Archiv der Kategorie: Rezensionen

Nancy Kilpatrick – Todessehnsucht

Ein Vampir tut sich mit einer Prostituierten zusammen, um einen mysteriösen Finsterling zu bekämpfen. Während dies mit den üblichen Schwierigkeiten – gegnerische Übermacht, Todesfallen, hinterhältige Mordattacken etc. – einhergeht, kommen sich Nosferatu und Frau näher, was der Autorin die Gelegenheit zur schmalzvollen Schilderung ‚gotischer‘ Sexkapaden gibt. Die leicht gegen den Gruselstrich gebürstete Figurenzeichnung hebt den routiniert geschriebenen Roman ein (kleines) Stück über den Genre-Durchschnitt.
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Clemens, James – Buch der Entscheidung, Das (Alasea / Banned and the Banished 5)

[Das Buch des Feuers 969
[Das Buch des Sturms 996
[Das Buch der Rache 1007
[Das Buch der Prophezeiung 1775

Die Expeditionen, die im vierten Band ausgezogen waren, um die Wehrtore des Greifen, des Basilisken und des Mantikor zu zerstören, haben ihre Aufträge erfüllt. Allerdings nicht, ohne einen hohen Preis zu bezahlen! Die El’ven haben ihre Königin und ihre Heimat in den Wolken verloren. Das Volk ist versprengt, und Merik kann nur einen Teil der Windschiffe wieder um sich versammeln. Der Kampf gegen den Greifen hat Mikelas und Krals Leben gefordert. Ferndals und Mogwieds Körper wurden zu einem gemeinsamen zusammengeschmolzen, den sie sich nun teilen müssen. Am schlimmsten jedoch hat es Elenas Bruder Joach getroffen. Er wurde nicht nur von Greschym seiner Jugend beraubt, er hat auch Kesla verloren, in die er sich verliebt hatte.

Nun bereiten sich die Verbündeten auf den Endkampf mit dem „schwarzen Herzen“ vor. Im nächsten Frühjahr wollen sie angreifen. Da platzt ein kleiner, blasser Mann im Narrenkostüm in eine Beratung und erklärt, dass sie nur noch einen Monat Zeit haben!

Dazu kommt eine Hiobsbotschaft von Merik: Ein Windschiff ist abgestürzt, und Kast und Saag’wan haben im Rumpf Eier aus Schwarzstein entdeckt! Daraufhin setzt geschäftiges Treiben ein. Die Strategen planen den Angriff auf Schwarzhall, Saag’wan und die Gelehrten A’loatals versuchen, das Geheimnis des Eis zu lösen. Sie beschließen, es zu öffnen. Ein folgenschwerer Fehler …

Währenddessen sind Elena, Er’ril, Joach, Merrik und Ni’lahn im Hof versammelt und beobachten, wie Ni’lahns Sohn Rodricko für seinen Baum das Erweckunslied singt. Gleichzeitig ist Greschym am Mondsee, einem magischen Ort, damit beschäftigt, seinen Knochenstab mit Elementarmagie aufzuladen.
Zwischen beiden Ereignissen entsteht eine Energiebrücke, die sämtliche Anwesenden außer Rodricko aus dem Garten zum Mondsee katapultiert, mit verheerender Wirkung für den See und seine Umgebung. Die Si’lura, die in diesem Teil der Wälder leben, sind darüber äußerst aufgebracht und nehmen die Gefährten gefangen …

Tol’chuk ist derweil mit Ferndal, Mogwied, Mama Freda und El’ven Kapitän Jerrick auf dem Weg in seine Heimat, um den geheilten Herzstein zurückzubringen. Bei ihrer Ankunft müssen sie feststellen, dass einer der Oger-Stämme unter einem unheilvollen Einfluss zu stehen scheint …

Und zu allem Übel ist die Zwergenarmee, die eigentlich auf dem Landweg nach Schwarzhall marschieren sollte, aus irgendeinem Grund nicht mehr aufzufinden. Als Tyrus sie endlich entdeckt, trifft ihn fast der Schlag!

Im letzten Band seines „Hexenzyklus“ kommt Clemens noch einmal richtig auf Touren. Schon den gesamten Zyklus über standen seine Protagonisten unter Druck. Den hat der Autor im letzten Band nochmal um eine Stufe erhöht, indem er der Gruppe kaum noch Zeit lässt und sie so zu überstürztem Handeln zwingt. Abgesehen davon müssen die Verbündeten sich jeden Fußbreit hart erkämpfen. Immer wieder zwingen unvorhergesehene Ereignisse dazu, in eine andere Richtung auszuweichen. Kaum ist eine Schwierigkeit überwunden, kommt schon die nächste daher!

Das zähe Ringen um jeden Zentimeter Boden wird in diesem Band für den Leser besonders hautnah. Clemens erlaubt seinen Charakteren so viele Gefühlsäußerungen wie nie zuvor. Besonders Elena bricht unter ihrer Angst und der Last der Verantwortung fast zusammen. Zudem hat er im Laufe der Ereignisse eine Menge Pärchen zueinander finden lassen: allen voran natürlich Elena und Er’ril sowie Cassa Dar und Jaston, Saag’wan und Kast, Merrik und Ni’lahn, Mama Freda und Jerrick …

Jetzt, wo es ums Ganze geht, konfrontiert der Autor seine Leser gnadenlos mit der Sorge dieser Personen um den/die jeweiligen Geliebten, mit Angst, Verlust und Schmerz. Auch die ständigen Hinweise auf Verwüstung und Zerstörung, die Ausführungen, die mit Schwarzhall und dem Krater in Wintershorst zusammenhängen, Svesa’kofas Mitteilung an Elena, das alles dient dazu, die Stimmung immer düsterer und unheilschwangerer zu gestalten. Außerdem droht noch immer Verrat aus den eigenen Reihen!

Trotz der vielen Stolpersteine und Umwege bleibt der vage Eindruck eines Hindernisrennens, der dem Vorgängerband anhaftete, aus. Das mag daran liegen, dass der Aufbau bei diesem letzten Bandes wesentlich komplexer geraten ist als beim vierten. Die verschiedenen Handlungsstänge laufen nicht einfach parallel zueinander, sondern es teilen sich Fasern ab, um sich mit anderen Strängen zu verbinden, oder es treffen sich Stränge, um fortan gemeinsam zu verlaufen, wobei die Bündelung zum Ende hin natürlich stetig zunimmt. Zudem ist Clemens wieder zu seiner Gewohnheit zurückgekehrt, Handlungsstränge immer gerade an den heikelsten Stellen zu unterbrechen.

Zusätzlich zu dem Aufwand, den die Zusammenführung aller Fäden bedeutet, hat Clemens auch noch einige neue Ideen in seine Erzählung einfließen lassen, darunter der Nexus und der Stein-Magus. Das Auftauchen des Letzteren wirkte ein wenig aufgesetzt, so als käme er überhaupt nur deshalb vor, weil er für die weitere Entwicklung unabdingbar ist. Eine oder zwei Erwähnungen am Rand zu einem früheren Zeitpunkt hätten die Begegnung etwas natürlicher wirken lassen.

Was mich überrascht hat, war, dass das „schwarze Herz“ die Information, die es von Mogwied erhalten hat, offenbar nicht einmal versucht hat zu nutzen. Hier ist ein Fadenende einfach verschütt gegangen.
Die Kurve, die die Diskrepanz zwischen Geschichte und Rahmen überbrückt, hat Clemens recht elegant genommen. Nur verstehe ich nicht: Warum ist die Geheimhaltung von Elenas Geschichte noch wichtig, wenn der Hexenstern am verlöschen ist und damit die Gleichheit der Menschen ohnehin aufgehoben wird?
Ein paar kleine Wermutstropfen, die im Hinblick auf die Gesamtheit des Zyklus aber nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.

Abschließend bleibt zu sagen, dass |Banned and the Bannished| zum Spannendsten gehörte, was ich in den letzten zwölf Monaten gelesen habe. Manches war für meinen Geschmack dann doch etwas zu abstoßend oder blutig, abgesehen davon jedoch ist es eine gute und fantasievolle Geschichte, die von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Für jeden, der weniger zart besaitet ist als ich und viel für Action übrig hat, nur zu empfehlen!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Canada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Kalifornien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause kam im Juli 2005 der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ heraus. Die deutsche Übersetzung erschien im September unter dem Titel [„Schattenritter“. 1794 Derzeit schreibt der Autor am zweiten Band dieses Zyklus, dessen Veröffentlichung unter dem Titel „Hinterland“ für dieses Jahr geplant ist.

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Gerald Axelrod / Liane Angelico – Die Nacht des Blutmondes

Wer kennt dieses Gefühl nicht? Man betrachtet mit relativ emotionslosem Interesse ein historisches Gebäude, und plötzlich, von einem bestimmten Standpunkt aus, ergibt sich ein majestätischer Eindruck. Oder man spaziert unter einem alten Gewölbe entlang und verspürt unerwartet etwas Unheimliches. Und die Standbilder der Helden, Heiligen und Dämonen scheinen irgendwie zu leben.

Die Bilder

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Swofford, Anthony – Jarhead

In seinem dreihundert Seiten zählenden Buch „Jarhead“ befasst sich Anthony Swofford mit seiner eigenen Lebensgeschichte. Swofford war als Scharfschütze im ersten (oder zweiten, je nach Zählung) Irakkrieg eingesetzt. Allerdings weist der Autor direkt zu Beginn darauf hin, dass er seine Erlebnisse solcherart schildert, wie sie ihm im Gedächtnis geblieben sind, und dabei gegebenenfalls von offiziellen Berichten über den Krieg abweichen kann. Und auch wenn er einzelne Namen und biografische Hintergründe seiner Kameraden und anderer Mitmenschen verändert hat, so bleibt es seine Geschichte.

Diese Geschichte beginnt mit dem nicht mehr im Dienst befindlichen Ex-Marine Anthony Swofford, der seinen alten Armeerucksack aus dem Irakkrieg im Keller seines Hauses durchstöbert, auf der Suche nach Erinnerung und Antworten. Von diesem Punkt ausgehend, breitet der Autor seine Lebensgeschichte vor dem Leser aus. Dabei ist die Erzählweise nicht linear aufgebaut; bisweilen springt die Darstellung zwischen verschiedenen Orten, Zeiten und Handlungssträngen hin und her, ohne dadurch jedoch wirklich unübersichtlich zu werden. Es ist vielmehr so, dass diese Art des Berichtens die Geschichte belebt und dem Leser den Eindruck vermittelt, einen wirklichen Einblick in das Seelenleben des Ich-Erzählers zu gewinnen. Swofford berichtet von seiner Grundausbildung, von seiner Familie, von Frauengeschichten, von zotigen Ereignissen und vor allem von seinem Einsatz im Irakkrieg. Es ist sein Leben, das er offenbart. Und sein Leben ist, wie sich zeigen soll, auf eine dunkle und beklemmende Weise von den Erfahrungen des Krieges geprägt.

Der Erzähler ist ein faszinierend komplexer Charakter, der stets auf der Suche ist; wenngleich er auch manchmal selbst nicht zu wissen scheint, was er sucht. Er pendelt zwischen Extremen, zwischen Selbstmord und dem Verlangen, Andere zu töten, zwischen der Berauschtheit des Augenblicks und dem stetigen Horror des Krieges, zwischen Langeweile und schrecklichem Erwachen. Aber gerade das ist es, was die innere Zerrissenheit und die schrittweise emotionale Verkümmerung des Gefühlslebens dieses Soldaten so plastisch macht. Er ist kein Held und will es auch nicht sein. Er will überleben. Er hört auf, die Lügen zu glauben, die ihm und seinen Kameraden immer wieder aufgetischt werden. |“Und an diesem Punkt wissen wir alle, dass das Ergebnis dieses Krieges für uns – die Männer, die kämpfen und sterben – weniger wichtig ist als für die alten weißen Knacker und die anderen Leute, die Milliarden von Dollar auf den Ölfeldern gewinnen oder verlieren können, auf den großen, mächtigen, sprudelnden Ölfeldern des Königreichs Saudi-Arabien.“|

Der Leser begleitet Swofford auf eine Reise durch die Abgründe seiner Psyche. Auch wenn der Erzähler durch Landschaften voller Leichen marschiert und immer wieder, den Tod vor Augen, Furcht in den Knochen verspürt, so hört er doch nicht auf hinzuschauen. Er beobachtet, er hinterfragt, er verzweifelt. Das ist es, woran der Leser teilhaben darf. |“Ich weine, und ich höre meine Freunde schreien, die Männer, die ich gern habe, und ich weiß, dass wir dieses verrückte Geschrei bald mit nach Hause nehmen werden, aber dass niemand uns zuhören wird, weil alle das Geschrei des Sieges hören wollen.“|

„Jarhead“ ist ein fesselndes Buch. Es ist extrem, in vielerlei Hinsicht. Es ruft entweder eindeutig positive oder wütende Resonanzen hervor. Swofford verheimlicht nicht seine Haltung zum Krieg und zu der Chimäre, die er aus den Menschen macht. Sein Hauptcharakter ist tragisch, intelligent und doch zugleich dumm, wie der Autor selbst zugibt. Er verheimlicht auch nicht seine Ablehnung gegenüber der Bush-Administration und deren streitbaren Beweggründen. Viele Reaktionen, die man in Bezug auf das Buch oder auch auf den inzwischen erschienenen Film vernimmt, basieren vor allem auf der entsprechenden politischen Einstellung des Betrachters. Damit tut man dem Buch jedoch Unrecht, wie ich finde. Gewiss kann man es auch vor diesem Hintergrund lesen und sich durch die Lektüre in seiner Weltsicht entweder gestört oder bestärkt fühlen, aber davon abgesehen, hat das Buch vor allem große Qualitäten im Bereich der Erzählkunst und der Erzeugung einer lebendigen Atmosphäre. Hierzu bedient sich Swofford mitunter sehr radikaler Ausdrucksweisen, wie z. B. |“Dann schloss ich die Augen und pinkelte mir in die Hose, während Drill Instructor Burke mir die Worte Schwuchtel, Junkie, Schwanzlutscher, Hurenstecher, Flachwichser, Vollidiot, Mokkastecher, Eunuch und Jungfrauenarsch ins Ohr brüllte.“| Dies erscheint allerdings nur allzu verständlich, in Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier um das Leben eines „Jarheads“, einer zum Töten abgerichteten Kampfmaschine, handelt. Den rauen Ton zu mildern oder zu verschleiern, hätte die Authentizität vermindert.

Alles in allem handelt es sich bei „Jarhead“ um einen Roman, den ich nur wärmstens empfehlen kann, vorausgesetzt natürlich, dass man mit der erwähnten Fäkalsprache, den teilweise sehr plastischen Beschreibungen von Körperfunktionen und der bedrückenden Stimmung zurecht kommt. Denn es ist gewiss kein Happyend zu erwarten, wie der Schlussappell an den Leser verdeutlichen dürfte: |“Was habe ich zu gewinnen gehofft? Es kommen noch mehr Bomben. Grabt eure Löcher mit den Händen, die Gott euch gegeben hat.“|

Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Achterbahn ins Jenseits (Folge 3)

_Prolog_

Der kleinkriminelle Bauunternehmer Vince MacAllister plant, den kompletten Friedhof einzuebnen. Obwohl die Bürger des kleinen Provinznestes Upfield sich dem Vorhaben widersetzen, bekommt MacAllister die Genehmigung und gewinnt den Prozess – Schmiergelder haben es ermöglicht. Während der Realisierung seines Plans taucht plötzlich der Totengräber des Friedhofs auf und fordert den Bauherrn dazu auf, die Arbeiten auf dem Gelände sofort zu stoppen. MacAllister nimmt die Warnung des Grabschauflers jedoch nicht ernst und hält Mr. Hampton für einen Vertreter der lästigen Bürgerinitiative. Als Hampton sich nicht vom Grund des Friedhofs entfernen will, versucht MacAllister, ihm seine Faust ins Gesicht zu rammen, schlägt dabei aber ins Leere. Hampton hingegen, der behauptet, schon hundert Jahre auf diesem Friedhof zu arbeiten, macht seine Drohung war und lässt eine Planierraupe im Boden versinken. Der Bauherr selber wird von einer Geisterhand ergriffen und ebenfalls in die Tiefe gezogen. Sowohl das Fahrzeug als auch MacAllister werden bei den darauffolgen Grabungen nicht mehr gefunden, und nach einigen jahren erinnern sich die Bürger von Upfield auch nicht mehr an diesen grausamen Tag.

