Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Williams, Tad – brennende Mann, Der (Osten Ard)

Tad Williams ist seit seinen Zyklen |Otherland| und |Das Geheimnis der Großen Schwerter|, besser bekannt unter dem Namen |Osten Ard|, zu einer festen Größen im fantastischen Literaturmetier geworden. Seine Werke sind sprachlich fesselnd, bieten klassische High-Fantasy-Kost und kommen, sofern sie auf mehrere Bände ausgelegt sind, in absehbarer Zeit zu einem Abschluss. Ein, möchte man meinen, von vielen modernen Autoren vernachlässigtes Ziel, die ihre zig Bände umfassenden Sagen weder fertig bringen können noch wollen und schon längst den Überblick über ihre eigene Welt verloren haben.

Positiv sticht da ein Autor wie Williams hervor, der sich neben seinen gut durchdachten und tatsächlich vollendeten Romanreihen auch die Zeit nimmt, sich kleineren Geschichten zu widmen. Mit „Der brennende Mann“ liegt eine gut hundertseitige Novelle erstmals im Taschenbuchformat vor, die im Land Osten Ard angesiedelt ist und viele Jahre nach den Ereignissen um Simon Schneelocke und den Verwicklungen um |Das Geheimnis der Großen Schwerter| spielt. Sie erschien ursprünglich in der Anthologie „Der siebte Schrein“, liegt nun jedoch in einer Einzelausgabe wahlweise als Hardcover oder eben Taschenbuchformat vor. „Der brennende Mann“ zielt damit vor allem auf die Osten-Ard-Fans ab, die eine weitere Facetten dieser Welt kennen lernen möchten – denn Verweise auf bekannte Ortschaften und Personen lassen sich zahlreiche finden.

_Zum Inhalt_

Tad Williams erzählt aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Breda, einer Greisin, die ihre jugendlichen Erlebnisse auf der Feste Hochhorst niederschreibt und dem Leser zugänglich macht. Die Novelle enthält also eine Binnenerzählung, eine Erzählung innerhalb der Erzählung, in der die alte Breda um den Ausgang ihrer Abenteuer als jugendliche Protagonistin Bescheid weiß. Dieses Mittel wird im Fantasygenre selten eingesetzt und vermittelt bereits einen positiven Ersteindruck. Viel mehr ermöglicht es aber Williams dazu, einige Vorausdeutungen zu machen und den Leser mit eingestreuten, auf das Finale hindeutenden Elementen bei der Stange zu halten. Der Autor schafft es, seinem Handlungsstrang einer gut konzipierten Novelle entsprechend straff und ohne vertiefende Abschweifungen zu folgen. Wie es einer kleinen Geschichte angemessen ist, protzt „Der brennende Mann“ nämlich nicht mit ausschweifenden Action-Verstücken, sondern überzeugt vielmehr durch die leisen Töne, die sich durch die Schilderung von Bredas Innenleben und ihrer genauen Beobachtung der sie umgebenden Menschen offenbart.

Breda ist noch ein junges Mädchen, als ihr Vater, ein Großthan, stirbt. Zusammen mit ihrem Bruder und ihrer Mutter zieht die kleine Familie zu ihrem Großvater, der sein Erbe durch den Verlust seines Sohnes gefährdet sieht. Da kommt ihm der Reiherkönig Sulis aus dem fernen Nabban recht, der eines Tages mit einer großen Gefolgsschar in die Ortschaft kommt und um die Hand der Witwe anhält. Nach nur wenigen Jahren der väterlichen Abstinenz sieht sich die junge Breda mit einem Stiefvater konfrontiert, der zwar ihren Großvater von der Heirat ihrer Mutter überzeugen kann, hinter seiner Fassade jedoch ein Geheimnis zu verbergen scheint. Warum auch sollte er eine Witwe ehelichen wollen, die durch den Tod ihres ersten Mannes all ihre Ansprüche auf einen Titel verloren hat und nichts weiter bieten kann?

Dennoch kommt es zur Heirat. Dem neuen königlichen Paar angemessen, zieht es König Sulis in die Ruinen der einstigen Festung Hochhorst. Dort soll es, will man den Gerüchten der Bauern glauben, zu unheimlichen Begegnungen kommen und spuken. Geister längst verstorbener Feenwesen, die diese Burg einst bewohnt haben, hausen den Erzählungen nach noch immer in dem Gemäuer. Sulis lässt sich davon jedoch nicht abschrecken, zieht mit seiner Familie und seiner ganzen Gefolgschaft in die Burg ein und lässt nach vielen Jahren harter Arbeit den Glanz vergangener Zeiten wieder aufleben. Breda wächst, nachdem ihre Mutter verstirbt und ihr Verhältnis zum Stiefvater immer kühler und distanzierter wird, zu einer jungen Frau heran, erkundet die zahlreichen, noch leer stehenden Türme und Abteilungen des Hochhorstes und beginnt sich schließlich in den einfachen Soldaten Tellurian zu verlieben. Breda scheint ihr Glück endlich gefunden zu haben. Doch dann verdichten sich merkwürdige Vorkommnisse. König Sulis zieht sich immer öfter in seine private Bibliothek zurück, wo er sich stundenlang in alten Büchern verliert. Eine Hexe wird aus einer nahen Ortschaft gefangen genommen und in die Kerker geworfen, wo sie jeden Tag von Sulis selbst verhört wird. Und schließlich spricht auch Tellurian, Bredas Geliebter, von einer wichtigen Queste direkt vom König, für die er sogar in den Tod gehen würde.

_Bewertung_

Tad Williams Novelle präsentiert sich als eine in sich geschlossene Geschichte mit klarem Anfang und Ende, die mit den Geheimnissen einer Welt verwoben ist, die in der Osten-Ard-Sage am Rande erwähnt wurden. Damit bietet sie vor allem den Kennern der Reihe einen hohen Leseanreiz, auch wenn sie für sich stehend und ohne die Kenntnis des Zyklus ohne Schwierigkeiten verstanden werden kann. Schließlich wandelt Williams mit „Der brennende Mann“ abseits der üblichen Fantasywege und fährt eine Geschichte auf, die nicht durch ausholende Beschreibungen, actionlastige Kämpfe und verwickelte Intrigen punktet – so wie die Sage um Osten Ard –, sondern durch eine ruhige, fast schon poetische Erzählstruktur überzeugen kann. Alle Figuren, die in Bredas Geschichte auftauchen, stehen in direktem Zusammenhang mit den darin beschriebenen Ereignissen und werden in einer motivierten Weise eingeführt, dass sie für die Handlung eine wichtige Rolle spielen.

Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen und damit unweigerlich die Pointe der Novelle zu verraten, stellt „Der brennende Mann“ eine philosophische Frage in den Mittelpunkt, die wunderbar in das Fantasyuniversum eingebettet wird, aber auch ohne diesen Hintergrund funktioniert hätte. Liebhaber ungewöhnlicher fantastischer Erzählungen und Fans der Osten-Ard-Reihe sollten sich dieses Schmuckstück daher nicht entgehen lassen. Allen anderen sei gesagt, dass „Der brennende Mann“ mit seinen hundert Seiten schnell durchgelesen ist und ihnen möglicherweise nicht das verspricht, was sie von einer klassischen Fantasyerzählung erwarten.

http://www.dtv.de

Ergänzend dazu: Michael Matzers [Rezension 2341 der Lesung, erschienen im März 2006 beim |Hörverlag|.

Wilson, Robert Charles – Spin

_SF-Veteran aus Kanada,_

der in Deutschland bisher kaum eine Schlacht liefern konnte: Seit 1986 hat Robert Charles Wilson 12 Romane auf die Science-Fiction-Fraktion losgelassen (und einen Kurzgeschichten-Band), er war mehrfach für den Hugo-Award nominiert, aber auch für den World Fantasy-Award, den Nebula-Award und den Aurora-Award.

Nach Deutschland haben es bisher nur fünf Romane geschafft – drei davon sind vergriffen: „Bis ans Ende aller Zeit“, „Darwinia“ und „Bios“. Die zwei erhältlichen Werke haben wir nun dem |Heyne|-Verlag zu verdanken, er hat sich dem 2001 erschienenen [„Die Chronolithen“ 1816 angenommen und veröffentlicht nun „Spin“, das aktuellste Werk des kanadischen Ideenjongleurs.

_Lights out, Everybody!_

Hätte Gott das vom Himmel geschrieen, hätten sich Tyler Dupree und die beiden Lawton Zwillinge vielleicht nicht so sehr den Kopf zerbrochen, als in einer Nacht unbekannten Datums plötzlich die Sterne vom Himmel verschwanden. So aber steht die Welt Kopf: Wer hat die Sterne ausgesperrt? Was ist die Ursache? Wird die Sonne am nächsten Tag überhaupt wieder aufgehen? Aber der Reihe nach:

Tyler Dupree ist eigentlich ein ganz einfacher Bursche von durchschnittlicher Intelligenz, er lebt mit seiner Mutter in einem kleinen Bungalow neben dem imposanten Lawton-Haus, von jedem nur „Das Große Haus“ genannt. Tylers Mutter jedenfalls arbeitet im „Großen Haus“ als Haushälterin, und Tyler selbst befreundet sich mit Jason und Diane Lawton. Die Zwillinge sind die Nachkommen von Carol, einer depressiven Alkoholikerin, und von E.D. Lawton, einem herrschsüchtigen Industrie- und Forschungsmagnaten, der vor allem in Luft- und Raumfahrt große Erfolge erzielen konnte.

Tyler ist so eng mit den beiden Lawtons befreundet, dass er den Druck miterlebt, den E.D. auf seinen Sohn ausübt, aber auch den Schmerz von Diane Lawton, weil sie von ihrem Vater nur kühle Gleichgültigkeit zu spüren bekommt. Gerade als die ersten Knospen der Pubertät in der Beziehung zwischen Jason und Diane erblühen, gehen die nächtlichen Lichter aus, die Erde wird vom sogenannten Spin eingehüllt.

Für Jason wird der Spin zur Besessenheit. Zusammen mit seinem Vater ist er auf der Suche nach einer Erklärung für die Erscheinung, auf der Suche nach den „Hypothetischen“, welche die Fäden hinter den Kulissen ziehen müssen. Diane hingegen wird von einer tief greifenden Furcht erfasst, was die Hypothetischen betrifft, ihre Suche nach Antworten bringt sie auf religiöse Pfade, in das Jagdrevier seltsamer Sekten, die seit dem Spin wie Schimmelpilze wuchern.

Tyler selbst betrachtet die Geschehnisse mit einiger Distanz, er gewöhnt sich, wie der Rest der Welt, an die verschwundenen Sterne, beginnt ein Medizinstudium und arbeitet fortan als Arzt im Forschungsinstitut von Jason Lawton. Der versorgt ihn dabei stets mit brandneuen Informationen über den Spin: Erste Sonden wurden durch die Spinmembran ins All geschossen und ihre Messergebnisse sind so unglaublich wie weitreichend für die Forschung und die gesamte Welt. So ist Tyler immer ein Teil der wahnwitzigen Projekte, die Jason durchführt, und darf als Erster von den Erkenntnissen kosten, die diese Projekte hervorbringen. Dann allerdings kippen die Verhältnisse, Jason erkrankt, die religiöse Erlösung bleibt aus und allmählich scheint das Ende der Welt unvermeidlich …

_John Irving auf dem Science Fiction Trip_

Man sieht es vielleicht an obiger Zusammenfassung: „Spin“ legt einen unglaublichen Wert auf Figuren und deren Schicksale. Wilson beobachtet die einzelnen Charaktere mit der Lupe und verfolgt auch alle Nebenströmungen ihrer Entwicklung bis zur letzten Seite. Ähnlich wie John Irving beschreibt er selbst so profane Dinge wie ein jugendliches Fahrradrennen vollkommen lebensecht und spritzig, er lässt die Persönlichkeit der Figuren dabei sichtbar werden und vermittelt gleichzeitig die Melancholie der vergänglichen Jugend – Beeindruckend!

Auch auf die Entwicklung der Welt nach dem Spin hat er ein scharfes Auge: welche Bewegungen entstehen, warum tun sie das, in was für Splittergruppen zerfallen sie, kurzum, wie sieht er denn aus, der Mensch des Post-Spin, der Bürger einer Welt, die sich von einer unbekannten Macht vom Universum ausgesperrt fühlt? Dazu starrt „Spin“ geradezu vor tiefen, philosophischen Überlegungen, in schöne Bilder verpackt und ernsthaft vorgetragen. Wilsons Sprache überhaupt ist überdurchschnittlich: flotte Dialoge, floskelfreie Vergleiche und treffsichere Metaphern; sogar Rückblenden weiß Wilson spannungssteigernd einzusetzen (Anfangs jedenfalls, aber dazu kommen wir später) – Wunderbar!

_Geduldsprobe für den Ideensüchtigen._

Der Science-Fiction-Fan allerdings wird schon längst unruhig auf dem Stuhl herumrutschen: Familienchronik, Sozialfiktion, treffende Vergleiche und philosophische Ausschweifungen – schön und gut, aber wo verdammt noch mal bleibt die Science-Fiction?! Eine berechtigte Frage. Nun sollen an dieser Stelle keine falschen Vorstellungen entstehen: Das Geheimnis um den „Spin“ und die „Hypothetischen“ steht immer im Raum, es wird auf Hardcore-Ebene diskutiert, es gibt wahnwitzige Experimente, unglaubliche Erkenntnisse und eine visionäre Idee hinter allem … aber all das ist eben nur Hintergrundbeleuchtung für die Familiengeschichte um die Lawtons und ihren Kumpel Tyler Dupree.

Wo sich der Charakter-Fan an zahlreichen Details laben kann, entwickeln sich die Science-Fiction-Elemente mit der Geduld wandernder Kontinente. Ja, Tylers Beziehung zu Diane ist zwiegespalten, ja, die zu Jason auch. Ja, die Welt regt sich über den Spin auf, ja, der Spin hat unterschiedlichste Auswirkungen auf unterschiedlichste Kulturen. Seufz. Wie Wüstenforschung ist das. Nebensächlichkeiten (aus phantastischem Blickwinkel) in dünenhaftem Überfluss, schön arrangiert, meisterlich fast, aber so trocken, dass der Science-Fiction-Leser fast verdurstet. Gott sei Dank gibt es doch ein paar Ideen-Oasen, aber so erfrischend sie auch sein mögen, sie sind schnell leer getrunken und müssen lange vorhalten.

Die Rückblenden sind dabei zweifelhafte Verbündete: Wo sie am Anfang des Buches noch Spannung erzeugen, weil sie die vorstellungssprengenden Ausmaße des Spins andeuten, nehmen sie später Dinge vorweg, die sich dann im „normalen Zeitfluss“ der Story erst entwickeln müssen.

_Alles eine Frage der Zielgruppe._

Wer also Richard Morgan oder John Clute auf seinem Einkaufszettel stehen hat, sollte sich nur mit äußerster Vorsicht an „Spin“ heranwagen; auch wenn die Auflösung schon etwas hermacht, ist der Weg dorthin ein quälend langer. Als Alternative kann ich da nur „Quarantäne“ von Greg Egan empfehlen, sozusagen eine Ultra-Hardcore-Version von „Spin“ – qualmender Schädel und entrücktes Weltverständnis garantiert!

Wer bei der Erwähnung von John Irving große Augen bekommen hat, muss allerdings ebenfalls aufpassen: Mit Irvings Figuren kann Wilson nicht mithalten. Zwar geht er gewaltig in die Tiefe, aber trotz all des beeindruckenden Schmuckwerks sind die Basischaraktere schon ein wenig Klischee (der hyperbegabte Sohn, der vom strengen Vater zu Höchstleistungen angetrieben, aber nie gelobt wird, usw.) Außerdem: Science-Fiction-Anfänger könnten bei diversen Fachdiskursen um „autokatalytische Rückkopplungsschleifen“ schon dem Bedürfnis erliegen, nach der Aspirin-Packung zu greifen.

Wer nun aber genau zwischen diesen beiden Extremen existiert und sich für eine Familienchronik erwärmen kann, die mit mittelharter Science-Fiction serviert wird, der hat 550 Seiten anspruchsvolles Lesevergnügen vor sich.

Mutige Sache, Mr. Wilson! An wahrer Qualität scheiden sich eben immer die Geister.

Homepage des Autors: http://www.robertcharleswilson.com/
http://www.heyne-verlag.de
[„Die Chronolithen“ 1816
[„Darwinia“ 92

S.H.A. Parzzival – Fledermaus (Titan-Sternenabenteuer 26)

_Story_

Es sind gerade einmal drei Tage vergangen, seit Shalyn Shan wieder aus ihrem künstlichen Koma erwacht ist, da befindet sich die Kommandantin der „Titan“ auch schon wieder mitten im Chaos. Gerade erst hat sie dank der Hilfe von Sir Klakkerakk den Kamikaze-Anschlag eines Gleiter-Piloten überlebt, da bringt ihr neuer ungeliebter Begleiter Wernher von Witzleben sie und ihre Freunde auch schon wieder in neue Gefahren. Die ganze Zeit über rückt der Mann im Fledermauskostüm aus heiterem Himmel und in völlig unangebrachten Situationen mit neuen Informationen heraus, die sich schließlich auch immer als wahr entpuppen. Warum kann dieser Mann immer wieder zukünftige Ereignisse vorhersagen? Ist es wirklich nur Zufall? Als Shalyn dann auch noch bezeugen muss, wie der Mann in Begleitung klassischer Rockmusik einen Trupp der Gefühlsjäger in der zerstörten Stadt Germania aufspürt und diese tanzend auslöscht, hält Shalyn den Mann für vollkommen verrückt. Dabei zeigt von Witzleben überraschenderweise aber auch sehr menschliche Seiten, die sein Auftreten plötzlich in ein gänzlich anderes Licht rücken …

Währenddessen ereignen sich in Yellowstone seltsame Dinge. In der direkten Umgebung von ex-World-Police-Cop Benyam Eriksson kommen mehrere Menschen auf grausame Art und Weise ums Leben und behalten als Hinterlassenschaft ein schwarzes Loch in der Halsgegend. Bevor sich Benyam, der inzwischen alkoholabhängig und bei der Müllabfuhr tätig ist, jedoch näher um die Sachen kümmern kann, befindet er sich auch schon mitten auf der Flucht vor seinen ehemaligen Kollegen, obwohl er nicht an der Mordserie beteiligt war. Zumindest spielt ihm sein Bewusstsein dies vor …

_Meine Meinung_

Endlich sind die „Titan-Sternenabenteuer“ wieder auf dem hohen Niveau angelangt, welches die Serie vorm Einstieg ins Social-Fiction-Genre noch innehatte. „Fledermaus“, mittlerweile schon der 26. Roman aus dieser Reihe, kann in Sachen Spannung von keinem der vier vorherigen Bücher dieses Zyklus‘ übertroffen werden und ist gleichzeitig auch das beste Werk des unter dem Pseudonym S.H.A. Parzzival firmierenden Autors innerhalb dieser Weltraumsaga. Doch wir wollen nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen …

Nach dem nervenaufreibenden Cliffhanger des letzten Bandes „Himbeertod“ startet man in „Fledermaus“ sofort voll durch. Bevor die Auflösung der jüngsten Ereignisse in Kraft tritt, wird auch schon wieder ein neuer Protagonist vorgestellt, um den der Autor eine ebenso mysteriöse Aura webt wie um den Namensgeber dieses Buches, Wernher von Witzleben. Und dies gelingt diesmal auch wirklich vorzüglich. Parzzival offenbart dem Leser gleich eine ganze Palette an Möglichkeiten, wer oder was sich genau hinter Benyam Eriksson verbirgt, und bestärkt mehrere Vermutungen auch noch mit entsprechenden Andeutungen. Bis zum Schluss bleibt das Mysterium um diese neue unscheinbare Person erhalten, auch wenn langsam Licht in seine düstere Vergangenheit kommt. Der Weg dorthin ist jedoch eine der Sternstunden der Sternenabenteuer und sorgt auch über diesen Band hinaus für enorm hohe Spannung. Genau das haben wir lange vermisst!

