade die Gentechnik ein Thema, mit dem man äußerst sensibel umgehen sollte. Wo Politiker Expertengremien bilden, die zu einem fachlich durchdachten Urteil kommen soll(t)en, stellt Crichton sich hin und predigt „die (seine!) Wahrheit über die Gentechnik“, doch so geht es nicht! Natürlich muss man vorsichtig mit menschlichen Zellen umgehen, natürlich ist es fragwürdig, was die heutige Forschung möglich macht bzw. machen kann, und natürlich ist es verwerflich, wenn ein Forscher sich im Labor einen tierischen Nachkommen erschafft. Doch ist nicht alles schwarzweiß – Forschung bedeutet neben all diesem Gräuel auch Fortschritt und mögliche Hilfe bei Krankheiten. Es ist nicht alles schlecht, nur weil ein Michael Crichton dies so darstellt. Meiner Meinung nach ist es gefährlich, dass ein berühmter und erfolgreicher Bestsellerautor ein solches Buch schreiben darf, in dem nur eine einzige Meinung Gültigkeit hat.

In „Next“ werden sämtliche Figuren schwarzweiß gezeichnet, die Forscher, Ärzte, Juristen sind schlecht, rücksichtslos und nur auf Gewinn bedacht, während die Patienten, die ohne ihr Wissen Gewebe gespendet haben, Opfer sind, denen kein Recht an ihren Zellen zugestanden wird. Crichton verwendet Schablonen anstelle von echten Charakteren, keiner Figur verleiht er Tiefe, niemanden stellt er uns so vor, dass er authentisch wirkt oder zum Sympathieträger werden könnte. Möglicherweise mag dies an den „falschen Genen“ der Protagonisten liegen, kann doch durch die Gene alles Verhalten erklärt werden, wie man nach der Lektüre dieses Buches glauben könnte. Das vorliegende Buch wirkt ausgefranst und man kann sich durch die vielen Handlungsstränge und die schnellen Wechsel der Szenerie nicht so recht einlesen. Bis zum Schluss bin ich mit diesem Werk nicht warm geworden und wusste nicht, was der Autor mir eigentlich sagen möchte. Zu Crichtons Gunsten hatte ich zunächst angenommen, er wolle die möglichen Folgen der Gentechnik lediglich überspitzt darstellen, um sein Publikum aufzuschrecken und auf dieses drängende Problem aufmerksam zu machen. Doch das Lesen des Nachwortes macht diese Hoffnung zunichte, denn Crichton möchte mit diesem Buch tatsächlich nur seine eigene Meinung kundtun.

Insgesamt bin ich schlichtweg enttäuscht von diesem literarischen Ausrutscher Michael Crichtons, den ich seit „Timeline“ leider nie wieder in Höchstform erleben durfte und der mir inzwischen eher wie ein Wanderprediger vorkommt. Sehr lobenswert finde ich sein Anliegen, aktuelle und kontroverse Themen für seine Bücher herauszugreifen und dadurch auf diese aufmerksam zu machen. Sein Vorgehen hierbei ist allerdings sehr fragwürdig, denn er lässt keine Meinung neben seiner eigenen zu und vereinfacht die Sachlage viel zu sehr. Wie ein Elefant im Porzellanladen geht Crichton zu Werke, wo stattdessen viel Fingerspitzengefühl gefragt gewesen wäre.

http://www.randomhouse.de/blessing/

McCaughrean, Geraldine – Peter Pan und der rote Pirat

Peter Pan gehört zu den absoluten Klassikern der Kinderliteratur. Die Geschichte von dem Jungen, der nicht erwachsen werden wollte und jeden Tag in Nimmerland die tollsten Abenteuer erlebt, beflügelt immer wieder aufs Neue die Phantasie von Kindern und Erwachsenen.

Die Stiftung des Kinderkrankenhauses Great Ormond Street Hospital Children’s Charity, dem Sir James Matthiew Barrie die Rechte an Peter Pan vermacht hat, hat anlässlich des 70. Todestages von Sir Barrie einen Wettbewerb für eine Fortsetzung ausgerufen. Unter 200 Autoren wurde Geraldine McCaughrean ausgewählt, diese Fortsetzung zu schreiben. Das Ergebnis war „Peter Pan in Scarlett“, das im Oktober letzten Jahres in 31 Länder gleichzeitig erschien, in Deutschland unter dem Titel „Peter Pan und der Rote Pirat“.

_Zur Autorin:_

Geraldine McCaughrean wurde 1951 in Enfield geboren und wuchs in London auf. Nach einem Lehramtsstudium arbeitete sie zunächst als Redakteurin für einen Zeitschriftenverlag, ehe sie sich als freiberufliche Autorin selbstständig machte. Seither hat sie mehr als hundert Bücher für Jugendliche und Erwachsene geschrieben und eine ganze Liste an Preisen erhalten, von denen mir die meisten unbekannt sind. Unter den internationalen Auszeichnungen fand ich dann den Deutschen Jugendliteraturpreis, den sie 2004 für „Der Drachenflieger“ erhielt.

_Zum Vorgänger:_

Die Figur des Peter Pan tauchte erstmals 1902 in dem Buch „The little white bird“ auf. Hier wird erzählt, wie Peter sein Zuhause verlässt, weil er nicht erwachsen werden will, und einige Zeit in Kensington Gardens bei den Feen lebt. 1904 folgte das Theaterstück „Peter Pan, or the boy who wouldn’t grow up“, das wir heute unter dem Titel „Peter Pan“ kennen.

