John Sinclair – Alptraum in Atlantis (Folge 75)

_Die Handlung:_

Als John Sinclair das halb verfallene Haus inmitten von London betritt, erwartet ihn eine Überraschung, die jede Vorstellungskraft sprengt: Er stürzt in eine Welt, die 10.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung existierte. Inmitten des sagenumwobenen Atlantis trifft der Geisterjäger auf seinen einst mächtigsten Gegner. Der Schwarze Tod bereitet den Untergang von Atlantis vor und er ist stärker als jemals zuvor … (Verlagsinfo)

_Mein Eindruck:_

Diesmal setzt der Verlag das Taschenbuch mit der Nummer 5 um, das erstmalig im Jahr 1981 am Kiosk und im Buchhandel zu bekommen war. Da die Abenteuer von John Sinclair auch und gerade im Taschenbuchformat nicht zwangsläufig in der nummerischen Reihenfolge genossen werden müssen, macht es nichts aus, dass das letzte Abenteuer die Hörspielfassung von Taschenbuch Nummer 11 gewesen ist.

Für John ist diese Folge der „Alptraum in Atlantis“, für den Hörer ist es Kopfkino der Extraklasse. Nicht nur toben sich die Effektbastler so richtig aus und schöpfen aus dem Vollen, auch die Story kann diesmal mit dem Hintergrund und der Musik mithalten.

Zeitreisen, Feuer speiende Drachen, der Schwarze Tod, Vogelmenschen … Atlantis? Das ist ja schon fast zu viel des Guten. Eine gute Stunde voller Action ohne Atempause für John oder den Hörer werden hier mit alten beliebten und unbeliebten Bekannten garniert. So trifft John in der Vergangenheit auf Kara, der er beistehen will.

Atlantis allerdings wird hier gar nicht so beschrieben, wie ich es mir vorgestellt habe … ich dachte da eher immer an Hochtechnologie, die in der Blüte untergeht. In Jason Darks Atlantis-Version hingegen wird noch mit Armbrüsten geschossen! Und anschließend präsentiert er auch seine Idee davon, wie es mit dem Kontinent zu Ende geht … und durch wen. Der Schwarze Tod spielt da eine gewichtige Rolle. Dessen Geburtsstätte „besucht“ John Sinclair gegen Ende übrigens auch noch. Und all das in rasantem Tempo, immer auf der Suche nach dem Spiegel, den John für Myxin besorgen soll.

Die nicht zum Genre passende Erzählerin stört in dieser Folge nicht so stark wie in den Vorgängerepisoden, bekommt sie doch nur am Anfang ein paar Einleitungssätze vom Skript spendiert und schweigt in der Folge.

|Die Sprecher und ihre Rollen:|

Erzählerin: Alexandra Lange-Baehr
John Sinclair: Frank Glaubrecht
Delios: Claus-Dieter Clausnitzer
Kara: Susanna Bonaséwicz
Alassia: Shandra Schadt
Myxin: Eberhard Prüter
Goran: Raimund Krone
Eiserner Engel: Johannes Steck
Haro: Martin Keßler
Kandor: Erik Schäffler
Ansage: Jürgen Holdorf

sowie: Peter Franke, Tim Kreuer, Ulrich Krohm, Sven Plate, Tim Sander, Jens Wendland, Jörg von Liebenfelß

|Technik-Credits:|

Hörspielskript und Regie: Dennis Ehrhardt
Sounddesign, Schnitt und Mischung: ear2brain productions
Musik: Andreas Meyer
Gitarren im John-Sinclair-Theme: Jan Frederik
Produktion: Marc Sieper (Lübbe Audio)

|Die Ausstattung:|

Die komplett schwarze CD steckt in einem Jewel-Case. Das Booklet-Faltblatt enthält eine Liste der bereits veröffentlichten Folgen der „2000er“-Serie und der „Classic“-Serie. Zusätzlich werden noch die Sprecher und ihre Rollen aufgeführt sowie die Technik-Credits.

Außerdem müssen wir hier leider auch einen extra gekennzeichneten Nachruf lesen: Karlheinz Tafel, der bislang Sir James Powell gesprochen hat, verstarb am 28.04.2012.

|Die Sonderausgaben|

Da „75“ eine schöne Jubiläumszahl ist, bringt der Verlag dieses Hörspiel nicht nur auf CD und als Download heraus. Für runde 20 Euro kann der Fan eine Doppel-Schallplatte der Folge erstehen und für etwa 36 Euro gibts die auch als auf 666 Stück limitierte Picture-Vinyl-Ausgabe mit vier verschiedenen Bild-Motiven.

Die Picture-Vinyl-Scheiben wurden von Jason Dark handisgniert … und da das ein wenig dauerte, erschien diese Variante von „Alptraum in Atlantis“ auch erst etwas später.

|Der verschwundene Track|

Gar nicht gut kam bei den Fans und grad den Sammlern unter ihnen an, dass auf ihren Silberscheiben ein Track „fehlt“. Aufgrund eines Special Deals zwischen den Machern des Hörspiels und Apples iTunes, hat die Download-Version des „Albtraums“ einen zusätzlichen Track zu bieten. Laut offizieller Seite soll dieser aber für die Handlung nicht wichtig sein und nur atlantische Vorgeschichte bieten.

_Mein Fazit:_

Ein fulminant inszeniertes und temporeiches Abenteuer für den Geisterjäger, das kaum Zeit zum Luftholen lässt. Exzellente Effekte und dramatische Musik unterstützen die spannende Handlung, die diesmal weniger Horror, aber mehr Action bietet und John und den Hörer mal eben 10.000 Jahre in die Vergangenheit schleudert.

|Audio-CD
Spieldauer: 53 Min. (+ 7,5 Min. iTunes-Download-Version)
Tracks: 10 (+ 1 iTunes-Download-Version)
ISBN: 978-3-7857-4595-3|
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

Eine Hörprobe bietet der Verlag unter [dieser Adresse]http://www.luebbe.de/Hoerbuecher/Spannung/Details/Id/978-3-7857-4595-3# auch an.

Über 40 Rezensionen rund um den beliebten Geisterjäger |John Sinclair| findet ihr in [unserer Datenbank]http://buchwurm.info/book

Gruppe, Marc – Sherlock Holmes – Die Affenfrau (Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs 5) (Hörspiel)

_|Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs|:_

Folge 1: [„Im Schatten des Rippers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7494
Folge 2: [„Spuk im Pfarrhaus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7519
Folge 3: [„Das entwendete Fallbeil“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7519
Folge 4: [„Der Engel von Hampstead“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8036
Folge 5: [„Die Affenfrau“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8035

_Zwei Gnome – und eine behaarte Bestie!_

Zum Entsetzen von Mrs. Hudson stellen sich eines Abends unangemeldet die sicherlich außergewöhnlichsten Auftraggeber in der Baker Street 221 B ein, die dort je erschienen sind. Der Fall, den sie Sherlock Holmes zur Aufklärung übertragen, steht ihrem durchaus befremdlichen Aussehen in nichts nach … (Verlagsinfo)

Diese Fälle dieser neuen Holmes-Reihe wurden nicht von Sir Arthur Conan Doyle geschrieben, sondern alle von Marc Gruppe. Sie basieren natürlich auf den originalen Figuren, die mittlerweile Allgemeingut geworden sind.

_Der Autor_

Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert und von Lübbe Audio vertrieben wird. Genau wird dort erscheinen auch „Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs“ meist im Doppelpack.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher|

Sherlock Holmes: Joachim Tennstedt (dt. Stimme von John Malkovich)
Dr. John H. Watson: Detlef Bierstedt (dt. Stimme von George Clooney u.a.)
Mrs. Hudson: Regina Lemnitz (dt. Stimme von Kathy Bates)
Nicodemus: Dirk Petrick
Prinzessin Marietta: Daniela Reidies
Zenora Pastrana: Susanne Tremper
Leonard: Matthias Keller
Elvira: Ingrid van Bergen
Valerie Hudson: Susanne Uhlen
Violet Hudson: Hildegard Meier
Mr. Sherman: Lothar Didjurgis
J. Marx: Rolf Berg
Frederick Trevis: Horst Naumann
Joseph Merrick: Patrick Wolff

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden in den Planet Earth Studios statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trug Firuz Askin bei.

_Handlung_

Der Zirkus ist in London: Ein Marktschreier preist die verblüffenden Attraktionen der „Abnormitätenschau“ an, die heutzutage als Freak Show bekannter ist. Da gibt es die Siemesischen Zwillinge, die dickste Frau der Welt, Marietta, die lebende Teepuppe, und schließlich Julia Pastrana, die Affenfrau …

|Schrecken|

Sherlock Holmes und Dr. Watson hören ihre Wirtin Mrs. Hudson angstvoll aufschreien! Als sie endlich die Besucher ankündigt, bekommt sie vor angstvollem Keuchen kaum ein Wort heraus: „Zwei Gnome – und eine behaarte Bestie!“ Sie schlug ihnen die Tür vor der Nase zu. Nun, das ist kein konstruktiver Anfang, findet Holmes und spricht aus dem Fenster, um die Besucher, die vor dem Haus warten, hereinzubitten.

Mrs. Hudson protestiert vergeblich und kommandiert die Besucher folglich indigniert herum. Dr. Watson räuspert sich halb verlegen, halb erwartungsvoll. Tatsächlich: Zwei Gnome – und eine „behaarte Bestie“, genau wie Mrs. Hudson gesagt hat. Allerdings stellen sich Nicodemus, der Conferencier, und Marietta als Kleinwüchsige vor. Leonard hingegen bezeichnet sich als „Löwenmensch“, der ob seiner Körpergröße und üppigen Behaarung entfernt an den König der Tiere erinnert.

Sie beklagen den Diebstahl ihrer Affenfrau, denn ohne diese stünde ihre Truppe vor dem finanziellen Ruin. Sie war eine Mumie der berühmten Julia Pastrana, die anno 1860 zuletzt auftrat: Sie sah wie eine Mischung aus Frau und Gorilla. „Vermutlich Hypertrichose“, diagnostiziert Watson fachmännisch. Doch die Mumie ist von zwei unbekannten Männern gestohlen worden, wie Marietta gesehen hat. Sie brauchen sie zurück, soll das Schlimmste abgewendet werden.

|Vor Ort|

Der erste Weg führt Holmes aber nicht zum Zirkus, sondern ins örtliche Tierasyl. Hier lebt „die beste und hässlichste Spürnase von London“. Damit ist nicht etwa ein Doppelgänger gemeint, sondern Toby, ein Schnüffler auf vier Beinen. Toby soll sich schon bald als Gold wert erweisen.

Danach begeben sich Holmes und Watson an den Tatort. Es ist ein Zelt, in dem die Mumie der Affenfrau aufbewahrt wurde. Watson ist von der Pietätlosigkeit dieser Ausstellung immer noch angewidert. Die in die Zeltplane geschnittene Öffnung spricht Bände. Der Gestank an diesem Ort dürfte Spürnase Toby völlig ausreichen, den geraubten Gegenstand aufzuspüren.

Aber wer sind die Täter? Vielleicht weiß Zenora, die Schwester der Affenfrau, mehr darüber. Es wird eine unheimliche Begegnung …

_Mein Eindruck_

Die Viktorianer waren bekanntlich nicht weniger sensationsgierig als die heutige Generation. Sie reisten nicht nur zu exotischen Orten, brachten von dort Trophäen und Erinnerungen mit. Sie ließen auch Abnormitäten im Zirkus auftreten, und ein es gab wohl kaum einen Zirkus ohne Freak Show (der farbenfrohe, aber auch unheimliche Ursprung für einige wunderbare phantastische Romane).

Die Handlung stellt die beiden Affenfrauen Julia und Zenora mit überraschend vielen Details über deren Lebensläufe vor. Denn natürlich handelt es sich nur auf den Plakaten um „Schwestern“, doch die Herkunft von Julia und Zenora ist völlig unterschiedlich. Dieser Detailreichtum lässt Neugier aufkommen: Woher hatte der Drehbuchschreiber Marc Gruppe diese Informationen? Denn dass sie keineswegs aus der Luft gegriffen sind, belegen ja gerade die authentischen Details, die zu den bekannten Fakten über Wanderzirkusse in Europa passen.

Das Thema sind natürlich Menschen, die auf irgendeine Weise missgebildet oder sonst wie auffällig sind – Freaks eben. Doch es geht darum, wie man diese Abnormitäten behandelt. Meist werden sie lediglich als Objekte der Sensationslust betrachtet, doch dies wird den Menschen hinter der Freak-Fassade wohl kaum gerecht. Sie haben das Recht, als Menschen mit Würde betrachtet zu werden, fordert nicht zuletzt auch Dr. Frederick Trevis, der Holmes und Watson besucht.

Trevis‘ Besuch stellt eine überraschende finale Wendung dar. Denn in seiner Begleitung befindet sich eine der berühmtesten Missgeburten der Geschichte. Und ich werde hier nur verraten, dass Joseph Merricks Geschichte ausgezeichnet mit Anthony Hopkins und John Hurt verfilmt worden ist.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptfigur ist natürlich der Titelgeber himself. Joachim Tennstedt verleiht Sherlock Holmes eine flexible Janusköpfigkeit. Die erste Seite bekommen wir zu sehen, wenn Holmes recht abweisend zu Mrs. Hudson, der treuen Seele des Haushalts, ist. Das hält sie aber nicht davon ab, die Vorhänge aufzureißen und frische Luft in die Detektivsgruft zu lassen.

Die andere Seite Holmes‘ ist die des energischen Ermittlers, der sich auch verkleidet. Die Dritte ist die des freundlichen Verführers und Gentlemans – sie bekommen wir erst in späteren Folgen zu Gesicht, insbesondere im Tussaud-Fall. Wie bei John Malkovich können wir uns auf einen Facettenreichtum an Darstellungsformen freuen.

|Dr. Watson |

Die Figur des Dr. Watson ist in vielen Verfilmungen missrepräsentiert worden. Neben Basil Rathbone und Peter Cushing musste er den vetrottelten Stichwortgeber mimen. Er war der selbstgefällige Körper neben dem rastlosen, aber kranken Geist des Detektivs. Nicht so in dieser neuen Serie.

Detlef Bierstedts Stimme ist uns von George Clooney vertraut, daher kann er mit einer gewissen geliehenen Autorität auftreten, ganz besonders in allen medizinischen Belangen. Dennoch kommt er häufig über die Rolle des Stichwortgebers nicht hinaus. Holmes hat stets die Initiative. In Folge 3 wird Watson sogar als Aktenträger missbraucht. Doch auch er verfügt über einen Revolver und die Kenntnisse, diesen zu gebrauchen, besonders aus seiner Zeit in Afghanistan.

|Mrs. Hudson|

Regina Lemnitz als Mrs. Hudson zeigt sich stets hilfreich, mal energisch, mal als fühlende Seele, etwa bei ihrem Besuch im Wachsfigurenkabinett, bei dem sie unverhofft von Sherlock Holmes überrascht wird – dieses „Experiment“ ist sehr erfolgreich. Außerdem ist sie das moralische Zentrum jeder Folge. Alles, was Holmes & Watson tun, müssen sie nicht nur gegenüber Inspektor Abberline rechtfertigen, sondern vor allem vor ihrer Haushälterin. Sie würde sie sonst hochkant hinauswerfen. Regina Lemnitz als Mrs Hudson dürfte man für eine ganze Weile nicht so aufgeregt schreien und keuchen hören.

|Missgeburten|

Eine Mischung aus Affe und Frau spricht gewiss anders als eine ganz normale Frau. Dementsprechend hohe Ansprüche stellt die Darstellung an die Stimme des jeweiligen Sprechers. Susanne Tremper spricht die Zenora mit einer (für eine Frau) sehr tiefen, rauen Stimme. Patrick Wolff muss seine Stimme für die Rolle des Joseph Merrick ebenfalls eindrucksvoll verstellen. Am witzigsten ist sicherlich Daniela Reidies in der Rolle der Prinzessin Marietta: sehr hoch und piepsig.

|Tiere|

Hier hat Toby, die beste und hässlichste Spürnase von London seinen großen Auftritt: wuff! Er bellt kräftig, knurrt und lässt auch sonst einiges hören, was man von intelligenten Schnüfflern erwartet – äh, von vierbeinigen!