Nicht anders laufen die Dinge im Umfeld von Shalyn Shan, die im neuen Band mal wieder einige erhebliche Rückschläge hinnehmen muss. Erst einmal empfindet sie ihren Beschützer von Witzleben eher als Plage denn als Hilfe. Seine arrogante Art, sein zweifelhaftes Wissen und sein undurchschaubares Auftreten machen die Suuranerin immer nervöser und bringen sie mehr als einmal aus ihrer bisherigen souveränen Ruhe. Hinzu kommt, dass sie nun von einer weiteren Person begleitet wird, über deren Lebensgeschichte sie sich genauso im Unklaren ist wie über die Vergangenheit ihrer Lebensgefährtin Monja. Allerdings scheint von Witzleben so einiges über Miss Anjetta zu wissen, weshalb in Shalyn Shan immer noch die Hoffnung ruht, dass der Mann im Fledermauskostüm sich letztendlich als Gewinn für ihre Mannschaft herausstellen wird. Und spätestens als er sie in der Wüste nahe der Ruinen von Germania vor den angreifenden Cadschiden beschützt, weiß Shalyn, dass sich dieses anstrengende Opfer für sie ausgezahlt hat.

Parzzival hat in diesem Band so ziemlich alles richtig gemacht, was man richtig machen konnte. Es gibt neue skurille Figuren, noch skurilleren Humor, zwei spannende, aber noch lose zusammenhängende Handlungseinheiten, einige sehr unerwartete Überraschungen und eine Shalyn Shan in Topform – trotz der eingesteckten Tiefschläge. Nach all den zwiespältig aufgenommenen Romanen des neuen „Titan“-Zyklus feiert die Serie hier ein eindrucksvolles und endgültiges Comeback, welches mit der spannenden Endsequenz bereits jetzt wieder genügend Futter für den Folgeroman „Krakentanz“ bereithält. Gott sei Dank!

http://www.blitz-verlag.de/

McNeill, Graham – Botschafter der Schlacht (Warhammer – Sturm des Chaos 1)

_Story_

Das Imperium wird zum wiederholten Male von den barbarischen Völkern aus dem Norden bedroht. Bis in die Nähe von Kislev ist man bereits vorgedrungen und droht nun, das Machtgebiet von Imperator Karl Franz zu überrollen. Kaspar von Velten, ein erfahrener Kriegsstatege, wird in den äußersten Ring nach Kislev gesandt, um in der dortigen Botschaft wieder für Ordnung zu sorgen. Sein Vorgänger, ein korrupter Taugenichts, hat ihm nichts als Chaos hinterlassen und wäre in seiner Position auch nicht mehr fähig gewesen, die Stadt der Tzarin zu verteidigen. Als von Velten und seine Gefolgschaft unter dem Regiment von Kurt Bremen Kislev erreicht, werden sie jedoch gar nicht herzlich empfangen. Das Imperium ist in der eisigen Stadt in Verruf geraten, unter anderem, weil der ehemalige Botschafter mit dem Ganoven Tschekalito zusammengearbeitet hat. Und Kaspar soll nun in kürzester Zeit wieder alles zurechtbiegen, um vor dem bevorstehenden Kampf gewappnet zu sein.

Obwohl sich der Botschafter redlich bemüht, mit Härte und Disziplin die alte Harmonie wiederherzustellen, stellen sich ihm merkwürdig viele mächtige Kontrahenten in den Weg. Einer davon, Sascha Kajetan, ist der geschickteste Schwertkämpfer der gesamten Bastion und verachtet von Velten wegen seiner Liaison mit der adligen, gutmütigen Anastasia. Weitaus schlimmer ist indes der ständige Konflikt mit der ortsanssäsigen Geheimpolizei, die ebenfalls mehrere Augen auf den neuen Botschafter geworfen hat. Und natürlich Tschekalito, der sich bereits bei Kaspars Ankunft mit diesem anlegt, weil er nicht bereit ist, in die schmierigen Geschäfte des Verbrechers einzusteigen.
Während Kaspar in Kislev um Anerkennung kämpft und dabei zunehmend Erfolg hat, treibt zu allem Übel auch noch ein Menschenschlächter in Kislev sein Unwesen. Und als dieser sich von Veltens bestem Freund annimmt, erlebt Kaspar seinen bis dato wohl heftigsten Rückschlag …

_Meine Meinung_

Ein breites Sammelsurium an verschiedenen Handlungseinheiten führt den Leser in die neueste Romanreihe aus der beliebten „Warhammer“-Welt ein und sollte eigentlich von Beginn an für Verwirrung sorgen. Immerhin geschieht in der eisigen, bereits aus früheren Bänden bekannten Stadt Kislev so einiges, ohne dass dabei direkte Zusammenhänge ersichtlich sind. Graham McNeill hat durch seine nüchterne Erzählweise jedoch permanent dafür gesorgt, dass dem Leser das Geschehen niemals aus der Hand gleitet. In einem sehr trockenen Stil berichtet McNeill von brutalen Auseinandersetzungen und blutigen Zwischenfällen, von korrupten Geschäftsleuten und enorm vielen zwielichtigen Persönlichkeiten, von unglaubwürdigen Adligen und scheinbaren Feinden, von dunkel befleckten Freunden und letztendlich auch vom großen Chaos, welches das Imperium schon in Kürze heimzusuchen droht. Seine Figuren sind dabei zumeist mit unverkennbaren Makeln bestückt. Selbst von Velten, der hier die Hauptrolle übernimmt, läuft immer wieder in Fallen hinein und ist bei seinen Entscheidungen alles andere als unfehlbar. Die Schurken indes sind in diesem Band sehr schwer auszumachen, denn bei so manchem Fiesling, der sich in Kislev herumtreibt, darf man berechtigterweise hoffen, dass er zur guten Seite überwechselt. Durch die gleichmäßig verteilten Machtgefüge besteht eine Abhängigkeit untereinander, die bis zuletzt auch einen großen Teil der Spannung von „Botschafter der Schlacht“ ausmacht. Mitunter sogar achtzig bis neunzig Prozent.

Wobei wir auch schon beim eindeutigen Mangelpunkt wären, dem Spannungsaufbau: Hier weist der erste Band dieser neuen Reihe nämlich erhebliche Defizite auf, die selbst durch die vielseitige Action nicht mehr kompensiert werden können. Graham McNeill setzt bei der Entwicklung des Plots kaum Schwerpunkte, so dass dem Leser bis zum Schluss verborgen bleibt, welche Ereignisse nun für die Geschichte wirklich wichtig sind. Betont emotionslos stellt er die chaotischen Zustände in Kislev dar, umschreibt die verschiedenen Gegenspieler und Gefährten des neuen Botschafters, gewährt Einblicke in das Seelenleben des verborgenen Kannibalen und widmet sich mit deutlich steigendem Tempo der Jagd auf den grausamen Menschenschlächter, vergisst aber währenddessen, die jeweilige Stimmung dem Anlass entsprechend zu modifizieren. Stets herrscht diese beklemmende, unterkühlte Atmosphäre vor, die den Entwicklungsspielraum der Story die gesamte Zeit über stark einschränkt und auch kaum zulässt, dass so etwas wie Euphorie aufkeimt – weder bei den betroffenen Personen in der Handlung noch beim Leser, der versucht, in die chaotische Welt von Kislev einzutauchen.

Dass die Geschichte dennoch relativ unterhaltsam ist, verdankt sie einzig und allein den undurchsichtigen Charakteren und den wenigen echten Überraschungen. Die Gewissheit, dass sich die Geschichte noch drehen muss und mit Sicherheit auch wird, verleiht dem Buch das Potenzial, den Leser auch weiter zu beschäftigen. Gerade zum Ende hin, wo dann doch endlich auch mal die ersehnten Schlachtszenarien die gewohnte „Warhammer“-Stimmung hervorrufen, verfliegt ein Stück der angehäuften Enttäuschung und hinterlässt einen – wenn auch nicht rundum – zufriedenen Fan, der sich aber auch im Klaren darüber ist, dass es in diesem Kontext schon weitaus bessere Romane gegeben hat.

Eines sollte man allerdings auch noch wissen: „Sturm des Chaos“ ist bis hierhin keine typische Fantasy-Reihe, sondern eher so etwas wie ein düsterer Thriller mit militärischem Inhalt. Aber eben trotz aller Kritik ein ganz annehmbarer.

http://www.piper.de

Gentle, Mary – 1610: Söhne der Zeit

Band 1: [„Der letzte Alchimist“ 2360
Band 2: [„Kinder des Hermes“ 2662

Mary Gentle (* 1956, Sussex), so könnte man meinen, sollte aufgrund ihrer Master-Abschlüsse in Kriegsgeschichte und Geschichte des 17. Jahrhunderts vermutlich Romane des Genres schreiben, das man gemeinhin als „historischer Roman“ bezeichnet.

Doch sie hat einen sehr eigenwilligen Stil und verbindet historischen Roman mit Science-Fiction-Elementen zu ihrer sehr eigenen Art von Phantastik; sehr oft verwendet sie einen Ich-Erzähler oder rekonstruiert die Handlung aus den Memoiren ihrer Hauptperson. Eine ungewöhnliche Mischung, die jedoch ankommt: Ihre [Legende von Ash, 303 einer Söldnerführerin, die im späten 15. Jahrhundert Burgund und Westeuropa vor einer karthagischen Invasion verteidigt, die in keinem Geschichtsbuch zu finden ist, wurde mit dem |British Science Fiction Award| sowie dem |Sidewise Award for Alternate History| ausgezeichnet.

„1610: Die Söhne der Zeit“ ist der dritte und abschließende Teil der (erstklassigen) Übersetzung von „1610: A Sundial in a Grave“, für die wie bereits bei „Ash“ Rainer Schumacher verantwortlich zeichnet. Gentle erzählt die Geschichte einer Figur, die literarisch stets als Antagonist der drei Musketiere aufgetreten ist: Valentin Rochefort. In seinen Memoiren lässt sie den amüsanten und teilweise gar selbstkritischen Rochefort aus dem Nähkästchen eines als Spion und Attentäter bekannten Haudegens über die Ereignisse des Jahres 1610 berichten.

Rochefort fällt in „1610: Der letzte Alchemist“ in Ungnade; er soll im Auftrag der Königin, Maria von Medici, ihren König und Gemahl Heinrich töten. Sie erpresst ihn mit dem Leben seiner Vertrauten Maignan und Santon und zwingt ihn somit, gegen die Interessen seines Herrn, dem Duc de Sully, einen Freund Heinrichs, zu handeln. Rocheforts Plan, das Attentat so stümperhaft durchzuführen, dass es scheitern muss, schlägt fehl: Wider Erwarten gelingt es dem unfähigen François de Ravaillac, Heinrich zu ermorden.

Rochefort muss aus Frankreich fliehen, gesucht wegen Beteiligung am Königsmord – zusätzlich gejagt von den Agenten Maria von Medicis wegen Mitwisserschaft. Er muss das Land verlassen und wird von dem jungen Duellanten Dariole begleitet, zu dem er eine seltsame Hassliebe hegt. Auf der Flucht nach England retten sie an der Küste Frankreichs den schiffbrüchigen japanischen Samurai Saburo, der dem englischen König James ein Geschenk überbringen soll.

In England angekommen, entpuppt sich Dariole zu Rocheforts Überraschung als eine junge Dame, was ihn in gewisser Hinsicht erleichtert, aber sein Gefühlsleben gehörig durcheinander bringt. Die Drei geraten unter den Einfluss des Mathematikers und Astrologen Robert Fludd. Fludd kann die Zukunft berechnen und vorhersagen, und was er sieht, gefällt ihm nicht. Rochefort versucht, sich ihm zu entziehen, doch Fludd kennt alle seine Winkelzüge bereits im Voraus. Er wird von Fludd erpresst, die Zukunft nach seinen Vorstellungen zu verändern: Er soll König James ermorden; nach Fludds Berechnungen kann nur Rochefort das Attentat erfolgreich ausführen und die Zukunft in die gewünschte Richtung lenken. Doch nicht nur er beherrscht diese häretische Kunst. Die Karmeliterin Schwester Caterina warnt Rochefort: Sollte er James ermorden, wird Dariole ebenfalls sterben …

In „1610: Die Kinder des Hermes“ gelingt es Rochefort dank Caterinas Ratschlägen, König James in seine geplante Ermordung einzuweihen und das Komplott Fludds zu vereiteln. Leider kann er nicht die Vergewaltigung und Entführung Darioles durch Handlanger Fludds verhindern, aber entgegen Fludds Berechnungen nimmt sich diese nicht das Leben und treibt damit auch nicht Rochefort zu unüberlegten Handlungen.

Zwar gelingt es Rochefort, Fludd in eine Falle zu locken, aber Caterina wird getötet und Dariole kann ihm die Vergewaltigung nicht verzeihen und fordert seinen Tod. Rochefort ist jetzt weniger Handelnder als Getriebener, denn König James und andere Machthaber wollen Fludd – als lebendigen Propheten und somit als ein Machtmittel ohne Gleichen.

Das Verhältnis zwischen Rochefort und Dariole leidet darunter. Eine unerwartete Wendung zwingt Rochefort zur Seereise nach Japan: Saburo ist mit Fludd geflüchtet – und die tollkühne Dariole hat sich sofort an die Verfolgung gemacht!

Hier setzt die Handlung von „1610: Söhne der Zeit“ ein. Rochefort gelingt es, Dariole einzuholen und Saburo und Fludd in Japan zu stellen. Doch Fludd ist kein Gefangener; Saburo weiß Dinge über eine 500 Jahre ferne Zukunft, die es unerlässlich machen, sich seiner zu bedienen – nicht nur im Interesse Japans. Aus diesen Überlegungen wird eine bekannte Geheimorganisation hervorgehen …

Mary Gentle überrascht den Leser bereits zu Beginn dieses dritten Teils gleich zweimal: Wer eine detaillierte Schilderung Japans im 17. Jahrhundert erhofft, was man erwarten könnte, wird überrumpelt werden. Denn Mary Gentle lässt Saburo mit Rochefort über die Zukunft reden. Vor ihrem Tod hat Caterina ihm von der glorreichen Zukunft Japans, aber auch von seinem Niedergang berichtet. Ein grausamer „Feuerregen“, der die japanischen Inseln verwüsten wird, droht in knapp 400 Jahren. Die offensichtlich damit beschriebenen Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki sowie der Zweite Weltkrieg werden auch durch Fludds Berechnungen bestätigt, die hinsichtlich zukünftiger Verwendung nuklearer Waffen für die Zukunft gar noch Schlimmeres voraussehen.

Dass Rochefort zu den Mitbegründern einer der bekanntesten Geheimorganisationen des 17. Jahrhunderts wird, mag überraschen, dramaturgisch wird es jedoch genauso wenig ausgeführt, wie die Schiffsreise nach Japan nötig ist. Hier wird nicht viel Konkretes beschrieben; die entscheidenden Aussagen werden wieder einmal bereits zu Beginn des Buches gemacht, was wegen der Dreiteilung der deutschen Übersetzung leider besonders antiklimatisch und negativ auffällt. Stattdessen wird die Beziehung zwischen Dariole und Rochefort erneut thematisiert. Leider ist Mary Gentle keine Romantikerin, und der Reiz dieser ungewöhnlichen Beziehung blieb bereits im zweiten Band auf der Strecke. Allerdings können Rochefort und der wieder aus der Versenkung aufgetauchte Robert Fludd diesmal wieder punkten. Rochefort ist nach wie vor ein unterhaltsamer Erzähler, auch Darioles Schlussmonolog ist humorvoll und amüsant; so bringt sie ihren Beichtvater mit einigen Jugenderinnerungen an Rochefort arg in Verlegenheit.

Die plötzliche Wende hin zur Gründung einer Geheimorganisation mit Wissen um die Zukunft erfolgt recht früh, ohne dass darauf Näheres zum Thema folgen würde. Auch wenn Gentle Rochefort und Dariole zu einer Art Happy-End verhilft – diese seltsame Liebesgeschichte allein sowie Darioles persönliche Fehde mit Fludd können dies nicht wettmachen.

Vorzüglich ist Mary Gentle aber die Hommage an den meist als Antagonisten der Musketiere dargestellten Rochefort gelungen. Der alte Haudegen ist wesentlich amüsanter und unterhaltsamer als bisherige Helden Gentles und verleiht dem Roman Schwung und Elan. Gewisse Ähnlichkeiten zu der „Legende von Ash“ lassen sich nicht verleugnen, phantastische und Science-Fiction-Einflüsse treten hier allerdings weniger stark hervor, dafür wurde mehr Wert auf Charaktere und ihre Interaktion gelegt, was der Geschichte gut getan hat. „1610“ liest sich wesentlich einfacher und unterhaltsamer als Mary Gentles bisheriges Meisterwerk, der Aufbau der Geschichte ist leider nicht so gut gelungen. Ist der erste Teil noch spannend und eine hervorragende Einleitung, leiden sowohl der zweite als auch dieser dritte und abschließende Teil unter den an den Anfang gestellten unerwarteten entscheidenden Wendungen, die zwar überraschen aber auch spannungszerstörend wirken. Wenn man klassische Spannungsbögen so bewusst dekonstruiert, sollte man alternativ etwas Besseres als Ersatz anbieten. Selbst Rocheforts geistreiche und unterhaltsame Erzählweise sowie die Beziehung zwischen ihm und Dariole können das jedoch nicht völlig kompensieren.

Trotz dieser Schönheitsfehler kann man „1610“ aufgrund des überzeugenden Rochefort historisch interessierten Lesern mit Liebe zu ungewöhnlicher Phantastik nur empfehlen.

Russell, Sean – Sturmvogel (Das verlorene Königreich 3)

Band 1: [„Nachtvogel“ 2673
Band 2: [„Goldvogel“ 2678

Wider erwarten ist es am Ende des zweiten Bandes sämtlichen Protagonisten gelungen, die stillen Wasser zu verlassen. Leider auch Eremon. Ja sogar Beldor ist entkommen, wenn auch auf ungewöhnliche Weise: Der Schatten, der ihn aus der Gruppe der Kämpfenden herausgerissen hat, hat ihn zur Pforte des Todes gebracht, wo ihm der Tod höchstpersönlich sein Leben gegen einen Dienst anbietet: Er soll ein Päckchen zu Eremon bringen. Beldor hat solche Angst vor dem, was ihn hinter der Pforte erwartet, dass er gehorcht. Kaum hat Eremon das Päckchen erhalten, lässt er Kilydd entführen, damit dieser ihm den Weg zur Insel des Wartens und zum Mondspiegel weist, einem geheimen Ort, an dem der Körper Wyrrs ruht. Zusammen mit Beldor, Kilydd und einigen seiner Leibwächter macht Eremon sich auf den Weg, und auch Carls Vater nimmt er mit. Niemand weiß, was genau Eremon vorhat, doch A’denné weiß, dass seine Chancen auf Überleben gering sind. Aber sinnlos sterben will er nicht …

Alaan, die Seetaler und Cynndl haben das Lager der Fáel erreicht, wo sie bereits erwartet wurden, denn Llya, Ebers kleiner Sohn, wusste vom Fluss, dass sie dorthin unterwegs waren. Die Fáel sind höchst beunruhigt, nicht nur durch die seltsamen Fähigkeiten des kleinen Jungen, sondern vor allem auch von einem Bild, das eine ihrer Gesichtestickerinnen hergestellt hat. Es zeigt einen Seelenfresser! Alaan ist entsetzt, denn dass die hellsichtige Frau dieses Bild gestickt hat, kann nur bedeuten, dass Eremon vorhat, ein solches Geschöpf zu erschaffen. Das muss unbedingt verhindert werden! Noch am selben Abend machen sich die Gefährten auf ins verborgene Land, um Eremon abzufangen …

Elise Willt und Gilbert A’brgail sind im Norden wieder aufgetaucht, in der Nähe der Heimat der Fáel! Zunächst werden sie gefangen genommen, und Elise droht die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Erst als die Fáel sicher sind, dass Sianon nicht die Oberhand über den gemeinsamen Körper gewinnen wird, lassen sie die beiden laufen. Auch sie erfahren von der Bedrohung durch den Seelenfresser. Doch Alaan ist bereits fort und Kilydd entführt. Da erklärt zu aller Erstaunen der kleine Llya, er werde sie zur Insel des Wartens führen. Auch diese Gruppe bricht sofort auf.

