Pauls, Alan – Geschichte der Tränen

_Inhalt_

Er ist ein seltsames Kind, im wahrsten Sinne des Wortes ganz Ohr. Er ist so sehr Ohr, dass alle ihm ihr Herz ausschütten, ihm, dem Knaben, der still da sitzt und mit seinen Autos spielt. Was findet da nicht alles den Weg an den Löckchen vorbei in den kleinen Kopf: Die Fantasien des patriarchalischen Großvaters, einfach alles hinzuwerfen. So ziemlich jeder Gedanke, der dem abtrünnigen Vater (er verließ die Mutter früh) jemals durch den Kopf ging. Die Hoffnungen, Ängste, Träume von Mutter, Großmutter, Hausmädchen. Von Zufallsbekanntschaften.

Der Junge liebt Superman, aber nicht, weil er alles kann, sondern weil er eben nicht alles kann: Er liebt Superman wegen des Kryptonits. Er empfindet Frieden, Glück, Tiefe nur im Schmerz, er IST quasi die Inkarnation der neuen Empfindsamkeit voller heißer Tränen für alles, und zwar so sehr, dass er sie bei anderen nicht dulden kann, so schal und verlogen fühlt sie sich dann an.

Es ist eine seltsame Welt, in der er im Argentinien der 70er Jahre heranwächst, eine Welt voller Soldaten: Soldaten wohnen um ihn herum in seiner Straße, der Ortega y Gasset (die wohl nicht umsonst so heißt), und gemahnen ihn in ihrer Uniformität an Außerirdische. Nichtsdestotrotz sind sie ein Stück Normalität, ebenso, wie es für den Heranwachsenden Normalität ist, linke Politliteratur zu lesen, sich in marxistische Wut hineinzusteigern. Als diese Welten sich allerdings verbinden, zuspitzen, ihre Kombination ein explosives Gemisch ergeben, was er erst versteht, als er im Fernsehen vom Putsch in Chile 1973 erfährt, während dem Präsident Salvador Allende das Leben verliert, muss er sich mit der Welt in seinem Kopf und mit seinem Blick auf das große Ganze neu arrangieren.

_Kritik_

Der Protagonist in Alan Pauls kurzem, wenn auch heftigem Buch ist jung, so jung, dass das Meiste, was geschieht, nicht ihm direkt geschieht, sondern ihm erzählt wird, gezeigt, nahegebracht. Die harten Geschehnisse der Gegenrevolution dringen wie durch Watte zu ihm durch, und gleich dem Kind mit dem Umhang und der absurden Brille auf dem Cover kämpft er vor allem mit Gedankengestalten. Als die Realität in sein Konstrukt einbricht, fehlen ihm zum ersten Mal die Tränen. Das ist absolut bitter, aber grandios verfasst.
Zwar ist diese – tja, sagen wir: Novelle – nur 142 Seiten lang, aber das heißt nicht, dass man sie nebenher weg liest wie nichts. Gegenteilig erfordern Pauls‘ Sätze, kantisch anmutend, wie sie sich über halbe Seiten erstrecken, höchste Konzentration.

Innenansicht, Gefühl, Gedanke, Assoziation umspannen winzige Teilchen harter Fakten, und man muss höllisch aufpassen, dass die einem nicht entgehen. Pauls hat sicher nicht von ungefähr einen kindlichen Protagonisten erschaffen, dem es schwerfällt, das Geschehen mit der Realität in seinem Kopf in Verbindung zu bringen; der nachdenkliche Junge mit dem Hang zu Tränen, ist das perfekte Medium, um Unsicherheit und Unverständnis zu transportieren über etwas, das den Verstand und das Empfinden von Richtig und Falsch übersteigt.

_Fazit_

Das ist gar nicht mal so einfach. Die „Geschichte der Tränen“ ist ganz sicher nicht etwas für jedermann. Es ist es treffendes, schmerzliches kleines Stück Literatur und Geschichte, allerdings ganz sicher nicht in der einfachsten Verpackung. Es möchte richtig behandelt und bedacht sein, und es liegt schwer im Magen.

Versucht es einfach. Geschichten über neue Empfindsamkeit in einer Militärdiktatur findet man schließlich nicht alle Tage. Und wenn es nicht klappt, dann dürfte tröstlich sein, dass die Erzählung nicht gerade leicht zugänglich ist.

Ich wage die Prognose, dass dieses Buch, hoch gelobt von verschiedensten Intellektuellen, an der breiten Masse mehr oder minder gänzlich vorbeigehen wird. Eigentlich schade, denn es beinhaltet Zunder.

|Gebundene Ausgabe: 142 Seiten
Originaltitel: Historia del llanto
Aus dem Spanischen von Christian Hansen
ISBN-13: 9783608937107|
[www.klett-cotta.de]http://www.klett-cotta.de
[de.wikipedia.org/wiki/Alan__Pauls]http://de.wikipedia.org/wiki/Alan__Pauls

Jens Lossau – Nordseeblut

Inhalt

Albert Rothmann hat zwei Bücher geschrieben: Eines wurde von den Kritikern verrissen und verkaufte sich hervorragend, das andere wurde hochgelobt und lag wie Blei in den Regalen. Nun befindet der Autor sich in einer Schaffenskrise, und der lange, kalte, deprimierende Winter droht im Städtchen Norden, direkt am Meer. Eine solche Umgebung |kann| unter diesen Voraussetzungen eigentlich nur jeden fruchtbaren Gedanken absorbieren.

Albert beobachtet zufällig ein paar Halbwüchsige in ihrem Versteck und beschließt, sich mit ihnen die Zeit zu vertreiben und dabei vielleicht neue Ideen zu sammeln. Aus den Tiefen seiner Erinnerung kramt er ein Ungeheuer hervor, Wengry, das er auf die Jungen hetzt.

Jens Lossau – Nordseeblut weiterlesen

Bolaño, Roberto – Chilenisches Nachtstück

Letztes Jahr erschien posthum „2666“ von Roberto Bolaño. Vom Verlag als „Jahrhundertroman“ gepriesen, kommt er auch wie ein Backstein daher – über eintausend Seiten, die erst einmal erobert werden wollen. Wer sich als Leser zunächst lieber eine kleinere Dosis Bolaño verabreichen möchte, dem sei sein „Chilenisches Nachstück“ empfohlen, ein schmaler Band, der aber unbedingt neugierig auf mehr macht. Schließlich kam der 2003 verstorbene Bolaño ohnehin erst spät zu literarischem Ruhm, es gibt also noch einiges zu entdecken!

Das Nachtstück liest sich wie ein Fiebertraum, denn das ist es auch. Es handelt sich um die fiebrigen Gedanken des Sebástian Urrutia Lacroix kurz vor dessen Tod. Im Bett liegend und Gevatter Tod praktisch schon im Zimmer sehend, wehrt er sich vehement gegen die Vorhaltungen des in der zukünftigen Erzählung immer wieder auftauchenden vergreisten Grünschnabels, offensichtlich eine Personifikation des Gewissens Lacroix’. Als Priester, Dichter und Literaturkritiker hat er sich immer der Wahrheit verpflichtet gefühlt, versichert er zunächst überzeugend, denn „der Mensch hat die moralische Verpflichtung, sich für seine Handlungen verantwortlich zu erklären“. Das klingt zunächst edel und bewundertswert, doch stellt sich bald heraus, dass Lacroix es mit seinen hehren Moralansprüchen selbst nie so genau genommen hat.

Zunächst lässt er jedoch sein Leben Revue passieren: Wie er nämlich als junger Priester und Autor in spe den Literaturkritiker und -förderer Farewell kennenlernt, in seinem Einflussbereich ungefähr vergleichbar mit einem chilenischen Reich-Ranicki. Von Farewell wird er in die literarischen Zirkel eingeführt, er lernt Pablo Neruda kennen und versucht sich an ersten Literaturkritiken, die er von nun an regelmäßig in der Zeitung veröffentlichen soll, bis er sich selbst den Ruf eines einflussreichen Kritikers erarbeitet hat.