_Story_

Jahre später macht ein Jahrmarkt Halt in Upfield. Auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs wird die Mega-Achterbahn „Canynon Ride“ aufgebaut und gilt damit auch als die größte Attraktion, die das Örtchen bislang gesehen hat. Der Jahrmarkt füllt sich, als plötzlich ein alter Bekannter wieder auftaucht: der Totengräber Hampton. Wiederum spricht er eine Warnung aus und verlangt vom Betreiber der Achterbahn, sein Fahrgeschäft sofort wieder abzubauen und sich aus Upfield zu verziehen. Dieser jedoch nimmt die seltsame Erscheinung des Totengräbers nicht ernst und lässt die Achterbahn unbehelligt weiterfahren. Als dann eine kriminelle Jugendbande ihr Unwesen auf dem Jahrmarkt treibt, eskaliert die Situation. Schüsse fallen, Menschen werden verletzt und mittendrin befindet sich der mysteriöse Grabschaufler, der den Besitzer der Achterbahn zu seinem tödlichen Spielball macht. John Sinclair hat lange genug untätig herumgestanden; er fordert Hampton zum Duell heraus und holt sich eigens hierfür Unterstützung von geistlicher Seite …

_Meine Meinung_

Ich überlege mir gerade einen Standardsatz, mit dem ich meine Begeisterung für die jeweiligen Episoden der „John Sinclair“-Hörspiele auf den Punkit bringen kann, das würde mir die Arbeit ungemein erleichtern. Doch Spaß beiseite und auf in ein neues Abenteuer des populären Geisterjägers. „Achterbahn ins Jenseits“ ist einer der actionreichsten Vertreter aus der gesamten Reihe und bietet haufenweise Duelle, die jedoch auf verschiedene Art und Weise ausgefochten werden. Höhere Mächte kommen hier ebenso zum Zuge wie die Martial-Arts von Sinclair-Kumpel Suko, und auch eine traditionelle Schusswaffe findet Gebrauch während eines hektischen Handgemenges. Und dann ist da natürlich noch das große Finale, bei dem sich Hampton und Sinclair direkt gegenüberstehen und den Kampf Gut gegen Böse ein weiteres Mal bis zum Ende ausfechten müssen.

Abgesehen hiervon, gefällt bei „Achterbahn ins Jenseits“ vor allem der ziemlich lange Vorspann mit der Vorgeschichte des verfluchten Friedhofs. Fast zehn Minuten lang wird hier die Geschichte des skrupellosen Baumeisters MacAllister samt seiner schicksalhaften Begegnung erzählt, ohne dass dafür der eigentliche Handlungsstrang zu kurz kommen muss. Bereits hier wird von zahlreichen Effekten Gebrauch gemacht, die im Verbund mit den professionellen Sprechern (fast allesamt Hollywood-Synchronstimmen) für die passende Untermalung des spannenden Hörspiels sorgen.

Nach dem Intro geht es dann sehr rasant voran. Sinclair ist sofort auf der Höhe des Geschehens, erfasst die Situation, greift ein und sieht sich einem weiteren, gefährlichen Dämon gegenüber, dessen Kraft er anfangs noch nicht erfassen kann, dann aber merkt, welche Bedrohung von ihm ausgeht.
Und als er dies schließlich realisiert, ist es schon fast zu spät, um die Ankunft einer noch viel mächtigeren Kreatur zu verhindern.

Bei „Achterbahn des Jenseits“ wird John Sinclair im Kampf gegen die Ausgeburten der Hölle erneut auf die Probe gestellt, und das natürlich auch wieder auf höchstem erzählerischem Nivau. Packende Dialoge, Soundtrack-artige Effekte und eine wie immer spannungsgeladene und in diesem Fall actionreiche Handlung lassen das Team von Oliver Döring wieder zur Hochform auflaufen. Was bleibt einem da anderes übrig, als auch die dritte Folge der „Edition 2000“-Serie wärmstens zu empfehlen, was ich dann hiermit auch tun möchte.

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Lynch, Greg / Harac, Ian / Ford, Richard – WARS: The Roleplaying Game – Grundregelwerk (D20)

|In den letzten Jahren des 24. Jahrhunderts wird unser Sonnensystem von einem Ereignis von kosmischen Größenordnungen erschüttert. Ein gewaltiger Riss im Raum öffnet sich zwischen dem Asteroidengürtel und Jupiter und ein Planet taucht daraus auf. Mit ihm dringen die zwei Alienrassen der Shi und Quay in den irdischen Raum ein. Ein Kampf um unser Sonnensystem entbrennt, ein Kampf, der an vielen Fronten geführt wird, denn auch die Menschheit selbst ist weit davon entfernt, geeint zu sein …|

_von Bernd Perplies
mit freundlicher Unterstützung unseres Partnermagazins http://www.ringbote.de _

Im Jahre 1995 brachte |Decipher| das „Star Wars“-Sammelkartenspiel heraus, das einen schicken Spielmechanismus hatte, cool designte Karten aufwies und auf einer starken Lizenz aufbaute. 2001 verlor Decipher diese Lizanz an die |Hasbro|-Tochter |Wizards of the Coast|, die seitdem ein eigenes „Star Wars“-TCG herausbringt. Um das Spielkonzept, das Zocker rund um den Globus begeistert hatte, weiterhin nutzen zu können, entwickelte Decipher daraufhin ein eigenes Universum, „WARS“, das im Sommer 2004 unter großem Multimedia-Aufwand gestartet wurde. Doch dem neuen Pferd im Stall war kein langes Leben vergönnt. Bereits im Mai 2005 wurde das Sammelkartenspiel „WARS“ nach nur zwei Spielsets erst einmal auf Eis gelegt. Stattdessen sprang |Mongoose Publishing| in die Bresche und seit kurzem existiert „WARS“ nun auch als Rollenspiel.

_Das Setting_

Am Ende des 24. Jahrhunderts hat die Menschheit unser Sonnensystem besiedelt. Der Mond, die Venus, der Mars, Ganymed, Titan und der Asteroidengürtel – sie alle sind Orte mehr oder minder erfolgreicher Kolonisationsversuche. Gewaltige Mega-Corporations sind die Antriebsfeder all dieser Bemühungen und bilden gleichzeitig das Rückgrat einer weitgehend vereinten Menschheit – weitgehend, denn auf Gongen, dem ehemaligen Mars, streben die Erben asiatischer Kolonisten ihre Unabhängigkeit an und im Außenrand widersetzen sich Freidenker, Glücksritter und Kriminelle jeder Verwaltung durch die Central Governance Corporation (CGC). Die Spannungen zwischen den technokratischen Earthern, den spirituellen Gongen und den individualistischen Mavericks drohen das Sonnensystem in einen offenen Krieg zu stürzen.

Das Jahr 2391 ändert alles. Ein gewaltiger Riss im Raum, der Mumon Rift, öffnet sich zwischen dem Asteroidengürtel jenseits des Mars und dem Jupiter und ein Planet, Seyal, taucht daraus auf. Mit ihm dringen zwei extrasolare Rassen in unser Sonnensystem ein: die aristokratischen Shi und die brutalen Quay, die seit Jahrhunderten ihren eigenen erbitterten Klassenkampf führen und diesen nun auf der Bühne der irdischen Einflussphäre auszutragen gedenken. Doch auch der Rift selbst verändert das Dasein der Menschheit. Seine Strahlung berührt Menschen und Aliens gleichermaßen und erweckt in einigen außergewöhnliche Kräfte, Kizen-Kräfte, wie sie fürderhin genannt werden. Diese Auserwählten, zu denen auch die Spieler gehören, werden einen deutlichen Vorteil haben in den unruhigen Zeiten, die auf die Menschheit zukommen.

„WARS“ besitzt ein äußerst spannendes Setting, das trotz seiner räumlichen Einschränkung auf unser Sonnensystem – ein interessantes Konzept, das mir bisher so noch nicht unter gekommen wäre – unglaublich viele Möglichkeiten eröffnet. Die militanten Erdenbewohner erinnern ein wenig an „Starship Troopers“, die asiatischen Gongen bringen fernöstliche Exotik und Tradition ins Spiel (ganz zu schweigen von abgefahrenen Kampfrobotern), die Mavericks scheinen mit ihren exzessiven Cyberimplantaten und zusammengestückelten Waffen und Schiffen die Shadowrunner des 24. Jahrhunderts zu sein. Derweil bieten die uralten, geheimnisvollen Shi reichlich Anlass, der hohen Kunst der Diplomatie, Intrige und des Krieges zu frönen, und die urtümlich gewalttätigen Quay beschwören Horror und Chaos herauf (grober Vergleich: Dunkelelfen versus Orks, nur dass die Shi schlangenartigen Wasserwesen ähneln und die Quay Höllenechsen). Und dank ein bisschen Jedi-, pardon Kizen-Magie, ist auch Raum für Esoterik gegeben.

Am besten gefällt mir persönlich das räumliche Setting. Viel zu selten spielt unser Sonnensystem eine Rolle in Sci-Fi-Rollenspielen. Meist heißt es nur „Erde gibt es auch“ und dann widmet man sich dem fernen Weltraum. Dadurch, dass sich „WARS“ auf tatsächlich denkbare Schauplätze für seine Abenteuer konzentriert – Kolonien auf dem Mond, dem Mars oder den Jupitermonden sind bis in 300 Jahren durchaus denkbar –, erhält es eine nette Verankerung in der Realität, so fantastisch seine sonstigen Elemente auch sein mögen. Für den Game Master ist das Sonnensystem auch insofern ein netter Spielplatz, als dass er viel Datenmaterial schlicht aus irdischen Astronomiebüchern ziehen kann.

_Die Regeln_

„WARS“ weist ein klassisches D20-Regelsystem auf, samt all den lieb gewonnenen Mechanismen wie Defense Value, Damage Reduction (durch Armour), Classes und Prestige Classes, Feats usw. Dank OGL handelt es sich bei dem Buch jedoch nicht um ein reines Campaign Setting, sondern um ein vollwertiges Spiel. Tatsächlich besteht das Grundregelwerk sogar im wahrsten Sinne des Wortes fast ausschließlich aus Regeln. Bis ins kleinste Detail und sehr einsteigerfreundlich durch zahlreiche Beispiele ergänzt, werden die Charaktererschaffung, der Kampf, die Heilung, Fahrzeug- und Raumkonflikte, die klassischen Hazards und der Charakteraufstieg beschrieben.

Dabei fällt auf, dass, obwohl D20, „WARS“ relativ arm an Classes und vor allem Prestige Classes ist. Am Anfang stehen den Spielern gerade mal sieben grobe Professionsrichtungen zur Verfügung: Diplomat, Engineer, Leader, Medic, Pilot, Scoundrel und Soldier. Gerade die „Diplomaten“-Class wird dabei ziemlich gestreckt, umfasst sie doch alle Berufe, die irgendwie mit dem ‚Überzeugen‘ von Personen zu tun hat, also auch Händler und Entertainer. Als Prestige Class gibt es sogar nur eine, den „Kizen Master“, also jemanden, der sich und sein Leben ganz dem mystischen Phänomen des Kizen gewidmet hat (im Prinzip also ein Magier oder Jedi-Meister).

Sehr interessant gestaltet sich der Raumkampf, der vor allem unter Großkampfschiffen durch eine Reihe von Manöverbefehlen geführt wird, die unterschiedliche Vor- und Nachteile auf den endgültigen Angriffswurf und Verteidigungswert bieten. Je nach Güteklasse von Captain und Crew stehen mehr oder weniger Befehle zur Verfügung, im Schnitt sind es jedoch drei: ein Offensivbefehl, ein Defensivbefehl und ein taktisches Manöver. Dabei wird das taktische Manöver zuerst ausgeführt, das heißt, die Kontrahenten bringen sich in Position. Dann wird der Defensivbefehl ausgeführt, danach der Offensivbefehl. Mannschaften mit höheren Fertigkeitswerten erhalten möglicherweise zusätzliche Aktionen, die sie als Reaktionen auf gegnerische Manöver oder als zweites taktisches Manöver zum Kampfrundeende verwenden können. Alle Manöver besitzen atmosphäresteigernde Titel, etwa „All Hands … Fire At Will!“ oder „Pull Back“ oder „I Only Need One More Shot“.

_Das Buch_

Man merkt dem Layout des vollfarbigen Hardcover-Grundregelwerks von „WARS“ an, dass |Decipher| seine Finger mit im Spiel hatte. Während ansonsten bei Produkten von |Mongoose Publishing| nicht selten qualitativ unbefriedigende Illustrationen oder Fotos den Wert des hervorragenden Textinhalts schmälern, ist dieses Buch zwar quantitativ nicht überbordend, aber qualitativ sehr cool bebildert. Man merkt den durchgehend rechteckigen Bildmotiven zwar vom Format her an, dass sie einst Sammelkartenillustrationen waren, aber das nehme ich gerne in Kauf, wenn dafür so stimmungsvolle optische Aufheller geboten werden. Einziger Wermutstropfen: In den Fahrzeug- und Raumschiffabschnitten befinden sich keine Bilder zu den beispielhaft angegebenen Vehikeln, auch wenn diese dank des Sammelkartenspiels sicher vorhanden gewesen wären.

Der Aufbau der Buches entspricht dem klassischen Grundregelwerk. Die 304 Seiten sind in elf Kapitel, die Charakterbögen, einen sehr ausführlichen Index und die Open Game Licence eingeteilt. Die beiden ersten Kapitel „Welcome to WARS“ und „Basic Rules“ sind rein einführenden Charakters und geben einen guten Überblick über das Setting und die Mechanismen des Spiels. Die drei folgenden Kapitel „Charakter Creation“, „Skills“ und „Feats & Standings“ widmen sich auf insgesamt ca. 90 Seiten der Erschaffung eines „WARS“-Charakters, wobei auch schon mal die einzelnen Fraktionen des Universums vorgestellt werden und im Rahmen der Skills einige Details etwa zu Computern, Medizin und derlei zu finden sind.

Das nächste Großkapitel „Kizen“ stellt auf ungefähr 80 Seiten die übernatürlichen Kräfte vor, welche die Menschen (oder zumindest eine gewisse Gruppe) nach dem Aufreißen des Mumon Rift in sich entdeckt. Vor allem die „Zauberspruchlisten“ sind dabei ausgesprochen umfangreich – man ahnt, dass sie für einige Spielzeit reichen sollen und es keinen Extra-Quellenband zu den „Kizen“ in absehbarer Zeit geben wird.

