Connelly, Michael – Sein letzter Auftrag

_Das geschieht:_

Der Siegeszug des Internets und die Wirtschaftskrise machen den klassischen Printmedien allmählich den Garaus. Auch die „Los Angeles Times“ muss sparen. Wie überall werden die Kosten gesenkt, indem Personal ‚abgebaut‘ wird. Niemand ist sicher, wie auch Jack McEvoy, altgedienter Polizeireporter, erfährt, dem nach zwanzig erfolgreichen Arbeitsjahren gekündigt wird.

Als besondere Demütigung soll er noch seine Nachfolgerin einarbeiten, bevor er geht. Angela Cook ist jung, hübsch und wird schlechter bezahlt als McEvoy, der dem Arrangement nur deshalb zustimmt, weil er sich mit einer großen Story verabschieden und für eine neue Stelle empfehlen will. Den Aufhänger bietet der Anruf einer Mutter, die sich über einen Justizirrtum beklagt. Alonzo Winslow hat angeblich eine Tänzerin umgebracht, was er vehement bestreitet. Polizei und Staatsanwaltschaft würden den Fall gern schnell und erfolgreich abschließen, sodass sie die Unschuldsbeteuerungen des Verdächtigen nicht allzu sorgfältig überprüfen.

Mit dem Instinkt des erfahrenen Journalisten erkennt McEvoy, dass dieser Fall auf wackligen Füßen steht. Seine Recherchen legen außerdem frühere Frauenmorde offen, die auf ganz ähnliche Weise begangen wurden. Bald muss auch die Polizei zugeben, dass ein bisher unbekannter Serienkiller sein Unwesen treibt. Als dieser wiederum feststellt, dass seine Tarnung aufzufliegen droht, beginnt er mit Hilfe modernster EDV-Technik seine Spuren zu verwischen und setzt McEvoy unter Druck, der plötzlich ohne Kreditkarte, Handyvertrag oder Internet-Zugang dasteht. Als McEvoy und Cook immer noch nicht von ihrer Story ablassen wollen, beschließt der Killer, die Reporter endgültig zu erledigen. Zumindest Jack McEvoy, der inzwischen von der FBI-Agentin Rachel Walling unterstützt wird, erweist sich als hartnäckiger und ebenbürtiger Gegner …

|Schöne, neue, dumme Welt|

Der |American Dream| basiert auf der Überzeugung, dass jeder seines Glückes Schmied ist. Rückschläge auf dem Weg zu Ruhm & Reichtum werden als Marken jenes Weges gedeutet, der den unermüdlich Strebenden schließlich als Sieger über die Ziellinie bringen wird. Dass die Realität anders aussieht und Globalisierung oder Rationalisierungsfortschritt auch den ins Abseits stellen, der sich an die Spielregeln hält, ist eine noch relativ junge, traumatische sowie gern geleugnete Erkenntnis. Michael Connelly nutzt sie als Grundlage für den Einstieg in einen modernen Kriminalroman.

Die Idee ist bestürzend gut und wird so geschickt umgesetzt, dass Connelly sich selbst ein Bein stellt: „Sein letzter Auftrag“ ist ein sauber geplotteter, spannend geschriebener Roman, dessen Krimi-Plot es mit dem realen Horror eines personellen „Outsourcings“ nicht so recht aufnehmen kann. Ein Serienkiller geht um und metzelt Frauen in Horrorfilm-Manier. Das ist im Vergleich dazu alles andere als eine Novität. In der Tat muss sich Connelly alle Mühe geben, der vieltausendfach ausgewalzten Schauermär einige Glanzlichter aufzustecken.

|Der Weg ist wieder einmal das Ziel|

Ein Mann wird gefeuert. Er ist gut in seinem Job, hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Sein berufliches Ende basiert auf einer rein ökonomischen Entscheidung. Das persönliche Drama des Jack McEvoy fesselt den Leser sofort. Connelly schürt das Feuer, indem er McEvoy mit seiner taffen, hungrigen Nachfolgerin konfrontiert. Wie wird der gedemütigte Journalist reagieren?

Er leugnet, ignoriert, gaukelt sich Alternativen vor. Die daraus resultierende Stimmung begründet die Intensität, mit der McEvoy sich in seinen letzten Auftrag verbeißt. Nun setzt die eigentliche Krimi-Handlung ein. Connelly entwirft sie nicht als „Whodunit“. Die Identität des Killers ist dem Leser immer bekannt; dieser bestreitet bereits den Prolog. Connelly weicht dem ohnehin beinahe unmöglichen Problem, im 21. Jahrhundert noch einen originellen Serienkiller zu kreieren, auf diese Weise geschickt aus. Er widmet dem Killer und dessen üblicher Vorgeschichte inklusive gestörter Mutter, Missbrauch & Wahnvorstellungen vergleichsweise wenig Raum bzw. skizziert sie sogar erst in einem Epilog, als die eigentliche Geschichte bereits ihr Ende gefunden hat.

Stattdessen ist der Killer auch ein professioneller Identitätsdieb und Manipulator. „Scarecrow“, also „Vogelscheuche“, betitelte Connelly seinen Roman. Der Mörder verdient sich seinen Lebensunterhalt damit, sensible Datenbestände zu betreuen und gegen Hacker zu sichern, die er nicht nur abwehrt, sondern auch mit Hilfe fingierter Indizien als Kriminelle brandmarkt, ihre Konten abräumt, sie beruflich, finanziell und privat ruiniert.

Wie dies geschehen kann, schildert Connelly auf eine Weise, die den Fachmann vermutlich zum Lachen reizt. Der lesende Laie findet es jedoch dramatisch, wie der Verfasser ihm die Schattenseiten der digitalen Gegenwart vor Augen führt. Indem der Killer McEvoy die Identität nimmt, wirkt er wesentlich gefährlicher als während der späteren ‚klassischen‘, also körperlichen Attacken.

|Eine Reise durch das Connellyversum|

Michael Connelly schreibt verschiedene Serien sowie Einzelromane. Sie spielen in einer gemeinsamen Welt. Ihre Figuren begegnen einander, lösen Fälle zusammen, nehmen serienübergreifend Kontakt auf. Eine dramatische Notwendigkeit gibt es dafür nicht, weshalb der Verfasser von der Kritik oft gescholten wird. Ihm scheint dieses Spiel Freude zu bereiten; er bleibt dabei und knüpft immer neue Verbindungen. Auch Jack McEvoy ist fest ins Connellyversum eingebunden. Er kennt den Cop Harry Bosch und den „Lincoln Lawyer“ Michael Haller – der wiederum ein Halbbruder von Bosch ist – und frischt in „Sein letzter Auftrag“ die Beziehung zur FBI-Agentin Rachel Walling auf, die zwischenzeitlich mit Bosch verbandelt war.

Kennengelernt haben wir McEvoy in dem Roman „Der Poet“ (1996; zu diesem Roman gibt es eine Fortsetzung, die Harry Bosch – wer sonst? – als Hauptfigur bestreitet und u. a. den Tod des Polizei-Kollegen Terry McCaleb untersucht, der 1997 Held des Connelly-Romans „Das zweite Herz“ war). Wie Bosch und Haller ist er ein Profi, der einerseits alle Kniffe und Schlichen kennt, während er sich andererseits ausgeprägte idealistische Züge bewahren konnte. Der private Jack McEvoy ist eine vergleichsweise profilarme und durchaus uninteressante Gestalt. Sie lebt durch ihre Tätigkeit: McEvoy ist nicht ein, sondern „der“ Journalist.

Ebenso ist Rachel Walling „die“ FBI-Agentin, auch wenn der Autor ihr eine stürmische berufliche Karriere verordnet: Connelly-Figuren haben Probleme mit Obrigkeiten, die sich lieber selbst verwalten, als ihre Aufgaben zu erledigen und dabei einfallsreich zu sein oder gar Risiken einzugehen. Ansonsten wirkt Walling ebenso diffus wie McEvoy, was auch die peinlichen, lächerlichen und aus heiterem Himmel über den Leser hereinbrechenden Liebesszenen erklären könnte, für die Connelly berüchtigt ist.

|Alles wird gut oder zumindest anders|

Das letzte Romandrittel bestreitet Connelly mit Krimi-Routinen. Der Abstand zwischen Killer und Verfolger verringert sich, während die Gefahr steigt. Dabei zeigt uns der erfahrene Verfasser, wie man dies inklusive zeitweiliger Fehlschlüsse als Folge professioneller Ermittlungsarbeit inszeniert, ohne dabei dem Zufall eine allzu gewichtige Rolle zu übertragen. Selbstverständlich gehen spätestens im Finale alle klugen Pläne schief, um – zugegeben etwas mechanisch – einen krönenden Abschluss zu schaffen.

Zwar ist der Schurke geschnappt, doch das Ende ist dennoch offen. Jack McEvoy dreht der schnöden Realität eine letzte Nase und kehrt nicht in seinen Job zurück. Wie er sich neu orientiert, wird zweifellos zu einem der Handlungsstränge in McEvoys nächstem Abenteuer, dem Connelly so bereits den Boden bereitet und gleichzeitig seine Leser – erfolgreich – neugierig macht.

_Autor_

Michael Connelly wurde 1956 in Philadelphia geboren. Den Büchern von Raymond Chandler verdankte der Journalismus-Student der University of Florida den Entschluss, sich selbst als Schriftsteller zu versuchen. Zunächst arbeitete Connelly nach seinem Abschluss 1980 für diverse Zeitungen in Florida. Er profilierte sich als Polizeireporter. Seine Arbeit gefiel und fiel auf. Nach einigen Jahren heuerte die „Los Angeles Times“, eine der größten Blätter des Landes, Connelly an.

Nach drei Jahren in Los Angeles verfasste Connelly „The Black Echo“ (dt. „Schwarzes Echo“), den ersten Harry-Bosch-Roman, der teilweise auf Fakten beruht. Der Neuling gewann den „Edgar Award“ der „Mystery Writers of America“ und hatte es geschafft.

Michael Connelly arbeitet auch für das Fernsehen, hier u. a. als Mitschöpfer, Drehbuchautor und Berater der kurzlebigen Cybercrime-Serie „Level 9“ (2000). Mit seiner Familie lebt der Schriftsteller in Florida.

|Gebunden: 495 Seiten
Originaltitel: The Scarecrow (New York; Little, Brown and Company 2009/London; Orion 2009)
Übersetzung: Sepp Leeb
ISBN-13: 978-3-453-26645-2|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne
[www.michaelconnelly.com]http://www.michaelconnelly.com

_Michael Connelly auf Buchwurm.info (in Veröffentlichungsreihenfolge):_
|Harry Bosch:|
[„Schwarzes Echo“ 958
[„Schwarzes Eis“ 2572
[„Die Frau im Beton“ 3950
[„Das Comeback“ 2637
[„Schwarze Engel“ 1192
[„Dunkler als die Nacht“ 4086
[„Kein Engel so rein“ 334
[„Die Rückkehr des Poeten“ 1703
[„Vergessene Stimmen“ 2897
[„Kalter Tod“ 5282 (Buchausgabe)
[„Kalter Tod“ 5362 (Hörbuch)

[„Das zweite Herz“ 5290
[„Der Poet“ 2642
[„Im Schatten des Mondes“ 1448
[„Unbekannt verzogen“ 803
[„Der Mandant“ 4068
[„L.A. Crime Report“ 4418
[„So wahr uns Gott helfe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6291

Jeschke, Wolfgang / Pohl, Frederik – Titan-5

_Classic SF: Pfarrer Amos erklärt Gott den Krieg_

In der vorliegenden ersten Ausgabe des 1977er-Auswahlbandes Nr. 5 von „Titan“, der deutschen Ausgabe von „Star Short Novels“ und „Star Science Fiction 5+6“, sind viele amerikanische Kurzgeschichten gesammelt, von bekannten und weniger bekannten Autoren. Diese Auswahlbände gab ursprünglich Frederik Pohl heraus. Er machte den Autoren 1953 zur Bedingung, dass es sich um Erstveröffentlichungen handeln musste. Das heißt, dass diese Storys keine Wiederverwertung darstellten, sondern Originale.

Die Kriterien der deutschen Bände waren nicht Novität um jeden Preis, sondern vielmehr Qualität und bibliophile Rarität, denn TITAN sollte in der Heyne-Reihe „Science Fiction Classics“ erscheinen. Folglich konnten Erzählungen enthalten sein, die schon einmal in Deutschland woanders erschienen waren, aber zumeist nicht mehr greifbar waren. TITAN sollte nach dem Willen des deutschen Herausgebers Wolfgang Jeschke ausschließlich Erzählungen in ungekürzter Fassung und sorgfältiger Neuübersetzung enthalten. Mithin war TITAN von vornherein etwas für Sammler und Kenner, aber auch für alle, die Spaß an einer gut erzählten phantastischen Geschichte haben.

_Die Herausgeber _

1) _Wolfgang Jeschke_, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Kichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z. T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Der Werbefachmann, Autor, Literaturagent und Herausgeber _Frederik Pohl_, geboren 1919 in New York City, ist ein SF-Mann der ersten Stunde. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte er der New Yorker „Futurian Science Literary Society“ an, bei der er seine späteren Kollegen Isaac Asimov und Cyril M. Kornbluth kennenlernte. Von 1940-41 war er Magazinherausgeber, wandte sich dann aber dem Schreiben zu.

Als er sich mit Kornbluth zusammentat, entstanden seine bekanntesten Romane, von denen der beste zweifellos „The Space Merchants“ (1952 in „Galaxy“, 1953 in Buchform) ist. Er erschien bei uns unter dem Titel „Eine Handvoll Venus und ehrbare Kaufleute“ (1971). Darin kritisiert er auf bissige, satirische Weise die Ausbeutung des Weltraums. Ebenso erfolgreich ist seine Gateway-Trilogie, die zwischen 1977 und 1984 erschien und von denen der erste Band drei wichtige Preise einheimste.

_Die Erzählungen_

_1) Arthur Sellings: |Der Kulissenschieber| (|The Scene Shifter|)_

Der Schauspieler Boyd Corry entdeckt eines Tages in der Kinovorstellung seines Films, dass die Schlussszene verändert wurde. Er sieht lächerlich aus. Wie kann es das Studio wagen?! Wutschnaubend geht er zum Studio-Agenten Cavanagh, der sich doch sehr wundert: Er weiß nichts davon. Und der Studiochef Drukker erst recht nicht, der seine Existenz schon in Gefahr sieht. Denn Änderungen könnten ja auch unzüchtige Inhalte umfassen, die zur Zensur eines Films und so zu massiven Einnahmeausfällen führen könnten.

Nachdem ein Fehler der Technik und des Vorführpersonals ausgeschlossen worden ist, kommt eigentlich nur noch die Zuschauerschaft infrage. Durch Videoüberwachung grenzt man den Kreis der Verdächtigen auf fünf, dann auch einen Verdächtigen ein: ein älterer Herr namens Alfred Stephens. Wie hat er es gemacht, das mit den Änderungen? Und warum, will Drukker wutschnaubend wissen. Denn seine Studie ist nicht das Einzige, das von Mr. Stephens‘ Machenschaften betroffen ist.

Stephens ist unbeeindruckt, sondern sagt, er finde die Filme schlecht gemacht und habe das Recht, sie zu verbessern. Und wie? Durch die Kraft seiner Gedanken …

|Mein Eindruck|

Ist dies ein früher Entwurf für selbst produziertes Kino (personal video), also für YouTube? Vielleicht hat sich der Autor auch nur darüber geärgert, wie mies die Qualität der Hollywoodschinken seiner Zeit war und wollte aufzeigen, dass es nicht beim passiven Konsum bleiben muss. Der Zuschauer wird bei ihm kreativ – und alle anderen außer den Filmschaffenden haben Spaß daran.

Doch Alfred Stephens, der selbsternannte Filmkorrektor, ist keineswegs ein Spaßvogel oder Scherzkeks, sondern ein Philosoph. Das stellt auch Cavanagh in einem langen Dialog fest, an dessen Ende etwas übertragen wird. Stephens weigert sich, nur passiver Konsument zu sein. Er ist aber kein Psi-Gigant, der die Welt aus den Angeln hebt.

Vielmehr wirkt er sehr bescheiden, als er sich auf Platons Höhlengleichnis beruft: Alles, was wir sehen, sind gleichsam nur Schatten an der Wand einer Höhle, die vom Feuer der Ideen geworfen werden. Geld, Macht, Schönheit – alle sind solche vergänglichen Schatten. Doch wenn man das Potential der Ideen nur eine Winzigkeit einsetzen würde – dann würde man beispielsweise Filme verbessern …

_2) Algis Budrys: |Abstieg| (|Star Descending|)_

Die Firma Spot Dialog bietet einen ganz speziellen Service: Allwissenheit. Wenn ein Klient bei einem wichtigen Treffen, etwa einer Stellenbewerbung nicht mehr weiter weiß, schickt ihm die Agentur per Hyperwelle das benötigte Wissen direkt ins Bewusstsein. Klar, dass sich diesen Service nur Besserverdienende leisten können.

Doch bei Mr Carmer ist etwas schiefgelaufen, und Henry Walters, der Anteilseigner von Spot Dialog, und Mr Stephenson, sein Geschäftspartner für den Betrieb, sind besorgt. Es stellt sich heraus, dass Mr Carmer mitten im Satz abbrach, als er einen wichtigen Mann traf. Die einzige vernünftige Erklärung lautet, dass die Übertragungswelle überlagert wurde – von einem Konkurrenten.

Beim nächsten Klienten zeigt sich auch schon die Wahrheit dieser Erkenntnis. Mr Dietz, der Klient, ist ein Agent der Agentur Easyphrase, deren Geschäftsführer dem von Spot Dialog ein Angebot zur feindlichen Übernahme macht: Henry Walters wird mit einem Aktienpaket und einem Abteilungsleiterposten abgespeist. Doch ohne Henry Walters!

Leider hat Walters nicht damit gerechnet, dass ihm Stephenson in den Rücken fallen würde. Er wird komplett ausgebootet. Doch wer nicht Gottes Part spielen kann, der muss eben den von Luzifer übernehmen, beschließt Walters …

|Mein Eindruck|

Der unterkühlte Stil von Algis Budrys war noch nie mein Fall, und auch hier behandelt er ein metaphysisches Thema auf rein materialistische Weise. Zwei Agenturen bekämpfen sich, und der erste Agenturinhaber verliert. Doch er gibt nicht auf. Dass er nicht mehr die Rolle eines Gottes, sondern die eines Teufels spielen will, ist der einzige Hinweis darauf, worum es wirklich geht: über die metaphysische Herrschaft über die Menschen – der Kampf zwischen Gott, dem Allwissenden, und seinem abtrünnigen Engel Luzifer. Mache jeder Leser selbst daraus, was er kann.

_3) Lester Del Rey: |Denn ich bin ein eifersüchtig Volk| (|For I Am a Jealous People|)_

Die Invasion der Aliens hat begonnen. Als Pfarrer Amos Strong in der Kirche von Wesley, Kansas, seinen Morgengottesdienst abhält, donnern bereits die Düsenjäger der amerikanischen Luftwaffe in Richtung auf einen der Landeplätze der Alien-Raumschiffe. Doch dieser Morgen ist auch noch in anderer Hinsicht anders für Vater Amos: Er hat die Nachricht bekommen, dass sein Sohn Richard bei der Verteidigung des Mondes gefallen sei. Doch sein Glaube an den allgütigen Gott ist unerschüttert.

Doch dann stürzt Dr. Alan Miller, der Atheist, in die Kirche und bereitet dem friedlichen Moment der Einkehr ein jähes Ende: „Die Aliens kommen hierher!“ Während alle Dorfbewohner erst dem Aufmarsch der Verteidiger und dann der Rückkehr der besiegten zusehen, begibt sich Amos zu seiner Frau Ruth. Sie teilt ihm mit, dass Richard heimlich Anne Seyton aus Topeka geheiratet habe, und die junge Frau sei nun hier. Doch auch Anne hat sich von Gott abgewendet und hat für Amos nur Zorn übrig. Als Ruth in den Garten hinausgeht, um etwas fürs Essen zu holen, mäht der Kugelhagel eines feindlichen Tieffliegers sie nieder.

In der Nacht wird Wesley evakuiert. Doch Dr. Miller harrt wider Erwarten bei Amos aus, sodass sie am nächsten Zeugen des Einzugs des Feindes werden. Man nimmt sie gefangen und wirft sie auf den Wagen zu den Leichen. Anne Seyton feuert wutentbrannt auf die Eindringlinge, doch die Geste ist vergebens. Keine Sekunde später ist auch sie tot. Amos hat bereits drei Familienangehörige an nur zwei Tagen verloren. Ihm kommen zweifel an Gottes Absichten. Will er ihn etwa wie einst Hiob prüfen?

In der nächsten Stadt, Clyde, stecken ihn die Fremden zusammen mit Miller in eine Art improvisierte Zelle. Ein fetter Alien, der Englisch spricht, gibt ihnen Auskunft, man wolle sie als Lebensmittelvorrat halten. Und er gibt sich als Priester zu erkennen, dessen Gott ihm aufgetragen habe, die Erde von allen Greueln und Schändlichkeiten zu reinigen, denn dies sei das Gelobte Land.

Es ist nicht schwer, das Schloss der improvisierten Zelle zu öffnen und mit den anderen in die Kirche von Clyde zu eilen. Dort weiß Amos einen Fluchtweg in der Sakristei. Doch bevor er weitereilt, spürt er ein merkwürdiges Kribbeln auf der Haut. Ein unheimliches Gleißen dringt aus dem Altarraum hervor: Zwei priester der Aliens stehen vor einer Lichtquelle, die mit einem Schleier verhüllt ist – „Gott!“, entfährt es Dr. Miller.

Und dieser Gott spricht zu Amos‘ Verstand, als wäre er leibhaftig hier. Danach ist für Amos nichts mehr wie zuvor. Denn Gott hat den Vertrag, den er einst mit Abraham schloss, aufgekündigt und ihn mit den Eindringlingen, den Mikhtash, neu geschlossen, auf dass sie die Menschen ausrotten mögen …

|Mein Eindruck|

Man fragt sich natürlich sofort, ob dies Handlung eine Anspielung auf den Kalten Krieg ist, der in den fünfziger Jahren zu einem Wettrüsten, unzähligen Atom- und Wasserstoffbombenversuchen sowie zu vielen Stellvertreterkriegen (z.B. in Korea) führte. Sind die USA wirklich das Auserwählte Volk, das Gott auf seiner Seite hat? Zweifel sind berechtigt, wenn mann berücksichtigt, dass die Russen ebenso fortschrittlich sind, was Wirtschaft und technik anbelangt. Sie schickten als Erste einen Satelliten (Sputnik) ins All und ließen den ersten Menschen (Gagarin) die Erde umrunden.

Doch der Autor Lester del Rey geht noch einen Schritt weiter: Er lässt die Aliens die USA auf deren eigenem Boden angreifen, indem sie Brückenköpfe besetzen und die Raketenabwehr lähmen. Wo ist denn nun der ebenso kostbare wie kostspielige Raketenabwehrschirm hin, scheint der Autor keck zu fragen. Und in Vater Amos kommen angesichts der persönlichen Verluste Zweifel auf, ob sich Gott noch auf seiner Seite befindet.

Man liest jedoch nicht oft, dass sich Gott auf die Seite des Feindes geschlagen habe (von Hollywoodfilmen darf man dies schon gleich gar nicht erwarten), sodass er sich seine bisherigen Anhänger zum Feind macht. Das wirft eine ganze Menge seltsamer theologischer Fragen auf: Was wird beispielsweise aus den Seelen der Verstorbenen? Landen sie jetzt irgendwo im Limbus, einer kosmischen Wartehalle? Man könnte fast meinen, Lester del Rey sei selbst man Pfarrer gewesen. Oder zumindest Philosoph, denn er ist der einzige (neben Philip K. Dick) mit bekannte SF-Autor der USA, der Kants Kategorischen Imperativ korrekt zitiert.

Vater Amos macht eine nachvollziehbare Entwicklung durch. Sobald die ersten militärischen Erfolge erzielt worden sind – Atombomben ohne radioaktiven Fallout machen’s möglich – kehrt er zurück an die Stätte seines jahrelangen Wirkens, schart die Überlebenden um sich und hält eine fulminante Predigt: „Denn ich bin ein eifersüchtig‘ Volk“ heißt es ja schon in der Bibel. Gott, so verspricht Amos, solle in der Menschheit einen würdigen GEGNER finden. Keine Rede von Luzifer also. Vielmehr beruft sich Amos, bei sich selbst, auf Kant, als er sich rechtfertigt: Menschen sollen kein Mittel zum Zweck, sondern der Zweck selbst sein. Und er, Amos, müsse ihnen deshalb dienen. Gott sollte sich mal besser warm anziehen …

_4) Gordon R. Dickson: |Der Schutzengel| (|Dreamsman|)_

Mr Willer macht sich fein, bevor er mit seinem 1937er Auto losfährt, um die Conalts zu besuchen. Er stellt sich als Vertreter der Liberty Versicherung vor, doch eigentlich geht es ihm um etwas anderes. Das frisch verheiratete Paar Edith und Henry Conalt hat einen telepathischen Suchruf ausgeschickt, und er hat ihn aufgefangen, verfügt er doch selbst über Psi-Kräfte. Solch ein Ruf sei selten, sagt, und sie seien deshalb etwas Besonderes. Man würde sie auf der Venus daher mit offenen Armen willkommen heißen. Das Raumschiff dorthin stehe schon bereit.

Doch da tritt ein weiterer Typ auf, und die Conalts sind reichlich erstaunt, wollten sie doch bereits die Rakete besteigen. Dieser zweite Mann stellt sich als der Schutzengel der Psi-Talente vor und weist Willer in die Schranken. Der alte Wilo sei bloß darauf aus, neue Psi-Talente in die Wüste zu schicken, damit möglichst alles beim Alten bleibt. Willer meint, er möge alles so, wie es ist.

|Mein Eindruck|

Auch hier wird eine Art Teufel geschildert, nämlich der Versucher in Gestalt von Mr Willer (der nie seinen Vornamen nennt, sofern er einen besitzt). Sobald sich ein Menschenpaar zeigt, das ein neues Talent aufweist, das es über die Masse heraushebt, taucht Mr Willer auf, um es – per Raumschiff zur Venuskolonie – in die Wüste zu schicken. Auf diese Weise bleibt alles, wie es ist: Mittelmäßig.

Die Frage erhebt sich, wofür dieser symbolische Vorgang steht. Schnappen sich die Geheimdienste solche Talente, um sie zu missbrauchen und danach zu eliminieren? Nur bei Stephen King („Feuerkind“). Ist es das Showbusiness, das die Talente aufsaugt und danach wieder ausspuckt? Siehe Marilyn Monroe. Oder die Regierung, die – wie schon in „Ehrbare Kaufleute und eine Handvoll Venus“ – zusammen mit der Werbewirtschaft redliche junge Paare zur Besiedlung von Wüstenplaneten verführt, die ihnen nur Verderben bringen?

Auch diesen Saubermann können wir dem ansonsten so renommierten Autor Dickson nicht abnehmen. Dieser scheint die Wahrheit und Ehrlichkeit gepachtet zu haben und hält seine schützende Hand über den Fortschritt, den die Conalts verkörpern. Er hat noch nicht einmal einen Namen, geschweige denn menschliche Züge. Dieser Schutzengel (siehe Titel) macht die Erzählung zu einer durchsichtigen Allegorie von Gut und Böse, die abgeschmackt wirkt.

_5) Tom Purdom: |Der heilige Gral| (|The holy grail|)_

Morgan Valentine ist gewalttätiger Bursche, der seine Frau Teresa schlägt. Er braucht dringend einen Psychiater, das ist ihm klar. Doch ein Psychiater kostet eine Stange Geld – Geld, das Morgan im Vergnügungspark verdienen muss. Dort ist er der Anwerber für Süchtige, die den Glücksgenerator der Huxley-Maschine nicht mehr entbehren können, so wie Laura.