Peter verlässt immer wieder seine Insel Nimmerland, um am Fenster der Darlings den Geschichten zu lauschen, die die Mutter ihren Kinder Wendy, John und Michael vor dem Einschlafen erzählt. Eines Abends wird er von der Neufundländerhündin Nana, die als Kindermädchen fungiert, erwischt und verscheucht. Dabei verliert er seinen Schatten. Als die Eltern eines Abends bei Nachbarn eingeladen sind, nutzt Peter die Gelegenheit, seinen Schatten zurückzubekommen, und nimmt auch gleich noch Wendy und ihre Brüder mit ins Nimmerland. Den Kindern gefällt es dort sehr, gleichzeitig merkt jedoch Wendy, dass sie anfangen, ihr Zuhause zu vergessen, obwohl sie den Jungen immer wieder davon erzählt. Deshalb kehren sie schließlich nach vielen Abenteuern nach Hause zurück, und auch die verlorenen Jungen bleiben bei den Darlings.

_Zur Fortsetzung:_

Jahre sind vergangen. Wendy ist verheiratet und hat eine Tochter namens Jane. John ist ebenfalls verheiratet und hat Kinder. Tootles ist inzwischen Richter und hat eine Tochter, Curly ist Arzt, Slightly hat eine Adlige geheiratet und lebt jetzt als Gentleman … Nicht, dass sie Nimmerland vergessen hätten. Aber das alles ist ja schon soooo lange her …

Eines Tages jedoch ist alles plötzlich wieder ganz nah! Alle fangen sie an zu träumen: Sie träumen vom Nimmerland, und wenn sie erwachen, finden sie entsprechende Hinterlassenschaften in ihren Betten: Seeräubersäbel, Köcher mit Pfeilen, Wecker und Seifenblasen. Eines Tages schließlich ist Tootles der Meinung, es müsse etwas geschehen, letztlich jedoch ist es Wendy, die der Sache auf den Grund geht und erklärt, was zu tun sei.

So machen die Herren sich auf höchst ungewöhnliche Art und Weise auf, nach Nimmerland zurückzukehren und dort nach dem Rechten zu sehen. Das scheint ziemlich notwendig, denn als sie dort ankommen, hat Nimmerland sich stark verändert. Und nicht nur das: Peter ist offenbar überhaupt nicht begeistert, dass sie wieder da sind. Und dann ist da noch dieser eigenartige Ribello, der nur aus einem Haufen zerflusender Wolle zu bestehen scheint und lauter wilde Tiere um sich hat, die er im Zirkus auftreten lässt.

Als die Kinder beim Spielen an der Lagune von einem Feuer eingeschlossen werden, kommt gerade Hooks alte Jolly Roger in die Bucht getrieben. Die Kinder nutzen die Gelegenheit und flüchten vor dem Feuer hinaus aufs Meer. Bei der Erforschung des Schiffes findet Peter eine Schatzkarte, und sofort ist klar: es wird auf Schatzsuche gegangen. – Allerdings: eine Schatzsuche der üblichen Art scheint das nicht zu werden …

_Mein Eindruck:_

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich konnte mich mit dieser Fortsetzung nicht wirklich anfreunden.

James Barries Nimmerland ist ein Land der Kinderträume, wo sie all die Abenteuer erleben können, die es in ihrer eigenen Welt nicht gibt, und wo sie all das dürfen, was zu Hause nicht erlaubt ist. Das schließt natürlich Gegenspieler ein wie die Piraten und zunächst auch die Indianer, die erst nach Tigerlilis Rettung zu Freunden werden. Es ist aber gleichzeitig auch ein Ort der Unverdorbenheit und Schönheit. Obwohl Kinder an die Schönheit der Natur normalerweise keinen bewussten Gedanken verschwenden, würde sich keines eine hässliche oder finstere Insel für seine Abenteuer ausdenken.

Barries Peter Pan ist die verkörperte Kindheit, überschwänglich, unbeschwert und gedankenlos, ohne jedes Verständnis für Gefahr oder Leid. Denn da er ein ewiges Kind ist, ist ihm so etwas wie Erfahrung völlig fremd. Er lebt vollständig im Jetzt, was in der Vergangenheit war, vergisst er bald wieder. Gleichzeitig ist er auch ein ziemlicher Angeber, hat im Grunde aber ein gutes Herz.

McCaughreans Nimmerland fehlt dieses Flair des Unverdorbenen vollkommen. Dass es im ewig sommerlichen Nimmerland plötzlich Herbst ist, stört nicht besonders. Aber die Lagune ist ein schmieriger, dunkler Pfuhl, gesäumt von Gerippen toter Nixen. Ein Sturm reißt den Baum um, auf dem seit Wendys Heimkehr ihr Häuschen steht. Die ganze Insel atmet Verfall und Siechtum.

Auch Peter ist nicht mehr der alte. Er ist schnippisch und unfreundlich, gibt zum Beispiel den zurückgekehrten Freunden die Schuld daran, dass sein Haus abgestürzt ist, und bezeichnet die alte Wohnung unter der Erde, in der sie früher alle zusammen gewohnt haben, als „sein Haus“. Kurz, er ist richtig miesepetrig! Er, die Identifikationsfigur aller Kinder, die sich bisher hauptsächlich durch Freude, Mut und Fantasie ausgezeichnet hat!