Episodenhaft werden dann verschiedenen Stationen in Lacroix’ Leben geschildert: Wie er Europa bereist, um heraus zu finden, wie man Gotteshäuser vor Taubenscheiße schützen kann, wie er sich an Lyrik probiert. Und es geht um den Literaturbetrieb, immer und immer wieder. Schließlich wird die Erzählung jedoch in den Ereignissen der späten 70er Jahre kulminieren – in der Regierung Allendes und dem darauffolgenden Putsch durch die Militärjunta Pinochets. Solcherart weitgreifende politische und gesellschaftliche Ereignisse sind jedoch nur ein Ärgernis für Lacroix. Als Allende an die Macht kommt, verweigert er sich dem gesellschaftlichen Umsturz quasi durch innere Emigration: Er liest die Griechen: „Allende fuhr nach Mexiko und zu den Vereinten Nationen in New York, und es geschahen mehr Attentate, und ich las Thukydides.“ So geht das seitenweise – es spielen sich politische Umbrüche ab und unser Priester vergräbt sich in jahrtausendealten Schriften, anstatt am historischen Moment vor seiner Haustür teilzuhaben.

Als dann Pinochet an die Macht kommt, wird er von der Junta als Lehrer für Marxismus engagiert, denn Pinochet will lernen, seine Feinde besser einzuschätzen. Lacroix fügt sich, freut sich über das Kompliment ein guter Pädagoge zu sein und findet Pinochet „überaus reizend“. Seiner Aufgabe geht er nach, ohne die Hintergründe zu hinterfragen als ginge es einzig um Wissensanreicherung zur Erbauung der Teilnehmer.

Sein Ausflug in politische Sphären ist nur scheinbar von kurzer Dauer. Während der Diktatur, als eine strenge Ausgangssperre verhängt wird, treffen sich die Intellektuellen von Santiago bei Maria Canales, einer angehenden Schriftstellerin, die ihr Wohnzimmer in einen Salon verwandelt, wo sich mehrmals wöchentlich Schriftsteller und Maler über Kunst, Literatur und Kultur im allgemeinen auslassen. Nur zufällig verschlägt es einen der stark angeheiterten Gäste in den Keller des Wohnhauses, wo er eine gefesselte und geknebelte Person auf einem Bett vorfindet. Doch anstatt das Gesehene anzusprechen, schließt er die Tür und kehrt ins Wohnhaus zurück. Erst nach Pinochets Sturz stellt sich heraus, dass Marias Mann zur Geheimpolizei gehörte und den Keller für Verhöre nutze. Nicht aber für Morde – außer einer der Gefangenen sei zufällig an der Folter gestorben.

Hätte Lacroix das wissen können? Ahnen können? Hätte er handeln können oder sollen? Vollmundig sagt er von sich selbst: „Ich wäre imstande gewesen und hätte etwas gesagt. Aber ich habe nichts gesehen. Ich habe nichts gewusst, und dann war es zu spät.“ Ist es tatsächlich so einfach? Wohl kaum. Denn um seinem eigenen moralischen Anspruch zu genügen, hört er bewusst weg, sieht bewusst weg (und liest griechische Klassiker), damit er am Schluss behaupten kann, doch von nichts gewusst zu haben. Er wäscht seine Hände in einer Unschuld, von der er genau weiß, dass er sie teuer erkauft hat.

Lacroix hält sich für einen Intellektuellen, einen empfindsamen Menschen. Dass allein schon stellt ihn moralisch über die breite „barbarische“ Masse Chiles, von denen viele einfach nichts wissen. Diese Arroganz, diese Ich-Bezogenheit der Kultur ist es, was Bolaño verurteilt. So lässt er beispielsweise Pinochet erläutern, dass er drei Bücher geschrieben habe (und unzählige Artikel) und „niemand hat mir dabei geholfen“ versichert er, ganz so, als sei der Akt des Bücherschreibens das, was einen Menschen adelt. Als mache ihn diese Tatsache allein zu einem grundsätzlich besseren Menschen. Und hier scheitert eben auch Lacroix selbst, der als Literaturkritiker durchaus Einfluss gewinnt, aber nie über den Literaturbetrieb hinaus auf das große Ganze blickt – bis zum Moment seines Todes, indem auch er seine Augen nur noch mit Mühe vor vergangenen Fehlern verschließen kann. Für ihn zählt einzig das geschriebene Wort, politische Ereignisse oder moralische Verantwortung fallen nicht in seinen Einflussbereich. Doch kann das Leben wirklich so einfach sein? Kann man sich so ein reines Gewissen bewahren?

„Chilenisches Nachtstück“ könnte ein schweres Buch sein. Wer es aufschlägt, wird nicht einen Absatz finden. Wer es anliest, wird schnell feststellen, dass wörtliche Rede in der Erzählung Lacroix’ quasi verschwindet. Sätze ergießen sich über mehrere Seiten, Erzählstränge gehen mühelos ineinander über. Und trotzdem liefert Bolaño ein Büchlein, das sich unglaublich leicht liest, sodass man als Leser all seine Konzentration auf das Gesagte lenken kann, ohne das „wie“ überdenken zu müssen. Was nicht heißt, dass das weniger beeindruckend wäre. Dass beides hier so elegant ineinander läuft, ist sicherlich auch der Arbeit des Übersetzers Heinrich von Berenberg zu verdanken.

Bolaños „Chilenisches Nachtstück“ weist mit seiner universalen Problematik weit über Chile hinaus. Ganz persönlich darf sich jeder Leser fragen, wovor er die Augen und Ohren verschließt. Und wie er meint, am Sterbebette den vergreisten Grünschnabel ruhig stellen zu können.

|Taschenbuch: 160 Seiten
ISBN-13: 978-3423138802
Originaltitel: |Nocturno de Chile|
Deutsch von Heinrich von Berenberg|

Lupton, Rosamund – Liebste Tess

_Inhalt_

Beatrice beginnt einen Brief an ihre Schwester Tess, auf den sie nie eine Antwort erhalten wird, wie sie weiß: Tess ist tot. Selbstmord, sagen Polizei, Psychiater und selbst die Mutter. Schwachsinn, weiß Beatrice. Niemals – niemals! – hätte Tess sich das Leben genommen, dafür hat sie es zu sehr wertgeschätzt, selbst in dunklen Stunden.

Auf ihrer von allen Seiten behinderten Suche nach der Wahrheit beginnt Beatrice, sich zu verändern. Nichts ist mehr wichtig als herauszufinden, wer der Mörder der geliebten jüngeren Schwester ist. Bald steht Beatrice völlig allein da, allein mit sich, mit ihren Gedanken, mit ihrer Angst und mit dem Brief an Tess, in dem sie schildert, wie sie der Geschichte des angeblichen Selbstmordes auf den Grund zu gehen versuchte. Beatrice verletzt Regeln, überschreitet unsichtbare Grenzen, streift ihren eigenen schützenden Kokon ab, während ihrer immer rabiater werdenden Nachforschungen. Der Tod der Schwester erschafft einen völlig neuen Menschen, ermöglicht Beatrice einen Blick über den Tellerrand. Erstaunt stellt sie fest, wie mutig sie eigentlich ist.

Beatrice ist es schließlich egal, welche Brücken sie hinter sich verbrennt. Alle anderen müssen Unrecht haben, weil das Einzige, dessen sie sich noch sicher ist, das Bild der Verstorbenen ist, das sie im Herzen trägt. Später, wenn die Wahrheit ans Licht gekommen ist, kann man sich immer noch mit den Trümmern beschäftigen, die sie während der Suche hinterlassen hat. Was Beatrice nicht mit einrechnet, ist eine folgenschwere Tatsache: Wenn sie tatsächlich richtig liegt mit ihrer Vermutung, dann ist dort draußen jemand, der vor der Auslöschung eines Menschenlebens nicht zurückschreckt. Dieser Jemand kann es nicht gutheißen, wenn sich ein anderer so penetrant an seine Fersen heftet. Und wenn niemand ihre Vermutungen Ernst nimmt, dann kann auch niemand sie vor der Gefahr schützen, die von dem Unbekannten ausgeht …

_Kritik_

„Liebste Tess“ beginnt als spannender Krimi und sorgfältiges, liebevolles Psychogramm zweier unterschiedlicher Schwestern. Es fesselt direkt von Anfang an; die Protagonistinnen – denn durch die warmen Erinnerungen Beatrices sind es sind zwei, obwohl Tess bereits tot ist – stehen dem Leser direkt vor dem Auge, heben sich gegenseitig hervor durch ihre Unterschiedlichkeit. Naturgemäß sorgt die Form des Romans, der lange Brief, dafür, dass alles über Introspektion vermittelt wird. Diese Umsetzung ist schlichtweg genial gelungen, es ist großartig, den Prozess nachzuvollziehen, den Beatrice durchmacht: Von der emotional sorgfältig abgeschotteten Businessfrau, deren über Jahre hinweg unmerklich gewachsener Panzer durch den jähen Schmerz über den Verlust der Schwester Risse bekommt, die sich im Laufe der Zeit mit jedem Regelbruch, mit jeder Neuverortung alter klischeehafter Betrachtungen vertiefen, bis schließlich die äußere Hülle ganz wegbricht und ein neuer, verwundbarer Mensch da steht, bei dem man nicht weiß, ob er dem Wahnsinn anheim fällt oder sich in erneuerter Stärke streckt. Allein für diese Beschreibung würde ich der Autorin am liebsten tonnenweise Preise verleihen: Sie ist so unmittelbar, psychologisch glaubwürdig und lebensnah gelungen, dass das Lesergehirn nicht anders kann, als in Loblieder auszubrechen.