Doch Morgan braucht neue Kunden – „Abschüsse“. Und da taucht auch schon eine neue Frau auf. Sie sieht aus wie 29 oder 30: zu alt, um unerfahren zu sein, aber alt genug, um verzweifelt auf der Suche nach einem Ehemann zu sein. Sie geht denn auch in die Liebesschule, Morgan wusste es ja. Sie wurde vor dem künstlichen Glück gewarnt, hat aber Schuldgefühle, dieses Glück überhaupt anzunehmen. Sie zu überreden, ist leicht, und sie setzt sich in die Huxley-Maschine, für eine Gratistour. Perfekt.

Doch dann macht ihm sein Kollege Wilson einen Strich durch die Rechnung …

|Mein Eindruck|

Noch ein teuflischer Verführer! Noch dazu ein prügelnder Dealer, der dringend einen Psychoklempner nötig hat. Er verkauft eine süchtig machende Glücksmaschine, sozusagen einen Ersatz für Drogen wie Morphium und Heroin (Kokain gab es in den Fünfzigern noch kaum). Suchtdrogen waren bereits in diesem Jahrzehnt durchaus bekannt und als Gefahr erkannt, wie der erstklassig mit Frank Sinatra verfilmte Roman „Der Mann mit dem goldenen Arm“ von Nelson Algren zeigt.

Allerdings zeichnet der Autor den Pusher oder Dealer nicht als reinen Schurken, sondern ebenfalls als ein Opfer des Systems: Die Heilung in Form eines Psychiaters kostet zuviel, um sie sich als Elektriker verdienen zu können. Und gerade als Land in Sicht ist, wird der Pusher selbst gelinkt, von seinem Konkurrenten, der ihn erpresst. Auf diese Weise entsteht ein Teufelskreis, der für Pusher wie für Junkies nur abwärts führen kann. Eine deprimierende Story, die den Leser hart an die Realität der Drogenszene heranführt – selten für Sciencefiction.

_6) Rosel George Brown: |Ein haarsträubendes Abenteuer| (|A Hair Raising Adventure|)_

Sam ist verliebt in alte Sprachen und dadurch lange Zeit Junggeselle geblieben. Erst die Heirat mit Ruth bringt eine gewisse Veränderung mit sich: Er solle für den zu erwartenden Nachwuchs mehr Geld verdienen und die Beschäftigung mit dem Altskythischen bleiben lassen. Indem er sich auf Binsenweisheiten seines Vaters beruft, weist er die mit reichlich Geschäftssinn Gesegnete sanft zurecht. Das wiederum quittiert sie schlauerweise mit einem Weinkrampf.

Erst auf einer Party mit Chuck bekommt sie mit, dass Sam über Wissen verfügt, das ihnen beiden ein Vermögen einbringen könnte: ein Haarwuchsmittel der alten Skythen! Doch da Sam ein freigebiger Mensch ist und jeder Menschenseele nur das Beste zutraut, gibt er sein Rezept wenigstens in groben Zügen weiter, worin Stutenmilch, Wein und ein bestimmtes Kraut eine Rolle spielen. Denn Chuck ist ja kahlköpfig, braucht das Zeug also dringender als er selbst. Ruth fällt vor Verzweiflung in Ohnmacht.

Schon wenige Tage später macht die Kunde vom neuen Haarwuchsmittel der Firma Full Head die Runde. Kaum ist Chuck wieder zurück, taucht ein Afrikaner mit einem Speer auf. Er will die Korrekturbögen für Sams Artikel, in dem die Herstellung des skythischen Haarwuchsmittels beschrieben wird. Mit einem cleveren Trick weiß sich zu Ruths Erstaunen des Afrikaners zu entledigen. Und zu Sams Genugtuung erweist sich auch Chucks Haarwuchsmittel als Desaster.

Denn als Chuck das Rezept aus einem der Korrekturbögen abschrieb, übernahm er unwissentlich einen Setzfehler des Verlags. Die Folge war ein Herstellungsfehler. Was würde Chuck nicht alles darum geben, um diesen Setzfehler korrigiert zu bekommen! Keine Chance. Er schickt Sam sogar eine berückende Blondine mit aufregenden Kurven ins Haus – angeblich will sie das Skythische eifrig studieren. Ruth hat das blonde Gift jedoch sofort durchschaut. Nur Sam kann sie davon abhalten, das Mädchen hinauszuwerfen.

Doch dann klopft der Präsident der Vereinigten Staaten persönlich an die Tür von Ruths und Sams Haus …

|Mein Eindruck|

Diese nette Erzählung bildet den komischen Kontrast zu den vorangehenden Teufels- und Verführergeschichten. Sam, der ökonomisch unbedarfte Exzentriker behält wundersamerweise die Oberhand, weil er seiner Frau Ruth beweist, dass immaterielle Werte weitaus wichtiger sind als jene materiellen, an die sie glaubt. Wissen ist zwar Macht, aber es muss sich nicht in bare Münze umsetzen lassen. Insofern ist die Story auch wieder eine Art Märchen, in dem nicht der Schurke obsiegt, sondern der reine Tor.

_7) Cordwainer Smith: |Angerhelm| (|Angerhelm|)_

Der Erzähler ist der Stellvertreter des Buchhalters von FBI und CIA. Er wundert sich über den Wirbel, den die Russen über ein seltsames Tonband machen, auf dem nichts zu hören ist – rein gar nichts außer einem merkwürdigen Summen und Klicken. Doch nachdem der sowjetische Botschafter seinem amerikanischen Kollegen vom Außenministerium das Tonband vorgespielt hat (dreimal!), weiß jeder im Raum eine Adresse: „Nelson Angerhelm, 2322 Ridge Drive, Hopkins, Minnesota“. Die Amis wundern sich, wie das sein kann und was dieser Angerhelm damit zu tun hat.

Besagter Angerhelm ist ein Nachfahre schwedischer Einwanderer, die den Namen Ankerhjelm trugen, und seines Zeichens ein betagter Hühnerfarmer, der alleine lebt. Binnen kürzester Zeit wird sein Haus von sämtlichen Geheimdiensten und der Bundespolizei verwanzt. Das Ergebnis ist gleich null. Er ist kein Spion, kein Außerirdischer, noch nicht mal Russe. Weil aber die Russen immer noch darauf bestehen, die Bedeutung ihres Tonbands zu erfahren, müssen die Amis eines Tages schließlich doch zur Hühnerfarm hinausfahren. Und wer muss in die tiefste Provinz fahren? Natürlich nicht irgendein hochbedeutender Amtsleiter, sondern ein Subalterner wie unser Chronist.

Angerhelm stöhnt, als man ihm das Tonband abspielt. Auch er hat klar und deutlich seine eigene Adresse – nun, „gehört“ wäre wohl zuviel gesagt. Aber sein Gehirn hat sie registriert. Aber er sagt, da sei noch viel mehr: eine lange Botschaft von seinem Bruder Tice. Genau – der Tice, der schon längst tot ist. Und wenn das FBI nichts dagegen hat (warum auch?), werde er, Nelson Angerhelm, auf ein anderes Tonband sprechen, was sein Bruder aus dem Totenreich zu sagen hatte …

|Mein Eindruck|

Dies ist mal keine von Smiths Geschichten über die „Instrumentalität“, die eine mögliche Zukunft für die Menschheit entwerfen (seit Kurzem chronologisch geordnet und vollständig in einem Heyne-Sammelband erhältlich). Vielmehr ist „Angerhelm“ teils komische Diplomaten- und Agentensatire, teils metaphysische Tragödie. Der Autor, selbst als Diplomat auf internationalem Parkett unterwegs, kennt sich offensichtlich bestens mit den Gepflogenheiten seiner Branchen, aber auch mit der dunklen Seite der Geheimdienste aus – ein großer Spaß, diese Paranoia, wenn sie auf ein unerklärliches Phänomen wie das Angerhelm-Tonband trifft.

Das Tonband wurde nicht nur per Telekinese bespielt, sondern ist selbst ebenfalls telekinetisch aktiv: Es überträgt seine Botschaft, wie es ein telepathischer Gedanke tun würde. Dadurch wird die Botschaft selbst ins Metaphysische gerückt. Und sie wäre es schon alleine dadurch, dass ihr Absender sich nicht mehr unter den Lebenden befindet. Aber wo ist Tice Angerhelms Seele eigentlich? Weder im Himmel noch in der Hölle, sondern in einem Limbus, den Dante als Purgatorio (Fegefeuer, Vorhölle) beschrieben hätte. Und von dort schickt Tice, der Scherzkeks, seinen letzten Witz ab …

_Unterm Strich_

Für einen Leser unserer Zeit ist es schon recht erstaunlich, wie hoch der Gehalt dieser Auswahl an metaphysischen Anspielungen (bei Dickson, Cordwainer Smith, Budrys), theologischen Diskussionen (bei del Rey etwa) im Vergleich zu weltlichen Themen wie etwa des Drogenproblems oder der Konformität ist. Auch die Philosophie kommt nicht zu kurz, so etwa Platon bei Sellings und Kant bei del Rey. Hier gibt es immer noch eine Menge Gesprächsstoff oder Diskussionsbeiträge.

Da lobt man sich doch ob dieser Gedankenschwere solche netten Komödien wie „Ein haarsträubendes Problem“ oder die Diplomaten- und Agentensatire „Angerhelm“. Auch „Kulissenschieber“ hat seine amüsanten Momente. Das kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass del Reys Novelle das Haupt- und Prunkstück dieser Auswahl darstellt. Ja, sie wurde sogar mitten ins Zentrum gerückt, und das zu Recht: Mit rund 50 Seiten ist sie doppelt so lang wie die längsten anderen Beiträge.

|Das Hauptstück|

Die Geschichte von Pfarrer Amos ist die Geschichte einer Bekehrung – allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: Es ist Gott, der sich von den Menschen abgewandt und den Invasoren zugewandt hat. Soll Amos vom Glauben abfallen oder wird er nur, wie weiland Hiob, geprüft? Es ist eine für damalige Verhältnisse wohl recht spannende Frage, doch für uns Heutige doch reichlich uninteressant. Es sei denn, man ist ein fundamentalistischer Christ oder ein Sektenanhänger.

Dennoch war ich erstaunt, wie stark mir Amos‘ innerer Wandel ans Herz ging und mich interessierte, ganz ungeachtet von Amos‘ vielen Verlusten. Denn erstens beeindruckte mich auch seine Kenntnis und Übernahme von Kants Kategorischem Imperativ und zweitens weiß der Leser nie, wohin Amos‘ Entwicklung führen wird.

Ich hätte nicht erwartet, jemals einen amerikanischen Priester Gott den Krieg erklären zu sehen. Ob wohl jemals ein muslimischer Imam in eine solche Lage geraten ist, etwa im Irak oder Afghanistan, angesichts einer westlichen Invasion? Ich könnte es mir nach dieser Erzählung ein wenig besser vorstellen. Ohne allerdings die Abkehr von Allah zu erwarten.

|Die Reihe|

Für den deutschen SF-Leser des Jahres 1977 waren diese Originalbeiträge – allesamt Erstveröffentlichungen von 1954 und 1959 – willkommenes Lesefutter, um sich einen Überblick über die Entwicklung des Genres in den fünfziger Jahren zu verschaffen. Der Erfolg des TITAN-Formats mit seinen etwa zwei Dutzend Bänden gab Herausgeber Jeschke Recht. Auch die sorgfältige Übersetzung trägt noch heute zum positiven Eindruck bei. Die wenigen Druckfehler lassen sich verschmerzen.

|Taschenbuch: 157 Seiten
Im Original: Star Short Novels, 1954; Star Science Fiction 5+6, 1959/1977
Aus dem US-Englischen von Walter Brumm, Horst Pukallus und Joachim Pente
ISBN-13: 978-3453304406|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

_Die |Titan|-Reihe bei Buchwurm.info:_
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Jeschke, Wolfgang / Pohl, Frederik – Titan-4

_SF-Storys: Der falsche Messias und andere Maskeraden_

In der vorliegenden ersten Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 4 von „Titan“, der deutschen Ausgabe von „Star Science Fiction 2,3, 4 und 5“, sind viele amerikanische Kurzgeschichten gesammelt, von bekannten und weniger bekannten Autoren. Diese Auswahlbände gab ursprünglich Frederik Pohl heraus. Er machte den Autoren 1953 zur Bedingung, dass es sich um Erstveröffentlichungen handeln musste. Das heißt, dass diese Storys keine Wiederverwertung darstellten, sondern Originale.

Die Kriterien der deutschen Bände waren nicht Novität um jeden Preis, sondern vielmehr Qualität und bibliophile Rarität, denn TITAN sollte in der Heyne-Reihe „Science Fiction Classics“ erscheinen. Folglich konnten Erzählungen enthalten sein, die schon einmal in Deutschland woanders erschienen waren, aber zumeist nicht mehr greifbar waren. TITAN sollte nach dem Willen des deutschen Herausgebers Wolfgang Jeschke ausschließlich Erzählungen in ungekürzter Fassung und sorgfältiger Neuübersetzung enthalten. Mithin war TITAN von vornherein etwas für Sammler und Kenner, aber auch für alle, die Spaß an einer gut erzählten phantastischen Geschichte haben.

_Die Herausgeber _

1) _Wolfgang Jeschke_, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Kichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Der Werbefachmann, Autor, Literaturagent und Herausgeber _Frederik Pohl_, geboren 1919 in New York City, ist ein SF-Mann der ersten Stunde. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte er der New Yorker „Futurian Science Literary Society“ an, bei der er er seine späteren Kollegen Isaac Asimov und Cyril M. Kornbluth kennenlernte. Von 1940-41 war er Magazinherausgeber, wandte sich dann aber dem Schreiben zu.

Als er sich mit Kornbluth zusammentat, entstanden seine bekanntesten Romane, von denen der beste zweifellos „The Space Merchants“ (1952 in „Galaxy“, 1953 in Buchform) ist. Er erschien bei uns unter dem Titel „Eine Handvoll Venus und ehrbare Kaufleute“ (1971). Darin kritisiert er auf bissige, satirische Weise die Ausbeutung des Weltraums. Ebenso erfolgreich ist seine Gateway-Trilogie, die zwischen 1977 und 1984 erschien und von denen der erste Band drei wichtige Preise einheimste.

_Die Erzählungen_

_1) Algis Budrys: |Die integrierten Menschen| (|Congruent People|)_

Dexter Bergenholm geht wie jeden Tag, von seiner Frau Miriam verabschiedet, aus dem Haus Richtung Büro. Doch diesmal bemerkt sein Unterbewusstsein am Kiosk mit den Tageszeitungen etwas Merkwürdiges: Ein Mann gibt dem Verkäufer eine Zeitung und bekommt dafür ein Geldstück. Als sein Bewusstsein endlich geruht, davon Notiz zu nehmen, schrillen die Alarmglocken: Müsste es nicht normalerweise umgekehrt sein?!

Bergenholm kauft die dem Verkäufer gegebene Zeitung und vergleicht sie mit der üblichen Ausgabe der „New York Times“. Es gibt einige gravierende Unterschiede. Doch war ist auf der abweichenden Ausgabe von „Stufe eins“ die Rede? Und wieso ist der Wetterbericht bis auf die Minute genau?

Als er dem Mann folgt, sieht er ihn in einen Lieferwagen steigen, der aber innen wi ein Bus ausgestattet ist. Am nächsten Morgen wiederholt sich der Vorgang, doch diesmal folgt Bergenholm dem Mann in den getarnten Buss. Der Mann begrüßt ihn mit seinem Namen, Bergenholm, stellt sich als Indoktrinator vor und lädt ihn zu einem Gespräch ein.

Wie sich zeigt, gehört der Mann zu einer Gruppe von Leuten, die sich dem gewohnten Einerlei der Wirklichkeit, eben der Stufe eins, entzogen haben und sozusagen mitten unter uns eine parallele Gesellschaft aufgebaut haben, damit sie besser und freier leben können. Doch der Mann stellt Bergenholm vor eine Alternative: Bergenholm soll ohne seine Frau auf die Stufe zwei gelangen, und das ist natürlich ein Problem. Aber nicht lange, wie sich herausstellt …

|Mein Eindruck|

Der Stil von Algis Budrys ist stets ein wenig unterkühlt, entbehrt aber nicht des Witzes. Für die Fünfziger Jahre typisch war die von Senator McCarthy geschürte Angst vor einer kommunistischen Unterwanderung. Leben die Spione (wie die verurteilten Rosenbergs) wirklich unerkannt unter uns, Leute wie du und ich, fragten sich die braven Bürger damals. Und brav war jeder, der sich den Regeln konform verhielt. Die „Regeln“ wurden allerdings von anderen aufgestellt, von Schiedsrichtern des Geschmacks ebenso wie von den diversen Gesetzgebern und Moralwächtern. Nicht ohne Grund erlebte die Zensur eine Blütezeit, die erst 1968 endete.

Bergenholm ist so ein braver Bürger. Seine Frau passt auf, dass an ihm alles regelkonform aussieht. Doch er ist anders, sonst würde er nicht bemerken, wie ein Zeitungskauf nicht regelkonform abläuft. Und er würde auch nicht in den getarnten Bus steigen, um den Verdächtigen zu beschatten. Am Schluss löst sich die potenziell gefahrvolle Aktion jedoch in reines Wohlgefallen auf, pointiert mit einem Witz. Doch im Leser bleibt, wie beabsichtigt, der Verdacht: Was wäre, wenn es wirklich eine Parallelgesellschaft gäbe, die uns von der „Stufe eins“ um Längen voraus wäre?

_2) Hal Clement: |Der kritische Faktor| (|Critical Factor|)_

Halbflüssige Wesen, die im Untergrund unserer Erde leben, haben gerade ein kleines Problem: Eroberer aus dem Norden bedrohen ihr Territorium. Ein Späher namens Pentong kehrt aus der Antarktis zurück und berührt den Ältesten, um zu berichten, was er dort gefunden hat: Eine Schicht über dem Gestein, die durch heißes Magma in Ozean verwandelt wird – im Klartext: Eis.

Was Pentong vorschlägt, ist revolutionär: Man könnte durch Eisschmelzen doch den Ozean so weit ausbreiten, dass der für die Untererdbewohner giftige Sauerstoff nicht mehr an das Erdreich gelangen könnte. Mithin würde sich ihr Lebensraum vergrößern.

Eigentlich eine geniale Idee. Doch Derel der Denker bezweifelt ihre theoretische Grundlage ebenso wie die praktische Ausführung. Er stellt ein paar Experimente mit dem Verhalten von Flüssigkeiten in Hohlräumen an und stößt auf eine neue unheimliche Kraft, die ihn fast das Leben kostet: Schwerkraft!

|Mein Eindruck|

Die rein naturwissenschaftlich orientierte Story erzählt, wie so viele von Clements Storys, von Alien mit fremden Naturgesetzen und fremdartigem Denken. Doch das hindert sie nicht daran, allgemeingültige Gesetze zu entdecken, die auch uns vertraut sind – Schwerkraft beispielsweise.

Die Tatsache, dass die Anderen das uns Vertraute erst entdecken, führt uns wiederum die Besonderheit des Phänomens vor Augen. Schwerkraft, so lernen, ist nichts, das wir für selbstverständlich und allgegenwärtig halten sollten. Denn stets gilt der Grundsatz: Alles ist relativ.

_3) Jerome Bixby: |Schöner leben| (|It’s a Good Life|, 1953)_

Peaksville lag vor vier Jahren in Ohio, doch wo es jetzt liegt, ist seinen Bewohnern unbekannt. Denn kurz hinter den letzten Häusern beginnt das Nichts. Nur hinter dem Haus der Fremonts liegen ein Maisfeld, eine Weide und ein schattiger Baum. Doch wer die Fremonts besucht, so wie jetzt Bill Soames mit seinen Kolonialwaren, der bangt um sein Leben. Zumindest aber um seine geistige Gesundheit. Denn bei den Fremonts lebt Anthony. Er dringt in Gedanken ein und kann Leute verschwinden lassen. Man sollte ihn besser nicht verärgern, haben alle gelernt. Und niemals darf ein Kind sich zur Farm verirren. Ein verschwundenes Kind ist Lektion genug.

Bill Soames ist froh, wieder unbeschadet von dannen radeln zu können. Doch abends kommt es zu einem Eklat. Dan Hollis‘ Geburtstag feiern die Dorfbewohner im Wohnzimmer der Fremonts, und einer spielt Klavier. Doch als Dan sich spätabends darüber ärgert, dass er seine ihm geschenkte Schallplatte nicht abspielen darf und zu singen anfängt, erscheint Anthony, und Totenstille tritt ein. Er nennt Dan einen „bösen Mann“, tut etwas Furchtbares mit ihm und lässt ihn verschwinden.

Wieder eine Lektion gelernt. Während alle die Frau von Dan Hollis zum Verstummen bringen und festhalten, verschwindet Anthony nach zwei Stunden wieder. Wer hätte gedacht, dass ein Dreijähriger so ein Tyrann sein kann …

|Mein Eindruck|

Eine Teufelsgeschichte! Diesmal mit einem der in den fünfziger Jahren so beliebten Mutanten. (Es wird keine Ursache für die Mutation angegeben, auch kein Atomkrieg.) Geschildert wird eine wahre Hölle, über die ein Einziger mit der Macht über Leben und Tod herrscht. Leider ist das Kind völlig unzurechnungsfähig.

Aber darum geht es eigentlich nicht. Wie der Titel schon andeutet, richtet der Autor sein Augenmerk nur en passant auf Anthonys Launen und konzentriert sich vielmehr auf die Bedingungen für das friedliche Überleben in dieser Hölle. Erstaunlicherweise sind zwar einige unzufrieden mit den Bedingungen, doch sie dürfen es niemals laut sagen. Stets müssen sie sagen, alles sei gut, prächtig oder schön, um nur den Tyrannen nicht zu verärgern (wie Dan Hollis). Außerdem versuchen sie nichts zu denken, denn der Tyrann ist ja bekanntlich ein Gedankenleser, der sogar geistige Strafmaßnahmen verhängen kann, wie bei seiner Tante Amy.

Die Geschichte ist leicht als Metapher für jedes repressive System zu deuten, sei es nun ein faschistisches, ein stalinistisches, feudalistisches oder ein kapitalistisches. Die Gedanken- und Verhaltenskontrolle ist bereits verinnerlicht, sodass es nur selten zu Verstößen gegen die Konformität kommt. Flucht wäre ja auch sinnlos, denn draußen wartet nur das Nichts. Der Autor hat eine Versuchsanordnung geschildert. Man kann den einen oder anderen Faktor ersetzen, beispielsweise Anthony durch einen Mann der Kirche, aber das Ergebnis bleibt immer das gleiche: Es ist eine Hölle.

_4) Isaac Asimov: |Ein so herrlicher Tag| (|It’s Such a Beautiful Day|)_

Der neuartige Materietransmitter ist endlich auch für den Personentransport geeignet und wird als T-Tür eingebaut. Das kalifornische Wohngebiet A-3 ist in dieser Hinsicht Vorreiter: Alle seine Gebäude inklusive der Schule verfügen über T-Türen, und die gewöhnlichen, manuell bedienbaren Türen (mit einfachem T) werden als „Notausgang“ bezeichnet.

Als Mrs. Hanshaw von der Lehrerin Miss Norris also einen Beschwerdeanruf wegen Richard Hanshaw, ihrem Sohn, bekommt, ist sie also höchst erstaunt: Ihr Dickie soll eine volle Stunde zu spät zum Unterricht erschienen sein?! Es muss sich wohl um einen schlechten Scherz handeln, den sie sich selbstredend verbittet.

Doch als Richard auch nicht zur vorgesehenen Rückkehrzeit um 15:00 Uhr per T-Tür erscheint, beginnt sich Mrs. Hanshaw Sorgen zu machen und zu grübeln. Heute Morgen war die T-Tür defekt, und Richard ging zu den Nachbarn, um deren T-Tür zu benutzen. Das hat aer aber offenbar nicht getan. Was ist bloß in den Jungen gefahren? Inzwischen war der Reparateur da und hat eine Pentode ausgewechselt, die den Feldgenerator steuert.

Richard kehrt zurück – durch den Notausgang! Und wie er nur aussieht! Von oben bis unten verdreckt und bestimmt voll schrecklicher Krankheitskeime. Ab, Marsch ins Bad mit ihm! Eins ist klar: Wie Miss Norris vorschlug, ist Richard wohl ein Fall für die Psychosonde. Aber man darf selbstverständlich kein Aufsehen erregen und muss auf Diskretion achten. Man könnte sonst zum Gespött der Nachbarschaft werden. Also geht Mrs. Hanshaw zum Hirnklempner, einem Psychotherapeuten namens Sloane.

Wohl wegen seines geringen Alters von knapp 40 Jahren lehnt Sloane es strikt ab, Richard einer Psychosondierung zu unterrichten. „Ein traumatisches Erlebnis für einen jungen Menschen“, warnt er. Vielmehr nimmt er Richard mit auf einen Spaziergang – nach draußen! Mrs Hanshaw ist fassungslos.

Richard zeigt Sloane die unbekannten Wunder des Draußen: grünes Gras, blauer Himmel, ein Bach, Insekten und bunte Vögel. Hier hat sich also der Junge die Zeit vertrieben. Und wenn er es recht bedenkt, findet Sloane es recht bedenklich, wenn ein Mensch in einer T-Tür erst in seine atomaren Bestandteile zerlegt und dann auf der Gegenseite wird zusammengesetzt wird …

|Mein Eindruck|

Die Idee des Materietransmitters ist schon ziemlich alt, beinahe unmöglich zu realisieren, wurde aber ungezählte male in der Sciencefiction eingesetzt. Bei John Brunner ersetzen Transmitter die Raumfahrt (vgl. „Die Sonnenbrücke“ und „Verbotene Kodierungen“). Doch während bei Brunner ein Kniff der Dimensionsmathematik den Durchtritt erlaubt, greift Asimov das Problem als Materie-Auflösung und -Zusammensetzung auf.

Wie er richtig sagt, ist das Verfahren schweineteuer, energieintensiv und obendrein gefährlich. Wie leicht könnte beim Berechnen der Zusammensetzung ein Hard- oder Softwarefehler auftreten? So einfach geht das „Beamen“ also nicht. Doch die Technik ist gar nicht der Schwerpunkt der Geschichte: Es geht um die veränderte Psyche.

Mrs Hanshaw kennt das Draußen gar nicht mehr als Lebensraum: Es kommt ihr so gefährlich vor wie uns der Weltraum. Ganz im Gegensatz zu Sohnemann Richard: Er entdeckt die vielfältigen Freuden, die das Draußen für den langsamen Betrachter bereithält. Daher: Zurück zur Natur!

_5) Henry Kuttner: |Tyrell der Erlöser| (|A Cross of Centuries|)_

Im Jahre 5000 ist Tyrell bekannt als der Reine Gesalbte, der Messias des Friedens, der Güte und der Liebe Gottes. Doch er lebt bereits 2000 Jahre und muss sich alle hundert Jahre einer Auffrischung seines Gedächtnisses unterziehen. Dies erfolgt mit Hilfe einer Maschine, die im Bergkloster von Abt Mons (= Berg) verborgen ist.

Auch diesmal kommt Tyrall zusammen mit seiner 300 Jahre alten, aber wie eine Zwölfjährige aussehende Jüngerin Nerina ins Bergkloster. Vor dem Teich der Wiedergeburt legt er seine wenigen Kleider und seine Schuhe ab und badet darin. Nur Nerina scheint zu bemerken, wie sehr sein Gedächtnis nachgelassen hat.

Am nächsten Morgen erzählt der runderneuerte Tyrell seiner erstaunten Anhängerin detailreich von der alten Zeit, die er damals zu überwinden geholfen habe. Der Anti-Christ sei umgegangen und habe die Tier-Menschen aufgestachelt, auf Tausenden von Welten habe Brudermord geherrscht. In der Tat ist Tyrell das einzige Wesen aus jener Zeit, das immer noch am Leben ist, um sich daran zu erinnern.