Barries Nimmerland spiegelt ein kindliches Paradies wider, McCaughreans Nimmerland den Trend der modernen Fantasy, immer eine finstere Bedrohung zur Basis des Geschehens zu machen. Ein Ausdruck der Überreizung, der mir auch bei einem Kommentar zu den „Kindern aus Bullerbü“ begegnet ist, die jemand als langweilig bezeichnete, weil die heile Welt ja gar nicht bedroht sei und deshalb ja eigentlich gar nichts abginge. Im Zeitalter der Superlative genügen einfache Piraten nicht mehr für den gewünschten Kick.

Abgesehen davon ist es auch in diesem Fall einer Fortsetzung nicht gelungen, nahtlos an das Original anzuschließen. Mir scheint, diesen Punkt nehmen die meisten Autoren, die solche Fortsetzungen von Klassikern schreiben, etwas zu leicht.

Das fängt schon damit an, dass ein Ersatz für Hook gefunden werden musste, damit Peter Pan wieder einen Gegenspieler hat. Dieser Part wurde mit Ribello besetzt. Nur: Wie ist er als Erwachsener ins Nimmerland gekommen? Die Begründung, Indianer und Piraten wären ja auch Erwachsene und trotzdem in Nimmerland, zieht nicht. Im Original wird ganz deutlich, dass Wendy und ihre Brüder bei der Ankunft in Nimmerland Plätze wiedererkennen, die sie sich in ihren Spielen vorgestellt haben. Die Piraten und Indianer sind da, weil sie zum Spiel gehörten.

Das Gesetz, dass Erwachsene nicht nach Nimmerland kommen können, wurde auch noch an anderer Stelle aufgeweicht. So besagt Hooks Lebensgeschichte – die im Grunde zu Barries Andeutungen über den Kapitän recht gut passt – Hook sei von zu Hause ausgerissen und nach Nimmerland gekommen, weil seine Mutter ihn am Tag der Sportwettkämpfe aus Eton weggeholt habe. Wer in Eton zur Schule geht, ist mindestens dreizehn Jahre alt, also eigentlich schon zu groß, um Nimmerland zu erreichen. Und dann erst all die erwachsenen Frauen, die im Labyrinth der Reue nach ihren verlorenen Kindern suchen …

Trotzdem hat die Autorin letztlich dafür gesorgt, dass die Frage um Ribellos Anwesenheit sich anderweitig erklärt. Dass sie dafür einen Toten quasi wiederbeleben beziehungsweise auf Umwegen eine Erklärung für sein Nicht-Tot-Sein konstruieren musste, hat sie offenbar nicht gestört.

Umständlich auch die Sache mit Peters Verwandlung, nachdem er Hooks Piratenrock angezogen hat. Im Grunde wurde das alles gut beschrieben, gewundert hat mich nur, dass Peter sozusagen als Wünschelrute benutzt wurde. Indem er immer mehr Hook ähnlich wurde, führte er Ribello zu Hooks Schatz. Dabei hätte Ribello doch nur den Rock selbst überstreifen müssen …

Des Weiteren schneidet Ribello den Kindern beim Ersteigen der Nimmerspitze die Schatten ab. Später wird er zugeben, er habe das getan, um sie am Fliegen zu hindern, denn ohne Schatten könnten sie trotz Feenstaub und schöner Gedanken nicht fliegen. – Ich frage mich nur, wie Peter es dann im Original geschafft hat, zu Wendy ins Zimmer zu fliegen, um seinen verlorenen Schatten zurückzuholen!

Am auffälligsten war aber auch hier wieder die Veränderung an Peter, und zwar die Veränderungen, die bereits vor seinem ersten Anprobieren von Hooks Rock vorhanden waren: Er, der laut Original bereits innerhalb eines Jahres nach Wendys Heimkehr sowohl Hook als auch Tinkerbell vergessen hatte, erinnert sich bei der Ankunft der „Alten Jungs“ in seinem Baumhaus an Tinkerbell und Nana! An Wendy erinnert er sich dafür nicht, obwohl er laut Original erst ihre Tochter Jane und später ihre Enkelin Margaret als seine Mutter ins Nimmerland holte. Seine Manieren sind nicht mehr vorhanden, weil er laut diesem Buch ja keine Mutter hatte, um welche zu erlernen, während er im Original durchaus Manieren hatte, abgeschaut von den Feen.

Sehr schön fand ich dagegen die Bilder zwischen den einzelnen Kapiteln in Form von Scherenschnitten. Auch das Lektorat war angenehm fehlerfrei.

_Resümee:_

Mit der Wahl von Geraldine McCaughrean als Autorin der Fortsetzung zu Peter Pan wurde – zumindest laut Klappentext – der Anspruch der Stiftung deutlich, „ein anspruchsvolles literarisches Werk zu schaffen, das selbst einmal zum Klassiker avancieren wird.“ Also, nach meinem Dafürhalten wird das Buch diesem Anspruch nicht gerecht. Entgegen der Aussage des Klappentextes habe ich im Gegenteil den ursprünglichen Zauber Nimmerlands ziemlich vermisst. Der Fortsetzung fehlt jegliche Leichtigkeit und Fröhlichkeit, die Barries Geschichte auszeichnet, stattdessen wirkt sie düster und muffelig.