Aber das ist ja nur ein Teil des Romans; die Krimihandlung steht dem in Güte nichts nach. Der Fall ist so derartig verwickelt, dass man wirklich überhaupt keine Ahnung hat, worum es gehen könnte, und sich gemeinsam mit der Protagonistin in wilden Anschuldigungen gegen alles und jeden ergeht. Man kombiniere das Ganze mit einem traumschönen Stil voller unverbrauchter, aber eingängiger Bilder, die individuell wirken und die Persönlichkeiten der Helden nochmals unterstreichen, und mit einem Ende, das ein absoluter Knalleffekt ist, und hat einen der besten Erstlinge, die man sich nur wünschen kann.

_Fazit_

Es gibt wenig mehr zu sagen. „Liebste Tess“ ist ein Wahnsinnsroman, den nicht zu lesen einem Verlust gleichkäme. Lesen!

|Gebundene Ausgabe: 383 Seiten
Originaltitel: Sister
Aus dem Englischen von Barbara Christ
ISBN-13: 9783455402841|
[www.hoffmann-und-campe.de]http://www.hoffmann-und-campe.de
[www.rosamundlupton.com]http://www.rosamundlupton.com

Schumacher, Lutz – Ich kann so nicht arbeiten – Geschichten aus dem Büro

Scherereien am Arbeitsplatz? Unqualifiziertes ‚Fachpersonal‘? Vetternwirtschaft? Die Episoden, die sich in den Büros größerer Konzerne unter vorgehaltener Hand abspielen, sind manchmal definitiv traurig und witzig zugleich – und wert, sich einmal intensiver damit zu befassen. Lutz Schumacher hat die Zeichen der Zeit erkannt und seinen Lieblingsschützen Harald Grützner in den Alltag der Büroarbeit eingeflochten – und dabei wahrhaftig Grandioses zustande gebracht!

_Harald Grützner hat_ sich selbst in die Sackgasse manövriert: Führerschein gefährdet, Job riskiert und nun vom Außen- in den Innendienst versetzt. Als der Gebeutelte schließlich zum verabredeten Termin pünktlich um 9 Uhr die Hallen der Münchener Vertretung des Schokoladen-Multis, der Candy Gmbh, betritt, scheint tatsächlich alles schief zu laufen. Hundekot unter den Schuhen, vom Regen durchnässt und an der Rezeption direkt patzig angemacht, weil das Äußere auf einen Penner schließen lässt. Grützner ist erstmal bedient und erträgt mit allerlei Geduld den Hohn und Spott der beiden vorurteilsvollen Damen am Schalter. Als ihm jedoch niemand so recht mitteilen kann, wo sich genau die Büros der Personalabteilung befinden, tritt er die Flucht nach vorne an, nur um immer noch weiter herumgeschubst und verbal angegriffen zu werden. Dank mehrerer glücklicher Fügungen erreicht er mit reichlich Verspätung sein neues Büro – und blickt dort in allerlei verdutzte wie genervte Gesichter. Denn Grützner ist nicht nur der neue Mitarbeiter, sondern löst eine Kollegin auch völlig überraschend in der dortigen Leitungsstelle ab. Das Drama beginnt – und damit auch ein Leben voller Schikanen im absolut nicht prunkvollen Büroalltag …

_Die Geschichte, die_ Lutz Schumacher hier von einem eigentlich qualifizierten, letzten Endes aber völlig überforderten Büro-Neuling erzählt, ist natürlich die pure Satire, als solche absolut überzogen dargestellt, mit Klischees überfrachtet und von Charakteren umgeben, bei denen der Autor die Grenzen bewusst ausreizt. Doch der Humor ist genial, die vielen Rollen, die Schumacher dem Personal des Süßwarenherstellers zuordnet, sogar wirklich fantastisch ausgearbeitet. Alleine in Grützners eigenem Büro trifft man auf eine Handvoll klassischer Stereotype und Unsympathen, die in der vorliegenden Konstellation für eine spannende und unglaubliche unterhaltenswerte Interaktion sorgen. Da wäre zum einen Dorothea, zunächst Leiterin, dann unfreiwillig abgelöst und entsprechend frustriert. Während sie noch die offensichtlichste Partnerin für jedwede Konfrontation ist, winkt aus der hinteren Ecke Peter Schwarz, auch schwarzer Peter genannt. Der Ex-Student, der es nie zu etwas gebracht hat, bringt es in wirklich jeder Situation auf einen unqualifizierten Kommentar und stellt vor allem die Geduld seines neuen Chefs immer wieder gewaltig auf die Probe – zumal er auch spricht, wenn er nicht sprechen soll!

Aber auch ruhigere Figuren begleiten Harald durch seinen neuen Alltag. Kirsten beispielsweise ist eine jener Damen, deren Durchsetzungskraft gen Null tendiert. Jeden Morgen verfehlt sie bei ihrem Stammbäcker die geliebten Käsebrötchen und muss sich mit den Resten zufriedengeben, die ihr absolut nicht zusagen. Nichtsdestotrotz investiert sie jeden Tag 3,50 für ihr Frühstück, weil ein Affront gegen die Verkäuferin mit ihrem schmalen Selbstvertrauen nicht zu vereinbaren wäre. Oder Gaby, die vollbusige Blondine, die ihren Job einzig und alleine deswegen noch innehat, weil ihre körperlichen Reize in der Führungsetage von Zeit zu Zeit genau auf den richtigen Geschmack trafen. Und schließlich Frank, ein Eigenbrödler, der selbst zu den feierlichsten Anlässen noch einen karierten 80er-Pulli trägt und eigentlich nur den ganzen Tag aus dem Fenster starrt – und dafür auch noch befördert wird!

Sind die Personalien rein inhaltlich schon ein echter Brüller, steigert sich Schumacher fortwährend in der Situationskomik, gerade dann, wenn besagter schwarzer Peter mal wieder eines seiner spitzfindigen Statements abgibt und damit die Absurdität mancher Szene noch einmal richtig hervorhebt. Angefangen bei den skurrilen Erlebnissen auf der betriebseigenen Weihnachtsfeier über die skandalösen Vertragsverhandlungen mit dem Vertrieb, bis hin zu jenem Konflikt den Grützner mit Andy, einem Abgesandten der IT-Abteilung, auszutragen gezwungen ist, bietet „Ich kann so nicht arbeiten“ unzählige Episoden, die hier und dort sicherlich auch einen realen Background haben, aufgrund ihrer authentischen Darstellung aber vor allem das Potenzial haben, die Lachmuskeln mal gehörig durcheinanderzubringen. „Willkommen im Irrenhaus“, mag man daher auch auf nahezu jeder Seite denken – doch genau dieser irre Charakter ist es, der dieses Buch zur absoluten Pflichtlektüre im derzeitigen Satire-Sektor macht. Besser auf den Punkt gebracht bzw. mit Klischees angereichert als dieses kurzweilige Werk hat die Tücken der Büroarbeit bislang jedenfalls niemand! Und deswegen muss man sich auch nicht schämen, wenn man hier phasenweise wirklich Tränen lachen muss …

|Hardcover: 224 Seiten
ISBN-13: 978-3442312368|
[www.randomhouse.de/goldmann]http://www.randomhouse.de/goldmann

Félix J. Palma – Die Landkarte der Zeit

Die Handlung:

Andrew hat seine große Liebe verloren und begibt sich auf eine Zeitreise in die Vergangenheit, um sie wiederzugewinnen. Claire langweilt sich im viktorianischen London und verliebt sich in einen Mann aus der Zukunft. Und Inspektor Garrett jagt einen zeitreisenden Mörder … Alle Fäden laufen bei einem dämonischen Bibliothekar zusammen. Denn er kennt das Geheimnis der Landkarte der Zeit. Gibt es die Zeitreisenden wirklich oder ist alles nur Illusion? Kann man Fehler aus der Vergangenheit ungeschehen machen? Und ist die Liebe wirklich stärker als die Zeit?
(Verlagsinfo)

Das Hörerlebnis:

Der Einleitungssatz zum Hörbuch wird von Oliver Rohrbeck gesprochen, was den geneigten „Drei ???“-Fan zum Grinsen bringt und eigentlich nur noch Jens Wawrczek vermissen lässt, damit das Detektiv-Trio aus Rocky Beach komplett ist. Aber allein schon der Erzählstil des Autors lenkt den Hörer sofort in die gewünschten Bahnen.