Am zweiten Morgen findet man die erwürgte Leiche eines Mönchs. Das Entsetzen unter den Brüdern ist ebenso groß wie bei Tyrell und Nerina. Wie kann es einen Akt der Gewalt nach acht Jahrhunderten Frieden geben? Doch als nerina in der folgenden Nacht einen Schrei hört und auf den Gang vor der Klosterzelle eilt, entdeckt sie zu ihrer Bestürzung Tyrell mit einem blutigen Messer in der Hand.

Wie kann es sein, dass er getötet hat, fragt sie sich und berät sich mit Abt Mons. Schier sprachlos vor Schrecken stammelt Mons etwas davon, wie die Maschine funktioniert. Es muss zu einem Fehler gekommen sein. Oder die Mönche habe ihre Arbeitsweise nicht richtig verstanden. Doch am Ende ahnt Nerina, worin ihre Pflicht besteht, um Tyrell zu erlösen. Sie nimmt das immer noch blutige Messer …

|Mein Eindruck|

Einmal ist die Religion die Zielscheibe von Autoren der fünfziger Jahre (siehe auch die zwei Auswählbände von H.J. Alpers bei Bastei-Lübbe). Der Profi-Autor Henry Kuttner, Gatte der Autorin Catherine L. Moore, schreibt in seiner Story das Leben des Messias einfach in die Zukunft vor. Er stellt nicht die Funktion eines solchen Gesalbten in Frage, wohl aber die Wahrheit, die mit dieser Figur verknüpft wird.

Anders als von den Mönchen angenommen, wird Tyrells Gedächtnis nicht jedesmal gelöscht, wenn er die Maschine benutzt, sondern nur in die Tiefe des Bewusstseins verdrängt. Mittlerweile sind es – nach 2000 Jahren – 20 Schichten. Es ist etwas schiefgegangen: Statt Neues zu speichern, hat sich das uralte Unterbewusstsein gemeldet: Mit tödlichen Folgen.

Tyrell gesteht es nur Nerina: Er war selbst jener Anti-Christ, der vor fast tausend Jahren die Menschen abschlachtete, damit sie ihn zu fürchten lernten. Nur so führte er den allgemeinen Frieden herbei, nicht mit der Sanftmut von Lämmern, sondern mit der Pranke des Löwen.

Der Autor stellt also die Botschaft Christi infrage und behauptet im Gegenteil, dass nur Stärke und sogar Vernichtung den Frieden herbeiführen könne. Das ist eine sehr kontrovers zu diskutierende Aussage. Und am Schluss eine messianische FRAU vorzustellen, dürfte die Gemüter im Vatikan ebenfalls nicht gerade beruhigt haben.

_6) Damon Knight: |Einer muss der Dumme sein| (|Idiot Stick|)_

Das Raumschiff der galaktischen Föderation landet in New Jersey. Die Aliens, lautet spindeldürre Kerle, verteilen Kapseln, die dem Empfänger ein intensives Glücksgefühl vermitteln. Kein Wunder, dass die Aliens nicht nur mit Wohlwollen, sondern mit einem Ansturm von Glücksbedürftigen empfangen werden.

Die Fremden wollen eine friedliche Niederlassung zu Studienzwecken bauen. Natürlich sind Zehntausende bereit, das Gelände dafür zu ebnen und das Gebäude zu errichten. Der Lohn besteht ja in den begehrten Glückskapseln. Jeder kriegt einen Stecken, der auf wundersame Weise den Boden einebnet und asphaltiert. Baker und Cooley sind sich einig, dass dies ein „Dummenschwengel“ sei – und sie, als Arbeiter, die Dummen. Die Dinger lassen sich nicht einfach nachbauen.

Wochen später, entdeckt ein Reporter vom Star-Ledger in New Jersey den Sprecher der Fremden betrunken in einer Bar. Der Sprecher lallt etwas von Mitleid. Mitleid mit wem? Mit den armseligen Menschen und ihrem nichtswürdigen Planeten. Solches Gerede macht den Reporter erst stutzig, dann wütend. Dan rückt der Sprecher, der voll auf Aspirin abfährt, mit der Sprache heraus: Das Gebäude werde ein Bohrloch verdecken, in welches man einen Sprengsatz einführen werde, der im Erdinnersten zünden solle. Puff, und Terra wird eine Staubwolke. Welchselbige man zur Abwehr einer möglichen Invasion benötige. Von wem ist leider nicht zu erfahren.

Wenige Tage später erobert ein wütender Mob das fremde Raumschiff und erschlägt alle Aliens – mit dem Dummenschwengel. Es kommt eben darauf an, an welchem Ende davon man sich jeweils befindet, meint Baker.

|Mein Eindruck|

Würde so eine Invasion funktionieren, fragen sich Baker und Cooley. Ohne Weiteres, meinen sie – und das meine ich auch. Es findet sich immer ein Idiot, der für ein bisschen momentanes Glücksgefühl sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht verkaufen würde (vgl. dazu die Bibelgeschichte von Jakob und Esau, den Söhnen Isaaks, des Sohnes Abrahams).

Eine blutige Wendung nimmt die Story am Schluss: Für die Modifikation des fremden Allzweck-Stocks mussten in zehntausend Versuchen zehntausend Menschen ihr Leben lassen. Ist das also der Preis des Überlebens? Wenn das so ist, so die Aussage, dann ist der Preis keineswegs zu hoch. Dieses Prinzip sollte man aber tunlichst nicht auf Atombomben anwenden …

_7) Robert Silverberg: |Kolonist Wingert in der Klemme| (|Company Store|)_

Kolonist Roy Wingert ballert wild um sich, um die Kreaturen zu vernichten, die es auf ihn abgesehen haben. Er ist sauer, denn die terranische Kolonisationsbehörde hatte behauptet, dieser Kontinent wäre frei von solchem Kroppzeug. Da hört er eine Stimme hinter sich: „Darf ich Ihnen einen Taschenfeldgenerator anbieten, mit dem sie ein Sperrfeld errichten können?“ Aber immer doch! Das Feld hält die Viecher fern.

In der Verschnaufpause stellt sich der Besucher: ein Verkaufsroboter aus der Kleinen Magellanschen Wolke. Klingt harmlos, aber als der Blechkumpel verrät, er habe diese aggressiven Viecher extra zu diesem Verkaufszweck hierhergeschafft, bringt ihm das nicht gerade Pluspunkte ein. Wingert findet, der Robot müsste noch einiges über Verkaufsmethoden lernen. Er sagt ihm, er soll sich verziehen.

Wingert aktiviert den hier deponierten Materietransmitter und nimmt Verbindung mit der Erde auf, um Rasierklingen zu bestellen. Er kriegt eine Transportrechnung über 50 Dollar bei einem Warenwert von 1 Dollar. Moment mal! Doch seine Beschwerde wird abgeschmettert: Steht alles im Vertrag – Luxusgüter werden extra berechnet. Die Rückgabe kostet natürlich ebenso viel. Und bei der Konkurrenz dürfe er natürlich keinesfalls kaufen. Steht auch im Vertrag. Darauf steht eine Konventionalstrafe. Wingert rechnet aus, dass der Vertrag dafür sorgt, dass er bis zu seinem Lebensende in der Schuld der Company stehen wird. So sieht also moderne Sklaverei aus.

Der Roboter, der ihm das Enthaarungsgel angeboten hat, besteht jedoch seinerseits ebenfalls auf dem Kauf. Würde er seine Quote nicht erfüllen, würde man ihn demontieren. Mit gezücktem Desintegrator besteht der Robot darauf, dass Wingert den Feldgenerator bezahlt und mehr kauft. Das bringt den Kolonisten auf eine brillante Idee. Er stellt Kontakt mit der Erde her …

|Mein Eindruck|

Die Erfindung der Schuldknechtschaft liegt schon ein paar Jährchen zurück. Mehrere Jahrtausende, um genau zu sein. Und wie dem „Menschenhandel“-Buch von E. Benjamin Skinner zu entnehmen ist (ISBN 978-3-7857-2342-5; siehe meinen Bericht), ist diese Form der Sklaverei in vielen Gegenden der Welt noch so verbreitet, dass noch Millionen Menschen darunter leiden müssen.

Kolonist Wingert blickt jedoch auf Erfahrung mit Verkaufstypen wie dem Roboter zurück und kann dessen Drohung kühl hinnehmen, gibt sie ihm doch ein handfestes Argument gegenüber der Terra-Kolonisationsgesellschaft in die Hand: Was sich jetzt angesichts der Drohung als „lebensnotwendig“ (und nicht etwa ein Luxusartikel) ist, ist schlicht und ergreifend Geld. Und wenn die Company keines schickt, stellt das einen Vertragsbruch dar.

Es kommt, wie es kommen muss. Nach dem Vertragsbruch zerreißt Wingert das wertlose Papier und erklärt sich per Siedlerrecht zum Besitzer dieses Planeten. Eine ganze neue Verhandlungsposition für Wingert. Man sieht also, dass die Story einen gewissen Yankee-Witz verrät, einen Sinn für die praktischen Erfordernisse des Überlebens. Zum Beispiel Kaltschnäuzigkeit.

_Unterm Strich_

Während sich die meisten Beiträge dieser Storyauswahl mit den zeitbedingten Phänomenen beschäftigen, ragt Henry Kuttners Erzählung über den falsch programmierten Messias haushoch darüber hinaus. Profis wie Silverberg und Asimov mögen handwerklich top sein, doch Kuttner ist ihnen inhaltlich, wie auch stilistisch weit überlegen. Es ist nicht auszuschließen, dass seine Frau C.L. Moore daran mitgeschrieben hat. Die beiden benutzten auch viele Pseudonyme, um gemeinsame Arbeiten zu verkaufen.

Asimov greift die absehbaren Folgen der Verstädterung auf, Silverberg die Schuldknechtschaft in vielen Ländern, Budrys hingegen ist noch unter dem Eindruck der Kommunisten-Infiltration – so als könne ein Volk unterwandert werden. Hinter der öffentlichen Fassade existiert eine andere Welt. Ebenso auch in Bixbys kritischer Story über den dreijährigen Mutanten Anthony. Offensichtlich griffen mehrere Autoren die bürgerliche Fassade an. Doch nur Kuttner traute sich, das religiöse Fundament anzutasten.

Für den deutschen SF-Leser des Jahres 1976 waren diese Originalbeiträge – allesamt Erstveröffentlichungen von 1953 – willkommenes Lesefutter, um sich einen Überblick über die Entwicklung des Genres in den fünfziger Jahren zu verschaffen. Der Erfolg des TITAN-Formats mit seinen etwa zwei Dutzend Bänden gab Herausgeber Jeschke Recht. Auch die sorgfältige Übersetzung trägt noch heute zum positiven Eindruck bei. Ich fand nur einen einzigen Druckfehler.

|Taschenbuch: 143 Seiten
Im Original: Star Science Fiction 3+4, 1953, 1954, 1958 und 1959/1977
Aus dem US-Englischen von Walter Brumm und Horst Pukallus
ISBN-13: 978-3453304260|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

Interview mit Norbert Sternmut

_Buchwurm.info:_ Wie geht es Ihnen? Wo sind Sie? Was machen Sie gerade?

_Norbert Sternmut:_ Es geht mir gut, zumal ich mit meinen Projekten weiterhin gut vorankomme und aktuell mit [„Wildwechselzeit“]http://www.amazon.de/Wildwechselzeit-Tagebuch-Beziehung-Norbert-Sternmut/dp/3942063255 und
[„Spiegelschrift“]http://www.amazon.de/Spiegelschrift-Norbert-Sternmut/dp/3863560078/ref=sr__1__2?s=books&ie=UTF8&qid=1305194653&sr=1-2 zwei neue Bücher vorstellen kann.

Also bin ich weiterhin vor Ort im äußerlich idyllischen Pflugfelden, schreibe vor mich hin, versuche in meinen Projekten auch Kunst und soziale Arbeit zu verbinden, wie ich seit 2009 die monatliche Veranstaltungsreihe „Sternmut-Literatur-Bunt“ betreue, moderiere, gestalte.

Gerade war in diesem Zusammenhang am 05.05.2011 die Vorstellung der zwei genannten Bücher, des Prosabandes „Wildwechselzeit“, [Wiesenburg-Verlag]http://www.wiesenburgverlag.de, Schweinfurt, und des Lyrikbandes „Spiegelschrift“,
[Pop-Verlag]http://www.pop-verlag.com , Ludwigsburg.

Momentan verschicke ich Rezensionsexemplare, werde beide Bücher auf weiteren Lesungen vorstellen, wie sie bereits auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt wurden, arbeite darüber hinaus am Buchprojekt für 2012, einem Lyrikband und an einem nun „wirklich“ autobiographischen Buch, das für 2013 geplant ist.

_Buchwurm.info:_ Ich habe die ersten Seiten Ihres neuen Romans „Wildwechselzeit“ gelesen und muss gestehen, verwirrt zu sein. Ständig wird [Christoph Schlingensief]http://www.schlingensief.com/start.php zitiert, als gehöre er zur Geschichte des Ich-Erzählers – der möglicher-, aber nicht notwendigerweise Sie sind. Was hatten Sie mit diesem Roman vor?

_Sternmut:_ Erstens, ich würde das Buch nicht „Roman“ nennen. Es ist ein Prosaband, der in Form eines Tagebuchs strukturiert ist, der weiterhin eine innere Struktur über den Zusammenhang einer psychoanalytischen Therapie erhält, in der sich der Protagonist scheinbar befindet.

Inspiriert wurde das Buch tatsächlich vom Buch [„So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!“]http://www.schlingensief.com/projekt.php?id=b001 von Christoph Schlingensief, der darin seine Krebserkrankung schildert, ebenfalls in Form eines Tagebuchs. Bekannt ist, dass ich selbst meine Krebserkrankung bereits im Alter von 20 Jahren hatte.

Die Art und Weise, wie Schlingensief das Thema Tod und Krankheit behandelte, hat mich inspiriert, hat mich persönlich beschäftigt, wie er auf Joseph Beuys zurückgehend den Weg zu einer absoluten Offenheit und Transparenz ging oder gehen wollte. Dass auch bei Sternmut stets die Thematik der Krankheit, des Todes, der Vergänglichkeit im Vordergrund steht, ist nun nicht neu.

Auch „Wildwechselzeit“ handelt davon, eine Art Transparenz zu fordern, eine Ehrlichkeit auch sich selbst gegenüber, bei allen Zweifeln, Disharmonien, die uns das Dasein bringt, gehört doch der Zweifel dazu, bis hin zur Verzweiflung, die Krankheit – dies wollte ich in diesem Prosaband aufzeigen.

_Buchwurm.info:_ Sind andere Leser ebenso verwirrt wie ich? Wie erklären Sie sich das?

_Sternmut:_ Jeder der das Buch liest oder gelesen hat, ist scheinbar „verwirrt“. Die Reaktionen sind stark emotional, sehr polarisierend, von „genial“ und der Aussage „Das Beste, das Sternmut jemals schrieb“ (Daniela Wegert) bis zu gefühltem Entsetzen und entsprechenden Aussagen, die das Buch „peinlich, verstörend, frauenfeindlich“ usw. finden. Die Reaktionen kommen von absoluter Ablehnung bis zu großer Zustimmung. Keiner gab bisher an, dass das Buch nichts mit ihm gemacht habe. Es wird von „Tabubruch“ gesprochen, auch von der Verwirrung, von der Sie sprechen.

Ist das Buch nun autobiographisch oder nicht? Ist „Norbert“, der Protagonist nun der Autor Norbert Sternmut oder ist er es nicht; wird hier eine Geschichte aus der Distanz beschrieben, die wir auch distanziert konsumieren können, oder ist es „Wirklichkeit“, was hier beschrieben wird? Im einführenden Text wird davon gesprochen, dass es keine Autobiographie ist, wobei auch hier das alte Sternmut-Thema, was „wirklich“ oder „unwirklich“ ist, aufgegriffen wird, wie in anderen Sternmut-Büchern auch, wobei hier die Grenzen scheinbar vollkommen unklar werden, unklar sind, weil der Protagonist nicht mehr „Norman“ heißt, wie im Roman „Norman“, sondern „Norbert“. Ich denke, daher die grundsätzliche Verwirrung.

Darüber hinaus kommt die Verwirrung natürlich aus den beschriebenen Inhalten. Der Mensch als rein egoistisches Wesen, die Peitsche in der Küche der Mutter.

Jeder Leser hat sich bisher am „Mutterbild“ des Buches abgearbeitet, einmal, wie gesagt, mit Zustimmung, dann aber in einer Art Verteidigungshaltung des Mutterbildes überhaupt, während hier, wie immer, eine individuelle Mutter beschrieben wird und es nicht die Absicht des Autors war, ein „Mutterbild“ zu zerstören. Überhaupt war es nicht die Absicht zu provozieren, wie vermutet wurde, war es nicht die Absicht, sozusagen strategisch für Unruhe zu sorgen, damit sich die Verkaufszahlen des Buches erhöhen.

Dass sich die Verkaufszahlen des Buches erhöhen, gut, das ist für mich der positive Aspekt der Auseinandersetzung. [„Norman“]http://www.wiesenburgverlag.de/hauptseite.php?category=books&subcat=gesamtprogramm&book__id=89 , der Roman von 2008, wo der Protagonist „wirklich“ ein Frauenfeind und dazu ein Mörder war, dieser Roman hat sich schlecht verkauft.

„Wildwechselzeit“ wird sich gut verkaufen und wenn sich jeder darüber aufregt und das Buch „peinlich“ findet. Immerhin, an die Verkaufszahlen von „Feuchtgebiete“ kommt es nicht heran. Aber es zeigen sich die Zusammenhänge von Verkauf und Empörung. Mein Verleger kann zufrieden sein.

_Buchwurm.info:_ Die Verwirrung beruht auf der Uneindeutigkeit der Erzählsituation: Ist der Erzähler identisch mit dem Autor oder nur eine Art lyrisches Ich?

_Sternmut:_ Ja, darauf beruht scheinbar die Grundverwirrung. Als würde der Autor bzw. der Protagonist eine unausgesprochene Regel verletzen. Als würde er ein Tabu brechen, würde er etwas tun, was nicht sein darf. Ist der „Norbert“, der in den Zitaten von Schlingensief auftaucht, nun der Autor, ist es der Autor, der damals von seiner Mutter ausgepeitscht wurde, gab es „wirklich“ eine Therapie, ist alles nur erfunden, spielt der Autor möglicherweise mit sich selbst und dem Leser?

Und wenn er es macht, dann darf er das scheinbar nicht auf dieser Ebene!

Und wenn nun gesagt wird, der Protagonist ist „frauenfeindlich“ und damit wahrscheinlich der Autor, dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie ich als Autor (was immerhin sicher ist) dazu sagen soll.

Ich vermute, der Band enthält einige Ehrlichkeit, die selten „leicht verdaulich“ ist. Also regt der Band scheinbar auf, aber vielleicht auch an. Übrigens sehe ich hier einen Zusammenhang mit Schlingensief, der auch mit einer großen Ehrlichkeit und fast kindlicher Aufrichtigkeit in seine Projekte gegangen ist.

Aktuell wurde ich mit [Michel Houellebecq]http://de.wikipedia.org/wiki/Michel__Houellebecq verglichen, ehrlich gesagt, ich kenne den Mann nicht, mein Verleger kennt ihn, hat mit ihm gesprochen, sagt, dass es wohl Übereinstimmungen gibt, während ich daneben stehe und „wirklich“ keine Ahnung habe.

Eine Zeitschrift schrieb, ich sollte einmal einen Roman vorlegen, der dadurch provoziert, dass er nicht in gewohnter Manier provoziert. Ich sage, ich verstehe das nicht, erinnere an Schlingensief, der stets davon sprach, dass er nicht provozieren wollte. Ich denke, wie auch immer: „Wildwechselzeit“ bewegt die Gemüter bis zur Falschaussage, bis zur Verdrängung, Empörung, Ablehnung. Es war jedenfalls nicht strategisch geplant, dass wir „Wildwechselzeit“ in die Welt setzen, um Verkaufszahlen zu erreichen.

_Buchwurm.info:_ Sie haben auch den Gedichtband [„Spiegelschrift“]http://www.amazon.de/Spiegelschrift-Norbert-Sternmut/dp/3863560078/ref=sr__1__2?s=books&ie=UTF8&qid=1305194653&sr=1-2 „Spiegelschrift“ veröffentlicht. Was ist dessen Grundthema?

_Sternmut:_ Auch hier ist das wiederkehrende Thema (seit [„Sprachschatten“]http://www.sternmut.de/old/assets/images/db__images/db__sprachschatten1.jpg , 1989) die „Sprache hinter der Sprache“, weiter auch hier das leidende, liebende Individuum bis zur weiteren Zerrüttung der Außenwelt und der Innenwelt, der Sprache als einziger Heimat, um die Heimatlosigkeit in anderen Zusammenhängen, wie auch hier die weitere Beschäftigung mit der Psychoanalyse, der Existenzphilosophie.

„Spiegelschrift“, denke ich, es ist ein typischer Sternmut-Lyrikband.

Natürlich geht es um „Sisyphos“, „Elfriede auf Erden“, aber eben auch um den „Schriftsetzer“, der ich ehemals werden wollte. Allerdings waren damals bereits zwei meiner Brüder Schriftsetzer, sodass es nicht einen weiteren in der Familie geben sollte. So lernte ich damals Werkzeugmacher vor dem zweiten Bildungsweg, erkrankte, wie bekannt und wurde Künstler und Schriftsteller und Sozialpädagoge.

Jedenfalls stecken in „Spiegelschrift“ auch einige Anfänge meiner Sozialisation, im Grundthema der Sprache, der Schrift, der Spiegelschrift, in den Zeiten des Bleisatzes, wo jeder Satz in „Spiegelschrift“ gesetzt wurde.

Dann natürlich das Thema des eigenen Spiegelbildes: was sehen wir, wenn wir uns betrachten, was denken wir von uns, welches Bild haben wir, wenn wir uns im Spiegel sehen?

Und das Scheitern, wenn wir uns „wirklich“ erkennen wollen, wie „Das Sagbare und das Unsagbare“, das uns die Wirklichkeit begrenzt. Im Grunde haben sich die Themen nicht verändert.

_Buchwurm.info:_ Wie sehen ihre weiteren Planungen aus?

_Sternmut:_ Ich werde arbeiten, schreiben, malen, bis ich es endlich nicht mehr machen werde. Der Inhalt wird stets wie bei Schlingensief weithin der eigene und der Tod der anderen sein. Wieviel Zeit ich noch habe, Planungen zu entwerfen, Worte zu schreiben, Interviews zu geben, das weiß ich nicht, arbeite aber im Bewusstsein meiner eigenen Krebserkrankung, als ich 20 Jahre alt war und erstmals im Bewusstsein starb. Ich denke, das wird mein Thema bleiben.

Grade starb ein guter Kollege, mit dem ich vor nicht langer Zeit noch einen regen Austausch über den Umgang mit der Erkrankung hatte, an Krebs: [Wolfgang Fienhold]http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang__Fienhold („Die flambierte Frau“). Er ging im Vergleich zu Schlingensief ganz anders mit dem Sterben um, erkrankte fast zeitgleich, gab sich aber ganz anders. Das beschäftigt mich, hier will ich wissen, wie ist es, wenn ich endlich selbst auf dem Sterbebett liege und woran ich denke. Wie fühlt sich die Angst an, nachdem ich bereits gestorben bin, damals, im Grunde, im Kopf, als junger Mann? Wie sterbe ich als älterer Mann, alter Mann? Wer weiß?

Wie ich seit langer Zeit vorgebe, werde ich keinen Suizid begehen, bin nicht Gunter Sachs, halte mich an [Albert Camus]http://de.wikipedia.org/wiki/Albert__Camus , theoretisch, selbst wenn der Gedächtnisschwund wuchern sollte, und sich kaum noch ein Wort auf dem weißen Blatt einfinden will. Ich sage, dass wir uns nicht töten sollen, weil es absurd ist. Verstehe das, wer kann.
Hier bin ich weder [Arthur Schopenhauer]http://de.wikipedia.org/wiki/Arthur__Schopenhauer noch
[Walter Jens]http://de.wikipedia.org/wiki/Walter__Jens . Wenn, dann werde ich ein hirnloses Etwas, was ich jetzt auch bin, meinetwegen, weil ich es selbst so bestimme, weil ich es nicht anders will, also gilt bei mir weiterhin der Grundsatz: „Aufgeben gilt nicht!“

Weil wir es bestimmen können, weil wir sehen, wie es kommt.

Darüber werde ich weiter schreiben, malen, plane endlich mal wieder für den Herbst 2011 eine Ausstellung mit Radierungen, Ölbildern, Zeichnungen.

Es wird eine besondere Freude für mich sein, wenn ich mich mal wieder als Maler zeigen darf, zeigen kann, nachdem ich in den vergangenen Jahren von einem literarischen Projekt zum andern wechselte. Die soziale Arbeit gehört immer mit dazu, immerhin bin ich Künstler und Sozialarbeiter. Ich will sehen, wie ich mich über die soziale Brotarbeit noch mehr einbringen kann, um, wie auch immer, Mut zu machen, womöglich. Wohin auch immer.

_Norbert Sternmut bei |Buchwurm.info|:_
[„Triebwerk. Gedichte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3752
[„Marlies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1935
[„Der Tote im Park“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3751
[„Photofinish“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7067
[„Absolut, Du“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7068
[„88 Rätsel zur Unendlichkeit“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7069

Tiernan, Cate – Magische Glut (Das Buch der Schatten 2)

_|Das Buch der Schatten|:_
Band 01: [„Verwandlung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7082
Band 02: [„Magische Glut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7083
Band 03: „Bluthexe“ (Februar 2012)
Band 04: „Dark Magick“ (noch ohne dt. Titel)
Band 05: „Awakening“ (noch ohne dt. Titel)
Band 06: „Spellbound“ (noch ohne dt. Titel)
Band 07: „The Calling“ (noch ohne dt. Titel)
Band 08: „Changeling“ (noch ohne dt. Titel)
Band 09: „Strife“ (noch ohne dt. Titel)
Band 10: „Seeker“ (noch ohne dt. Titel)
Band 11: „Origins“ (noch ohne dt. Titel)
Band 12: „Eclipse“ (noch ohne dt. Titel)
Band 13: „Reckoning“ (noch ohne dt. Titel)
Band 14: „Full Circle“ (noch ohne dt. Titel)
Band 15: „Night’s Child“ (noch ohne dt. Titel)

_Mit dem Fest Samhain_ ist Morgans Leben nun komplett auf den Kopf gestellt, schließlich hat sich offenbart, dass Morgan eine mächtige Bluthexe ist. Das Verhalten ihrer Eltern wird dadurch noch undurchsichtiger, da eine Bluthexe ihre magischen Fähigkeiten erbt, ihre Ahnen folglich ebenfalls Hexen sein müssen. Auch, dass Morgan und Cal nun offiziell ein Paar sind, stößt besonders bei Bree auf wenig Freude – Bree kündigt Morgan nun die Freundschaft.

Tags darauf kommt es nun zu einem aufsehenerregenden Vorfall, als Morgans Mutter auf der Veranda die Wicca-Bücher findet, die Morgans einstige beste Freundin Bree dort deponiert hat. Morgan konfrontiert ihre Eltern mit der Tatsache, dass sie ihre Gaben geerbt haben muss, demzufolge auch ihre Schwester und ihre Eltern Hexen sein müssen. Morgans Eltern bestreiten diese Tatsachen energisch und Morgan kommt ein schrecklicher Verdacht. Sollte sie etwa gar nicht die leibliche Tochter ihrer Eltern sein?

Schnell wird aus dem Verdacht, adoptiert worden zu sein, Realität. Morgan kann es kaum fassen und reagiert sehr verletzt auf die Tatsache, dass ihr dieses wichtige Detail ihres Lebens 16 Jahre lang verschwiegen wurde.