Dabei waren die Ideen nicht unbedingt alle schlecht. Vor allem die Idee des „Kleider machen Leute“, nach der jeder sich zu demjenigen verändert, dessen Kleider er trägt, hat mir im Grunde gut gefallen, und das nicht nur, weil sich daraus so witzige Details ergaben wie jenes, dass Tootles plötzlich ein Mädchen ist. Sie waren nur nicht konsequent durchdacht. So hätten zum Beispiel die Jungs, die ebenfalls in Piratensachen geschlüpft waren, zu den jeweiligen Piraten werden müssen.

Was ebenfalls fehlt, ist das Happy-End, das eigentlich unbedingt zu einem Abenteuer kindlicher Fantasie gehört. Obwohl Peter Pan am Ende wieder er selbst ist – mit den genannten Einschränkungen außerhalb vom Einfluss des Rocks -, und das Nimmerland sich am Ende wieder regeneriert – auf welche Weise eigentlich? – kann man nicht sagen, dass die Kinder die Schlacht wirklich gewonnen hätten. Nicht nur, weil Ribello entgegen Wendys Erwartung nicht gestorben ist. Es fehlt der triumphale Abschluss, wie er im Original dadurch gegeben war, dass Hook letztlich vom Krokodil gefressen wurde.

Im Übrigen stellt sich mir auch hier wieder die Frage, ob es wirklich dieser Fortsetzung bedurft hätte. Wie in fast allen Fällen hat sich auch hier die Hoffnung nicht erfüllt, etwas Besonderes zu wiederholen. Wenn das so einfach wäre, wären diese besonderen Dinge ja nicht so besonders. Manches lässt sich einfach nicht wiederholen, und es trotzdem zu versuchen, trübt nur den Zauber, den das Besondere bis dahin durch seine Einzigartigkeit besessen hat. Ich glaube nicht, dass die Stiftung Sir Barrie mit dieser Fortsetzung einen Gefallen getan hat. Zumal er selbst seine Geschichte eigentlich endgültig beendet hat, nicht nur mit Hooks Tod, sondern auch mit einem eigenen Ausblick in die Zukunft: |“Wenn Margaret erwachsen ist, wird sie auch eine Tochter haben, die dann wieder Peters Mutter wird, und so wird es immer und immer weitergehen, solange Kinder fröhlich, unschuldig und herzlos sind.“|

http://www.geraldinemccaughrean.co.uk
http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch/
[Verlagsspezial]http://www.randomhouse.de/specialskids/peter__pan_2/

Koch, Boris – Schattenlehrling, Der (Shadowrun 77)

Mit seinem „Shadowrun“-Debüt begibt sich Boris Koch in eine neue Epoche der weltberühmten Rollenspielwelt. Es ist die erste Geschichte der vierten Edition von „Shadowrun“ und markiert als solche einen 5-Jahres-Sprung seit den zuletzt dokumentierten Ereignissen. Aus diesem Grunde enthält der Roman auch ein exklusives Vorwort des deutschen „Shadowrun“-Chefredakteurs Christian Lonsing mit einigen Hinweisen und Hintergründen zu den Neuerungen, speziell die nunmehr kabellose Matrix betreffend. Dies erfüllt in erster Linie auch den Zweck, eventuelle Skeptiker vorerst zu besänftigen und ihnen zu erläutern, welche Funktion dieser rasche Zukunftssprung hat. Nun ist es lediglich an Romanautor Koch, die dadurch geschürten Erwartungen literarisch umzusetzen. Eine enorm schwierige Aufgabe, doch der ‚Debütant‘ zieht sich wirklich achtbar aus der Affäre.

_Story_

Boris Weinert hat die Nase vom spießigen Familienleben gestrichen voll. Seit Jahren erlebt er in der Matrix seine wahre Bestimmung und träumt, inspiriert von einer populären Runner-Serie um den Superhelden Viper, eines Tages ebenfalls in den Schatten aktiv zu sein. Während seinem Vater, einem hohen Angestellten beim Konzern-Multi |Horizon|, ein neuer lukrativer Auftrag in München winkt, plant der 13-Jährige seine Flucht aus dem Elternhaus. Kurzerhand stiehlt er seinen Eltern wertvolle Credsticks, begibt sich damit in eine anrüchige Kneipe und trifft dort auf die großspurigen Runner Theseus, Cinque und Key. Nicht wissend, dass seine Eltern bei seiner Verfolgung ums Leben gekommen sind, lernt er bei seinen neuen Chummern die wichtigsten Basics eines Runners und ergattert mit ihnen alsbald auch seinen ersten Auftrag. Als dieser jedoch komplett fehlschlägt und Auftraggeber Domitian, gleichzeitig Besitzer der Gladiatorenarena |Monstroseum|, sich öffentlich über das Scheitern der Runner und ihren neuen Schützling lustig macht, erkennt Boris (alias Wet Boy), dass er unter eine Truppe von Versagern geraten ist, und macht sich auf den Weg, eigenständig Erfahrungen als Runner zu sammeln. Jedoch gerät er dabei in eine tödliche Falle, aus der ihn nur noch seine kurzzeitigen Gefährten befreien könnten. Doch die sind schon zu Genüge damit beschäftigt, Boris‘ Verfolger abzuschütteln. Der Junge hatte seinem Vater kurz vor der Flucht nämlich einen enorm wichtigen Credstick mit verborgenen Informationen gestohlen, die der Konzernführung schon bald zum Verhängnis werden könnten. Und nun sind plötzlich alle hinter dem 13-jährigen Spross her, der ahnungslos in sein eigenes Verderben hineinrennt …

_Meine Meinung_

Im neuesten Kapitel der „Shadowrun“-Abenteuer werden vergleichsweise sehr harte, teils auch übermäßig brutale Seiten aufgezogen. Die einschneidenden Auswirkungen des großen Crashs aus dem Jahre 2064 ist den meisten Runnern noch sehr nahe, die Stimmung daher auch recht gedrückt. Im Übrigen sind die Charaktere dieses Buches aber auch sehr aggressiv eingestellt, allen voran natürlich die Fieslinge, die ihre Kontrahenten nicht nur foltern und zu Tode quälen, sondern sie anschließend noch bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln. Ja, „Der Schattenlehrling“ ist verdammt starker Tobak!