Carl A’denné musste auf seiner Flucht feststellen, dass Herzog Vast, ein Verbündeter der Rennés, ein Verräter ist! Mit Mühe hat er es von der Schlachteninsel bis zum Schloss an der Westrych geschafft. Nun soll er zusammen mit Jamm und Samul Renné, dem eigentlich das Schaffott droht, Michael, den Prinzen von Innes, zu seinen Soldaten zurückbringen. Michaels Vater ist von Eremon ermordet worden, und nach Eremons Abreise zur Insel des Wartens hat Menwyn Willt sich das Kommando über die gesamten Truppen unter den Nagel gerissen. Michael will sein Heer zurück und sich mit den Rennés verbünden, allerdings weniger gegen Menwyn als gegen Eremon! Schon bald sind die Vier wieder auf heimlichen Schleichwegen zwischen Scharen von Suchtrupps unterwegs.

_Showdown_

Das Pozedere ist vom zweiten Band bereits bekannt: Sämtliche Gefährten brechen in neuer Zusammenstellung zum wiederholten Male auf, um Eremon das Handwerk zu legen, beziehungsweise um auf irgendeine Weise Krieg zu führen. Der Handlungsstränge sind es diesmal nicht ganz so viele, dennoch ist die Übersicht noch schlechter als im zweiten Band! Das liegt daran, dass der Erzähler innerhalb der verschiedenen Fäden aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt; im Falle der Gruppe um Eremon heißt das, es wird mal aus Beldors, mal aus A’dennés, mal aus Kilydds Sicht berichtet. Dasselbe gilt für die anderen Gruppen. Carl und Jamm werden kurzzeitig von Samul und Michael getrennt, erhalten aber gleichzeitig Zuwachs, sodass sich auch hier die Perspektive oft ändert. Inzwischen wechselt die Handlung auch innerhalb von Kapiteln von einem Strang zum andern! Das machte die Lektüre schon fast mühselig. Erst als die Erzählung sich auf die Ereignisse am Mondspiegel konzentriert, wo drei der verschiedenen Gruppen zusammentreffen, um sich – natürlich! – neu zu formieren, wird das besser. Danach lösen sich die Verwicklungen der Geschehnisse, die mit der verborgenen Welt und den Sagen aus der Vergangenheit zu tun haben, relativ rasch auf, und der Rest des Buches konzentriert sich auf den Showdown in der menschlichen Welt.

Auch diesmal passiert zunächst nicht wirklich viel. Das Buch füllt seine Seiten schlicht durch die Masse der parallel verlaufenden Fäden, die für sich betrachtet erstaunlich knapp wirken. Eremon befährt den Fluss, gefolgt von Sianon, die er mit Feuer aufzuhalten versucht, was ihm natürlich nicht gelingt. Alaan ist zu Pferd unterwegs und muss sich gegen Wesen aus dem Schattenreich zur Wehr setzen. Und Michael und sein Gefolge sind damit beschäftigt, wie zuvor schon Carl, durch Hecken und Wiesen zu kriechen, nur um am Ende verraten zu werden. Im Grunde also nichts wirklich Neues im Vergleich zu den Vorgängerbänden: eine Reise mit Hindernissen, die den Spannungsbogen aufrecht halten. Das gelingt im Großen und Ganzen auch, wirklich spannend wird es aber erst am Mondspiegel und dann noch einmal in der Schlacht zwischen Eremon, Alaan und Elise.

Der Tod, den Russell gegen Ende des zweiten Bandes als neues Element einbaute, hat die Seite der Sagenwelt noch einmal ein Stück erweitert. Die Auflösung dieser Bedrohung erfolgt allerdings erstaunlich unspektakulär und überzeugt weniger durch ihre Wucht als durch ihre Findigkeit. Vielleicht hätte ich den Kniff schon früher geahnt, wäre ich nicht so damit beschäftigt gewesen, die vielen Personen und die dazu gehörige Entwicklung der Ereignisse auseinander zu halten. Vielleicht war das ja Russells Absicht.

Die Erschaffung des Seelenfressers gehört zu den unappetitlicheren Szenen des Buches, und auch die Schilderung der Schlacht gegen Eremon war weit unangenehmer geschildert als der Kampf um die Schlachteninsel im zweiten Band. Für das Finale seiner Geschichte hat der Autor noch einmal schweres Geschütz aufgefahren. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Details wie schreiende Totgeburten oder Scharen brennender Soldaten und Pferde die Sache wirklich spannender machen! Wie auch immer, offenbar ist die moderne Fantasy nicht ganz willens oder in der Lage, ohne solche Szenen auszukommen.

Auch vor kleinen Pannen ist dieser Zyklus nicht gefeit. So passiert es im Laufe der Geschichte, dass Theason, der sonst immer nur in der dritten Person von sich spricht, auf einmal „ich“ sagt. Außerdem habe ich den Verdacht, dass dem Verlag in der Beschreibung von Elises Kampf mit Eremon eine Panne mit der Kursivschrift passiert ist. Sianons Erinnerungen sind erst kursiv, dann normal, dann wieder kursiv gedruckt.

_Unterm Strich_

Insgesamt kann man sagen, dass Russell nicht unbedingt die Fantasy neu erfunden hat. Vieles, was in seinen Schilderungen auftaucht – die Verbindung zwischen den Nagar und den Elementen, das verborgene Land und seine geheimen Wege, die Machtgier von Menschen und Zauberern – hat man schon bei anderer Gelegenheit mal gelesen. Auch ein Großteil der Personen – Toren Renné, Menwyn Willt, Fürst Innes oder Beldor – entstammt dem üblichen Vorrat an Charakteren: Helden, Machtmenschen, sture Narren oder fanatische Neidhammel. Die Welt der Menschen, die Russell entwirft, besteht vor allem aus Hass und Verrat.

Weit interessanter waren die Personen, die mit dem verborgenen Land in Kontakt standen. Rabal Krähenherz, Orlem Leichthand, Kilydd und Theason, sowie Eber und sein kleiner Sohn waren diejenigen, die dem Buch seinen Zauber verliehen, zusammen mit den Sagen aus der alten Zeit und den wunderlichen Orten, die im verborgenen Land existieren, wie der sprechende Felsen, die Insel des Wartens und der steinerne Wald. Hier zeigen sich die eigenen Ideen des Autors, und sie können sich durchaus sehen lassen.

Was das Buch ausmacht, ist die Mischung aus beidem. Russell hat mit dem verlorenen Königreich eine spannende, aufwändige Trilogie mit vielen Wendungen, Wirren und Geheimnissen geschrieben. Wer sich also an komplizierten Handlungsverläufen, einer großen Anzahl an handelnden Personen und ständig wechselnden Gruppenzusammensetzungen nicht stört, der liegt hier nicht falsch. Einen einzelnen Band der Trilogie zu lesen, womöglich noch außerhalb der Reihenfolge, macht allerdings keinen Sinn, da alle drei Teile voll aufeinander aufbauen und die ersten beiden Bände am Ende völlig offen sind! Wer sich auf diese Trilogie einlässt, muss sie vom Anfang bis zum Ende durchstehen, oder er wird nicht viel davon haben.

Sean Russell lebt in Vancouver. Er hatte bereits als Kind eine Vorliebe für phantastische Erzählungen und begann schließlich selbst zu schreiben. 1991 erschien sein erstes Buch. Aus seiner Feder stammen „Das Reich unter den Hügeln“ und „Der Seelenkompass“, „Welt ohne Ende“ und „Meer ohne Ufer“ sowie die Barbaren-Trilogie. Nicht alle dieser Bücher sind auf Deutsch erhältlich.

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Radford, Irene – Ruf der Drachen, Der (Der Drachen-Nimbus 3)

Band 1: [„Der Glasdrache“ 1755
Band 2: [„Der verbotene Zauber“ 2429

Nachdem der bösartige Lord Krej endlich in die Schranken gewiesen wurde, hofft man in Coronnan nach langer Zeit wieder auf den Frieden. Doch auch weiterhin stehen sich die Armeen der Stadt mit den Soldaten aus SeLenicca im Gefecht gegenüber und führen einen erbitterten Krieg. Doch ohne die Unterstützung der Drachenmagie kann auch der Thronerbe Darville nicht viel ausrichten, auch wenn er durch die Hochzeit mit Rossemikka eine wichtige Partei auf seine Seite ziehen konnte. Doch auch ihre Harmonie wird gestört, als der Geheimbund des Simurghen ein Attentat auf die Königsfamilie ausübt und ausgerechnet Jaylor die Rolle des Verdächtigen zuspielt.

Jaylor weiß, dass nur die Rückkehr der Drachen die Lage wieder beruhigen und die drohende Vernichtung aufhalten kann, jedoch ist er durch die aufkeimenden Beschuldigungen derzeit machtlos. Trotzdem kann er seine Macht als Höchster Magier der Kommune walten lassen, indem er den Waisenjungen Yakke auf die Suche nach den Drachen schickt. Doch seine Wahl scheint bedenklich, denn der junge Kerl hat bislang noch nie beweisen können, wie weit seine magischen Fähigkeiten fortgeschritten sind. Und als Simeon, der Herrscher von SeLenicca, ihn auf seiner Reise auch noch gefangen nimmt und ihm seine Magie entzieht, scheinen sich die Befürchtungen zu bewahrheiten. Aber auch der einst von Krej angeführte Geheimbund wächst zu neuer Kraft heran und plant, das Königreich ins Chaos zu stürzen. Schwere Zeiten brechen für König Darville und seine Verbündeten an, und es scheint nicht so, als wären die Untertanen des jungen Thronfolgers dieser neuen Herausforderung gewachsen …

_Meine Meinung_

Mit dem dritten Band des „Drachen-Nimbus“ schlägt Irene Radford gänzlich neue Wege ein. „Der Ruf der Drachen“ darf innerhalb der Reihe als Neubeginn gewertet werden, denn im Grunde genommen beginnt hier ein völlig neuer Handlungsabschnitt, der zwar auf den vorangegangenen Ereignissen fußt, prinzipiell aber klar für sich alleine stehen könnte.

Im Mittelpunkt stehen neben Darville und Jaylor dieses Mal allerdings andere Helden; so zum Beispiel er junge Yakke, ein Waise, der in der Magie sein Heil gefunden hat, allerdings noch nie den Ernstfall hat erproben müssen. Deshalb wächst in den eigenen Reihen auch die Skepsis, denn keiner traut dem Kerl so recht zu, dass er die Drachen nach Coronnan zurückführen kann. Lediglich Jaylor, der Hohe Magier der Kommune, schenkt ihm sein Vetrauen und sieht in ihm eine Art legitimen Erben seiner selbst. Yakke selber hingegen läuft aller Hoffnung zum Trotz mitten ins Unheil hinein. Gerade erst aufgebrochen, wird er vom hinterhältigen Simeon gefangen genommen und in ein Verlies in den düsteren Mienen gesteckt. Die gesamte Last, die auf seinen Schultern liegt, erdrückt ihn dort förmlich, und je länger seine Gefangenschaft andauert, desto geringer ist seine Hoffnung auf Befreiung und die Rettung von Coronnan. Als dann mit der Zeit auch noch seine Erinnerung schwindet, scheint das Schicksal des Königreiches endgültig besiegelt …

Eine weitere neue Heldin ist die ebenfalls noch junge Katrina, deren Familie ebenfalls von Simeon gejagt wird. Das junge Mädchen ist eine der wenigen verbliebenen Hoffnungsträgerinnen zur Zerstörung von Krejs Hinterlassenschaft, scheint aber gegen den Gemahl der Königin von SeLenicca ebenso machtlos wie ihr indirekter Kumpane Yakke. Wie sich aber noch herausstellt, ist dies nicht ihre einzige Gemeinsamkeit.

Jaylor hingegen, der Held der ersten beiden Bücher, agiert in „Der Ruf der Drachen“ zumeist aus dem Hintergrund heraus und zieht bei der verzweifelten Rettungsaktion primär die Fäden. Allerdings kann er nicht mehr so frei wie zuvor handeln, denn die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen belasten ihn sehr stark und machen das Leben in Coronnan für ihn noch gefährlicher, als es eh schon ist. Doch ebenso wie seine alte Gefährtin Brevelan kennt Jaylor Wege, um mit dieser neuen Situation umzugehen.

Irene Radford hat die Überleitung zum dritten Band dieses Mal weitaus besser hinbekommen als in den vorherigen beiden Romanen. Die von Anfang an relativ dröge Geschichte bekommt mit einem Mal eine gehörige Frischzellenkur verpasst und erstrahlt mit den neuen Gesichtern urplötzlich in einem ganz anderen Licht. Zwar bleibt sich die Autorin bei der partiellen Bedienung der üblichen Klischees – zum Beispiel beim Aufbau der schier ausweglosen Lage – weitestgehend treu, jedoch sind weder die Aktionen der Hauptfiguren noch die Handlungsabläufe an sich wirklich transparent, so dass Radford zwischendurch immer wieder Überraschungsmomente einbringen kann, die der Spannung sehr zugute kommen. Weil sich die Autorin bei den einzelnen Ausschmückungen zudem auch noch viel mehr Freiräume schafft, den Plot aber trotzdem zügig und stringent weitererzählt, kann man bei „Der Ruf der Drachen“ schlussendlich auch von einer Verbesserung in fast allen Belangen sprechen. Der neue Roman aus dem „Drachen-Nimbus“ wirkt in sich runder und besser durchdacht. Radford lässt sich nicht mehr so leicht in die Karten schauen und kreiert insgesamt eine weitaus düsterere Atmosphäre, die dem recht pessimistisch vorgetragenen Inhalt auch enorm zuträglich ist.

Damit ist man nun auch endlich an dem Punkt angelangt, den man sich schon für den ersten Teil gewünscht hätte. Ein reiferer Erzählstil und dazu mehr Überraschungen. Zwar ist „Der Ruf der Drachen“ noch nicht Fantasy-Spitzenklasse, aber immerhin auf einem Niveau, welches durchaus zum Hineinstöbern einlädt. Und da man den Nimbus auch noch mit dem dritten Band ohne weitere Verständnisprobleme angehen kann, kann ich mich dieses Mal auch zu einer leicht eingeschränkten Empfehlung aufraffen!

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Russell, Sean – Goldvogel (Das verlorene Königreich 2)

Band 1: [„Nachtvogel“ 2673

Nach den turbulenten Ereignissen am Ende des ersten Bandes muss der Leser zu Beginn des zweiten erst einmal sämtliche Beteiligten wieder einsammeln:

Elise hat sich in ihrem verzweifelten Wunsch, Eremon zu entgehen, ins Wasser gestürzt und dort einen Pakt mit der Nagar Sianon geschlossen. Aber sie ist von dem Ergebnis keineswegs begeistert. An Sianons Erinnerungen kann sie die Grausamkeit und Skrupellosigkeit der ehemaligen Zauberin erkennen. Sie weiß, dass sich ein Monster in ihr eingenistet hat, und nun ist sie stets damit beschäftigt, die Oberhand über den fremden Geist zu behalten. Gleichzeitig weiß sie aber auch, dass sie nun erst recht zur Zielscheibe Eremons geworden ist. Denn auch er hat einen Pakt mit einem Nagar geschlossen, mit Sianons Bruder Caibre, der seine Schwester schon vor Urzeiten bis auf den Tod bekämpfte. Er wird sie auch jetzt wieder bekämpfen, aber Sianons Pakt ist noch neu, ihre Macht gering. Ihre einzige Chance ist es, Alaan zu erreichen. Doch Alaan ist mit seinem Versuch, Eremon ins verborgene Land zu locken, gescheitert. Außerdem ist es seinen Verfolgern gelungen, ihn zu verwunden. Er fiebert und ist nahezu hilflos. Mit Hilfe Kilydds, eines früheren Reisegefährten Alaans, machen sich Elise, die Seetaler und Cynndl auf den Weg, ihn zu suchen, verfolgt von Eremon …

Außer Eremon sind auch Toren Renné und sein Vetter Dease mit Verfolgung beschäftigt. Beldors Attentat ist fehlgeschlagen, statt Toren hat er seinen jüngeren Vetter Arden erschossen. Jetzt sind Beldor und sein Mitverschwörer Samul auf der Flucht. Unterwegs trifft Toren auf A’brgail und einige seiner Ritter, die sich ihrer Suche anschließen. Zu ihrem Leidwesen müssen sie feststellen, dass die Flüchtigen unterwegs auf Eremon gestoßen sind und sich ihm offenbar angeschlossen haben! Dennoch will Toren die Verfolgung nicht aufgeben. Doch nachdem er die stillen Wasser betreten hat, den Sumpf, in dem auch der verwundete Alaan liegt, bereut er seine Entscheidung nur zu bald. Denn die Gruppen um Eremon, Elise und Toren sind ganz offensichtlich nicht die einzigen, die in diesem Sumpf umherwandern …

Während die Zauberer im Sumpf des verborgenen Landes Versteck spielen, hat Elises Vater Carral Willt beschlossen, sich nicht länger hinter seiner Blindheit zu verstecken und den Rennés einen Vertrag angeboten: Er selbst fordert sein Recht als Oberhaupt der Willts ein, die Schlachteninsel wird von den Rennés an ihn zurückgegeben, und er wird dafür ein Bündnis mit den Rennés schließen. So hoffen er und Frau Beatrice, Torens Mutter, einen Krieg zu vermeiden. Doch von Carl A’denné erfahren sie, dass der Fürst von Innes und Menwyn Willt vorhaben, die Schlachteninsel einfach zu besetzen. Carl bietet sich als Spion an, teils aus Abscheu gegen Eremon, teils aus dem Wunsch heraus, seinen Besitz vor der Vereinnahmung durch Fürst Innes zu schützen. Es dauert nicht lange, und es herrscht Krieg …

_Die Saga geht weiter_

Sean Russel hat also seine Protagonisten in einer völlig veränderten Aufstellung auf die Reise geschickt. Aber das ist nicht alles. Die Zahl der Handlungsstränge hat massiv zugenommen. Allein im Sumpf agieren zur „besten“ Zeit allein fünf Gruppen, die sich ständig mehr oder weniger versteckt umeinander herumbewegen. Und auch die Anzahl der Gruppen, die in der normalen Welt die Ereignisse bestimmen, wurde erweitert, nicht nur durch Carl und seinen Begleiter Jamm, sondern auch durch Eber und seinen Sohn Llya, die ihre Insel im Fluß verlassen haben, um die Fáel aufzusuchen.