Bei ihren Nachforschungen nach ihrer leiblichen Familie stößt Morgan auf eine Mauer des Schweigens, helfen will ihr keiner, und so gestaltet sich die Suche als sehr schwierig. Nur Cal steht ihr bei und Morgan findet Trost in seiner Liebe.

Aber nicht nur unter der neuen familiären Situation leidet Morgan, auch der Verlust ihrer besten Freundin Bree macht Morgan schwer zu schaffen.

_Kritik_

Der zweite Band von Cate Tiernans Serie um „Das Buch der Schatten – Magische Glut“ knüpft genau am letzten Satz des ersten Romans an. Die letzten Seiten des ersten Bandes „Verwandlung“ werden hier noch einmal als Prolog eingeschoben, und so ist der Leser wieder schnell im Thema.

Auch der Erzählstil ist dem des ersten Bandes ähnlich; flüssig zu lesen und zu den Protagonisten passend, kann diesem entspannt gefolgt werden. Detaillierte Beschreibungen und lebendige Charaktere sorgen ebenfalls für einen unterhaltsamen Lesegenuss. Ihrem Plot bleibt die Autorin treu, und so kann der Leser auch in diesem Band den Wicca-Kult noch besser kennenlernen. Die Mischung des spirituellen und naturverbundenen Glaubens der Wicca mit glaubwürdiger Romantik und dezenter Spannung überzeugt auch hier.

Beim Spannungsbogen wird in dieser Serie bisher kein Wert auf actiongeladene Szenen gesetzt, sondern mehr auf die Entwicklungen der Personen und die Geheimnisse, die hinter jeder Figur stehen. Der Leser wird durch die Neugierde, die Rätsel um Morgans Herkunft und die Entwicklung der Personen und der Handlung an das Geschehen gefesselt. Durch die gewählte Perspektive, in der Morgan dem Leser ihre Geschichte erzählt, hat der Leser wieder die Möglichkeit, die Ereignisse aus Morgans Sicht zu erleben.

Die Kapitel sind passend zur empfohlenen Altersgruppe erneut in angenehmer Länge gehalten, und wie schon im ersten Band hat die Autorin sich etwas Interessantes einfallen lassen, um diese kenntlich zu machen. An jedem Kapitelanfang steht in „Magische Glut“ ein Stück aus einem „Buch der Schatten“, das einer Feuerhexe namens Bradhadair gehörte. Es werden Erlebnisse und Rituale dieser Hexe beschrieben.

Den Hauptfokus legt die Autorin wieder auf Morgan. Dieser Charakter wurde mit viel Liebe zum Detail konzipiert und überzeugt durch ein lebendiges und authentisches Verhalten. Passend zu ihrem Alter reagiert Morgan auf ihre Umwelt, die Probleme und die magischen Dinge, die ihr widerfahren.

Der junge und sehr einnehmende Hexenmeister Cal ist ebenfalls lebendig gezeichnet; bei ihm bleibt aber das Gefühl zurück, dass Cal irgendein dunkles Geheimnis verbirgt. Bree bleibt eine sehr unsympathische Darstellerin, die nur ihre Ziele verfolgt und dabei vor nichts zurückschreckt. Weiterhin wurden die verschiedenen Nebenfiguren herausgebildet, diese bekommen immer mehr Struktur. Hier wird es sicherlich noch einige Überraschungen geben.

Das Cover ist passend zum ersten Teil dieser Serie gestaltet, auf dunklem Hintergrund sind eine brennende rote Tulpe und Ornamente zu sehen. Der Titel passt sich der Farbwahl an.

_Fazit_

Mit „Magische Glut“ hat Cate Tiernan den logischen zweiten Teil ihrer Serie „Das Buch der Schatten“ veröffentlicht. Die Geschichte um die junge und doch schon sehr mächtige Hexe Morgan wird glaubwürdig weitererzählt. Die Mischung der verschiedenen Elemente wie unter anderem Magie und Romantik ist der Autorin glaubwürdig gelungen.

Jungen Leserinnen ab 12/13 Jahren und auch jung gebliebenen wird hier eine unterhaltsame und manchmal auch anschauliche Geschichte erzählt, die süchtig macht.

Nach dem gleichzeitigen Erscheinen der ersten beiden Teile „Verwandlung“ und „Magische Glut“ wird der Leser nun auf eine Geduldsprobe gestellt, denn erst im Februar 2012 wird der dritte Band „Bluthexe“ erscheinen. Hier kann nur gehofft werden, dass der |cbt|-Verlag unter dem neuen Label „dark moon“ ein Einsehen hat und die Bände in kürzeren Intervallen veröffentlicht werden.

_Autorin_

Cate Tiernan wurde 1961 in New Orleans geboren. Lange Zeit arbeitete sie bei einem großen Verlag in New York, bis sie beschloss, selbst Schriftstellerin zu werden. Inzwischen hat sie mehrere Fantasy-Reihen und Kinderbücher unter Pseudonym geschrieben. Cate Tiernan lebt mit ihrer Familie und ganz vielen Tieren in North Carolina. (Quelle: amazon.de)

|Taschenbuch: 256 Seiten
Verlag: cbt (18. April 2011)
ISBN-13: 978-3570380048
Originaltitel: Sweep 02 – The Coven|
[www.randomhouse.de/cbt]http://www.randomhouse.de/cbt/index.jsp

Tiernan, Cate – Verwandlung (Das Buch der Schatten 1)

_|Das Buch der Schatten|:_

Band 01: [„Verwandlung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7082
Band 02: [„Magische Glut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7083
Band 03: „Bluthexe“ (Februar 2012)
Band 04: „Dark Magick“ (noch ohne dt. Titel)
Band 05: „Awakening“ (noch ohne dt. Titel)
Band 06: „Spellbound“ (noch ohne dt. Titel)
Band 07: „The Calling“ (noch ohne dt. Titel)
Band 08: „Changeling“ (noch ohne dt. Titel)
Band 09: „Strife“ (noch ohne dt. Titel)
Band 10: „Seeker“ (noch ohne dt. Titel)
Band 11: „Origins“ (noch ohne dt. Titel)
Band 12: „Eclipse“ (noch ohne dt. Titel)
Band 13: „Reckoning“ (noch ohne dt. Titel)
Band 14: „Full Circle“ (noch ohne dt. Titel)
Band 15: „Night’s Child“ (noch ohne dt. Titel)

_Die 16 Jahre alte Morgan Rowlands_ hält sich für ein ganz durchschnittliches Mädchen. Sie wächst in einem streng katholischen Elternhaus auf, in dem regelmäßige Kirchgänge und ein gläubiges Leben zum Alltag gehören. Morgan lebt ein gewöhnliches Leben mit allen Sorgen und Nöten, die für 16-Jährige normal sind.

Als an ihrer Schule ein neuer Schüler auftaucht, steht Morgans gewohnte Welt plötzlich Kopf. Der charmante und gutaussehende Cal fasziniert sie sofort. Aber nicht nur sie, alle Mädchen erliegen Cals Anziehungskraft. Besonders Morgans beste Freundin Bree hat es sich in den Kopf gesetzt, Cal für sich zu gewinnen.

Um seine neuen Mitschüler kennenzulernen, lädt Cal bald zu einer Party unter freiem Himmel ein. Dieses Kennenlernen ist aber nicht der einzige Grund, denn Cal lebt die Wicca-Kultur und will einen neuen Hexenzirkel gründen. Auf seiner Party plant Cal, ein Wicca-Kreisritual durchzuführen. Morgan ist beeindruckt und nimmt an dem magischen Ritual teil. Irgendetwas löst dieser Kreis bei Morgan aus; nicht nur, dass es ihr nach dem Ritual schlecht geht, auch kann sie plötzlich gewisse Dinge voraussagen.

Schnell wird klar, dass Morgan eine Hexe ist, mit noch mehr Macht, als auch Cal ahnen konnte. Eifrig stürzt Morgan sich in die Studien der Wicca-Religion, womit aber nicht jeder einverstanden ist. Nicht nur Morgans streng gläubigen Eltern stehen Morgans neuen Talenten im Wege, auch Bree reagiert äußerst eifersüchtig und misstrauisch, da Cal Morgan viel Aufmerksamkeit schenkt.

_Kritik_

Mit dem ersten Band der Serie „Das Buch der Schatten – Verwandlung“ führt die Autorin Cate Tiernan ihre Leser in die magische Wicca-Religion ein. Mit diesem sehr interessanten und magischen Auftakt ihrer Serie weckt die Autorin nicht nur die Neugierde auf diese naturverbundene Religion, sie schafft es auch, ihre Leser ansprechend zu unterhalten.

Dem flüssigen und leicht verständlichen Sprachstil kann mühelos gefolgt werden, und dieser passt ausgezeichnet zu der jugendlichen Morgan. Dabei verzichtet die Autorin nicht auf detaillierte Beschreibungen der Handlung und der Plätze, an denen die unterhaltsame Geschichte spielt. Schnell hat der Leser so die Möglichkeit, in der Welt um Morgan zu versinken und nimmt an dem Leben der jungen Darstellerin teil. Der Plot ist sehr interessant gewählt und vermittelt glaubwürdige Einblicke in die neuheidnische Religion der Wicca.

Der Spannungsbogen entwickelt sich mit Morgans Entdeckung ihrer magischen Kräfte stetig, ohne dabei atemberaubend anzusteigen. In „Verwandlung“ setzt die Autorin eher darauf, die Protagonisten einzuführen und die Grundzüge der Wicca vorzustellen. Ebenso werden die Beziehungen unter den Darstellern erläutert. Gekonnt verwebt Cate Tiernan die spiritistischen Züge mit überzeugender Romantik und dezenter Spannung.

Die zu einem Jugendroman passenden kurzen Kapitel fangen jeweils mit abergläubischen Zitaten aus verschiedenen Jahrhunderten und kurzen Gedanken von Morgan oder Cal an. Diese nehmen Bezug auf die Geschichte.

Erzählt wird „Verwandlung“ aus der Perspektive von Morgan. Der Leser erlebt so alle Facetten die Morgan erlebt hautnah mit, sei es Verunsicherung, Freude, Glaube und auch Faszination.

Cate Tiernan hat glaubwürdige, abwechslungsreiche und meist interessante Charaktere konzipiert. Am lebendigsten wurden die Hauptdarsteller Morgan, Cal und Bree beschrieben. Besonders die zurückhaltende Morgan entwickelt sich beträchtlich. Am unsympathischsten wirkte Bree, die in erster Linie durch Egoismus und Rücksichtslosigkeit in Erinnerung bleibt. Die Nebendarsteller bleiben zumeist etwas eindimensional, haben aber in den Folgebänden noch jede Menge Zeit sich weiter zu entwickeln.

_Fazit_

Mit dem ersten Band „Das Buch der Schatten – Verwandlung“ hat die Autorin Cate Tiernan den unterhaltsamen Auftakt einer momentan 15 Bände umfassenden Serie geschrieben. Hier überzeugen nicht nur die authentischen und sympathischen Figuren, auch der okkulte Wicca-Kult fasziniert außerordentlich. Durch einen intelligent gesetzten Cliffhanger wird der zweite Band „Magische Glut“ zur Pflichtlektüre.

_Autorin_

Cate Tiernan wurde 1961 in New Orleans geboren. Lange Zeit arbeitete sie bei einem großen Verlag in New York, bis sie beschloss, selbst Schriftstellerin zu werden. Inzwischen hat sie mehrere Fantasy-Reihen und Kinderbücher unter Pseudonym geschrieben. Cate Tiernan lebt mit ihrer Familie und ganz vielen Tieren in North Carolina. (Quelle: amazon.de)

|Taschenbuch: 256 Seiten
Verlag: cbt (18. April 2011)
ISBN-13: 978-3570380031
Originaltitel: Sweep 01 – Book of Shadows|
[www.randomhouse.de/cbt]http://www.randomhouse.de/cbt/index.jsp

John Flanagan – Die Belagerung (Die Chroniken von Araluen 6)

_|Die Chroniken von Araluen|:_

John Flanagan arbeitete als Werbetexter und Drehbuchautor, bevor er das Bücherschreiben zu seinem Hauptberuf machte. Den ersten Band von „Die Chroniken von Araluen“ schrieb er, um seinen 12-jährigen Sohn zum Lesen zu animieren. Die Reihe eroberte in kürzester Zeit die Bestsellerlisten in Australien.

Die Bände der Serie „Die Chroniken von Araluen„:

Teil 1: The Ruins of Gorlan, Random House, Melbourne 2004, ISBN 0-7593-2075-6
Die Ruinen von Gorlan, cbj, München 2006, Übersetzer Karlheinz Dürr, ISBN 3-570-27072-6
Teil 2: The Burning Bridge, Random House, Melbourne 2005, ISBN 1-74166-090-4
Die brennende Brücke, cbj, München 2006, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 3-570-27073-4
Teil 3: The Icebound Land, Random House, Melbourne 2005, ISBN 1-74166-021-1
Der eiserne Ritter, Omnibus, München 2008, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 3-570-21855-4
Teil 4: Oakleaf Bearers, Random House, Melbourne 2006, ISBN 1-74166-082-3
Der Angriff der Temujai-Reiter, cbj, München 2009, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22065-8
Teil 5: The Sorcerer in the North, Random House, Melbourne 2006, ISBN 1-74166-128-5
Der Krieger der Nacht, cbj, München 2009, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22066-5
Teil 6: The Siege of Macindaw, Random House, Melbourne 2007, ISBN 1-74166-134-X
Die Belagerung, cbj, München 2011, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22222-5
Teil 7: Erak’s Ransom, Random House, Melbourne 2007, ISBN 1-74166-209-5
Der Gefangene des Wüstenvolks, cbj, München 2012, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22229-4
Teil 8: The Kings of Clonmel, Random House, Melbourne 2008, ISBN 978-1-74166-301-3
Die Befreiung von Hibernia, cbj, München 2012, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22342-0
Teil 9: Halt’s Peril, Random House, Melbourne 2009, ISBN 978-1-74166-302-0
Der große Heiler, cbj, München 2012, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22343-7
Teil 10: The Emperor of Nihon-Ja, Random House, Melbourne 2010, ISBN 978-1-74166-448-5
Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja, cbj, München 2013, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22375-8
Teil 11: The Lost Stories, Random House, Melbourne 2011, ISBN 978-1-86471-818-8
Die Legenden des Königreichs, cbj, München 2014, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22486-1
Teil 12: A New Beginning, Random House, Melbourne 2013, ISBN 978-1-86471-819-5
Das Vermächtnis des Waldläufers, cbj, München 2015, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22508-0
Teil 13: The Red Fox Clan, Philomel Books, New York 2018, ISBN 978-1-5247-4138-9
Königreich in Gefahr, cbj, München 2019, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-31255-1
Teil 14: Duel at Araluen, Philomel Books, New York 2019, ISBN 978-1-5247-4141-9
Im Bann des dunklen Ordens, cbj, München 2020, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-31269-8
Teil 15: The Missing Prince, Philomel Books, New York 2020, ISBN 978-0-593-11345-5
Die Verschwörung von Gallica, cbj, München 2021, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-31389-3
Teil 16: Escape From Falaise (Erscheinung 1. Dezember 2022)
Flucht aus dem Kerker (Erscheinung 14. Dezember 2022)

Die Chroniken von Araluen – Wie alles begann (Ranger’s Apprentice – The Early Years)
Teil 1: The Early Years, The Tournament at Gorlan, Random House, Melbourne 2015, ISBN 978-1-74275-930-2
Wie alles begann, Das Turnier von Gorlan, cbj, München 2017, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22625-4
Teil 2: The Early Years, Thema Battle of Hackham Heath, Philomel Books, New York 2016, ISBN 978-0-399-16362-3
Wie alles begann, Die Schlacht von Hackham Heath, cbj, München 2018, Übersetzerin Angelika Eisold-Viebig, ISBN 978-3-570-22631-5

_Finale auf Burg Macindaw: Showdown im Burgfried_

Sein ganzes Leben hat der 15-jährige Waisenjunge Will davon geträumt, ein Ritter zu werden wie sein Vater. Weil er aber zu klein und schmächtig ist, wird er dem geheimnisvollen Waldläufer Walt als Lehrling zugeteilt. Als das Königreich Araluen von einem alten Feind und dessen ungeheuerlichen Kreaturen angegriffen wird, muss Will sich bewähren und stellt fest, dass das Leben eines Waldläufers viele Herausforderungen, aber auch besondere Möglichkeiten birgt …

Band 5: Kaum hat Will Hallas seine Ausbildung zum Waldläufer abgeschlossen, bekommt er es mit übernatürlichen Mächten zu tun. Zunächst hält er die Gerüchte über Hexerei für blanken Unsinn. Doch dann erblickt er im Wald die unwirkliche Gestalt eines dunklen Kriegers. Will muss sich einem Kampf stellen, auf den ihn keine Ausbildung der Welt vorbereiten konnte …

Band 6: Burg Macindaw wird von Verrätern besetzt gehalten. Es ist an Will, die Verteidigung gegen eine drohende Invasion der Skotten aufzustellen. Mit Mut und Einfallsreichtum – und der Hilfe eines alten Freundes – macht sich Will an seine erste geheime Mission im Dienste des Königs …

_Der Autor_

John Flanagan, geboren 1944, arbeitete als Werbetexter und Drehbuchautor, bevor er das Bücherschreiben zu seinem Hauptberuf machte. Den ersten Band von „Die Chroniken von Araluen“ schrieb er, um seinen 12-jährigen Sohn zum Lesen zu animieren. Die Reihe eroberte in kürzester Zeit die Bestsellerlisten in Australien. (Verlagsinfo)

_Vorgeschichte_

Als Gaukler und Musikant verkleidet macht sich Will auf den Weg ins Nordland. Als Waldläufer würden die Leute ihm nur mit Misstrauen begegnen und keinen Ton sagen, was wirklich dort vorgehe, meinen seine Ausbilder Walt und Crowley. Dies soll sich schnell als richtiges Urteil erweisen, denn erst nachdem Will zwei Abende in einem Gasthaus aufgespielt hat, rückt der Wirt mit der Sprache heraus und gibt ihm den Tipp, sich vor dem Sumpfwald Grimsdell zu hüten. Will beschließt, sich daran zu halten, aber der Sache auf den Grund zu gehen.

Während Lord Orman ihn kühl begrüßt, weil er nichts für Musikanten und Gaukler übrighat, ist Sir Keren umso freundlicher. Schon nach dem ersten Abend mit Musik findet Will Gelegenheit, mit seiner treuen Hündin den Wald von Grimsdell zu erkunden. Prompt stößt er auf das Gespenst, das „Krieger der Nacht“ genannt wird. Es warnt ihn eindringlich davor, länger zu verweilen, und ermahnt ihn zu verschwinden, solange noch Zeit ist. Will nimmt die Beine in die Hand und verduftet aus dem gruseligen Wald.

Als tags darauf Lady Gwendolyn von Almare eintrifft und Lord Orman ihre Aufwartung macht, ist Will überaus erleichtert, in ihr seine zuverlässige Alyssa wiederzuerkennen. Natürlich darf niemand von ihrem engen Bund wissen und so verstellen sich beide. Sie beschließen, zusammen dieser mysteriösen Burg auf den Grund zu gehen und wenn es ihre Seelen kosten sollte.

Die beiden entdecken im Sumpf ein paar verräterische Hinweise, die mehr mit weltlichen als übernatürlichen Ursprüngen zu tun haben. Wenig später stellen sich die Verhältnisse auf Burg Macindaw als ganz anders gelagert dar, als Will sie bisher aufgefasst hat. Er hielt Orman für den Schurken und Keren als den guten Kumpel, doch hat er sich offenbar vom äußeren Anschein blenden lassen – genau wie alle anderen hinsichtlich des Kriegers der Nacht im Wald. Das Ende: Alyssa ist gefangen und der Gegner hat die Burg in seiner Hand, die Skotten sind bereits auf dem Vormarsch.

_Handlung_

Will muss die Belagerung der Burg organisieren. Mit großem Glück entdeckt er die 25 Nordmänner Gundar Hardstrikers, deren Langboot gestrandet ist. Gundars Gefangener John Buttle ist in die Burg entkommen. Wenig später findet Will heraus, dass Buttle im Auftrag seines Herrn Lord Keren Leute rekrutieren will – doch er wird nicht fündig.

Der Mann, der ihm dies sagt, ist kein anderer als der Ritter vom Eichenblatt – Horace, der sich unter dem Decknamen „Hawken“ nach einer Anstellung als freier Ritter umsieht. Die Wiedersehensfreude der beiden Freunde ist natürlich riesig, und sie feiern den Anlass auf der Lichtung des Heilers Malcolm, dem vormaligen Zauberer Malkallam. Hier organisiert Will den Widerstand gegen Lord Keren.

Und er plant die Befreiung Alyssas, die von Lord Keren im obersten Stockwerk des Turms eingesperrt worden ist. Alyssa gelingt es, Will mit Lichtzeichen auf sich aufmerksam zu machen. Es sind die Lichtzeichen der Waldläufer, die anderen unverständlich sind. Aufgrund der Verständigung, die sie erreichen, kann er ihr Malcolms Zauberstein per Kurierpfeil in die Kemenate schießen.

Nun verfügt sie über einen Schutz gegen Lord Kerens eigenen Zauberstein und plaudert nicht mehr alles aus. Dadurch erfährt sie ihrerseits, dass die Skotten im Anmarsch sind, und alarmiert Will entsprechend. Dieser kann sich nun bestens auf Kerens Verbündete vorbereiten. Der Skottengeneral bringt allerdings nur ein gutes Dutzend Soldaten – soll dies schon alles seiner Armee sein oder ist dies bloß die Vorhut, fragen sich Will und Horace.

Als der General wieder aus der Burg kommt, um zu seiner Armee jenseits des Passes zurückzukehren, legen ihm Will, Horace und ihre Nordländer einen Hinterhalt. Während sie mit dem Rest des Haufens leichtes Spiel haben, stellt sich der Skottengeneral als harter Brocken heraus, mit dem Will alle Mühe hat. Er muss sogar sein Leben riskieren …

_Mein Eindruck_

Das Hauptthema dieses Bandes ist, wie schon zuvor, die Treue. Diese nimmt zahlreiche Formen an, die allesamt auf den Prüfstand gestellt werden. Die wichtigste Form der Treue ist die Freundschaft zwischen Will und Horace, hier aber auch die problematischste. Will neigt als Agent in geheimer Mission dazu, die Leute herumzukommandieren, doch das lässt sich der Ritter vom Eichenblatt natürlich nicht ohne Weiteres gefallen. Horace muss lernen, Will und dessen Pläne zu verstehen, um ihm helfen zu können.

Wills Freundschaft zu Alyssa geht inzwischen über Kameradschaft und Kollegialität – sie ist ja königlicher Kurier in geheimer Mission – weit hinaus. Doch kaum hat Will erkannt, dass er die eingekerkerte Lady liebt, wird diese Liebe bereits auf das Äußerste gefährdet. Lord Kerens Zaber bringt nämlich Alyssas Geist per Hypnose unter seine Kontrolle. Er befiehlt ihr, den zu ihrer Befreiung heranstürmenden Will mit Kerens Schwert zu töten. Und es sieht ganz danach aus, als würde sie ihm gehorchen. Doch es gibt ein Zauberwort, das selbst diesen Bann brechen kann …

Lord Keren ist der Inbegriff der gebrochenen Treue in dieser Geschichte. Er hat seinen Herrn, Lord Syron, vergiftet und es bei Lord Ormand fast geschafft. Dieser konnte gerade noch rechtzeitig (in Band 5) in den Wald in Sicherheit gebracht werden, wo sich Malcolm, der Heiler, um ihn kümmerte. Nun sieht Keren, als er sich mit Alyssa unterhält, nur noch einen Ausweg, sobald die Skotten die Burg in ihre Gewalt gebracht haben werden: Ins Ausland gehen, um ein Lehen zu erwerben. Für diesen zweiten Verrat an der Burg bittet er Alyssa, mit ihm zu gehen. Wird sie einwilligen?

Den absoluten Tiefpunkt in puncto Treue bildet John Buttle. Der Raufbold und Gesindelkommandeur auf Kerens Burg ist das Inbild des Opportunisten. Seine Treue, sofern existent, gehört niemandem, der ihn nicht bezahlt. Er findet ein verdientes ruhmloses Ende, als Wills Leute die Burg stürmen.

Will erweist sich als ein Mann, der Treue in anderen inspiriert, ähnlich wie Aragorn. So gelingt es ihm, die Waldbewohner auf seine Seite zu ziehen, die von Malcolm beschützt werden. Ebenso gelingt es ihm, die Nordmänner unter Gundar hinter sich zu scharen, und nachdem er selbst den Dümmsten unter ihnen besiegt hat, folgen sie ihm selbst noch dann, als seine Pläne echt kompliziert werden.

Dies alles wäre aber notwendig, wenn der ortsansässige Waldläufer, ein Typ namens Melanor, seinen Job gemacht hätte. Melanor hat es sich jedoch im fernen Norgate, der Grenzfestung Araluen, einfach zu gut gehen lassen und in Macindawr nicht nach dem Rechten gesehen. Er hat es verdient, dass er abgelöst wird, finden die Chefs der Waldläufer, Walt und Crowley.

Aber nicht durch Will, stellt dieser erleichtert fest. Und so kann der junge Waldläufer zufrieden in sein eigenes Schutzgebiet auf der Insel Seacliff heimkehren. Allerdings fehlt ihm etwas Entscheidendes zu seinem Glück, wie er bekümmert feststellt: Er vermisst die liebe Alyssa. Da erreicht ihn zusammen mit anderen Botschaften und Dingen ein Brief der königlichen Kurierin, mit einer ganz besonderen Botschaft …

_Die Übersetzung _

Inzwischen hat sich ein Muster im Aufbau der Serie abgezeichnet: Es handelt sich um Doppelromane. Die ersten zwei Romane ergaben eine ganze Geschichte, ebenso Band 3 und 4. Und da es sich hier um Band 6 handelt, ist dies die zweite Hälfte, die aus Band 5 ein Ganzes ergibt.

Dem Text ist eine Karte des Geländes um die Burg Macindaw vorangestellt. Allerdings wird die sonst übliche Karte von Araluen schmerzlich vermisst. Diese muss der Leser in den vorangegangenen Bänden suchen, v.a. in Band 1 und 2.

Die Übersetzung ist sehr gut gelungen und inhaltlich fehlerfrei. Es fanden sich jedoch Druckfehler auf den Seiten 192, 239 und 331.

_Unterm Strich_

Um diesen zweiten Teil des Doppelromans zu verstehen, ist natürlich Kenntnis des Bandes „Der Krieger der Nacht“ notwendig. Das sollte für Fans dieser Reihe jedoch kein Problem darstellen – es sei denn durch die lange Wartezeit, die zwischen den beiden Erscheinungsterminen verstrichen ist.

Ich fand diese zweite Hälfte des Doppelromans durchaus spannend in der ersten und in der zweiten Hälfte, ab etwa Seite 200 zudem richtig actionreich und humorvoll. Zwischen diesen beiden Hälften liegt eine kleine Durststrecke, in der Will einen Plan finden und dann den anderen erklären muss, wie er die Burg zu erstürmen gedenkt: mit List und Tücke, wie sonst? Hier muss der Leser sich gedulden, bis der Plan in die Tat umgesetzt wird – eine Sache von etwa 40 Seiten.

Die erste Hälfte gipfelt in der Gefangennahme des Skottengenerals in einer tollen Actionsequenz. Danach geht es darum, dem ziemlich harten Brocken seine Geheimnisse zu entlocken: Wann soll die Invasion der Skotten aus Picta erfolgen? Bleibt noch Zeit, bis der Ersatz aus Norgate kommt oder müssen die Waldläufer, Waldbewohner und Nordmänner – also nur eine Handvoll Leute – vorher die schwer verteidigte Burg erstürmen, in deren Kerker Alyssa schmachtet?