Dabei ist der Aufhänger der Story weniger originell: Ein kleiner Abenteurer zieht in eine düstere Welt aus, um seinen Idolen nachzueifern, muss sich jedoch alsbald der knallharten Realität stellen und damit auch Verbrechen, Gewalt und Tod. Losgelöst vom behüteten Elternhaus und den Vorgaben, die der Konzern des Vaters den Familien seiner Schützlinge auferlegt, taucht er ab in eine Welt, die er in seinen Träumen verehrt, die für ihn das Ein und Alles ist. Doch zwischen Trideo, Matrix-Games und der Wirklichkeit bestehen ungeahnte, teils weltengroße Unterschiede. Bereits beim ersten Aufeinandertreffen mit Leuten aus den Schatten muss Boris anerkennen, dass er der Herausforderung gar nicht gewachsen ist. Weder körperlich kann er mit den übrigen mithalten, noch ist seine Einstellung so kompromisslos, dass er als echter Schattenläufer durchgehen würde. Also lässt er sich erst einmal ausbeuten und spendet ein halbes Vermögen für eine kurze Ausbildung. Jedoch hat er sich nicht unter irgendwelche Helden gemischt, sondern unter die letzte Stufe der Runner-Equipe; anrüchige Gestalten, begierig darauf, mit zweifelhaften Aufträgen ihren Unterhalt zu finanzieren, oder notfalls mit illegalen Mitteln die eigenen Bedürfnisse durchzusetzen.

Dennoch entsteht zwischen Theseus, Cinque, Key und Wet Boy – den Namen erhält Boris, als ihm jemand sein Bierglas über dem Kopf entleert – eine Art Sympathie und Freundschaft: Gerade Theseus fühlt sich zu dem Jungen hingezogen und entdeckt Parallelen zu seiner eigenen Vergangenheit. Keiner von ihnen kennt jedoch den wahren Grund für Boris‘ Flucht bzw. die Ursache für seinen Weg in die Schatten. Auch die familiären Umstände bleiben für das Runner-Trio ungeklärt, was einzig und allein daran liegt, dass Wet Boy fürchtet, nicht mehr ernst genommen und wegen seiner Herkunft sogar wieder verbannt zu werden.

Die Stimmung bleibt im Laufe der Erzählung deshalb auch ständig angespannt, bis Boris dann die Initiative ergreift, realisiert, dass Theseus und Co. ihn nicht weiterbringen können und schließlich der Gedanke in ihm reift, dass er anderer Stelle, nämlich im |Monstroseum|, einen besseren Einstieg in die Welt der Schatten bekommt. Doch dort ist es noch finsterer, als es jeder Schatten sein könnte …

Während auf der emotionalen Ebene nichts weiter geschieht als diese recht oberflächliche Freundschaft (selbst der Tod der Eltern wird vom Autor eiskalt aufgearbeitet), schreitet die Action-Handlung ebenfalls nur behäbig voran. Erst nach gut der Hälfte des Romans entwickeln sich langsam aber sicher die Zusammenhänge zwischen allen Parteien; die verschiedenen Positionen werden deutlicher beleuchtet und leiten schließlich ein absolut denkwürdiges Finale ein, bei dem es wirklich so richtig zur Sache geht.

Trotzdem gibt es jedoch noch ein ‚Aber‘, denn letzten Endes hat der Plot nur bedingt überzeugt. Dies liegt aber allen Befürchtungen zum Trotz nicht an den fehlenden Zusammenhängen zwischen der letzten und der neuen Ära, sondern vielmehr an der Tatsache, dass die Geschichte nicht wirklich in die Gänge kommt. Dieses Geplänkel zwischen Boris und seinen neuen Kumpels mag zwar als Einführung wichtig sein und ist zu diesem Zweck auch vollkommen akzeptabel, aber bis sich dann einmal ein weiterer Aufhänger für die ‚echten‘ Abenteuer der Runner entwickelt hat, ist man schon ziemlich weit fortgeschritten und hat Mühe und Not, die vielen einzelnen Parts miteinander zu verbinden. Man weiß zwar im Grunde genommen, wer wie wo seine Finger im Spiel hat und welche hinterlistigen Machenschaften wem anzulasten sind (diesbezüglich Spannung aufzubauen, ist nämlich nicht gerade die Stärke des Autors), wartet aber irgendwie nur auf den letzten Showdown, der von Koch hier glücklicherweise auch richtig stark inszeniert wird.