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Statt der aus dem GRUSELKABINETT vertrauten Andeutungen setzt diese Reihe mitunter auf handfeste Splattereffekte. In dieser Episode sind jedoch eher stimmliche Künste gefragt, siehe oben.

|Musik|

Die Musik entspricht der eines Scores für einen klassischen Spielfilm, also nicht zwangsläufig für einen Horrorstreifen. Klassische Instrumente wie Violine, Cello und Kontrabass werden manchmal von elektronisch erzeugten Effekten ergänzt. Schnelle Musik deutet Dynamik und Dringlichkeit an, langsame Musik entspannt und immer wieder endet eine Szene in einem dramatischen Crescendo. Die Haupthandlung beginnt mit Jahrmarktklängen wie etwa einer Drehorgel – vielleicht sogar einem Orchestrion. Glöckchen usw. gehören ebenfalls zum Instrumentarium.

Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS verzeichnet sowie Werbung für den verstorbenen Künstler Firuz Askin zu finden. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Ein zweites Booklet listet sämtliche Titel von Titania Medien auf, und zwar auch alle Neuerscheinungen bis Mai 2012.

|Hinweise auf die nächsten Hörspiele:|

Nr. 64: Francis Marion Crawford: Der schreiende Schädel (Mai)
Nr. 65: Mary Elizabeth Braddon: Gesellschafterin gesucht (Mai)
Nr. 66 + 67: Lovecraft: Der Schatten über Innsmouth Teil 1+2 (9/12)
Nr. 68: W. Irving: Die Legende von Sleepy Hollow (10/12)
Nr. 69: W.H. Hodgson: Stimme in der Nacht (10/12)
Nr. 70: Robert E. Howard: Schwarze Krallen (11/12)
Nr. 71: M.R. James: Der Eschenbaum (11/12)

_Unterm Strich_

Der Reiz dieses „geheimen Sherlock-Holmes-Falles“ liegt weniger im Verbrechen als in den davon Betroffenen. Zahlreiche Rätsel umgeben den harmlos erscheinenden Diebstahl der titelgebenden Mumie. Das größte dieser Rätsel wird, wie es sich gehört, erst ganz am Schluss gelöst. Doch welche Rolle Joseph Merrick spielt, soll hier nicht verraten werden.

Wer also wie beim Fallbeil-Fall Entsetzen und Grusel sowie Action erleben will, für den eignet sich dieser Fall weniger. Ebenso wie in „Der Engel von Hampstead“ legt die Regie mehr Wert auf Psychologie, genaue Milieubeschreibungen (wie schon im Debüt über Jack the Ripper) und eine überraschende finale Wendung. Ein zweites Reinhören lohnt sich allein schon wegen der großen Fülle an Details, aber auch wegen der zahlreichen komödiantischen Szenen: Eine vor Furcht kreischende Mrs. Hudson – das gibt’s nicht jeden Tag.

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Die Sprecherriege für diese neue Reihe ist höchst kompetent zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie John Malkovich und George Clooney.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling.

|Audio CD mit 75 Min. Spieldauer
ISBN 9783785746431|

Home – Atmosphärische Hörspiele

deWitt, Patrick – Sisters Brothers, Die

_Das Sublime und der Horror_

Hermann Kermit Warm wird sterben. Sein Tod wurde von dem geheimnisvollen und mächtigen Kommodore befohlen, und die Brüder Charlie und Eli Sisters werden den Auftrag ausführen. Die beiden machen sich auf den Weg von Oregon nach Kalifornien, wo sie Warm aufspüren sollen. Ihre Reise durch den vom Goldrausch geprägten amerikanischen Westen wird allerdings immer wieder von bizarren und blutigen Begegnungen unterbrochen.

Zugleich zeigt sich, wie verschieden die beiden Brüder sind: Charlie ist ein eiskalter, skrupelloser Killer – Eli ein Grübler, der sich mit geradezu existenziellen Fragen beschäftigt. Er beginnt an seinem Beruf zu zweifeln – und an seinem Partner. Doch als die beiden schließlich in Kalifornien eintreffen, nehmen die Ereignisse eine höchst unerwartete Wendung … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Patrick deWitt wurde 1975 auf Vancouver Island in Kanada geboren. Er lebte unter anderem in Kalifornien, Washington und Oregon. Nach „Ablutions: Notes for a Novel“ ist „Die Sisters Brothers“ sein zweiter Roman. Er war für den „Man Booker Prize“ sowie den „Giller Prize“ nominiert, wurde mit dem Rogers Writers‘ Trust Fiction Prize, dem Ken Kesey Award und der Stephen Leacock Memorial Medal for Humour ausgezeichnet und von „Publishers Weekly“, der „Washington Post“ sowie der Canadian Booksellers Association zu den besten Romanen des Jahres gezählt. Patrick deWitt lebt heute mit seiner Frau und seinem Sohn in Portland, Oregon.

Mehr Informationen zum Autor und seinem Werk finden Sie unter [patrickdewitt.net]http:// patrickdewitt.net (Ohne Gewähr).

_Handlung_

Eli Sisters (der Erzähler) will den Mann, den man im Oregon-Territorium des Jahres 1851 den „Kommodore“ nennt, gar nicht sehen. Genug, dass sein Bruder Charlie mit dem Kerl redet, für den sie Leute umlegen. Meist handelt es sich um Menschen, die ihm Geld schulden. Bloß gut, dass Mutter nichts davon weiß. Sie würde ihnen die Leviten lesen. Charlie kommt zurück. Der neue Auftrag lautet, einen Mann namens Hermann Kermit Warm in San Francisco umzulegen. Und wieso? Warm habe dem Kommodore ein Geheimnis gestohlen oder vorenthalten oder was auch immer, meint Charlie. Jedenfalls ist die Bezahlung mal wieder fürstlich. Eli schwört sich, dass es ihr letzter Auftrag ist.

Vorsichtig bahnen sich die beiden Gunmen ihren Weg durch die Wildnis, die sich bis nach Kalifornien erstreckt, also durch Indianerland, das gerade von den Goldsuchern und Glücksrittern in Scharen durchquert wird. Immer wieder stoßen sie verwaiste Jungs, weinende Männer, ausgeraubt und mittellos. Aber auch auf eine Frau, die definitiv eine Hexe sein muss, denn sie belegt Eli mit einem Fluch. Sie entkommen Bären, schließen selber welche, gelangen schließlich nach Jacksonville und Mayfield, wo weitere Barone residieren.

In Mayfields Palast alias Bordell verliert Eli sein Herz an eine Schöne, die auf ihn warten will. Doch Charlie, den nichts schrecken kann außer ein tüchtiger Kater nach einer durchzechten Nacht, verhöhnt sein Bruderherz. Solche romantischen Flausen sollte er sich für später aufheben. Prompt müssen sie sich der Freunde der schönen Hure erwehren.

Schließlich erreichen sie die Stadt der Wunder. San Francisco wird von einem Wald verlassener Schiffe belagert, scheint es Eli. Die Schiffe ankern herrenlos in der Bucht. Sie suchen Morris, den Agenten des Kommodore, doch wie sich herausstellt, ist Morris übergelaufen. Sein Tagebuch verrät, was es mit dieser Wendung auf sich hat.

Demnach ist Hermann Kermit Warm ein Erfinder höchsten Grades. Sein Vater ist ein deutscher Einwanderer und war ein gescheiterter Uhrmacher. Der Sohn suchte sein Glück im Westen, im Gelobten Land, wo das Gold in den Bächen nur aufs Heben wartet. Doch anders als all die anderen Idioten mit ihren Sieben hat Warm eine industrielle Methode ersonnen, mit der sich ganze Seen voll Gold über Nacht vom Gold befreien lassen – mit Chemie!

Es ist diese chemische Formel, hinter der der Kommodore her ist, klarer Fall, denkt Eli. Und Morris, der Agent, muss auf Warms Idee hereingefallen sein, denn er hat offenbar Warms Expedition den Sacramento hinauf finanziert und ausgerüstet. Nun müssen sie schon fast in Indianerland angekommen sein. Die beiden Revolverbrüder machen sich auf den Weg, um die Goldsucherexpedition zu überfallen und Warm zur Rechenschaft zu ziehen.

Doch vor Ort verlaufen die Ereignisse völlig anders als erwartet. Denn der unbekannte Faktor ist eben jene chemische Substanz, deren Wirkung sich als verhängnisvoll erweist …

_Mein Eindruck_

Eli ist der melancholische Beobachter und Denker, der das unmotivierte Töten verabscheut und sich nur in Notwehr verteidigt – in der Regel. Charlie hingegen liebt das Schießen, kennt keine Angst, denn er weiß, dass er immer der Schnellere ist. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem Charlies Schusshand verletzt wird. Von da ab verändert er sich auf für Eli nahezu unheimlich Weise. Auf einmal Eli zum Hüter seines Bruders. Das hat weitreichende Folgen.

In der Auseinandersetzung mit Warm und Morris hätte Charlie ohne sein Handicap sicherlich nicht gezögert, alle über den Haufen zu schießen, um kurzen Prozess zu machen. So aber beginnen die beiden Gunmen mit dem Mann, auf den sie angesetzt wurden, zu reden und erfahren, wie die Dinge in Wahrheit stehen.

Wieder einmal hat sie der Kommodore hinters Licht geführt, sie angelogen und ausgenutzt. Das Gefühl, keinen Deut besser zu sein als all die Gold suchenden Idioten in den kalifornischen Bergen, ist kein angenehmes, findet Eli. Er beschließt, sich der Unternehmung des deutschen Chemikers anzuschließen. Denn ein Mann, der ein gewisses Alter erreicht hat, muss an seinen Lebensabend und sein Auskommen denken, oder? Was wäre besser als ein See voller Gold? Und sobald er den geleert hat, wird Eli mit dem Auftraggeber abrechnen. Allerdings hat er die Rechnung ohne die Chemie gemacht …

|Kapitalismus|

Dies ist kein Öko-Western, no way, Mister. Der Roman schildert eine groteske Odyssee durch ein neues Eldorado, wo sich Gold- und Glückssucher die Zukunft mit den Baronen streitig machen, die wiederum Revolvermänner einsetzen, um ihren Willen durchzusetzen. Es ist eine Zukunft im Aufbau, aber was für eine. Es ist Raubtierkapitalismus in Reinkultur, der hier am Werk ist. Und wer nun an ungesicherte, ungezähmte Börsengeschäfte denkt, der sich wohl nicht verkehrt. Alle arbeiten sich in den Abgrund, und wen kümmert’s, wenn es links und rechts der eigenen Ellbogen Opfer gibt.

|Freunde|

Charlie ist einer voller Ellbogen, doch Eli, sein ungleicher Bruder, denkt darüber nach, was eigentlich passiert – und aus welchen Gründen. Hat eine Hexe sie beide mit einem Fluch belegt? Wer kann das schon genau sagen. Denn weit und breit gibt es keinen Priester, mit dem man darüber debattieren könnte. Gut möglich, dass Tub, das alte Pferd mit dem Hängerücken, der beste Freund in der Wildnis ist. Mit einer wahren Rosskur schafft es Eli, Tub zu einem verlängerten Leben zu verhelfen. Eli ist ja so was von sentimental und dämlich, findet sein Bruderherz.

|San Francisco|

Einer der Höhepunkte der Erzählung ist sicherlich das Kapitel über San Francisco. Wer jemals dort war, weiß, dass es dort Russian Hill und Chinatown gibt, die noch heute an Siedler aus aller Herren Länder erinnern. Anno 1851 ist alles im Aufbau, wird niedergebrannt, wieder aufgebaut, als gäbe es keine Zeit zu verlieren, und natürlich sind die Preise für alles und jedes, von der Hure bis zum Pferd, geradezu exorbitant im Vergleich zum Hinterland.

Auch hier behaupten sich die Brüder, als hätten sie es jeden Tag mit der lebenden Hölle zu tun. Allerdings sind sie froh, endlich herauszukommen und der Warm-Expedition zu folgen. Sie ahnen nicht, was sie erwartet, haben keinen Plan, aber sie sind entschlossen, das Beste draus zu machen. So ist es eigentlich bis heute, und die Republikaner predigen immer noch: „Starve the Beast – hungert die Regierung aus!“, als wären alle noch Pioniere an der Grenze zur Wildnis.

|Krisengewinn|

Mitte des 19. Jahrhunderts gab es eine weltweite Krise, die die USA ganz direkt zu spüren bekamen: Die Hungersnot in Irland brachte nicht nur etwa die Hälfte der Bevölkerung um, sondern trieb auch den Rest zur Auswanderung in die USA. Ende 1848 waren alle März-Revolutionen der reformwilligen Bürger gescheitert, die Reaktion der adeligen und besitzenden Stände hatte gesiegt. Politische und soziale Reformer (Heine, Börne und viele andere) wurden ins Exil nach Frankreich getrieben – oder gleich weiter über den Atlantik, wollten sie nicht im Kerker der Landesfürsten landen.

1849 platzte in diese Krisenstimmung die Nachricht von den Goldfunden in Kalifornien. Wie günstig also, dass die Vereinigten Staaten gerade den Krieg gegen Mexiko gewonnen hatten und ihr Staatsgebiet um ein Drittel erweitern konnten! Nun gehörte Kalifornien, vordem spanisch und mexikanisch, zum Staatsgebiet der USA. Dort gab es ungeheuere Pfründe zu verteilen, und die Landbarone konnten ihren Claim abstecken. Der „Kommodore“ und Mr. Mayfield, der eine eigene Stadt sei Eigen nennt, sind im Roman Beispiele dafür.

Die Handlanger dieser Barone sind Gunmen wie die Sisters Brothers. Die Ironie der Handlung besteht nun genau darin, die Stützen dieser Konstruktion als wacklig, illegitim und vorübergehend zu präsentieren – ein „Haschen nach Wind“, wie der Prediger Salomo schreibt. Folglich ist auch das Treiben der Sisters Brothers ohne jedes Fundament, ein reines Zuträgergeschäft, ein Leben von der Hand in den Mund. Am Schluss haben sie genau das Gleiche gewonnen wie alle anderen, denen wir im Buch begegnen: absolut nichts. Die Endstation heißt „Hotel Mama“. Immerhin: Sie haben überlebt. Wenn das kein Witz ist.

|Das Sublime|

Es gibt nur sehr wenige Augenblicke, in denen die Brüder eine höhere Ebene der Existenz und Erkenntnis erreichen. Einer davon ist das Tagebuch von Agent Morris. Der andere Moment ist jenes nächtliche Ereignis, als sich durch das Wunder der Chemie das Gold am Grund des Bibersees zeigt. Das ganze Wasser strahlt golden, als wäre die Sonne hineingefallen.

Doch wie man schon an den vielen dialektischen Wendungen oben gemerkt hat, folgt auf diesen Moment, in dem sich das Erhabene zeigt, der blanke Horror, verursacht ebenfalls durch die Chemie. Die Aussage ist ziemlich klar: Durch unsere Technologie – Chemie, Physik, Informatik – sind wir gleichermaßen in der Lage, die Welt in ein Paradies oder in eine Hölle zu verwandeln. Der Schlüssel zur Wahl, was wir wollen, liegt in uns selbst.

_Die Übersetzung _

Die sprachliche Leistung des Übersetzers Marcus Ingendaay ist schlichtweg superb. Sie hat mich immer wieder begeistert, besonders wenn der Stil genau jener nahezu antiken Zeit um 1850 angepasst ist. Die Menschen dachten anders als wir, folglich sprachen und schrieben sie auch ganz anders.

Die verschiedenen Stilebenen genau wiederzugeben, gelingt Ingendaay immer wieder mit verblüffender Detailgenauigkeit. Auf diese Weise wird jede Seite nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich und gedanklich zu einer Entdeckung. Die Druckfehler, die ich trotz allem fand, hielten sich sehr in Grenzen. Es handelt sich meist um falsche Endungen, also das Übliche.

_Unterm Strich_

Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, also in wenigen Tagen. Nicht nur, dass die Kapitel kurz und die drei teile überschaubar sind, hilft bei der Bewältigung. Vielmehr sind es die ungewöhnlichen Szenen, mit denen der Autor an jeder Ecke aufwartet. Der Leser ahnt nie, was auf der nächsten Seite an grotesken oder makabren Wundern auf ihn wartet.