Der Großteil des Geschehens spielt sich jedoch im Sumpf ab. Das Erstaunliche dabei ist, dass eigentlich nicht wirklich viel passiert. Toren und A’brgail suchen nach Beldor und Samul in Eremons Gefolge, Eremon sucht nach Sianon, und Sianon sucht nach Alaan. Alaan selbst wird von Häschern Eremons gefangen genommen, wieder befreit, nochmal gefangen genommen, nochmal befreit, und schwebt die ganze Zeit am Rande des Todes.

Der Tod bringt dann auch frischen Wind in die ganze Angelegenheit. In den finsteren Schatten, die versuchen, nach dem sterbenden Alaan zu greifen, erhält er die erste Andeutung einer Gestalt. Die Sage um Aillyn und Wyrr, den Vater der verfeindeten Zauberergeschwister, bildet die Basis zu dem, was sich da allmählich zusammenbraut. Aber erst am Ende des Buches erfährt der Leser, womit er es wirklich zu tun hat.

_Leseerlebnis_

Das viele Hin und Her zwischen den Parteien ist nicht wirklich geeignet, den Spannungsbogen straff zu halten. Allein der Kampf gegen die Schatten bietet einen kleinen Höhepunkt zwischendurch, ehe es beim Verlassen des Sumpfes wieder ernsthaft zur Sache geht. So kommt es, dass der größere Teil der Spannung von der kleineren Hälfte des Buches, dem Kampf um die Schlachteninsel und Carls Flucht zu den Rennés, getragen wird, zumal am Ende der Hetzjagd noch eine Überraschung auf den Leser wartet.

Der zweite Band war um einiges anstrengender zu lesen als der erste. Durch die Vielzahl der Handlungsstränge wurden die Unterbrechungen vor allem der weniger wichtigen Fäden oft ziemlich lang, was das Zurückfinden in den besagten Faden erschwert. Dafür erhält der Leser durch weitere Geschichten aus der Vergangenheit einige Antworten auf Fragen, die im ersten Band noch unbeantwortet geblieben sind. Die Wendung am Ende des zweiten Bandes sorgt indes für eine Menge neuer Fragen, die das Interesse am weiteren Verlauf der Geschichte in den letzten Band der Trilogie hinübertragen. Mit dem ersten Band kann der zweite zwar nicht ganz mithalten, er bietet aber trotz ein paar kleiner Durchhänger und des anstrengenden Handlungsverlaufs einige interessante Ideen, welche die Lektüre lohnend machen: das Mondsteintor; der Stein, den Aillyns Herold mit der Bitte um Unterstützung zuerst Alaan, dann Eremon anbietet; der kleine Llya, der zwar stumm ist, aber dafür die Stimme des Flusses verstehen kann …

Sehr wohltuend empfand ich das nahezu fehlerfreie Lektorat. Heyne hat da ein Stück ordentlicher Arbeit abgeliefert. Auch das Cover der Bände gefällt mir, wenngleich ich sagen muß, daß mir der Zusammenhang zwischen den Abbildungen von Einhorn und Drache auf den ersten beiden Bänden und dem Inhalt der Erzählung bisher entgangen ist! Ähnliches gilt für den Titel: „Nachtvogel“ könnte man ja noch auf den Züst beziehen, der Alaan folgt. „Goldvogel“ paßt zu dem schwarzen, krähenähnlichen Vogel allerdings überhaupt nicht. Ob sich ein Bezug des Titels „Sturmvogel“ zum Buch herstellen läßt, wird sich noch zeigen.

Sean Russell lebt in Vancouver. Er hatte bereits als Kind eine Vorliebe für phantastische Erzählungen und begann schließlich selbst zu schreiben. 1991 erschien sein erstes Buch. Aus seiner Feder stammen „Das Reich unter den Hügeln“ und „Der Seelenkompass“, „Welt ohne Ende“ und „Meer ohne Ufer“ sowie die Barbaren-Trilogie. Nicht alle dieser Bücher sind auf Deutsch erhältlich.

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Wilson, Robert Charles – Spin

Robert Charles Wilson (* 1953, Kalifornien) wurde bereits mit dem renommierten |Philip K. Dick Award| („Mysterium“, 1994, nicht übersetzt) sowie dem |John W. Campbell Award| für [„Die Chronolithen“ 1816 (2002) ausgezeichnet. Sein ebenfalls ausgezeichneter Roman „Darwinia“ erhielt den kanadischen |Aurora Award| und war für den |Hugo Award 1999| nominiert.

Der hier vorgestellte Roman „Spin“ wurde zwischenzeitlich übrigens ebenfalls für den |Hugo Award 2006| vorgeschlagen, was für die Konstanz und Qualität des Autors spricht.

Wilson greift in „Spin“ erneut ein bereits in den „Chronolithen“ behandeltes Thema auf: Wie beeinflussen menschliche Erwartungen ihr Verhalten und die Zukunft? Doch „Spin“ ist kein bloßer Neuaufguss, die Handlung dehnt sich diesmal von der Erde bis hin zum Mars und darüber hinaus aus, Raumfahrt und Astrophysik sind von zentraler Bedeutung für das zweite große Motiv des Romans: Menschliche Kolonisation und Evolution im Kosmos.

_Die Sterne erlöschen_

Eines Nachts sitzen der junge Tyler Dupree und seine Freunde Jason und Diane Lawton im Garten und beobachten ihre Nachbarn durch ein Fernglas. Völlig unerwartet verschwinden plötzlich die Sterne vom Himmel. Noch weiß keiner der Drei, dass die Zeit des später als „Spin“ bezeichneten Phänomens begonnen hat.

Eine Art Energieschirm hat die gesamte Erde umhüllt und vom Licht der Sterne abgeschnitten. Wie man später herausfindet, auch von dem der Sonne. Eine künstliche Sonne geht jeden Morgen auf und beleuchtet die Erde. Noch schlimmer als der Verlust der Satellitenkommunikation ist die Erkenntnis, dass die Erde verlangsamt oder der Rest des Universums beschleunigt wurde: Zurückkehrende russische Kosmonauten berichten, sie hätten wochenlang die umhüllte, schwarze Erde umkreist. Dabei sind sie im Moment der Umhüllung notgelandet. Man findet heraus, dass außerhalb der Barriere für jede Sekunde auf der Erde 3,17 Jahre vergehen …

Die Barriere entpuppt sich als eine Art schützende Membran, da Raketen sie passieren und auch wieder zurückkehren können. Aber vor den schädlichen Folgen permanenter direkter Sonneneinstrahlung auf eine unglaublich verlangsamte Erde schützt sie die Menschheit. Diese stellt sich die Frage: Wer steht hinter dem Spin? Warum wurde die Erde umhüllt und verlangsamt, was bezwecken die Unbekannten, die schließlich nur noch als die „Hypothetischen“ bezeichnet werden?

_Das Ende der Welt und die Schöpfung einer neuen_

Der „Spin“ wird zum festen Bestandteil des menschlichen Lebens. Bald werden die ersten Generationen geboren, die nie die Sterne mit eigenen Augen gesehen haben. Jasons geschäftlich erfolgreicher Vater E.D. Lawton hat sein ohnehin großes Vermögen durch die Produktion von Aerostaten (Fesselballons), welche die ausgefallenen Satelliten ersetzen, noch weiter erhöht und gehört zu den Gründern der |Perihelion|-Stiftung, die sich der Erforschung des Spins und der Hypothetischen widmet. Sein hochbegabter Sohn Jason wächst als Wissenschaftler in Führungspositionen der Stiftung hinein, die bald einen globalen Machtfaktor darstellt.

Tyler wird Mediziner, während Jasons Schwester Diane, die er seit Jahren unerwidert liebt, sich religiösen Gruppen anschließt, die ein baldiges Ende der Welt propagieren und den unerklärlichen Spin auf verschiedenste Weisen religiös interpretieren. Neue Krankheiten und Seuchen werden als Prüfung der Hypothetischen angesehen. Die Tierseuche KVES sorgt bei Kühen für eine intensive Rotfärbung der Haut und des Fells, was diverse Sekten biblisch deuten und sie dazu motiviert, ein reinrotes Kalb zu züchten, mit dessen Blut sie die Menschheit „reinigen“ wollen.

Jason erläutert Tyler seine Befürchtungen und Pläne. Anstatt wie weite Teile der Menschheit in einer Endzeitstimmung zu erstarren, hat er ehrgeizige Pläne. Die extreme Verlangsamung der Erde und das entsprechend rasende Vergehen der Zeit außerhalb sind Bedrohung und Chance zugleich. In weniger als einem Erdjahrhundert droht die Sonne sich in das Stadium eines roten Riesen weiterzuentwickeln und die inneren Planeten inklusive der Erde zu verschlingen. Keiner weiß, ob der Schirm der Hypothetischen die Menschheit auch davor schützt. Doch diese extreme Zeitdifferenz macht etwas möglich, von dem man bisher nur träumen konnte: Innerhalb weniger Jahrzehnte könnte man den Mars terraformen und kolonisieren – und dem Spin entkommen!

Mehr als genug Zeit hat man: Ein Monat auf der Erde entspricht 8,3 Millionen Jahren, ein Jahr zirka einhundert Millionen Jahren. Das Experiment wird unter der Leitung |Perihelions| gestartet und erweist sich als Erfolg. Der Mars wird erfolgreich besiedelt und eine Zivilisation entsteht. Doch zum Entsetzen der Erdmenschen wird auch diese nicht vom „Spin“ verschont. Doch ein Marsianer kann die Erde noch erreichen …

_Endzeit, Ecopoiesis und Evolution _

„Spin“ vereinigt drei Lieblingsthemen Wilsons, die zusammen erfreulicherweise noch mehr ergeben als nur die Summe der Teile. Standen bei den „Chronolithen“ das menschliche Verhalten und seine Auswirkungen angesichts erschütternder, weltverändernder Umstände im Mittelpunkt, hat Wilson den Fokus in „Spin“ auf Kosmologie und Astronomie verschoben, verbunden mit Evolutionstheorien.

Die Furcht vor den „Hypothetischen“ und die religiöse Verehrung, die ihnen zuteil wird, zeigt, wie viel stärker der (Aber-)Glaube in Zeiten sein kann, in denen die Wissenschaft scheitert und Phänomene nicht erklären kann. Selbst Jason muss dies eingestehen, trotzdem kann er einen Bruch in der Beziehung zu seiner ihr Heil in der Religion suchenden Schwester nicht vermeiden.

Tyler Dupree, der als Ich-Erzähler den Leser durch den Roman begleitet, ist wie bereits Scott Warden in „Die Chronolithen“ ein eher langweiliger Durchschnittstyp, der im Schatten großer Personen an den Ereignissen beteiligt ist. Als Freund der Familie Lawton hat er Kontakt zu dem zynischen Geschäftsmann E.D., der in einer konfliktreichen Beziehung zu seinem von ihm stark geförderten und zur Leistung angetriebenen Sohn Jason steht. Die Familie Lawton ist ein Musterbeispiel für die Gesellschaft des Spins. E. D. ist ein ultrakapitalistisches Relikt der Prä-Spin-Zeit, das sich nicht anpassen kann und will, während seine Frau Carol, die schon vorher eine Alkoholikerin war, von der Flasche nicht mehr loskommt. Jason ist ein scharfsinniger Denker, der seine intellektuelle Überlegenheit andere oft in verletzender Weise spüren lässt. Er ist vom Spin besessen, er ist die treibende Kraft im „Kampf“ gegen den Spin. Seine Schwester Diane stellt das Sorgenkind dar; wie viele andere Menschen flüchtet sie sich in die Lehren religiöser Sekten.

Dieses Personenschema ist Wilson-Lesern bereits aus den „Chronolithen“ hinlänglich bekannt, die Fixierung Tylers auf Diane ist nicht überzeugend und unnötig. Tylers wenige, stark fixierte Interessen gepaart mit seinen sozialen Problemen bei normaler beziehungsweise überdurchschnittlicher Intelligenz deuten auf das dem Autismus verwandte Asperger-Syndrom hin. Spuren und Andeutungen darauf finden sich an mehreren Stellen des Romans, sollten aber keine Entschuldigung dafür sein, dass nicht nur Tyler eher ein Konzept verkörpert denn eine reale Person. Die Charaktere wirken somit leider etwas schematisch, wie Abziehbilder der entsprechenden Chronolithen-Charaktere, bei denen sich Wilson mehr Mühe und Zeit für eine glaubhaftere Charakterisierung gelassen hat. Der religiöse und massenpsychologische Teil der Handlung ist sehr deutlich von den „Chronolithen“ inspiriert, was für seine Qualität bürgt, leider aber auch bereits allzu bekannt ist. Jedoch konzentriert sich Wilson in „Spin“ nicht nur auf diesen Aspekt; ihm war sehr wohl bewusst, dass er diesen Komplex bereits erschöpfend behandelt hat.

Was „Spin“ auszeichnet, ist die von Wilson inzwischen zur Meisterschaft entwickelte Kunst, interessante Fragen aufzuwerfen und den Leser häppchenweise mit Informationen zu füttern, die andererseits neue Fragen aufwerfen, und einige der bisherigen Fragen zumindest teilweise zu beantworten. Das Themenspektrum ist sehr breit und daher ungemein abwechslungsreich; angefangen bei Massenpsychologie und –hysterie, werden Themen wie menschliche Evolution und Raumfahrt mit der Besiedlung des Mars und Kosmologie verquickt.

Was Wilson auszeichnet und ehrt, ist, dass er all dies in einem einzigen Roman mit 555 Seiten untergebracht hat. Viele seiner Kollegen hätten daraus einen mehrbändigen Zyklus geschaffen und die faszinierende Ideenflut verdünnt und totgeredet. Er packt unheimlich viele phantastische Ideen in diesen Roman, der deshalb stets unterhaltsam ist und zum Weiterlesen motiviert. Das gelungene Ende belohnt den Leser mit dem viel zitierten „sense of wonder“, der vielen modernen Science-Fiction-Romanen ein wenig abhanden gekommen ist. Zwar ist auch bei „Spin“ ähnlich wie bei den „Chronolithen“ eher der Weg das Ziel, dieses Mal endet Wilsons Roman jedoch wesentlich befriedigender als die in dieser Hinsicht schwachen „Chronolithen“.

„Spin“ stellt Wilsons Meisterwerk da. Es verbindet die besten Elemente seiner bisherigen und bereits vorzüglichen Romane, einzig die etwas einfallslose schematische Charakterisierung ist ein kleiner Wermutstropfen dieses durch und durch gelungenen Romans. „Spin“ zieht den Leser in seinen Bann; hat man einmal angefangen zu lesen, will man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.

Homepage des Autors:
http://www.robertcharleswilson.com/

[„Die Chronolithen“ 1816
[„Darwinia“ 92

Ubukata, To – Kompression (Mardock-Trilogie 1)

_Was wäre wenn Luc Besson Japaner wäre?_

Dann würde er wohl To Ubukata heißen und hätte statt „Leon, der Profi“ wohl „Kompression“ geschrieben. Na ja, vielleicht reichen die Parallelen dafür dann doch nicht ganz. Ubukata jedenfalls bezeichnet jenen Film um den tragischen Anti-Helden und seine minderjährige Muse als entscheidende Inspirationsspritze, welche die Geburtswehen des Mardock-Zyklus ausgelöst hat. Aus einer Kurzgeschichte mit geplanten 50 Seiten ist nun ein 1800-seitiges Werk (in der deutschen Fassung ca. 900 Seiten) geworden, und mit „Kompression“ darf nun auch der deutsche Leser in eine Trilogie eintauchen, die der 29-jährige Manga- und Anime-Spezialist verfasst hat.

_Pulverdampf und Techno-Terror._

Mardock City ist eine kalte Stadt, mit einer Wendeltreppe als Wahrzeichen, Symbol für all jene, die hier versuchen, mit aller Gewalt an die Spitze zu kommen. Shell Septinos ist schon weit auf dieser Treppe gekommen, und dabei hat er Unzählige in die Tiefe gestoßen. Manche dieser Unglücklichen glitzern als blaue Diamanten an seinem Finger, die verdichtete Asche ihrer Leichen, und Rune Balot soll die nächste werden.

Sie ist eine minderjährige Geisha und hat eine ganz besondere „Spezialität“, mit der sie ihre Kunden zu befriedigen weiß: Wie eine Puppe liegt sie da, zieht sich in sich selbst zurück und betrachtet den Akt wie von weiter Ferne, der an ihr vergangen wird. Daher auch ihr Pseudonym: „Rune Balot“ ist ein Küken, das in seiner eigenen Schale zu Tode gekocht wird.

Wahrscheinlich hätte Shell Septinos auch genau das geschafft, wenn da nicht Eufcoque gewesen wären und Doc Martin: Die beiden sind schon lange hinter Shell Septinos her, weil sie wissen wollen, wie und warum er die Identitäten seiner ermordeten Mädchen manipuliert hat. Aus diesem Grund unterziehen sie Rune Balot auch der umstrittenen Scramble-09-Technologie, die sie zu einer höchst effektiven Kampfmaschine macht. Das ist auch nötig: Shell Septinos hat nicht vor, sich sein Geheimnis von einer 15-Jährigen entreißen zu lassen …

_Bildgewaltige Japan-Action._

In die berühmt-berüchtigte Kategorie „Story, die auf einen Bierdeckel passt“ muss sich auch „Kompression“ stecken lassen. Sicher, die Hintergründe der Figuren sind interessant und auch Mardock-City weiß mit so manchem klugen Detail zu überraschen, aber die wirkliche Stärke sind hier die Bilder. Rune Balots Scramble-09-Technologie beispielsweise. Sie hat die Fähigkeit, elektronische Dinge mit ihrem Geist zu beeinflussen, zu „snarken“, und sie nimmt ihre komplette Umgebung um sich wahr, als wäre ihre Haut mit jedem Winkel verbunden.

Und Ubukata hat kein Potenzial dieser Idee verschwendet, ständig entdeckt Rune Balot neue Anwendungsgebiete ihrer Fähigkeiten und setzt sie auch überall ein. Besonders interessant wird das, als sie sich mit Eufcoque vereinigt. Der ist ebenfalls ein Scramble-09-Produkt und hat die Fähigkeit, sich in Gegenstände aller Art zu „morphen“, unter anderem in ein unerschöpfliches Waffenarsenal …

Auch die Antagonisten lassen keine schaurigen Erwartungen offen: Dimsdale Boiled ist Shells Sicherheitsmann, und als er erfahren muss, dass Rune keinesfalls ein verängstigtes Mädchen ist, das man mit einem Fingerschnipsen von der Bildfläche pusten kann, ruft er die unsägliche Bandersnatch-Crew auf den Plan. Wiederum kommt einem hier Ubukatas optische Schreibe zugute, Bandersnatch ist eine perverse Bande von Menschenjägern, die ihre Opfer ausschlachten wie organische Ersatzteillager. Jedes Bandersnatch-Mitglied hat einen kranken Fetisch für Körperteile, die sie als Trophäen an sich selbst transplantieren, und als sie Bilder von der süßen Rune Balot zu Gesicht bekommen, kann es keiner von ihnen erwarten, diesen lebendigen Süßwarenladen leer zu räumen … Brrr! Selten habe ich Gegenspieler derartig verabscheut und selten habe ich mich mehr gefürchtet, weil sie Erfolg haben könnten!