Dass „Der Schattenlehrling“ insgesamt aber trotzdem ein recht gutes Buch geworden ist, hat man der postapokalyptischen Atmosphäre des Romans zu verdanken. Eine Welt, am Boden zerstört, ein Leben zwischen purer Harmonie und skrupelloser Zwietracht, gesellschaftliche Strukturen, die jeglicher Moral entbehren, phasenweise beängstigend morbide Zwischensequenzen und, nicht zu vergessen, die effektreiche Inszenierung der modernen Mafia, angeführt von hochrangigen Konzerneignern und vollzogen von schmierigen Runner-Gangs, deren Lebenselixir aus Gewaltakten besteht. Boris Koch offeriert ein Leben zwischen Verbrechen, Moralverstößen und Kapitalismus, Niederträchtigkeit und – dem Titel entsprechend – echten Schatten, ganz genau so, wie sich das für einen „Shadowrun“-Roman gehört. Zwar sind seine futuristischen Visionen stellenweise schon richtig krass, im Rahmen der rauen Handlung aber in dieser Form nur ein kleine Puzzlestücke mehrerer eher ekelhafter Szenarien.

Auf den Punkt gebracht: Dort, wo die Story inhaltlich einige Defizite offenbart, springen die grausamen, symbolischen Visualisierungen von Gewalt und Chaos in die Bresche und bewahren den Roman vor dem Durchschnitt. Dies schließlich sogar auf eine Art und Weise, dass ich „Der Schattenlehrling“ zumindest auf den Rahmen der Geschichte bezogen durchaus empfehlen kann.

http://www.fanpro.com
http://www.boriskoch.de
http://www.shadowrun.de
[„Shadowrun 4.01D“ 2097

Boothby, Ian – Futurama Comics 26

_Story_

|“Geschichten von zweierlei Interesse“|

Nachdem Bender den schlafenden Fry beim Pokern um das letzte Hemd gebracht hat, fordert Leele den dreisten Roboter auf, sich einmal mit seinesgleichen zu messen. Gesagt, getan: Verbotenerweise entwendet Bender vom Stapel des Professors die „Was wäre wenn?“-Maschine. Zwischendurch ist Fry wieder aufgewacht und kann gar nicht fassen, dass sich seine Jacke nicht mehr an seinem Körper befindet. Er erinnert sich an die Weihnachtsfeste in seiner Kindheit zurück, an denen er jedes Jahr ein Exemplar dieser Jacke geschenkt bekommen hat. Da mischt sich die Maschine ein und spielt mit Leela, Fry und Bender verschiedene Szenarien durch, lässt das ungleiche Gespann in einem imaginären Abenteuer gegen den Weihnachtsmann kämpfen und macht sie zu den Beteiligten einer vollkommen durchgedrehten Sitcom. Selbst Bender hat zum Ende hin die Nase von dieser Maschine gestrichen voll …

_Meine Meinung_

Endlich wieder „Futurama“! Weil die Comic-Serie im Gegensatz zu den „Simpsons Comics“ nur einmal pro Quartal erscheint und auch das Original aus dem TV hierzulande derzeit nicht ausgestrahlt wird, ist die Freude über ein neues Exemplar der „Futurama Comics“ jedes Mal wieder groß, besonders dann, wenn es sich um eine solch hervorragende Ausgabe wie die aktuelle handelt.

Der Plot „Geschichten von zweierlei Interesse“ ist mal wieder alles andere als logisch, zwischenzeitlich sogar vollkommen durchgeknallt, aber durchweg spritzig und aufgrund der unvorhersehbaren, drastischen Wendungen mal wieder voller Überraschungen. Ian Boothby, Autor der Geschichte, verarbeitet über den Umfang des gesamten Comics erneut einige wirre Ideen, macht dieses Mal recht viele Anspielungen gegenüber einst beliebten TV-Produktionen wie „Bezaubernde Jeannie“ und „Herzbube mit zwei Damen“ und zitiert mit ironischem Unterton Inhalte aus „Superman“ und „Men In Black“.

Verrückt ist das Ganze aber auch wegen der total seltsamen Entwicklung des Plots. Über eine lockere Pokerrunde, die Bender dazu nutzt, sich mit unlauten Mitteln zu profilieren, führt das Ganze über einige weitere Manipulationen zu einem von der „Was wäre wenn?“-Maschine erdachten Action-Abenteuer. Fry selber wirft die Frage auf, was wohl wäre, wenn jeden Tag Weihnachten wäre. Und dann nimmt der Irrsinn seinen Lauf … Und kurze Zeit später startet auch schon das nächste Szenario, als Fry fragt, was wäre, wenn sein Leben eine einzige Sitcom wäre. Die Maschine gibt ihm die Antwort, zitiert die oben genannten Comedy-Serien aus vergangenen Jahrzehnten und entwickelt erneut eine total überspitzte Darstellung, die sogar den naiven Fragestellern und dem schmierigen Bender derart auf den Keks gehen, dass sie dankbar darüber sind, dass der Selbstzerstörungsmechanismus (der über einen weiteren spektakulären Zufall entdeckt wird) die Maschine zerstört. Doch der Professor hat ja noch vergleichbare Modelle auf Halde …

„Futurama Comics 26“ bietet einmal mehr allerbeste Unterhaltung auf dem hohen Level der gleichnamigen TV-Serie von Matt Groening. Coole, flotte Gags, eine ziemlich bizarre Geschichte und die beliebten Helden in Bestform – hier stimmt diesmal wirklich alles. Als Bonus gibt es noch eine kurze Zeichenschule mit den elementaren Umrissen Benders. Fans der inoffiziellen Simpsons-Nachfolgeserie aus der Zukunft sollten sich das nicht entgehen lassen.

http://www.paninicomics.de

Harris, Thomas – Hannibal Rising

„Haben die Lämmer aufgehört zu schreien?“, fragte Dr. Hannibal Lecter die noch junge FBI-Schülerin Clarice Starling in dem 1991 verfilmten Roman [„Das Schweigen der Lämmer“ 354 von Thomas Harris.