In der Mitte erfährt die Handlung, wie es sich gehört, eine unerwartete und fundamentale Wendung. Die Reise auf den Spuren Warms führt ins Ungewisse, wo keine der gewohnten Regeln mehr gelten und unerhörte Finge geschehen können. Es bleibt dem Leser nichts anderes übrig, als die Seiten in sich aufzusaugen. Eine Wendung jagt die Nächste, und was als packende Auseinandersetzung beginnt, wandelt sich unversehens zur Tragödie und von da zur Komödie.

Mit anderen Worten: Der Western ist ein literarisches Wunderwerk, und man muss kein Westernliebhaber wie ich sein, um seinen Gefallen daran zu finden. Allerdings seien zartbesaitete Gemüter eindringlich gewarnt: Schreckliche Dinge geschehen, und wer sich vor Blut und Gewalt fürchtet, sollte das Buch gar nicht erst aufschlagen.

|Gebunden: 352 Seiten
Originaltitel: The Sisters Brothers (2011)
Aus dem US-Englischen von Marcus Ingendaay
ISBN-13: 978-3442547005|
http://www.randomhouse.de/manhattan

McDonald, L. J. – Schattenmacht (Die Krieger der Königin 3)

_|Die Krieger der Königin|:_

Band 1: [„Die Krieger der Königin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7079
Band 2: [„Falkenherz“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7575
Band 3: _“Schattenmacht“_

Sylphental wächst und gedeiht, dank der Handelskarawanen, die aus allen Teilen des Kontinents anreisen. Doch keines der Nachbarländer hat das junge Königreich bisher politisch anerkannt, Solies ehemalige Heimat Eferem begegnet ihr sogar mit offener Feindseligkeit. Es hat ihr zwar nicht direkt den Krieg erklärt, dafür aber gleich eine ganze Gruppe Attentäter geschickt.

Nun ist es nicht so einfach, ein Attentat auf jemanden zu verüben, der von hochempathischen Kriegssylphen bewacht wird, und so ist es kein Wunder, dass die Männer recht schnell gefasst sind. Aber wie kommt es dann, dass innerhalb kurzer Zeit mehrere Kriegssylphen ihre Meister verlieren? Ist das wirklich nur Zufall?

_Der einzige Neuzugang_ unter den Charakteren ist Sala. Sala ist Gabralinas beste Freundin, zumindest glaubt das Gabralina, aber die hübsche Blondine ist so gutmütig, wie sie dumm ist. Sala dagegen ist überhaupt nicht dumm, sondern extrem ehrgeizig und genießt es, Macht über andere zu haben. Abgesehen von ihrem Ehrgeiz ist sie aber vollkommen gefühllos. Empfindungen wie Freude, Mitgefühl oder Trauer scheint sie nicht zu kennen, nicht einmal Ärger. Bestenfalls Nervosität, wenn etwas nicht so klappt, wie sie es geplant hat.

Obwohl Salas Darstellung zu keiner Zeit an die Rils oder Claws heranreicht, ist sie doch klar und stimmig ausgefallen. Sala ist ein manipulatives, intrigantes Miststück und als solches ausgesprochen gelungen.

Das gilt vor allem im Hinblick auf die Handlung, die die Autorin aufgebaut hat. L. J. McDonald legt fast von Anfang an offen, wer der wahre Feind ist, und welche Absichten er hat. Und da der Leser weiß, mit wem er es zu tun hat, kann er jeden ihrer Schritte mitverfolgen. Selbst wenn sie ihre Maßnahmen erst im Nachhinein reflektiert, weiß der Leser schon vorher, was wirklich passiert ist und warum. Aber Solie und ihr Rat wissen es nicht!

Da sie gerade erst eine Handvoll Attentäter dingfest gemacht haben, suchen sie den Täter zunächst in einer völlig falschen Richtung. Und Sala ist klug genug, niemals selbst in Erscheinung zu treten, sondern schickt immer andere. Und sie geht indirekt vor, sodass jemand, der das eigentliche Ziel nicht kennt, keine Zusammenhänge zwischen den einzelnen Ereignissen herstellen kann. Der Leser sieht deshalb zu, wie sich die Schlinge allmählich immer enger zieht, während Solie und ihre Verbündeten zunehmend hilflos und unsicher agieren.

Selbst, als Leon und die Witwe Blackwell die ersten Anhaltspunkte finden, um zum Kern der Sache vorzudringen, dauert es noch eine ganze Weile, ehe für die Sylphentaler offensichtlich wird, wer dahinter steckt. Und obwohl ab diesem Zeitpunkt ziemlich klar ist, dass Sala ihr Ziel wohl nicht erreichen wird, spitzt sich die Lage dennoch immer weiter zu bis zum Showdown.

Abgesehen von dem intelligent angelegten Plot hat die Autorin auch zum ersten Mal einen genaueren Blick in die Welt geworfen, aus der die Sylphen ursprünglich stammen, ein dünner Handlungsstrang zwar, der aber zusätzlich zur eigentlichen Geschichte interessante neue Aspekte mit einbrachte.

_Ich muss gestehen,_ ich war von diesem dritten Band des Zyklus ziemlich überrascht. Nach den beiden leichtgewichtigen Vorgängern hatte ich nicht erwartet, dass die Fortsetzung derart spannend ausfallen würde! Doch das tat sie, und das ist hauptsächlich Sala zu verdanken. Dabei ist sie nicht einmal der übermächtige, unbesiegbare Gegner, der sonst so gern in der Fantasy bemüht wird, sondern verfolgt ihre Pläne einfach nur mit einer unauffälligen, gründlichen und gleichzeitig so gefühllosen Niedertracht, dass man nur staunend den Kopf schütteln kann. Da fiel nicht einmal mehr die naive Gutgläubigkeit ins Gewicht, mit der Blue sich davon abhalten lässt, Sala zu kontrollieren.

Der dritte Band bietet so viel mehr als die ersten beiden, dass er regelrecht aus dem Zyklus heraussticht. Ihn einzeln zu lesen, macht allerdings wenig Sinn. Wer jetzt Lust auf dieses Buch bekommen hat, wird die anderen beiden zuerst lesen müssen.

_L. J. McDonald_ ist Kanadierin und begann mit dem Schreiben auf die Ermunterung ihres Englischlehrers hin. Ein Schreibwettbewerb im Jahr 2008, den sie nicht gewann, brachte dennoch den Durchbruch. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Geschichte um Solie und ihre Kriegersylphen bereits aus vier Bänden. Im April dieses Jahres erschien neben den bisher veröffentlichten drei Bänden eine Anthologie aus vierundzwanzig Kurzgeschichten mit dem Titel „Alphabet Soup for Sylphes“ , in denen auch die Elementarsylphen eine etwas größere Rolle spielen. Zwei weitere Bände stehen in der Warteschlange. Die Autorin arbeitet derweil an neuen Ideen für ihren nächsten Zyklus.

|Taschenbuch 336 Seiten
Originaltitel: Queen of Sylphs
Deutsch von Vanessa Lamatsch
ISBN-13: 978-3-426-50948-7|
http://www.ljmcdonald.ca
http://www.droemer-knaur.de

Ed McBain – Heißer Sonntagmorgen

Auf dem Weg zu einem Mord erlebt eine Jugendgang, wie ihr kriminelles Idol in eine Polizeifalle gerät; aus der Festnahme wird ein öffentliches Spektakel, das unterdrückten Volkszorn und tödliche Gegenattacken auslöst … – Das spannende Geschehen gleicht einer bedrückend reibungslos arbeitenden Maschine, die durch rassistische Vorurteile angetrieben wird und mit hoher Produktionsrate neue Gewalt erzeugt: ein manchmal didaktisch wirkender aber weiterhin eindrucksvoller Kriminalroman.
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E.L. Greiff – Zu den Anfängen (Zwölf Wasser 1)

Zwölf Wasser:

Band 1: „Zu den Anfängen“
Band 2: (erscheint Oktober 2013)
Band 3 (erscheint Oktober 2014)

Babu entstammt einem Volk ehemaliger Nomaden. Doch im Gegensatz zu seinen Stammesgenossen ist er rastlos und unzufrieden. Als ein Sterbender ihm ein gefährliches Geheimnis verrät, verlässt Babu seine Heimat, um … ja was eigentlich?
Felt ist im Grunde das genaue Gegenteil von Babu. Er hätte keine großen Schwierigkeiten damit, sein gesamtes Leben damit zu verbringen, auf den Mauern seiner Heimatstadt Goradt zu patrouillieren, obwohl es der ungastlichste Ort auf dem gesamten Kontinent zu sein scheint. Aber dann geschieht das Ungeheuerliche: Die Undae brechen ihr Schweigen und sprechen eine Warnung aus! Und gegen seinen Willen findet Felt sich bald darauf auf einer Reise wieder, deren Ziel er nicht kennt, und deren Zweck er nicht begreift …

E.L.Greiff macht es dem Leser nicht leicht mit seinen Charakteren. Selten habe ich über Figuren gelesen, die so außerhalb jeglicher Schublade standen wie Babu und Felt.

Felt ist Soldat, pflichtbewusst, diszipliniert, sorgfältig. Aber sein Vorstellungsvermögen ist begrenzt, und so ist sein einziger Halt auf der gemeinsamen Reise mit den Undae die Tatsache, dass er es gewohnt ist, Befehle zu befolgen, selbst wenn er ihren Sinn nicht versteht. Je länger er unterwegs ist, desto deutlicher wird allerdings, dass Felt sich auf Dauer nicht davor drücken kann, die Zusammenhänge zu verstehen. Der Panzer aus Sturheit und Unwissenheit bekommt Risse.

Babu dagegen ist ein Getriebener, der nicht weiß, was ihn treibt. Er sucht nach Freiheit, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was Freiheit ist, und gleichzeitig nach seinen Wurzeln, die er nicht zu haben scheint. Und doch kann er sich erst von seinem Zuhause trennen, als er dazu gezwungen wird.

Bei beiden hat der Leser das Gefühl, die Undae hätten ihnen Hemden übergestreift, die ihnen ein paar Nummern zu groß sind, und jetzt müssen die beiden irgendwie da hineinwachsen. Ein schmerzhafter Prozess.

Mit der Handlung verhält es sich ähnlich. Wer den Klappentext des Buches gelesen hat, wird sich irgendwann im Laufe der ersten Kapitel fragen, ob die Seiten den richtigen Einband tragen. Nur eine kurze Szene am Fluss verrät, dass es sich bei dem Text tatsächlich um das beschriebene Buch handelt. Denn zunächst dreht sich die Handlung ausschließlich um Babu. Erst als sie sich nach gut hundert Seiten Felt zuwendet, taucht auch die eigentliche Thematik des Buches auf: Das Wasser und die Bedrohung der Quellen. Aber auch, nachdem die Undae und ihre Begleiter sich auf den Weg gemacht haben, scheint die ganze Angelegenheit nicht so recht vom Fleck zu kommen. Das liegt nicht nur an den weltlichen Hindernissen, sondern auch ein wenig an den Undae.

Die Undae sind so etwas wie die Priesterinnen des Wassers. Jahrhundertelang haben sie nichts weiter getan, als seinem Gemurmel zu lauschen. Und es ist das erste Mal in all dieser Zeit, dass Hohe Frauen ihre Grotte verlassen. Man könnte meinen, dass sie deshalb ziemlich weltfremd sind, doch das ist ein Irrtum. Durch das Wasser sind die Undae mit allem verbunden, was lebt. Allerdings haben sie eine völlig andere Sichtweise! Und da sie ihr Verhalten niemals im Voraus erklären, wird der Leser genau wie Felt und Babu immer wieder mit Situationen konfrontiert, die seltsam, unverständlich, ja befremdlich wirken, letztlich aber doch immer irgendwie Sinn machen.

Nicht nur die Undae sind rätselhaft, auch sonst ist das Buch voller Geheimnisse. Das fängt an mit demjenigen, das Babu veranlasst hat, seine Heimat zu verlassen und reicht über Babus eindeutig magischen Falken und die offizielle Geschichtsschreibung, die offenbar nicht ganz vollständig ist, bis hin zu den einzelnen Stationen der Reise. Dabei sind es vor allem die diversen Orte, die am meisten zum mystischen Flair der Geschichte beitragen. Schon allein die Ascheebenen des ehemaligen Welsien wirken entrückt und fremdartig, noch mehr gilt das für die Quellen, für die Sümpfe und Boirad, den Nebelwald, und ganz besonders für die Stadt in den Wolken. Fantasy ist ja – zumindest bis zu einem gewissen Grad – immer mit einer Welt verbunden, die fremdartige Züge trägt, hier jedoch ist es so, dass selbst innerhalb des Fantastischen noch eine weitere Ebene zu existieren scheint, halb losgelöst von Babus Tal, Goradt und der reichen Stadt Pram, eine Art geistige Parallelwelt, die wie ein Schleier über dem Alltäglichen liegt, und mit dem Felt und Babu nun zum ersten Mal in Berührung kommen. Selbst die Kämpfe, die hier ausgefochten werden, finden gleichzeitig sowohl auf greifbarer als auch geistiger Ebene statt.

Ich fand dieses Buch ausgesprochen faszinierend. Schon die Idee der Quellen, die mehr als nur Ursprung eines Gewässers sind, klang hochinteressant, aber auch die Umsetzung hat mir sehr gefallen. Greiff schreibt sehr plastisch und eindringlich, ob es nun um Träume, Örtlichkeiten oder Ereignisse geht. Die beiden Hauptfiguren sind weder edle Übermenschen noch unfreiwillige Helden voller Selbstzweifel, sondern lebendige und glaubhafte Personen, die nicht nur mit ihren eigenen inneren Dämonen zu kämpfen haben, sondern auch mit denen, die die Existenz der Welt bedrohen.

Wer von seiner Lektüre erwartet, dass sie sofort zur Sache kommt, wer beim Lesen gern auf der Ebene greifbarerer Schwierigkeiten wie geographischen Hindernissen, Schwertkämpfen und hinterhältigen Intrigen bleibt, der ist hier wahrscheinlich eher falsch. Wer allerdings schon lang in den Massen der Drachen-Elfen-Vampir-Fantasy nach etwas wirklich Neuem, Ausgefallenem sucht, der sollte sich dieses Buch auf jeden Fall gönnen. Es ist keine Geschichte, die man einfach so wegliest. Aber in dieses Hemd reinzuwachsen, lohnt sich!

E. L. Greiff ist in Kapstadt geboren und lebt inzwischen in den Niederlanden. Nach einem Studium der Germanistik und der Theaterwissenschaften folgte eine längere Tätigkeit in der Filmregie. „Zu den Anfängen“ ist nicht nur der erste Band der Trilogie |Zwölf Wasser|, sondern auch Greiffs Romandebut. Die Fortsetzungen sollen jeweils im Oktober 2013 und 2014 erscheinen.

Broschiert 608 Seiten
ISBN-13: 9783423249140

http://www.12wasser.de/
http://www.dtv.de/

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Rönkä, Matti – Bruderland (Viktor Kärppä 2)

_|Viktor Kärppä|:_

Band 1: [„Der Grenzgänger“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7978
Band 2: _“Bruderland“_
Band 3: [„Russische Freunde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7947
Band 4: [„Entfernte Verwandte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7955

_Das Wiesel mausert sich zum Chefdiplomaten zwischen den Fronten_

Viktor Kärppä hat sein Auskommen: Er lebt von seinem kleinen Autobahnkiosk, geringfügigen Schiebereien und dann und wann sogar versteuerten Gelegenheitsjobs. Doch der launische Polizist Korhonen reißt ihn aus seiner Idylle heraus. Erneut ist ein Jugendlicher in Helsinki an verunreinigtem Heroin gestorben und Viktor soll herausfinden, wer das gefährliche Rauschgift nach Finnland schmuggelt. Widerstrebend und auf seine sehr eigenwillige Art macht er sich an die neue Aufgabe und gerät bald einmal mehr zwischen die Grenzen von legal und illegal, Polizei und Mafia, Finnland und Russland, Bruderhass und Familienzusammenhalt. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Matti Rönkä, geboren 1959 in Nord-Karelien, ist Journalist. Er hat sowohl in den printmedien als auch beim Radio gearbeitet und ist heute Chefredakteur und Nachrichtensprecher beim finnischen Fernsehen. Jeder Finne kennt ihn als „Mister Tagesschau“ – und als Autor sehr erfolgreicher Krimis. Rönka lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Helsinki. Er wurde mit dem Finnischen, dem Nordischen und dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. (Verlagsinfo)

Für seinen ersten Roman „Der Grenzgänger“ wurde Rönkä sowohl mit dem „Deutschen Krimipreis 2008“ als auch mit dem finnischen Krimipreis 2006 ausgezeichnet. Der Autor erhielt außerdem den Nordischen Krimipreis 2007.