Womit eine Überleitung zum dritten Optik-Element von Ubukatas Werk geschaffen wäre: den Action-Szenen. So schwierig es im Film ist, innere Konflikte darzustellen, so schwierig ist es für einen Buchautor, rasante und spannende Action-Szenen zu schreiben. Aber To Ubukata kann das. Zwar verliert man sich manchmal im Wust der Details, aber das liegt auch daran, dass Ubukata beinahe völlig auf ausgelutschte Action-Floskeln verzichtet, und nach unverbrauchten Darstellungen sucht. „Ohrenbetäubende Explosionen“ gibt es keine, stattdessen einen Showdown, der einen geradezu in den Lesesessel presst. „Manga in Buchform“ trifft es hier wirklich auf den Punkt, die Feuerstürme, Gewalttätigkeiten und bluttriefenden Nahaufnahmen blitzen im Stakkato vor dem geistigen Leserauge auf – klasse!

_Adrenalin in drei Dimensionen._

Auch wenn die Story etwas blass ist, die Figuren sind es nicht. Septinos hat einen Grund, weshalb er all den Mädchen neue Identitäten verpasst und sie dann umbringt, Eufcoque hat eine Geschichte, und der Doc ebenso. Rune Balots Schicksal ist zwar nicht brüllend originell, aber glaubwürdig und drastisch dargestellt, Dimsdale Boiled hat ganz eigene Motive, weshalb er Shell Septinos folgt, und sogar die Bandersnatch-Gang hat einen Lebenslauf, der sie zu diesen kranken Monstren hat werden lassen.

Dazu kommt, dass einem Rune Balot wirklich ans Herz wächst, sie ist eine sympathische, mutige, aber auch zerbrechliche und tragische Gestalt, um die man sich bald ebenso sorgt wie Eufcoque. Der ist ein ähnlicher Sympathieträger, und die Beziehung der beiden wächst auf eine Art zusammen, die sich auf angenehm skurrile Weise von den Hollywood-Klischees abhebt. Inwiefern? Nun, wenn man Eufcoque erst mal kennen gelernt hat, wird das schlagartig klar …

_Hetzjagd hin zu einem extremen Cliffhanger._

Unter dem Strich bleibt also eine krass bebilderte Materialschlacht, die, wie es der Klappentext verspricht, wohl tatsächlich Fans von Manga und Matrix zusagen dürfte. Nun denn, hinsetzen, Buch aufschlagen, keine literarischen Tiefen erwarten, vereinzelte Klischees ignorieren und mitreißen lassen. Ich jedenfalls bin ziemlich gespannt auf „Mardock 2: Expansion“, das im Februar ’07 herauskommen wird, und nicht nur wegen des Cliffhangers am Ende dieses Buches. Mal ehrlich: Die Story an dem Punkt anzuhalten, ist fast schon seelische Grausamkeit und für den Buchmarkt erstaunlich mutig. Ein weiterer Pluspunkt also.

http://www.heyne.de

Eine freudige Nachricht noch für alle Anime-Fans: Zwar steht der Erscheinungstermin noch nicht fest, aber To Ubukata wird „Mardock Scramble“ (so der Originaltitel der Serie) als Anime adaptieren. Produziert wird das Ganze in den renommierten Gonzo-Studios. Wer des Japanischen mächtig ist kann schon mal auf http://www.mardock.jp vorbeisegeln, um sich vorab einen Eindruck zu verschaffen.

Jablonski, Carla / Nagula, Michael / Gaiman, Neil / Bolton, John / Rieber, John Ney – Abrechnungen (Die Bücher der Magie, Band 6)

Band 5: [Verlassene Stätten 2522

Nach ihrem letzten gemeinsamen Abenteuer im Spieleland der Dämonen (vgl. Band 5: Verlassene Stätten) wurden Molly und Timothy zur Höchststrafe verurteilt: Hausarrest! Selbst das miteinander Telefonieren ist ihnen verboten. Für ein emanzipiertes Mädchen und einen Super-Magier sind solche Fährnisse allerdings bestenfalls lästig. Und so verwandelt sich Tim flugs in eine Katze, um in dieser Form Molly zu besuchen. Das Mädchen wiederum hat sein Zimmer längst mittels eines Seiles durch das Fenster verlassen und ist Richtung Park verschwunden, wo es ein gemütliches Schwätzchen mit Marya hält. In seiner Katzenform gelingt es Tim, die beiden zu belauschen, wodurch er erfährt, was sein böses zukünftiges Ich eines Tages der Welt antun könnte.

Bevor er sich verzweifelt auf allen Vieren vom Acker machen kann, wird er von einer geheimnisvollen Fremden, die sich selbst Body Artist nennt, eingefangen. Diese Hexe bietet ihm an, das Problem mit seinem bösen Ich zu lösen. Tim willigt ein und lässt sich zwei magische Symbole auf die Brust tätowieren: einen Skorpion und einen Schmetterling. Immer wenn er nun seine Magie anwendet oder starke Gefühle – wie Liebe und Hass – empfindet, jagen unvorstellbare Schmerzwellen durch seinen Körper.

Da er sich durch diese Aktion anscheinend selbst aufgegeben hat, schwebt er in ernster Gefahr, denn derjenige der Narle, der alle verlegten und aufgegebenen Dinge verschlingt, der Wobbly, droht nun, ihn zu verzehren. Also muss Tim einerseits schleunigst die Tattoos loswerden, andererseits aber auch verhindern, dass er sich zu einem monströsen Magier entwickelt. In der Hoffnung, dass seine Vergangenheit den richtigen Weg in seine Zukunft weisen wird, öffnet er die Pforte ins Elfenland, um von Titania, welche er für seine Mutter hält, Antworten zu bekommen. Doch Titania würde den verhassten Sohn am liebsten tot sehen.

„Abrechnung“ ist der vorerst letzte Band dieser Serie von Romanen, die jeweils einen Story Arc der beiden ersten „The Books auf Magic“-Comic-Reihen (1990-1991, 1994-2000), belletristisch aufbereiten. So fasst das vorliegende Buch beispielsweise den „Reckonings“-Zyklus der Comics #14 bis #20 zusammen, der – wie „Bindings“ und „Summonings“ – im Original aus der Feder John Ney Riebers stammt; ob die vier nachfolgenden größeren Zyklen Riebers, „Transformations“, „Girl in the Box“, „The Burning Girl“ und „Death after Death“, je als Roman erscheinen werden, steht zurzeit in den Sternen. Diese Informationen sind nötig, um den Roman abschließend beurteilen zu können.

Was den Stil, den Humor, die skurrilen Ideen und die Lockerheit in den Dialogen und Selbstreflexionen der Protagonisten betrifft, so ist dieser Roman eine durch und durch würdige Fortsetzung des ausgezeichneten fünften Teils.

Timothy und insbesondere Molly entwickeln sich zu immer stärkeren, selbstbewussteren Charakteren, neue Protagonisten betreten die Bühne und die Welt der beiden Helden wird von Buch zu Buch komplexer. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene können problemlos in diese Welt eintauchen. Aber gerade dann, wenn es am schönsten ist, heißt es: „Vorhang zu!“ Dadurch wird die Geschichte an sich zwar nicht weniger gut, aber dennoch bleibt ob der vielen offenen Fragen und der sich zaghaft andeutenden Entwicklungen ein Gefühl der Enttäuschung und des Betrogen-worden-seins. Natürlich kann man als interessierter Leser versuchen, ersatzweise auf die Comic-Vorlagen zurückzugreifen, aber erstens sind diese im Vergleich zu den Romanen recht teuer und zweitens sind die Vertigo-Comics deutlich weniger kindgerecht als Jablonskis Texte.

Fazit: So humorvoll und tiefgründig wie der Vorgängerband. Wegen der vielen offenen Fragen und losen Ende jedoch kein befriedigender Abschluss-Roman. Bleibt zu hoffen, dass die Reihe in nicht allzu ferner Zukunft doch noch fortgesetzt wird.

© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Finn, Thomas – unendliche Licht, Das (Die Chroniken der Nebelkriege 1)

Mit „Das unendliche Licht“ legt Thomas Finn einen Roman vor, der den Auftakt der Trilogie |Die Chroniken der Nebelkriege| darstellt. Das klingt nach epischer High-Fantasy-Tradition, wie man sie von Finns früheren Abenteuern für das Rollenspielsystem |Das Schwarze Auge| kennt. Umso mehr erstaunt es, dass „Das unendliche Licht“ als Jugendbuch vermarktet wird, das im Zuge des Harry-Potter-, Bartimäus- und Lemony-Sniket-Booms auf der Erfolgswelle mitschwimmen soll. Ist Finns Ausflug in die Kinderliteratur also nur ein weiterer müder Abklatsch oder doch eine seltene Buchperle aus deutschen Landen, die einen eigenen Weg zu gehen versucht?

_Inhalt_

Kai ist ein 13jähriger Junge, der behütet in einem kleinen Dorf namens Lychtermoor bei seiner Großmutter aufwächst. Jeder Tag verläuft in geordneten Bahnen. Die hektische Welt der Großstädte, in denen das Leben pulsiert, und die Geschichten von Abenteuern und Gefahren dringen höchstens als ferne Gerücht an die Ohren der Dörfler heran.

Kais Ausbildung als Irrlichtfänger steht kurz vor dem Abschluss. Die Irrlichter werden von fahrenden Händlern aufgekauft und dann in Metropolen wie etwa dem nahen Hammaburg an der Elbe als Straßenbeleuchtung eingesetzt. Doch um die Wesen einzufangen, bedarf es Ausdauer, Disziplin und Können. Ein Irrlicht, das pro nächtlichem Streifzug durchs Moor gefangen wird, ist bereits eine gute Ausbeute. Groß ist da die Überraschung, als Kai eines Nachts gleich ein Dutzend Irrlichter fängt – sogar ein großes, besonders seltenes Exemplar ist dabei.

Die Großmutter ist erfreut, aber auch nachdenklich. Kai scheint die Wesen im wahrsten Sinne des Wortes magisch anzuziehen. So etwas war noch niemandem vor ihm geglückt.

Während die alte Frau Kais Erfolg nicht an die große Glocke hängen möchte, präsentiert Kai seinen großen Fang sofort auf dem abendlichen Dorffest. Doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Das Dorf wird von untoten Piraten überfallen, die nicht nur die Irrlichter klauen, sondern auch ganz Lychtermoor verwüsten. Während Kai sich von zwei mysteriösen Gestalten umgeben sieht, die ihm im Kampf gegen die Piraten zur Seite stehen, kommt für seine Großmutter, die dem Fest fern und alleine zu Hause geblieben ist, jede Hilfe zu spät. Mort Eisenhand, der Anführer der Truppe, hat die alte Dame rücksichtslos erschlagen.

Durch den Tod seiner letzten Bezugsperson ändert sich Kais Leben schlagartig. Seine beiden Retter, die sich als Elf namens Fi und Gargyle namens Dystariel vorstellen, nehmen sich seiner an und bringen ihn nach Hammaburg. Dort wacht er in einem Gemäuer auf, das über und über mit magischen Ingredienzien voll gestopft ist und von einem Poltergeist bewohnt wird. Erst nachdem er wieder zu Kräften kommt, gibt sich der Hausherr als fingergroßer Däumlingszauberer Eulertin zu erkennen. Er ist ein Beherrscher der elementaren Winde und angesehenes Mitglied im Statdrat.

Eulertin weiht Kai in die Geheimnisse um die Magie ein, bildet ihn in harten Wochen zu einem Adepten aus und klärt ihn schließlich darin auf, dass er der letzte Feuermagier sei. Laut einer Prophezeiung ist er der Einzige, der sich gegen das Schattenreich im Norden, das von der Nebelkönigin Morgoya unterjocht wurde, erheben kann. Doch so weit entfernt dieses Reich auch anmutet, Morgoya hat ihre Kräfte längst mobilisiert. Die Piratenüberfälle an den Küsten unter Mort Eisenhand und das Klauen der Irrlichter dienten einem einzigen Zweck: die Stadt Hammaburg zu Fall zu bringen und damit den Fuß auf den Kontinent zu setzen, um ihr Schattenreich auf die Welt auszuweiten.

_Bewertung_

Thomas Finn ist es gelungen, eine zauberhafte Welt zu erschaffen und sie in seinem Roman mit Leben zu erfüllen. Hammaburg, Morgoyas Schattenreich in Albion, das Albtraumgebirge und viele weitere Ortschaften verflechten sich zu einem fantastischen Abbild Europas, das, gespickt mit bekannten Mythen- und Sagenelementen, genug Bezugspunkte zur wirklichen Welt für den Leser bietet, um sich sofort mit den in der Anderswelt agierenden Geschöpfen identifizieren zu können. Dass der Autor als lokalpatriotischer Hamburger seine Stadt in den Mittelpunkt der Erzählung setzt, erweist sich dank des plastischen Bildes der Hafenmetropole, das er beim Leser hinterlässt, als wahrer Glücksgriff. Die vielen kleinen Details, die für die Handlung unerheblich, aber der atmosphärischen Beschreibungen äußerst dienlich sind, runden das Bild stimmungsvoll ab.

Vor diesem Hintergrund fesselt auch sogleich die Handlung, die aus Sicht Kais geschildert wird. Obwohl der Anfang zu schnell abgewickelt wird und ein, zwei weitere Kapitel über das dörfliche Leben Kais Entwicklung noch stärker untermauert hätten, kann Thomas Finn die Spannung konsequent hoch halten und bis zum packenden Finale stetig steigern. Der Konflikt um Mort Eisenhand, die aufkommende Gefahr durch Morgoya aus dem Norden, die politische Dimension um intrigante Ratsmitglieder und zu guter Letzt Kais Auseinandersetzung mit sich selbst und seinen Fähigkeiten verstricken sich schlüssig zu einem soliden, wenn auch zumeist in der ein oder anderen Form bereits bekannten Handlungsmuster. Positiv muss hier aber vor allem die Schilderung um Kais innere Flamme hervorgehoben werden. Denn obwohl die Gefahr in Form von Eisenhand oder Morgoya von außen droht, muss sich der jugendliche Protagonist zunächst mit sich selbst befassen. Er muss zu seiner eigenen Stärke finden, bevor er das Böse bekämpfen kann. Diese psychologische Sicht ist eine ganz große Stärke des Buchs und einer der Gründe, warum es sich unter anderen Jugendbüchern positiv hervorheben kann.

Die zweite große Stärke von Thomas Finn sind seine Charaktere. Während die Handlung Altbewährtes in gut umgesetzter Form mit einigen interessanten Ansätzen bietet, enthalten die Figuren in „Das unendliche Licht“ tatsächlich innovative Züge. Obwohl auch hier das bekannte Muster der typischen Figurenkonstellationen durchschimmert – der jugendliche Außenseiterheld, der zu sich selbst findet; der weise Lehrmeister, der dem Held den Weg weist; seine Gefährten, die ihm treu zur Seite stehen und Geheimnisse verbergen –, sind die Charaktere überaus originell. Magister Eulertin besitzt zwar Weisheit und Macht, ist aber durch seine Däumlingsgröße mehr als einmal auf Kais Hilfe angewiesen. Die Gargyle Dystariel bleibt schleierhaft und gibt kaum etwas von sich preis, doch ist ihre Geschichte eng mit der Schreckensherrschaft Morgoyas verbunden. Und auch die anderen Charaktere bewegen sich abseits der üblichen Klischees. Zwar lassen sich die Figuren recht eindeutig dem Gut-Böse-Schema zuordnen, doch dies fällt nicht negativ ins Gewicht, da es dem Jugendbuchstil angemessen erscheint und zweitens die Figuren nicht von Grund auf gut oder böse sind, sondern sich selbst entschieden haben, auf welcher Seite sie stehen wollen.

_Fazit_

„Das unendliche Licht“ ist ein spannender Roman geworden, der sich flott und zügig lesen lässt und die Erwartungen an den zweiten Teil sehr hoch steckt. Thomas Finn gelingt es, eine farbenfrohe Welt zu präsentieren, die Spaß macht, entdeckt zu werden. Obwohl es als Jugendbuch ausgeschrieben ist und den jungen Fantasylesern gute Unterhaltung bietet, dürfte es aufgrund seiner gelungenen Charaktere und seiner Anspielungen auf die Sagen Europas auch erwachsene Leser erfreuen. Bleibt also zu hoffen, dass dem deutschen Autor mit diesem Roman der verdiente Erfolg zuteil wird, denn „Das unendliche Licht“ muss den Vergleich mit anderen, zu Recht erfolgreichen Fantasy-Jugendbüchern nicht scheuen.

[Unser Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59
[„Der Funke des Chronos“ 2239
[„Das Greifenopfer“ 1849
http://www.ravensburger.de
http://www.thomas-finn.de

Russell, Sean – Nachtvogel (Das verlorene Königreich 1)

_Handlungsüberblick_

Tamlyn, sein Vetter Fynnol und dessen Vetter Baore sitzen in einer alten Turmruine, wo sie übernachten wollen. In der Umgebung des Turms haben sie drei Jahre lang nach Altertümern gegraben. Nun wollen sie den Fluss hinunterfahren, um ihre Funde im Unterland zu verkaufen. Vom Erlös wollen sie sich Pferde kaufen. Da taucht plötzlich ein Fremder auf.

Er nennt sich Alaan und bezeichnet sich selbst als Vaganten. Dass der Mann aber nicht nur irgendein einfacher Wanderer sein kann, erfahren die drei Burschen bald, als sie von einem Trupp Ritter angegriffen werden. Die drei können entkommen, weil der Fremde ihnen den Rücken freihält.

Trotzdem wollen sie den Fluss hinunterfahren, Fynnol vor allem. Kurz vorher schließt sich ihnen noch Cynndl an, ein Sagenfinder vom fahrenden Volk der Fáel. Sie sind allerdings nicht lang unterwegs, da müssen sie feststellen, dass die schwarzen Ritter sie noch immer verfolgen! Die Flussfahrt wird zu einer wahren Hetzjagd …

Elise hasst ihren Onkel Menwyn, vor allem, weil er ihren blinden Vater von seinem angestammten Platz als Oberhaupt der Familie Willt verdrängt hat. Jetzt will er sie unter allen Umständen mit dem Sohn des Fürsten von Innes verheiraten, denn der Fürst besitzt ein schlagkräftiges Heer, und eine Heirat würde die Willts in die Lage versetzen, erneut nach der Krone zu greifen, um die sie sich seit Jahrhunderten mit der Familie der Rennés streiten. Wer Elise aber vor allem Angst macht, ist der Berater des Fürsten von Innes, der sich Eremon nennt. Verglichen mit ihm ist ihr rücksichtsloser, machthungriger Onkel geradezu fürsorglich und bescheiden! Dennoch ist Elise entschlossen, sich den Heiratsplänen zu widersetzen. Da erhält sie überraschend Hilfe von einem Fremden …

Nicht nur bei den Willts gibt es Widerstand gegen einen neuen Krieg. Auch Toren, Oberhaupt der Rennés, versucht, den jahrhundertealten Konflikt endlich aus der Welt zu schaffen. Deshalb will er die Schlachteninsel an die Willts zurückgeben. Doch damit sind eine Menge anderer Familienmitglieder nicht einverstanden. Torens Vettern planen Verrat, allen voran sein eifersüchtiger Vetter Baldor …

_Charaktervielfalt_

Sean Russels Zyklus |Das verlorene Königreich| wartet mit einer vielschichtigen Handlung und einer Unmenge an Charakteren auf.

|Fynnol| ist übermütig und unbekümmert, für ihn ist die bevorstehende Flussfahrt ein interessantes Abenteuer und gleichzeitig ein Kinderspiel. An die wundersamen Geschichten, die sich um den Fluss ranken, glaubt er nicht. Sein Vetter |Baore| dagegen ist der stille, hühnenhafte Fels in der Brandung, wortkarg und zupackend, schlicht, aber tiefsinnig. Der wichtigste der Drei aber ist |Tamlyn|, genannt Tam, ein hervorragender Bogenschütze, zwar nicht so still wie Baore, aber ernsthafter als Fynnol, mit einem ausgeprägten Gespür für Stimmungen und einer guten Beobachtungsgabe.

|Cynndl| wirkt gegen diese Drei etwas blaß. Er ist freundlich und lächelt gern, geht aber ansonsten ein wenig unter in den verschiedenen Sagen und Geschichten, die er aufspürt und erzählt.

|Elise| ist ein sehr selbstbewusstes Mädchen. Zwar weiß sie kaum etwas von der Welt außerhalb ihres heimatlichen Tals, aber sie ist anpassungsfähig und zäh, und sie hat auf ihre Weise den sturen Dickschädel der Willts geerbt. Selbst als ihr Widerstand gegen Eremon aussichtslos erscheint, ist sie nicht bereit aufzugeben, selbst wenn sie dafür zum Äußersten greifen muss!