Mit dem Film entstand rund um den intelligenten, charismatischen und grausamen Dr. Hannibal Lecter ein neues Genre. Nicht nur der Film wurde hoch gelobt und bekam wohlverdient als bester Film mehrere Oscars, auch der Schöpfer dieses jetzt größten Filmschurken verdiente das große Lob seiner Romane.

Die Verfilmungen der Thrilleradaptionen „Roter Drache“ und „Hannibal“ konnten an den Erfolg anschließen und haben einen hohen Maßstab gesetzt, literarisch wie auch cineastisch. Nach „Hannibal“ allerdings hatte der Darsteller des Kannibalen Dr. Lecter – Sir Anthony Hopkins – genug von dieser „wahnsinnigen“ Figur, mit der er auf immer identifiziert werden sollte.

Thomas Harris hat sich mit seinem Roman „Hannibal Rising“ viel Zeit gelassen und geht wie so mancher Autor vor ihm den Weg zurück. Viele Autoren bedienen sich Sequels/Prequels, um an ihren Erfolg anzuknüpfen, und da Anthony Hopkins wie gesagt nicht mehr bereit ist, Dr. Lecter zu spielen, lag es nahe dem interessierten Leser und Zuschauer zu erklären, wie es dazu kam, dass ein hoch gebildeter Doktor der Psychologie solchen Wahnsinn an den Tag legt. Welche Einflüsse und Erlebnisse in jungen Jahren haben Hannibal zu dem Serienmörder gemacht, der er ist – ob nun wirklich böse oder nicht, lassen wir erstmal dahingestellt. Haben wir uns diese Frage nicht immer schon gestellt?

„Hannibal Rising“ von Thomas Harris erschienen Ende 2006 im Verlag |Hoffmann und Campe| und gibt den Lesern Antworten auf die Fragen „Warum“ und „Weshalb“.

_ Die Geschichte_

Litauen 1941: Der achtjährige Hannibal Lecter, Sohn eines Grafen, seine Mutter ist italienischer Abstammung, lebt zusammen mit seiner jüngeren Schwester Mischa auf Burg Lecter. Seit fünf Jahrhunderten ist diese im Besitz der Grafschaft Lecter.

Die Eltern erkennen schon die besondere Intelligenz an dem immer höflichen und interessierten Jungen und fördern seinen unersättlichen Wissensdurst mit Hilfe eines Privatlehrers, zu dem Hannibal bald eine tiefe Freundschaft entwickelt.

Um der immer näher rückenden Front zu entkommen, entschließt sich Graf Lecter mitsamt seiner Familie und dem Lehrer dazu, Zuflucht in ihrem Jagdhaus zu suchen. Doch die Ausläufer des schrecklichen Zweiten Weltkriegs finden auch zufällig dieses letzte Versteck, und bei einem Bombenangriff werden die Eltern sowie der Lehrer getötet. Hannibal und seine kleine Schwester überleben das Inferno und sind nun auf sich allein gestellt.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges finden einige Deserteure und Söldner, die sich als Rot-Kreuz-Helfer tarnen, das kleine Jagdhaus und somit auch Hannibal und Mischa. In der nächsten Zeit wird durch die Grausamkeiten, die Hannibal erlebt, der erste Grundstein seines späteren Verhaltens gesetzt. Beide werden krank, hungern und werden an die Kette gelegt wie wilde Tiere in einem Gefängnis.

Die Deserteure sind unterernährt, erkranken wie die beiden Kinder selbst auch und suchen verzweifelt nach etwas Essbarem. Schließlich muss Hannibal mit ansehen, wie seine Schwester Mischa vor seinen Augen mit einer Axt getötet und ihre kleine Leiche verspeist wird. Dieser Moment, dieses Erlebnis entfacht ihn ihm den Drang nach Rache. Zudem traumatisiert ihn dieses Erlebnis für Jahre, und er verschließt sich unbewusst diesem grausamen Trauma.

Später wird der verletzte und ausgehungerte Hannibal nahe dem Jagdhaus gefunden. Er spricht nicht mehr, ist verstört und kommt in ein Waisenhaus. Inzwischen ist er dreizehn Jahre alt. In der Nacht wird Hannibal immer wieder von Alpträumen geplagt und immer schreit er in der Dunkelheit den Namen seiner Schwester: Mischa, Mischa …! Er durchlebt wieder und wieder die schrecklichen Erlebnisse, ohne sich allerdings bis zuletzt daran erinnern zu können. Tagsüber aber wehrt sich der Jugendliche Hannibal gegen die Geister der Vergangenheit.

Hannibals Onkel, der Bruder seines Vaters, und seine schöne und kultivierte japanische Frau Lady Murasaki nehmen Hannibal in ihre Familie auf und Frankreich wird die nächste Station in seinem noch jungen Leben. Hannibal baut eine tiefe und innige Zuneigung für die schöne und gebildete Lady Murasaki auf, die sich hingebungsvoll seiner annimmt und ihn vieles lehrt. Hannibal entwickelt sich schon hier zu einem interessierten, höflichen jungen Mann. Doch der Schein trügt, sein Temperament ist hitzig, und doch strahlt seine ganze Person kein Gefühl aus.