_Hintergrundinformationen _

Folgendes Wissenwertes berichtet der Autor in seinem Nachwort zu „Entfernte Verwandte“:

Auf mütterlicher Seite ist Viktor Gornojewitsch / Kärppä ein Karelier. Diese bilden ein eigenes Volk, dessen Sprache eng mit dem Finnischen verwandt ist. Nach dem finnischen Bürgerkrieg von 1917/18, der auf die Unabhängigkeit von Schweden folgte, flohen viele der unterlegenen „Roten“ vor den bürgerlichen „Weißen“ nach Russland. Hier wollten sie das Arbeiterparadies aufbauen. Während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre kamen selbst Finnen aus den USA und Kanada hierher nach Karelien.

Auf der väterlichen Seite jedoch ist Viktor Ingermanländer. Diese siedelten in einem schmalen Streifen nordöstlich von St. Petersburg. Es sind Finnen, die im 17. und 18. Jahrhundert von den Schweden angesiedelt wurden, um die lutherische Kirche im Osten zu stärken. Rund 200.000 Finnen pflegten die finnische Kultur usw. Doch besonders zu Stalins Zeiten wurden Finnen verfolgt, in Lager gesteckt, Familien auseinandergerissen und Bevölkerungsteile in ferne Gegenden Russlands vertrieben.

Im 2. Weltkrieg eroberte die deutsche Wehrmacht Ingermanland, um Leningrad einzuschließen. Die dort lebenden menschen wurden nach Finnland umgesiedelt. Dort schlossen sie Ehen mit Finnen und adoptierten verwaiste Kinder. Ingermanländische Männer, die (1939/1940) in finnische Gefangenschaft geraten waren, schlossen sich der finnischen Armee (1941-45) an, wo sie „Stammesbataillone“ bildeten. Den Ingermanländern wurde insgeheim eine gesicherte Zukunft in einem „Großfinnland“ versprochen.

Nach dem verlorenen Krieg 1944 mussten allen Sowjetbürger zurück in die Sowjetunion, darunter an die 60.000 Ingermanländer mit zahlreichen Adoptivkindern. Manche blieben mit gefälschten Papieren in Finnland oder flohen nach Schweden. In der Sowjetunion wurden die Ingermanländer erneut zerstreut, doch vielen gelang es, sich in Russisch-Karelien, Estland oder Ingermanland niederzulassen. Nach 1990 erlaubte Finnland den Ingermanländern die Rückkehr nach Finnland. Etwa 30.000 Ingermanländer erlangten so die finnische Staatsangehörigkeit, doch sie sprachen kein Finnisch und waren entwurzelt. So erging es auch Viktor.

_Handlung_

Nach seinen Abenteuern in „Der Grenzgänger“ rackert Viktor wieder auf dem Bau, macht aber für Kumpel Karpow auch halblegale Sachen. Viktors Freundin Marja weil in den USA zu einem Studienaufenthalt, und sie finden beim Mailen heraus, dass sie einander fehlen. Als Brüderchen Alexej nach dem Tod der Mutter endlich eine Genehmigung zur Auswanderung bekommt, will auch der Neuzugang untergebracht und mit Arbeit versorgt sein. Der ehemalige Ingenieur wird erst einmal in einer Werkstatt eingestellt und erweist sich dort als Verkaufsgenie für Motoröl.

Alles scheint in Butter zu sein, als Teppo Korhonen von der Kripo auftaucht und Viktor ordentlich Feuer unterm Hintern macht. Wieder ist ein finnischer Junge an schlechtem Heroin verreckt, nun werden andere Saiten aufgezogen. Und da Viktor sowieso Korhonen noch einen Gefallen schuldig sei, könne er gleich mal anfangen, nach dem Importeur dieses Teufelszeugs Ausschau zu halten. Und wehe, es sind die Russen! Dann könne sich Viktor schon bald auf ein Donnerwetter gefasst machen. Viktor glaubt nicht, dass Alexej etwas damit zu tun hat. Oder doch?

Doch die Finnen sind nicht die Einzigen, die den Heroinimporteur suchen. Weil sowas die internationalen Beziehungen beschädigen könnte, sucht die Petersburger Unterwelt selbst nach den Konkurrenten in Helsinki. Viktor freut sich wenig über das Wiedersehen mit einem ehemaligen Kollegen aus der Spezialtruppen-Ausbildung in der alten Sowjetunion. Und Nazarjan ist begleitet von einem „Kühlschrank“ namens Gerasimow, der ebenso kalte Augen aufweist – ein Killer, wie er im Buch steht.

Da kommt auch ein Wiesel wie Viktor ins Frösteln. Er ruft bei Onkel Oleg in Petersburg an; wenige Tage später erhält er eine Einladung ins Allerheiligste der Petersburger Unterwelt. Dort schmiedet man große Pläne für die Zukunft Russland, und wolle Viktor dabei nicht in verantwortungsvoller Position mitmachen? Viktor konzentriert sich lieber auf das Naheliegende, nämlich auf die Suche nach dem Heroinimporteur. Als ein ihm vertrauter Name genannt wird, läuft es ihm eiskalt über den Rücken: Es ist ein guter Freund.

Doch als sich Viktor aufmacht, den Freund vor den Killern der Petersburger Mafia zu schützen, stellt er sich zwischen alle Fronten …

_Mein Eindruck_

Was sich schon im Debütroman „Der Grenzgänger“ angedeutet hat, wird in „Bruderland“ zur Spezialität ausgebaut: ein ehemaliger Russe, der aber eigentlich Finne ist (s. o.) wird zur Schachfigur, die sich im Spannungsfeld von Fremdenhass, Integration und biografischen Altlasten zu behaupten versucht. Mit der Finnin Marja hat Viktor die Chance, die Integration zu schaffen – obwohl Marjas Familie auch schön eigenwillig ist.

Vorbei ist es nun mit den literarischen Vorbildern Dashiell Hammett und Raymond Chandler, denn der Autor hat nun seinen eigenen Weg gefunden. Alle folgenden Krimis (siehe meine Berichte) passen in das oben gezeichnete Muster, das der Autor auf vielfältige Weise zu variieren weiß. Es eignet sich, um diverse soziale Brennpunkte kritisch ins Auge zu fassen. In „Bruderland“ sind es Heroinimporte, in „Grenzgänger“ waren es Produktfälschungen, Schmuggel und Menschenhandel.

Während der wie stets völlig durchgeknallte Kommissar Korhonen unserem helden das Leben schwer macht, kann er swich eines leisen Misstrauens gegen den eigenen Bruder nicht erwehren. Denn Alexej pflegt zwielichtigen Umgang mit Leuten, die selbst schwerbewaffnet auf eine feuchtfröhliche Feier gehen. In einer kritischen Situation bereinigt Viktors beherztes Eingreifen die Lage – und zugleich lernt er eine attraktive Frau mit dem verlockenden Namen Helena kennen. Es dauert aber nur Monate, bis die zu ihrem Ex zurückfindet, der Viktor als „Russen-Romeo“ abqualifiziert.

Ganz allmählich dreht der Autor den Spannungshahn auf. Zu den besten Sequenzen des Romans gehört zweifellos der Besuch in St. Petersburg. Viktor hat einige Zeit hier verbracht. Doch so prächtig die Bauten der Stadt an der Newa sind, die immerhin Putin und Medwedjew hervorgebracht hat, so zwielichtig sind die noblen Vertreter der Petersburger Unterwelt. Sie wollen ein neues Russland aufbauen, und ihr Sprecher weist ein Kleine-Jungen-Gesicht auf, das nicht allzu entfernte Ähnlichkeit mit dem des ehemaligen KGB-Offiziers Wladimir Putin aufweist. Man kann sich leicht ausmalen, in wessen Taschen die künftigen Reichtümer Russlands fließen sollen. Ohne Viktor!

Natürlich muss auch die eigentliche kriminalistische Handlung zu ihrem Finale finden. Ich darf verraten, dass der Autor einige explosive Momente bzw. Effekte aufzubieten weiß. Klare Botschaft: Es herrscht Krieg in Helsinkis Straßen. Doch wer der eigentliche Heroinimporteur ist, den Korhonen sucht, wird dabei eher Nebensache. Mehr darf nicht verraten werden, aber auch diese Identität dient dem Autor zu belegen, dass Finnland in Gefahr ist: von innen wie von außen. Die Frage ist, ob Leute wie Viktor Kärppä geeignet sind, diese Gefahren abzuwenden.

_Die Übersetzung _

Die Übersetzerin legt ein großes Gespür für die korrekte Wortwahl an den Tag, so dass der deutsche Stil meist ganz natürlich klingt, ganz besonders auf der Ebene der Umgangssprache. Stilistische und semantische Schnitzer wie in „Grenzgänger“ habe ich mir keine notiert. Aber es ist nicht einfach für den deutschen Leser, finnischen Sprachwitz nachzuvollziehen. Warum ist es beispielsweise lustig, dass Korhonen den Spitznamen „Teppo“ erhält, obwohl er korrekt „Terho“ heißt? Ein Glossar oder Fußnoten wären hilfreich gewesen.

_Unterm Strich_

Ich habe den gesamten Roman auf nur zwei Bahnreisen gelesen. Die Seiten lesen sich quasi wie von selbst, denn entweder sind die Szenen spannend oder schön schräg – was in Finnland ja recht einfach ist. Der Autor kennt seine Landsleute bestens und weiß ihre Eigenarten – in jedem Haus gibt es mindestens eine Sauna – durchaus amüsant zu würdigen. Ein oder zwei ordentliche Showdowns bilden schließlich das actionmäßige Sahnehäubchen, das den Leser zufrieden zurücklässt.

Diesen Krimi sollte man nicht unbedingt als ersten Kärppä-Roman lesen, denn sein Inhalt bildet nur eine (die zweite) Station in der chronologisch weiterentwickelten Biografie der Hauptfigur. Viktors Leben mit Marja, aber auch mit Alexej wird in den Folgeromanen enger, leider auch seine Bekanntschaft mit den Spionen in der russischen Botschaft zu Helsinki.

Weil eine ganze Reihe von Nebenschauplätzen eine Rolle spielen, könnten Zweifel aufkommen, ob es sich überhaupt um einen Krimi handelt. Aber die Form des Krimis hat sich in ihrer Tradition gewandelt, vor allem seit den Krimis von Sjöwall/Wahlöö um den schwedischen Kommissar Beck. Nun werden auch sozialpsychologische Missstände für würdig befunden, untersucht zu werden, und was könnte dafür eine bessere Bühne abgeben als ein klassischer Culture Clash? Finnen, Russen und drittens Leute wie Viktor, die irgendwo dazwischen stehen – hier trifft West- auf Osteuropa.

|Taschenbuch: 222 Seiten
Originaltitel: Hyvä veli, paha veli (2003)
Aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara
ISBN-13: 978-3894255633|
http://www.grafit.de

Sonnleitner, Marco – Die drei ??? – Nacht der Tiger (Band 159)

_Zur Story_

Der Schrottplatz von Titus Jonas hat ungebetenen nächtlichen Besuch, der es ausgerechnet auch noch auf die Zentrale der drei Fragezeichen abgesehen hat. Der Eindringling kann, trotz vollem körperlichen Einsatz und Herbeirufen einer Polizeistreife, unerkannt entkommen. Gestohlen wurde nichts, doch Justus bemerkt eine Manipulation am Computer der Detektei. Jemand hat einen Trojaner aufgespielt, mit welchem der Unbekannte Kontakt zu den dreien aufnehmen kann. In verschlüsselter Gedichtform teilt er ihnen den Ort eines anstehenden Autodiebstahls mit, die sich in Rocky Beach in letzter Zeit häufen.

Immer geht es dabei um Luxuskarossen und die als Tiger maskierten Diebe gehen erstaunlich dreist wie zielstrebig vor. Der mysteriöse Klient verfügt über jede Menge Insiderwissen und stammt – ebenso wie die Täter – vermutlich aus Polizeikreisen. Als sie ihn um Hilfe bitten wollen, zeigt sich Inspector Cotta den drei ??? gegenüber nicht nur seltsam zugeknöpft, sondern regelrecht feindselig. Es verdichten sich im Laufe der Ermittlungen die Indizien, dass er selbst aktiv in die Fälle verstrickt ist. Die drei Juniorschnüffler sind entsetzt – nicht nur über die rüde Behandlung. Cotta unter einer Decke mit Autodieben?! Die Beweislast scheint jedoch erdrückend …

_Eindrücke_

Die Geschichte, die sich Marco Sonnleitner da ausgedacht hat, ist geprägt von eher klassischen Stilelementen der Serie. Wackere, handwerkliche Ermittlungsarbeit steht an – und: mal kein Fußball. Das alleine ist schon einmal die ersten Punkte wert. Nächtliche Beschattung, Verfolgung, Befragung und auch der exzessive Gebrauch von Peters Dietrich-Set stehen diesmal ganz oben auf dem detektivischen Programm. Ein Rätsel? Na klar. Zumindest chiffrierte Gedichte des geheimen Informanten müssen entschlüsselt werden. Irgendwie schon Ehrensache und eins der wohl am häufigsten verwendeten Serienklischees. Die wollen schließlich auch bedient werden. Vollkommen legitim. Dazu kommt noch eine moderne Komponente, die des Kollegen Computer als Kommunikationsmedium nämlich. OK, nicht wirklich plausibel ausgearbeitet, doch es handelt sich bei „Nacht der Tiger“ ja auch nicht um eine Dissertation zu Logik und Computersicherheit/-technik, sondern um einen Jugendkriminalroman. Mit ein wenig Fantasie haut das schon irgendwie hin.

Auch alte Bekannte kommen mal wieder zum Zuge. Inspector Cotta verschlägt es diesmal sogar auf die Fahndungsliste der drei ???. Sieh an, das hatten wir noch nicht und ist schon mal einer der beiden originelleren Einfälle in der Story. Der andere war eben das mit dem Trojaner auf dem PC, wo der Grundgedanke positiv zählt, die letztendlich präsentierten Begleitumstände aber eben nicht ganz überzeugen. Während Inspector Kershaw nur einen kleinen Cameo-Auftritt bekommt, kann Morton samt Rolls Royce mal wieder etwas ausführlicher seine Qualitäten beweisen. Wobei die Sache mit dem Rolls schon arg fragwürdig herbei gedengelt scheint. So richtig mag man diese – ausgerechnet auch noch für die Handlung elementar wichtige – Schlüsselsituation in der Autovermietung nicht schlucken. Der generelle Ablauf des Plots gestaltet sich, trotz aller sicherlich gut gemeinten Bemühungen einige Nebelkerzen zu werfen und den Fieslingen einen gefährlich-bösen Anstrich (Tigermasken und Pistolen) zu verleihen, ansonsten nahezu überraschungsfrei.

_Fazit_

Ein routiniert heruntergeschriebener und dementsprechend auch flüssig-flott gelesener, stabiler Mittelklassefall. Leidlich spannend inszeniert, mit viel detektivischer sowie actionreicher Fleißarbeit gewürzt aber leider mit nur wenigen guten Ideen garniert, sodass man nun nicht dazu angetan ist, spontan in Lobeshymnen zu schwelgen. Dafür sind einige Elemente dann doch zu abgedroschen und/oder nicht konsequent genug durchdacht bzw. wirken doch schon ziemlich arg konstruiert. Der – fast schon traditionell – gern selbst kombinierende Leser hat überdies keine Chance hat sich die Lösung dieses 159. Falles selbst zu erarbeiten. Daher zeigt der Daumen der tigermäßigen Rezensenten-Pranke alles in allem in die Waagerechte mit minimaler Tendenz nach oben.

|Hardcover, 128 Seiten
Erzählt von Marco Sonnleitner basierend auf den Figuren von Robert Arthur
Redaktion: Martina Zierold, Martina Dold
Franckh-Kosmos, 2011
ISBN 978-3-440-12334-8|
[www.kosmos.de]http://www.kosmos.de

Mehr als 100 weitere Rezensionen zu den „Drei ???“ findet ihr in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book .