Dass |Eremon| nicht einfach irgendein Mensch ist, wird recht bald klar. Er muss irgendeine besondere Macht besitzen, denn kaum jemand wagt es, sich ihm zu widersetzen. Zwar glauben seine Verbündeten noch, dass er ihren Zielen dient, doch es ist offensichtlich, dass ein solcher Mann dabei nur seine eigenen Pläne verfolgen kann. Er versucht nicht einmal, seine Anmaßung zu verbergen! Seine Kälte und Gleichgültigkeit gegen den Rest der Welt stehen in seltsamem Kontrast zu seinem glühenden Hass auf Alaan.

|Alaan| dagegen ist von einnehmendem Wesen. Auch er verfolgt mit aller Kraft ein Ziel, nämlich, die Ziele Eremons zu vereiteln und ihn dabei auch noch ein wenig zu tratzen! Manchmal hat er etwas von einem Gaukler. Aber auch hier wird recht bald deutlich, dass die Mittel, derer er sich bedient, gelinde gesagt ungewöhnlich sind.

Im Laufe der Handlung treiben die Gruppen um Tam, Elise und Toren allmählich immer weiter aufeinander zu, um sich schließlich in Westrych zu treffen, wo die Gruppen einmal kräftig durcheinander gewirbelt werden.

_Gefahren auf dem Weg: zwei Welten_

Aber erst einmal haben Elise und Tams Gefährten einiges zu überstehen. Nicht nur, dass die eine wie die anderen verfolgt werden. Es stellt sich auch heraus, dass ein großer Teil ihres Weges durch eine Welt führt, die jenseits ihrer eigenen zu liegen scheint!

Der Strom, auf dem die Gefährten mit ihrem Boot unterwegs sind, hat nicht nur die üblichen Zuflüsse, die aus den verschiedenen Tälern an seinen Ufern herunterkommen, sondern auch noch viele geheime Arme, deren Zugänge verborgen sind und welche die meisten nur aus Versehen durchschreiten. Die Reisenden aus dem Seetal scheinen allerdings erstaunlich oft in diese heimlichen Wasserwege zu geraten, was ihnen immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht.

Außerdem werden sie von einem geheimnisvollen Wasserwesen verfolgt, das ihnen nicht geheuer ist.
Und auch der Fremde, der Elise zu ihrer Flucht verhalf, ist ständig auf Wegen unterwegs, die völlig anders aussehen als alles, was sie von der Umgebung ihres Hauses kennt. Nur dass dieser Mann nicht aus Versehen auf diese Wege geraten ist.

Die Ursache dafür, dass da zwei Welten parallel nebeneinander existieren, verrät der Autor noch nicht. Auch in vielen anderen Bereichen hält er sich mit Informationen stark zurück. Viele Antworten liegen in der Historie des Landes verborgen, und nur bruchstückhaft erhält der Leser – meist aus Cynndls Sagen – Hinweise, aus denen er das Puzzle selbst zusammensetzen muss. So verwundert es nicht, dass der Leser am Ende des ersten Bandes noch immer nicht weiß, worin der Verrat der Ritter vom heiligen Eid denn nun bestand und warum die Kinder des Zauberers Wyrr einst anfingen, Krieg gegeneinander zu führen.

_Spannungskurve_

Natürlich will der Leser das alles unbedingt noch rausfinden. Aber auch ohne diese Neugierde wird wohl jeder, der den ersten Band gelesen hat, sofort nach dem nächsten greifen. Russel wechselt geschickt zwischen den ruhigeren Passagen, die dem Knobeln gewidmet sind, und den rasanten Stellen, welche die Spannung hochschrauben. Auch gibt es bei Russel kaum gelöste Konflikte. Wenn eine Gefahr überstanden ist, sieht der Leser bereits die nächste kommen, und gelegentlich kommen seine Helden auch vom Regen in die Traufe. Dabei hält er gekonnt die Balance zwischen Gelingen und Fehlschlag.

Auch sprachlich hat mir Russels Erzählung gut gefallen. Seine Beschreibungen entwickeln ihre Stimmung ganz ohne überladene Weitschweifigkeit. Allein die ungekennzeichneten Wechsel zwischen den vielen Handlungssträngen waren gelegentlich etwas anstrengend. Die Charakterzeichnung fiel nicht ganz so deutlich aus, was aber bei der Menge an Charakteren, die im Laufe der Geschichte immer weiter anschwillt, auch nicht möglich wäre. Dafür wird es dem Leser dank des zügigen Erzähltempos und der stark bewegten Handlung niemals langweilig, im Gegenteil. Es ist kaum möglich, zwischen den einzelnen Bänden längere Pausen einzulegen. Und im Hinblick darauf, dass der zweite Band nahtlos am Ende des ersten ansetzt, ist es für den inhaltlichen Zusammenhang auch besser, die Trilogie am Stück zu lesen.

Sean Russell lebt in Vancouver. Er hatte bereits als Kind eine Vorliebe für phantastische Erzählungen und begann schließlich selbst zu schreiben. 1991 erschien sein erstes Buch. Aus seiner Feder stammen „Das Reich unter den Hügeln“ und „Der Seelenkompass“, „Welt ohne Ende“ und „Meer ohne Ufer“ sowie die Barbaren-Trilogie. Nicht alle dieser Bücher sind auf Deutsch erhältlich.

http://www.sfsite.com/seanrussell

Gentle, Mary – 1610: Kinder des Hermes

Band 1: [„Der letzte Alchimist“ 2360

Mary Gentle hat einen ungewöhnlichen und vielseitigen Werdegang aufzuweisen; 1956 in Sussex geboren, arbeitete sie unter anderem in Kinos und für Essen-auf-Rädern, bevor sie 1981 mit ihren Studien begann, die 1995 mit Master-Abschlüssen in Kriegsgeschichte und Geschichte des 17. Jahrhunderts mündeten.

Ihre profunden Kenntnisse stellte sie bereits in der [Legende von Ash, 303 die mit dem |British Science Fiction Award| sowie dem |Sidewise Award for Alternate History| ausgezeichnet wurde, unter Beweis.

Sie hat einen sehr eigenen Stil, der historischen Roman mit Science-Fiction verbindet, ihre Erzählweise ist ebenso eigenwillig. Schwierig zu klassifizieren, sprengt sie Genreschranken und ist eine willkommene Bereicherung des Phantastikgenres.

Mit „1610: Die Kinder des Hermes“ liegt mittlerweile der zweite Teil der Übersetzung von „1610: A Sundial in a Grave“ vor. Als Übersetzer zeichnet wie bereits bei der „Legende von Ash“ Rainer Schumacher verantwortlich, der auch diesmal wieder vortreffliche und tadellose Arbeit geleistet hat.

„1610“ erzählt die Geschichte des bekannten Musketier-Antagonisten Valentin Rochefort. Dieser ist ein überraschend selbstkritischer und amüsanter Erzähler, der die Ereignisse des Jahres 1610 für den Leser in seinen Memoiren niederschreibt. Aus seiner Sicht erfahren wir von dem genialen Mathematiker Robert Fludd, der einen Weg gefunden hat, durch Mathematik die Zukunft vorherzusagen.

Die Zukunft gefällt Fludd aber nicht, und er plant sie zu ändern. Rochefort kommt dabei eine tragende Rolle zu. Der als vermeintlicher Königsmörder in Frankreich in Ungnade gefallene Haudegen soll einen weiteren König, James Stuart, ermorden helfen – damit sein Sohn Heinrich König werden kann und eine Fludd genehmere Zukunft ermöglicht. Die ebenfalls mit der geheimen Mathematik vertraute Schwester Caterina will dies verhindern und hilft Rochefort, der jedoch kaum eine Wahl hat: Seine Hassliebe Dariole wird von Fludd entführt und dient ihm als Geisel.

„Die Kinder des Hermes“ stellt einen typischen Mittelteil dar. Allerdings wird in für Gentle typischer Manier der Höhepunkt herausgezögert, so dass dieser Roman etwas weniger spannend und originell ist als der Vorgänger. Rochefort kann das Komplott gegen König James vereiteln und Dariole retten, die jedoch zuvor vergewaltigt wurde und eine der Ursachen ist, warum Fludds Plan scheiterte: Entgegen seinen Berechnungen beging sie nach der Vergewaltigung durch seine Knechte keinen Selbstmord, Rochefort geriet infolgedessen nicht in Rage und auch der Tod einer weiteren Person, die sich für ihn opfert, war so ebenfalls nicht vorgesehen. Fludds Zukunfts-Kartenhaus bricht zusammen und sein Plan scheitert auf ganzer Linie.

Hier setzt auch meine Kritik an: Bereits auf den ersten Seiten dieses Mittelteils ereignen sich diese entscheidenden Szenen! Die leider aber nicht überzeugen können. So lässt Gentle Rochefort spekulieren, Fludd könne zwar Aktionen berechnen und somit voraussagen, die dahinter stehenden Motive aber nicht. So könnte die (nicht ganz so unvermutet) starke Liebe zwischen Rochefort und Dariole seinen Plan gekippt haben. Zwar muss man als Leser einfach das Zugeständnis machen, dass Fludd die Zukunft perfekt berechnen kann; dass er dann dies aber nicht können sollte, wo er es doch stets schafft, Boten zur rechten Zeit am rechten Ort aufzustellen, um Rochefort Anweisungen zu erteilen, ist ein Schwachpunkt dieser Argumentation.

Die Wiedereinsetzung von König James zieht sich durch den Mittelteil, zwar flüssig zu lesen, aber ohne echte Höhepunkte. Konfliktstoff steckt vielmehr in der Beziehung zwischen Dariole und Rochefort; Letztere ist von der Vergewaltigung tief verletzt und will Rache, während Rochefort Fludd an König James sozusagen als Wahrsager und potenzielles Machtmittel verschachert.

Angesichts seiner mittlerweile von ihm selbst anerkannten Gefühle für Dariole wirkt dies wie Hohn und ergibt wenig Sinn; nur im Kontext der Entwicklung in diesem Roman kann man es halbwegs akzeptieren. Rochefort wird vom Handelnden zum Getriebenen, zum kleinen Gefolgsmann, der von Königen und anderen Mächtigen als Werkzeug behandelt wird, genau wie der einstmals so mächtige Verschwörer Robert Fludd. So tritt der farblose König James von Schottland in den Vordergrund, schillernde Charaktere wie Rochefort, Fludd oder der Samurai Saburo tauchen leider fast völlig unter. Dariole mutiert zu einer nervenden Zicke, allerdings sind zumindest ihre Motive nachvollziehbar: Sie will Fludds Kopf.

Die spannendste Wende erfolgt auf den letzten Seiten: Fludd wird entführt – jemand will sich seine Fähigkeiten zu Nutze machen. Mit dem Hinweis auf Saburo und Japan sowie einer den beiden wie ein Racheengel folgenden Dariole dürfte klar sein, wohin es Rochefort demnächst verschlagen wird …

_Fazit:_

Obwohl „Die Kinder des Hermes“ 396 Seiten umfasst und flüssig und spannend zu lesen ist, fehlt die Klasse des ersten Teils. Zu wenig passiert und einige Widersprüche trüben das Lesevergnügen. Lobenswerterweise wird diesmal zumindest Rainer Schumacher als Übersetzer genannt; dass mit „1610: Söhne der Zeit“ ein dritter Teil folgt, wird leider mit keinem Wort erwähnt – ebenso wenig, dass dieser abschließend ist. Wie bereits bei „Ash“ ist Mary Gentle bisweilen etwas holprig, durch die Teilung der deutschen Fassung wird dies leider auffällig betont. In diesem Band geizt sie auch mit historischen Details, die sonst ihre Stärke sind und ihren Romanen Klasse verleihen. Unterhaltsam ist „Die Kinder des Hermes“ aber allemal, die Andeutungen auf kommende Entwicklungen im dritten Band sind zudem sehr vielversprechend.

Parzzival, S.H.A. – Himbeertod (Titan-Sternenabenteuer 25)

_Story_

Nach dem Attentat auf Shalyn Shan haben die Ärzte die schöne Suuranerin in ein künstliches Koma versetzt und so ihr Leben bewahren können. Allerdings waren hierzu ein paar Schönheitsfehler unvermeidbar, so dass die Kommandantin der TITAN nun eine Glatze tragen muss. In der Zwischenzeit hat die World Police auch alles daran gesetzt, den Attentäter zu stellen und dingfest zu machen – allerdings ohne Erfolg.

Auf Empfehlung eines guten Bekannten wird der Spezialagent Wernher von Witzleben auf den Fall angesetzt, von dem sich Shalyn aber aufgrund der ersten seltsamen Zusammenkunft keine großen Resultate verspricht. Um so überraschter ist sie, als der durchgeknallte Agent, der wie ein alter Action-Held im Fledermauskostüm auf Verbrecherjagd geht, in kürzester Zeit tatsächlich den mutmaßlichen Mörder inhaftiert. Statt ihn aber direkt der World Police auszuhändigen, wählt von Witzleben einen brutaleren Weg und fragt den Attentäter namens Haron nach Motivation und Auftraggebern aus, indem er die Antworten durch körperliche Übergriffe erzwingt.

Doch Haron schweigt beharrlich und kann tatsächlich auch wieder entkommen. Der Spezialagent hat jedoch noch eine zweite Geheimwaffe in der Hinterhand. Er ist auf eine Frau getroffen, die angab, mehr über die Vergangenheit von Monja Anjetta zu wissen. Für Shalyn Shan ist dies die erfreulichste Nachricht seit langem, und so wird auch in Windeseile ein Treffen vereinbart. Doch wer weiß, ob Monja, Shalyn und ihre Kumpanen sich auf den Weg dorthin gemacht hätten, wenn ihnen der Ausgang der Begegnung von vornherein bewusst gewesen wäre …

Währenddessen haben Raumschiffe der Cadschiden eine Invasion in einem italienischen Bergdorf gestartet und den dortigen Bewohnern ihre Gefühle geraubt. Ohne Rücksicht auf die hilflosen Anwohner schwärmen sie mit ihren Kristallen aus und hinterlassen bei den betroffenen Menschen ein Gefühl der Leere – und einen Himbeergschmack, den auch Shalyn Shan gespürt hat, kurz bevor ihr Harons Anschlag die Sinne raubte.

_Meine Meinung_

Im aktuellen Band der „Titan-Sternenabenteuer“ werden die beiden bisherigen Sub-Plots zu einem homogenen Strang zusammengeführt, der allerdings weiterhin genügend Freiräume für etwaige Nebenschauplätze lässt. Im Mittelpunkt steht dabei die ‚Auferstehung‘ der bereits ermordeten Shalyn Shan, die immer mehr darauf bedacht ist, das Geheimnis hinter ihrer Geliebten Monja Anjetta aufzudecken. Deshalb legt sie auch so großen Wert auf die Festnahme des Attentäters, der Gerüchten zufolge ja auch ein Teil von Monjas Vergangenheit gewesen sein soll.

Nicht nur um sich selbst zu beweisen, dass dem nicht so ist, und dass Monja eine weiße Weste hat, sondern auch, um das Gemüt ihrer Freundin zu beruhigen, greift Shalyn Shan mal wieder zu recht unkonventionellen Mitteln, als sie sich auf den Abgesandten der World Police, Wernher von Witzleben, und dessen eigenartige Ermittlungsmethoden einlässt. Shalyn weiß nicht, was sie von der Fledermaus-Maskerade, dem seltsamen Tick für alte Romane aus Papier und der unsympathischen Ausstrahlung des Agenten halten soll, sieht in ihm aber die letzte verzweifelte Chance, um die zunehmend unsichere Situation wieder ins Lot zu bringen. Bis zum Ende hadert sie mit den Entscheidungen ihrer neuen Zweckverbindung, lässt sich aber von dem Erfolg immer wieder blenden. Und dennoch bleibt die Frage im Raume stehen, ob es sich bei von Witzleben um einen Ehrenmann oder doch um den zur Schau gestellten Fiesling handelt, als der er seinen Feinden gegenüber auftritt. Der nächste Band heißt „Fledermaus“, dann gibt’s hierzu sicher mehr …

Davon mal abgesehen, ist man beim silbernen Jubiläum der Serie wieder überraschend kreativ geworden. Die Invasion der Cadschiden wurde von S.H.A. Parzzival ebenso gut in Szene gesetzt wie das Katz-und-Maus-Spiel des von Witzleben und seiner Opfern. Es wird endlich wieder richtig spannend, und nach einigen viel zu transparenten Fortgängen hat man auf der TITAN wieder einen Punkt erreicht, an dem die Handlung voller Überraschungen steckt. Der Leser fiebert mit, wenn Shalyn Shan langsam aber sicher hinter Monjas Identität zu blicken wagt, und hofft natürlich inständig, dass Letztgenannte zu den ‚Guten‘ gehört.

Und je länger man auf die Folter gespannt wird, desto tiefer dringt man auch wieder in die Gesamthandlung ein, die in den letzten Bänden noch recht oberflächlich fortgeführt wurde. Nicht zuletzt durch die Öffnung weiterer Handlungsspielräume und die Einführung neuer Charaktere wie den schrägen Wernher von Witzleben steuert die |TITAN| (deren Motoren in diesem Buch übrigens auch endlich wieder gestartet werden) wieder auf den richtigen Kurs, der lediglich durch einige merkwürdige sprachliche Eigenheiten beeinträchtigt wird.

Manchmal nämlich raubt man sich zu früh die Spannung, in dem man Kapitel mit Sätzen wie „… wenn sie vorher gewusst hätte, was sich dort ereignet …“ enden lässt und dabei praktisch schon aus der Zukunft heraus das bevorstehende Übel beschreibt. Stattddessen hätte man die Geschichte genau so gut bzw. wahrscheinlich noch besser ihrem natürlichen Verlauf überlassen und so auch die Überraschungen noch stärker auf seiner Seite gehabt. Ebenfalls etwas übertrieben finde ich die zweideutigen Wortspiele. Der Name ‚Wernher von Witzleben‘ zum Beispiel ist einfach nur peinlich. Die Autoren der „Titan-Sternenabenteuer“ haben zwar immer schon ein gewisses Maß an Humor vorgewiesen, doch hat man dabei bislang immer noch Grenzen eingehalten, innerhalb derer man auch tatsächlich von Humor sprechen konnte. Leider bestehen diese Limits bei „Himbeertod“ nicht mehr, was zur Folge hat, dass neben von Witzleben selber auch dessen alberne Aktionen (Fledermauskostüm, Schnüffeln an alten Heftromanen, doofe Macho-Sprüche, etc.) äußerst fragwürdig erscheinen. Vielleicht sind es ja Insider, vielleicht wird man damit auch bei einem Teil des Publikums landen, doch bei mir persönlich hat dieser ironische Klamauk nicht gezündet.