Nach dem Kapitel „Combat“, das den typischen D20-Regelkomplex enthält, werden in „The Tools of WARS“ all die Dinge beschrieben, die man für Creds kaufen kann. Hier blitzt für einen Moment die von |Mongoose Publishing| bekannte Liebe zum Detail auf, wenn (Ro)Bots, Waffen, Panzerung, sehr viele kybernetische Implantate, allgemeine Ausrüstung, Dienstleistungen, Fahrzeuge und Raumschiffe auf fast 40 Seiten feilgeboten werden.

Im Anschluss an den bereits oben erwähnten „Vehicle Combat“ werden die „Factions of WARS“ näher beleuchtet. Hier ist Kritik angebracht, denn ungefähr 20 Seiten sind einfach zu wenig, um einem Universum hinreichend Leben einzuhauchen. Das Kapitel bleibt ein (ordentlicher) Überblick, doch viele weiße Stellen müssen vom Spielleiter in Eigenregie gefüllt werden. Es gibt nicht einmal eine Karte unseres Sonnensystems mit allen Kolonien. Man fragt sich, ob |Decipher| hier den Riegel vor zu viel Details geschoben haben – womit sie ihrem Ziel, „WARS“ zu mehr Popularität zu verhelfen, eigentlich entgegengewirkt hätten –, oder ob Mongoose einfach nicht mehr Zeit und Manpower in die Entwicklung des Lizenzprodukts stecken wollte.

Den Abschluss bildet das obligatorische Kapitel zum „Game Mastering“, das erfreulicherweise ein paar sehr konkrete Fallen des Spielleitens aufführt und Tipps gibt, wie man selbige umgehen kann.

_Fazit_: Nach den Maßgaben einer bekannten Kinozeitschrift wäre es vermutlich ein Daumen schräg nach oben. „WARS“ kann für mich definitiv punkten mit seinem interessanten Setting, das Buch gefällt zudem durch sein wirklich komplett zu nennendes D20-Regelwerk und die schicken Illustrationen. Was mir ein bisschen fehlt, ist die Ausgestaltung des Spieluniversums. Weder unser Sonnensystem und seine Kolonien noch die einzelnen Fraktionen werden im Detail vorgestellt, die gebotenen Informationen bieten eher einen allgemeinen Überblick. So muss, wer in „WARS“ einsteigen will, noch einiges an Heimarbeit leisten, damit aus dem Bild, was uns geboten wird, ein bespielbarer Raum wird. Das Potenzial allerdings zu einem sehr coolen Sci-Fi-Spiel hat „WARS“ auf jeden Fall.

Wer mehr über „WARS“ wissen will, dem sei ein Besuch der alten [TCG-Website]http://warstcg.fanhq.com/ von |Decipher| empfohlen. Hier gibt es nicht nur zahlreiche Kurzgeschichten (etwa von Michael A. Stackpole!), sondern auch Wallpapers, Musik und Videoclips, die in die Atmosphäre des Spieluniversums einführen.

Jack Ketchum – Evil

Das geschieht:

1958 ist die Welt der US-amerikanischen Mittelschicht noch in Ordnung. Man fürchtet nur die Roten drüben in Russland und lässt die Haustür offen, denn den Nachbarn vertraut man, und ein guter Bürger und Kirchgänger hat nichts zu verbergen. Kinder sind rechtlose Wesen und haben nicht nur den Eltern, sondern allen Erwachsenen zu gehorchen. Wenn sie sich einfügen, haben sie in dem kleinen Städtchen, in dem diese Geschichte spielt, ein angenehmes Leben, denn es gibt viele Freunde und natürliche Abenteuerspielplätze an der frischen Luft.

In diesem Sommer erfährt zwölfjährige David, dass ins Nachbarhaus zwei neue Bewohnerinnen eingezogen sind. Die Schwestern Meghan und Susan Loughlin haben ihre Eltern verloren. Sie ziehen zu Ruth Chandler, ihrer Tante, die selbst drei Kinder versorgen muss: eine schwere Aufgabe, nachdem sie ihr Mann verlassen hat. Die Kinder der Straße schätzen sie jedoch, denn sie hat immer ein offenes Ohr für ihre Sorgen. Jack Ketchum – Evil weiterlesen

Walton, Jo – Clan der Klauen, Der

Bon Agornin liegt im Sterben. Aus diesem Grund hat sich die gesamte Familie in seinem Haus versammelt. Die beiden unverheirateten Töchter Selendra und Haner, die dem alten Bon den Haushalt führten, sein Sohn Avan, der in der Hauptstadt einen Posten im Planungsministerium innehat, sein Sohn Penn, der Pfarrer, und seine verheiratete Tochter Berend mit Mann und Kindern.

Obwohl Penn seinem Vater versichert, dass das Erbe nach seinem Willen aufgeteilt werden wird, kann er nicht verhindern, dass sein arroganter Schwager Daverak sich einen Großteil davon unter den Nagel reißt. Der jüngere Bruder Avan ist darüber so wütend, dass er – trotz der Warnungen seiner Freundin Sebeth – deswegen vor Gericht zieht. Eine prekäre Situation für seine Schwester Haner, die seit dem Tod ihres Vaters bei ihrem Schwager leben muss, aber auch für Selendra, die sich in Sher, den Freund und Gönner ihres Bruders Penn, verliebt hat. Shers Mutter wäre über eine solche Verbindung ohnehin schon entsetzt, noch entsetzter aber wäre sie, wäre Selendra in einen Skandal verwickelt! Am stärksten allerdings ist Penn betroffen. Denn er hat am Sterbebett seines Vaters etwas getan, was die Kirche so sehr missbilligt, dass es ihn, sollte es bekannt werden, mit Sicherheit seine Pfarrstelle kosten wird.

Allerdings fühlt Daverak sich allein durch die Einreichung der Klage schon so sehr in seiner Ehre gekränkt, dass er gar nicht daran denkt, einen Rückzieher zu machen. Er will diesen Prozess, und er will ihn gewinnen! Mit allen, wirklich allen Mitteln!

Als es jedoch so weit ist, verselbständigt sich das Geschehen, und letztlich wird der Streit durch ein Duell entschieden. Ein ziemliches Ereignis … wenn es sich bei den Duellanten um Drachen handelt!

Laut Verlagstext wird dieser Roman „von Lesern und Kritikern als originellstes Fantasy-Werk der letzten Jahre“ gefeiert. Ich persönlich wage das zu bezweifeln, zumindest, was die Leserschaft angeht. Auf mich jedenfalls trifft es nicht zu.

Jo Walton selbst bezeichnet das Produkt ihres Schaffens als viktorianischen Roman. Keine Ahnung, woher die Bezeichnung stammt, als feststehenden literarischen Begriff habe ich sie jedenfalls nicht gefunden. Aber sie ist durchaus zutreffend; besonders, was die Personen angeht. Hier treffen wir auf eine Mischung aus „Stolz und Vorurteil“ und „Verstand und Gefühl“.

Der Ortspfarrer Frelt hat ein Pendant in „Stolz und Vorurteil“, mit dem einzigen Unterschied, dass der dortige Pfarrer Mr. Collins bei seinen Heiratsanträgen nicht zudringlich wird. Shers Mutter ist ein Abbild von Darcys Tante Lady Catherine de Bourgh aus demselben Buch. Haner und Selendra haben dagegen große Ähnlichkeit mit Elinor und Marianne aus „Verstand und Gefühl“. Die Entsprechungen machen nicht bei den Personen Halt, sondern erstrecken sich auch auf die Handlung. Der Versuch, Sher mit Gelener zu verkuppeln, ist nahezu identisch mit Lady Catherines Versuch, ihren Neffen Darcy mit ihrer Tochter zu verheiraten, ihre Reaktion auf Selendra quasi austauschbar mit Lady Catherines Reaktion auf Elizabeth.

Der Handlungsstrang um das „gefallene“ Mädchen Sebeth könnte dagegen genauso gut aus „Oliver Twist“ stammen, nur dass Sebeth im Gegensatz zu Oliver ihren Vater kennt. Auch die Sozialkritik und das fast ein wenig an den Haaren herbeigezogene Happyend könnte von Dickens stammen. Ich frage mich, was genau daran so originell sein soll.

Allein Avan und sein Rechtsstreit gegen Daverak weisen eine gewisse Eigenständigkeit auf. Der Gerechtigkeit halber muss zugestanden werden, dass dieser Teil der Geschichte gut ausgearbeitet ist und sich inhaltlich und sprachlich ohne Kanten in den Rest der Geschehnisse einfügt. Auch die Charakterzeichnung der damit verbundenen Charaktere ist einigermaßen ordentlich geraten, wenn auch ein wenig flacher als bei denjenigen, zu denen es literarische Vorlagen gibt. Sie machen aber leider nur einen Bruchteil des Buches aus. Für das vollmundige Prädikat des Verlagstextes reicht das bei weitem nicht!

Originell war höchstens der Versuch, einen Roman nach viktorianischem Vorbild in eine Fantasy-Welt zu verlegen. Die Übertragung der historischen Realität in die Fantasy hat zu einigen recht netten Ideen geführt: So spielt die Autorin mit Farben. Jungfräuliche Drachen sind golden. Wenn ihnen ein Drache, den sie lieben, einen Heiratsantrag macht, erröten sie im wahrsten Sinne des Wortes! Sie sind rosa bis zu ihrem ersten Gelege, dann werden sie rot. Ein Drache, dem es gesundheitlich schlecht geht, ist grün.

Auch die zusammengebundenen Flügel von untergebenen Drachen, vor allem Dienern und Pächtern, sowie Huren und einfachen Arbeitern, finde ich eine gelungene Umsetzung. Allerdings war das ein schwacher Trost dafür, dass ich ständig das Gefühl hatte, fast alles, was ich las, bereits zu kennen.

Hier stellt sich deshalb die Frage, ob es überhaupt nötig ist, heutzutage Romane nach viktorianischem Vorbild zu schreiben. Es gibt schließlich genug Romane aus jener Zeit und von Leuten, die näher dran waren an dem, worüber sie schrieben, als ein moderner Autor. Vielleicht hat die Autorin sich das auch gedacht und ihren Roman deshalb in eine Fantasy-Welt verlegt und ihre Charaktere zu Drachen gemacht.

Nicht, dass das Buch wirklich schlecht wäre. Insgesamt ist der Roman durchaus in sich stimmig und sprachlich gut gestaltet. Das genügt aber nicht, um seine Mängel auszugleichen! Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen Leser, der es amüsant findet, die Parallelen zwischen diesem Roman und den historischen Vorlagen herauszufinden. Ich für mein Teil allerdings konnte dem nicht viel abgewinnen. Dass ich einen so großen Teil der Handlung bereits kannte, machte die Lektüre vorhersehbar und damit stellenweise ziemlich langatmig.

Und ich bin mir nicht sicher, ob es mir besser gefallen hätte, hätte ich Jane Austen nicht gelesen. Aus der Perspektive des Fantasy-Lesers muss ich gestehen, dass ich von einer Geschichte über Drachen doch etwas anderes erwarten würde. Möglicherweise ist es das, was hier mit „Originalität“ gemeint war. Meiner Meinung nach wäre die Bezeichnung „gefährlicher Spagat“ weitaus treffender! Wenn ich einen Roman über die viktorianische Gesellschaft lesen möchte, lese ich eben gleich Dickens oder Austen, oder auch die Schwestern Bronte. Wenn ich Fantasy lesen will, will ich echte Fantasy lesen, keinen verkleideten Realismus. Dem mystischen Wesen „Drache“ ging durch die Vermenschlichung sein ganzer Zauber verloren, den die paar netten Ideen nicht ersetzen konnten. Aus der Vermischung zweier so unterschiedlicher Genres ist „nichts Halbes und nichts Ganzes“ entstanden, wie der Volksmund sagt; wobei daraus unter Umständen ja sogar etwas geworden wäre, hätte Jo Walton sich mehr von ihren etablierten Vorbildern gelöst und eigene Figuren und eine eigene Handlung kreiert. Dann hätte ich mich womöglich sogar der „Originalität“ zuliebe mit dem Paradoxon zivilisierter Drachen abgefunden.

Jo Walton ist gebürtige Waliserin und lebt heute in Montréal. Aus ihrer Feder stammen unter anderem „The King’s Peace“, „The King’s Name“ und „The Prize in the Game“. „Der Clan der Klauen“ ist der einzige ihrer Romane, der bisher auf Deutsch erschienen ist. Wahrscheinlich fiel die Wahl auf dieses Buch, weil sie dafür den |World Fantasy Award| erhalten hat. Aber Literatur-Preise sind eben auch nicht alles …

Markner, Reinhard / Neugebauer-Wölk, Monika / Schüttler, Hermann (Hg.) – Korrespondenz des Illuminatenordens, Die: Band 1 (1776 – 1781)

Es geschehen tatsächlich mitunter Wunder: Vom geheimnisumwitterten Illuminatenorden, der bereits unter Adam Weishaupt durch die kurbayrische Regierung 1784/85 verboten wurde, kommen jetzt Schriften auf den Markt, die es noch nie in öffentlich publizierter Form gab. In dieser Korrespondenz aus der Frühzeit der Illuminaten, die sie untereinander führten – wenngleich durchaus mühsam durchzuarbeiten – erfährt der Leser minutiös, wie der Orden aufgebaut wurde.

Durch Papst Clemens XIV. war der Jesuitenorden 1773 aufgelöst worden, der über hunderte von Jahren die ganze Gesellschaft und ihr Bildungswesen bestimmt hatte. Dabei war Adam Weishaupt selber Jesuitenzögling gewesen , kannte deren System sehr gut und wurde in Ingolstadt Professor für Kirchenrecht. Mit ausgewählten Studenten gründete er am 1. Mai 1776 einen kleinen, geheimen Kreis – die Keimzelle des Illuminatenordens. Seine Gegner in den Anschauungsfragen dabei waren einerseits die Jesuiten, andererseits die esoterischen Glaubensgebäude der Gold- und Rosenkreuzer.

Weishaupt bezog sich auf die altiranische Religion der Parsen und führte den zoroastrischen Kalender wieder ein, die Organisationsstrukturen seines Ordens – der zuerst „Bienenorden“ hieß und erst später umbenannt wurde – waren jesuitisch geprägt. Aber alle Pläne wurden nicht wirklich strikt von ihm durchgehalten, denn im Grunde war der Orden sehr von Eklektizismus geprägt. Weishaupt ging 1777 zu den Freimaurern und erhielt dort innerhalb zweier Jahre den Meistergrad. Erst mit diesen Verbindungen gelang den Illuminaten ihr großer Durchbruch, der sich anhand der Briefe aber als recht holprig organisiert erweist.

Im Grunde agierte Weishaupt ganz allein und trat gegenüber Interessenten, mit denen er die vorliegenden Briefkontakte führte, als hoher Eingeweihter auf, was aber nichts als Blendwerk war, wie er auch seinem „Meisterschüler“ Freiherr Adolph von Knigge, irgendwann im Laufe dieser frühen Jahre gestand. Knigge erwies sich nämlich als der eigentliche eingeweihte Zeitgenosse innerhalb der Freimauerei und war es auch, der das System der Illuminaten nach und nach entwarf. Weishaupt verfügte ja über keinerlei Grade und Schulungspapiere – jedenfalls nicht über esoterisch taugliche. Knigge hatte großes Interesse daran, dieses „Spiel“ mitzutragen und eine Auswahl an geeigneten Freimaurern zu treffen, denen sie von nun an eine Führungselite „geheimer Oberer“ vorgaukelten.