Die Geschichte spielt in der viktorianischen Zeit, die Sprachwahl des Autors ist entsprechend und Andreas Fröhlich vermittelt beides perfekt. Wenn es die Umstände und die teilweise verschachtelten Sätze verlangen, spricht er ruhig und erklärend. Und wenn die Spannung steigt und die Charaktere aufgeregt sind, gibt Fröhlich auch das glänzend an den Hörer weiter.

Ihm gelingt es, die Charaktere unterschiedlich und wiedererkennbar zu halten, und das ganz ohne laut zu werden oder seine Stimme unnatürlich zu verstellen. Im zweiten der drei Teile spendiert Fröhlich einem Charakter einen ausländischen Akzent, was bei anderen Produktionen von seinen Kollegen auch oft gemacht wird, aber selten gut oder wenigstens glaubhaft. Fröhlichs Interpretation wirkt hier stimmig und belustigend. Eine leichte Modulation der eh schon angenehmen Stimmfarbe reicht bei ihm oft aus, und eine kurze Variation der Sprechgeschwindigkeit und schon weiß der Hörer, wen er vor sich hat. Allein „Salomon“, der Anführer der Roboter, klingt von der Stimmfarbe und der monotonen „Sprachmelodie“ her ein wenig nervig.

Die einzige leichte Irritation ist das teilweise lautstarke Ausatmen durch die Nase, als hätte der Sprecher Polypen oder Schnupfen. In Seufzer-Situationen ist so etwas absolut angebracht, aber wenn es dem Hörer einmal zwischendurch als störend aufgefallen ist, hört er es immer wieder und wartet förmlich auf den nächsten „alte Männer Nasenatmer“.

Das allerdings ist natürlich Pedanterie, denn Fröhlich gibt eine großartige Vorstellung ab, die absolut zu überzeugen weiß.

Absolut zurecht hat der Autor für das Buch im Jahr 2008 den Literaturpreis „Premio Ateneo de Sevilla“ gewonnen. Hier passt einfach alles unglaublich gut zusammen. Die Sprachwahl, das Zeitalter, die Geschichte, die Handlungsfäden, die Spannung, die miteinander verflochtenen Genres, die eine spannende Symbiose eingehen und sich in ihrer Gesamtheit vor H. G. Wells verneigen. Und das nicht nur, weil er selber einen Platz im Roman bekommen hat.

Drei Erzählstränge, viktorianische Liebesgeschichten, eine Zeitmaschine, Jack the Ripper und Morde mit Waffen aus der Zukunft … wer hätte gedacht, dass das alles zusammen in einem Roman funktionieren könnte. Palma beweist, dass es geht.

Der Sprecher:

Andreas Fröhlich von „Die drei ???“ ist einer der bekanntesten und beliebtesten Sprecher. Er ist die feste deutsche Synchronstimme von u. a. John Cusack, Edward Norton, Ethan Hawke sowie Andy „Gollum“ Serkis und hat zahlreiche erfolgreiche Hörbücher wie z. B. die „Eragon“-Trilogie von Christopher Paolini eingelesen. Für „Der Herr der Ringe“ führte er zudem die Synchronregie und schrieb das Dialogbuch. (erweiterte Verlagsinfo)

Die Ausstattung:

Neun CDs in einer Klappdeckelbox. Das klingt schlicht und ist leider auch genau das, was man bekommt. Die CDs sind zwar in Eierschal eingefärbt und damit nicht entsprechend dem Sepia-Thema der Box, aber da sie lediglich mit Titel, Autor- und Sprechername bedruckt sind, bleiben große Teile der Oberfläche scheinbar leer. Eine clevere Idee allerdings ist, die CD-Nummer jeweils an der richtigen Stelle eines aufgedruckten Ziffernblattes darzustellen. Leider ist das Ziffernblatt aber so blass, dass es erst beim näheren Betrachten zu erkennen ist und dann auch so aussieht, als hätte etwas auf die CD abgefärbt.

Auch die Einzelverpackungen der CDs sind an Schlichtheit kaum zu überbieten. Geschützt werden sollen die CDs durch dünne schwarze Papierhüllen mit Sichtfenster, die ihren Inhalt aufbewahren, aber weder schützen noch optisch gefällig präsentieren können.

Das sechsseitige Booklet ist ansprechend gestaltet und in Sepia gehalten. Hier werden die Charaktere der Geschichte nicht nur genannt, sondern auch mit einer zusätzlichen Kurz-Info beschrieben. Zusätzlich gibt es noch Informationen dazu, wie viele Tracks auf den CDs sind und wie lang die Gesamtspieldauer der einzelnen CDs ist. Außerdem liegt noch ein Gesamtverzeichnis des Verlages bei.

Mein Fazit:

Ein toller Genremix zwischen Liebe, klassischem Zukunftsroman und Krimi, der in einer interessanten Zeit spielt, sich passend auszudrücken weiß und von einem der besten deutschen Sprecher perfekt ins Ohr transportiert wird.

Gekürzte Lesung auf 9 Audio-CDs
Gesamtspielzeit: 640 Minuten, aufgeteilt auf 97 Tracks
Originaltitel: El mapa del tiempo (2008)
Aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen
ISBN-13: 978-3-8398-1057-6
www.argon-verlag.de

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Effenberg, Claudia – Eigentlich bin ich ja ganz nett

Dass Claudia Effenberg bereits ihre eigene Biografie schreibt, mag für all diejenigen, die sich zumindest ein wenig mit dem einstigen Model und der Frau des berühmten Fußballers beschäftigt haben, recht befremdlich anmuten – denn an sich betrachtet hat diese Dame in ihrer medialen Laufbahn noch nicht derart viel (respektvolle) Beachtung bekommen, als dass hierfür die Berechtigung, geschweige denn ein Markt bestehen könnte. Die einstige Gattin von Ex-Bayern-Star Thomas Strunz hat ihr erstes Buch allerdings auch aus einer ganz eigenen Motivation geschrieben. Der Antrieb bestand darin, Mut zu machen, den Kampfgeist zu wecken und aufzurütteln, dass man mit ganz normalen Mitteln, aber eben mit dem nötigen Ehrgeiz, mehr erreichen kann, als man sich vorab je zugetraut hätte. Doch ist „Eigentlich bin ich ja ganz nett“ daher gleich das Buch einer ambitionierten Feministin? Oder sind es letzten Endes doch nur wiedergekäute Erfahrungswerte einer Karrierefrau, die das Glück hatte, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein?