Vollenbruch, Astrid (Autorin) / Minninger, André – Die drei ??? – Pfad der Angst (Hörspiel) (Folge 137)

_Zur Story_

Die Auftragserteilung ist recht ungewöhnlich. Ein mysteriöser Klient, der sich selbst „Der Polymath“ nennt, hat den dreien quasi als Eignungsprüfung ein Rätsel zukommen lassen, bei dessen Lösung sie sich als würdig erweisen sollen, in seine Dienste zu treten. Kaum jedoch haben sie das Rätsel gelöst, erhalten sie einen seltsamen Anruf, der die Jungs dazu bringen soll lieber wegzubleiben. Was die Neugier der drei ??? natürlich noch weiter anfacht. Im kleinen Wüstenort Brestow/Texas angekommen erweist sich ihr neuer Auftraggeber als verschrobener Sonderling, der mit seinem grantigen Bruder isoliert auf seinem Anwesen „Rose Hall“ lebt. Winston Granville gibt an, er sei Erfinder und jemand habe sein „Okkulus Audiens“-Gerät gestohlen. Genauer: Sein neidischer Nachbar. Die drei Detektive sollen es wiederbeschaffen. Doch Winston und Matthew scheinen selbst Leichen im Keller zu haben, zumindest können die drei geheimnisvolle, nächtliche Grabungsarbeiten im selbigen beobachten.

_Eindrücke_

Die Vorlage von Astrid Vollenbruch hatte schon unter dem Stigma des vollkommen inhaltsfernen Titels und dem vergleichsweise langweiligen Coverbild zu leiden. Pfade kommen in der ganzen Geschichte nicht ein einziger vor und wenn dann nur unfreiwillig und ohne P. OK, Eine Portion Angst gibt es für die Beteiligten zumindest beim finalen Showdown auszuhalten, der beim Hörspiel aber ziemlich gekünstelt wirkt. Da ist das Buch eleganter, auch wenn dort – verständlicherweise – ebenso dick aufgetragen wird. Bemerkenswert ist jedoch das konsequente und ungewohnt grimmige Ende. Doch bis es soweit ist, lavieren sich die Figuren durch eine wüstentrockene, langatmige Story mit wenig Drive. Ein wenig erfrischender ist schon das Element, dass auch die drei Superschnüffler sich mal täuschen lassen und darob zu Kreuze kriechen müssen – das ist dann doch eher selten. Gewohnte Kost hingegen, dass wieder einmal ein Vorfall aus der Vergangenheit der Schlüssel zu allem ist.

Richtige Lichtblicke sind dabei allenfalls die schrägen Charaktere der Granvilles und ihres nicht weniger seltsamen Handlangers Smithy. Wie man anhand der knappen Sprecherliste entnehmen kann, ist der Kreis der potenziellen Verdächtigen ohnehin ziemlich spärlich – einer davon muss schließlich der fiese Knilch sein. Wobei besonders Urgestein Uwe Friedrichsen zwar stimmlich kaum wieder zu erkennen ist, aber eine blitzsaubere Darbietung des herrlich grantigen Matthew abliefert. Definitiv das Highlight der Folge. Doch auch Christian Rode als dessen spinnerter Erfinder-Bruder rettet dem Hörspiel noch ein paar Lorbeeren, wohingegen die Stammsprecher der Hauptcharaktere subjektiv einen recht lustlosen Eindruck machen. Eher routiniert denn engagiert schaukeln diese sich über die Eineinviertelstunde Laufzeit. Auch bei der Musik haben die Soundtüftler von STIL (Christian Hagitte und Simon Bertling) schon ein glücklicheres Händchen gehabt. So richtig will diesbezüglich keine Atmosphäre aufkommen, während die Geräuschkulisse als solche durchaus in Ordnung geht.

_Die Produktion_

Buch und Effekte: André Minninger
Redaktion und Geräusche: Wanda Osten
Regie und Produktion: Heikedine Körting
Musik: Hagitte & Bertling (STIL), Morgenstern, George, Conrad

_Sprecher und Figuren_

Oliver Rohrbeck (Justus Jonas), Jens Wawrczeck (Peter Shaw), Andreas Fröhlich (Bob Andrews), Thomas Fritsch (Erzähler), Christian Rode (Winston Granville), Uwe Friedrichsen (Matthew Granville), Konstantin Graudus (Smithy), Michael Brennicke (Mr. Jackmore), Wilhelm Wieben (Professor Frazier), Tetje Mierendorf (Polizist)

_Fazit_

Eins der schwächeren Hörspiele aus der Neuzeit der Serie, wobei man sagen muss, dass dies Jammern auf recht hohem Niveau ist. Da hat man schon wesentlich üblere Produktionen präsentiert bekommen, sodass sich der 137. Fall des Trios bequem im soliden Mittelfeld positionieren kann. Die skurrilen Granville-Brüder haben schon etwas, doch insgesamt zieht sich die Story, mit dem denkbar unpassenden Titel, bis zu ihrem urplötzlich mit Handlung vollgestopften Finale, streckenweise wie Kaugummi. Das ist in sofern erstaunlich, da das Hörspiel schon um einiges reduziert daherkommt und demnach generell eigentlich straffer sein sollte, als die Vorlage. Das Gegenteil ist aber eher der Fall: Im Buch läufts reibungsloser und auch ein Stück weit plausibler ab. Da hat André Minninger für die Adaption den Rotstift scheinbar an nicht ganz optimalen Stellen angesetzt. Der staubtrockene Daumen des Rezensenten weist in die Waagerechte.

|1 Audio-CD mit einer Laufzeit von ca. 73 Minuten
Erzählt von Astrid Vollenbruch nach Figuren von Robert Arthur
EUROPA / Sony Music Entertainment, 2010
EAN: 886974413721|
[www.natuerlichvoneuropa.de]http://www.natuerlichvoneuropa.de

Mehr als 100 weitere Rezensionen zu den „Drei ???“ findet ihr in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book .

Catherine Jinks – Blutsbande. Bekenntnisse einer Vampirin

Man kennt das ja: Vampire sind schön, stark und haben übersinnliche Kräfte. Aber ist das wirklich so? Nicht, wenn man der australischen Autorin Catherine Jinks Glauben schenken mag. Denn ihre Vampire sind ziemliche Loser: Sie sind eigenbrötlerische Einsiedler, die von Schwäche- und Übelkeitsanfällen geplagt werden, unter Geldnot leiden und sich von Meerschweinchen ernähren. Nicht gerade der Stoff, aus dem Träume sind …

Für einen Roman reicht es jedoch gerade so. „Blutsbande – Bekenntnisse einer Vampirin“ klingt als Titel spektakulär, bei der Lektüre sollte man sich als Leser jedoch auf ein vorherrschendes Gefühl einstellen: Mitleid nämlich. Protagonistin und Ich-Erzählerin ist die Vampirin Nina, die vor über 50 Jahren von einem Vampir infiziert wurde und seitdem in ihrem Teenagerkörper feststeckt. Das hat einerseits den Vorteil, dass sie immer noch bei ihrer Mutter wohnen kann, ohne dass sich jemand etwas dabei denkt. Andererseits verhindert es auch, dass sie einen Führerschein machen kann … schließlich sieht sie immer noch aus als wäre sie minderjährig.

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Nevill, Adam – Apartment 16

_Das geschieht:_

Barrington House erhebt sich seit jeher in einer der besseren Wohngegenden Londons. In ruhiger Abgeschiedenheit leben hier reiche Menschen in einem der 40 Apartments, die auf dem Wohnungsmarkt praktisch unbezahlbar sind. Apryl Beckford kann deshalb ihr Glück kaum fassen, als ihr Großtante Lillian Archer das Apartment Nr. 39 vererbt. Der Kontakt zur verschrobenen Verwandten war schon vor vielen Jahren abgerissen, zumal Apryl im US-Staat New Jersey lebt. Bis ein Verkauf in die Wege geleitet ist, zieht die junge Erbin in die Wohnung und sichtet den Nachlass der Verstorbenen. Dabei stößt sie auf einige Tagebücher, die entweder den Wahnsinn der Tante oder einen Fall von Verfolgung aus dem Geisterreich dokumentieren.

Seth, ein brotloser Künstler, der sich seinen Lebensunterhalt als Nachtwächter in Barrington House verdient, glaubt längst an einen bösen Spuk. Er manifestiert sich im Apartment 16, das seit über 50 Jahren leer steht und nicht betreten werden darf. Dennoch hört Seth es während seiner nächtlichen Kontroll-Rundgänge dort umgehen. Die Erscheinungen werden manifester, und sie beschränken sich bald nicht mehr auf Barrington House. Seth beginnt die Geister jener zu sehen, die nach ihrem Tod zwischen Diesseits und Jenseits ‚hängen‘ blieben – armselige, böse Kreaturen, die es freilich in keiner Weise mit dem Grauen aufnehmen können, das in Nr. 16 lauert.

Auch Apryl wird inzwischen heimgesucht. Aus den Tagebüchern ihrer Tante kennt sie zumindest den Namen des bösen Geistes von Barrington House: Der Maler und Okkultist Felix Hesse fand hier 1949 einen grausamen Tod aber keineswegs sein Ende. Seitdem spuken er und seine nicht minder üblen Begleiter durch das Haus. Hesse will Rache, sie suchen nach Opfern – die ideale Basis für eine Zweckgemeinschaft der besonders grässlichen Art, die ihr Visier auf Apryl zu richten beginnt …

_Großes Haus mit dunklen Ecken_

Man kann und mag es kaum glauben, aber selbst in einer phantastischen Gegenwart, die von weinerlichen „Twilight“-Vampiren, plapperschnattrigen Freizeit-Hexen oder – offenbar als Kontrast – genetisch verdrehten, kannibalischen, wahnsinnigen Mutanten und Hinterwäldlern dominiert wird, gibt es noch einsame Rufer in der Wüste bzw. Autoren, die der klassischen |ghost story| die Treue halten. Adam Nevill beweist in „Apartment 16“, dass dieses ehrwürdige Genre längst nicht ad acta gelegt ist, wenn man die alten Regeln behutsam aber durchaus nachdrücklich hinterfragt und neu interpretiert.

Den Anhängern der eingangs gelisteten Grusel-Gestalten mag der Schrecken, der in einer scheinbar verlassenen Wohnung lauert, allzu zahm sein. Wer sich daran erinnert, dass „Horror“ sich nicht nur aus der Suche nach dem untoten Mr. Right oder aus Blut & Gemetzel, sondern auch aus einer besonderen Atmosphäre der Angst speisen kann, denkt anders und freut sich über eine Geschichte, die anderen Ansprüchen gerecht wird, ohne darüber in literarischen Sphären zu schweben: „Apartment 16“ ist kein Ort, an dem es nur vielleicht spukt und die Furcht auch auf Einbildung beruhen könnte. Hier geht es mit Pauken & Trompeten um, wenn man ein einprägsames Bild bemühen möchte.

Denn in Apartment 16 hat sich nicht einfach ein finster gestimmtes Gespenst eingenistet. Felix Hesses Ambitionen gehen über simple Rache weit hinaus. Er gehört zu zwar jenen Pechvögeln, die nach vielen Jahren einer entbehrungsreichen Suche tatsächlich fanden, was sie gesucht haben. Nun ist Hesse in jeder Hinsicht klüger und zorniger geworden.

|Das Jenseits als (Vor-) Hölle|

Hesses Informationsgier galt seit jeher der „Vortex“. Das Konzept einer Vorhölle, in der jene Seelen gefangen sind, die den ‚Aufstieg‘ in höhere und friedlichere Gefilde nicht schaffen, ist keineswegs neu. Autor Nevill verfügt jedoch über die notwendige Wortgewalt, diesen Ort anschaulich zu beschreiben. Der verhinderte Maler Seth – die zweite Hauptfigur – muss ihn stellvertretend für uns Leser erleben und erleiden. Die „Vortex“ wird zum verzerrten Spiegelbild einer Realität, die auf ihre negativen, bösen, unerfreulichen Seiten komprimiert wurde. Selbstmörder, Mordopfer und Mörder sind typische „Vortex“-Bewohner. Der arme Seth erlangt die Fähigkeit, sie zu sehen, wie sie an den Stätten ihres Todes immer wieder Qualen erleiden. Ihr Elend macht sie nicht nur hässlich, sondern auch bösartig.

Unter den Blinden ist offensichtlich auch im Jenseits der Einäugige König. Hesse fügt sich nicht in sein Schicksal. Auch ihn hat die „Vortex“ geprägt: Er ist noch gefährlicher geworden. Vor allem hat er das Potenzial dieser Sphäre erkannt. Hesse zwingt die verirrten Seelen unter seine Gewalt. Sie dienen ihm, wobei sich seine Macht nicht auf Barrington House beschränkt. In den Jahrzehnten seit seinem Tod konnte Hesse eine Art Bannkreis um das Gebäude ziehen, den jene, die dort wohnen oder arbeiten, nicht verlassen können.

Apartment 16 bildet nichtsdestotrotz das Zentrum des durch Hesse entfesselten und teilweise gebändigten Grauens. Hier hat er die „Vortex“ erforscht und in seinen Gemälden zu begreifen versucht. So gelang es ihm, seine alte Wohnung in ein Portal zu verwandeln, das ihm und seinen Nachtmahren den Weg in die Realität öffnet.

|Gefährliches Wissen: die nächste Generation|

Altes Unrecht zieht neues Unglück nach sich; dazwischen liegt eine Erkenntnisphase, die durch Recherchen geprägt ist: Auch Adam Nevill orientiert sich an diesem bewährten Handlungsgerüst, aber der Autor kennt jenen Ausweg, der „Variation“ heißt. Dieses Mal ist der Weg in die Hölle mit ungewöhnlichen Gemälden gepflastert. Auch diese Idee ist keineswegs originär; u. a. hat sich H. P. Lovecraft 1927 ihrer in „Pickman’s Model“ (dt. „Pickmans Modell“) sehr eindrucksvoll bedient.

Als eines seiner größten Vorbilder nennt Nevill indes nicht Lovecraft, sondern Montague Rhodes James (1862-1936), den Meister der englischen „ghost story“. In der Tat sind die Parallelen augenfällig. In erster Linie betrifft dies den Ingrimm, mit dem die Bewohner des Jenseits‘ die Menschen verfolgen. Unwissenheit schützt bei James keineswegs vor Strafe. Auch Hesse beendet seinen Rachefeldzug nicht, nachdem er alle bestraft hat, die ihn einst in den Mahlstrom der „Vortex“ warfen. Das Böse benötigt irgendwann keine Begründung mehr; es existiert für sich und aus sich heraus.

Aus Seth macht Hesse einen Gefolgsmann, aus Apryl ein Opfer. Kapitelweise springt Nevill von einer Figur zur anderen. Lange bleiben die beiden Handlungsstränge isoliert. Erst im Finale laufen sie zusammen. Bis es soweit ist, verwandelt sich Seths Leben in einen Leidensweg, während Apryl parallel dazu die Mechanismen entschlüsselt, die Hesse die Existenz nach dem Tod ermöglichen.

|Fluch mit Fragen|

Dieser Mittelteil ist Nevill zu lang geraten. Viele interessante aber für die Handlung wenig relevante Episoden unterbrechen vor allem Apryls Weg zur Erkenntnis, während Seth ein wenig zu oft zwischen grotesken „Vortex“-Kreaturen umherirrt und sich graust. Zudem fehlt eine schlüssige Begründung, wieso Hesses Wirken sich auf Apartment 16 beschränkt, wenn seine Macht sich doch bis auf Londons Straßen hinaus erstreckt.

Gelungen sind Nevills Charakterisierungen von Personen, die von der Gefangenschaft, zu der Hesses Spuk sie verdammt hat, zunehmend in den Wahnsinn getrieben wurden. Natürlich ist Barrington House darüber hinaus besonders stark von verlorenen Seelen befallen: Hesses Opfer, die er schon früher erwischen konnte. Vergangenheit, „Vortex“-Realität und Gegenwart beginnen sich vor allem für Seth immer stärker zu vermischen, bis sie miteinander verschmelzen – ein Prozess, den Nevill anschaulich gruselig zu beschreiben weiß.

Das Finale ist vorgegeben: Die Pforten der „Vortex“-Hölle werden sich öffnen und Hesse endlich ausspucken. Auch hier vermag der Autor dem Geschehen einige unerwartete Wendungen einzuflechten. Dass dem Bösen von Apartment 16 nicht wirklich ein Ende bereitet werden kann, dürfte keine Überraschung sein. Sehr modern bleibt auch ein Happy End aus. Faktisch wird sich der Mikro-Kosmos von Barrington House neu bilden. Die „Vortex“ wird um einige Unglücksraben reicher sein und neue Opfer fordern. So ist es logisch, so hat es schon M. R. James gern gehalten und ist gut damit gefahren. Auch Adam Nevill ist – mit kleineren Abstrichen – jene gleichzeitig klassische und zeitgemäße |ghost story| gelungen, an der Susan Hill seit vielen Jahren scheitert.