Um den General zu überreden, kommt es zur einzigen Fantasy-artigen Szene dieses an übernatürlichen Elementen nicht gerade reich gesegneten Bandes. Ich Fantasy-artig, weil auch die Spezialeffekte, die dem General das Erscheinen eines Dämons von schrecklichem Erscheinungsbild vorgaukeln, alle rational erklärt werden. Ich fand diese Szene deshalb sehr ironisch, doch sie verfehlt ihre Wirkung nicht, wenn man an das Übernatürliche glaubt.

Den absoluten Höhepunkt des Bandes hat der Autor natürlich für das Finale aufgespart: Es ist die Szene in Alyssas Gefangenenquartier im großen Turm. Alyssa, von Keren hypnotisiert, wendet sich gegen ihren Freund Will und soll ihn töten. Mehr darf nicht verraten werden, aber allein diese höchst emotionale Szene lohnt die Lektüre, wenn man die drei Freunde Will, Alyssa und Horace mag.

Sieht man also von dem Durchhänger in der Mitte ab, so bekommt man als Fan der Reihe eine Menge Spannung, Romantik, Action und Humor für sein Geld. Und sobald Will zu seiner Liebsten galoppiert ist, werden wir die drei Freunde im nächsten Band wiedersehen.

Fazit: Vier von fünf Sternen.

|Taschenbuch: 384 Seiten
Originaltitel: The Siege of Macindaw (Ranger’s Apprentice 6) (2007)
Aus dem Australisch-Englischen von Angelika Eisold-Viebig
ISBN-13: 978-3570222225|
[Verlagshomepage]http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

McDonald, L.J. – Krieger der Königin, Die

_Solie ist_ ausgerissen. Ihr Vater hat es sich in den Kopf gesetzt, sie zu verheiraten, an einen Mann, den sie abstoßend findet. Solie hofft, bei ihrer Tante unterzukommen. Doch unterwegs begegnet sie drei Soldaten aus der Hauptstadt. Und die waren gerade auf der Suche nach einem Mädchen wie ihr …

_Zu Beginn_ der Lektüre könnte man meinen, die Hauptfigur des Buches sei Devon mit seiner Luftsylphe Airi. Erst nach ein paar Seiten stellt sich heraus, daß es hauptsächlich um Solie geht.

Solie ist ein junges Mädchen von siebzehn Jahren, das unter dem Einfluss seiner Tante mehr Selbstbewusstsein entwickelt hat, als seinem Vater lieb ist. Trotzdem ist sie noch jung und unerfahren und muss in ihre Rolle erst hineinwachsen.

Leon Petrule dagegen weiß genau, wie die Welt funktioniert. Er besitzt Erfahrung, Weitsicht und Durchsetzungsvermögen, ein geborener Anführer. Was ihn von seiner Umgebung am Hof unterscheidet, ist sein Gefühl für Anstand und Ehre, auch den Sylphen gegenüber.

Leons Sylph Ril weiß diesen Anstand durchaus zu schätzen, was das Verhältnis zu seinem Meister sehr kompliziert …

Letztlich hat dieser Charakterentwurf zur Folge, daß Nebenfiguren Solie ein wenig den Rang ablaufen. Das junge Mädchen ist zwar zur Abwechslung mal nicht die junge Heldin, die sofort alles im Griff hat, dafür ist sie so stark auf ihren eigenen Sylphen Hedu fixiert, dass ansonsten kaum noch etwas von ihr übrig bleibt, und sie recht blass und farblos wirkt. Rils zerissenes Verhältnis zu seinem Meister gab da wesentlich mehr her.

Gut gefallen hat mir die Idee der Sylphen, wobei der Begriff hier nicht nur für Geister der Luft verwendet wird, sondern auch die übrigen Elemente umfasst sowie außerdem zusätzlich den Aspekt der Heilung und des Kampfes. Die Elementarsylphen sind sich untereinander recht ähnlich, zwar jeweils mit Fähigkeiten entsprechend ihres Elementes ausgestattet, aber alle sanftmütig und freundlich. Ausnahme sind die Krieger, die einzigen männlichen Sylphen. Sie sind ausgesprochen aggressiv gegenüber allen Männchen, die nicht zu ihrem Volk – oder Stock, wie es hier genannt wird – gehören. Denn ihre Hauptaufgabe ist es, die Königin zu beschützen.

Das klingt jetzt für alle, die Anne Bishop gelesen haben, ziemlich nach Blutleuten. Aber ab und zu sind Ähnlichkeiten in den Massen von Neuerscheinungen einfach unvermeidlich, und tatsächlich ist es so, dass die Unterschiede die Ähnlichkeiten bei Weitem überwiegen. McDonalds Welt ist – abgesehen von dem grausamen Ritual, mit dem Kriegersylphen beschworen werden – weit weniger düster als Bishops, und auch die Sexualität spielt – wiederum abgesehen von der Erhebung einer Königin – lediglich eine Nebenrolle.

Die Handlung als solche ist ebenfalls weit weniger grausam als die um Jaenelle. Solie besitzt keine eigene Magie und ist auch von ihrem Naturell her wesentlich sanfter und gutmütiger. Ähnliches gilt auch für den Antagonisten, der nicht wie Dorothea bewusst grausam ist, weil er die Qualen der Unterlegenen genießt, sondern einfach nur ignorant. So erzählt die Geschichte letztlich, wie ein Königreich allmählich in einen Krieg schlittert, nur weil sich die Macht nicht für Motive und Ursachen interessiert. Dabei spielt es eine nicht unerhebliche Rolle, dass die Menschen offenbar so gut wie nichts über die Geschöpfe wissen, die sie da in so großer Zahl beschwören und versklaven.

_Unterm Strich_ fand ich die Ideen und den Verlauf der Geschichte durchaus eigenständig genug, um in dem Buch mehr zu sehen als eine weichgespülte Wattevariante des |Juwelenzyklus|‘. Mag sein, dass L. J. McDonalds Buch nicht denselben Sog entwickelt, wie ihn die ersten drei Bände um Jaenelle erzeugten. Auch die Charakterzeichnung ist bei Weitem nicht so intensiv und eindringlich geraten. Trotzdem waren hier eine Menge sympathischer Figuren geboten, vor allem Ril und Leon, aber auch die Witwe mit ihrem Kochlöffel, die für so manchen Schmunzler sorgte und leichte Ausrutscher ins Klischee, vor allem unter den Höflingen, ausglich. Und das Ende des Buches macht durchaus neugierig auf die Fortsetzung. Alles in allem vielleicht nicht die absolut mitreißendste Lektüre, aber durchaus nette und angenehme Unterhaltung.

_L.J. McDonald_ ist Kanadierin und begann mit dem Schreiben auf die Ermunterung ihres Englischlehrers hin. Ein Schreibwettbewerb im Jahr 2008, den sie nicht gewann, brachte dennoch den Durchbruch. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Geschichte um Solie und ihre Kriegersylphen bereits aus vier Bänden, die auch auf Englisch noch nicht alle veröffentlicht sind. Der zweite Band erscheint auf Deutsch unter dem Titel „Falkenherz“ voraussichtlich im Januar 2012. Die Autorin arbeitet derweil an neuen Ideen für ihren nächsten Zyklus.

|Taschenbuch: 412 Seiten
Originaltitel: The Battle Sylph
Ins Deutsche übertragen von Vanessa Lamatsch
ISBN 978-3426508619|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de/home
[ljmcdonald.blogspot.com]http://ljmcdonald.blogspot.com/

_|Die Krieger der Königin|:_
Band 1: _“Die Krieger der Königin“_
Band 2: „Falkenherz“ (06.01.2012)
Band 3: „A Midwinter Fantasy“ (noch ohne dt. Titel)
Band 4: „Queen of the Sylphs“ (September 2011, noch ohne dt. Titel)

Feldkirchner, Jennifer – Flunkerclub, Der

Lügen darf man nicht – so bringt man es schon kleinen Kindern bei. Und was bei Menschen gilt, zählt auch im Tierreich so, beispielsweise bei den Ratten. Doch manchmal würde man sich ja gerne mal stärker machen, als man ist, man würde gerne Abenteuer erleben, und sei es nur in einer erfundenen Geschichte, oder man würde gerne einen Riesenkäse verputzen können. So geht es auch den vier Rattenfreunden Rita, Rodney, Rüdiger und Ralf. Eines Tages entsteht aus diesem Wunsch heraus der Flunkerclub, so treffen die vier Freunde sich fortan an einem Abend der Woche, um sich gegenseitig etwas vorzuflunkern.

Nach fünf Treffen ist daraus dieses herrliche Buch entstanden, in dem wir von den Abenteuern der vier Ratten hören. Dabei erfahren wir unter anderem, dass Rita eigentlich eine Prinzessin ist, die eines Tages aus ihrem Palast fliehen konnte, allerdings musste sie sich dafür von einem Stück ihres Schwanzes trennen. In Freiheit hat Rita nun schon einige Abenteuer erlebt, so hat sie Erfahrungen beim Bungee Springen gesammelt oder musste sich vor einer großen Überschwemmung retten. In anderen Geschichten treffen wir auf einen Zauberlehrling, der auf der Suche nach dem richtigen Zaubertrick ist, um seine Zauberprüfung zu bestehen, am Ende schließt er mit einem sensationellen bunten Bonbonregen als bester die Prüfung ab. Wir lernen eine stinkende Ratte kennen, die in der Kanalisation lebt, und auch eine Farbratte, die sich bei dem Friseur ihres Vertrauens ihr Fell in ganz exklusiven Farben gestalten lässt. In einer anderen Geschichte wird ein schlecht gelaunter Igel gerettet, in einer anderen entwickelt Ralf als Laborratte Superkräfte.

_Erstunken und erlogen_

Abenteuer wie diese erzählen sich die vier Ratten bei ihren Treffen, auf die sie sich natürlich immer gut vorbereiten und auch riesig freuen. Die Vorfreude ist so groß, dass jeder zuerst seine Geschichte erzählen möchte und deswegen die Reihenfolge der Erzählenden ausgelost werden muss. Manchmal sind es schier unglaubliche Abenteuer, die die Ratten erleben, manchmal sind es aber auch eher lustige Geschichten bzw. merkwürdige Begegnungen. Die Bandbreite an erzählten Geschichten ist riesig, sodass für jeden etwas dabei ist. Die vier Ratten beweisen eine wahnsinnige Kreativität, denn keine der Geschichten ist langweilig, sondern man freut sich auf jede einzelne Anekdote.

Da es sich bei dem „Flunkerclub“ um ein Kinderbuch handelt, können die Kinder beim Lesen oder Zuhören natürlich auch wieder etwas lernen, und zwar nicht nur, dass man eigentlich nicht lügen darf, sondern Kinder lernen hier z. B., was Freundschaft ist, denn in vielen der Geschichten geht es um Hilfsbereitschaft und darum, dass die Ratten sich gegenseitig oder jemand anderem helfen, so retten sie beispielsweise einen Igel, obwohl dieser sie zuvor noch schrecklich beleidigt hat (was man natürlich nicht tun darf!). Aber sofort bringen die Ratten dem Igel besseres Benehmen bei, sodass er lernt, dass man „bitte“ und „danke“ zu sagen hat. Auch dieses können Kinder in diesem Buch mitnehmen. Aber keine Angst: Auch wenn Kinder ganz nebenbei etwas lernen können, steht doch die Unterhaltung im Vordergrund. Alle Geschichten sind absolut lesenswert, sie sind lustig, spannend, abenteuerlich und auf jeden Fall unterhaltsam.

Besonders gelungen ist die Illustration sämtlicher Geschichten, so hat die Autorin Jennifer Feldkirchner alle Abenteuer in Wort und Bild festgehalten, laut Verlagsinfo finden sich 73 Abbildungen in dem Buch. Zudem beginnt jede einzelne Geschichte mit einem kleinen „Rattenlogo“, sodass man schnell den Beginn einer jeden Geschichte findet. Die Zeichnungen untermalen das Erzählte ganz hervorragend, oftmals sind es Schwarz-Weiß-Zeichnungen, sehr häufig aber auch farbenfroh gestaltete Bilder, die dem Leser sofort ins Auge springen. Mit ihrem unvergleichlichen Zeichenstil hat Jennifer Feldkirchner alle Emotionen und Erlebnisse eingefangen. Jede Ratte zeichnet sich durch eine bestimmte Eigenart aus, sei es der gekürzte Schwanz, die kleine Glatze oder die besonders sorgfältig gekämmten Haare. In ihren Gesichtern spiegeln sich in jedem Bild die Emotionen der putzigen Gefährten wider, sei es Freude, Überraschung oder auch mal Angst und Schrecken. Die Zeichnungen sind auf der einen Seite ausdrucksstark, auf der anderen aber auch kindgerecht einfach gehalten, sodass man auch schon jüngeren Kindern die Geschichten vorlesen und ihnen die Bilder zeigen kann. Gerade weil es sich um recht kurze Geschichten handelt – insgesamt erzählen sich die Ratten an fünf Abenden 20 Geschichten – eignen sie sich gut zum Vorlesen.

_Rattenscharf_

Das Buch überzeugt in Wort und Bild auf ganzer Linie. Die Lügenmärchen der Ratten sind einfach nur süß und unterhaltsam, untermalt werden sie von herrlichen Zeichnungen, die oftmals auch farbig gestaltet sind und entsprechend ins Auge fallen. Auch wenn sich „Der Flunkerclub“ zunächst an Kinder wendet, wird auch der erwachsene Leser großartig unterhalten! Schließlich sollte jeder ein wenig das Kind in sich bewahren und sich an solcherlei Lügenmärchen erfreuen können!

|Taschenbuch: 139 Seiten
ISBN-13: 978-3940951724|
[www.verlagpb.de]http://www.verlagpb.de

_Jennifer Feldkirchner bei |Buchwurm.info|:_
[„Paule das kleine Stinktier“ 4931
[„Neue Abenteuer vom kleinen Stinktier Paule“ 5628

Mark Lawrence – Prinz der Dunkelheit (The Broken Empire 1)

The Broken Empire:
Band 1: „Prinz der Dunkelheit“
Band 2: „King of Thornes“ (noch ohne dt. Titel)

Jorg war einst ein Prinz. Bis zu dem Tag, an dem er erkennen musste, dass sein Vater für den Mord an Mutter und Bruder keine Rache nehmen würde. Jetzt ist Jorg ein Straßenräuber übelster Sorte, geplagt von Alpträumen aus Schuldgefühlen und Hass. Und er ist auf dem Weg zu seines Vaters Burg, um ihn herauszufordern …

Die Mitglieder von Jorgs Räuberbande sind größtenteils Nebenfiguren. Selbst über die beiden, die einigermaßen wichtig sind, gibt es im Grunde nichts zu sagen, zumal der eine das Ende des Buches nicht erlebt.

Bleibt die Hauptfigur, Jorg. Der Junge ist vor allen Dingen stur, er neigt dazu, stets das Gegenteil von dem zu tun, was man ihm sagt. Außerdem ist er für sein Alter ungewöhnlich brutal und skrupellos, gleichzeitig ist er aber immer noch ein Kind, das sich mit Selbstvorwürfen quält und sich nach Anerkennung durch seinen Vater sehnt.

Jorg erzählt seine Geschichte selbst, nicht nur, was passiert, sondern auch, was er denkt und fühlt. Er bleibt dabei in der Regel ziemlich nüchtern, weitschweifige Beschreibungen fehlen. Nur wenige Details werden knapp und präzise ausgedrückt. Dennoch gelingt es dem Autor auf diese Weise hervorragend, nicht nur Jorgs Persönlichkeit selbst lebendig und plastisch darzustellen, sondern auch die Beziehungen zu den Personen um ihn herum.

Genauere Beschreibungen der Welt fehlen ebenfalls. Was den Ort des Geschehens interessant macht, sind die Andeutungen, die immer wieder eingestreut sind und dem Leser ziemlich vertraut vorkommen. Gleichzeitig gibt es Magie, Vampire und Geister. Eine recht ungewohnte Mischung.

Die Handlung ist zweigeteilt. Parallel wird erzählt, wie es kam, dass Jorg die heimatliche Burg verlassen hat, und wie er wieder zurückkehrt, wobei die Rückblenden die Motive und Erklärungen für den Hauptstrang liefern. Der zeitliche Ablauf ist dabei geschickt aufeinander abgestimmt. Und auch die einzelnen Aspekte der Haupthandlung – Jorgs Charakterentwicklung, sein gespanntes Verhältnis zum Vater, die Entwicklung des eigentlichen Plots – sind gekonnt ausbalanciert.

Ich kann nicht sagen, dass es Spaß gemacht hat, dieses Buch zu lesen. Auch würde ich es nicht unbedingt als spannend bezeichnen. Der Begriff, der am ehesten darauf passt, ist fesselnd. Der Autor hat es verstanden, seine Geschichte so zu gestalten, dass sie in jeder Hinsicht Interesse weckt. Die Erwähnung von aus flüssigem Stein gegossenen Mauern und Büchern mit Seiten aus „Plastick“ verleihen dem Entwurf der Welt nicht nur eine gewisse Würze, sie machen den Leser auch neugierig darauf, was in der Vergangenheit dort geschehen sein mag. Der Plot entwickelt sich in einem eleganten Bogen, der weit genug ist, um nicht eckig zu wirken, aber dennoch verhindert, dass der Leser bereits zu Beginn des Buches das Ende sehen kann. Vor allem aber fasziniert die Figur des Jorg, denn je weiter die Geschichte fortschreitet, desto deutlicher steht die Frage im Raum, wer dieser Junge eigentlich wirklich ist.

Auch sprachlich fand ich das Buch sehr gelungen. Die eher nüchterne Erzählweise verhinderte blutgetränkte Ekelexzesse, wie sie in der Fantasy leider nur zu häufig vorkommen, brachte aber trotzdem die Brutalität der Räuber immer noch deutlich genug zum Ausdruck, ebenso wie Jorgs Zerissenheit oder Katherines Interesse an dem jungen Prinzen. Tatsächlich erzeugte das Fehlen nahezu jeglicher Ausschmückung hier seine ganz eigene Stimmung und wirkte im Hinblick auf die Hauptperson und die Ich-Form der Erzählung weit authentischer als episch ausgeschmückte Prosa.

Mit anderen Worten, ein gelungener Einstieg in einen vielversprechenden Zyklus. Einziger Wermutstropfen: Der Originaltitel „Prince of Thorns“ wurde – aus welchem Grund auch immer – mit „Prinz der Dunkelheit“ übersetzt. Wahrscheinlich, weil alles, was mit Dunkelheit zu tun hat, gerade modern ist!

Mark Lawrence arbeitet hauptberuflich als Wissenschaftler an der Entwicklung künstlicher Intelligenz. „Prinz der Dunkelheit“ ist sein erster Roman, außerdem hat er einige Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben. Er lebt mit seiner Familie in England.

Taschenbuch: 380 Seiten
Originaltitel: Prince of Thornes
Ins Deutsche übertragen von Andreas Brandhorst
ISBN 978-3453528253

www.princeofthorns.com/index.html
http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Besher, Alexander – Virtual Tattoo (Rim-Trilogie 2)

_Die |RIM|-Trilogie:_

1) „Rim“ (1994, „Satori City 2.0“, dt. 1996)
2) „Mir“ (1998, _“Virtual Tattoo“_, dt. 1999)
3) „Chi“ (1999, „Cyber Blues“, dt. 2001)

_Spielzeugland Cyberspace_

Nachdem Alexander Besher bereits mit „Satori City 2.0“ eine furiose Mischung aus Cyberspace-Opera, Thriller und Fernost-Esoterik-Trip abgeliefert hatte, bietet er mit „Virtual Tattoo“ gewissermaßen eine Fortsetzung.

Hieß das erste Buch im Original noch „RIM“ – englisch für Rand – , so heißt „Virtual Tattoo“ im Original „MIR“ – russisch für Frieden, Welt. Auch hier taucht der Held des Romans „RIM“, Frank Gobi, wieder auf. Die Hauptrolle spielt nun jedoch sein Sohn Trevor. Dass es sich bei „Virtual Tattoo“ um ein Drama handelt, macht die Einteilung des Romans in drei Akte, zwei Pausen sowie Pro- und Epilog deutlich.

_Der Autor_

Alexander Besher war Chefredakteur der Zeitschrift „Chicago Review“, bevor er eine erfolgreiche japanische Krimiserie entwickelte und Schriftsteller wurde. „Satori City 2.0“, der Startband der „RIM“-Trilogie, war sein erster Roman. Dass Besher als Sohn weißrussischer Eltern in China geboren wurde und in Japan aufwuchs, merkt man seinen Romanen auf jeder Seite an: Die Kultur, Sprache und das Verhalten des Fernen Ostens sind ihm so geläufig wie nur wenigen anderen Autoren.

Dass der Autor mit dem Fernen Osten so vertraut ist, setzt allerdings beim westlichen SF-Leser ebenfalls eine gewisse Vertrautheit voraus. Gibson leistete zwar schon Vorarbeit, aber Besher geht doch weit über die „Neuromancer“-Trilogie hinaus.

Heute lebt er in San Francisco, wo er als Journalist über Technologietrends berichtet. In den letzten zehn Jahren veröffentlichte er die Kabbala-Trilogie, die Supernatural-Horror und Thriller verknüpft, sowie zwei Bände über den Manga Man. Sein Debütroman „Satori City 2.0“ wurde für den Philip K. Dick Award nominiert.

_Handlung_

Im Jahr 2036 ist ein neuer Kalter Krieg ausgebrochen, diesmal aber im Cyberspace. Da dies aber nicht mehr nur das Internet und die dreidimensionalen „Avatars“ darin umfasst, sondern auch die Schnittstellen zum menschlichen Geist und Körper, bedrohen die Mächte, die im Cyberspace das Sagen haben, letzten Endes alle Menschen, die mit dem Cyberspace arbeiten.

Ein russischer Hacker hat über die Raumstation MIR ein außerirdisches intelligentes Software-Virus eingefangen und „veredelt“. Es wird vom Geheimdienst zur Bestrafung von Verbrechern in einem geistigen Gulag benutzt. Leider kommt es dem Abteilungsleiter, Graf Viktor Trobolski in Nizza abhanden. Zwei unbeteiligte US-Touristen kehren damit nach San Francisco zurück: Nelly und Trevor Gobi, unser alter Bekannter.

Wie sich zeigt, benutzt das Virus zur Ausbreitung Tätowierungen, die mit ihrem Träger interagieren, also halb intelligent sind. MIR 3.0 bewegt sich sehr bald schon durch den Cyberspace, und von Tattoo zu Tattoo breitet er sich auf der Erde aus. Seine erste Wirtin, Nelly, transformiert er und verhilft ihr zu höherem Bewusstsein. Ihr Freund Trevor macht sich mit Recht Sorgen um sie, wird aber abgelenkt durch eine heiße Affäre mit einer Regierungsagentin, Alex Fortuna, die illegal eingewanderte Avatars im Cyberspace bekämpft und sich auffallend für Nelly interessiert. Natürlich sind auch die russischen Hacker hinter Nelly und ihrem Virus her.

Was nun aussieht, als ob es auf eine Katastrophe zusteuert, findet doch noch ein Happy End – auf einem esoterischen Cyberspace-Woodstock-Festival. Nelly und Trevor finden wieder zueinander, und die Bösen finden ihr gerechtes Ende.

_Mein Eindruck_

Besher ist leider weit entfernt von der Innovationskraft und Kritikfähigkeit William Gibsons („Neuromancer“, „Idoru“). Vielmehr schwelgt er in der Lust an sprachlichen Spielereien, ergötzt den Leser mit einem bunten Ramschladen von Esoterik-Schnickschnack, und führt schließlich alles zu einem guten Ende. Bei ihm ist die Welt zwar gefährlich, aber am Schluss stets gerecht. So können die zwei Hauptfiguren, Nelly und Trevor, zwar wie die Traumwandler von Gefahr zu Gefahr taumeln, sie finden jedoch überall einen hilfreichen Freund, und sei es auch eine Bande Taxi fahrender tibetischer Mönche. „Lonley Planet“ lässt grüßen!

Seine Handlung würzt Besher mit zahlreichen Neben-Erzählungen und Rückblenden, die lästiger- und überflüssigerweise in Kursivschrift gesetzt sind – ebenso übrigens wie die Gedanken der Figuren. Das ist wirklich penetrant. Offenbar soll hier jedem 15-Jährigen klar werden, was gerade Sache ist. Auch die zahlreichen erotischen Szenen sprechen pubertierende Boys and Girls an, und Besher schreckt dabei vor keinem Klischee zurück. Immerhin liest sich sein Garn äußerst flüssig, wenn man es mit der Logik nicht so genau nimmt.

|Taschenbuch: 344 Seiten
Originaltitel: MIR (1998)
Aus dem US-Englischen übertragen von Michael Nagula
ISBN-13: 978-3442250110|
[www.randomhouse.de/goldmann]http://www.randomhouse.de/goldmann

Frenz, Bernd – Bannkrieger

_Rorn ist auf_ Fasanenjagd. Der junge Schmied will seiner Liebsten ein paar Schwanzfedern für einen Fächer verehren. Doch seine Jagd wird von zwei Reitertrupps gestört. Und so gerät der junge Mann unversehens mitten hinein in eine Auseinandersetzung von lebensbedrohlichen Ausmaßen …

_Rorn ist im_ Grunde ein gutmütiger Kerl, trotzdem sollte man es sich gut überlegen, ehe man ihn oder jemanden, der ihm teuer ist, bedroht. Ruppel ist ein eingebildeter Dummkopf, Nispe ein Waschlappen und Mea ein verwöhntes, hochnäsiges Balg. Und Alvin und Bornus sind zwar mit Zerbe verbündet, aber im Gegensatz zum Hormuk nicht auf den Kopf gefallen.

Mehr gibt es zu den Charakteren eigentlich nicht zu sagen. Zerbe ist keine Person, deshalb hat er keinen Charakter, und alle übrigen, sind zwar nachvollziehbar geschildert und teilweise auch durchaus sympathisch, aber mehr als das ist nicht geboten. Einzig die Frage, wer hier eigentlich die Guten und wer die Bösen sind, macht die Figurenkonstellation kurzzeitig interessant. Leider ist die Antwort nur zu bald absehbar.

Auch dem Entwurf seiner Welt hat der Autor bisher nicht allzu viel Mühe angedeihen lassen. Die Vergangenheit wird nur kurz gestreift, die erwähnten Fabelwesen sind alle ausgestorben. Das Einzige, was den Handlungsort noch von einem beliebigen, ländlichen Gebiet in Mitteleuropa unterscheidet, sind die nicht menschliche Leibwächterin Meas und die Magie.

Über das Volk der Phaa erfährt der Leser so gut wie nichts, diese Rasse bleibt völlig auf den Charakter der Leibwächterin beschränkt. Die Magie manifestiert sich in dreierlei Formen. Die Magie der Greifen wird lediglich gestreift. Die Magie der Lederhäuter basiert auf Insekten. Eine interessante Idee, wenn auch aufgrund der Masse gelegentlich leicht unappetitlich. Und dann gibt es da noch die Jadepriester. Ihre Macht ist die einzige, deren Funktionsweise näher erläutert wird. Im Zentrum ihrer Magie steht ein Edelstein namens Schattenjade, den die Jadepriester als Speicher für ihre magischen Kräfte benutzen. Diese gebündelte Macht kann lediglich von der Jadeträgerin eingesetzt werden. Denn nur sie ist unschuldig …

So weit die Theorie. Die Praxis der Handlung sorgt allerdings schon bald für Widersprüche. Nachdem nämlich erst einmal klar war, welche Art von Unschuld für das Wirken der Banne erforderlich ist, fragte ich mich, warum eigentlich alle Mea so wichtig nehmen. Jedes beliebige naive und unwissende Ding könnte sie ersetzen. Zumindest wird nirgendwo ein Grund dafür genannt, warum das nicht möglich sein sollte. Vielleicht war es angesichts dessen besser, dass Bernd Frenz kein Wort darüber verlauten lässt, wie die anderen Formen der Magie funktionierten. Noch besser hätte es mir allerdings gefallen, wenn der Autor diesen grundlegenden Teil seiner Geschichte genauer und sorgfältiger ausgestaltet hätte.