Mit Knigges Ausarbeitungen und umfangreichem Wissen konnte ab 1780 die Freimaurerei vollkommen unterwandert werden. Er war bereits vor seiner Mitgliedschaft bei den Illuminaten bis in den „Inneren Orden“ der „Strikten Observanz“ vorgedrungen. Zur damaliger Zeit war die Freimaurerei in eine tiefe Krise geraten und die Vertreter der „Strikten Observanz“ – das erfolgreichste System seiner Art, gegründet von Carl Gotthelf Reichsfreiherr von Hund und Altengrotkau – waren nach dem Tode von Hund 1776 (wie es oft der Fall ist, wenn ein Ordensgründer verstirbt) in Streitigkeiten verfallen. Diese Streitfragen sollten auf einem Konvent geklärt werden, der 1782 stattfand – aber schon Jahre vorher in Planung war.

Diese Zeit wurde von den Illuminaten erfolgreich genutzt, um einen Großteil der Freimaurerlogen zu unterwandern. Knigge baute die drei Freimauer-Grade ins Illumatensystem ein, und dadurch erschienen alle höheren von ihm entworfenen illuminatischen Grade den Freimaurern als begehrte Hochgrade. Anhand des vorliegenden Briefwechsels wird deutlich, dass nicht der Gründer Weishaupt bedeutend war, sondern dass der gesamte Aufbau einer komplexen hierarchischen Struktur und die rasche Ausdehnung des Illuminatenordens vollkommen das alleinige Werk Knigges waren. Nur durch ihn kam es zu einer bemerkenswerten Aufstiegsgeschichte, die erstmals mit diesem Band so genau wie möglich dokumentiert vorliegt.

Die eigentliche Sensation der Veröffentlichung ist aber, dass es diese Dokumente überhaupt gibt. Denn bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts fehlte von ihnen jede Spur. Der letzte bekannte sichere Hinweis auf den Verbleib des Illuminatenarchivs stammte von 1785, als die Verfolgung des Ordens bereits in Gang war. 1868 tauchte ein Teil in der Universitätsbibliothek München auf, wobei es sich aber nicht um das eigentliche „Archiv“ handeln konnte. Offiziell galt dieser Nachlass dann als Kriegsverlust, zerstört durch die Bombardierungen 1943 und 1944. 1980 galt alles noch immer als vermisst. Das ganze Material war nach der Auflösung des Illuminatenordens in die Hände der „Staatssicherheit“ geraten und wurde erst hundert Jahre später für erste Forschungen herangezogen. Aber die Handschriften Weishaupts waren kaum leserlich und schwierig zu entziffern.

1934 nahm sich der nationalsozialistische Sicherheitsdienst das Material noch einmal vor. Nach den Bombenangriffen behauptete das Auswärtige Amt stets, alles sei vernichtet. Einer der führenden NS-Freimaurerforscher, Franz Alfred Six, konnte ihnen – nach heutigem Wissensstand gedeutet – als Professor an der Friedrich-Wilhelm-Universität dies wohl auch glaubhaft gemacht haben. Er leitete übrigens auch schon die NS-Hexenforschungen. Die Spur ließ sich lange nicht mehr verfolgen. Auch eine Anfrage an die staatliche Archivverwaltung der DDR, ob sich vermisste Illuminatenpapiere unter den von der Sowjetunion restituierten Akten befänden, wurde 1975 abschlägig beschieden.

Erst Richard von Dülmen wurde wieder fündig. Der Nachlass Weishaupts befand sich in Archiven der Großen Loge der Freimaurer, welche auch von der Forschung vor 1935 nicht ausgewertet worden war. Nach der Beschlagnahme durch die Gestapo vergingen sechs Jahrzehnte, bis man sie wieder „offiziell“ entdeckte. Weitere Bände, die die Jahre bis 1788 umfassen sollen, sind in Planung, und man kann nur hoffen, dass sie auch möglichst schnell erscheinen werden, denn für das Verständnis der Konzeption der illuminatischen Lehre einerseits sowie der erfolgreichen Unterwanderung der deutschen Freimaurerei andererseits sind sie unerlässlich wertvoll.

http://www.niemeyer.de/

Ian Rankin – Puppenspiel

Inspektor Rebus ermittelt in einem Frauenmord, verärgert dabei prominente Bürger, wird quasi strafversetzt und mit dem bizarren Rätsel kleiner Modell-Särge konfrontiert, die seit zwei Jahrhunderten an späteren Mordschauplätzen entdeckt werden … – Der 12. Band der Rebus-Serie ist einer der besten. Trotz eines hohen Mystery-Faktors bleibt die Handlung kriminell und der ‚realen‘ Gegenwart verhaftet: ein Lektüre-Genuss.
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Stucke, Angelika – Gute Motive

Ironie und schwarzer Humor, das sind die beiden Stärken, die Angelika Stucke in ihrem Belletristik-Debüt „Gute Motive“ konsequent ausspielt und somit auch als Mittel für ihre teils erschreckenden, teils sehr seltsamen Kurzgeschichten benutzt. Zuvor nur als Autorin von Kurzgeschichten in spanischen Publikationen tätig, liefert Stucke hier ihr erstes deutschsprachiges Buch ab. 13 Kurzgeschichten sind in diesem kleinen Sammelband enthalten, und dreizehnmal wird aus der Ich-Perspektive heraus erzählt, wieso, warum und weshalb die jeweilige betroffene Person sich dazu entschieden hat, ein Gewaltverbrechen zu begehen. Oder anders gesagt, welch gutes Motiv die durchgehend weiblichen Protagonisten hatten, um ihren Plan auch durchzusetzen.

Es ist schon recht eigenartig, wie Stucke hier an ihre Erzählungen herangeht. Es sind teilweise ganz normale Alltagssituationen, aus denen heraus das weibliche Geschlecht dazu angestachelt wird, sein Gegenüber auszulöschen. So darf es einerseits skurril sein, wie beispielsweise in „Der Spanner“: Eine Frau fühlt sich von einem noch unbekannten Menschen belästigt, der sie ständig beobachtet. Als sie herausfindet, dass es sich hier um einen Jugendlichen handelt, beruhigt sie das zunächst ein wenig, doch im nächsten Moment entschließt sie sich, ihn zu vergiften.
Andererseits findet man auch perfekte Krimi-Themen: Bei „Männersache“ will sich eine Frau in mittleren Jahren ihres Ehegatten entledigen. Dafür verzichtet sie sogar auf ihren Liebhaber und tötet diesen. Doch warum sollte sie das tun? Schließlich hat nur ihr Mann ein Motiv für den Mord an dem südländischen Romantiker. Also unterstellt sie ihm den Mord, liefert ihm das erforderliche Motiv und ist von ihm befreit.

Und so bringt Stucke die verschiedensten Alltagsthemen auf den Tisch und spinnt individuell eine bizarre, mordlüsterne Geschichte um sie herum. Bei „Die Mordabsicht“ reicht schon der Verlust des Arbeitsplatzes für ein Motiv, in „Das Alter“ macht einer Frau die Pflegebedürftigkeit ihres Gatten Waldemar zu schaffen. Also denkt sie sich verschiedene Strategien aus, um ihn zu beseitigen und begründet ihre Tat damit, dass seine Hilfsbedürftigkeit ihn ohnehin dahinraffen würde.

Nicht der Gärtner ist der Mörder, sondern die Frau, und in „Gute Motive“ haben es die dunklen Gedanken des angeblich schwächeren Geschlechts wirklich in sich. Manchmal ist es schon fast abartig, mit welcher Selbstverständlichkeit die Damen hier ihre Attentate planen, aber auch mit welchen Gründen sie diese rechtfertigen. Stucke taucht jedes Mal wieder für kurze Zeit in die Gedankenwelt eines Menschen ein, der im Grunde genommen ganz normal ist, quasi wie du und ich, sich gleichzeitig aber auch für die fiesesten Missetaten und die erbärmlichsten ‚Selbsthilfetherapien‘ empfänglich zeigt. Obwohl in den dreizehn Geschichten dieses Buches einige Leitmotive in leicht abgewandelter Form öfter auftauchen, so sind die jeweiligen Schilderungen doch immer wieder erschreckend – meist aber auch genial umgesetzt.

Andererseits hat man am Ende des Buches dann auch wirklich genug von den kranken Plänen dieser Damen. Das Ende steht ja jedes Mal schon fest, und nur der Weg dahin bzw. die Art und Weise, wie die Beteiligten ihre Geschichte erzählen, ändert sich von Mal zu Mal, so dass irgendwann der Punkt kommt, an dem das Thema ausgereizt ist. Glücklicherweise ist man an diesem aber erst angelangt, wenn man das Buch ausgelesen hat. Jedoch muss man schon sehen, dass der Inhalt sich aufgrund des durchgängigen roten Fadens selbst arg limitiert, weshalb man sich vorher schon bewusst machen sollte, worauf man sich hier tatsächlich einlässt. Ist dies geschehen, bringt einem dieser Sammelroman von Angelika Stucke beste, beklemmende Unterhaltung, deren Niveau sich trotz des vergleichsweise schlichten Schreibstils stets an der Obergrenze aufhält.

Kurzweilig, interessant und gleichzeitig beängstigend – das ist „Gute Motive“. Und ich hoffe, dass der grundsätzlich positive Unterton dieser Rezension für die Leserschaft ebenfalls ein gutes Motiv ist, sich einmal näher mit der Autorin und diesem Buch auseinander zu setzen.

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Müller, Karl-Georg & Patrick / Roth, Manfred / Franke, Jürgen E. – Cuanscadan – Tor nach Erainn (Midgard)

„Cuanscadan“ ist ein Quellenbuch zum Fantasy-Rollenspiel MIDGARD. Es beschreibt das Fürstentum und die Stadt Cuanscadan, die als Tor nach Erainn bezeichnet wird. Erainn, ein an der irischen Mythologie orientiertes Land, wird ebenfalls näher unter die Lupe genommen. Der Band schließt mit vier groben, aber ohne großen Aufwand vorzubereitenden Abenteuerskizzen und dem komplett ausgearbeiteten Abenteuer „Das Auge des Wüstengottes“.

Die Autoren Karl-Georg Müller und Manfred Roth haben sich im mit ca. 75 Seiten umfangreichsten Teil des Quellenbandes ganz dem Fürstentum Cuanscadan und dem gleichnamigen Fürstensitz gewidmet. Der Name Cuanscadan bedeutet „Hafen der Heringe“, und so ist es nicht erstaunlich, dass die Hafenstadt vor allem von Fischfang und Handel lebt.

Nach einem kurzen Überblick über die landschaftliche Lage des Fürstentums widmet man sich der bewegten Geschichte der Gegend. Die Ureinwohner, die Ffomor, vermischten sich immer wieder mit Einwanderern, seien es Valianer, Twyneddin oder sogar Exilhuatlani. Letztere haben einige kleine Siedlungen im Fürstentum gegründet. Seit ungefähr zwanzig Jahren lenkt Fürst Amhairgin die Geschicke der Stadt. Eine Veränderung, die nicht jeder gutheißt, wie man später anhand der Beschreibung mehrerer Geheimgesellschaften erkennen kann.

Kaum ein Mond vergeht in Cuanscadan ohne ein Fest oder einen Feiertag. So feiert man die Ankunft des ersten Lachses genauso gern und ausgiebig wie das erste Bier der letzten Ernte, das natürlich ausgiebig getestet wird. Der Erainner versteht eindeutig etwas vom Feiern.

Der kurze allgemeine Überblick über die Stadt Cuanscadan, der die wichtigsten Orte und Stadtviertel beschreibt, wurde leider ein wenig unübersichtlich gestaltet. Es fehlt hier eine Legende, mit deren Hilfe man auch aktiv nach einem Ort suchen könnte, ohne sich erneut den gesamten Text zu Gemüte zu führen. Der Gebäudeindex ist auf S. 85 versteckt, hilft jedoch nur bedingt, da die Einwohner nicht explizit irgendwelchen Gebäuden zugeordnet werden können.

Anschließend wendet man sich dem Kernstück des Quellenbuches zu: der Beschreibung ausgewählter Bewohner und Örtlichkeiten der Stadt. Diese Darstellung folgt dem aus „Corrinis – Stadt der Abenteuer“ bekannten Schema, d.h. es werden nur die wichtigsten Spieldaten der Bewohner angegeben, meist nur Abenteurerklasse und besondere Eigenschaften.

Bei den Beschreibungen der Stadtbewohner und Örtlichkeiten zeigt sich das Talent der Autoren, mit wenig Text viel auszusagen. Die Einwohner werden so plastisch dargestellt, dass man mehrfach meint, den Fischgeruch eines Händlers oder das Duftwasser der Parfümerie wahrnehmen zu können. Über das Verhalten gegenüber Abenteurern braucht man sich in den seltensten Fällen Gedanken zu machen, denn selbstverständlich wird das normale Gebaren der Bewohner beschrieben.

Hinter der Fassade vieler Einwohner lauern Geheimnisse, die ein Spielleiter problemlos in Abenteuer einfließen oder gar als Anregung für solche nutzen kann. Wirken einige Cuanscadaner auf den ersten Blick normal, offenbart sich in einem Nebensatz ein kleiner Abgrund. Als harmloseres Beispiel sei hier ein Fährmann genannt, dessen Frau ihn nur selten zu Gesicht bekommt, es sei denn, das Hochwasser macht ihn beschäftigungslos, „was meist im Herbst geschieht, weshalb seine Kinder in den Sommermonaten geboren wurden. Bis auf eines …“.

Dieser augenzwinkernde Humor zieht sich durch die gesamte Stadtbeschreibung. Deshalb macht schon das Lesen jede Menge Spaß. Wie muss das erst sein, wenn man diese Bewohner am Spieltisch zum Leben erweckt? Ich kenne so einige Stadtbeschreibungen, doch so lebendig wie Cuanscadan wurde bisher keine andere Stadt geschildert. Diese Darstellung passt wie die Faust aufs Auge zum lebenslustigen Volk der Erainner.

Die wichtigsten Gebäude der Stadt, u. a. der Garten Nathirs, die Wachen und die Verwaltung werden ausführlich beschrieben. Dabei wurden zahlreiche hübsche Karten in den Text integriert. Ein eigenes Kapitel befasst sich mit diversen Geheimgesellschaften Cuanscadans, die sich auch gegenseitig Konkurrenz machen. Auch hier sind jede Menge Abenteuerideen angerissen.

Dún Cloighteach, die Burg des Fürsten Amhairgin, wird in Form einer Reisebeschreibung näher unter die Lupe genommen. Man erfährt nicht nur, wer dort lebt und wie die Gebäude aussehen, sondern erhält auch einen tiefen Einblick in die politische Lage der Region, die alles andere als stabil ist. Dem Ränkespiel am Hof ist Tür und Tor geöffnet, was zu einem großen Teil auch an der Abstammung des Fürsten und seinen persönlichen Vorlieben liegt. Ein gefundenes Fressen für jeden Spielleiter.

Das Kapitel „Meine Ankunft in der Bardenschule“ vermittelt viel vom Flair dieser Ausbildungsstätte. Zum Schluss des ersten Teils des Quellenbandes wird der Silberne Turm des Erzmagiers Ultan ay’siochan ausführlich beschrieben. Dort könnte ein hervorragender Zauberer unter den Abenteurern eines Tages vom Erzmagier selbst unterrichtet werden.

Jürgen E. Franke gibt auf den nun folgenden 40 Seiten einen allgemeinen, aber doch detaillierten Überblick über das Land Erainn. Den wichtigsten Landschaften, Pflanzen, Tieren und Fabelwesen wird jeweils ein kleiner Absatz gewidmet. Einigen ungewöhnlichen Kreaturen, dem Weißfalken, einem Naturgeist namens Rutacorcach und dem Leprachán gönnt man eine ausführliche Darstellung. Letztere beherrschen zwei neue Zaubersprüche.