_Autor_

Adam L. G. Nevill wurde 1969 im englischen Birmingham geboren. Er wuchs dort sowie auf der Insel Neuseeland auf, später studierte er an der schottischen Universität von St. Andrews. Nach seinem Abschluss schlug Nevill die Laufbahn eines Schriftstellers ein. Es schlossen sich 15 Jahre entsprechender Versuche und ein Leben am Rande des Existenzminimums an, in denen sich Nevill u. a. mehrere Jahre als Pförtner und Nachtwärter in West-London durchschlug; die hier gesammelten Erfahrungen flossen 2010 in den Roman „Apartment 16“ ein.

Seinen ersten Phantastik-Roman, eine Gespenstergeschichte in der Tradition des englischen Großmeisters M. R. James, veröffentlichte Nevill bereits 2004: „Banquet for the Damned“ wurde 2005 von der „British Fantasy Society“ als bester Roman des Jahres nominiert.

Hauptberuflich ist Adam Nevill Herausgeber für erotische Literatur. Nachdem er in dieser Position bis Juni 2009 für „Virgin Books“ tätig war (und selbst neun Romane für Imprints wie „Black Lace“ und „Nexus“ schrieb), wechselte er nach Einstellung dieser Reihen zu „Xcite Books“.

|Paperback mit Klappenbroschur: 494 Seiten
Originaltitel: Apartment 16 (London: Pan 2011)
Übersetzung: Ronald Gutberlet
ISBN-13: 978-3-453-52876-5|

|eBook (epub): Mai 2012 (Wilhelm Heyne Verlag)
733 KB
ISBN-13: 978-3-641-07511-8|
http://www.adamlgnevill.com
http://www.randomhouse.de/heyne

_Adam Nevill bei |Buchwurm.info|:_
[„Im tiefen Wald“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7551

Erlhoff, Kari (Autor) / Minniger, André – Die drei ??? – und der Meister des Todes (Folge 155) (Hörspiel)

_Zur Story_

Die drei Fragezeichen stecken grade mitten im Dreh zu einem Amateur-Horrorfilm – es ist ein Schulprojekt. Leider fehlte dem insgesamt siebenköpfigen Team bislang eine passende Location, doch nun kommt Schwung in die Sache. Den Nachwuchs-Tarrantinos wird ein altes, inzwischen verlassenes Haus an der Küste zur Verfügung gestellt, von dem die Besitzerin Mrs. Sciutto durchaus Gespenstisches zu berichten weiß, als Justus, Peter und Bob den Schlüssel dafür bei ihr abholen. Der ehemalige Familiensitz der Sciuttos ist noch leidlich bewohnbar, das Filmteam könne darin gerne übernachten. Wasser und Strom wären ebenfalls vorhanden – aber: Es hängen dort noch die antiken, venezianischen Marionetten ihres verstorbenen Mannes Dario. Vor diesem stummen Spalier sei eindringlich gewarnt.

Ihr Mann war früher ein ziemlich berühmter Puppenspieler und mit dem Titel „Meister des Todes“ belegt. Denn nur dieser ist, einem Teil der bewegten Familienlegende nach, in der Lage den Sensenmann in Schach zu halten. Der fuhr im Haus offenbar trotzdem gerne mal auf mysteriöse Weise seine Ernte ein, allein schon der frühe Tod ihrer beiden Söhne ist bemerkenswert. Auch von körperlosen Stimmen des Nächtens ist die Rede. Daher sei um die, angeblich mit einem Zauber belegten, Marionetten herum auch ein Kreide-Bannkreis gezogen, der auf keinen Fall unterbrochen werden dürfe. Schon bald nachdem die Teens dort untergekommen sind, geschehen tatsächlich höchst merkwürdige Dinge. Doch hat auch wirklich die gruselige Marionette des „Tod“ dabei seine knochigen Hände im Spiel?

_Eindrücke_

Das Setup ist, wie man lesen kann, schon ziemlich knackig und klingt höchst interessant. Ein wenig erinnert es an eine Mischung aus dem Achtzigerjahre-Mysterystreifen „Joey“ und einem beliebigen Teen-Slasher à la „Scream“ und Konsorten. Selbstverständlich in einer entschärften Version, denn wir sind hier ja schließlich bei den drei Fragezeichen – und da gibts per se schon mal nichts Übernatürliches, geschweige denn blutige Gemetzel. Dennoch ist das Ganze spannend geworden und hat recht gruselige Momente bzw. Gefahrensituationen, die es in sich haben. Ungefährlich ist es in dem alten Gemäuer jedenfalls nicht. Schließlich will irgendjemand den Jugendlichen Angst machen, doch warum und wieso, klärt sich gottlob erst recht spät und ist durchweg spannend aufgezogen. Auch sprecherseitig gibt es keine Klagen. Lediglich die Zwischenmusik kränkelt an einigen Stellen: Eine Stufe düsterer, wäre der Atmosphäre sicherlich zuträglicher gewesen.

Zumindest, wenn man die Buchvorlage nicht kennt, vermisst man beim Storytelling eigentlich nichts. Alle Elemente passen im Prinzip gut ineinander und das trotz der Kürzungen. Leider geht aber doch ein Stück weit der Überblick der komplexen Zusammenhänge sowie die Figurenzeichnung flöten. Da ist Kari Erlhoffs Roman an entscheidenden Stellen detaillierter und man kann die einzelnen Figuren auch on-the-spot besser auseinanderhalten, beim Hörspiel braucht man dafür eventuell mehrere Anläufe dafür. Zudem blieben bei der Umsetzung einige humorige wie zusätzlich spannungsförderliche Sequenzen komplett außen vor. Etwa Bobs „Zwiegespräch“ mit der Skelett-Marionette auf dem Beifahrersitz seines Käfers. Latonas witzig-kesse Einlagen sind noch vorhanden – übrigens eine vielversprechende Figur, die hoffentlich nicht letztmalig auftaucht – dafür ist das Finale (Die Aufführung des fertigen Streifens) weggelassen worden. Schade.

_Die Produktion_

Buch und Effekte: André Minninger
Redaktion und Geräusche: Wanda Osten
Regie und Produktion: Heikedine Körting
Musik: Hagitte & Bertling (STIL), Morgenstern, George, Conrad

|Sprecher und Figuren|

Oliver Rohrbeck (Justus Jonas), Jens Wawrczeck (Peter Shaw), Andreas Fröhlich (Bob Andrews), Thomas Fritsch (Erzähler), Christian Stark (Zack Martin), Manuela Bäcker (Mary-Ann Leigh), Julia Hummer (Latona Johnson), Till Huster (Frank Norman), Heidi Berndt (Mrs. Robinson), Gisela Fritsch (Angela Sciutto), Rainer Fritzsche (Federico Sciutto), Ingo Feder (Mr. Torrance), Konstanze Ullmer (Nachbarin), Undine Ullmer (Kind)

_Fazit_

Die Story auf 66 Minuten zu komprimieren ist insgesamt gelungen und es wurde ein gutes Hörspiel mit ordentlich Flair daraus. Bei der Wahl situativ passenderer Musik wären noch weitere Pünktchen zu holen gewesen. Allerdings muss man positiv festhalten, dass keine groben Schnitzer zu verzeichnen sind und man als einzigen wirklichen Vorwurf gelten lassen kann, dass die Vorlage deutlich ausgefeilter, runder und einen Tick spritziger zu Werke geht. Wem dieser spannende, komplexe 155. Fall schon als Hörspiel gefallen hat, dem sei auch das Buch ganz dringend zur Lektüre anempfohlen. Da hat das Kopfkino noch eine Schüppe draufzulegen. Der knochige Rezensentendaumen zeigt für diese gelungene EUROPA-Produktion jedenfalls klar noch oben.

|1 Audio-CD mit einer Laufzeit von ca. 66 Minuten
Erzählt von Kari Erlhoff nach Figuren von Robert Arthur
EUROPA / Sony Music Entertainment, 2012|
EAN: 886979232525
[www.natuerlichvoneuropa.de]http://www.natuerlichvoneuropa.de

Mehr als 100 weitere Rezensionen zu den „Drei ???“ findet ihr in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book .

Jens Bisky – Unser König: Friedrich der Große und seine Zeit

_Der König_

Friedrich II. (1712-1786) erstaunte die europäische Welt zuerst durch seine Jugend als künstlerisch interessierter junger Mann. Als Sohn des Soldatenkönigs, der durch sein sparsames und militantes Regime, das allerdings zu keinem großen Kriege führte, bekam er die Härte von dessen Erziehung zu spüren, so dass er schon mit seinem Freund Katte durchbrennen wollte, was ihm die väterliche Anklage wegen Hochverrats eintrug und er zusehen musste, wie Katte in Küstrin hingerichtet wurde.

Als er dann 1740 selbst an die Macht kommt, wandelt er sich abrupt zum Eroberer, der unter fadenscheinigen Gründen Schlesien annektiert. Im Siebenjährigen Krieg hat er dann einer Übermacht zu widerstehen, die Preußen an den Rand der Katastrophe bringt, denn Preußen liegt als Flickenteppich zwischen den Großmächten Russland, Österreich und Frankreich. Immerhin gelingt es ihm, in Besitz von Schlesien zu bleiben, auch wenn ihn das teuer zu stehen kommt.

Der Alte Fritz, wie man Friedrich den Großen in späteren Jahren vertraulich nannte, bläst dann täglich drei Stunden die Querflöte, verbringt die Tage mit Regieren, Dinieren und Erzählungen der immer wieder gleichen Anekdoten, und die Nächte nicht in den Armen einer Maitresse, sondern an der Seite einer Hündin, seinen Windspielen, von denen er einige Dutzend hielt.

Ab und an regiert er auch mal in die eigene Justiz hinein und bringt schon einmal ein paar Gerichtsmänner hinter Schloss und Riegel, weil sie im Falle des Müllers Arnoldt, dem angeblich das Wasser abgegraben wurde, seiner Meinung nach falsch entschieden haben. Das rückt erst sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. wieder gerade, der aber nicht nur das Maitressenwesen wieder einführte, sondern auch die Friederizianische Gedankenfreiheit wieder zurückdrehte.

_Das Buch_

Der Autor Jens Bisky hat ein Gespür für aktuelle Stoffe. Hat er zum 200. Todestag Kleists eine Biographie herausgebracht, so lässt er den 300. Geburtstag Friedrichs ebenfalls nicht aus. Jugend, Glanz, Krieg und Alter heißen die vier Bestandteile seines Kleeblatts, das er uns offeriert, und jeden Abschnitt durch einen eigenen Text einleitet. Dass Bisky, wie schon bei Kleist, auch für Friedrich kein inniges Verhältnis findet, kann man nachempfinden, denn er war eben ein Monarch, der, auch wenn er uns die Kartoffel als Feldfrucht geschenkt hat, immer eine gewisse Distanz verlangt. Zwei Drittel des Buches sind allerdings Originaldokumente, die recht bunt sind und auf bequeme Weise aus der überschaubaren Arbeit ein umfängliches Werk machen.

_Fazit_

Bisky bringt die reichhaltigen Quellen zu Friedrich dem Großen in überschaubarem Umfang in unsere Bücherregale. Die Aktualität findet er vor allem darin, dass sich der König als „erster Diener“ seines Staates ansah. Diese Pflichttreue, obgleich er vielleicht lieber Musiker und Schöngeist hatte sein wollen, hält zum Muster heutiger Politiker her. Wiederentdeckt wurde diese Tugend schon zu DDR-Zeiten, als man das Rauchsche Reiterdenkmal wieder unter die Linden brachte, aber auch heute ist noch kein Ende in der Faszination erkennbar, stattdessen vielleicht sogar die Sehnsucht nach einem guten König.

|Hardcover, 400 Seiten
ISBN-13: 978-3871347214|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

Ahner, Dirk – Hui Buh – Neue Welt: Der verfluchte Geheimgang (Hörspiel) (Folge 01)

23 Folgen beinhaltete die Original-Serie des vorlauten, kettenrasselnden Schlossgespensts HUI BUH, welchem der unvergessliche Hans Clarin maßgeblich Stimme und somit auch Ansehen verlieh. Im Jahre 2006 wurde der altehrwürdige Stoff des Hörspielautoren Eberhard Alexander-Burgh dann schließlich auch verfilmt und von Dirk Ahner in wesentlich modernere Form gegossen. Basierend darauf folgte dann zwei Jahre später der Relaunch der Hörspielreihe mit dem Untertitel „Neue Welt“. Seit 2008 spukt das „einzig behördlich zugelassene Gespenst auf Schloss Burgeck“ also wieder durch die EUROPA-Studios – mit frischer Besetzung und runderneuertem Setting.

_Zur Story_

König Julius der 111. und seine Gemahlin Konstanzia sind aushäusig unterwegs. Wichtige Gespräche mit dem Bürgermeister und einflussreichen Bürgern von Dorf Burgeck stehen an. Eine schauderhaft gewittrige Nacht ist dies und der alte Kastellan gibt den beiden ebenfalls im Schloss zurück Gebliebenen, Tommy und HUI BUH, alte Kapitel aus der Geschichte von Burgeck zum Besten. Darunter auch die vom mysteriösen Geheimgang, in welchem der ehemalige Schlossherr Graf Morticor angeblich einen Nebenbuhler vor 700 Jahren lebendig begraben ließ.

Er begehrte einst die schöne Wirtin Gerlinde aus der Dorfschänke, doch diese hatte ihr Herz Minnesänger Kunibert geschenkt, mit dem sie sich dank des Ganges treffen konnte. Bis der eifersüchtige Graf davon erfuhr und das für Kunibert zur tödlichen Falle wurde – auch Gerlinde hatte man von jenem Tag an nie mehr gesehen. Entgegen der Warnungen des Kastellans und des ausdrücklichen Verbots Julius‘, während seiner Abwesenheit irgendwelchen Unsinn zu verzapfen, machen sich Tommy und HUI BUH neugierig auf die Suche. Mit ungeahnten wie unangenehmen Folgen.

_Eindrücke_

Für altgediente Fans ist es natürlich zunächst einmal ein mindestens mittlerer Kulturschock, dass HUI BUH nun von Stefan Krause gesprochen wird – und das auf eine eigene Art, die fast nichts mehr mit Clarins hyperaktiv krakeelenden und lamentierenden Interpretation der Figur gemein hat. Und das ist auch gut so. Auf mehreren Ebenen. Das neue Schlossgespenst weist zwar im Wesentlichen die Charakterzüge auf, die ihm schon sein Schöpfer Eberhard Alexander-Burgh auf den durchscheinenden Leib schrieb, doch haben die modernen Zeiten ein Upgrade erfordert. Auch was das Drumherum der Geschichte angeht, waren einige Renovierungsarbeiten nötig. Das heutige Publikum ist halt ein anderes. So wurde dem nun etwas zurückhaltender agierenden Gespenst eine Patchwork-Familie zur Seite gestellt. König Julius (hervorragend: Christoph Maria Herbst) ist nun Stiefvater eines Elfjährigen, da Konstanzia (würdig: Ulrike Stürzbecher) einen Sohn mit in die Ehe brachte. Tommy ist die neue Identifikationsfigur für die entsprechende (männliche) Altersgruppe.

Für die Mädels übernimmt dies Sophie (sympathisch: Marie-Luise Schramm), die Nichte der Wirtin der Dorfschänke, die esoterisch veranlagte Roswitha Rosenbach (schön abgedreht: Daniela Hoffmann), welche Tommy und HUI BUH in dieser ersten Folge der „Neuen Welt“ kennenlernen. Sophie ist fürderhin fester Bestandteil des Ensembles, bei dem eine wichtige Gestalt auf keinen Fall fehlen darf: der alte Kastellan, der auf die oft erfolglosen Spukversuche des „verehrten Schlossgeists“ schon lange nichts mehr gibt. Mit Jürgen Thormann hat man dort einen weiteren genialen Griff getan – wiewohl auch Andreas von der Meden früher in der Original-Serie stets einen guten Kastellan abgab, ist das Synchron-Urgestein mit seiner markanten Stimme noch einen Tick passender. Dem in nichts nach steht der professionelle Score, den das Berliner Filmorchester unter Leitung der Hörspielmacher Simon Bertling und Christian Hagitte hinlegt. Die beiden unter dem Kürzel „STIL“ bekannten Musiker führen nämlich auch die Regie.