Als nach dem Tod seines Onkels Lady Murasaki tief beleidigt wird, offenbart sich das Wesen Hannibals langsam. Kalt und berechnend fordert er den Mann auf, sich schriftlich bei Lady Murasaki zu entschuldigen. Dieser nimmt Hannibal nicht ernst und wird zum ersten Opfer des späteren Serienmörders.

Hannibal, ein schulisches Genie, überspringt ein paar Klassen und beginnt interessiert sein Medizinstudium. Besonders bewandert und talentiert ist Hannibal in der Anatomie. Durch einen Zufall kommt er an eine Wahrheitsdroge und durch deren Gebrauch erinnert er sich an den grausamen Mord an seiner Schwester Mischa.

Hannibal sinnt auf Rache; brutal und berechnend sucht er die Männer auf, die sein Leben für immer geprägt haben …

_Kritik_

Der Gedanke, „Hannibal Lecter“ erklären zu wollen, ist ein logisch schlüssiger Ansatz des Autors Thomas Harris. Ganz klar interessiert sich der Leser der vorherigen Romane und Zuschauer der Verfilmungen für die Wurzeln des Bösen Hannibals.

Hannibals schreckliche und grausame Kindheit wird dem Leser in fast schon epischer Breite erzählt, allerdings zunächst ohne darauf hinzuweisen, was seiner kleinen Schwester widerfahren ist. Stilistisch interpretiert Thomas Harris Hannibal natürlich ganz anders als in den drei bisherigen Romanen („Das Schweigen der Lämmer“, „Roter Drache“ und „Hannibal“). Hannibal wird hier zumeist als Opfer gezeigt, nicht als unberechenbares Monster wie in den Büchern zuvor.

Besonders gut gefallen hat mir genau dieser erster Teil des Romans; auch wenn Kindheit und Jugend Hannibal Lecters nicht den Spannungsbogen dieses Romans beherbergen. Er wird als liebenswürdiger und menschlicher Charakter dargestellt. Erst im Waisenhaus zeigt sich in Momentaufnahmen sein aggressives, unberechenbares Verhalten, wenn aus dem stillen und interessierten Jungen auf einmal ein kalter und grausamer Charakter wird, sobald er Unrecht und Unhöflichkeit empfindet.

Die Rache an den Mördern seiner Schwester wird von Thomas Harris fast schon zu nüchtern erzählt, und zuletzt konzentriert sich der Autor, so empfand ich es bei der Lektüre, nur auf diesen Handlungsstrang.

Zwar entwickelt sich zwischen Lady Murasaki und Hannibal eine platonische Liebe, die aber nicht weiter ausgeführt wird. Genauso habe ich es vermisst, die menschliche Seite an Hannibal hervorzuheben; bruchstückhaft wird dies zwar versucht, aber nicht zu Ende geführt. Mich hätte auch das Alltagsleben interessiert, nicht nur die Morde, die er erwarteterweise ausführt.

Ich habe lange auf diesen Roman gewartet, denn die Romane von Harris mit der Figur des Dr. Hannibal Lecter haben mich immer schon fasziniert, zumal Hannibal in den Verfilmungen oftmals zu Unrecht nur als „böses Monstrum“ gezeigt wird. Einzig und allein die Romane zeigen den Mörder auch von seiner menschlichen Seite, nicht nur als Wahnsinnigen, der des Spaßes wegen tötet. Im Gegenteil – Hannibal Lecter hat seine ganze eigene Welt, seinen eigenen Gedankenpalast, und Unhöflichkeit kann dieser kultivierte, intelligente Mann in seinen Maßstäben nicht durchgehen lassen. Dass er dabei die Morde nicht als etwas Böses ansieht, ist für den Zuschauen nicht zu begreifen.

Der Roman „Hannibal Rising“ ist unterhaltsam, aber meine Erwartungen hat er leider nicht erfüllen können. Weniger Morde, dafür mehr Erklärungen wären sinniger gewesen. Leider endet der Roman damit, dass er sein Medizinstudium abschließt und als Assistenzarzt in Baltimore anfängt. Dem Leser bleibt leider verborgen, was zwischen seinem Medizinstudium und den Anfängen von „Roter Drache“ passiert. Mich hätte sehr interessiert zu erfahren, wie sich der Charakter von Hannibal weiterentwickelt.

Ich kann den Roman bedingt empfehlen, und vielleicht hat dieser auch sein Ziel bereits damit erreicht, neugierig auf die Verfilmung zu machen, die Mitte Februar in den deutschen Kinos anlaufen wird. Jedenfalls hat er das bei mir bewirkt.

Thomas Harris hat für einen weiteren Roman unterschrieben; hoffentlich findet der Autor dann die Brücke zwischen den einzelnen Bänden.

_Autor_

Der Autor Thomas Harris wurde 1940 in Jackson, Tennessee geboren. Kurz nach dem Studium entschloss er sich einige Zeit in Europa zu verbringen 1968 wurde er als Reporter in New York tätig. Erst 1975 erschien sein Erstlingswerk „Schwarzer Sonntag“ dem die Hannibal Lecter Romane folgen sollten.

|Bibliographie|

1. Schwarzer Sonntag
2. Roter Drache
3. Das Schweigen der Lämmer
4. Hannibal
5. Hannibal Rising

Alle Romane sind verfilmt worden. Bis auf „Schwarzer Sonntag“ handelt es sich bei allen anderen um Hannibal-Lecter-Romane.

http://www.hoffmann-und-campe.de
http://www.thomasharris.com