Die 160 Seiten, die Claudia Effenberg damit verbringt, ihren Erfahrungsschatz auszubreiten und persönliche Episoden aus ihrem Leben zu erzählen, lassen eher auf Letztgenanntes schließen. Die Autorin berichtet in erster Linie aus einer Art Rechtfertigungshaltung, die ihr stellenweise zweifelhaftes Bild aus den Medien zurechtzurücken bemüht und in der Gesamtdarstellung sehr plakativ wirkt. Effenberg schildert ihre Rolle als Mutter und Kämpfernatur, beschreibt die Probleme ihrer Ehe, ihre dauerhafte Medienpräsenz und letzten Endes auch den Weg, der sie in diese Position gebracht hat. Eine Menge Pathos ist im Spiel, wenn Effenberg auf relativ lockere Weise ihr Verhältnis zum Elternhaus und ihrer Schwester analysiert und immer wieder darauf zurückkommt, wie viel Herzblut sie in ihre Laufbahn investiert hat. Das alles ist bis zu einem gewissen Punkt auch recht unterhaltsam, führt allerdings schnell dazu, dass man sich durch die ständigen Wiederholungen auch gewissermaßen genervt fühlt. Bereits nach dem ersten Streckenabschnitt durchschaut man schließlich, dass die Motivation hinter dem Buchprojekt nicht lautete, eine fundierte Biografie zu schreiben, sondern einfach nur ein Buch auf den Markt zu bringen, dessen Triebfeder der klangvolle Name sein sollte. Es ist letzten Endes bei Weitem zu wenig Content, der den Leser bei der Stange halten könnte, und – eigentlich am schlimmsten – fast gar nichts, was man aus dem Geschriebenen mitnehmen und für sich herausziehen könnte, da es schwerfällt, Claudia Effenberg als Identifikationsfigur und Vorbild anzunehmen und ihre oberflächlichen Weisheiten produktiv zu verinnerlichen.

Schlussendlich ist „Eigentlich bin ich ja ganz nett“ daher auch in erster Linie ein Titel für die Klatschpresse, ein Statement aus erster Hand, jedoch zu einigen Themengebieten, die im Revolverblatt besser aufgehoben sind als in jedem erdenklichen Buchtitel. Es ist sicher in Ordnung, dass Claudia Effenberg ihr enormes Mitteilungs- und Geltungsbedürfnis in einem solchen Werk zum Ausdruck bringt. Aber die alles entscheidende Frage bleibt trotzdem bestehen: Wer soll das lesen?

|Taschenbuch: 168 Seiten
ISBN-13: 978-3426783320|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de/home

Battles, Brett – Profi, Der

_Das geschieht:_

Jonathan Quinn ist ein „Cleaner“ im Agentenmilieu. Für seine Auftraggeber untersucht er geplante Treffpunkte, organisiert Überwachungen oder ‚reinigt‘ Tatorte von entlarvenden Indizien. Er ist nie neugierig und will nur das Notwendige über einen Job wissen, weshalb er sich länger gehalten hat als viele Kollegen. In letzter Zeit arbeitet Quinn exklusiv für das „Office“, das – vielleicht – dem US-Geheimdienst angegliedert ist. Leiter Peter schickt ihn ins winterliche Colorado, wo Quinn den Tod von Robert Taggert untersuchen soll, der offenbar beim Brand seines Ferienhauses umkam.

Quinn hegt Zweifel, die sich verstärken, als er im Kofferraum von Taggerts Wagen die Leiche einer „Office“-Kurierfrau findet. Dennoch kehrt er auf Peters Wunsch nach Los Angeles zurück, um auf weitere Anweisungen zu warten. In seinem Haus wird Quinn schon in der folgenden Nacht vom Cleaner Gibson überfallen, der sich als Killer Geld dazuverdienen möchte: Auf Quinn wurde ein Kopfgeld ausgesetzt. Da Gibson seine Attacke nicht überlebt, bleibt Quinn ratlos zurück.

Kurz darauf werden die Agenten des „Office“ systematisch ausgelöscht. Nur Peter bleibt verschont. Quinn flüchtet mit seinem ‚Lehrling‘ Nate nach Saigon. Dort lebt seine alte Freundin Orlando, der allein er noch vertraut. Ebenfalls auf seiner Seite ist anscheinend Cleaner Duke, der Quinn bittet, ihn bei einem Überwachungsauftrag in Berlin zu unterstützen. Quinn wittert eine Falle, sagt aber zu.

Noch in Vietnam ermittelt Quinn den serbischen Kriegsverbrecher, Psychopathen und Mietkiller Borko als möglichen Mann hinter den Anschlägen. Auf den trifft er in Berlin, wo er wie befürchtet in eine Falle läuft. Erneut kann Quinn entkommen, aber Orlando und Nate wurden offenbar von Borko gefangen, weshalb der einsame Cleaner sein beachtliches Fachwissen einsetzen muss, um sich und seine Gefährten zu retten …

_Parallelwelt im Zwielicht_

Niedergeschriebene Gesetze sollen Ordnung in den komplexen und komplizierten Alltag des zwischenmenschlichen Zusammenlebens bringen. Allerdings halten sich die Bösewichter dieser Welt nicht an diese Regeln, während die Gutmenschen, die sich gegen solche Spielverderber durchaus zur Wehr setzen dürfen, bei deren Verfolgung besagte Gesetze beachten müssen. Das ist natürlich schwierig und unfair, weshalb die Guten sich seit jeher Gedanken darüber machen, wie man – selbstverständlich nur zum im Dienst der gerechten Sache – diese lästigen Gesetze umgehen kann.

Die Lösung an sich ist einfach: Man gründet einen „Geheimdienst“ und entzieht dessen Aktivitäten der Kontrolle der Justiz, so gut es geht. Unter diesem Gesetzmantel darf zwar eigentlich dennoch nicht getrickst, gefoltert oder gemordet werden, aber hier wandelt jeder Geheimdienst ein altehrwürdiges Sprichwort so ab: „Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß“. Solange man sowohl den eigentlichen Gegner (= Schurkenstaat, Mafia, Schmuggelring) als auch die Justiz, die Medien u. a. lästige Gutmenschen mit Foto-Handys in Schach hält, kann man schalten und walten, wie man will.

Verschwiegenheit und Heimlichtuerei gehen im Agentenmilieu deshalb nicht nur arbeitstechnisch nahtlos ineinander über. Wer beide Künste beherrscht und sich zudem keine Illusionen über die Loyalität seines Arbeitgebers macht, kann gut abkassieren. Ob Geheimdienste freiberufliche Agenten anheuern, so wie Söldner sich für Gefechtsaktionen werben lassen, entzieht sich meiner Kenntnis; es ist auch unwichtig: Brett Battles stellt die Möglichkeit so glaubwürdig dar, dass sie die von ihm ersonnene Geschichte trägt.

|Wann bleibt die Zeit zum Spionieren?|

Auch ohne einen ausgeprägten James-Bond-Faktor lebt der Agenten-Thriller durch die Faktoren Tarnen und Täuschen. Wenn man verfolgt, wie Jonathan Quinn sich rund um den Globus geheime Identitäten, Konten und Schlupfwinkel angelegt hat, fragt man sich, wie er die Zeit gefunden hat, sich das dafür notwendige Geld und Knowhow zu verschaffen. Nur um auf dem aktuellen Stand zu halten, was ihm im Fall der Fälle Schutz bieten soll, müsste er rund um die Uhr beschäftigt sein.

Aber der Faktor Logik ist paradoxerweise gerade im scheinbar so realistischen Agenten-Thriller nur vorgeblich dominant. Wichtiger als die Frage nach der Herkunft der im Bedarfsfall aus dem Hut gezauberten Waffen, Hightech-Instrumente oder falschen Pässe ist ihre bloße Existenz. ‚Realismus‘ wird lieber in die Beschreibung tatsächlich vorhandener Orte investiert; so bewegt sich Quinn durch ein Berlin, in dem Autor Battles penibel jede Straße so beschreibt, wie sie sich im Stadtplan finden lässt.

Die Weltgewandtheit des Helden spiegelt sich ebenso in kundigen Anmerkungen wie dieser wider, dass Taxis in Deutschland immer von der Firma Mercedes hergestellt werden. In Saigon trinkt Quinn Tiger-Bier, in Berlin ein Hefeweizen: Agenten sind Kosmopoliten, die ihre Wurzellosigkeit durch eine Kenntnis von Ländern und Leuten ausgleichen, welche Brett Battles als leidenschaftlicher Weltreisender in seine Romane einfließen lässt.

|Der Mann ohne Eigenschaften|

Einsamkeit macht unangreifbar. Diese ‚Erkenntnis‘ ist zu einem zentralen Klischee des Agenten-Thrillers geworden. Battles treibt es auf die Spitze: Selbst der Name seines Helden ist nicht echt. Ansonsten entspricht Quinn völlig dem Bild des einsamen Wolfes: Er lebt allein, hält die Augen stets weit offen und beim Essen eine feste Wand im Rücken, hat keine Hobbys und vermeidet Angewohnheiten, die ihn in einen fixen und damit verräterischen Lebenswandel verwickeln.