Den Brückenschlag zur alten Serie schafft das kurze Intro von Hans Paetsch, doch schon kurz darauf übernimmt der neue Erzähler die Einführung in die (Vor-)Geschichte: Andreas „Bob Andrews“ Fröhlich. Für HUI-BUH-Frischlinge müssen zunächst einige Dinge erläutert werden, nämlich unter anderem, wie aus dem kreuzfidelen Ritter Balduin vor 500 Jahren überhaupt erst das Schlossgespenst wurde. Wobei auch hier ein wenig am Original gedreht wurde, um heutigen Erfordernissen gerecht zu werden. Storytechnisch bewegt man sich beim Auftakt ansonsten auf recht sicherem Terrain, denn eine tragische Liebesgeschichte zieht eigentlich immer. Die ist zwar rührig-niedlich, glücklicherweise jedoch sonst recht unschmalzig. Ein gutes Kontrastprogramm dazu liefert auch Fiesling Graf Morticor, der tatsächlich für (maßvolles) Gruselfeeling sorgt.

_Die Produktion_

Buch: Dirk Ahner
Nach Motiven von Eberhardt Alexander-Burgh (1928 – 2004)
Konzeption: Hilla Fitzen, Dirk Eichhorn, Elisa Stefan
Redaktion: Hilla Fitzen
Regie, Ton und Produktion: Christian Hagitte und Simon Bertling
Musik: Hagitte & Bertling (STIL), Das Berliner Filmorchester

|Sprecher und Figuren|

Stefan Krause (Hui Buh), Christoph Maria Herbst (König Julius der 111.), Ulrike Stürzbecher (Königin Konstanzia), Maximilian Artajo (Tommy), Marie-Luise Schramm (Sophie), Jürgen Thormann (Kastellan), Daniela Hoffmann (Roswitha Rosenbach), Sascha Rotermund (Kunibert), Heide Domanowski (Gerlinde), Kaspar Eichel (Graf Morticor), Andreas Fröhlich (Erzähler / Intro von Hans Paetsch)

_Fazit_

Als Nachfolger einer so berühmten Serie hat man es schwer, einen Fuß auf den Boden zu bekommen, denn gerade die zahlreichen Alt-Fans sind ein schwieriges Klientel, die einen solch einschneidenden Strukturwandel erst einmal verdauen müssen. Neueinsteiger hingegen sehen dies vermutlich insgesamt wesentlich gelassener, haben sicher keine Probleme mit dem modernen Anstrich und werden insbesondere Stefan Krause in ihr Herz schließen, der dankenswerterweise nicht versucht, Hans Clarin zu kopieren, sondern HUI BUH seinen eigenen Stempel aufdrückt. Auch beim Rest der Produktion wurde vom Start weg alles richtig gemacht: Hervorragende Sprecher, aufwändige Sound- und Score-Kulisse, eine gefällige Geschichte als Transportmedium für die Einführung der neuen Charaktere und nicht zuletzt einige frech-witzige Dialoge sorgen dafür, dass sich junge und alte Hörer schon bald im frisch aufgemöbelten Schloss Burgeck wohlfühlen.

|1 Audio-CD mit einer Laufzeit von ca. 75 Minuten
Empfohlen vom Hersteller von 6 – 99 Jahre
EUROPA / Sony Music Entertainment, 2008|
EAN: 88697120820
[www.natuerlichvoneuropa.de]http://www.natuerlichvoneuropa.de

_Hui Buh bei |Buchwurm.info|:_
[„Hui Buh, das Schlossgespenst – Königliche Samtbox (Folge 1) (Hörspiel)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7546
[„Hui Buh … in neuen Abenteuern“ (Folge 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7576
[„Hui Buh … spukt lustig weiter (Folge 3)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7540
[„Hui Buh … und das Geheimnis im Burgbrunnen“ (Folge 4)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7577
[„Hui Buh … und die große Spukschau“ (Folge 5)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7608
[„Hui Buh … fährt Geisterkarussell“ (Folge 6)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7613
[„Schlotterbox (13-15)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3478
[„Hui Buh … und das wilde Geisterheer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7776 (Folge 17)
_“Neue Welt: Der verfluchte Geheimgang“ (Folge 1)_
[„Neue Welt: Das unheimliche Internat“ (Folge 7)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7773
[„Neue Welt: Adolars Rückkehr“ (Folge 9)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7771
[„Neue Welt: Der Geist der Weihnacht“ (Folge 13)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7471
[„Neue Welt: Das verzauberte Schwert“ (Folge 15)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7769
[„Das Schlossgespenst“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2762
[„Hörspiel zum Film“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2881

Abrahams, Peter – Verblendet

_Das geschieht:_

Bildhauer Roy Valois lebt und arbeitet abgeschieden aber inzwischen berühmt und wohlhabend geworden in Ethan Valley, einem Städtchen im US-Staat Vermont. Als bei ihm eine fortgeschrittene Lungenkrebserkrankung festgestellt wird, beginnt Valois sein Leben neu zu ordnen. Außerdem plagt ihn die Neugier: Wie wird die Nachwelt über ihn denken? Mit ein wenig Unterstützung bricht er in die Datenbank einer großen Zeitung ein, um seinen eigenen Nachruf zu lesen, der dort für den Fall der Fälle auf seinen Abruf wartet.

Valois ist zufrieden, doch ein Fehler stört ihn: Delia, seine immer noch geliebte, vor 15 Jahren bei einem Helikopter-Absturz in Venezuela umgekommene Gattin, habe nicht für die Vereinten Nationen, sondern für das private Hobbs-Institut als Beraterin gearbeitet, informiert er Jack Gold, den Reporter, der den Nachruf verfasste. Gold verspricht nachzuforschen. Wenig später wird er überfallen, ermordet und seiner Unterlagen beraubt.

Im Rahmen einer experimentellen Therapie reist Valois nach Baltimore. Zwischen den Behandlungen sucht er in Washington nach Spuren. Dort will man allerdings von einem Hobbes-Institut niemals gehört haben. Als Valois zufällig Tom Parish, Delias Chef, ausfindig machen kann, leugnet dieser jede Bekanntschaft ab und taucht unter. Da Valois mit Beweisen nicht dienen kann, glaubt ihm die Polizei seine Geschichte nicht.

Frustriert kehrt Valois nach Ethan Valley zurück. Dort muss er feststellen, dass jemand sich Einlass in sein Haus verschafft und es durchsucht hat; eine Skizze des Hobbs-Instituts ist verschwunden. Kurz darauf meldet sich der Geschäftstycoon Calvin Truesdale bei Valois. Der als Kunstsammler bekannte Milliardär interessiert sich angeblich für eine von seinen Arbeiten. Doch Valois ist im Besitz eines alten Fotos, dass Truesdale zusammen mit Parish zeigt …

_Mit dem Rücken zur brüchigen Wand_

Der Durchschnittsmensch in einer Ausnahmesituation ist die perfekte Identifikationsfigur für diejenigen Leser, die gern davon träumen, dass ein Abenteuer Abwechslung in ihren Alltag bringt, ohne die damit verbundenen Risiken eingehen zu müssen. Der Plot sorgt für den doppelten „Suspense“-Faktor, geht es doch nicht nur um die spannende Frage, ob der unerfahrene ‚Held‘ entkommt, sondern auch und vor allem, wie ihm, der in Sachen Täuschung und Gewalt weder ausgebildet ist noch über entsprechende Erfahrungen verfügt, dies gelingt.

Peter Abrahams verschärft die Krise, indem er eine Hauptfigur präsentiert, die an zwei tödlichen Fronten kämpft. Roy Valois ist nicht nur einer Verschwörer-Gruppe auf die Spur geraten, die ihn gern aus dem Weg geräumt sähe. Ihm sitzt ohnehin Gevatter Tod im Nacken bzw. im Brustkorb, wo dieser – gern in sowieso gefährlichen Situationen – die asbestkrebsbefallenen Lungen zwischen seinen Knochenfingern walkt, sodass dem armen Valois buchstäblich die Luft dort wegbleibt, wo es lebenswichtig wäre zu handeln.

„Verblendet“ ist als Roman eine vollständige Sammlung sämtlicher Wendungen bzw. Klischees, die das „Allein-gegen-alle“-Genre hervorgebracht hat. Deshalb erstaunt es besonders, wie gut sich Abrahams ihrer bedient hat: „Verblendet“ ist eine wunderbare, d. h. spannende, rasante und wendungsreiche Verfolgungsjagd, die darüber hinaus einen wichtigen Faktor vorbildlich berücksichtigt: Wir Leser bangen um die Hauptfigur. Der Verfasser musste sie uns dafür ans Herz legen. Roy Valois ist weder ein sentimentaler noch ein herausragend sympathischer Mann. Trotzdem |wollen| wir, dass er obsiegt: gegen seine unsichtbaren Feinde und gegen den Krebs.

|Wo kann ich mich verstecken?|

Abrahams ist als Erzähler ein Profi, der auf eine mehrere Jahrzehnte währende Schriftstellerkarriere zurückblicken kann. Wo andere Autoren allmählich auslaugen, ist er gereift. „Verblendet“ beweist, dass der Autor genau weiß, wie man eine solche Geschichte (beinahe) über die volle Distanz bringt. Dies bedeutet in erster Linie eine Variation des Bekannten, das neu arrangiert sichtlich den bewährten Unterhaltung-Sog ausüben kann.

Zur Spannung kommt mehr als ein Quäntchen Paranoia. In der multimedialen Welt des 21. Jahrhunderts muss sich Mr. Jedermann besonders hilflos und ausgespäht vorkommen. Die technischen Mittel, die Valois gestatten, die Spur des Gegners aufzunehmen, stehen auch diesem zur Verfügung, um den neugierigen Schnüffler ausfindig zu machen. Das Internet entwickelt sich dank des Erfindungsgeistes eines geschickten Verfassers zur Höllengrube. Für die Zündung sorgt die unschuldige Neugier eines kranken Mannes, der nur seinen Nachruf lesen wollte.

Längst zum zweiten Teufelswerkzeug ist im modernen Thriller das Handy geworden, weil es eher der verräterischen Ortung als der Kommunikation dient. Gemeinsam sorgt die geballte Hightech für einen dem Verfasser nützlichen Effekt: Irgendwann erkennt der flüchtige Held, dass er sich nur verstecken kann, wenn er sich ihrer entledigt. Damit kann das gute, alte Katz-und-Maus-Spiel wieder beginnen; in unserem Fall bedeutet dies, dass sich Roy Valois von verlässlichen Freunden zum Finalkampf Auto fahren lässt.

|Wem kann ich trauen?|

Die Antwort muss in einem guten Thriller selbstverständlich lauten: Niemandem! Es ist Teil der Spannung, dass sich Roy Valois‘ menschliches Umfeld in ein gesichtsloses Heer potenzieller Feinde verwandelt. Die meisten seiner Freunde sind und bleiben Freunde, doch Abrahams kreiert und schürt eine Atmosphäre, in der jedes Wort, jede Handlung eine unterschwellige und bedrohliche Zweitbedeutung gewinnt. Valois nimmt Menschen, die er seit Jahrzehnten kennt bzw. zu kennen glaubt, unter die Lupe und meint plötzlich Fremde zu sehen.

Vertrackterweise geht sein Misstrauen nicht tief genug oder besser gesagt: in die falsche Richtung. Hierin wird abermals die verständliche Ratlosigkeit eines Menschen deutlich, der im postulierten Sumpf korrupter Politiker, selbstherrlicher Konzern-Könige und unkontrollierbarer Geheimdienstlern umherirrt und unterzugehen droht. Der Feind hat dieses Problem nicht und ist Valois deshalb immer einen Schritt voraus.

Was zu der Frage führt, wieso ausgerechnet ein todkranker Bildhauer seinen zudem schwer bewaffneten Verfolgern nicht nur immer wieder ein Schnippchen, sondern ihnen auch die Schädel einschlagen kann. Dies ist eine typische Schwachstelle solcher Thriller: Das Opfer muss über sich hinauswachsen und dabei auch sich selbst unbekannte Kräfte entwickeln; für den Rest sorgt der Faktor „Gerechtigkeit“, eine romantische Vorstellung, der auch Abrahams sich nicht entziehen kann: Roy Valois zerschlägt den gordischen Knoten, weil er im Recht ist. Allerdings muss man dem Verfasser zugestehen, dass es der Leserschaft sicherlich nicht recht wäre, würden Valois und dieser Roman realistisch etwa auf Seite 100 durch eine gut gezielte Schurkenkugel ausklingen.

|Was ist eigentlich geschehen?|

Das in festen Bahnen laufende und ruhige Leben des Roy Valois verwandelt sich in Treibsand – ein Vorgang, den Abrahams mit großem Geschick und fast sadistisch als Kettenreaktion zu schildern weiß. Nicht einmal auf seine Erinnerungen kann Valois sich berufen, denn diese sind falsch. Zu Krankheit und Todesgefahr kommt die Erkenntnis, ausgerechnet von der geliebten Frau, nach der Valois sich seit 15 Jahren in Trauer verzehrt, belogen worden zu sein.

Aus dieser Not muss Valois eine typische Thriller-Tugend machen und sich neue Verbündete suchen. Denen kann er – wahrscheinlich – zwar trauen, hat sich jedoch damit abzufinden, dass sie auch keine Profis in Sachen Lug & Trug sind, weshalb gut gemeinte aber schlecht durchdachte Pläne die Lage für den Helden noch brenzliger gestalten.

Aber auch in diesem Punkt meint es das kosmische Schicksal im trauten Bund mit dem vielbeschäftigten Zufall gut mit Valois: Im Alleingang rollt er die dunkle Vergangenheit des Hobbs-Instituts und seiner Betreiber auf, die selbstverständlich immer noch im Untergrund tücken. Bis zum Oberschurken muss er sich dabei durch ein Feld immer gefährlicherer Schergen schlagen, wobei Autor Abrahams hin und wieder keinen echten Rat weiß und beispielsweise ein aufgeregtes Pferd mit harten Hufen eine lebensgefährliche Situation klären lässt.

|Wie soll das enden?|

Die vor allem auf Dauer wenig überzeugenden Stehaufmännchen-Qualitäten des Roy Valois wurden bereits negativ angemerkt. Dieser Schwachpunkt artet leider ausgerechnet im Finale zum Logikloch aus. Abrahams scheinen schließlich die Ideen ausgegangen zu sein. Was sonst könnte eine Erklärung für die peinlich primitive Weise sein, auf die sich Valois Zugang zum Stützpunkt des bösen Drahtziehers verschafft, der doch über ein Heer bestens ausgebildeter Leibwächter gebietet, wie Abrahams nie müde wurde uns vor Augen zu führen? Innen wird er nicht etwa sofort geschnappt, sondern kann sich frank & frei bewegen und binnen weniger Minuten nicht nur die letzten Rätsel lösen, sondern auch eine entlarvende Botschaft finden, nach der sein Widersacher – auf dem eigenen Grundstück! – seit anderthalb Jahrzehnten vergeblich gesucht hat.

Dass alles in einem simplen Faustkampf zwischen Gut & Böse gipfelt, könnte dieser Geschichte den Rest geben. Aber in letzter Sekunde, mit den letzten Zeilen besinnt sich Abrahams eines Besseren. Die große Verschwörung wird aufgedeckt, aber ein Happy End für Roy Valois wird es wohl nicht geben. Es wäre in der Tat ein wenig zu viel jener naiven Gerechtigkeit gewesen, über der man im Geiste stets das Sternenbanner im Wind knattern hört. So aber überwiegt die positive Erinnerung an einen Roman, dessen Pageturner-Qualitäten nicht von der Werbung behauptet, sondern von einem talentierten Autoren verwirklicht wurden, und der es daher nicht verdient, in einem Meer ähnlich lieblos gestalteter aber tatsächlich langweiliger Verbrauchs-Taschenbücher unterzugehen.

_Autor_

Peter Abrahams wurde am 28. Juni 1947 in Boston, US-Staat Massachussetts, geboren, verlegte seinen Wohnort jedoch nach dem Studium beruflich bedingt ins kanadische Ottawa, wo er für den Sender CBS als TV-Produzent arbeitete.