Der Bevölkerung Erainns, die sich aus diversen Bevölkerungsgruppen zusammensetzt, wurde ein umfangreiches Kapitel gewidmet, das sich mit ihrer Abstammung, Kleidung und Geschichte befasst. Ein wichtiges Kapitel sind die Aussprachehilfen für die unserer Zunge doch recht fremdartigen Namen.

Die Siedlungsformen und die wichtigsten Städte und Ortschaften des Landes werden zwar knapp, aber mit Informationen voll gepackt vorgestellt. Eine Übersichtskarte Erainns hilft bei der Planung von Reisen innerhalb des Landes. Die Gesellschaft der Erainner ist eher am Landbesitz als an der Abstammung orientiert, doch zeigt sich auch hier die Vielschichtigkeit des Landes. Den Kriegern der Schlange ist der Ehrbegriff sehr wichtig, was sich auch in der Kriegsführung bei Streitigkeiten untereinander auswirkt. So wurde manche Schlacht Erainns ohne einen einzigen Todesfall ausgefochten, weil die Anführer in einem Zweikampf über Sieg oder Niederlage entschieden.

Dass Erainner fast so viel Wert auf Gesetze zu legen scheinen wie Valianer, war mir neu. Erklärt wird dies mit der fast schon religiösen Bedeutung, die sie dem Recht beimessen. Dementsprechend ausführlich wird auf Recht und Gesetz eingegangen. Familien und Sippen, Wirtschaft und Unterhaltung sind Kapitel, die Erainn zusätzliches Leben einhauchen.

Der naturverbundene Glaube der Erainner und seine Beschäftigung mit der Grünen Magie, der Magie der Natur (Dweomer), werden ausführlich dargestellt. Leider wurde die Beschreibung des Glaubenszentrums Teámhair als Reisebericht dargestellt. Die erzählende Heilerin verzichtet bei fast all ihren Sätzen auf Verben, was das Lesen ihrer Beschreibungen sehr anstrengend macht. An dieser Stelle hätte ich mir eine blumigere Schreibweise wie die eines überschwänglichen Barden gewünscht. So wirkt das vermutlich faszinierende Teámhair leider sehr trocken.

Dass die Erainner ein sehr lebenslustiges Volk sind, wird durch die Beschreibung einiger Zaubertänze wieder einmal bestätigt. Die Tänze erschienen ursprünglich bereits im |Gildenbrief| 46, wurden allerdings an die vierte Auflage der Regeln angepasst. Außerdem ist es jetzt auch möglich, die Tanzschritte unabhängig von der Zauberwirkung des Tanzes zu lernen, was besonders bei den Gruppentänzen von Vorteil ist.

Für Abenteurer aus Erainn bietet das Quellenbuch die Rasse der Elfenmenschen an, eine recht häufig vorkommende Personengruppe, die sowohl von Elfen bzw. Coraniaid und Menschen abstammen. Die neue Charakterklasse der Fionnacórach (Rechtfinderin), eine magiebegabte Ermittlerin, verfügt über Zauber, die sich an Heilerinnen anlehnen, ergänzt um etliche Informationszauber. Es handelt sich dabei um eine durch die Wichtigkeit der Gesetze und der Heilerinnen gut in die Kultur integrierte neue Klasse.

Der dritte große Abschnitt des Quellenbuches bietet vier Abenteuerskizzen von Karl-Georg und Patrick Müller und ein Abenteuer von Ulf Zander & Andreas Mätzing. In „Noch eine Diebesbande“ dürfen die Abenteurer Dieben hinterherjagen und auch bei „Sport ist Mord“ ist der Titel Programm. Beides sind kurze Szenarien, die geschickt in die Stadt Cuanscadan einführen. Letzteres ist zwar kurz gehalten, aber einmal mehr verbirgt sich mehr hinter den Fassaden als nur einfacher Mord. Die Abenteuerskizzen „Freiheit für Ceallach an’ailgin“ und „Der Kult der Blauen Auster“ beschäftigen sich mit den ansässigen Geheimgesellschaften. Alle vier Abenteuerskizzen kann man sofort in Szene setzen, ohne viel Arbeit investieren zu müssen. Gleiches gilt für das bereits in |Spielwelt| 37 veröffentlichte, komplett überarbeitete Abenteuer „Das Auge des Wüstengottes“. Anders als die Abenteuerskizzen handelt es sich hierbei nicht um ein Stadtabenteuer, sondern eher um ein kleines Dungeon, das nicht zu unterschätzende Gefahren für die Abenteurer bereithält.

Ein kleines erainnisches Wörterbuch rundet dieses Quellenbuch ab. In einer Kartentasche am Ende des Bandes wurden ein großformatiger, schwarzweißer Stadtplan Cuanscadans und eine Farbkarte des Fürstentums untergebracht.

„Cuanscadan“, das Tor zu Erainn, der Hafen der Heringe ist ein absolut hervorragendes Quellenbuch. Die Lebendigkeit der Bewohner, ihre Abgründe, ihre Besonderheiten und nicht zuletzt die mitgelieferten Abenteuer laden zu sofortigem Spiel ein. Die Beschreibung des Landes Erainn gibt einen zwar kurz gefassten, aber dennoch gelungenen Überblick dieses bisher leider vernachlässigten Landstrichs. Hoffentlich löst Cuanscadan in Zukunft Corrinis als populärste Stadt Midgards ab.

© _Hornack Lingess_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ veröffentlicht.|

Marzi, Christoph – Lycidas

„Originell“ ist ein Wort, das man heutzutage nicht mehr so leicht in den Mund nehmen kann, wenn es um phantastische Literatur geht. Wenn wir ganz ehrlich sind, sind die meisten neuen Bücher, die wir lesen, in irgendeiner Weise irgendwo abgekupfert. Wie soll man allerdings bei den Zillionen Romanen auf dem Markt noch etwas Eigenes kreieren? Es ist schwierig geworden, aber es geht durchaus, auch wenn man sich dabei zugleich reichhaltig am Fundus großer Klassiker bedient. Das mag widersprüchlich klingen, doch Christoph Marzi hat es geschafft. In meinem Leseuniversum hat sein London-Dualsystem jedenfalls noch keine Entsprechung gefunden, die große Ideen der Weltliteratur und der vertrauten Mythenwelt in zugleich solch individueller Weise neu erschafft.

London-Dualsystem? Jawohl. Klingt komisch, ist aber so. Schauplatz der Geschichte ist also die englische Hauptstadt der Jetztzeit, in der das Waisenmädchen Emily Laing mit den roten Haaren und dem Glasauge lebt und viel Schmach und Schande sowohl von der Heimleitung als auch den anderen Heimkindern ertragen muss. Nur die ebenfalls zwölfjährige, dunkelhäutige Aurora Fitzrovia hält zu Emily, und mit der Zeit werden die beiden die besten Freundinnen, was das Leben in dem Heim etwas erträglicher macht. Eines Tages geschieht etwas sehr Eigenartiges, als Emily ihrer täglichen Arbeit in der Heimküche nachgeht. Plötzlich sitzt eine Ratte auf den Vorratssäcken – und sie kann reden!

Emily ist natürlich erschrocken und verwundert, als ihr die Ratte, die sich als Lord Brewster vorstellt, dann auch noch aufträgt, ein besonderes Auge auf einen der Neuzugänge im Heim zu werfen (der Kalauer sei an dieser Stelle gestattet). Dabei handelt es sich um die kleine Mara, doch bevor die beiden sich überhaupt haben kennen lernen können, wird Mara von einem Werwolf entführt. Emily nutzt den enstandenen Tumult, um zu türmen, und wird schließlich von dem Alchemisten Wittgenstein aufgegabelt. Der alte Herr, der Kinder nicht besonders gerne mag, nimmt sich des jungen Mädchens an, denn er merkt, dass sie nicht gewöhnlich ist. Sie ist ein Wechselbalg, in ihr fließt elfisches Blut, und sie ist eine Trickster, was bedeutet, dass sie die Fähigkeit besitzt, in anderer Leute Bewusstsein einzudringen.

Außerdem ist sie die Nachfahrin einer der beiden angesehenen Elfenfamilien in London, Manderley Manor, die mit Mushroom Manor in einem ewigen Wettstreit liegt. Diesen tragen sie aber nicht nur an der Oberfläche Londons aus, sondern auch darunter. Darunter? Allerdings, denn unter der „Stadt der Schornsteine“ erstreckt sich die so genannte Uralte Metropole, die Stadt unter der Stadt, die durch abgelegene und zumeist unbenutzte U-Bahn-Schächte erreichbar ist. Dort unten tickt die Uhr etwas anders, weshalb die subterrane Metropole von einem altertümlichen Zauber umgeben ist. Viele Kulturen aus verschiedenen Ländern fließen dort unten zusammen. Es gibt Grafschaften, Engelswesen, nicht ganz gewöhnliche Spinnentiere und einige gefährliche Spezies wie die Rattlinge, Ratten-Echsen-Hybriden, die sicherlich keine guten Absichten verfolgen.

Und es gibt dort unten etwas, das Kinder entführt. Jedenfalls wird London schon seit längerem von mysteriösen Kindsentführungen heimgesucht, und nun obliegt es Wittgenstein, Emily, Aurora und dem Elfen Maurice Micklewhite, diese Geschichte aufzuklären. Auffällig ist vor allem, dass diese Kindsentführungen in der Historie der Menschheit immer wieder auftauchten, und sie erkennen schnell, dass es dort eine Verbindung geben muss. Weitere Recherchen führen sie immer tiefer in ein Labyrinth von Legenden und Geschichten, die bis ins alte Ägypten zurückgehen und in denen gewisse Personen immer wieder auftauchen. Kann es sein, dass der gefallene Engel Lucifer etwas damit zu tun hat? Oder Madame Snowhitepink, die Emily und Aurora aus dem Waisenhaus kennen, wo sie immer wieder Kinder hat „entleihen“ dürfen? Oder sind die beiden vielleicht doch nur Handlanger in einer viel größeren, schrecklichen Machenschaft, die das Fortleben der Stadt zu bedrohen scheint? Und was haben Mara und Emily mit diesen Ereignissen zu tun?

Aus der Inhaltsbeschreibung wird hoffentlich schon ersichtlich, dass wir es hier mit einer sehr eigenständigen und originellen Welt zu tun haben, die gekonnt Realität und Fantasy verbindet, ohne dabei übertriebene Komik zu verwenden, die aus den Missverständnissen und Konflikten dieser beiden Pole erwächst. Allein das ist schon viel wert, denn es lässt die Geschichte sofort deutlich seriöser erscheinen. Auch der Rückgriff auf Stoff aus der Geschichte, wie zum Beispiel die Legende von Jack the Ripper, die Marzi anhand der Uralten Metropole zu erklären weiß, oder die Vielzahl der morgenländischen Einflüsse sowie weitere Rückgriffe auf das alte Rom oder die englische Geschichte zeugen nicht nur von einem großen Wissen, sondern auch von einer großen Kreativität des Autors. Es spricht für ihn, dass er es zudem noch schafft, diese verschiedenen Elemente konsequent zu einer in sich schlüssigen und gut durchdachten Welt zu verbinden.

Die Handlung, die sich über 860 Seiten erstreckt, kann von Marzis Hang zur Komplexität nur profitieren, auch wenn es dem einen oder anderen vielleicht an einigen Stellen etwas zu viel des Guten werden könnte. Bei „Lycidas“ haben wir es auf jeden Fall nicht mit Kinderliteratur zu tun, denn dazu ist der Aufbau des Buchs viel zu komplex. Die Arbeit mit Vor- und Rückgriffen lässt das Erzählte zwar sehr lebendig werden, schafft aber ab und an Verwirrung, besonders wenn man sich noch nicht intensiv eingelesen hat. Allerdings wird dadurch natürlich auch ein zusätzliches Maß an Spannung aufgebaut, was einer der Gründe dafür ist, diesem Buch das Attribut „Pageturner“ zu verleihen. Ich habe jedenfalls schon lange keinen Roman mehr gelesen, der mich so gefangen hat! In diesem Punkt können selbst die letzten beiden Harry-Potter-Bände nicht mithalten.

Allerdings will ich des Lobes auch nicht gar zu voll sein, denn bei solch einer Schwarte wäre es beinahe unnatürlich, wenn es nicht ab und zu ein paar Längen gäbe. Das hängt hauptsächlich damit zusammen, dass der Autor nicht nur auf die Schilderung von Erlebnissen setzt, sondern auch auf Recherchearbeit der Hauptpersonen in Büchern. Irgendwie müssen die jungen Mädchen ja an das Wissen über die alten Geschichten herankommen. Das ist zwar interessant, aber dadurch, dass in diesen Passagen fast nur geredet wird und in einem fort Hintergrundgeschichten und Theorien konstruiert werden, die später wieder verworfen werden, hängt der werte Leser immer wieder in der Warteschleife.

Ein weiterer deutlicher Pluspunkt für diesen Roman sind die gut ausgearbeiteten Hauptpersonen, bei denen der Ich-Erzähler dem Leser natürlich am nächsten steht. Und wer ist dieser Ich-Erzähler? Emily, die ja wohl eindeutig die Hauptperson ist? Nein, meine Freunde, ihr irrt. Es ist der Alchemist Mortimer Wittgenstein. Wie kann das gehen? Ganz einfach. Der Autor erteilt ihm göttliche Vollmachten, so dass er stellvertretend für Emily erzählt, was sie sieht, erlebt und fühlt. Auch anstelle anderer Personen erzählt er deren Erlebnisse, was ungewohnt, bei genauerem Hinschauen aber ein wirklich geschickter Schachzug ist. Dadurch bekommt das Buch einen gewissen Märchenonkelcharakter, der immer unterbrochen wird, wenn Wittgenstein selbst in die Ereignisse verwickelt ist, was nicht zu selten geschieht.

Hand in Hand damit geht der herausragende Schreibstil einher, der sehr persönlich gefärbt ist und sich dem Charakter des Alchemisten anpasst. Seine Art von trockenem Humor wird immer wieder aufgegriffen und bestimmte Sätze werden ständig wiederholt (wie zum Beispiel der Ausruf „Dieses Kind!“, wenn Emily mal wieder eine Frage stellt, was sie in Wittgensteins Augen viel zu oft tut), was nicht störend wirkt, sondern Persönlichkeit verleiht. Hinzu kommt eine an den Alltag angelehnte Sprache, es werden also viele Stilmittel wie Auslassungen, rhetorische Fragen, abgehackte, sehr kurze Sätze eingesetzt, die ihre Wirkung nicht verfehlen und das Buch ungemein beleben.

Das Buch des im Übrigen deutschen Autors wurde mit dem Deutschen Phantastikpreis ausgezeichnet und dazu kann ich nur sagen: Mit Recht! „Lycidas“ ist ein Pageturner erster Güte, bei dem fast alles stimmt. Dichte Handlung, eine wunderbar entworfene Fantasywelt, ein herrlicher Schreibstil und sympathische Hauptfiguren. Ich habe in den letzten Monaten nur selten Bücher in der Hand gehabt, die mich so fesselten, auch wenn es die eine oder andere Länge gibt, die für einen Punktabzug in der B-Note verantwortlich ist. Trotzdem kann ich das Buch mehr als empfehlen, und besonders denjenigen, die im Phantastiksektor vorerst genug haben von pubertierenden Helden, die für Kinder geschaffen wurden und in einem kunterbunten Land der Frohsinn-Magie verweilen, sei dieser Roman ans Herz und in die Pfötchen gelegt.

_Der Autor_ wurde 1970 geboren und verbrachte seine Kindheit in der Eifel. Er studierte in Mainz und wohnt jetzt zusammen mit seiner kleinen Familie im Saarland.