Wie ernst der Job des Agenten ist, kann Quinn nicht oft genug betonen. Um ihn dies verlautbaren zu lassen, führt Battles die Figur des Cleaner-Lehrlings Nate ein. Dieser ist jung und genretypisch dumm, weil allzu lebenslustig und unbeschwert. Nate sorgt für Fehler, die Quinn nie machen darf, weil es die Hauptfigur beschädigen würde, und stellt jene Fragen, die dem Leser ebenfalls im Kopf herumgehen. Obwohl Quinn seinen Lehrling betont rüde behandelt, ist völlig klar, dass hier ein enges Mentor-Schützling-Verhältnis mit Vater-Sohn-Kontext besteht.

Selbstverständlich ist Quinn ein Profi, der ungerührt Folteropfer entsorgt und Blutseen aufwischt, ohne dabei gegen Gerechtigkeit und Moral zu verstoßen. Quinn gibt sich betont desillusioniert, nennt sich selbst aber einen Patrioten und handelt entsprechend. Die Rolle des echten Finsterlings bleibt dem Klischee-Schlächter Borko vorbehalten, der als „Serbe“ zumindest vom US-Durchschnittsleser mit dem „Araber“, dem „Südamerikaner“ oder dem „Nazi“ in jenen Topf geworfen werden, in dem die Feinde der Vereinigten Staaten schmoren sollten.

Für einen emotional beherrschten Mann schwelgt Quinn zudem sehr ausführlich in Gefühlen. Fürs Herz (und mögliche weibliche Leser) baut Battles eine Lovestory ein, die natürlich unglaublich kompliziert ist und ihre beiden Protagonisten in unausgesprochener Liebe einander umkreisen lässt: Es soll ‚knistern‘ aber nicht lodern – noch nicht, denn „Der Profi“ ist der Start einer ganzen Serie und eine gut gekühlte Orlando sicherlich noch haltbar für weitere Verwicklungen.

|Der Weg ist das Ziel|

Worum es in unserer Geschichte faktisch geht, ist sozusagen nebensächlich. Es ist viel spannender, Quinn & Co. über Ozeane und Kontinente flüchten zu sehen, wobei sie Strolche austricksen, vertrimmen und umlegen, während sie ständig raffiniert ausgetüftelten Todesfallen entkommen.

Die Rasanz der Handlung verbirgt nicht die Oberflächlichkeit eines Plots, der auf Quinn fokussiert ist, der nebenbei Steinchen für Steinchen das Mosaik einer Verschwörung zusammensetzt, während er hauptsächlich für die oben skizzierten Action-Elemente sorgt. „Der Profi“ outet sich damit als handwerklich professionell zubereitetes aber simples Lesefutter, dessen schematische Machart manchmal ein wenig zu deutlich durchschimmert. Doch wieso sollte Battles sein Pulver schon in einem Roman verschießen, der eine Serie startet? Wenn für ihn alles gut läuft – und (bisher) zwei weitere „Quinn“-Abenteuer belegen, dass dem so ist -, kann der Autor ohne große Veränderungen seines Arbeitsprinzips noch manche Fortsetzung stricken.

_Autor_

Brett Battles informiert zwar auf einer eigenen Website über seine Arbeit als Schriftsteller (s. u.), hält sich aber über sein Privatleben bedeckt. Bekannt ist nur, dass Battles in Südkalifornien geboren wurde, aufwuchs und weiterhin dort ansässig ist, wenn er nicht gerade auf einer seiner Weltreisen ist.

|Taschenbuch: 416 Seiten
Originaltitel: The Cleaner (New York : Delacorte Press 2007)
Übersetzung: Edith Walter
ISBN-13: 978-3-442-46633-7
Als eBook: ISBN-13: 978-3-641-02443-7|
[www.randomhouse.de/goldmann]http://www.randomhouse.de/goldmann
[www.brettbattles.com]http://www.brettbattles.com

Döring, Oliver – Don Harris, Psycho-Cop – Drei Gräber in Sibirien (Folge 7) (Hörspiel)

_|Don Harris – Psycho Cop|:_

Folge 1: [„Das dritte Auge“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3907
Folge 2: [„Der Club der Höllensöhne“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3922
Folge 3: [„Das schwarze Amulett“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6690
Folge 4: „Das Erbe der Wächter“
Folge 5: [„Das Killer-Kommando“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6701
Folge 6: [„Das Glastonbury-Rätsel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6709
Folge 7: [„Drei Gräber in Sibirien“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6711
Folge 8: „Triaden-Terror“ (erscheint am 10.12.2010)

_Story:_

Alan Bancroft gehört zu den wichtigsten Personen im medialen Nachrichtendienst und ist auch für den MI6 und die ESI tätig. Als er auf einer weiteren Erkundungstour in der sibirischen Steppe die Spuren von Grigori Rasputin verfolgt, verliert sich jedoch plötzlich seine Spur. Harris wird vom ESI auf den Fall angesetzt und reist auf einigen Umwegen nach Russland, um die Ereignisse aufzuklären. Gemeinsam mit seiner russischen Kollegin Larissa Chamova untersucht er Bancrofts letzten Standort und stößt schließlich auf die Hinterlassenschaften einer wohlbekannten Organisation: Die Höllensöhne! Harris‘ und Chamovas Weg führt schließlich in ein Kloster, in dem sie einen unglaublichen Fund machen – und Leute aufspüren, die bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet wurden, aber trotz allem Leben …

_Sprecher:_

Erzähler – Douglas Welbat
Don Harris – Dietmar Wunder
Elektra – Claudia Urbschat-Mingues
Jack O’Donnell – Bernd Rumpf
Michael Dorian – Torsten Michaelis
Larissa Chamova – Marion von Stengel
Andreij Lukow – Engelbert von Nordhausen
Kolja – Viktor Neumann
Stevens – Martin Kessler
Lewis – Rainer Fritzsche
Serkow – Jan Spitzer
Deven Parker – Tobias Kluckert

Buch: Gerry Streberg und Oliver Döring
Regie: Oliver Döring
Sounddesign & Schnitt:ear2brain productions
Produktion: WortArt / AS Hörspiel GmbH
Realisation: Pe Simon
Illustration: Vladimir Bondar
Artworkgestaltung: Friedemann Weise
Product Management: dp

_Persönlicher Eindruck:_

Für die verschworene „Don Harris“-Gemeinschaft bedeutet das Release der siebten Hörspiel-Episode gleichzeitig auch eine enorme Erleichterung. Denn immerhin hat man länger als ein Jahr warten müssen, bis die Reihe um den Psycho-Cop fortgeführt werden konnte, wohingegen Dörings zweites, sicher auch erfolgreicheres Steckenpferd „John Sinclair“ nicht nur aufgrund seines Jubiläums noch einmal richtig Gas gegeben hat. Rückblickend darf man diese Wartezeit jedoch auch gewissermaßen positiv verbuchen. Mit „Drei Gräber in Sibirien“ folgt nämlich eines der bislang meist überzeugendsten Hörspiele im Kampf gegen die Höllensöhne – und wie schon in der letzten Geschichte ein Plot, der mit hohem Tempo und interessanter Story voll und ganz für sich alleine stehen kann.

Dennoch überrascht es zunächst mal, dass Oliver Döring sein Publikum wieder zu den Höllensöhnen zurückführt, nachdem er in „Das Glastonbury-Rätsel“ mit dem ‚Schwert Zions‘ eine weitere Organisation aus der Taufe gehoben hat, deren Kompromisslosigkeit bzw. deren noch rätselhafteres Auftreten definitiv Stoff für weitere Kapitel ermöglicht hätte. Der Überraschungseffekt ist vergleichbar groß, zumal der Regisseur sich einmal mehr das Recht heraus nimmt, etwas weiter auszuholen und noch einmal einen völlig eigenständigen Plot herauszukramen, bei dem bekannte Elemente aus den vorherigen Geschichten mit einer brandneuen, wiederum sehr erfrischenden Story vermischt werden. Die Reise nach Russland basiert auf dem Rasputin-Mythos wird mit Zutaten einer klassischen Harris-Agentenstory gekoppelt, windet sich dann wieder in einige Action-Sequenzen, die sich jedoch nicht mit dem eigentlichen Inhalt überwerfen. Das rasche Tempo und der tatsächliche Fortschritt der Handlung halten sich die Waage und reisen Schritt für Schritt voraus, während Döring dem Ganzen mit einigen überzeugenden Wendungen und einem wahrhaftig glaubwürdigen Background die entsprechende Würze verpasst. Selbst das Finale, in manchen „Don Harris“-Hörspielen eher einer der Kritikpunkte, wird souverän gemeistert, lässt sich aber für die weiterführenden Folgen noch einige kleine Hintertürchen offen, Charaktere und Schauplätze ein zweites Mal zu verwenden.