Im Großen und Ganzen sind es aber nur ein paar kleine Nebensächlichkeiten, die es bei der 25. Ausgabe der Social-Fiction-Serie zu bemängeln gibt. Bezüglich Geschichte, Weiterentwicklung und Spannung hat S.H.A Parzzival verglichen mit den letzten Bänden indes wieder gehörige Verbesserungen erzielen können, auf denen aufbauend die TITAN hoffentlich auch in Zukunft die Häfen ansteuern wird, die man vorm Umschwung von Science- auf Social-Fiction noch regelmäßig besuchte. Kurzum: Nach der zwischenzeitlichen Flaute wird einem hier endlich wieder das Niveau geboten, das man etwas längere Zeit vermisst hatte – wenn auch nur auf mageren 158 Seiten.

http://www.BLITZ-Verlag.de

Sara Douglass – sterblichen Götter Tencendors, Die (Im Zeichen der Sterne 1)

Askam, Prinz des Westens, steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Nicht nur, weil er drei Jahre lang den koroleanischen Botschafter zu Gast hatte, sondern auch, weil er sein Geld in ein paar höchst riskante Vorhaben gesteckt hat, die prompt schief gegangen sind. Um seine Gläubiger bezahlen zu können, versucht er, eine ruinös hohe Steuer einzuführen, die vor allem Zared, Prinz des Nordens treffen soll, denn dessen Provinzen florieren. Unter anderem deshalb, weil die fähigsten Handwerker und Kaufleute vor Askams Steuern zu Zared geflüchtet sind.

Die Steuer bringt bei den Kaufleuten Karlons ein Fass zum Überlaufen; sie reisen zu Zared und bitten ihn, beim Sternensohn zu intervenieren. Caelum, Axis‘ Ältester, greift tatsächlich ein, allerdings auf eine Weise, die Zared zutiefst verbittert. Zugleich verweigert Caelum ihm aus politischen Gründen die Heirat mit Leah, Askams Schwester. Von den Gildenmeistern Karlons angefeuert, entschließt Zared sich, dem Sternensohn Widerstand entgegenzusetzen.

Während Zared Pläne schmiedet, um Askam und Caelum zur Vernunft zu bringen, wird Flussstern, Caelums lüsterne Schwester, tot in ihrem Gemach aufgefunden. Über ihr kniet, ein blutiges Messer in der Hand, Drago, ihr Zwillingsbruder, der einst für seinen Verrat an Caelum damit bestraft wurde, dass seine Mutter Aschure in seinem Blut die Dominanz seines Ikarischen Erbes aufhob und ihn damit zum Menschen machte. Caelum ist sofort davon überzeugt, dass Drago der Mörder ist, und lässt ihn in einem Schauprozess zum Tode verurteilen. Aber Zenit, Jüngste der Geschwister, hat Mitleid mit ihrem Bruder und verhilft ihm zur Flucht.

Unbemerkt von den Herrschenden, die mit ihrem eigenen Händel beschäftigt sind, nähert sich von außerhalb Tencendors eine Bedrohung, die zunächst niemand wahrnimmt und die in ihrem Ausmaß Gorgrael bei weitem in den Schatten stellt, Dämonen, die unbedingt durch das Sternentor nach Tencendor wollen …

An alldem zeigt sich bereits, dass die Fortsetzung des Weltenbaumzyklus auch in der nächsten Generation nichts von seiner Komplexität verloren hat!

Caelum ist der oberste Herrscher über Tencendor und voll der besten Vorsätze. Aber die Erinnerungen an den Verrat seines Bruders hat sein Wesen vergiftet. Caelum ist unsicher und von seiner Angst vor Drago beherrscht, obwohl Drago ihm ohne Magie gar nicht gewachsen ist und seit vierzig Jahren nichts tut als vor sich hinzualtern. So stark ist Caelums Angst vor Drago, dass er die erste Gelegenheit wahrnimmt, sich seiner zu entledigen.

Unterstützt wird Caelum darin nicht nur von seinen Eltern, sondern auch von Wolfstern. Der mächtige Zauberer, der für die Erfüllung der Prophzeiung gesorgt hat, ist immer noch damit beschäftigt, die Geschicke zu beeinflussen. Er als Einziger weiß von den Dämonen außerhalb des Sternentores, er weiß von ihrem Ziel und von dem Wächter dieses Ziels. Er weiß auch, es gibt nur einen, der diesem Wächter helfen kann, sollten sie nach Tencendor eindringen: den Sternensohn! Und er glaubt, Caelum wäre dieser Aufgabe ohne Drago besser gewachsen.

Drago ist von seinen Verwandten nichts anderes gewohnt als Abscheu und Hass. Dabei weiß er nicht einmal, ob er dieses Verbrechen, das ihm ständig vorgeworfen wird, tatsächlich begangen hat, denn als Mensch hat er im Gegensatz zu den Ikariern keine Erinnerungen an seine Kindheit vor dem dritten Lebensjahr. Seit er denken kann, wird er von allen für etwas bestraft, von dem er nichts weiß. Zutiefst verbittert klammert er sich dennoch an das bisschen Leben, das seine Mutter ihm gelassen hat.

Zenit ist die Einzige, die sich der Tatsache bewusst ist, dass Drago sich an sein Verbrechen nicht erinnern kann, und die Verständnis für seine Verbitterung hat. Aber sie hat auch genug mit sich selbst zu kämpfen. Seit Wolfstern auf Sigholt erschienen ist, kämpft sich eine fremde Präsenz in ihrem Innern an die Oberfläche. Aber erst aus einem Brief, den ihre Mutter für sie bei Caelum zurückgelassen hat, erfährt Zenit, dass es sich dabei um Aschures wiedergeborene Mutter Niah handelt! Ein zäher Kampf gegen die fremde Seele, die Zenit als Eindringling empfindet, beginnt.

Die verworrenen, komplexen Beziehungen der Charaktere untereinander führen zu einem regelrechten gordischen Knoten: Caelum hasst und fürchtet Drago, Drago seinerseits richtet seine Bitterkeit gegen die gesamte Welt, mit Ausnahme seiner Schwester Zenit und seines Großvaters Sternenströmer. Zenit mag sowohl Caelum als auch Drago, hasst aber dafür die rücksichtslose Niah, die Zenit in ihrem Hunger nach Leben einfach aus ihrem eigenen Körper drängt. Wolfstern wiederum hasst Zenit dafür, dass sie sich gegen Niah durchgesetzt hat. Askam hasst Zared, weil er neidisch auf seinen Erfolg ist und um seine Herrschaft fürchtet. Und Axis ist wütend auf Zared, weil er glaubt, dieser wolle Tencendor spalten, für dessen Einheit Axis so lange gekämpft hat.

Axis hat Zared bereits vor dessen Geburt für nichts anderes als eine Quelle von Problemen gehalten, einen neuen Bornheld. Dass Zared allerdings nicht selbst die Schwierigkeiten bedeutet, sondern ihnen lediglich eine Stimme verleiht, scheint weder Caelum noch Axis aufzufallen. Das eigentliche Problem ist Askam, der einfach ein unfähiger Regent ist, aber dennoch von Caelum und Axis Rückendeckung erhält, nur weil er Belials Sohn ist. Dabei hätte Belial sich im Grabe umgedreht, wüsste er, was sein Sohn für Mist baut! Und Askam zeigt in seinem Hass und seiner Eifersucht auf Zared mehr Eigenschaften Bornhelds, als Zared es jemals könnte!

Dazu kommt die extreme Angst der Ikarier vor einem Königreich der Achariten, das sie automatisch mit einem Wiederaufleben des Seneschalls und einer neuerlichen Verfolgung von Ikariern und Awaren gleichsetzen. Dabei wäre eine Neuerrichtung des Seneschalls ohne den dazugehörigen Gott Artor gar nicht möglich. Artor aber ist tot!

Caelum, dessen Aufgabe als oberster Herrscher es eigentlich wäre, in dieser konfliktgeladenen Situation die Balance zwischen den Parteien zu halten, versagt kläglich. Ein Mann mit über vierzig Jahren Lebenserfahrung sollte eigentlich etwas Besseres auf die Beine stellen können!

Die Einzige, die tatsächlich etwas Vernünftiges für Tencendor tut, ist Faraday. Nachdem Drago sie mit Hilfe des Regenbogenzepters sozusagen aus Versehen aus ihrer tierischen Gestalt befreit hat, ist sie von einer neuen Macht durchdrungen, die aus dem Zepter stammt. Sie ist die Einzige, die hinter das Offensichtliche sieht und deshalb nicht nur Zenit hilft, sondern auch Drago.

Na ja, fast die Einzige. Denn die Seewache, die ihrer eigenen Aussage nach treu dem Sternensohn dient, tut einige Dinge, die für Caelums Anhänger äußerst verwirrend wären, so sie denn davon wüssten. Zunächst jedoch können auch sie das Eindringen der Dämonen nicht verhindern, denn diese sind zu allem entschlossen!

Die Dämonen erinnern ein wenig an die Apokalyptischen Reiter, sind allerdings zu fünft. Aber nicht nur, dass sie das Grauen in die Welt Tencendors tragen, sie wollen auch etwas zurück, das ihnen gestohlen wurde und ihre Macht noch um ein Vielfaches steigern wird! Der zweite Band wird deshalb den Blickwinkel der Handlung wohl ein gutes Stück ausweiten und die Dämonen mehr in den Mittelpunkt rücken.

Bei den Bänden des Zyklus |Im Zeichen der Sterne| hat |Piper| darauf verzichtet, sie in zwei Teile zu hacken, was dem Zusammenhang sehr gut tut. Trotzdem ist „Die sterblichen Götter Tencendors“ nicht ganz so spannend, wie es der erste Band des Weltenbaumzyklus war. Dieser erste Band zumindest wird vor allem von seinen vielen zwischen“menschlichen“ Konflikten getragen. Die meisten davon erklären sich aus der Vergangenheit. Dennoch muss ich sagen, dass vor allem Caelums, Axis‘ und Aschures Verhalten manchmal von einer derartigen Verblendung zeugt, dass es schon fast unrealistisch ist!

Abgesehen davon jedoch las sich das Buch flüssig und interessant. An neuen Ideen ist lediglich das Labyrinth mit seinem brisanten Inhalt dazugekommen, wurde allerdings noch nicht weiter ausgebaut. In dieser Hinsicht darf sich ruhig noch etwas mehr tun.

Wer den Weltenbaumzyklus noch nicht gelesen hat, dem empfehle ich, dies nachzuholen, ehe er mit dem Sternenzyklus anfängt. Zwar geht es diesmal um die jüngere Generation, aber viele der alten Charaktere tauchen wieder auf und die Geschehnisse aus dem ersten Zyklus wirken massiv in den zweiten hinein. Das Personen- und Sachregister am Ende mag zwar hilfreich sein, aber bei weitem nicht ausreichend.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres Weltenbaum-Zyklus stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem Weltenbaumzyklus und „Tresholder“ schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten. Der zweite Teil des Sternenzyklus, „Die Wächter der Zeiten“, ist für September dieses Jahres angekündigt. In der Zwischenzeit schreibt die Autorin an ihrem neuen Zyklus |Darkglass Mountain|.

My Сreative


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_Sara Douglass bei |Buchwurm.info|:_
[Die Sternenbraut 577 (Unter dem Weltenbaum 1)
[Sternenströmers Lied 580 (Unter dem Weltenbaum 2)
[Tanz der Sterne 585 (Unter dem Weltenbaum 3)
[Der Sternenhüter 590 (Unter dem Weltenbaum 4)
[Das Vermächtnis der Sternenbraut 599 (Unter dem Weltenbaum 5)
[Die Göttin des Sternentanzes 604 (Unter dem Weltenbaum 6)
[Der Herr des Traumreichs 1037
[Die Glaszauberin 1811 (Die Macht der Pyramide 1)
[Der Steinwandler 2639 (Die Macht der Pyramide 2)

Finn, Thomas – unendliche Licht, Das (Die Chroniken der Nebelkriege 1)

_Handlung_

Kai ist ein Irrlichtfänger in der Ausbildung, und wohnt in einem kleinen Dorf namens Lychtermoor in der Nähe der großen Handelsstadt Hammaburg. Er lernt den Beruf bei seiner Großmutter und ist kurz vor dem Ende seiner Ausbildung. Und es geschieht etwas Besonderes, denn Kai fängt eines Abends so viele Irrlichter wie noch keiner vor ihm. Doch die Freude darüber wehrt nicht lange, denn seine Großmutter verbietet ihm, mit seinem großen Fang vor der Dorfjugend anzugeben. Anstatt auf seine Großmutter zu hören, nimmt Kai am nächsten Abend ein besonders großes Irrlicht mit zum Irrlichtfest, um den Dorfrüpel mit seinen Fangkünsten zu übertrumpfen.

Doch die Freude auf dem Fest währt nicht lange, denn schon nach kurzer Zeit überfallen Mort Eisenhand und seine untote Piratenbande das Dorf und rauben die ganzen Irrlichter. Kai überlebt nur, weil ihn der Elf Fi und die unheimliche und vermummte Dystariel aus den Klauen der Piraten retten. Doch als der Irrlichtfänger nach Hause eilt, um seine Großmutter zu retten, muss er feststellen, dass er zu spät, kommt denn sie wurde bereits von den Piraten getötet.

Beim anschließenden Kampf mit den Unholden kommt es zu merkwürdigen Ereignissen, die Fi und Dystariel veranlassen, Kai mit nach Hammaburg zu nehmen. Dort wird er zum berühmten Däumlingszauberer Eulertin gebracht, der den jungen Kai als seinen Zauberlehrling unter seine Fittiche nimmt. Auch in Hammaburg werden immer mehr Irrlichter geraubt. Was haben Mort Eisenhand und seine Komplizen nur mit den ganzen Irrlichtern vor, fragen sich Kai und Eulertin. Doch neben der harten Magierausbildung findet Kai etwas über eine Prophezeiung heraus, in der er eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen Morgoya spielen soll …

_Autor_

Thomas Finn wurde 1967 in Chicago geboren. Er war Chefredakteur eines großen Phantastik-Magazins sowie Lektor und Dramaturg in einem Drehbuch- und Theaterverlag. Bereits seit Jahren lebt und arbeitet der preisgekrönte Roman-, Drehbuch- und Theaterautor in Hamburg. Bekannt wurde er besonders wegen seiner |Gezeitenwelt|-Romane sowie einiger Rollenspiel-Publikationen für die Spiele „Das Schwarze Auge“ sowie „Plüsch, Power und Plunder“ und durch den Zeitreiseroman [„Der Funke des Chronos“. 2239

_Mein Eindruck_

Thomas Finn bleibt seiner Heimatstadt also treu. Nachdem er die Leser in seinem letzten Roman „Der Funke des Chronos“ ins Hamburg von 1843 entführt hat, lässt er sie diesmal nach Hammaburg, der Fantasy-Ausgabe von Hamburg, reisen. In der Welt von „Das unendliche Licht“ gibt es aber auch noch einige andere Städte und Länder, bei denen man leicht ein irdisches Äquivalent wiedererkennt, sei es die Insel der bösen Nebelhexe Morgoya, die Albion heißt (England), das von Kobolden bevölkerte Colona (passt irgendwie zu Köln) oder etwa die Schwarzen Wälder.

Dadurch erreicht Finn, dass sich der Leser gleich zu Beginn perfekt in die neue Fantasywelt einlesen kann, ohne vorher seitenlange Landschaftsbeschreibungen oder Geographieabhandlungen zu lesen, wie etwa bei J.R.R. Tolkien. Doch ist diese Welt natürlich nur geographisch unserer ähnlich, denn sie ist durch und durch mit Magie durchzogen. Ein Zitat aus dem Buch von Magister Eulertin trifft hier den Nagel auf den Kopf: „Die Magie ist es, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Neben den Menschen bevölkern aber auch noch viele andere Lebewesen wie Elfen Zwerge, Feen, Klabauter, Kobolde, Däumlinge, Poltergeister, sprechende Tiere und noch so einiges Andere mehr die Welt des „unendlichen Lichtes“.

Dies alles verwebt Finn gekonnt zu einem enorm stimmungsvollen Mix, der nie Langeweile aufkommen lässt und einfach fesselt. Der Schreibstil ist einfach, aber prägnant und zudem äußerst bildhaft. Dadurch ist der Roman so konzipiert, dass er sowohl den Fans „klassischer“ Fantasy als auch jugendlichen Lesern und Anhängern eines anderen bekannten Zauberlehrlings gefallen dürfte. Dass der Roman als Jugendroman deklariert wird, ist sicherlich einerseits richtig, doch andererseits könnte so ein falscher Eindruck entstehen, der die ältere Käuferschicht abschreckt. Daher würde ich ihn einfach allgemein als Fantasy bezeichnen. Wie dem auch sei, Etikettierungen sind immer mühselig und diskussionswürdig.

Mit der bösen Hexe Morgoya gibt es ähnlich wie beim „Herr der Ringe“ einen klaren Antagonisten, der aber in diesem Band nur am Rande erwähnt wird und nicht aktiv vorkommt. Sie wird wohl erst in den beiden folgenden Bänden der Trilogie auftauchen. An deren Stelle spielen zuerst Mort Eisenhand nebst Komplizen die Bösewichte.

Doch eigentlich sind nicht die Feinde von Kai das Problem, sondern er selbst: Da er als nicht ausgebildeter Magier seine magischen Energien nicht kanalisieren kann, drohen sie ihn zu übernehmen, so dass er quasi selber böse würde. Das macht den Protagonisten menschlicher, man kann sich besser mit ihm identifizieren. Außerdem finde ich Finns Idee dazu, was mit nicht ausgebildeten Zauberern passieren kann, äußerst ansprechend.

Neben Kai sind es aber vor allem die anderen Figuren des Romans, die ihn so lesenswert machen. Indem immer wieder neue Figuren auftauchen, nimmt „Das unendliche Licht“ richtig Fahrt auf und bietet eine Menge Abwechslung. Besonders gut gefällt mir, dass der mächtigste bekannte Magier Magister Thaddäus Eulertin ein Däumling ist. Irgendwie ist der Gedanke, dass jemand so Kleines ein mächtiger Magier ist, schon abgefahren, oder? Die dahinter stehende Message ist jedenfalls eindeutig: „Länge ist nicht Größe“. Mal ganz davon abgesehen, dass man sich so beim Lesen automatisch mal mit einer anderen Perspektive befasst.

Aber auch die anderen Charaktere sind liebevoll dargestellt und regen immer wieder zum Schmunzeln an. So hätte der Klabautermann Koggs mit seinem vielen Seemansgarn sicher auch sein eigenes Buch verdient gehabt, sozusagen als Fantasy-Äquivalent von Käptn Blaubär oder Baron Münchhausen. Damit möchte ich nur verdeutlichen, wie viele interessante Ideen in diesem Roman stecken. Und ich könnte noch viele weitere aufzählen.

Zudem merkt man, dass sich Finn wirklich Mühe gibt, seinen Figuren ein richtiges Gesicht zu geben und sie nicht zu Füllmaterial für einen Protagonisten verkommen lässt, wie so manch anderer seiner Kollegen. Die Handlung im Allgemeinen ist spannend und beinhaltet einige unvorhergesehene Wendungen, die extrem fesseln, so dass es enorm schwer fällt, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Besonders Kais Ausbildung zum Magier und seine Streifzuge durch Eulertins bringen uns immer wieder zum Lachen.

Was sofort ins Auge sticht, ist die sehr gelungene Umschlaggestaltung: Passender und stimmiger kann als hier geht es wohl kaum. Das verwendete Papier ist ebenfalls von sehr ansprechender Qualität – rundum top!