Die Geschichte um Emily und die uralte Metropole ist im Übrigen noch nicht zu Ende. Der Folgeband [„Lilith“ 2070 ist bereits erschienen und wird derzeit von mir verschlungen.

Weitere Informationen gibt es unter http://www.christophmarzi.de.

Dan Shocker – Das Grauen (Larry Brent, Band 1)

Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus

Im französischen Ort Maurs werden die Menschen Opfer von Vampiren. Zunächst werden nur vereinzelt Menschen angezapft, ohne getötet zu werden, dann gibt es die erste Leiche. Die französische Regierung bittet den amerikanischen Geheimdienst um Amtshilfe. David Gallun, Chef der geheimnisvollen PSA, der Psychoanalytischen Spezialabteilung, schickt seinen Agenten Henry Parker, alias X-Ray-18, nach Frankreich. Tatsächlich gelingt es dem Amerikaner, eine Menge Informationen zu sammeln. Dreh- und Angelpunkt ist das Anwesen des Ägyptologen Professor Bonnard, der gemeinsam mit dem undurchsichtigen Dr. Canol obskure Forschungen betreibt. Henry Parker setzt sich auf die Fersen von Canol, um die entscheidenden Beweise zu erbringen, und läuft direkt in die Falle.

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Baker, Richard / Stout, Travis / Wyatt, James – Vergessene Reiche: Spieler-Handbuch Faerûn

|“Die Helden der Vergessenen Reiche sind so unterschiedlich und vielfältig wie die Regionen, aus denen sie stammen. Diese Sammlung faerûnischer Informationen und Geheimnisse erlaubt Ihnen, endlos viele verschiedene Charaktere zu generieren und auszurüsten, die alle gegen die Herausforderungen, die ihnen bevorstehen, wohlgefeit sind. Von Völkern über Talente, Zauber und Prestigeklassen bis hin zu magischen Gegenständen und vielem mehr bringt das SPIELER-HANDBUCH FAERÛN den Kampagnenhintergrund der Vergessenen Reiche auf den Stand der Edition 3.5, lässt einige alte Lieblingsinhalte der Versionen 1.0 und 2.0 wieder aufleben und enthält zudem ganz neues Material zur Charaktergenerierung.“| (Herstellerinformation)

Das SPIELER-HANDBUCH FAERÛN ist ein Hardcover im DIN-A4-Format mit 224 Seiten. Der Entwurf des Buches stammt von Richard Baker, Travis Stout und James Wyatt. Die Übersetzung ins Deutsche wurde von Stefan Kreksch und die Umschlagillustration von Adam Rex gefertigt. Das Buch ist ein Ergänzungsband für die Kampagnenwelt Vergessene Reiche der „Dungeons & Dragons“-Edition 3.5 und baut unter anderem auf folgende Quellen auf: KAMPAGNEN-SET: VERGESSENE REICHE, MONSTER FAERÛNS und MAGIE FAERÛNS.

Die ersten beiden Seiten nach dem ausführlichen Inhaltsverzeichnis widmen sich einer Einleitung, wie das Buch verwendet werden kann, es gibt eine Kapitelübersicht, Informationen darüber, welche Bücher man benötigt, um das Buch überhaupt nutzen zu können, und welche weiteren Bücher für die Kampagnenwelt der Vergessenen Reiche bereits erschienen sind.

Kapitel 1: „Regionen und Talente“ widmet sich dann den schon im Kampagnen-Set aufgeführten Regionen und damit verbundenen Starttalenten für die verschiedenen spielbaren Völker. Hierbei wurden einige Änderungen an den Vorgaben des Kampagnen-Sets vorgenommen. Es wurden unter anderem die bevorzugte Klasse für eine bestimmte Region weggelassen oder regionale Talente attraktiver gemacht, um einen Spieler für die Mühe, seinem Charakter eine Herkunft zu geben, zu belohnen. Insgesamt 45 Seiten widmen sich neuen Statistiken, den verschiedenen Völkern der Menschen, den Heimatregionen auch nichtmenschlicher Volksgruppen und den überarbeiteten Talenten für die Kampagnenwelt.

Kapitel 2: „Prestigeklassen“ stellt 20 Prestigeklassen für faerûnische Charaktere vor. Auf 33 Seiten werden dem Leser zum Großteil überarbeitete Prestigeklassen präsentiert. Die meisten Überarbeitungen fallen nicht schwer ins Gewicht, nur der ehemalige Harfner-Kundschafter und nun Harfneragent und die Hathran haben sich zum Teil drastisch verändert. Die Klassen Erzmagier, Hierophanten und Roter Magier sind nicht enthalten, da die überarbeiteten Versionen im SPIELLEITER-HANDBUCH zu finden sind.

Im Kapitel 3: „Domänen und Zauber“ werden auf 49 Seiten Klerikern spezielle Talente spendiert, die zusätzliche Klerikerzauber auf verschiedenen Graden ermöglichen und weitere Fähigkeiten verleihen; es gibt umfassende Zauberlisten, die alle (überarbeiteten) Zauber aus dem KAMPAGNEN-SET, MONSTER FAERÛNS, MAGIE FAERÛNS, VÖLKER FAERÛNS dem UNTERREICH, dem SPIELER-HANDBUCH und diesem Buch beinhalten. Abgeschlossen wird das Kapitel durch die Beschreibungen der Zauber aus diesem Buch.

Kapitel 4 widmet sich magischen Gegenständen. Es werden ergänzende besondere Eigenschaften für Waffen und Rüstungen beschrieben und auf insgesamt neun Seiten neue Artefakte aller Arten aufgeführt. Die Gegenstände sind auf die Kampagnenwelt abgestimmt und im Detail beschrieben.

Kapitel 5: „Epische Stufen in Faerûn“ befasst sich auf dreizehn Seiten mit den epischen Stufen von einigen der in Kapitel 2 vorgestellten Prestigeklassen und zwei weiteren: dem nesserischen Arkanisten und dem Zauberfeuer-Hierophanten. Dazu gibt es neue epische Talente und neue epische Zauber.

Kapitel 6: „Die Kosmologie Torils“ umfasst 30 Seiten, die sich dem Ebenenreisen, den Merkmalen der Ebenen und Ebenenbeschreibungen widmen. Die hier vorgestellten und beschriebenen Ebenen der Vergessenen Reiche unterscheiden sich im Aufbau von der Kosmologie, wie sie das SPIELLEITER-HANDBUCH vorgibt, und ergänzen das Material aus dem KAMPAGNEN-SET.

Kapitel 7: „Das Kampagnentagebuch“ besitzt sechs Seiten, auf denen dem Leser nahe gebracht wird, wie die offizielle Zeitlinie in die eigene Kampagne eingebaut werden kann und welche großen Ereignisse unlängst in dieser Linie geschehen sind. Daraus ergeben sich auch Ereignisse und Gerüchte, die knapp angerissen werden.

Im Anhang mit 20 Seiten geht es noch um Psioniker in Faerûn, ihr Verhältnis zum Gewebe, ihre Organisation und eine psionische Prestigeklasse, den Gedankendieb. Daran schließt sich Material aus dem Buch der widerwärtigen Finsternis (BOOK OF VILE DARKNESS) und dem Buch der löblichen Taten (BOOK OF EXALTED DEEDS), auf die Vergessenen Reiche abgestimmt, an. Zum Schluss gibt es noch eine Regelvariante für mächtige Völker mit Stufenentsprechung und wie man sie noch in das Spiel einbinden kann.

Wer diesen Ergänzungsband liest und bereits über andere Bände zu dieser Kampagnenwelt verfügt, wird auf gewohnte Kost stoßen. Möglichst knappe Abschnitte und Absätze mit möglichst viel Information. Sehr viele übersichtliche Tabellen, ein ausführliches Inhaltsverzeichnis in gewohnter und deshalb immer noch toller optischer Aufmachung.

Positiv sind die Kästen zu bewerten, in denen dem Leser immer wieder kurz erläutert wird, was und warum es sich geändert hat. Dem Leser wird so die Möglichkeit verschafft, die Arbeit der Autoren und Verlage besser nachzuvollziehen. Auch die Karten und die Illustrationen sind stimmungsvoll aufgemacht und unter dem Strich überdurchschnittlich gelungen.

Besonders nützlich sind Kapitel 1 und Kapitel 6. Die Angaben aus Kapitel 1 über die Völker der Menschen helfen dem Spieler, einem Charakter viel mehr Individualität und Atmosphäre zu verleihen und helfen auch Spielern, die sich den Kopf über das körperliche Aussehen ihres Charakters zerbrechen. Kapitel 6 ergänzt das Kapitel über die Götter und Ebenen im Kampagnen-Set und liefert viele Informationen, die ein Spielleiter für die Vergessenen Reiche bei Ebenenreisen einfach braucht. Kapitel 5 wird alle Spieler/leiter freuen, die sich in epischen Gefilden tummeln und nach der Erweiterung der Prestigeklassen und neuen Talenten wie Zauber hungern. Die Zusammenfassungen der Roman- bzw. der Abenteuerserien „Die Rückkehr der Erzmagier“ und „Der Krieg der Spinnenkönigin“ sind eine gelungene Hilfestellung für Spielleiter, die dieses Material verwenden wollen, besonders wenn man es nicht direkt kennt.

Was fehlt, sind ein Index und hier und dort ein zumindest stimmungsvoller Text aus den Reichen. Da es sich um ein maßgeschneidertes Produkt für eine Kampagnenwelt handelt und das Buch damit nicht dem Anspruch der universellen Verwendung gerecht werden muss, hätte es sich angeboten, zumindest mit kurzen Texten für atmosphärische Einschübe zu sorgen. So sind die Texte in dieser Form stellenweise zu trocken und das Buch lädt nicht zum Schmökern ein. So wäre es zum Beispiel vorteilhaft gewesen, wenn Kapitel 5 mehr als nur erweiterte Prestigeklassen, Talente und Zauber enthalten hätte; zum Beispiel Ideen zu einer epischen Kampagne, Stichpunkte zum täglichen Leben einer Legende in Faerûn – ungemein nützlich für Spielleiter, die sich damit herumschlagen. Auch ist die Vielzahl an Prestigeklassen nicht unbedingt nötig. Sicherlich ist es schön, so viele Möglichkeiten wie machbar abzudecken, auf der anderen Seite scheint man anzunehmen, die Grundklassen seien zu langweilig, um ohne eine Prestigeklasse einen interessanten Charakter ausmachen zu können. Und auch neue Zauber braucht es eigentlich kaum, wird ein Spieler dadurch nur noch mehr zum Suchen und Auswählen genötigt.

Als Fazit kann man das Buch einem Fan der Vergessenen Reiche unbedenklich empfehlen, schon allein, weil es die bisher auf deutsch erschienen Bücher der Edition 3.0 regeltechnisch auf den neusten Stand bringt. Handwerklich ist das Buch gute Qualität, aufgrund des speziellen Inhaltes nur eingeschränkt für andere Kampagnenwelten einsetzbar. Es fehlt vielleicht ein wenig an Atmosphäre in den Texten für den vollen Preis des Buches, aber wenn man in den Vergessenen Reichen spielt, ist es kein Fehlkauf.

© _Sebastian Hogrebe_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ veröffentlicht.|

Lindquist, Mark – Carnival Desires

Mark Lindquist ist hierzulande noch ein recht unbeschriebenes Blatt. In Amerika dagegen ist er weitaus bekannter. Bret Easton Ellis bekennt, dass Lindquist sein Lieblingsautor ist, und so wie Ellis auch, wurde Lindquist Ende der 80er und zu Beginn der 90er zum so genannten |“literarischen Brat Pack“| gezählt. Zum |“Brat Pack“| zusammengefasst wurden seinerzeit Autoren, die mit ihrem postmodernen Prosastil die Literaturkritik in wahre Verzückung versetzten. Neben Ellis und Lindquist zählte auch noch Jay McInerney dazu.

Lindquist tauchte als Romanautor zuerst 1987 mit „Sad Movies“ auf der Bildfläche auf. 1990 folgte der 2005 nun endlich auch auf Deutsch bei German Publishing veröffentlichte Titel „Carnival Desires“. Nach zehnjähriger kreativer Pause folgte 2000 dann „Never Mind Nirvana“. Der vierte Roman scheint in Arbeit zu sein.

Lindquists Biographie ist recht ungewöhnlich und dient ihm immer wieder als Inspirationsquelle für seine eindeutig autobiographisch gefärbten Romanfiguren. Bis Anfang der 90er schrieb Lindquist Drehbücher für große Hollywood-Studios. 1991 folgte dann ein radikaler Schnitt. Lindquist zog sich völlig zurück, studierte Jura und arbeitet heute als stellvertretender Staatsanwalt in Seattle.

Lindquist ist jemand, der hinter die Kulissen Hollywoods geschaut hat, und diese Erfahrungen und Eindrücke sind Teil seiner Romane. Seine Hauptfiguren arbeiten bei Filmgesellschaften, sind Schauspieler, Regisseure und Drehbuchautoren, wie Lindquist selbst. Nur bei „Never Mind Nirvana“ kommt die Hauptfigur aus einer anderen Ecke und ist – welch eine Überraschung – Staatsanwalt in Seattle.

Ausgangspunkt von „Carnival Desires“ ist Tim, der im Roman selbst aber keine allzu lebendige Rolle mehr einnimmt. Kein Wunder, denn Tim, der als Schauspieler tätig war, hat sich an Heiligabend erschossen – aus Langeweile. An Silvester kommen Tims Freunde zusammen, denken zurück an ihre gemeinsamen Jahre und grübeln über die Zukunft. Tims Freunde sind allesamt Endzwanziger und Teil von Hollywoods Film- und Partyszene. Tims Tod lässt sie einen Moment inne halten und über ihr Leben, ihre Träume und Ziele nachgrübeln.

Und so kommt es, wie es an Silvester zwangsläufig kommen muss: Es werden gute Vorsätze fürs neue Jahr gefasst. Der Drehbuchautor Bick will sich zur Ruhe setzen, in den Norden ziehen und ein religiöseres Leben führen, der Regisseur Oscar will eine Freundin finden, Mona will endlich einen Job ergattern, Schauspielerin Libby will eine Sprechrolle an Land ziehen und das Schauspielerpaar Merri und Willie will endlich erwachsen werden, was für Willie bedeutet, Merri zuliebe den Drogen entsagen zu müssen. Joys Vorsatz ist es, einen Vorsatz zu finden.

Ein paar Monate später wollen die Freunde sich wieder treffen und über Erfolg und Misserfolg ihrer Vorsätze urteilen. Die einen vergessen ihre Vorsätze so schnell, wie sie sie gefasst haben, andere arbeiten darauf zu, sie zu erfüllen und wiederum andere enden in einer absoluten Katastrophe …

„Carnival Desires“ ist ein Roman, der auf den ersten Blick einfach nur locker-flockige Lektüre zu sein scheint. Knappe Dialoge, gepfefferte Wortwechsel mit Witz und Ironie und eine Handlung, die mehr oder weniger daraus besteht, in Momentaufnahmen die unterschiedlichen Figuren der Geschichte zu beleuchten und zu Wort kommen zu lassen. Leichtgängige Unterhaltung über das schräge Leben in Hollywood.

Doch das würde dem Roman nicht ganz gerecht werden. Lindquists Roman hat zweifelsohne seine witzigen Momente, die vor allem im Partygeplänkel der Hauptfiguren und den flotten Wortwechseln durchschimmern, aber das ist eben noch längst nicht alles, was diesen Roman ausmacht.