Und nicht nur diesen Teil. Auch sonst lässt die Handlung einige Fragen unbeantwortet. Zum Beispiel, wie der Anführer der Lederhäuter, die Rorns Dorf angegriffen haben, an einen Umhang der ALTEN gekommen ist. Oder wieso die Ruinen der alten Greifenfestungen sich auf einmal von selbst wieder aufbauen. Und wie kommt es, dass in einem Land, das über Berufssoldaten verfügt, ein einfacher Schmied seinen Sohn im Schwertkampf unterrichtet hat? Und dass dieser Sohn später ein besserer Kämpfer ist als nahezu alle Soldaten, denen er über den Weg läuft, und zwar völlig unabhängig von der Tatsache, dass er ein Bannkrieger ist?

Mit anderen Worten, Bernd Frenz hat die äußeren Umstände seiner Geschichte vernachlässigt und sich statt dessen voll auf die Handlung als solche konzentriert. Und obwohl recht früh deutlich wurde, wer hier der eigentliche Feind war, bot die Entwicklung der Ereignisse durchaus immer wieder die eine oder andere kleine Überraschung. Die ganze Heimtücke des gegnerischen Planes zeigte sich tatsächlich erst gegen Ende des Buches. Das ist gut so. Denn so richtig spannend wurde die Geschichte auch nicht. Dafür ging vieles einfach zu glatt, so zum Beispiel Alvins Befreiung oder Rorns Flucht aus dem Thronsaal von Greifenstein.

Möglicherweise lag es aber auch daran, dass der Autor seine vielen Kampfszenen – für die er offenbar ein Faible hat – mit mehr Details ausgestattet hat als den gesamten Rest des Buches. Nicht, dass der Autor sich in Blut und Innereien wälzt, dankenswerterweise ist er in dieser Hinsicht eher zurückhaltend. Dafür beschreibt er so ziemlich jeden Schritt, jeden Handgriff und jede Waffenbewegung, sodass der Ausgang des Kampfes letzten Endes völlig in den Hintergrund rückt. Bei jedem Duell blieb für mich eine Weile die Zeit stehen, und erst, wenn die Sache entschieden war, ging die Geschichte für mich weiter. Vielleicht muß man ein Fechtfan sein, um einer solch präzisen Kampfbeschreibung etwas abzugewinnen.

_Unterm Strich blieb_ bei mir ein durchwachsener Eindruck zurück. Die Charaktere waren ganz nett, boten aber durch ihre mangelnde Tiefe kaum Identifikationspotential. Die Ausarbeitung der Welt war eher fad; der Entwurf der Magie, der ihr ein wenig mehr Farbe hätte verleihen können, wirkte leicht unausgegoren; und zu viele Fäden endeten in der Luft: So gibt es zum Beispiel keinerlei konkrete Verbindung zwischen dem Zeitpunkt der Handlung und der Vergangenheit der Welt, nur Andeutungen. Die Grundidee des Plots fand ich nicht schlecht, und auch die kleinen unvorhergesehenen Wendungen, die die Handlung bot. Das Augenmerk lag aber so sehr auf Rorn und seinen Duellen, dass die Zuspitzung der Situation zum Ende hin völlig an den Rand gedrängt wurde. Ein Showdown war eigentlich nicht vorhanden, und selbst die letzte Attacke auf Rorn verpuffte wirkungslos, weil der Leser zu dem Zeitpunkt bereits weiß, dass das Ungleichgewicht in der Welt wieder behoben ist.

Sprich: eine Menge netter Ansätze, aber großteils so lieblos umgesetzt, als hätte der Autor nur deshalb überhaupt einen Gedanken daran verschwendet, weil er für seine vielen Kampfszenen einen Rahmen brauchte.

Leute mit Insektenphobie sollten dieses Buch ohnehin nicht lesen. Aber auch alle übrigen Leser werden dieser Geschichte wohl nur dann etwas abgewinnen können, wenn sie sich für Schwertkampf interessiert, oder wenn es ihnen genügt, dass eine Handlung eine Menge Action und Bewegung bietet. Wer allerdings mehr von einem Roman erwartet als ein paar blasse Ideenansätze und eher lose wirkende Handlungsfäden, die den einen oder anderen überraschenden Haken schlagen, der dürfte von diesem Buch eher enttäuscht sein.

_Bernd Frenz ist_ studierter Betriebswirtschaftler. 1987 gewann er einen von Wolfgang Hohlbein ausgeschriebenen Kurzgeschichtenwettbewerb, und war seither ununterbrochen produktiv. Seit 1998 ist er hauptberuflich Schriftsteller. Aus seiner Feder stammen Folgen der Serien |Maddrax| und |Perry Rhodan|, diverse Comic-Texte und Romane zu Computerspielen sowie die Fantasytrilogie |Blutorks|. Derzeit schreibt der Autor an seinem ersten Historienroman.

|Taschenbuch: 509 Seiten
ISBN-13: 978-3442268078|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet
[www.berndfrenz.de]http://www.berndfrenz.de

_Bernd Frenz bei |Buchwurm.info|:_
[„S.T.A.L.K.E.R. – Shadow of Chernobyl, Bd. 1: Todeszone“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3555

Plichota, Anne & Wolf, Cendrine – Oksa Pollock – Die Unverhoffte (Lesung)

_Oksa Pollock:_

Band 1: [_“Die Unverhoffte“_]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6968
Band 2: „Die Entschwundenen“
Band 3: -geplant-
Band 4: -geplant-
Band 5: -geplant-
Band 6: -geplant-

_Die 13 Jahre junge Oksa Pollock_ zieht mit ihrer Familie, ihren Eltern Pavel und Marie und ihrer heiß geliebten Großmutter Dragomira von Paris nach London. Ihr Vater Pavel hat dort die einmalige Chance ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Zu Oksas Glück kommt auch ihr bester Freund Gus mit seiner Familie nach London und Gus‘ Vater beteiligt sich an den Restaurantplänen seines alten Freundes Pavel.

So fällt der Umzug nicht allzu schwer. Oksa kommt im Kreise der ihr wichtigsten Menschen in Englands Hauptstadt London an.

Oksas erster Schultag an der französischen Schule St. Proximus dagegen beginnt nicht so glücklich, erst einmal ist da der äußerst strenge Lehrer Mr. McGraw, der sie gleich auf dem Kieker hat und ihr, aber auch ihren Mitschülern, das Leben schwer macht. Gleich in der ersten Stunde macht Oksa schlapp, sie wird von merkwürdigen Schmerzen in eine Ohnmacht gezwungen. Mr. McGraw hat nur Spott für das junge Mädchen über und macht sich vor der kompletten Klasse lustig über sie. Dazu kommt dann noch ein gewalttätiger Schüler der neunten Klasse, der Oksa ebenfalls gleich zu Beginn das Leben schwer machen will.

Aber damit nicht genug, als Oksa am Abend ins Bett gehen will, stellt sie mit großem Schrecken fest, dass aus ihren Händen Flammenbälle schießen und ihr Zimmer verwüsten. Geschockt beschließt sie, diese neuen und beängstigenden Fähigkeiten für sich zu behalten.

Am nächsten Morgen stellt sie dann auch noch fest, dass rund um ihren Bauchnabel ein großer blauer Fleck entstanden ist, der stark schmerzt. Da ihr der blaue Fleck sehr unangenehm ist, geht sie zu ihrer Großmutter Dragomira, die in der Heilkunst bewandert ist. Dragomira weiß sofort was da passiert, sie gibt Oksa eine Salbe, die die Schmerzen nimmt und anschließend nimmt Dragomira Kontakt zu den „Rette sich wer kann“ auf.

Die „Rette sich wer kann“ sind eine geheime Gruppe, die aus dem magischen Ort Edefia fliehen mussten. Mit Oksa – der Unverhofften ist nun der Schlüssel zur Rückkehr da und das Geheimnis ihrer Familie wird Oksa offenbart.

Doch damit fängt das spannende Abenteuer rund um Oksa und ihre Familie und Freunde erst an.

_Kritik_

Mit „Oksa Pollock – Die Unverhoffte“ haben die Autorinnen Anne Plichota und Cendrine Wolf ein fantastisches Jugendbuch geschrieben, das mit vielen kreativen Ideen anreizt.

Dem auf junge Hörer ausgelegten Erzählstil der Autorinnen kann beim Zuhören leicht gefolgt werden. Lebendig werden die unterschiedlichen Charaktere und auch die spannende Handlung vorgetragen. Mit viel Einfallsreichtum haben die Autorinnen einen Plot entwickelt, der vor allem durch seine einzigartigen und fremdartigen Wesen besticht. Die ungewohnte Sprechweise der Wesen Edefias, besonders der Plemplems trägt wesentlich zum Charme dieses Hörbuches bei und vermittelt eine Menge Humor.

Mit Oksas Erkennen ihrer magischen Fähigkeiten nimmt die Geschichte rasch an Fahrt auf und auch mithilfe eines fiesen Antagonisten wird ein relativ konstanter Spannungsbogen aufgebaut, der schnell an die Geschichte fesselt. Das Tempo der Geschichte ist dabei sehr angenehm, eher langsam entwickelt sich das Ganze und gibt dem Leser daher die Chance die einzelnen Charaktere, Wesen und die Besonderheiten Edefias sehr gut kennenzulernen.

Der Plot ist als originell zu bezeichnen, die beiden Autorinnen haben viel Wert darauf gelegt nicht in bekannte Schemen zu verfallen und etwas komplett Eigenes zu entwickelt. Dieses ist auf jeden Fall gelungen und der Leser hat so die Möglichkeit, eine neue fantastische Welt und deren Bewohner kennenzulernen. Auch wenn sich dieser erste Teil in England abspielt, bekommt der Leser durch die Rückblicke der „Rette sich wer kann“ schon ein ungefähres Bild dieser magischen Welt. Die Pflanzen und Wesen, die die Gruppe bei der Flucht aus Edefia mitschmuggeln konnten, sind sehr lebendig und ausdrucksstark beschrieben. Auch die Voraussetzungen unter denen diese nur existieren, wird erklärt. Für eine Reihe passend, bleiben noch genügend Fragen für weitere Teile offen und ein Cliffhanger lässt die Zeit bis zum nächsten Teil „Die Entschwundenen“ viel zu lang werden.

Die Protagonisten sind ansprechend und vielfältig konzipiert. Dabei sind manche ausführlicher und lebendiger gezeichnet als andere, was aber zum Plot passt und die in diesem Band wichtigen sind ausgezeichnet dargestellt. Keine der vielfältigen Figuren wirkt überflüssig, jede spielt ihre Rolle und wirkt unverzichtbar. Da es sich hier um eine auf sechs Teile ausgelegte Reihe handelt, haben auch Figuren die momentan noch recht blass wirken die Möglichkeit sich weiter zu entwickeln.

Die 13-jährige Oksa ist die Hauptfigur und schleicht sich schnell in die Herzen der Leser. Mit ihrer offenen und zauberhaften Art beweist sie, wie tough Mädchen sind. Altersgerecht geht sie mit den neuen Fähigkeiten um und auch ihre Reaktionen auf die vielen Familien-Geheimnisse wirken realistisch und nachvollziehbar.

Das Cover ist sehr ansprechend. Auf blauem Grund, der durch Pflanzenranken verziert ist, ist Oksa abgebildet. Genau so, wie sie dort gezeichnet ist, stellt man sich de die junge und lebendige Heldin des Romans vor.

_Vertonung_

Die Sprecherin Cathlen Gawlich macht dieses Hörbuch zu etwas ganz Besonderem. Cathlen Gawlich schafft es, jeder Figur Leben einzuhauchen und durch Stimmlage und Betonung gibt sie jedem Charakter eine individuelle und authentische Stimme. Auch nach einer Pause ist sofort wieder klar, wer sich gerade äußert. Durch das epische Talent der Sprecherin wird der Hörer unterhaltsam durch die fesselnde Geschichte Oksas geführt.

Trotzdem das Hörbuch gekürzt wurde, wird sich perfekt an den roten Faden des Plots gehalten. Alles für die Handlung Elementare ist hier erzählt worden.

_Fazit_

Mit ihrem Debütroman „Oksa Pollock – Die Unverhoffte“ haben die Autorinnen Anne Plichota und Cendrine Wolf einen magischen Auftakt zu ihrer auf sechs Bände ausgelegten Reihe geschrieben. Mit liebevoll gezeichneten Charakteren und vielen fantasievollen und originellen Ideen schaffen die Autorinnen eine Atmosphäre, in die der Hörer begeistert eintauchen wird.

Schon das Buch „Oksa Pollock – Die Unverhoffte“ hat mich fasziniert, das Hörbuch setzt dem Ganzen noch ein I-Tüpfelchen auf. Die Sprecherin hat die Geschichte um Oksa und die „Rette sich wer kann“ so lebendig wiedergegeben, dass die sechs CDs viel zu kurz sind. Cathlen Gawlich hätte ich noch stundenlang zuhören können!

Dieses Hörbuch wurde zusätzlich noch von meinen Kindern (8 & 9 Jahre) getestet, da wir es zusammen gehört haben, auch Kinder in diesem Alter sind von Oksa schlichtweg absolut begeistert!

_Die Autorinnen_

|Anne Plichota|,
geboren in Dijon, ist Bibliothekarin in Straßburg, studierte Chinesisch und Kulturwissenschaften, lebte einige Zeit in Korea und arbeitete in China. Sie hat eine elfjährige Tochter, ist ein Fan von angelsächsischer Literatur und interessiert sich für Geschichten und Sehnsüchte anderer Menschen.

|Cendrine Wolf|,
geboren in Colmar, studierte Sport und arbeitete viele Jahre mit Kindern, bevor sie Bibliothekarin in Straßburg wurde. Sie liebt alles, was schnell ist, fantastische Literatur und malt sehr gerne.

_Die Sprecherin_

Cathlen Gawlich wurde an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam ausgebildet und spielte später in verschiedenen Theatern in Berlin und Potsdam.

Sie war in den Serien „Doppelter Einsatz“, „Polizeiruf 110“, „Tatort“ (Fernsehreihe), „Gefährliche Wahrheit“, „Die Wache“, „Die Cleveren“ zu sehen, außerdem spielte sie in den Kinofilmen „Nachtgestalten“ und „Emil und die Detektive“ mit. In der Serie „Die Sitte“ spielte sie eine der Hauptrollen.

Sie ist die Synchronstimme von Sandy, dem Eichhörnchen, in „SpongeBob Schwammkopf“, spricht den Kakadu im gleichnamigen Kinderprogramm von Deutschlandradio Kultur und gibt Rose in der Fernsehserie „Two and a Half Men“ ebenfalls ihre Stimme. In der Serie „Supernatural“ spricht sie die Rolle der Dämonin Ruby.

Cathlen Gawlich lebt mit ihrem Mann in Berlin. (Quelle Wikipedia)

|6 Audio-CDs mit 420 Minuten Spieldauer
Text von Anne Plichota und Cendrine Wolf
Aus dem Französischen von Bettina Bach / Lisa-Maria Rust
Bearbeitet von Antje Seibel
Gesprochen von Cathlen Gawlich
Regie: Frank Gustavus
ISBN 13: 978-3-8373-0558-6|
[Hörprobe]http://www.oetinger-audio.de/fileadmin/verlagsgruppe-oetinger.de/audiofiles/Hoerproben/9783837305586.mp3

Nick Lake – Der Novize des Assassinen

Die Blood Ninja-Trilogie:

Band 1: „Der Novize des Assassinen“
Band 2: „Das Blut des Assassinen“
Band 3: – geplant –

Vampire tummeln sich seit einigen Jahren munter in der fantastischen Belletristik. Die Fürsten der Dunkelheit beißen und kämpfen sich flugs durch alle Zeitzonen. Mal sind die Blutsauger in der Ausbildung, manchmal mimen sie den versnobten Gentleman, und genauso oft haben sie alle „Menschlichkeit“ verloren und vegetieren wie Tiere inmitten einer fast untergegangen Zivilisation.

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Interview mit Alexander Besher

Buchwurm.info führte ein Interview mit dem amerikanischen Autor Alexander Besher, von dem der Goldmann Verlag (jetzt ein Imprint von Random House) drei phantastische Romane veröffentlichte – die RIM-Trilogie.

_Hallo, Alex, wo bist du und was machst du gerade?_

_Alexander Besher:_ Ich sitze gerade an meinem Schreibtisch in meinem Haus im Herzen des Mission Districts von San Francicso, nur einen halben Block östlich von Central America (dort wohnen nur Latinos), einen halben Block westlich von Wi-Filandia (WiFi: WLAN). Dort gibt es angesagte Restaurants, Boutiquen, Buchläden, Bars, WLAN-Cafés, junge Websurfers, deren Ohren an den iPods und deren Augen an den Handybildschirmen kleben … Ich lebe in einer ruhigen Gasse, sitze am meinem Schreibtisch, vor mir einen blühenden Pflaumenbaum mit einem Fries aus pinkfarbenen Blütenblättern.

_In Deutschland wurden drei deiner Romane veröffentlicht, die RIM-Trilogie._

_Besher:_ Der Goldmann Verlag veröffentlichte meine Rim-Trilogie: „Rim“, „Mir“ und „Chi“. Nur dass sie den Titel von „Rim“ in „Satori City 2.0“ änderten. Wenn ich mich nicht täusche, veröffentlichte der Verlag jeden Titel individuell, ohne die Tatsache zu erwähnen, dass sie zu einer Trilogie gehören. Mir gefällt jedoch der Titel „Satori City 2.0“. (Die anderen Titel lauten „Virtual Tattoo“ und „Cyber Blues“ – die Red.)

_Bitte erzähle deinen deutschen Lesern von dir und wie du ein Schriftsteller wurdest._

_Besher:_ Ich begann mit dem Schreiben, bevor ich schreiben konnte. Wir mir meine Eltern sagten, war ich ein „Großer Diktator“.

_Warum und wozu schreibst du Geschichten? Oder betrachtest du dich mehr als Multimedia-Künstler? Auf deiner Homepage zeigst du ungewöhnliche Videos …_

_Besher:_ Die Geschichten schreiben vielmehr mich. Zunehmend. Ich habe den Keim einer Geschichte, doch der Zauber wirkt erst, sobald ich zur Seite trete. In den letzten Jahren habe ich jedoch einen Abstecher ins Schreiben von Filmdrehbucher gemacht bevor ich bin mit meiner Kabbala-Trilogie zur Prosa zurückgekehrt bin.

Deren erster Titel „The Clinging“ wurde ursprünglich als Drehbuch verfasst. Der Kurzroman folgte kurz danach, so dass ich den Spannungsbogen der Story schon ziemlich gut festgelegt hatte (obwohl es nahezu die üblichen unzähligen Überarbeitungen gab). Jahre der Recherche flossen in die Trilogie ein. Das Drehbuch erforderte zwei Jahre, der Roman aber nur zwei Wochen.

Die Fortsetzung „The Night of the Golem“ ist ein ganz anderes Tierchen. Ich schrieb die 450 Seiten in nur zwei Monaten, mehr im Geiste von „Rim“. Dann lasse ich das Ergebnis wie einen hoffentlich guten Wein erst einmal „atmen“, bevor ich den Text überarbeite und kürze. Der Roman war am schwierigsten zu schreiben, denn es handelt sich um einen Schauplatz im Berlin der Nazijahre. Unmengen an Recherche.

Die Trilogie fällt ins Genre des Supernatural Horror, mit viel Suspense und Exorzismus – eine Art spirituelles Abenteuer, das so tiefgründig und düster wird wie mein jüngster Roman „The Manga Man“.

Dieser Roman erschien nicht in Buchform, sondern auf der Plattform eines intelligenten T-Shirts. Der Betrachter macht mit seinem Handy einen Schnappschuss vom QR-Code auf dem T-Shirt. Dieser Code wurde vom italienischen Comickünstler Daniele Serra (nominiert für den British Fantasy Award 2009 und 2010, siehe [www.multigrade.it]http://www.multigrade.it .

Nach diesem Schnappschuss werden sie ins Universum von Managa Man expediert, das folgendes anbietet: einen fürs Handy-Display formatierten Roman, einen unabhängigen Kurzfilm, den Original Soundtrack, einen Graphic Novel Trailer (weil Daniele an einer Comicbook-Version von „Manga Man“ arbeitet) und STUNDEN von Videos, die japanische Avantgarde-Butoh-Tanzaufführungen zeigen.

Der Grund für diese Videos ist der, dass der Protagonist von „Manga Man“ ein japanischer Butoh-Tänzer-Assassine der Zukunft ist. Seien Mission besteht darin, die „Kriegsherren aufzuhalten, die das Universum klonen wollen“. Es handelt sich um den ersten Transmedia-Roman der Nach-Gutenberg-Ära – alles auf einem T-Shirt.

_Wie bist du auf diese Idee gekommen?_

_Besher:_ Ich kam auf die Idee, ein paar der Vorstellungen aus meinem zweiten RIM-Roman „Mir“ (dt. Titel: „Virtual Tattoo“) aus dem Jahr 1998 in die Tat umzusetzen. Darin kommen „intelligente Tattoos“ vor, die von einem Menschenkörper zum nächsten wandern können. Das erfolgt während techno-heidnischen Ritualen, und sie wandern sowohl off- als auch online. Natürlich birgt eines der tattoos einen teuflischen Computer-Virus in sich …

Inzwischen hat die technische Entwicklung zu diesem Traum Anschluss gefunden, und zwar mit den QR-Codes. Deshalb entwarf ich das Naheliegende, nämlich intelligente Tattoos, die man auf dem Körper tragen kann, die aber die Schnittstelle zwischen dem Selbst und der Welt ringsum überschreiten.

Aus meiner Sicht ist dies die Richtung, in die sich der Mensch entwickelt. Die Verständigungstechnik evolviert vom Gebrauch der Werkzeuge zu einer neuen Spezies, die ich „omni sapiens“ getauft habe. Sie wird in der Lage sein, auf mehrdimensionaler Ebene zu kommunizieren. Hey, willst du mit den belebten und unbelebten Wesen auf den Planeten von Arktur oder in einem Paralleluniversum twittern? Na los, erzähl ihnen, was du zum Frühstück gehabt hast.

In der Zukunft werden wir keine Technologie mehr brauchen. Klar, bis dahin sind erst noch ein paar Zwischenschritte zu bewältigen. Ich denke, dass wir uns der Vollendung des Kreises nähern, der in den Tagen vor der Zivilisation mit dem Zwei-Kammern-Bewusstsein begann, als wir uns alle noch mit archetypischen Vorstellungen verständigten, bevor wir dann in linearer Sprache steckenblieben. Doch endlich, endlich sehen wir am fernen Horizont ein neues Portal aus Kommunikation und Sprache, mit dessen Hilfe wir innere „synästhetische“ Kanäle entdecken und so schließlich mit dem gesamten Universum in transmedialen Formen kommunizieren können – Formen, die wir uns gegenwärtig noch nicht vorstellen können.

_Was hat es mit diesen Portalen auf sich?_

_Besher:_ Im dritten Roman „Chi“ (1999) meiner RIM-Trilogie beschreibe ich die Entdeckung eines Portals, das zum organischen Cyberspace der Natur führt (mit Servern in Gestalt von Bäumen, die im Dschungel von Borneo wachsen). Vor ein paar Jahren gab es eine wissenschaftliche Entdeckung, die besagt, dass die Natur tatsächlich eine Art Internet besitzt. Der Beweis in der Fallstudie: Schwarzulmen, die in Gefahr sind, von Raupen angegriffen zu werden, senden „chemische E-Mails aus, um Insekten zu einem kostenlosen Abendessen einzuladen, nämlich Raupen. Und diese Insekten nahmen die Einladung prompt an und vertilgten die Raupen.

_Worum geht es in „Manga Man 2.0“?_

_Besher:_ Siehe dazu [die Pressemitteilung]http://delivr.com/1489m zu „Manga Man 2.0“, die im Februar 2011 herausgegeben wurde. (Daher auch „2.0;“ weil der ursprüngliche „Manga Man“-Roman zuerst anno 2008 erschien, wie üblich vorzeitig, denn die USA hinken in puncto Mobilfunktechnik hinter Afrika her und mühen sich aufzuholen.)

Die „Manga Man“ Site ist: [www.mangaman.mobi]http://www.mangaman.mobi.
Andere Verweise: [trendmobi.de]http://trendmobi.de/index.php/2009/02/alexander-besher-–-the-manga-man-die-rezension-zum-handy-roman/
und [conversations.nokia.com]http://conversations.nokia.com/2008/11/04/manga-man-creator-talks-mobile-t-shirt-publishing-sentient-tattoos-and-the-physical-social-networks/
und [ebay]http://cgi.ebay.com/Worlds-First-Multimedia-SF-Novel-on-a-QR-Code-T-shirt__W0QQitemZ270509369715QQcmdZViewItemQQptZLH__DefaultDomain__0?hash=item3efb9d6973#ht__1716wt__1046

_Bist du ein Multimedia-Künstler?_

_Besher:_ „Multimedia“ ist ein geradezu archaischer Ausdruck (ebenso wie „Transmedia“, der wenigstens den allgemeinen Sinn vermittelt). Ich glaube, wir werden die „Demokratisierung der Synästhesie“ auf Gebieten wie Kunst, Kultur und Technologie erleben. Als Zwischenstufe, denke ich, entwickelt künstliche Intelligenz synästhetische Fähigkeiten, bevor wir die organische und gesteuerte Fähigkeit erlangen, Geschichten, Bilder, „Film“ und andere Medienformen durch „morphische Synästhesie“ zu kommunizieren.

Der Romanautor Vladimir Nabokov („Lolita“) war bekanntermaßen ein synästhetischer Schriftsteller. Und dann gibt es noch den Fall des Malers Kandinsky. Wie malte er sein Thema? Er legte eine Phonograph-Musikaufnahme auf und malte einfach die Farben und Formen, die er als Emanationen der Musik wahrnahm.

Gegenwärtig wird Synästhesie entweder als neurologische Störung oder als Einzelfall betrachtet. In der Zukunft wird Synästhesie jedoch die Grundlage einer universellen Sprache bilden, die von der Mehrzahl der Menschen verstanden (und zwecks Ausdruck genutzt) werden kann. Stellen Sie sich das als eine Art „Esperanto der neuen Medien“ vor. Bis jetzt ist Synästhesie eine zufällige und unvorhersagbare Erfahrung. Doch eines tages wird sie programmierbar sein und von allen genutzt werden können.

_Wie bist du auf diese Idee gekommen?_

_Besher:_ Als ich seinerzeit (vor 1999) an „Chi“ schrieb, lebte ich auf der thailändischen Insel Koh Samui. Mein Bungalow, der nur Minuten vom Strand entfernt lag, stand direkt neben einem absichtlich unberührten Stück Urwald, in dem einst ein alter Stamm geliebt hatte. In manchen Nächsten wiegte mich ein ätherisches Konzert von Trommeln, Gesang und seltsamer elektronischer Musik in den Schlaf! Mensch, wenn ich bloß diese Musik aufgenommen hätte, während ich schon längst an den Tantiemen reich geworden. Diese Musik hätte Musikgruppen wie „Enigma“ arbeitslos gemacht. Leider war dies das letzte Mal, dass ich dieses Konzerterlebnis in der ersten Reihe erfahren durfte.

_Wenn du kreativ bist, willst du dann deine eigene Welt-Anschauung ausdrücken?_

_Besher:_ Wahrscheinlich schon. Aber ich folge einem inneren Drang, das ist keine kalkulierte Wahl. Um jene Zone des Wohlfühlens des Selbstausdrucks zu erreichen, muss ich mein Selbst erst einmal beiseitestellen und einfach in diese Zone eintreten, die die Quelle meiner Kreativität ist. Dann schau ich einfach, was passiert und von dort kommt. Aus diesem Grund lerne ich so viel von der Quelle meines Werks, wie ich hoffentlich meinen Lesern mitteilen kann. Diese reinterpretieren den text dann mit ihrem eigenen Bewusstsein. Kreativität kennt weder Ideologien noch Landkarten. Wir sind schon da und müssen uns nur noch zurechtfinden.