Insofern ist „Don Harris“ nach der längeren – im Hinblick auf die ursprünglich vorliegende Romanserie eher zufälligen Pause genau das gelungen, was man schon schwerpunktmäßig angestrebt, aber nicht immer im uneingeschränkt gefälligen Maße hat meistern können: Nämlich einen Cliffhanger zu schaffen, der unheimlich viel Spielraum lässt, andererseits aber auch Klarheit schafft, um die hiesige Episode ‚Rund‘ zu bekommen. Das macht „Drei Gräber in Sibirien“ nicht nur zu einer wertvollen Folge im Kontext der ganzen Serie, sondern auch zu einem starken Single-Hörspiel. Denn, und das sei auch erwähnt: Wer erst einmal in die Fälle des Psycho-Cops hineinschnuppern möchte, bekommt mit der aktuellsten Ausgabe ein sehr interessantes Einzelstück vorgesetzt, das den Kern der Serie zusammenfasst, aber auch keine weiteren Voraussetzungen anfordert. So oder so also: Absolut lohnenswert und womöglich das Highlight im bisherigen Zyklus!

|Audio-CD mit 59 Minuten Spieldauer
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-8291-2372-3|
[www.universal-music.de]http://www.universal-music.de
[www.folgenreich.de/donharris]http://www.folgenreich.de/donharris

Hudson, Saul / Bozza, Anthony – Slash – Die Autobiografie

Wäre mein Name Saul Hudson, würde ich jetzt einen Zylinder tragen. ich wäre ein hemmungsloser Rockstar, lebte in der ‚Paradise City‘ und wüsste nicht, wie ich meinen vernichtenden Hunger jemals stillen sollte. Vielleicht mit ein bisschen Koks? Oder am Ende doch mit einer gesunden Portion Rock ’n Roll? Womöglich darf es ja am Ende auch eine verbale Auseinandersetzung mit einem exentrischen Gegenspieler sein? Axl Rose eventuell?

Nun, der Lebenswandel des Herrn, der im Business eher unter dem Pseudonym Slash bekannt ist, hat viele exzessive Seiten. Der einstige Skateboard-Rabauke, der mehr oder weniger zufällig an die Gitarre geriet und hier auch anfangs kaum Talent zeigte, hat nicht nur in jungen Jahren, jede Line und jeden Whiskey mitgenommen, der ihm in die Hände fiel. Dem Alkohol verfallen, von den Drogen teilweise zerfressen, vom plötzlichen Reichtum übermannt und schließlich immer wieder vom Business und der Musik gerettet: Der Lebenslauf des Schlangenliebhabers liest sich wie die klischeehafte Abwandlung der Spinal-Tap-Story, ergänzt durch die symbolische Adaption der Eskapaden von Bands wie Led Zeppelin und Aerosmith und scheint in seiner Ausprägung noch maßloser übertrieben als Mötley Crües Schmierenschrift „The Dirt“. Doch man muss nicht weit vordringen, um in der nun veröffentlichten Biografie nachzuvollziehen, dass jedes Erlebnis, das hier in seiner teilweise beängstigenden Breite aufgegriffen wird, auch tatsächlich ein Teil des Lebens von Mr. Hudson ist – und genau dies macht dieses Buch von der ersten Seite an zu einem bemerkenswerten Schriftstück.

Dabei mag es in vielen Passagen des relativ dicken Schmökers unrealistisch erscheinen, dass der Namensgeber sich gerade an die kleineren Fehlgriffe noch bis ins kleinste Detail erinnert, schließlich hat der Kerl seinem Körper so viele bewusstseinserweiternde Mittelchen zugefügt, dass man meinen müsste, dass ganze Episoden aus seiner Jugend und den ersten Jahren bei Guns ’n Roses völlig aus seiner Erinnerung verschwunden sein müssten. Doch Slash nimmt den Faden in der Kindheit auf, spinnt ihn über eine schwierige Jugend, ergänzt die herben Rückschläge mit seinen ersten Bands, kommt schließlich mit ähnlich wuchtigem Tempo zum Durchbruch wie seine einstige Combo und verwandelt seine Autobiografie dann zwischenzeitlich in einen unvermeidlichen Abriss der Guns-’n-Roses-Story – allerdings aus einer sehr objektiven, nur selten kritischen Perspektive. Zwar räumt der Mann mit dem legendären Hut ständig Fehler wie der verschwenderische Umgang mit den enormen finanziellen Mitteln ein, begibt sich aber nicht in die Schlammschlacht, die man sicher zu befürchten gehabt hätte, würde sein Evil Twin Axl die Dinge aus seiner Sicht beschreiben. Stattdessen bleibt Slash seinem Naturell treu, gibt sich als der coole, lässige Typ von nebenan und macht nicht mal den Ansatz von nachtragenden Statements oder Negativ-Statements über die schleichende Auflösung seiner Truppe. Zumindest tritt er nicht nach, auch wenn ihm die Art und Weise – das liest man zwischen den Zeilen – absolut missfällt!

Letzten Endes ist es aber nicht in erster Linie das Leben mit jener Band, welches den Löwenanteil dieses Werkes ausmacht. Natürlich stehen die Ereignisse im Bandkontext über vielen elementaren Inhalten, doch in letzter Instanz ist es der Mensch und Musiker, der sich hier mit einer bemerkenswerten Selbstdarstellung Tribut zollt, und nicht sein Umfeld und all die Störenfriede, von denen dieses Buch erzählt. Und hier steht zwischen den Linien die ganze Spanne von Verzweiflung bis Euphorie, von selbstironischer Selbstzerstörung bis hin zum blindwütigen Eskapadismus und von Leidenschaft bis hin zur Totalaufgabe. Es sind so viele Episoden, die Erwähnung verdienen, vor allem aber die steten Unbekannten, über die man sich hier am meisten freut. Slash versteht sich nämlich blendend darauf, die Szenen herauszufischen, die jenseits von Ruhm und Ehre stehen, jene Seiten, die das humane Wesen hinter dem Rockstar analysieren, dabei aber nicht werten, sondern schlichtweg zu unterhalten wissen. Unterhaltung ist letztendlich auch das, was sich die Schöpfer dieser fantastischen Biografie auf die Fahne geschrieben haben. Lockeres Geschreibsel und reichlich Spontaneität bei der Auswahl der Kapitel stehen dem voraus und werden schlussendlich von einem Themenkreis ergänzt, der prinzipiell jede derbe Rockstar-Biografie in den Schatten stellt – einfach weil die Klischees hier glaubhaft an den Mann gebracht werden. Und auch wenn man am Ende nicht über jede Line und jeden Tupfer Crack informiert werden möchte: Es hat doch immer wieder was, wenn Slash in den Tiefen seiner Persönlichkeitsentwicklung gräbt und beschreibt, wie er sein Leben an den Grenzen jeglicher exzessiven Toleranz wieder in den Griff bekommen hat. Und dass zum Schluss hin eigentlich niemand weiter nach Guns ’n Roses bzw. dem Split fragt, ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Autor hier einen mehr als gesunden Mittelweg eingeschlagen hat – und eine Richtung, die man als Leser nicht nur begrüßen darf, sondern deren zahlreiche Anteile man mit einer unglaublichen Wolllust verschlingen wird!

|Hardcover: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3927638457|
[www.edel.com/de/buch/edelbooks]http://www.edel.com/de/buch/edelbooks

Johnson. Alaya – Moonshine – Stadt der Dunkelheit

_Moonshine_:
Band 1: _Stadt der Dunkelheit_

Urban-Fantasy-Reihen gibt es viele. Da ist es schwierig, sich noch von der Masse abzuheben. Die amerikanische Autorin Alaya Johnson probiert es bei ihrer Reihe „Moonshine“ mit einem besonderen historischen Kontext. Der erste Band der Serie, „Stadt der Dunkelheit“, entführt den Leser in das New York der Goldenen Zwanziger des 20. Jahrhunderts.