Lindquist weiß, wovon er spricht. Die Hauptfigur Bick könnte er selbst sein. Die biographischen Parallelen sind offensichtlich. Lindquist hat durch diese Nähe zu seiner eigenen Biographie Charaktere erschaffen, die (gemessen an ihrer Umgebung) überraschend menschlich und real wirken. Man kann sich erstaunlich gut in sie hineinversetzen.

Lindquist versetzt seine Hauptfiguren in alltägliche Situationen und lässt seine Figuren ganz natürlich darin agieren. Bei einem Roman, der in einer realitäts-vakuumverpackten Welt wie Hollywood spielt, mag das ein wenig verwundern, aber es verleiht dem Roman eine besondere Note. Natürlich gibt es auch abgedrehte Figuren, wie den Schauspieler Willie, der alles, was er macht, gleich bis zum Exzess durchlebt, aber auch hinter seiner überdrehten, zugedröhnten Fassade schlummert ein überraschend menschlicher Kern. Bei Lindquist bietet fast jede Figur ihre eigenen Identifikationspunkte.

Jeder ist auf der Suche nach seinem persönlichen Glück. Jeder versucht auf seine individuelle Art, sich selbst zu verwirklichen, insofern ist Lindquists Blick hinter die Hollywood-Gesichter ein durch und durch menschlicher. Jeder hat irgendeinen wunden Punkt, jeder einen schwarzen Fleck auf der Seele und muss mit seinen eigenen Problemen fertig werden; und wie es scheint, ist es kaum irgendwo schwieriger glücklich zu werden als in Hollywood. Der Wert echter Freundschaft ist dabei unermesslich und genau das müssen auch die Figuren in Lindquists Roman erkennen.

Gewürzt wird „Carnival Desires“ durch Lindquists gewitzte und intelligente Art. Er schreibt in einem recht schlichten Stil, verschachtelt sich nicht im Satzbau, sondern bringt seine Aussagen zielsicher auf den Punkt. Ein großer Teil des Romans besteht aus Dialogen und so ist Lindquists Art, seine Ideen und Gedanken zu vermitteln, eine sehr direkte. Seitenhiebe auf Hollywood gibt es da natürlich in Hülle und Fülle, aber auch kritische Töne über die Funktionsweise und Machtstrukturen der Traumfabrik.

Alles in allem ist „Carnival Desires“ in all seiner Einfachheit überraschend vielschichtig. Lindquist treibt die Geschichte mit viel Schwung voran, erzählt direkt und gewitzt, mal nachdenklich, mal humorvoll und stets sehr menschlich. Wer mal einen halbwegs realistischen Blick hinter die Kulissen Hollywoods werfen will, der ist mit diesem Roman gut bedient und bekommt gleichzeitig noch ein unterhaltsames Werk zeitgenössischer Literatur in die Finger.

Lindquist hat eine ganz eigentümliche Mischung aus Witz und Melancholie, die durchaus Lust darauf macht, auch mal zu seinen beiden anderen Romanen „Sad Movies“ und „Never Mind Nirvana“ zu greifen. Freunden von Douglas Coupland und Konsorten sehr ans Herz zu legen.

Oidium, Jan / Winter, Norman / Kornmann, Gerd – Teiser

„Teiser“ ist der Name des neuen Comic-Projekts von Jan Oidium. Dieses Mal hat der Autor der „Fire & Steel“-Reihe, die nach dem vierten Band eingestellt wurde, jedoch nicht selber die Zeichnungen angelegt. Oidium ist ausschließlich für das Storyboard verantwortlich und hat in Norman Winter einen neuen Partner gefunden, der die etwas skurillen Ideen schließlich graphisch umgesetzt hat. Dabei ist zu sagen, dass Winter sich stilistisch sehr nahe an der Vorlage des Berliner Verlegers orientiert, weshalb man sich als Oidium-Fan auch sofort zurechtfinden wird.

Die Geschichte von „Teiser“ setzt ungefähr dort an, wo die „Fire & Steel“-Story geendet hat. Dementsprechend findet man innerhalb des Comics auch bekannte Charaktere wie die beiden finsteren Schergen Heimdall und Loki, die hier ebenfalls kurze Gastauftritte haben. Quasi als Verbindung zwischen den beiden Serien dient das beiligende Hörspiel, das erste Audio-Comic, bei dem Jan Hilfe von Gerd Kornmann, dem Sänger der Metalband THE OCEAN, bekommen hat. Kornmann hatte die schwierige Aufgabe, die verschiedenen Sounds und Effekte auszuwählen und sie in die Erzählung zu integrieren, was ihm übrigens fabelhaft gelungen ist. So findet sich hier eine Leierkasten(?)-Version von IRON MAIDENs ‚Blood Brothers‘ oder eine Ode an den Comic-Charakter „Hans der Vogel“. Außerdem gibt es am Ende noch einen Song der Band PLANET KING zu hören, die Vertraute bereits aus dem zweiten „Fire & Steel“-Comic kennen sollten. Und den zugehörigen Song hat niemand Minderer als „StarSearch“-Gewinner Martin Kesici eingesungen.

Bei diesen Voraussetzungen sind die Erwartungen an „Teiser“ natürlich enorm hoch, und auch wenn Jan Oidium und sein Team jetzt keinen Meilenstein in die Landschaft der Comic-Geschichte gesetzt haben, muss man den Mitwirkenden dennoch attestieren, gute Arbeit geleistet zu haben. Doch jetzt zur eigentlichen Handlung …

_Story:_

Teiser ist Künstler. Nachdem er diesen Beschluss gefasst hat, verfügt er weiterhin, dass der Funke der neuen Gesinnung auch auf seinen Freunde Beppo Thunderforce, den Igel, den Wurm und natürlich Hans den Vogel überzuspringen hat. Neben alten Bekannten gesellt sich auch Oggi der Hühner-Schamane zum bunten Treiben auf Schloss Teis und macht die Gruppe von Freunden komplett.

Abenteuer 1, KUBA:
Teiser beschließt als Erstes, mit seinen über Nacht entstandenen Kunstwerken um die Welt zu touren. Hans dem Vogel wird dabei eine „tragende“ Rolle zuteil. Während Beppo das Schloss Teis in der Wüste aus Sand originalgetreu nachbauen muss, versuchen sich Wurm, Igel und Hans der Vogel als Jiffel-Kombo. Oggi reitet derweil auf einer Mumie in die Stadt, um zahlende Ausstellungsbesucher zur Veranstaltung zu locken. Während der Teiser im organisatorischen Chaos versinkt, taucht noch eine Armee der Verteidiger des Weltkulturerbes auf und erklärt Teiser den Krieg.

Abenteuer 2, KAUF BEI TEISERS:
Teiser eröffnet einen Supermarkt, den er ins Zeichen der Kunst stellt, und lockt so mit ungewöhnlichen Methoden Kundschaft in den Laden. Dabei treibt es die Belegschaft in den Wahnsinn. Beppo fliegt derweil mit einer Horde hypnotisierter Hühner zum Markt, während Teiser eine Performance mit Schlager Wollfried vorbereitet, um kaufsüchtige Rentner besser mit Mokka und Griebenschmalz abzufüllen.

Abenteuer 3, POESIE:
Teiser wurde von der Muse verlassen und sucht nach neuer Inspiration für seine Werke. Er begibt sich mit Hans dem Vogel auf die Reise. Schloss Teis ist zu alledem auch noch von einer Zwangsversteigerung bedroht. Beppo ist nun allein im Schloss und bemüht sich, eine Vorstellung mit Oggi vorzubereiten, um das nötige Geld aufzutreiben. Doch Teisers organisatorische Fähigkeiten werden dringend benötigt. Dieser befindet sich fernab in einem See und versucht den Fischen das Singen beizubringen. Beppo setzt in seiner Verzweiflung den Wurm an das Klavier und lässt ihn das Vorprogramm spielen. Alle hoffen auf die rechtzeitige Rückkehr von Teiser, um dieses Debakel zu beenden.

Teiser-Hörspiel:
Abenteuer 4, PLANET KING LIVE AT CASTLE OITIONTISE:
Der mächtige, vor allem true Oitiontiser und sein Scherge Beppo Thunderforce bereiten ein Konzert der Gruppe PLANET KING vor und erwarten, dass ihr ärgster Widersacher, der dunkle Black-Metal-Fürst Dark Even McBaron die Veranstaltung mit seiner Horde Maulwurfsmenschen zu verhindern versucht. Zunächst zu deprimiert, um weiter böse zu sein, entwickelt Dark Even McBaron mit seinem Gehilfen Neroon doch noch eine finstere Strategie. Beide Seiten versuchen sich nun zu rüsten, um beim großen 28-Stunden-PLANET-KING-Konzert vor drei Millionen Zuschauern alle Register zu ziehen.

_Meine Meinung:_

Jan Oidium hat einen recht schrägen Humor, und genau diesen bekommt man in den drei Episoden des Comics respektive im Hörspiel dann auch permanent zu spüren. Abgeschlachtete, unschuldige Hühner, ein durchgeknallter Indianer und düstere Gestalten wie Heimdall und Loki bestimmen die Szenerie und sorgen recht schnell dafür, dass die Eigenwilligkeit des Comic-Autors wieder omnipräsent ist.

Die drei Geschichten in diesem 88-seitigen Sammelband hingegen schwanken in ihrer Qualität. Zeichnerisch astrein sind sie zwar alle, doch der Inhalt schwankt dann doch verdächtig zwischen ziemlich genial („Kuba“), recht einfallslos („Kauf bei Teisers“) und seltsam eigenartig („Poesie“). Doch der Reihe nach:

Mit dem ersten Stück „Kuba“ lernt man die beiden Hauptfiguren Teiser und Beppo kennen und freundet sich auch auf Anhieb mit den beiden an. Der stets verwirrte Beppo und der sich als Künstler maßlos überschätzende Teiser geben ein schlagfertiges Team ab, das mit seinen wahnwitzigen Ideen besonders hier die Lachmuskeln in Bewegung bringt. Die Idee, in den Pyramiden (!) des fernen Kuba eine total bekloppte Kunstaustellung loszutreten und eigens hierzu die beiden Düsterheimer Heimdall und Loki mitzunehmen, erweist sich als wirklich originell und die Umsetzung ist nahezu perfekt. Dass dabei am Ende auch noch die UNESCO eingreift und Beppo Thunderforce zum ersten Mal von seinen magischen Kräften Gebrauch machen muss, setzt dem Ganzen schließlich die Krone auf.

Die darauf folgende Erzählung ist jedoch leider ziemlich flach. In „Kauf bei Teisers“ will Teiser im Sinne der Kunst sein eigenes Kaufhaus etablieren. Seine Gefährten sollen in der Stadt mit einigen zweifelhaften Methoden die Besucher anlocken, was auch funktioniert, doch als dann der große Run auf das Kaufhaus einsetzt, ist die Geschichte auch wieder zu Ende; der Höhepunkt indes ist ausgeblieben. Es gibt zwar hier auch einige witzige Szenen (in erster Linie bedingt durch die Zeichnungen), doch im Vergleich zur vorherigen Story bleibt das Ganze hier recht flach.

Im letzten Strip betreten Oidium und Winter dann Neuland. „Poesie“ basiert einzig und allein auf der Dichtkunst, was die Dialoge zum einen ein wenig abgehobener wirken lässt, im Zuge dessen aber leider auch den Humor aus der Erzählung nimmt. Die Geschichte liest sich bei weitem nicht mehr so locker, wie man dies gewohnt ist, was den Einstieg deutlich erschwert. Andererseits verarbeiten die beiden Verantwortlichen hier einige sehr gute Ideen, und die Reise von Hans dem Vogel und Teiser ist schließlich auch ziemlich lustig geworden. Man braucht im Endeffekt also eine kleine Anlaufzeit, kann sich dann aber mit dem neuen Ansatz trotz einzelner Schwierigkeiten gut anfreunden.

Das Hörspiel ist schließlich das Bonus-Schmankerl dieses Comics, erzählt die Vorgeschichte zu „Teiser“ und ist den Machern außerordentlich gut gelungen. Sieht man mal von der etwas drögen Erzählerstimme ab, kommt die Sache ziemlich flott richtig gut in Fahrt, wobei vor allem die Effekte und der Soundtrack richtig stark geworden sind. Auch die Stimmen der verschiedenen Sprecher fügen sich hier prima in den sehr positiven Gesamteindruck ein und machen das Hörspiel trotz der relativ kurzen Spielzeit von gerade mal einer halben Stunde zu einem echten Vergnügen.

Das Vorhaben, in Form von „Teiser“ einen neuen Comichelden zu etablieren, sollte dem Team um Jan Oidium mit diesem (trotz dezenter Mängel im mittleren Strip) gelungenen Debüt eigentlich keine Schwierigkeiten bereiten. Die Figuren sind richtig gut gezeichnet und haben definitiv Witz, womit sie die wohl wichtigste Voraussetzung schon mitbringen. Außerdem ist der Humor des Texters eigenwilliger und irgendwie auch besser als bei den „Fire & Steel“-Heften. Und als Letztes weiß Oidium mit ausgefallenen Ideen und herrlich abgedrehten Rahmenhandlungen zu begeistern, die zwar nicht immer auf höchstem Niveau angesiedelt sind, alles in allem aber definitiv eine Menge Freude machen.
„Teiser“ gibt es für einen Unkostenbeitrag von 9,90 € auf der [Homepage des Verlags]http://www.oidium-verlag.de zu erwerben, wobei dies der Einführungspreis für die Serie sein wird. Doch mit 88 Seiten und einem zusätzlichen Hörspiel ist „Teiser“ zu diesem Preis auch eine sehr lohnenswerte Investition und auch mehr als fair berechnet. Viel Vergnügen!

Andreas Neumann – Sir John jagt den Hexer. Siegfried Schürenberg und die Edgar-Wallace-Filme

Siegfried Schürenberg (1900-1993) gehörte nie zu den Stars des deutschen Theaters, Films und Fernsehens. Schauspieler wie ihn nennt man „Charakterdarsteller“; sie stellen ihre Arbeit in den Dienst der erzählten Geschichte und tragen eher unauffällig ihren dennoch gewichtigen Teil dazu bei, diese möglichst unterhaltsam ablaufen zu lassen. Die Rollen sind meist klein aber prägnant. Manchmal gelingt es einem Charakterdarsteller, aus dem zweiten Glied hervorzutreten. Schürenberg kam in der Rolle des kauzigen „Sir John von Scotland Yard“ zu spätem Ruhm, als in den 1960er Jahren die deutschen Edgar-Wallace-Filme in Serie gedreht wurden. Der Künstler war auch als Theaterschauspieler tätig. Sicherlich ebenso wichtig ist sein Wirken als Synchronsprecher. Erst recht unsichtbar lieh er seine sonore Stimme zahlreichen US-Schauspielern und sprach u. a. für Clark Gable in der deutschen Fassung des Klassikers „Vom Winde verweht“.

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Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Mr. Mondos Monster (Folge 34, Teil 1)

Eines vorweg: So groß die Freude über ein weiteres neues Hörspiel der „John Sinclair“-Reihe auch ist, so groß ist schließlich auch wieder die Enttäuschung darüber, dass es sich hier um einen Zweiteiler handelt, der frühestens im April 2006 fortgesetzt werden wird. Mehr als drei Monate Wartezeit vom Veröffentlichungstag an, das ist wirklich deftig und im Falle dieser sehr spannenden und teilweise auch lustigen Geschichte schon recht fies. Andererseits gehört der erste Teil von „Mr. Mondos Monster“ zu den besten Episoden der gesamten Reihe, gerade weil den Machern hier etwas gelungen ist, was bei der seltsamen Comedy-Edition noch nicht funktioniert hat, nämlich Gruselstimmung mit Humor zu verbinden. Beide Daumen also nach oben für ein durch und durch gelungenes Hörspiel!