_Fazit:_ „Das unendliche Licht“ hat alles, was ein hervorragender Fantasyroman benötigt: tolle Charaktere, ein gelungenes Setting und jede Menge Spannung, so dass er uneingeschränkt zu empfehlen ist. Mit dieser Reihe dürfte sich Thomas Finn endgültig in der Riege der großen deutschen Genreautoren etablieren. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die zwei Fortsetzungen!

[Unser Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59
[„Der Funke des Chronos“ 2239
[„Das Greifenopfer“ 1849
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Sara Douglass – Steinwandler, Der (Die Macht der Pyramide 2)

Buch 1: [„Die Glaszauberin“ 1811

Es ist so weit: Die Pyramide ist fertiggestellt! Zur Mittagsstunde wird die Sonne die Kammer der Unendlichkeit mit Licht fluten und das Tor öffnen, das den Magiern den Zugriff auf die Macht der Eins ermöglichen und damit Unsterblichkeit verleihen wird. Aber es kommt alles ganz anders! Die Präsenz, die von der Pyramide und damit von der Macht Besitz ergreift, nennt sich Nzame und unterwirft augenblicklich all jene, die so sehr nach Macht und Unsterblichkeit gegiert haben, allen voran die Magier und Chad Nezzar, den Herrscher von Ashdod.

Nur ein Bruchteil der Menschen, die diese Katastrophe miterlebten, konnte ihr entgehen, darunter Tirzah, Isphet, Yaqob, Boaz‘ Leibwächter Kiamet und Boaz selbst. Nun sind sie unter der Führung von Chad Nezzars Sohn Zabrze auf dem Weg nach Süden. Sie wollen die Heimat von Isphet erreichen, der Glasarbeiterin, in deren Werkstatt Tirzah als Sklavin gearbeitet hat. Von dort erhoffen sie sich Hilfe im Kampf gegen Nzame, der seine Macht täglich ausweitet und alles in seiner Reichweite zu Stein werden lässt. Tatsächlich werden dort einige der Elementisten zu Elementenmeistern ausgebildet, darunter Tirzah. Aber um Nzame zu besiegen, müssen sie die Bedeutung des Lieds der Frösche erkennen, und das ist nur jemandem möglich, der sowohl Elementenmeister als auch Magier ist. Der einzige Elementenmeister, der die Magie der Eins beherrscht, ist Boaz …

Bereits in „Die Glaszauberin“ war der Zwiespalt in Boaz‘ Charakter deutlich spürbar. Die Geschehnisse, die das Einsetzen des Schlusssteins begleiten, brechen schließlich die Herrschaft des Magiers über den Mann und lassen Boaz umkippen. Jetzt kämpft er zusammen mit den rebellischen Sklaven und Teilen von Chad Nezzars Armee gegen Nzame. Schuldgefühle und gelegentliche Andeutungen von Humor sowie seine Liebe zu Tirzah lassen ihn in diesem Band wesentlich menschlicher erscheinen als im ersten.

Der aufbrausende Yaqob will den Seitenwechsel zunächst nicht glauben und rammt Boaz ein Schwert in den Bauch. Tirzahs Entsetzen darüber, ihre Angst und ihr Kampf um Boaz‘ Leben zeigen ihm jedoch nur zu bald, dass er sie längst verloren hat. Dass Tirzah es ihm nicht früher gesagt hat, kränkt ihn tief. Zu meinem Erstaunen jedoch akzeptiert er sowohl Tirzahs Entscheidung als auch Boaz als neuen Verbündeten. Die deutliche spürbare Bitterkeit in seinem Verhalten verhindert dabei, dass die Entwicklung ins Unglaubwürdige abgleitet.

Tirzahs Charakter zeigt eher Stetigkeit als Entwicklung. Der Kampf gegen Nzame setzt Tirzah einer neuerlichen Zerreißprobe aus, denn sie droht nicht nur ihren Mann, sondern auch ihr ungeborenes Kind zu verlieren. Dennoch klammert sie sich an das Leben ihres Babys mit derselben Unbeirrbarkeit, mit der sie sich auch an ihr eigenes Leben geklammert hat. Und an den Mann, der sich hinter der Mauer des Magiers verschanzt hatte.

Obwohl die Macht, gegen die es zu kämpfen gilt, inzwischen einen Namen trägt, wird sie nicht detaillierter ausgearbeitet. Sie bleibt eine vage, fast unbekannte Wesenheit, was im Grunde nur logisch ist, da sie aus einer anderen, fremdartigen Dimension stammt. Es genügt, dass sie unendlich blutgierig und machthungrig ist, grausam und boshaft.

Erstaunlich, dass ein Wesen, dem seine eigene Macht sowie die der Eins zur Verfügung steht, keine wirksameren Waffen als die klobigen Steinkrieger zustande bringt, die von den Soldaten Zabrzes ohne große Schwierigkeiten überwunden werden können, einfach indem man sie umwirft! Zwar bezeichnet Nzame in Tirzahs Träumen die Steinmänner als nur einen Bruchteil seiner Macht, erstaunlicherweise setzt er die Reste derselben aber kaum ein. Lediglich an Zabrzes Kindern vergreift er sich auf grausame Weise, um Zabrze zu zermürben. Wirklich aufhalten aber kann er damit niemanden, weder den König noch Boaz und seine Gefährten.

Überhaupt hatte ich das Gefühl, der Kampf gegen Nzame ginge fast ein wenig zu glatt vonstatten. Nicht nur die Steinmänner wurden relativ problemlos besiegt. Auch Zabrzes Tochter Layla wurde recht schnell befreit. Am erstaunlichsten fand ich jedoch, dass Nzame Boaz die Pyramide betreten ließ! Er hatte solche Angst vor Boaz, dass er Tirzah mit den grausamsten Alpträumen quälte, nur damit sie Boaz davon abhielt, den Kampf gegen Nzame aufzunehmen. Wenn die Gefahr für ihn so groß war, dann hätte ich erwartet, dass er außerdem auch noch ein paar handfestere Maßnahmen ergreifen würde! Dass er versuchen würde, die Elementenmeister und ihr Heer um jeden Preis von der Pyramide fernzuhalten! Aber nichts dergleichen!

Insgesamt gesehen wird Nzame zwar der Bosheit und Grausamkeit gerecht, die von Anfang an angedeutet wird, nicht aber dem Machtumfang, den er eigentlich haben sollte, und blieb damit doch ein wenig hinter den Erwartungen zurück, die beim Bau der Pyramide geweckt wurden.

Sara Douglass‘ Darstellungen von Schlachten und kämpfen wirken generell eher unspektakulär. Hier fällt der Endkampf sogar komplett weg! Die Geschichte ist in der Ich-Form aus Tirzahs Sicht erzählt, den eigentlichen Kampf gegen Nzame jedoch ficht Boaz aus. Da Tirzah nicht dabei ist, erfährt der Leser dazu auch keine Einzelheiten, lediglich die äußerlichen Veränderungen an der Pyramide werden festgestellt. Vielleicht sollten die nachfolgenden Komplikationen für diese doch recht lapidare Beschreibung eines Ereignisses, das eigentlich erwartungsgemäß ein Höhepunkt sein sollte, ein wenig entschädigen. Allerdings geht die Autorin auch hier nicht weiter ins Detail. Wer oder was die magische Froschin Fetizza eigentlich ist, und wie Tirzah eigentlich ihren Boaz aus dem Grenzland zwischen ihrer Welt und der Zuflucht im Jenseits herausgeholt hat, wird nicht erklärt. Auch die Funkionsweise des Froschkelches und des Buches der Soulenai bleibt unscharf.

Das ist durchaus ein Manko. Boaz‘ Zwiespalt, der einen Großteil des Flairs im ersten Band ausmachte, fällt im zweiten Band gleich zu Anfang weg. An innerer Handlung bleibt hauptsächlich Tirzahs Seelenqual angesichts der drohenden Verluste übrig. Somit wird die Geschichte nun vor allem vom Handlungsverlauf getragen. Dadurch fallen die Defizite, die problemlose Lösung der gestellten Aufgaben und die ziemlich nebulöse Ausarbeitung der magischen Elemente, stärker ins Gewicht und lassen diesen Teil der Erzählung schwächeln.

Weit störender als diese Schwachstellen empfand ich allerdings die Tatsache, dass das Buch überhaupt in zwei Teile gehackt wurde. Schon das abrupte Ende des ersten Bandes war ausgesprochen lästig. Der Neueinstieg in die Erzählung dagegen war schlicht unmöglich! Im ganzen Buch gibt es kaum eine ungeeignetere Stelle, um die Handlung zu unterbrechen, als die, die der Verlag gewählt hat! Der Leser wird gleich zu Anfang des zweiten Bandes in ein Chaos hineingeworfen. Die Ereignisse überstürzen sich, Charaktere sind im Umbruch, die Verhältnisse der Charaktere zueinander verschieben sich. Der Leser hat keine Gelegenheit, sich erst einmal wieder in die Situation und die Personen hineinzudenken, die er vor acht(!) Monaten verlassen hat. Er wird einfach überrollt!

Diese ganze Sache war nicht nur überflüssig, sie war kompletter Murks! Ich empfehle deshalb allen Interessenten, die „Glaszauberin“ und den „Steinwandler“ unmittelbar hintereinander zu lesen. Die einzige Alternative dazu ist, die Geschichte im englischen Original zu lesen. Da ist es nämlich nur |ein| Buch! Möglicherweise rettet der Zusammenhang in der Lektüre auch das Flair aus dem ersten Teil ein Stück weit in den zweiten hinüber und schwächt dadurch die kleinen Mankos ein wenig ab. Denn wenn „Tresholder“ (Originaltitel des Gesamtwerkes) auch nicht so akribisch auf- und ausgebaut ist wie der |Weltenbaumzyklus|, so hat er doch seinen ganz eigenen Zauber.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres Weltenbaum-Zyklus stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem Weltenbaumzyklus und „Tresholder“ schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten. Im März erschien unter dem Titel „Die sterblichen Götter Tencendors“ auch der erste Band der |Wayfarer Redemption|, der Fortsetzung des Weltenbaumzyklus, auf Deutsch. Der zweite Teil „Die Wächter der Zeiten“ ist für September dieses Jahres angekündigt. In der Zwischenzeit schreibt die Autorin an ihrem neuen Zyklus |Darkglass Mountain|.

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_Sara Douglass bei |Buchwurm.info|:_
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[Sternenströmers Lied 580 (Unter dem Weltenbaum 2)
[Tanz der Sterne 585 (Unter dem Weltenbaum 3)
[Der Sternenhüter 590 (Unter dem Weltenbaum 4)
[Das Vermächtnis der Sternenbraut 599 (Unter dem Weltenbaum 5)
[Die Göttin des Sternentanzes 604 (Unter dem Weltenbaum 6)
[Der Herr des Traumreichs 1037
[Die Glaszauberin 1811 (Die Macht der Pyramide 1)

Robert A. Heinlein – Die Invasion

Vom sechsten Mond des Saturn wollen schleimige Parasiten, die ihre Opfer übers Rückenmark ‚fernsteuern‘, die Erde erobern. Wackere US-Agenten sagen ihnen den Kampf an und setzen schließlich zum Gegenschlag im All an … – SF-Klassiker, der vor kaum verhohlener Invasions-Paranoia aus der Ära des Kalten Krieges nur so trieft. Ansonsten ein merkwürdig sprunghafter, d. h. spannender aber absolut unlogischer Reißer, der nostalgisch amüsiert und mit einigen guten Detaileinfällen unterhalten kann.
Robert A. Heinlein – Die Invasion weiterlesen

Martinez, A. Lee – Diner des Grauens

_Umtriebiger Nachwuchs …_

… hat das Licht der Bücherwelt erblickt in den Reihen zwerchfellkitzelnder Phantasten: A. Lee Martinez, ein 33-jähriger Bursche aus Texas, verbeugt sich vor der Komikergilde um Asprin, Pratchett, Rankin, Adams und Co. und hat mit „Diner des Grauens“ einen locker-flockigen Horrorspaß aus seiner Feder gewrungen. Ob er die Eminenzen von ihrem Gelächter-Thron stoßen wird, bleibt fraglich, der Unterhaltungswert dieses Debüts ist es nicht:

_Willkommen im |Gil´s all Fright Diner|!_

Zunächst: Man möge dem Klappentext der deutschen Ausgabe nicht allzu großen Wert beimessen, spricht er doch von Earl als dem „coolsten Vampir“ und von Duke als dem „fettesten Werwolf“ aller Zeiten. Nun, Earl wäre darüber sicherlich sehr geschmeichelt. Er würde sich durch die vampirischen Geheimratsecken fahren und sich freuen, dass er einmal nicht als weinerliche, hochneurotische Vampirnervensäge bezeichnet wurde. Duke allerdings würde dem Verfasser via eingeschlagenem Schädel klarmachen, dass sich eine riesenhafte, jähzornige Kampfmaschine mit unmenschlichen Kräften eben ungern als „fettester Werwolf“ bezeichnen lässt.

Besagtes Pärchen jedenfalls schaukelt mit einem rostigen Pickup durch die Wüsten von Amerika, um schließlich im |Gil´s all Fright Diner| abzusteigen. Wie das Schicksal so will, kommt eine Meute Zombies zur gleichen Zeit auf die gleiche Idee, und ein paar beschäftigungsreiche Augenblicke später bekommen die beiden von Bardame Loretta einen Job, gleich nachdem sie diverse Zombieüberreste vor die Tür gefegt hat.

Das Städtchen Rockwood hat nämlich schon seit längerem unter derartigen Heimsuchungen zu leiden, nicht erst, seit Gil, der ursprüngliche Besitzer des Diners, spurlos verschwunden ist. Also greifen Earl und Duke der beleibten Loretta unter die Arme und stellen fest, dass Rockwood ein wahrer Magnet für übernatürliche Unbilden zu sein scheint. Bald schon finden sie den Grund dafür heraus …

_Zwerchfell- und Nervenkitzel in einem._

Wie das immer so ist, mit „Sensationsromanen“ und mit Werken, denen man „den größten Spaß seit Douglas Adams“ attestiert; die heraufbeschworenen Erwartungen bleiben auf der Strecke. So auch beim „Diner des Grauens“. Aber auch wenn das kein „Sensationsroman“ ist, ist es doch ein wunderbar unterhaltsamer Zeitvertreib, bei dem man mal an den Nägeln kaut, sich mal den Bauch hält, und dann plötzlich erschrocken feststellt, dass man schon am Ende angelangt ist.

Es macht einfach Spaß, die beiden Protagonisten bei ihrem skurrilen Abenteuer zu begleiten: Earl ist ein weinerlicher, empfindlicher Feigling, der sich den ganzen Tag mit Duke in den Haaren liegt. Duke hingegen hat für alles, wenn er denn mal spricht, nur staubtrockene Kommentare übrig und legt ansonsten einen äußerst werwölfigen Aktionismus an den Tag. Kompliziert (und hoch amüsant) wird es, als sich Earl in eine Geisterdame verliebt (und diese Peinlichkeit unbedingt vor Duke verbergen möchte), und als Duke sich gegen die Annäherungen einer attraktiven Teenagerin wehren muss, obwohl ihm das Tier im Manne ganz Anderes schmackhaft macht. Als ob sie mit dem Geheimnis um den verschwundenen Gil und seinen Horror-Diner nicht schon genug um die Ohren hätten …

Die Story an sich gießt ganze Kellen an Spott über die Konventionen des Horror-Genres aus: Da beklagt Earl sich bitterlich, dass ihm den ganzen Tag pubertäre Mädels an die Wäsche wollten, weil das die Ausstrahlung von Vampiren nun mal so mit sich bringe, und er leidet unter riesigen Minderwertigkeitskomplexen, da die Medien unerfüllbare Erwartungen an untote Liebhaber stellen. Es gibt Protoplasma-pinkelnde Geisterhunde, einen sturen Magic-Eight-Ball, der sich nur mit Bonanza zu einer Antwort bestechen lässt, Ghouls, die sich Komplimente machen, während sie auf den tödlichen Sonnenaufgang warten, Beschwörungen in pubertärer Silben-Geheimsprache, und dergleichen mehr, das der Leser wohl besser selbst entdecken sollte.

_Wildwasserfahrt im Comicpark._

Die Figuren sind Comic-Figuren mit Leib und Seele. Keine ihrer Anwandlungen hat etwas Natürliches an sich, alles ist überspitzt und überdreht, aber Tiefe besitzen sie trotzdem. Earl und Duke beispielsweise; es gibt eine Geschichte, wie sie sich getroffen haben, warum sie zusammenhalten und wie sie mit ihrem Schicksal allgemein klarkommen. Aber auch die Nebenfiguren aus Rockwood haben, für ein Comic-Universum, glaubwürdige Motive.

Und diese Motive verknüpfen sich überhaupt erst zu der gesamten Story: Durch den Klappentext erwartet man eigentlich eine Ansammlung unsinniger Skurrilitäten, die mit einem losen Handlungsfaden aneinandergeknüpft wurden, aber das ist im „Diner des Grauens“ überhaupt nicht der Fall. Alles hat seinen Grund: Warum der alte Gil aus seinem Diner verschwunden ist, warum plötzlich Zombie-Kühe auftauchen, warum es ausgerechnet einen Vampir und einen Werwolf an diesen Ort verschlägt. All das steigert sich zu einem Showdown, der nicht nur in sich schlüssig ist, sondern auch spannend, und der an seinem Ende keine offenen Fragen hinterlässt.

Pluspunkte gibt es außerdem für Tammy: Die Antagonistin ist eine hübsche Achtzehnjährige, ein typischer Vamp, die jeden Typen genau in die Richtung manipuliert, in die sie ihn haben möchte, obwohl der Verhexte genau weiß, dass er damit in das offene Messer rennt. Standard eigentlich, so sehr, dass man fast schon von archetypisch sprechen könnte, aber Martinez hat die Verführkünste seiner Gegenspielerin derart lebensecht und spürbar in Szene gesetzt, dass der Verfasser dieser Zeilen zugegebenermaßen recht kribblig geworden ist, das eine oder andere Mal …

_Schmackhaftes Desert nach schweren Gängen._

Nein, es bleiben kaum Wünsche offen nach dem Besuch von Gil’s Diner. Natürlich, um Hochliteratur handelt es sich dabei nicht, aber für einen luftigen Snack nach allzu schwerer Kost taugt es allemal. Zwar erreicht Martinez keinesfalls den Ideenreichtum eines Douglas Adams oder eines jungen Terry Pratchett, und auch ist „Diner des Grauens“ nicht so ausgeklügelt und augenzwinkernd wendungsreich wie die Dämonen-Abenteuer von Robert Asprin. Aber für einen Einstand in das Genre hat sich der junge Texaner hervorragend geschlagen.

Und, um den Brückenschlag zur einleitend erwähnten Umtriebigkeit zu vollführen: Martinez ruht sich auf diesen Lorbeeren keineswegs aus. Im August dieses Jahres wird sich „In the Company of Ogres“ zur Aufgabe machen, das Fantasy-Genre zu verhöhnen, „The Nameless Witch“ ist schon fertig verfasst und befindet sich in der Korrekturphase, während sich Agent und Verleger von Martinez schon über „Nessys Castle“ beugen, und über „Automatic Detective“, eine Verballhornung des Noir-Krimis mit „Robotern, Mutanten und anderem coolen Zeug“. Ob Martinez seinen Horizont erweitern wird? Oder ob er in Pratchett’sches Gag-Recycling verfallen wird? Ob er sein Pulver schon verschossen hat, oder ob er gerade mal anfängt, warm zu werden? Keine Ahnung. Seine Chance hat er sich jedenfalls mit dem „Diner des Grauens“ verdient!

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