Ich erinnere mich daran, dass ich mich mit meinem ersten Roman „Rim“ echt abrackerte. Ich schleppte einfach zuviel Ballast mit mir herum. Das Ergebnis war deshalb missraten, so dass ich frustriert war.

Zu der Zeit schrieb ich in Südfrankreich an der Cote d’Azur. Ich war derart verzweifelt, dass ich einem Reiseführerhinweis folgte und exakt jenem Pfad bei Nizza folgte, auf dem Friedrich Nietzsche die Epiphanie empfing, die dazu führte, dass er „Also sprach Zarathustra“ schrieb. Allerdings folgte ich einer einfacheren Route, als ich auf eine solche Erleuchtung hoffte, Ich bereue es nicht, doch alles, was ich fand, waren leere Coladosen, und ich begegnete niemandem auf dem Pfad. Das hätte mir einiges sagen sollen. Erst drei völlig veränderte Fassungen später stellte ich „Rim“ fertig, nachdem ich es 1994 an HarperCollins verkauft hatte. Kaum war der Vertrag unterzeichnet, als ich den kompletten Roman in nur drei Wochen schrieb. Die Bruchstücke, die ich gesucht hatte, fielen alle an den richtigen Platz. Und wenn Sie mich nach meiner Weltanschauung fragen, antworte ich nur kurz: „Have a nice day.“

_Hilft dir das Internet mit seinen Nebenzweigen, dass du dich auf bestimmte Weise besser ausdrücken kannst? Falls ja, auf welche Weise? Wie sieht deine Homepage [www.alexanderbesher.tv]http://www.alexanderbesher.tv aus?_

_Besher:_ Was Technologie anbelangt, bin ich ein moderner Primitiver. Das Internet benutze ich für die Recherche, E-Mail und erst seit Kurzem nutze ich auch ein wenig Twitter und Facebook. In dieser Anfängerphase kapiere ich einfach nicht, wie Twitter zu solchen Revolutionen wie in Ägypten beitragen konnte. Manchmal scheint es so, als könnte ich meine „Message“ schneller rüberbringen, indem ich sie mit einem Ochsenkarren ausliefere. Wenigstens wäre ich dann nicht so überladen mit all diesem Datenmüll. Der Turm von Ge-Babbel ist heutzutage dieses Smartphone in deiner Hand.

_Bitte nenne deine jüngsten Produktionen._

_Besher:_ Ich habe einige Sachen am Laufen. Eine davon ist meine „Manga-Man“-Trilogie „Dance of Darkness“. Ich habe die Fortsetzung von „Manga Man“ mit dem Titel the Black Tao“ fertiggestellt. Ich freue mich sehr über meine neue „Kabbalah noir“-Trilogie. Sie ist in einem anderen Stil geschrieben: einfach, fast schon auf Trashniveau (zumindest der erste Titel „The Clinging“). Aber ich will verdammt sein, ich hab doch tatsächlich ein Cover-Zitat von keinem geringeren als William Blatty bekommen, dem Autor von „Der Exorzist“ und Drehbuchautor des gleichnamigen Films.

Bislang verfolgte er eine strenge Politik, niemals anderen Autoren solche Cover-Zitate zu liefern. Daran hat er sich über 40 Jahre lang gehalten. Und jetzt dieses Lob!

Während ich „The Clinging“ (ursprünglich „Dybbuk“ betitelt) schrieb, wurde ich unter anderem von den übernatürlichen, aber humanistischen Themen der chassidischen Geschichten (insbesondere von Martin Bubers Buch „Erzählungen der Chassidim“) beeinflusst. So sprachen mich an, weil ich in Japan aufwuchs und lebte, so dass mich die Ähnlichkeit zwischen der psycho-spirituellen Tradition des Zen (-Buddhismus) und der existentiellen Euphorie der frühen Chassidim à la „Sorbas der Grieche“ beeindruckte. Man könnte meinen Ansatz von „Kabbalah noir“ also „Sorbas trifft den Buddha“ taufen.

In „Manga Man“, das im Jahr 2062 spielt, habe ich mich der sogenannten Absurdität der menschlichen Natur genähert. Aber darin erforschte ich die göttliche Dunkelheit. Zen ist oder war in Ordnung, als wir noch in einer weitaus einfacheren Welt lebten. Doch die andere Seite der Medaille namens „Aufklärung“ ist ein dunkler Stand der Gnade namens „Verdunklung“. In meinen Augen wird dies vollkommen durch die Philosophie des „Butoh“ widergespiegelt, jener japanischen Form des Tanzes, die von dem großartigen Tänzer Hijikata in den Nachwehen des Atombombenabwurfs auf Hiroshima kreiert wurde. Butoh ist post Zen.

Wir können nicht wie der Vogel Strauß unseren Kopf in den Sand stecken und uns weigern, all den Schrecken unserer Zeit einen Sinn abzugewinnen. Hast du den Witz über die Sträuße gehört, die in einem Haus lebten und sich entschlossen, nach draußen zu laufen? Sie taten es, und als der letzte Straß rauskam, hatten alle anderen ihre Köpfe in den Sand gesteckt. Er fragte sich verwundert: „Wo sind denn alle hin?“ Wenn man daran denkt, wieviele Satelliten und Kameras jeden auf dem Planeten beobachten, könnte man sagen, dass alles, was sie aufnehmen, „Blindheit“ ist. Aber wer beobachtet „Big Brother“?
Hier ist eine meiner Lieblingsstellen aus „Managa Man“:

>>Der alte Nijima schloss seine Butoh-Tanzübungsstunde für diesen Morgen ab, indem er Johnny und Rizzako einen Vortrag im Hof des tempels hielt. „In der alten Zeit“, erzählte er ihnen, „gab es eine berühmte Redensart: Jeder kann für wenigstens fünfzehn Sekunden in seinem Leben anonym werden.“<< In meinem "Manga Man Manifesto" (einem der vielen merkmale dieses transmedialen Werks) stelle ich fest: >> In einem Zeitalter der Google-Landkarten und Satelliten verfügt selbst der einsame Betrunkene, der auf der Straße tanzt, über ein Milliardenpublikum. Manchmal scheint es, als gäbe es nichts mehr zu verbergen außer der Unsichtbarkeit. Vielleicht wird unser neues Paradigma lauten: „Wir sind unsichtbar, daher kann man uns sehen.“ Käufer und Voyeur sollten gleichermaßen auf der Hut sein! Dies wird übersetzt als: „Wie wissen, wo du dich versteckst, denn wir haben den Code dafür geschrieben.“ Es wird nicht darum gehen, dass das Unsichtbare zum Zwecke der Offenbarung sichtbar wird, sondern dass es ein todsicheres Rezept für Blindheit ist. Nur ein weiteres Symptom der pathologischen „Mad-Now“-Krankheit, die unsere total vernetzte Welt in ihrem Griff hält.<< Ich sollte natürlich erwähnen, dass mein Protagonist in "Manga Man" selbst halb digital, halb physisch existiert. Ansonsten beschäftige ich mich gerade mit zwei Projekten - erstens mit meiner "Kabbalah noir"-Trilogie, wobei ich gerade die Fortsetzung zu "The Clinging" mit dem Titel "Night of the Golem" überarbeite. Dieser Roman spielt im Berlin des Nationalsozialismus, also in den Dreißigern und frühen Vierzigern des vorigen Jahrhunderts. Es gibt Interesse, dieses Buch zu verfilmen. (Wahrscheinlich wird auch die RIM-Trilogie für die aktuelle Lesergeneration neu aufgelegt. Sie haben einen besseren Bezug zum Inhalt. Als ich RIM erstmals veröffentlichte, war das noch vor dem Boom des Internets.) Mein zweites aktuelles Projekt ist ein transmediales Start-up namens cloudzero. Es hatte sein geheimes Debüt auf dem Sundance Film Festival 2010, wo ich das Konzept eines Filmfestivals in der Hosentasche" vorstellte. Vergleiche dazu: [www.wired.com]http://www.wired.com/underwire/2010/01/showwx-sundance Ich darf nicht mehr über unsere Pläne verraten, weil wir gerade Investorenkapital aufzutreiben versuchen. Dieses kommt garantiert nicht von den üblichen VC-Quellen im Silicon Valley. Alles, woran die nämlich interessiert sind, ist die Entwicklung neuer Apps oder Gadgets oder Social Media Sites. Keinerlei Vorstellungskraft. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir bald starten können, und dann kriegen wir Kaufangebote von den üblichen Verdächtigen wie Google etc. (Ich kanns immer noch nicht fassen, dass AOL die "The Huffington Post" für schlappe 145 Mio. $ gekauft hat. Das ist ein stattlicher Preis für einen weiteren Nagel zu AOLs Sarg.) Sogenannte Analysten und Marktbeobachter glauben, dass die durchschnittliche Lebensdauer eines reichen Unternehmens wie Google rund 20 Jahre beträgt. Heutzutage sind 20 Jahre doch schon in 20 Minuten rum. Deshalb ist Google ebenso besorgt wie Nokia. _Was sind deine bevorzugten Hobbys, wenn du nicht schreibst?_ _Besher:_ Nach Liebe, Frieden und Verständnis suchen - stets an den falschen Orten. _Engagierst du dich für soziale oder wohltätige Projekte?_ _Besher:_ Die Welt befindet sich in solch desolatem Zustand, dass es schwierig ist, die wirkungsvollste Wohltätigkeitsorganisation zu finden, die nicht 80% all ihrer Spenden für ihre "Verwaltungskosten" ausgibt. Persönlich favorisiere ich Medecins San Frontieres und den Cambodia Children’s Fund. Aber das ist nur ein Tropfen auf den globalen heißen Stein. Wir müssen alle die globale Klimaerwärmung in den Griff bekommen. Ich habe kürzlich eine öko-apokalyptische Erzählung geschrieben, die in Sri Lanka auf einer "para-klimatologischen Konferenz" spielt. Die Story ist in der Februar-2011-Ausgabe des [www.thehorrorzine.com]http://www.thehorrorzine.com "Horror-Zines" erschienen. Siehe [www.thehorrorzine.com/Fiction/February2011]http://www.thehorrorzine.com/Fiction/February2011/AlexanderBesher/AlexanderBesher.html _Wer sind deine bevorzugten Schriftsteller (nicht unbedingt aus der SF) und Lieblingsbücher?_ _Besher:_ Ganz ehrlich - ich lese nicht viel SF, wenn überhaupt. Es gibt einfach zu viele Klone von "Star Wars". Das Gleiche gilt für Fantasy: Zu viele Klone vom "Herrn der Ringe". Davon mal ganz abgesehen: Die Zukunft ändert sich dermaßen schnell, dass sie bereits Schnee von gestern ist. Schau dir an, was mit William Gibson passiert ist (ich hab "Neuromancer" von 1983 gelesen, und es hat mich praktisch umgehauen) - der schreibt heute über die Gegenwart. Und Neal Stephenson schreibt historische Romane ("Quicksilver-Zyklus", d. Red.). Der sogenannte "magische Realismus hat sich in etwas verwandelt, was ich "weltlichen Fabulismus" nennen würde. Vielmehr lese ich Sachbücher, die etwas mit meiner Buchrecherche zu tun haben. Das Gleiche gilt für Belletristik. Kürzlich hab ich Alfred Döblins Meisterwerk "Berlin Alexanderplatz" gelesen, sowie eine Menge von Isaac Babels Kurzgeschichten, besonders seine Erzählungen aus Odessa. Ansonsten lausche ich dem Radiosender BBC World Service und sehe mir auf meinem Laptop ausgewählte DVDs an. Außerdem schaue ich mir eine Menge Träume an, die zum Glück alle in epischer Länge vorliegen und in der Zukunft spielen. Habe ich schon erwähnt, dass "Manga Man" in einer Welt spielt, in der alle kollektiven Träume privatisiert worden sind? Und dass es eine neuartige Unterhaltungsindustrie gibt, die aus professionellen Traumerzählern besteht, deren Träume (Action, Seifenoper usw.) von einem Publikum aus Schläfern abonniert werden? Faszinierende Traumgeschichten, die man herunterladen kann. Jedenfalls nimmt man das an. _Was muss ein Autor wie du tun, um ein breiteres Publikum zu erreichen, etwa in Deutschland?_ _Besher:_ Keine Ahnung. Ich hab vor Kurzem einen Vertrag mit einem Hollywood-Manager namens Barry Krost unterschrieben. Der stellte den Kontakt zu dem Literaturagenten Steve Troha von Folio Literary Management in New York City her. Ich lehne mich zufrieden zurück und schaue zu, was sie mit all meinem Kram anfangen können. Ich mag Barry, weil er ein charmanter Brite ist und Cat "Yusuf" Stevens ebenso vertritt wie Jackie und Joan Collins. _Lass uns einen Blick in die nahe Zukunft werfen. Was ist das nächste Projekt, das du im Sinn hast? Werden deine Bücher verfilmt werden?_ _Besher:_ Siehe oben. Ja zu Verfilmungen, mehrsprachigen Lunch-Boxen, Spielewelten und Windeln mit Doktortiteln. Als ich die erste Filmoption für "RIM" anno 1995 an Robin Williams (den falschen Typ) verkaufte, wurde der Film n ie gemacht, denn das Budget für die Spezialeffekte hätte alleine schon 100 Mio. Dollar ausgemacht. Heutzutage könnte man sie hingegen ebenso effektiv auf einem Desktop-PC erstellen. Meine andere Hauptbeschäftigung ist das Transmedia-Startup cloudzone. _Würdest du gerne in Europa bekannter sein?_ _Besher:_ Popularität war noch nie meine persönliche Top-Priorität. Sie ist einfach zu abhängig vom täglichen Modegeschmack und den Vorlieben sogenannter Strippenzieher. Scheiß drauf! Die Leute klüger oder sollten klüger sein, als sich vom Löffel der Medien zwangsernähren zu lassen. Sie sollten mehr an ihren eigenen Geschmack glauben. Denn sonst werden sie von dem verschlungen werden, was man ihnen verabreicht. Ganz nebenbei: Ich LIEBE Berlin. Es gehört zu meinen Lieblingsstädten auf der Welt. _Alexander Besher bei |Buchwurm.info|:_ ["Satori City 2.0" (Rim-Trilogie 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7076 ["Virtual Tattoo" (Rim-Trilogie 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7075

Hogan, Chuck – Kopfgeld

_Das geschieht:_

Nachdem er sich im Irak-Krieg bewährt hat, ist Neal Maven, ehemaliges Mitglied der Special Forces, in seine Heimatstadt Boston zurückgekehrt. Ohne Drill und Disziplin hat er den Halt verloren und schlägt sich als Parkplatzwächter durch. Als er dabei eines Nachts von Räubern überfallen wird, setzen die antrainierten Reflexe sich durch: Maven bringt die Ganoven beinahe um.

Der Geschäftsmann Brad Royce beobachtet dies mit Wohlgefallen. Er ist ebenfalls ein Veteran, der es jedoch zu viel Geld gebracht hat. Statt es sich gut gehen zu lassen, ist Royce auf einer neuen Mission im eigenen Land: Seit ein guter Freund den Drogentod starb, hat er der Mafia von Boston buchstäblich den Krieg erklärt. Mit den Elitesoldaten Suarez, Glade, Termino und nun auch Maven überfällt er Großdealer beim Drogenkauf, nimmt ihnen das Geld ab, vernichtet das Rauschgift und lässt die düpierten Opfer von der Polizei auflesen.

Den örtlichen Mafiabossen Broadhouse, Lockerty und Crassion reißt rasch der Geduldsfaden. Sie loben ein gewaltiges Kopfgeld auf die unliebsamen Konkurrenten aus. Die übelsten Killer machen sich auf den Weg nach Boston. Gleichzeitig nimmt Marcus Lash die Verfolgung der Vigilanten auf. Der erfolgreiche Drogenfahnder verfügt über einen ausgezeichneten Spürsinn und gute Unterwelt-Verbindungen, die ihn bald auf die richtige Spur bringen.

Dies gilt auch für die Kopfgeldjäger, sodass Royce und seine Gruppe zwischen Hammer und Amboss geraten. In Boston bricht ein brutaler Straßenkrieg aus, in dem sich die gut ausgebildeten und bewaffneten Ex-Soldaten trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit zunächst mörderisch gut halten, bis Verrat ins wilde Spiel kommt. Wo unbedingter Zusammenhalt erforderlich wäre, bricht zusätzlich heftiger Streit aus, der das Schicksal der Gruppe zu besiegeln droht …

|Dürfen gute Jungs verbotene Dinge tun?|

Schon diese Frage ist eine Provokation. Sie markiert außerdem den Pfad, den Chuck Hogan mit seinem Roman „Kopfgeld“ einschlagen wird. Der simplen Story kann es nur helfen, wenn ihr Verfasser ein wenig wider den Stachel löckt. Selbstjustiz ist vor allem dort, wo sie quasi im Gesetz verankert ist, ein heißes und heikles Thema: In den USA dürfen |bounty hunter| kautionspflichtige Personen jagen, die nicht zum angesetzten Gerichtstermin erscheinen, sondern die Flucht ergreifen. Vigilantentum ist demgegenüber zwar verboten, aber die Trennlinie ist schmal, wie eine lange US-Geschichte entsprechender Lynch-Gewalttaten dokumentiert.

Die Frage bleibt: Kann es gelingen, dem Teufel den Beelzebub auszutreiben? In den Augen vieler Zeitgenossen ist das Gesetz selbst sein ärgster Feind. Während Gauner tun und lassen können, was ihnen einfällt, müssen sich Polizisten oder Staatsanwälte an eng gefasste Vorschriften halten, deren Missachtung den schon gefassten und vor Gericht gestellten Schurken erneut Schlupflöcher öffnen. Der Gedanke liegt nahe, den Strolchen Saubermänner hinterherzuschicken, die dem System gleichfalls nicht verpflichtet sind.

Realiter ist dies nicht grundlos verboten, denn noch immer ging jeder Schuss in diese Richtung nach hinten los. Auch Hogan drückt sich nicht gänzlich um den grundsätzlichen Haken des Vigilantentums: Gut und Böse, Gangsterjäger und Gangster beginnen, sich im Denken und Handeln rasch anzugleichen. Im Dienst der scheinbar guten Sache schlagen die Jäger nicht selten härter zu als ihr Wild.

|Die Spannung der Jagd|

Nichtsdestotrotz bleiben solche Gedankenspiele für Hogan bloß Vorwand. Sein Ziel ist die reine, schnelle Unterhaltung. Die Story beginnt als Zweifrontenkrieg zwischen den Vigilanten und der Mafia, der durch die Einmischung der Polizei und internen Verrat kompliziert wird: Die Gaunerjäger geraten zwischen die Fronten und drohen aufgerieben zu werden.

Damit hat Hogan den gewünschten Punkt erreicht. Er kann die (ohnehin eher pflichtschuldig aufgetischten) Vorgeschichten seiner Figuren vergessen und auf Action-Routine umschalten. Die muss nicht realistisch, sondern nur spannend sein. Anleihen an einschlägige Filme werden gern genommen; sie setzen das Kino im Kopf des Lesers in Gang und ersparen dem Verfasser die Mühe detaillierter Darstellungen.

Die investiert Hogan lieber in die Beschreibung schwerer Waffen, dicker Autos und geschmackfrei eingerichteter Protz-Wohnungen. Die Konvention fordert, dass dieses teure Spielzeug betont lässig behandelt oder im Gefecht zerschroten wird. Grundsätzlich könnten unsere Vigilanten auch in Höhlen hausen und auf Pferden reiten – ein Bild, das den Ursprung dieser Geschichte erfasst, die eindeutig im Wilden Westen wurzelt.

|Harte Jungs für einen harten Job|

Freilich haben die Zeiten sich geändert. Während ein Mann einst angeblich wusste, was ein Mann zu tun hat, kommt ihm nun – s. o. – das System mit seinen Regeln in die Quere. Die nackte Lust zur Ausrottung des Bösen reicht als Begründung nicht mehr. Dieser Entwicklung verdanken wir die lange aber nicht kurzweilige Einleitung zu „Kopfgeld“. Zumindest Royce, der Anführer, und Maven, der Gefolgsmann, müssen Zeugnis ablegen. Wie können aus rechtschaffenen Männern Vigilanten werden?

Erneut hält sich Hogan an einschlägige Klischees und drückt zusätzlich auf die Tränendrüse. Will man ihm Glauben schenken, wimmelt es in den USA von guten Soldaten, die in diversen Schurkenstaaten ihre Köpfe bzw. andere Gliedmaßen hingehalten haben, während daheim Drückeberger, Karrieristen und Gangsterbosse das Ruder übernahmen. Statt die Krieger in der Heimat mit offenen Armen willkommen zu heißen, drückt sie das System schnöde beiseite. Diese simple und nicht nur latent verzerrte Sicht vertritt vor allem Brad Royce, den Hogan gern als charismatischen Anführer charakterisiert sähe. Tatsächlich ist Royce ein Schwätzer, der die Köpfe seiner ratlosen Gefolgsleute sowie viele Buchseiten mit Phrasen füllt, die der Leser lieber überspringt, um sich das Vergnügen an den deutlich besser gelungenen Action-Passagen zu erhalten.

|Holterdipolter plus eine schöne Frau|

Selbstverständlich mischt in „Kopfgeld“ eine schöne Frau mit. Hogan versucht sich an der Schilderung einer „femme fatale“, die klassisch die Männer in ihren Bann zieht und schließlich in den Untergang stürzt. Danielle entspricht den Klischee-Vorgaben so punktgenau, dass der Leser sie keinen Augenblick ernst nehmen kann. Stets trägt sie feinste Designer-Kleidung, dünstet Sex förmlich aus und scheint über dem Boden zu schweben. Ausgerechnet sie, die Gefährtin des Chefs, ist nicht nur untreu, sondern auch noch rauschgiftsüchtig. Diese Kombination soll Gefühlstiefe symbolisieren. Tatsächlich wirkt sie abgeschmackt. Wie Tragik ohne Gefühlsduseligkeit aussieht, belegt deutlich gelungener Lee Child mit seinen Romanen der thematisch ähnlichen „Reacher“-Serie.

Ein Routinier wie Chuck Hogan rührt aus den genannten Ingredienzen dennoch einen unterhaltsamen Thriller an. Er leugnet die Klischees gar nicht, sondern zelebriert sie förmlich. Außerdem tritt er stetig aufs Handlungsgas, während sich das Thema Selbstjustiz in den Hintergrund verabschiedet und vom bewährten Trio Verrat, Rache & körperliche Gewalt ersetzt wird. 450 Seiten verstreichen auf diese Weise wie im Fluge. Die dabei entstandene heiße Luft entspricht der Erinnerung an das Romangeschehen. Es entströmt dem Gedächtnis des Lesers mit Höchstgeschwindigkeit und macht Platz für die nächste Story, die so „clever, schnell und stilsicher“ ist wie „Kopfgeld“ – so urteilt (hoffentlich gut bezahlt bzw. angeblich) jedenfalls Jeffery Deaver auf dem Frontcover.

_Autor_

Charles „Chuck“ Hogan wurde 1968 in Boston, US-Staat Massachusetts, geboren. Dort wuchs er auf, besuchte die High School sowie das Boston College. Auch heute lebt und arbeitet Hogan in seiner Heimatstadt.

Als Schriftsteller veröffentlicht Hogan seit 1995. Bereits sein Debüt „The Standoff“ (dt. „Das Hornissennest“) war ein Thriller, der mit hohem Tempo und schnellen Szenenwechseln Hogans Markenzeichen etablierte. Figurenzeichnung und Charaktertiefe zeigen demgegenüber des Verfassers Hang zum Klischee.

Die Mainstream-Nähe bescherte Hogan nicht nur Verkaufserfolge, sondern machte sein Werk auch tauglich für Hollywood. „Prince of Thieves“ (dt. „Endspiel“) wurde 2010 von und mit Ben Affleck unter dem Titel „The Town – Stadt ohne Gnade“ verfilmt. Die Romanvorlage war 2005 mit einem „North American Hammett Prize“ ausgezeichnet worden.

Ab 2009 verfasste Hogan zusammen mit dem Regisseur Guillermo del Toro (und wohl als federführender Autor) die „Strain“-Trilogie um einen blutigen Krieg zwischen Menschen und Vampiren.

|Taschenbuch: 447 Seiten
Originaltitel: Devils in Exile (New York : Scribner, a division of Simon & Schuster, Inc. 2010)
Übersetzung: Thomas Piltz
ISBN-13: 978-3-453-43539-1|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne

_Chuck Hogan bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Saat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5905
[„Das Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6691
[„Das Blut“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7034

Sykes, Sam – Buch des Dämons, Das (Die Tore zur Unterwelt 1)

_|Die Tore zur Unterwelt|:_

Band 1: _“Das Buch des Dämons“_
Band 2: „Black Halo“ (noch ohne dt. Titel)

_Lenk und seine Gefährten_ sind Abenteurer, und ihr derzeitiger Auftrag besteht darin, einen Priester und Gesandten der Kirche von Talanas auf seiner Reise zu begleiten, als … nun, Erlediger von was eben gerade anfällt. Im Augenblick sind es Piraten. Allerdings verhalten diese sich für Piraten ausgesprochen seltsam. Und Lenk zerbricht sich den Kopf darüber, hinter was sie eigentlich her sind …

_Vordergründig wirkt_ der Haufen um Lenk wüst und roh, außerdem streitet ständig irgendjemand mit irgendwem. Vor allem aber hält sich jeder einzelne für allen anderen überlegen, aus welchem Grund auch immer, und schaut verächtlich auf die anderen herab. Es spricht für Lenks Führungsqualitäten, dass sich diese lose Ansammlung von Individuen trotz mangelnden Zusammenhalts noch nicht in alle Winde zerstreut hat. Allmählich jedoch kristallisiert sich heraus, dass in den einzelnen Figuren mehr steckt, als ihre ruppige, derbe Oberfläche vermuten lässt. Ihre jeweiligen Gedanken geben bruchstückhafte Einblicke in ihre Vergangenheit und ihren kulturellen Hintergrund und offenbaren mit der Zeit auch Motive und Gefühle. Noch kann man nicht unbedingt von echter Tiefe sprechen, aber es entwickelt sich.

Was die Handlung betrifft, so tut sich eigentlich nicht viel. Irgendwann stellt sich heraus, dass es um eine Fibel geht, ein extrem gefährliches Buch, das zu hüten der Priester und Gesandte der Kirche von Talanas eigentlich beauftragt war. Als sie gestohlen wird, machen die Gefährten sich auf, um die Fibel zurückzuholen. Das ist eigentlich schon alles. Natürlich kann man mit einer solchen Geschichte durchaus siebenhundert Seiten füllen, wenn man genug Ideen hat, um die Grundhandlung entsprechend auszuschmücken.

Leider kann man das von Sam Sykes nicht behaupten. Hier gibt es nichts, was dieses Abenteuer spannend, fesselnd oder auch nur interessant macht: Keine Intrigen, keine überraschenden Wendungen, keine unerwarteten Hindernisse. Nicht einmal der Ausgestaltung seiner Welt hat der Autor mehr als nur flüchtige Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Meer mit ein paar Inseln, einige Namen von Göttern, verschiedene Rassen – wobei die Shict ein wenig an recht rabiate Elfen erinnern – das war’s.

Bestenfalls lässt sich sagen, dass Sam Sykes sich große Mühe gegeben hat, sich von allem, was man vielleicht als typisch für Fantasy bezeichnen könnte, fernzuhalten. Hat aber auch nicht so ganz geklappt. Bestes Beispiel ist Lenks Truppe, deren Mitglieder sich ständig zanken. Zwar war es immerhin mal eine Abwechslung, keine Truppe vor sich zu haben, die sich durch völlige Konfliktfreiheit und Selbstaufgabe auszeichnete, aber auf Dauer war das ständige Gezänk zwischen den Gefährten eher anstrengend und irgendwann nervig. Und trotz aller bemühten Harmonieabwehr denkt der Leser angesichts eines Magiers, einer Heilerin, einer Art Elfe und eines Kriegers letztlich doch an eine Rollenspielgruppe.