_Story:_

Sarah Goldwyn ist bei der örtlichen Polizei schon bekannt für ihre allabendlichen Anrufe, weshalb die Beamten die abenteuerlustige alte Dame auch nicht mehr ganz so ernst nehmen. So auch eines Abends, als die Lady bei der Behörde angibt, ihr Butler wäre von einem Werwolf angegriffen worden. Sicherheitshalber geht man der Sache nach und hört schließlich am Telefon auch einige seltsame Geräusche, die den Beamten zweifeln lassen. Also schickt er den berüchtigten John Sinclair in das Haus der alten Dame, und dieser findet tatsächlich die zerstückelte Leiche des Butlers dort vor.

John entdeckt recht schnell die Ursprünge dieser Tat und sucht den gräuslichen Ort, an dem der Werwolf erschaffen wurde, auf. Doch das Ganze war eine Falle, denn ein verrückter Wissenschaftler war nur darauf hinaus, den Geisterjäger in seine Gemächer zu führen und ihn dort außer Gefecht zu setzen. John kann trotzdem fliehen, doch beim Versuch, die finsteren Pläne von Mr. Mondo zu durchkreuzen, stellt er fest, dass er dem durchgedrehten Professor hilflos ausgeliefert ist. Jetzt kann er nur noch darauf hoffen, dass Suko und Bill Conolly ihm zur Hilfe eilen – oder aber die alte Dame, die sich selber einer erheblichen Gefahr aussetzt und in Mr. Mondos Labor herumschnüffelt …

_Meine Meinung_

Anfangs erinnert die Geschichte ein wenig an die berüchtigten Krimis mit Mrs. Marple. Die schrullige Sarah Goldwyn und die berühmte Detektivin haben definitiv Ähnlichkeit miteinander, nur dass man es hier mit komplett unterschiedlichen Gegnern zu tun hat. Aber dass die Lady später ebenfalls in die Ermittlungen eingreift, ist von diesem Hintergrund aus betrachtet sicherlich kein Zufall …

Davon mal ganz abgesehen, ist das neue Abenteuer von John Sinclair mal wieder bärenstark. Oliver Döring und sein Team haben sich im Rahmen dieses Zweiteilers sehr viele Freiheiten gelassen, was den Aufbau der Geschichte angeht, und dementsprechend ausufernd werden manche Szenen auch beschrieben. Doch damit meine ich damit nicht ‚übertrieben lang‘. Im Gegenteil, die Geschichte überrascht trotz allem mit einem sehr hohen Erzähltempo und gerät nur deswegen in die Länge, weil sich die Handlung an mehreren Hauptschauplätzen abspielt und außerdem auch viel mehr Personen als gewohnt ins Geschehen eingreifen. Und so ist es letztendlich auch genau diese Tatsache, die das Ganze so stimmig macht. Man nimmt sich die Zeit, die von der Handlung auch erfordert wird, und versucht nicht überhastet zum Schluss zu kommen. Vielleicht ist dies auch ein Ansatz, den man in künftigen Hörspielen verfolgen sollte, nur müsste eben das Ganze dann auch in einem Set, sprich als Doppel-CD, erhältlich sein. Die Idee, „Mr. Mondos Monster“ als Cliffhanger im Raume stehen zu lassen, ist nämlich äußerst unglücklich, gerade wenn man bedenkt, wie lange man auf die Fortsetzung warten muss. Da wäre es günstiger gewesen, man hätte beides erst im April veröffentlicht, denn bis es endlich so weit ist, hat man schon wieder die Hälfte vergessen und muss wieder von vorne beginnen (was wiederum nicht zwingend von Nachteil sein muss).

Nun gut, dies ist ein wesentlicher Kritikpunkt eines ansonsten tadellosen Hörspiels, bei dem sich die Macher einmal mehr selbst übertroffen haben. In „Mr. Mondos Monster“ findet man wirklich alle Elemente, die in der jüngeren Vergangenheit für diese Serie erprobt wurden: Humor, Spannung und eine entsprechend düstere Atmosphäre. Nicht zu vergessen die tollen Effekte, die hier erneut die Ausnahmestellung dieser Hörspiel-Reihe untermauern.

Auch wenn Kritiker die neuen Folgen von „John Sinclair“ nicht mehr ganz so famos finden, bin ich ganz klar der Meinung, dass sich Oliver Döring bei der tonalen Interpretation von Jason Darks Romanen nach wie vor am oberen Limit aufhält. „Mr. Mondos Monster“ ist nämlich ganz klar eine der besten Produktionen bislang, und wer – abgesehen vom Veröffentlichungsrhythmus – an diesem Hörspiel etwas auszusetzen hat, den kann ich beim besten Willen nicht verstehen.

http://www.sinclairhoerspiele.de/

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Glenn Meade – Mission Sphinx

Das geschieht:

1939 reist Playboy und Abenteurer Jack Halder, Sohn einer Dame aus der New Yorker Gesellschaft und eines preußischen Großgrundbesitzers, nach Ägypten, um an archäologischen Ausgrabungen teilzunehmen. Begleitet wird er von seinem besten Freund Harry Weaver, dessen Vater als Verwalter für die Familie Halder gearbeitet hat. Im Schatten der Stufenpyramide des Pharaos Djoser lernen sie die Archäologin Rachel Stern kennen und verlieben sich beide in die junge Frau. Die unbeschwerte, gemeinsam verbrachte Zeit endet abrupt, als Hitler seine Truppen in Polen einmarschieren lässt: Der II. Weltkrieg hat begonnen. Die Wege der drei Freunde trennen sich.

Vier Jahre später hat der Krieg seinen Höhepunkt erreicht. Jack Halder ist nach Deutschland zurückgekehrt. Zwar lehnt er das Hitler-Regime ab, aber seit seine Familie einem Luftangriff zum Opfer fiel, hat er den Alliierten Rache geschworen. Er ist zu einem der besten Spione der Abwehr geworden und hat sich auf Unternehmungen im nordafrikanischen Raum spezialisiert.

Rachel Stern musste als Jüdin die volle Grausamkeit des „Dritten Reiches“ erleiden. Daher bleibt ihr kaum eine Wahl, als ihr die Abwehr das ‚Angebot‘ unterbreitet, mit Jack Halder nach Ägypten zu gehen, um dort mit ihm ein hochbrisantes Unternehmen vorzubereiten: In Kairo werden sich im November 1943 US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill treffen – für die Nazis eine Gelegenheit, beide Staatsoberhäupter auszuschalten.

Die deutschen Aktivitäten in Ägypten sind nicht unbemerkt geblieben. Im Generalhauptquartier für den Nahen Osten arbeiten Briten und Amerikaner fieberhaft daran, den Anschlag zu verhindern. Lieutenant Colonel Harry Weaver vom Nachrichtendienst der US-Army wird die Leitung über ein Team übertragen, das die Attentäter entlarven soll. In der Wüste, den Labyrinthen alter Städte wie Kairo oder Alexandria und in den Ruinen Sakkaras beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel. Für Jack, Harry Rachel wird die Auseinandersetzung zu einer besonderen Zerreißprobe. Obwohl sie nun Gegner sind, finden sie erneut zueinander – bis sich herausstellt, dass eine/r von ihnen ein Verräter ist …

Vergangenheit und heikle Vergangenheit

Mit einem historischen Thriller, der zur Zeit des „Dritten Reiches“ spielt, lässt sich das Wohlwollen der Literatur-Kritik besonders in Deutschland schwerlich gewinnen. Angesichts der jüngeren Geschichte ist durchaus verständlich, dass es problematisch kann, die Welt zur Zeit des II. Weltkriegs als Abenteuer-Spielplatz für tapfere Helden und finstere Bösewichte zu benutzen. Das gilt erst recht, wenn auch die Prominenz des „Dritten Reiches“ persönlich auftritt. Die Versuchung ist groß, dieser die Züge typischer Hollywood-Schurken aufzuprägen, was der Handlung eines Romans zum Vorteil gereichen, angesichts des realen Grauens, das diese Männer vor gar nicht so langer Zeit entfacht haben, jedoch leicht einen schalen Nachgeschmack hinterlassen kann.

An dieser Stelle soll nicht erörtert werden, ob die unbekümmerte US-amerikanische oder britische Sicht auf dieses heikle Thema generell zu verurteilen oder unkommentiert zu akzeptieren ist; dies muss jede/r selbst für sich entscheiden. In den genannten Ländern (doch nicht nur dort) ist es jedenfalls legitim, das „Dritte Reich“ als Schablone für reine Unterhaltungsgeschichten zu verwenden. Am besten fährt der kritische Leser wohl, wenn er sich vor Augen führt, dass Meades Nordafrika trotz aller aufwendigen Recherchen (die der Autor in einem Nachwort beschreibt) rein fiktiv ist und mit der zeitgenössischen Realität etwa so viel gemeinsam hat wie das Rom Ben Hurs, der Wilde Westen John Waynes oder die Gotham City Batmans. Der spielerische Einsatz operettenhafter Nazi-Schergen negiert in keiner Weise die banale Bösartigkeit ihrer realen Vorbilder. Nur sehr schlichte oder vom Ungeist übertriebener „political correctness“ angekränkelte Gemüter setzen das eine mit dem anderen gleich.

Thriller mit vorab bekanntem Ausgang

Glenn Meade vermeidet die schlimmsten Fangstricke, indem er „Mission Sphinx“ auf einem Nebenschauplatz des II. Weltkriegs ansiedelt. Schriftstellerische Freiheiten kann man ihm vor der farbigen Kulisse des Nahen Ostens leichter verzeihen. Zwar vermag er der Versuchung nicht ganz zu widerstehen und bringt mit General Walter Schellenberg und Admiral Wilhelm Canaris vom deutschen Sicherheitsdienst zwei reale Figuren der Zeitgeschichte ins Spiel, aber er erspart seinen Lesern den in diesem Genre üblichen, von wagnerianischem Theaterdonner und Schwefeldunst begleiteten Auftritt von NS-Größen wie Göring, Himmler oder gar Hitler selbst.

Ansonsten müht sich Meade entschlossen, das große Manko seiner Geschichte zu überspielen: Da er einen gewissen Anspruch auf historische Genauigkeit erhebt, kann er es sich nicht erlauben, die Realität umzuschreiben. Im Klartext: Der Leser weiß, das alliierte Kommando-Unternehmen wird scheitern, denn weder Roosevelt noch Churchill sind 1943 einem Anschlag zum Opfer gefallen. So gilt es, dieses Scheitern an das Ende einer möglichst packenden Handlung zu stellen, um die Spannung zu erhalten, obwohl zumindest das historische Finale vorgegeben ist. Dies gelingt Meade im Großen und Ganzen gut. Dennoch seien einige kritische Anmerkungen gestattet.

Die dramatisch-tragische Geschichte dreier ‚normaler‘ Menschen in der Hölle des Krieges ist schon tausendfach erzählt worden. In dieser Hinsicht kann Meade mit keinen Überraschungen aufwarten. Sind seine drei Helden wider Willen erst einmal in Nordafrika eingetroffen, löst sich der Plot in eine einzige, vielhundertseitige Verfolgungsjagd auf. „Mission Sphinx“ könnte in diesem Teil um einige hundert Seiten gekürzt und die künstlich aufgeblähte Geschichte zu ihren Gunsten gestrafft werden. Die endlose Jagd durch die Wüste ist reiner Selbstzweck; sie wird wenigstens mit Schwung und Einfallsreichtum abgespult.

Kulissen statt Schauplätze

„Mission Sphinx“ spielt in Nordafrika, einem zumal in der Mitte des 20. Jahrhunderts fernen, fremden Land mit einer uralten, reichen Kulturgeschichte. Davon ist in dem Roman leider nur beiläufig die Rede. Kairo, Sakkara, Alexandria sind für Meade nur klangvolle Namen für exotische Orte aus 1001 Nacht und fantastische Kulissen für die aus Europa und Amerika importierten Helden und Bösewichter. Einige Szenen inmitten malerisch untergegangener Pharaonen-Herrlichkeit sind ein Muss für einen Roman, der in Ägypten spielt – dies unabhängig davon, wie logisch das im Gefüge des Handlungsgerüstes tatsächlich ist.

Der einheimischen Bevölkerung bleibt nur eine Statistenrolle. Als Individuen treten höchstens hinterlistige Handlanger der Nazis oder treuherzige Gehilfen der Helden auf, denen der Autor großzügig ihren Augenblick literarischen Ruhms gewährt, wenn sie eine verirrte Kugel trifft, was gleichzeitig den Guten Anlass für rührselige Gefühlsausbrüche bietet, die ihre edle Gesinnung unterstreichen sollen.

Auffällig sind die Verrenkungen, die Autor Meade unternehmen muss, um die Figur des Jack Halder als tragischen Helden aufzubauen. Deutscher Spion und hochrangiger Angehöriger des Sicherheitsdienstes darf er sein, Nazi aber auf keinen Fall. Also wird aus Halder ein „guter Deutscher“, der Hitler hasst und ihm nur dient, weil er als Soldat dazu verpflichtet ist – so sind sie halt, die Deutschen, wie Meade ‚weiß‘. Der Autor erledigt solche Schwarzweiß-Malereien lieber sofort, ehe er es später für das Drehbuch einer (erhofften) Verfilmung sowieso tun muss.

Diese (und andere, hier unerwähnt bleibende) Klischees mindern das Vergnügen an der Lektüre nicht entscheidend, solange man sich über eines im Klaren ist: „Mission Sphinx“ ist gewiss nicht der Fixstern am Literaturhimmel, als den die Kritik dieses Buch (besonders in den USA) der potentiellen Leserschar verkauft, sondern reine Kolportage – ein Unterhaltungs-Produkt, dessen Umfang eine Bedeutsamkeit suggeriert, die ihm indes nicht zukommt, das seinen eigentlichen Zweck aber hervorragend erfüllt.

Autor

Glenn Meade wurde am 21. Juni 1957 in Finglas, einer Vorstadt von Dublin, geboren, in der hauptsächlich Arbeiter lebten. Eigentlich wollte er Pilot werden, was an einer Augenkrankheit scheiterte. So studierte Meade Ingenieurswesen und bildete in New Hampshire Piloten am Flugsimulator aus. Später wurde er Journalist und schrieb u. a. für die „Irish Times“ und den „Irisch Independent“.

Parallel dazu begann Meade zu schreiben. Zunächst verfasste (und produzierte) er zwölf Stücke für das Strand Theatre in Dublin, mit denen die Darsteller auch auf Europa-Tournee gingen. Anfang der 1990er Jahre inspirierte der Fall der Berliner Mauer Meade zu einem ersten Roman. „Brandenburg“ (dt. „Unternehmen Brandenburg“) erschien 1994 und wurde auch außerhalb Großbritanniens ein Bestseller.

Meade verlegt seine Geschichten gern in die Vergangenheit. In diese Kulissen bettet er konventionelle Thriller-Elemente ein, die er mit ausladenden Liebesgeschichten anreichert. Meade-Romane sind lang und reich – an Handlung wie an Klischees. Wohl genau diese Mischung erfreut ein breites Publikum, weshalb Meades Werke in mehr als 20 Sprachen erscheinen.

Mit seiner Familie lebt und arbeitet Glenn Meade in Dublin und in Knoxville, US-Staat-Tennessee.

Taschenbuch: 748 Seiten
Originaltitel: The Sands of Sakkara (London : Hodder & Stoughton 1999)
Übersetzung: Susanne Zilla
http://www.luebbe.de

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