Als Schriftsteller ist Abrahams für seine solide geplotteten, sorgfältig umgesetzten, klassischen Thriller bekannt, für die er als literarische Vorbilder Graham Greene und Ross Macdonald nennt. Abrahams verzichtet auf überzogene Effekte und versteht es, Spannung auch oder gerade aus dem Verhalten glaubwürdig gezeichneter Menschen in einer lebensverändernden und -bedrohlichen Situation zu ziehen.

Das hierin seit Jahrzehnten gezeigte Talent weiß Abrahams auch in die auf fünf Bände angelegte „Young-Adult“-Krimi-Serie „Echo Falls Mysteries“ einzubringen, mit der er nicht nur die Kritik, sondern auch das anvisierte jugendliche Publikum überzeugen konnte. Sorgfältig geheim hielt Abrahams dagegen seine Urheberschaft an der „Chet-&-Bernie“-Mystery-Serie: Unter dem Pseudonym „Spencer Quinn“ beschreibt er die Abenteuer eines Privatdetektivs, die aus der Sicht seines Hundes (!) geschildert werden.

Mit seiner Familie lebt und arbeitet Abrahams heute wieder in Massachusetts und hier in Falmouth oder auf Cape Cod.

|Taschenbuch: 413 Seiten
Originaltitel: Nerve Damage (New York : William Morrow 2007)
Übersetzung: Frauke Czwikla
ISBN-13: 978-3-426-50770-4|

|Als eBook: Juni 2012 (Knaur eBook)
479 KB
ISBN-13: 978-3-426-41294-7|

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Joachim Masannek – Honky Tonk Pirates: Das verheißene Land (Band 1)

Die Honky Tonk Pirates-Serie:

Band 01 – _“Das verheißene Land“_
Band 02 – „Das vergessene Volk“
Band 03 – „Zurück in die Hölle“
Band 04 – „Es kann nur einen geben“
Band 05 – „Das Herz der Ozeane“

Dass man mit Piratengeschichten heutzutage durchaus erfolgreich sein kann, war spätestens mit der „Fluch der Karibik“-Reihe hinlänglich bewiesen. Zumindest filmisch. In der Literatur muss man doch schon etwas länger suchen, um fündig zu werden. Für entsprechende Jugendromane gilt das doppelt. Nach R. L. Stevensons „Schatzinsel“ kommt in dieser Ecke lange Zeit erst einmal Nichts. Das zu ändern hat sich Joachim Masannek, der sonst eher als Mastermind hinter „Die wilden Kerle“ bekannt wurde, vorgenommen und seine Serie „Honky Tonk Pirates“ aus der Taufe gehoben. Inzwischen ist sogar hier bereits die Verfilmung des Stoffes auf dem Weg.

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Cinda Williams Chima – „Der Wolfsthron“ (Seven Realms 3)

The Seven Realms

Band 1: Der Dämonenkönig“
Band 2: Das Exil der Königin“
Band 3: „Der Wolfsthron“

Nachdem es Raisa am Ende des vorhergehenden Bandes gelungen ist, sowohl den Bayars als auch Gerard Montaigne zu entkommen, ist sie in dem Grenzstädtchen Fetterford hängen geblieben. Jetzt wartet sie darauf, dass Amon Byrne und sein Triple sie finden und sicher zurück in die Fells bringen. Han weiß zwar nicht genau, was Raisa zugestoßen ist, aber er ist fest entschlossen, sie zu finden. Doch es ist weder Han noch Amon, der Raisa letztlich aufstöbert …

Neue Charaktere bietet dieser dritte Band nicht. An Komplexität zugenommen hat er aber durchaus, dabei sind noch gar nicht alle Fäden, die die Autorin in Band zwei angelegt hat, mit eingewoben. Dekanin Abelard und Fionas Vorschlag an Han sind gerade mal der Hauch einer Randerscheinung, kaum mehr als eine Erwähnung, damit der Leser nicht vergißt, dass da ja auch noch was war.

Aber auch ohne diese beiden Fäden tut sich beileibe genug. Allein bis Raisa und Han das Marisa Pines Camp erreichen, ist fast ein Drittel des Buches gelesen. Der lebhaftere Strang ist dabei der um Raisa, und tatsächlich dauert es diesmal etwas länger, bis die prekäre Situation sich auflöst, und es kostet die Protagonistin auch mehr Mühe, sich aus der Affäre zu ziehen. Die Szene mit Gillen allerdings lief noch immer ein wenig glatt, was im Hinblick auf den Jugendbuchcharakter der Geschichte aber in Ordnung ist.

Der Rest des ersten Drittels ist mit dem Austausch von Informationen ausgefüllt, denn natürlich wollen alle Beteiligten wissen, was dem jeweils anderen während der Trennung widerfahren ist. Außerdem dient dieser kurze Abschnitt dem Aufbau der Ausgangssituation, in der Raisa gelandet ist und aufgrund derer sie nun agieren muss. Zwar ist Raisa ursprünglich nicht ganz freiwillig in ihr Land zurückgekehrt, ihren Anspruch auf den Thron gedenkt sie aber keineswegs aufzugeben.

Um auf den Thron zu kommen, muss sie aber nicht nur ihren Gegnern die Stirn bieten, sie muss auch ständig zwischen ihren Unterstützern vermitteln. Das fängt schon damit an, dass Han von überhaupt niemandem akzeptiert wird, nicht einmal von den Demonai, obwohl er zumindest zur Hälfte von den Clans abstammt. Der Oberkommandierende der regulären Streitkräfte pflegt sorgfältig sein Konkurrenzgehabe gegenüber der Wache, und Lord Bayar als Vorsitzender des Magierrates und Averill Demonai als Vertreter der Clans misstrauen einander schon aus Prinzip, von ihrer persönlichen Aversion gegeneinander ganz abgesehen. Das allein ist schon ein Balanceakt für sich.

Außerdem stehen seit Raisas Rückkehr sofort wieder alle möglichen jungen Männer auf der Matte und werben um ihre Hand, angefangen bei sämtlichen Kandidaten, die bereits zu ihrer Namensfeier Schlange standen, über Nightwalker, den jungen Anführer der Demonai-Krieger, bis hin zu Micah Bayar, den sie weder abweisen noch heiraten kann, ohne sich zusätzlich in Lebensgefahr zu bringen!

Dazu kommt noch die Bedrohung von Außen. Gerard Montaigne, der ausgesprochen unangenehme Prinz aus Arden, hat seinen Krieg gegen Tamron offenbar gewonnen, und sein in seiner Offenheit geradezu unverschämtes Heiratsangebot an Raisa lässt nicht den geringsten Zweifel daran, dass er es auch auf die Fells abgesehen hat.

Als wäre das alles noch nicht genug, werden in den Straßen der Stadt immer wieder die Leichen von Magiern gefunden, deren Amulette fehlen!

Und um das Maß endgültig vollzumachen, hat Han auf Raisas Geständnis über ihre tatsächliche Identität nicht gerade positiv reagiert, und es kostet sie einiges an Mühe, ihre Freundschaft zu ihm wieder zu kitten.

Wahrlich genug Stoff, um sechshundert Seiten zu füllen, und diesmal ist es der Autorin sogar gelungen, all diese Konflikte ganz allmählich übereinander zu schichten, die altbekannten zuerst, und dann immer einen weiteren obendrauf, und auf diese Weise tatsächlich steigende Spannung zu erzeugen. Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich vor Aufregung feuchte Hände bekommen hätte, aber immerhin hat sich die Situation im Laufe der Handlung immer weiter zugespitzt. Schließlich endet das Buch mit einem fiesen kleinen Cliffhanger, der dieser Zuspitzung sozusagen die Krone aufsetzt.

Unterm Strich hat sich dieser Band im Vergleich zu den beiden Vorgängern merklich gesteigert. Das liegt nicht nur daran, dass die Handlung vielschichtiger geworden ist, sondern vor allem daran, dass zum ersten Mal so etwas wie eine Entwicklung hin zu einem Höhepunkt erkennbar ist. Raisa ist an einem Punkt angekommen, an dem sie nicht mehr einfach weglaufen kann, die Situation, in der sie sich jetzt befindet, muss sie bis zum Ende durchkämpfen. Abgesehen davon sorgten auch eine Menge Fragen dafür, dass das Interesse des Lesers wachgehalten wird, allen voran die, ob Micah Bayar, dessen Ziele ganz offensichtlich nicht die seines Vaters sind, wirklich zu trauen ist oder nicht, aber auch die Frage nach dem Mörder der Magier und seinen Absichten, oder die, was Gerard Montaigne wohl als Nächtstes unternehmen wird. Alles in allem muss ich sagen, dass mir die Lektüre dieses Zyklus zunehmend Spaß macht, und ich bin gespannt, wie die Sache ausgeht.

Cinda Williams Chima schrieb schon in der Schule Geschichten, die meist von ihren Lehrern konfisziert wurden. Nach einem abgeschlossenen Studium in Philosophie war sie zunächst als freie Mitarbeiterin einer Clevelander Zeitung Plain Dealer tätig. Mit einem weiteren Abschluß in Ernährungswissenschaften arbeitete sie mehrere Jahre lang im medizinischen Bereich, ehe sie sich ganz aufs Schreiben verlegte. Der vierte und letzte Band ihres Zyklus Seven Realms unter dem Titel „The Crimson Crown“ erscheint im Oktober dieses Jahres auf Englisch. Außerdem schreibt die Autorin an einem weiteren Zyklus, den Heir Chronicles, der bisher aus drei Teilen besteht, auf Deutsch aber (noch?) nicht erhältlich ist.

Broschiert 605 Seiten
Originaltitel: The Grey Wolf Throne
Deutsch von Susanne Gerold
ISBN-13: 978-3-442-46976-5
http://cindachima.com/index.htm
http://www.randomhouse.de/goldmann/

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Charles Yu – Handbuch für Zeitreisende

Das Handbuch für Zeitreisende ist ein Buch von Charles Yu an sich selbst, das er immer wieder liest und verfasst, während er es liest, doch das erfährt er erst recht spät in der Geschichte, als er sich in eine Zeitschleife manövriert. Er ist Zeitmaschinen- und Zeitreiseingenieur einer Firma, die die Geräte verleiht. Yu erhält jeweils den Auftrag, Kunden zu betreuen oder aus Situationen zu befreien, in die sie sich mit ihren Zeitmaschinen begeben, denn eines ist ein unumstößliches Gesetz der Zeitreise: Man sucht immer den schlimmsten Zeitpunkt der eigenen Vergangenheit auf und hat doch keine Chance, ihn zu beeinflussen.

Yu sieht sich selbst als gescheiterte Existenz, die sich in das Betriebssystem der Zeitmaschine verliebt hat, und seine eigene enttäuschende Vergangenheit ist es, die er in der Zeitschleife immer wieder erlebt. Das Handbuch zeigt ihm dabei die Lösung auf, doch scheint es bisher keine seiner älteren Existenzen geschafft zu haben, den entscheidenden Moment zu packen und aus der Schleife zu entkommen. Ihr Ende/Anfang ist nämlich ebenso erschreckend wie unausweichlich: Yu erschießt sein älteres Ich …

Die Implikationen sind interessant, doch bis es soweit ist, vergeht die Hälfte des Romans mit der Entwicklung des Universums, das von Science-Fiction-Figuren bevölkert wird. So hat zum Beispiel Anakin Skywalker seine Zeitmaschine beschädigt und ruft Yu zur Hilfe. Aber bis zur Zeitschleife fehlt der gewisse Anreiz, der den Leser dringend zum Weiterlesen animiert. Es ist recht zäh und fühlt sich zwanghaft humorvoll an, wobei der Humor nur aus der Wortwahl und den Anspielungen besteht und beim Leser nicht zündet. Die verlorene Existenz des Alter-Ego von Charles Yu berührt uns nicht und ruft auch kein Interesse hervor, erst mit Einsetzen der Zeitschleife gewinnt die Geschichte, nämlich die Frage, ob und wie die Schleife durchbrochen werden kann. Und erst jetzt entwickelt sich auch das Interesse an Yus Vergangenheit, an seinem Vater, mit dessen verzweifelter Verbissenheit die Entwicklung der Zeitreise möglich wurde, der aber die Familie vernachlässigte auf der tragischen Suche nach einer Möglichkeit, die verlorenen Stunden zurück zu bringen. Und der persönlich schließlich doch scheiterte.

Für Yu ist also die Zeitschleife auch und vor allem eine Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit und eine Selbstfindung, was dem Roman neben der nun natürlicher werdenden Komik den menschlichen Aspekt verleiht und die eigentliche Leseempfehlung ausmacht.

Enttäuschend ist dagegen die Hoffnung, die irgendwelche Zitate auf dem Buchrücken hervorrufen und die nicht erfüllt wird. Der Vergleich mit Douglas Adams und damit die freudige Erwartung sind unverständlich, wahrscheinlich Marketing und völlig ungerechtfertigt.

Über den Autor schreibt Rowohlt:

Charles Yu, geboren 1976 in Los Angeles, wurde für seine Erzählsammlung «Third Class Superhero» (2006) mit dem National Book Foundation’s 5 Under 35 Award und dem Sherwood Anderson Fiction Award ausgezeichnet.

„Handbuch für Zeitreisende“ ist Yus erster Roman, mit dem er unter den Time’s Top 10 Fiction Books 2010 sowie New York Times‘ 100 Notable Books of 2010 gelistet wurde. Eine Verfilmung ist in Arbeit. Der Autor lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Los Angeles.

Bezieht man diese Aussage in die Überlegungen mit ein, kann man sich gut vorstellen, dass aus diesem Buch ein interessanter Film gedreht werden könnte, der möglicherweise die Schwächen des Romans sogar ausgliche. Jedenfalls scheint Yu in seiner Heimat einigen aufstrebenden Erfolg zu haben, was sich leider anhand des vorliegenden Buches nicht so deutlich begreifen lässt.

Der Roman bietet ab der Hälfte gute, interessante Unterhaltung und stößt vor allem bei Lesern, die schon des Öfteren mit der Zeitreiseproblematik konfrontiert wurden und auch Interesse daran haben, auf schmunzelnden Genuss. Ihm fehlt zur uneingeschränkten Empfehlung aber eine tragfähige erste Hälfte, und der Vergleich mit Adams lässt ihn eher schal wirken als zu punkten.

Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Broschiert, 267 Seiten
Originaltitel:
How to Live Safely in a Science Fictional Universe
ISBN 978-3-86252-022-0
Deutsche Erstausgabe
Aus dem Englischen von Peter Robert

http://www.rowohlt.de

Suzanne Collins – Flammender Zorn (Die Tribute von Panem 3)

Die Tribute von Panem:

Band 1: „Tödliche Spiele“
Band 2: „Gefährliche Liebe“
Band 3: „Flammender Zorn“

_Mit dem Werk „Flammender Zorn“_ findet Suzanne Collins‘ erfolgreiche Buchreihe „Die Tribute von Panem“ nun ihr Ende.

_Nachdem die Geschichte_ in „Gefährliche Liebe“ ein plötzliches Ende fand, als es Katniss und ihren Mitstreitern gelang, die Arena der grausamen Hungerspiele in die Luft zu jagen, Katniss nur in letzter Sekunde gerettet werden konnte und sich plötzlich in einem Luftschiff der Widerstandsorganisation wiederfand, werden die Geheimnisse der Rebellen nun gelüftet. Nicht nur ihr vermeintlicher Mentor Haymitch, dem die Jugendlichen vertrauten, sondern auch Tribute aus anderen Distrikten und sogar eingeschleuste Politiker des Kapitols gehören zu den Rebellen, die alles von langer Hand geplant haben, um dem Kapitol einen entscheidenden Schlag zu versetzen.

Suzanne Collins – Flammender Zorn (Die Tribute von Panem 3) weiterlesen

Michel Parry (Hg.) – Acht Teufelseier

Parry Teufelseier Cover kleinSowohl die Freunde der klassischen, fein gesponnenen Geistergeschichte als auch die Fans des eher grellen Horrors der „Pulp“-Ära werden in dieser Sammlung bedacht; Herausgeber Parry präsentiert acht Storys über meist schwarze Magie, die in der Regel grausig auf den Verursacher zurückschlägt: Den Leser erwarten keine Meisterwerke aber vor allem in deutscher Übersetzung meist seltene, oft gelungene Genrestücke. Michel Parry (Hg.) – Acht Teufelseier weiterlesen