Bleibt die Frage, womit der Autor dann die Seiten vollgeschrieben hat, auf denen nicht gestritten wird. Die Antwort lautet: Mit Gemetzel. Und zwar ziemlich drastisch dargestelltem Gemetzel. Mal ist der Gegner ein Dämon, mal ein Pirat, mal ein Langgesicht, manchmal schlachten sich auch die Antagonisten untereinander ab, aber letztlich läuft die Sache jedes Mal ziemlich gleich ab: Hack-Knirsch-Spritz. Abgesehen davon, dass eine Geschichte, die nur aus gelegentlich von Streit unterbrochenen Massakern besteht, ziemlich stumpfsinnig ist, frage ich mich, ob wirklich irgendjemand wissen will, wie genau es sich anhört, wenn einem Menschen ein Bein ausgerissen wird, oder wie genau ein Augapfel über eine Schiffsplanke kullert.

Auch mit der Logik ist es nicht allzu weit her. So fragte ich mich, warum ein Buch wie die gestohlene Fibel nicht bei der ersten, sich bietenden Gelegenheit verbrannt wurde. Welchen Grund kann es gegeben haben, so etwas aufzuheben?

_Bleibt zu sagen_, dass die zarten Andeutungen von charakterlicher Entwicklung einiger Protagonisten so ziemlich das einzig Lesenswerte an diesem Buch waren. Die Handlung besteht ansonsten nur aus Gekeife oder dem Verteilen von Blut und Hirnmasse, und so etwas wie der Entwurf einer Welt ist eigentlich gar nicht vorhanden.

Nicht, dass mich Denaos‘ Vergangenheit nicht interessiert, oder die Frage, wieso es außer Gariath keine anderen Rhega mehr gibt, was es mit der Stimme in Lenks Kopf auf sich hat, oder wie es kam, dass Asper ihre beste Freundin getötet hat. Womöglich hätte ich den nächsten Band sogar gelesen. Wenn nicht die neu aufgetauchten Langgesichter dieselbe Sorte blutgieriger Mordlust verkörpert hätten wie vorher die Piraten; oder wenn unter all den Dämonen wenigstens einer gewesen wäre, der sich durch Intelligenz statt durch Grausamkeit ausgezeichnet hätte. Da aber meine Neugierde nicht groß genug ist, um mir ein weiteres blut- und schleimgetränktes Kasperltheater anzutun, werde ich die Antworten auf die wenigen interessanten Fragen in dieser Geschichte nie erfahren.

_Sam Sykes_ ist fünfundzwanzig Jahre alt und stammt aus den USA. „Das Buch des Dämons“ ist sein erster Roman und Auftakt zum Zyklus |Die Tore der Unterwelt|, dessen zweiter Band unter dem Titel „Black Halo“ im März dieses Jahres auf Englisch erschienen ist.

|Taschenbuch: 731 Seiten
Originaltitel: The Aeon’s Gate 1. Tome of the Undergates
Ins Deutsche übertragen von Wolfgang Thon
ISBN-13: 978-3764530556|
[www.randomhouse.de/penhaligon]http://www.randomhouse.de/penhaligon
[samsykes.com]http://samsykes.com

Sternmut, Norbert / Funke, Volker – 88 Rätsel zur Unendlichkeit

_Semantische Forschungsreise in Text und Bild_

Ein Grafiker und ein Schriftsteller haben sich zusammengetan, um ein sogenanntes „Gesamtkunstwerk“ zu schaffen. Nun, im Zeitalter von Multimedia sehen „Gesamtkunstwerke“ wohl anders aus als eine gedruckte Kombination von Grafik und Text, die weder bewegt noch mit Ton unterlegt ist. Umso reizvoller ist es zu sehen, welche Wirkung aus dieser Beschränkung heraus erreicht werden kann.

_Über die Künstler_

Beide Künstler werden am Schluss des Buches ausführlich vorgestellt.

Norbert Sternmut
Norbert Sternmut

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt in Ludwigsburg und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 87 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in der Bildungsarbeit im Bildungszentrum Stuttgart tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de.

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite ist seine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und sein Roman mit dem Titel „Norm@n“ gehören. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

Volker Funke, gen. Funné, geboren 1964 in Heilbronn. 1987-93 Studium an verschiedenen Kunstakademien und Freien Kunstschulen Kunst und Freie Grafik, 1993-97 Studium an der Universität Stuttgart Kunstgeschichte und Philosophie. Seit 1993 freischaffend als Bildender Künstler und Dozent tätig. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Lebt und arbeitet in Heilbronn.

_Der Prolog_

Wie Funke in seinem PROLOG erzählt, entstanden die 88 Collagen am Computer, und zwar während des Halbjahres vom Juni bis Dezember 2000. Es waren seine ersten Arbeiten am Rechner, doch schon bald hatte er den Bogen raus.

Er wollte Rätsel darstellen, aber nicht irgendwelche, sondern solche zur Unendlichkeit. Das seit dem 17, Jahrhundert übliche Symbol dafür ist eine liegende 8, auch als Lemniskate bezeichnet. Diese Schleife ist unendlich und liefert zahlreiche Möglichkeiten, sie zu spiegeln und zu verdoppeln. Daher kam Funke schließlich auch auf die Anzahl 88 … Norbert Sternmuts Gedichte kamen dann im Jahr 2004 hinzu.

Für Esoteriker sei erwähnt, dass die Lemniskate auf der TAROT-Karte des Magus zu finden ist. Der Magus wird auch als Schwindler bezeichnet. Doch wie den Weisen vom Betrüger unterscheiden? Möglicherweise beschäftigen sich deshalb viele der Rätsel mit unendlichen Dingen wie etwa der Zeit und Leuten, die damit zu tun, wie etwa der Erfinder. „Der Erfinder“ ist der Titel des ersten Rätsels, „Die Zeit“ der des letzten.

Dem Prolog ist ein Textzitat angehängt, das angeblich aus einem Buch namens „Der große Magier, 11. Buch, De Tempore“ [Über die Zeit] stammt. Ich kenne dieses Buch nicht, lasse mich aber gerne aufklären.

_Inhalte_

Im Anfang war die Grafik. So eine Grafik scheint auf den ersten Blick rein assoziativ zusammengestellt worden zu sein, um dem gestellten Thema gerecht zu werden. Vielfach sieht man grafische Motive mit Figuren aus dem 19. Jahrhundert oder der Jahrhundertwende von 1900. Es ist manchmal, als läse man den „Struwwelpeter“ oder eine technische Illustration aus jener Zeit.

Diesen Eindruck hebt die Verarbeitung auf: Verfremdende Farben, die recht kräftig wiedergegeben sind, entrücken das Motiv dem Reich des Realismus. Hinzu kommen zwei Konstanten, die in jedem Bild auftauchen: das Buchstabenpaar „UE“ – für Unendlichkeit – und das Zeichen für „acht“ beziehungsweise „endlos“ oder „unendlich“. Am ehesten entsprechen die Motiv-Kombinationen noch dem Rebus-Rätsel.

Mal sehen, was sich der Dichter dabei gedacht hat. Denn die Gedichte dienen nicht allein der Beschreibung der Grafiken, sondern entwickeln vielmehr ein lyrisches Eigenleben, ohne jedoch die Verbindung zur Grafik und deren Thema aufzugeben. Somit entsteht ein Spannungsfeld von thematischen Assoziationen – zwischen Bild und Sprache, zwischen grafischer Aussage (oder Rätsel) und einer möglichen Interpretation durch einen lyrischen Text.

_Die Themen und ihre Verarbeitung_

Was soll denn nun an diesen Bildern und Texten so rätselhaft sein? Und müssen es gleich so viele sein – 88 Stück? (Siehe dazu oben den PROLOG.) Viele Titel verraten schon, um was es in den Texten gehen soll: um geheimnisumwobene Gestalten der Märchen, Mythen und Sagen: Ikarus, der Seher, der Prophet, die Nixe, das alte Weib (eine Hexe?) und den Fliegenpilz, die Nymphe und so weiter. Die entsprechenden semantischen Resonanzräume, die der Begriff öffnet, erkundet der lyrische Text auf seine jeweils eigene Weise.

Die nachzulesenden Ergebnisse sind manchmal originell und vor Ideen sprühend, manchmal abgedroschen und matt. Deutlich ist das Interesse des Dichters für seine Seelenverwandten zu spüren, allen voran Ikarus und „der Narr“. Diese Texte sind entweder voll Leidenschaft oder voll Wortwitz, rühren aber den Leser an. Andere Texte wie etwa „Fliegenparade“ sammeln lediglich – und laut Autor mit Absicht – enzyklopädische Wissenstrümmer, wieder andere, wie „Die Dämonen“, quälen den Leser mit Schreckensvision, wie sie Paul Celan nicht evokativer hätte formulieren können. Hier ist zu spüren, dass Celan („Die Todesfuge“) mit zu den dichterischen und sprachlichen Vorbildern Sternmuts gehört.

Der Dichter sehnt sich nach dem Ausbrechen aus den Vorgaben der Welt, die er in der Mehrzahl seiner Texte erkundet. Das Freudsche „Unbehagen an der Kultur“ wird überdeutlich an den Rückblicken auf Genesis und Propheten: Es gibt keinen Weg zurück zur Unschuld, und auch die Warnungen und Prophezeiungen änderten nichts am Lauf der Welt. Ausbrüche aus den Vorgaben sind Narren und Liebenden vorbehalten.

Die Narren dürfen ungestraft, weil maß-los und unzurechnungsfähig, kritisieren und mit ihrer Narrenkeule strafen („Sei doch ein Narr“). Den Liebenden ist die Tiefe des Eros geöffnet, der als „Jungbrunnen“ fungieren kann, sofern die Kommunikation („Lichtspruch“) klappt. Dabei schreckt das Begehren des Erotikers keineswegs vor Heiligenfiguren zurück, wie der Text „Madonna“ deutlich macht. Grenzüberschreitung ist das belebende Prinzip der Erotik und eine Voraussetzung für befreiende Liebe im Eros – Richtung Unendlichkeit, wie die Grafikzeichen verdeutlichen. Dass der Schelm Hand in Hand mit dem Erotiker geht, versteht sich von selbst. Die „Vorsehung“, der „Brillenmacher“ (Erkenntnisfähigkeit) – sie haben nach ihrem Scheitern ausgedient.

_Mein Eindruck_

Ist das nun ein „Bilder-Buch“ – oder ein Gedicht-Band? Von beidem etwas, also sowohl als auch. Denn beide Komponenten ergänzen und verstärken einander. Obwohl zuerst das Bild kam und der Lyriker sich davon inspirieren (mitunter ‚be-geistern‘) ließ, lädt doch der Text das Bild in umgekehrter Richtung wieder semantisch auf. Natürlich tauchen assoziativ eingesetzte Motive wie etwa ein Frosch oder Käfer in merkwürdig unmotiviertem Kontext in manchen Texten auf. Nicht immer gelingt es dem Lyriker, alle grafischen Elemente unter einen Generalthema-Hut zu bringen. Und nicht immer kommt dabei Lyrik heraus. Der Text über Hildegard von Bingen („Die Kräuterfrau“) ist eher Prosa, wie sie aus einer Enzyklopädie stammen könnte. Und nicht immer stimmen die Titel von Gedicht und Grafik überein, wie man leicht am vierspaltig gesetzten Inhaltsverzeichnis ablesen kann.

„88 Rätsel“ liefern einen Rundumblick über die Welt der Phänomene, doch es ist nur selten ein Blick in die Gegenwart darunter. Gerade, dass mal ein Handy oder ein VW „Käfer“ vorkommt, doch viele mythisch resonante Begriffe stammen aus den Jahrhunderten vor dem schrecklichen zwanzigsten. Nur die moderne Sprache und die skeptische Melancholie bewahren die Lyrik-Grafik-Verbindung vor dem Biedermeiertum. Das Lob des Eros und der Narrheit lassen die Perspektive, den Horizont des Erlebens aus den Schranken des 19. Jahrhunderts ausbrechen.

Ein hohes Ziel hatten sich die beiden Künstler gesetzt, formuliert in Pro- und Epilog-Texten. „Ernsthaft sein, aufwühlend, fragend, / Ergreifend, nicht langweilig, / Kalt oder mürbe“, so sollten die Bild-Text-Kombinationen wirken. Die allerwenigsten dieser Texte sind langweilig, kalt oder mürbe. Doch Zweifel kommen auf hinsichtlich der Fähigkeit einiger Texte, den Leser zu „ergreifen“ und gar „aufzuwühlen“. Vieles ist mir zu „ernsthaft“, wohl wahr, etliches auch Celanisch und zu melancholisch.

Mit ein wenig mehr Mühe und Sorgfalt, so mein Eindruck, wären einige Texte, die bislang noch zerfasern oder ganz in Prosa abgleiten, zu fokussierten Sinn- und Sprachgebilden geworden, deren Wirkung sich der Leser nicht entziehen könnte. Die Offenheit der Form, die lyrischer Text und Grafik anbieten, geboten jedoch möglicherweise das Thema und sein Gestaltungsprinzip: Unendlichkeit, Endlosschleifen, Kombinatorik.

_Unterm Strich_

„88 Rätsel“ ist eine interessante Erkundung der Möglichkeiten, die Grafik und Lyrik in Kombination bieten. Mag auch nicht alles gelungen erscheinen – schon gar nicht auf den ersten Blick -, so bieten sich dem interessierten Leser und Betrachter doch zahlreiche Facetten der semantischen Forschungsreisen, die hier unternommen wurden.

Ziel war es offenbar nicht, Klassiker der Darstellung und Formulierung zu schaffen. Bestimmend ist vielmehr der offene, aber unendliche Prozess- und Experiment-Charakter des Kunstwerks. Wünschenswert wäre eine multimediale Realisierung, in der auch Ton und Musik zu ihrem Recht gelangen. Vielleicht könnte sich einer der Hörbuchverlage für ein solches Projekt erwärmen.

_Warum das Buch so teuer sein muss_

38 Euro sind kein Pappenstiel, wird sich jetzt so mancher Leser dieses Berichts denken. Ob es sich lohnt? Der Grund für den hohen Preis ist das offensichtlich enorm hochwertige Papier, das dem 200-Seiten-Buch auch sein hohes Gewicht verleiht. Die Notwendigkeit, genau dieses und kein billigeres Papier zu verwenden, ergibt sich aus der Wiedergabe der Grafiken. Diese Wiedergabe muss farbecht sein und auch winzige Nuancen und Linien beachten.

Wie oft habe ich schon Druckerzeugnisse gesehen, in denen die Farben verschwammen oder „absoffen“, wie der Drucker sagt. Das lag am billigen Papier, das die Tinte anders als gewünscht aufnahm. So ein Ergebnis kann nicht im Sinne des Urhebers sein. Entweder ganz oder gar nicht, muss hier die Devise sein. Daher besitzt „88 Rätsel“ die Druckqualität eines Ausstellungskatalogs. Und dass diese meist weit über 40 Euro kosten, dürfte sich herumgesprochen haben.

Somit eignet sich das stabil gebundene und vorzüglich gedruckte Buch sowohl als wertvolle Bereicherung einer Kunstbibliothek wie auch als Weihnachtsgeschenk für feinsinnige, für Literatur und Grafik empfängliche Rätselrater.

|Hardcover: 201 Seiten
ISBN-13: 978-3937101354|
[www.wiesenburgverlag.de]http://www.wiesenburgverlag.de

_Norbert Sternmut bei |Buchwurm.info|:_
[„Triebwerk. Gedichte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3752
[„Marlies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1935
[„Der Tote im Park“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3751
[„Photofinish“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7067
[„Absolut, Du“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7068

Norbert Sternmut – Absolut, Du. Liebesgedichte

Eine Feier des Lebens im Eros

Bereits ein Jahr nach „Photofinish“ (1997) veröffentlichte Norbert Sternmut einen weiteren Gedichtband in der Edition Thaleia. Es ist eine deutliche sprachliche Weiterentwicklung hin zu einem eigenständigen Vokabular festzustellen. Zugleich sind deutliche Anklänge an Celans Dichtung und den späten Trakl zu finden, die sich in düsteren Bildern und Todesmetaphern bemerkbar machen. Insgesamt aber bildet „Absolut, Du“ eine Feier des Lebens, herbeigeführt durch eine erotische Erfahrung und Übersteigerung des Leibes, besonders in der Liebesvereinigung.

Der Autor

Norbert Sternmut
Norbert Sternmut

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt in Ludwigsburg und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 87 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in der Bildungsarbeit im Bildungszentrum Stuttgart tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de.

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite ist seine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und sein Roman mit dem Titel „Norm@n“ gehören. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

_Mein Eindruck_

Die Wort- bzw. Bilderwahl und der Gedichtaufbau erinnern häufig an Paul Celan und den späten Georg Trakl. Als würde der Tod, den Celan und Trakl erfuhren und beschreiben, eine Art Geisterlicht auf alles Lebendige und Leibliche werfen, stellt Sternmut in seinen Bilder in auffallender Häufigkeit leibliche Elemente in den Mittelpunkt, vermag diese aber auch zu transzendieren. Der Körper ist ein Mittel, buchstäblich ein Instrument zum Zwecke der Selbstüberhöhung im Reich des Empfindens, des Geistes, der Seele und darüber hinaus.

Das Licht des Tages ist die Gegenwart, und sie wird als Sonnengeflecht, -muster, -gespinst und -teppich beschrieben. In diesem Gewebe findet sich der Körper wieder, gewärmt und fühlend. Im Zentrum des Körpers schlägt das Herz, das zugleich ein Instrument der Empfindung ist. Der „Blutsturz der Tage“ ist ein enger Zusammenhang zwischen diesen beiden Polen.

Dieser Blutsturz wiederum kann durch verschiedene Ereignisse ausgelöst oder wahrnehmbar gemacht werden. Dies kann beispielsweise ganz konkret auf dem Bett der jungfräulichen Braut geschehen. Die blutrote ROSE ist lediglich ein Angramm von EROS und somit Erotik – eine leicht morbide Verknüpfung, die der Fin-de-siècle-Lyrik des frühen Trakl besser ansteht als einem Jünger Celans.

Die „Herzmuschel“ findet sich im „Sommer der Begierde“ unter der erwähnten Sonne der „Sphärenmusik“ und dem „Planetentaumel“ ausgesetzt, so sehr, dass sich der Leib als Instrument der Begierde und der leiblichen Kommunion mit der Geliebten wahrnimmt. In „Instrumental“, einem längeren Stück, wird der Liebesakt Musik, der Leib zum „Klang-körper“ – und nicht nur wegen des Rhythmus‘. Ein Gedicht heißt nicht umsonst „Frühlingsgefühle“.

Gegenbilder des Negativen gibt es genügend: Die „Türme der Trauer“ stehen im „Seelenfeld“ und dem „steinweißen“ „Seelengranit“, gesehen durch „Maskengitter“. Auch lässt sich der Eros in seinen modernen Varianten auf einfache eise durch den Kakao ziehen: In „Fetisch“ führt Sternmut Permutationen mit den Begriffen Lack, Leder, Mutter, Jagd und Sankt Hubertus (Schutzpatron der Jäger) durch und gelangt auf diese Weise zu lustigen bis witzigen Ergebnissen. Permutationstechnik findet sich auch auf das Wort „Fall bzw. fallen“ angewandt, allerdings mit weit weniger reizvollen Resultaten. Die Technik ist zu durchsichtig, die Ergebnisse vorhersehbar, daher unter Wert erreicht.

Wie Celan mit der „Todesfuge“ kann auch Sternmut mit „Echo“ ein langes Werk vorweisen: Es erstreckt sich über rund 17 Seiten. Hier raunt es gar mächtig: Wörter wie „heilig“, „ewig“ und „geheim“ werden keineswegs persifliert oder ironisch gebraucht, sondern als hehre erstrebenswerte Ziele an die Wand der Imagination geworfen. Hier probt Sternmut den hohen Ton Hölderlins, reduziert auf die Vokabeln Celans. Aber wohl ist dem heutigen Leser dabei nicht zumute. Zu oft wurde diese Vokabel in braunen Zeiten missbraucht.

_Unterm Strich_

„Absolut, Du“ ist eine Durchgangsstation im Werke Sternmut, so wie es im Grunde jeder Gedichtband ist. Doch dem Leser bieten sich hier in unscheinbarer Aufmachung – beiger Einband mit schwarz-monochromer Illustration und dunkelblauer Schrift – einige kleine Juwelen von sinnlicher, zuweilen erotischer Dichtung. Diese Edelsteine findet man am Anfang des Bandes häufiger.

Dass Sternmut meines Wissens später einen solchen Ton wie in „Echo“ vermieden hat, ist ebenfalls positiv. Mehr der Gegenwart und ihrem zynischen Urteil zugewandt sind Gedichte wie „Fetisch“, in denen sich erotische „Abweichler“ in sonderbaren Gefilden wie der Jagd wiederfinden. Das zeugt vom Humor und dem kritischen Bewusstsein des Zeitgenossen Sternmut. Angesichts von pathetischen Elogen wie „Echo“ würde man sich mehr davon wünschen.

|Taschenbuch: 128 Seiten
ISBN-13: 978-3924944421|
[www.edition-thaleia.de]http://www.edition-thaleia.de
[ www.sternmut.de]http://www.sternmut.de

_Norbert Sternmut bei |Buchwurm.info|:_
[„Triebwerk. Gedichte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3752
[„Marlies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1935
[„Der Tote im Park“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3751
[„Photofinish“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7067

Sternmut, Norbert – Photofinish. Gedichte

Das Gegenüber im Fixierbad

Der Titel ist Programm: „Photofinish“ gibt den Erfahrungsbereich, aus dem die Metaphern der meisten hier gesammelten Gedichte kommen, vor: Die Fotografie.

Telescop, Camera obscura, Fixierbad, Abbild, Momentaufnahme, Photogen, Aktphoto, Schwarzweiß – die Liste dieser der Fotografie entlehnten Überschriften ist schier unbegrenzt und macht deutlich, wie sehr das Medium der Fotografie unsere Wahrnehmung durchdrungen hat.

Doch die Reibungsfläche, an der sich unsere so geformte Wahrnehmung entzündet, ist keineswegs beliebig. Die Sterne bedeuten uns nichts, wenn sie fotografiert werden. Es muss ein Du geben, das dem Moment der Wahrnehmung (Aufnahme) Bedeutung verleiht. Es muss Du geben, das überhaupt ein lohnenswertes Motiv liefert. Und es gibt ein Du, das dem eigenen Leben ein Art Stativ verleihen kann. Das geliebte Du.

Doch Menschen-Fotografie bedeutet auch Unsicherheit durch Vermitteltheit: Das Medium stellt Abstand zum Original her, verwandelt Realität in Abbild, in Kunst. Diese wiederum ist beliebig reproduzierbar, und das Motiv wird ent-wertet, da beliebig manipulierbar, eine Ware. Doch Waren haben ihren zeitbegrenzten Wert: auf einer Titelseite, die Wünsche abdruckt und Illusionen – das Image als Opfer der Rotationsmaschinen. Nun wird der Original-Augenblick kost-bar.

Lied

Andere Gedichte greifen das Thema Lied auf: Abendlied, Weihnachtslied, Altes Lied. Erinnerungen an Rilke (wer jetzt kein Zuhause hat … in „Vorabend“) werden wach und variiert. Viele Gedichte versuchen die Ver-Ortung des Ich im Universum (Sterne, Galaxien), in der Region (Schwanensee), in der nächsten Umgebung (Reihengräber in „Dichter Nebel“). Doch wo kein Du zu finden ist, herrschen Bilder Einsamkeit, des Alleinseins vor: Nebel, Nacht, Verlus-Erscheinungen wie „wort-, bedeutungs-, spur-los“ usw.

Reime

„Reim dich, oder ich fress dich“? Nicht bei Norbert Sternmut. Seine Verse sind kurze, oftmals ge- und zerstückelte Satzfragmente. Der Leser muss selbst zusammenfügen, was sich ihm als Baukasten darbietet. Auffallend wenige Eigenprägungen sind zu finden: Rotationselend, Grundsatzidylle, Sonnenstrände.

Der Text „Unterwegs“ ist da eine positive Ausnahme:

Unterwegs //
Seelenzangen / ins Gelände gequält.//
Brunnenschutt, du sollst / vergessen sein.//
Augenfalle, geheim, / herzleise abgeblüht / im Schnee davon//
Erzählt ein Aschenrund.//

Kein Kreis von unten her, / der dich nimmt / ins Gestänge, aufspult / auf eine Rolle.//
Rastflucht, / Flächen weithin, Stimmen, / Fassaden, / Sprache unterwegs / ein Sehnsuchtsfalter.//
Von oben her kein Sonnenlaken, / das dich bedeckt / mit Sicherheit / abgesternt / der menschlichen Wunde, / unterwegs auf dem Weisheitsweg, / Holz.

(Alle Zeilenanfänge werden großgeschrieben.)

Mein Eindruck

Norbert Sternmuts Gedichtband „Photofinish“ schneidet ein wichtiges Thema an: Fotografie begegnet uns heute so allgegenwärtig, dass wir sie und ihren Einfluss für selbstverständlich zu halten geneigt sind. Die Macht der Gewohnheit, die normative Kraft des Faktischen. Das war vor 125 Jahren noch nicht so. Fotografie war etwas Teures und Kostbares, den wohlhabenden Ständen vorbehalten. Erst ab 1900 kamen die großen Zeitungen auf, mit neuen Reproduktionstechniken fanden Fotos große Verbreitung. Die Wahrnehmung veränderte sich, die Kunst musste folgen, und Walter Benjamin konnte seinen großen Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit“ schreiben.

Heute ist die Fotografie personalisiert, persönlich geworden, und jederzeit verfügbar, ähnlich wie die genaue Uhrzeit. Dies hat Folgen für die Wahrnehmung und Bewahrung von Sinneseindrücken: Realität festzuhalten wird nicht mehr nur eine Sache des biologischen Erinnerungsvermögens und der individualisierten Weitergabe – sie ist normiert, standardisiert, reproduzierbar, verkommt zur Ware mit Verfallsdatum.

Sternmut untersucht in einigen seiner Texte, wie sich das Paradigma der Fotografie auf die Begegnung mit einem geliebten, emotional nahen Gegenüber auswirkt. Er kommt zum Schluss, dass der Mensch standhält, ja, dem Betrachter selbst einen Halt in der Realität vermittelt. Während das technisch erstellte Abbild nur zeitweiligen Wert besitzt, ist die Nähe zum Du unverzichtbar, weil konstitutiv für das Ich des Betrachters. Wäre das Gegenüber zugleich auch Gegenstand der Fotografie, handelte es sich um ein Modell. Und das wäre etwas ganz anderes.

Der Autor

Norbert Sternmut
Norbert Sternmut

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt in Ludwigsburg und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 87 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in der Bildungsarbeit im Bildungszentrum Stuttgart tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de.

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite ist seine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und sein Roman mit dem Titel „Norm@n“ gehören. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

Unterm Strich

Sternmut greift in „Photofinish“ ein wichtiges Thema der Ästhetik und Wahrnehmung auf, ortet Ich und Du in einem so definierten Paradigma. Seine Ergebnisse sind interessant. Lediglich die sprachliche Eigenständigkeit könnte größer sein. Eigene Prägungen wie in „Unterwegs“ sind zu selten. Und so fand denn auch dieser Lyrikband nur geringe Resonanz in der Presse und beim Publikum. Was durchaus schade ist.

|Taschenbuch: 121 Seiten
ISBN-13: 978-3924944360|
[www.edition-thaleia.de]http://www.edition-thaleia.de
[ www.sternmut.de]http://www.sternmut.de

_Norbert Sternmut bei |Buchwurm.info|:_
[„Triebwerk. Gedichte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3752
[„Marlies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1935
[„Der Tote im Park“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3751