Zephyr Hollis wird zu dieser Zeit in einer Welt groß, in der Menschen nicht immer friedfertig mit den so genannten Anderen zusammen leben. Zu diesen Anderen gehören neben Vampiren auch Feen und Dschinns. Sie sind nicht gerne gesehen in New York, doch Zephyr, eine begnadete Kämpferin, setzt alles daran, dies zu ändern. Sie engagiert sich nicht nur in diversen Kommitees, sondern arbeitet auch ehrenamtlich für eine Blutbank und verdingt sich als Lehrerin einer Abendschule für Einwanderer und Andere.

Als sie eines Tages einen Jungen in einer dunklen Gasse findet, der soeben in einen Vampir verwandelt wurde, handelt sie wider ihres besseren Gewissens und beschließt, ihn zu retten anstatt ihn ordnungsgemäß bei der Polizei abzugeben, damit diese ihn pfählt. Kinder und Jugendliche dürfen nämlich eigentlich nicht gewandelt werden, da sie damit nicht zurecht kommen. Was die impulsive Zephyr da macht, ist sogar strafbar. Doch sie bekommt Hilfe von ungeahnter Seite. Amir, einer ihrer Schüler, bietet sich an, sich um den Jungen zu kümmern.

Der geheimnisvolle Fremde, ein Dschinn, wie Zephyr erfährt, bittet sie im Gegenzug um einen Gefallen. Sie soll das Versteck von Rinaldo, dem meistgesuchten Vampir New Yorks, ausfindig machen, da Amir mit diesem noch eine Rechnung offen hat. Zu diesem Zweck nähert sie sich den Turn Boys an, einer Gang jugendlicher Vampire, die mit Rinaldo in Verbindung stehen soll. Das ist kein einfaches Unterfangen und ungefährlich erst recht nicht, denn just in diesem Augenblick wird die Stadt von einer Droge überschwemmt, die Vampire in enthemmte Monster verwandelt …

Die Goldenen Zwanziger – dieser historische Kontext verspricht einiges, ist dieses Zeitalter doch für sein ausschweifendes Nachtleben, die lebhafte Musik und die politischen Querelen bekannt. Leider gelingt es der Autorin nur ansatzweise, dieses zum Leben zu erwecken. Häufig wirkt die Geschichte eher wie eine Aneinanderreihung diverser Szenarien dieser Zeit. Etwas genauere Recherche, exaktere Beschreibungen und wirklich Interessantes, was man als Laienleser nicht unbedingt weiß, hätten dem Buch gut getan.

Die Handlung von „Stadt der Dunkelheit“ ähnelt im Grunde der von ähnlich gearteten Reihen. Eine junge, kämpferische Frau muss sich gegen dunkle Mächte behaupten und verliebt sich dabei in einen zwielichtigen Mann. Zusätzlich hat sie noch ein Geheimnis, von dem niemand etwas weiß. Für eine wirklich spannende Geschichte fehlt es allerdings an entsprechenden Ereignissen und überraschenden Wendungen. Das Buch ist zwar gut konstruiert, doch das entscheidende Bisschen fehlt. Von der Handlung her ist Johnsons Debüt eher Mittelmaß.

Spaß macht hingegen die Hauptfigur. Zephyr ist wie viele ähnliche Figuren eine Kämpferin, aber durch den historischen Kontext wirkt sie dabei sehr authentisch. Als engagierte Vorkämpferin für Frauenrechte, bessere Bedingungen für Andere und alles, wofür es sich sonst noch zu kämpfen lohnt, hat sie etwas ganz Eigenes. Ihr freches Mundwerk tut das seinige. Der auffälligste Charakter neben Zephyr ist ihre Mitstreiterin Lily, eine vornehme Journalistin, die wirklich alles für eine gute Exklusivstory zu tun scheint. Die Klassenunterschiede zwischen den beiden sind immer sehr erheiternd.

Der Schreibstil der Geschichte ist angenehm, lässt aber ebenfalls ein wenig den Flair der Zwanziger Jahre vermissen. Derart hätte auch ein Buch aus der modernen Zeit geschrieben sein können. Bestimmte Begriffe, vielleicht ein anderes Sprachniveau in den Dialogen hätte vielleicht für etwas mehr Pfeffer gesorgt.

„Stadt der Dunkelheit“ ist kein schlechtes Buch. Die Personen beispielsweise sind toll, vor allem vor dem zeitlichen Hintergrund. Trotzdem hätte man mehr aus der Geschichte herausholen können, gerade bei der Beschreibung der damaligen Zeit. Es bleibt also zu hoffen, dass Alaya Johnson in den Folgebänden auf diesem guten Fundament aufbaut und sich dadurch von ähnlichen Reihen abhebt.

|Broschiert: 425 Seiten
Originaltitel: |Moonshine|
Deutsch von Christiane Meyer
ISBN-13: 978-3426507162|
http://www.knaur.de

Döring, Oliver – Don Harris, Psycho-Cop – Das Killer-Kommando (Folge 5) (Hörspiel)

_|Don Harris – Psycho Cop|:_

Folge 1: [„Das dritte Auge“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3907
Folge 2: [„Der Club der Höllensöhne“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3922
Folge 3: [„Das schwarze Amulett“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6690
Folge 4: „Das Erbe der Wächter“
Folge 5: [„Das Killer-Kommando“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6701
Folge 6: [„Das Glastonbury-Rätsel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6709
Folge 7: [„Drei Gräber in Sibirien“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6711
Folge 8: „Triaden-Terror“ (erscheint am 10.12.2010)

_Story:_

Die Luft für Elektra und Harris wird im Zuge der jüngsten Intrigen immer dünner; vor allem Elektra wird zur Zielscheibe der Höllensöhne, die ein Killer-Kommando ausgesandt haben, um die offenkundig unsterbliche Partnerin des Psycho-Cops endgültig unschädlich zu machen. Doch Harris ahnt das bevorstehende Attentat bereits im Vorfeld und überrumpelt den ausgesandten Killer. Doch die Höllensöhne, die durch den Fund des Amuletts mehr denn je um ihre Existenz fürchten, setzen nach und schicken ihre Häscher nach Glastonbury, wo Harris mit dem Vollzug der Bestattung seines Vaters zu sein scheint. Glastonbury scheint sicher – doch die Höllensöhne fühlen sich bereits jetzt gezwungen, alles auf eine Karte zu setzen, und lasse nichts unversucht …

_Sprecher:_

Erzähler – Douglas Welbat
Don Harris – Dietmar Wunder
Elektra – Claudia Urbschat-Mingues
Jack O’Donnell – Bernd Rumpf
Terry Sheridan – Gerrit Schmidt-Foß
Pablo – Björn Schalla
Terence Kyle – F.-G. Beckhaus
Ethan Sloane – Jörg Döring
Frank – Matthias Haase
George – Bernd Vollbrecht
Marty – Nicolas Böll

Buch und Regie:: Oliver Döring
Produktion: Alex Stelkens
Realisation: Pe Simons
Illustration: Vladimir Bondar
Grafik: Friedemann Weise
Product Management: dp

_Persönlicher Eindruck:_

Tempo, Spannung, leider aber auch ein rasanter Anstieg der handlungseigenen Brutalität – die fünfte Episode der „Don Harris“-Hörspielserie entlarvt typische Elemente nebst einer erschreckenden Wendung, was den inhaltlichen Härtegrad betrifft. Zwar ist man gewohnt, dass die Akteure auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod wandern, doch die Erpressungsmethoden bzw. deren auditive Umsetzung haben in manchen Szenen nicht meehr wirklich jugendfreies Niveau. Die Szene, in der Harris beispielsweise seinem Jäger Ethan Sloane die Informationen mit den Fäusten herausprügelt, ist definitiv grenzwertig und nähert sich dem Niveau von Reihen wie „Caine“ an – wobei dies nun nichts Qualitatives aussagt, aber eben den Umstand beschreibt, dass diesbezüglich eine spürbare Entwicklung zu verzeichnen ist.

Inhaltlich hingegen setzt der Plot genau dort an, wo „Das Erbe der Wächter“ nach einem kurzen Einschnitt endete. Die Story wird konsequent ausgedehnt, in diesem Falle aber nicht weiter vertieft. Stattdessen konzentriert sich die fünfte Episode vorläufig darauf, einzig und alleine die Jagd der Höllensöhne aufzuarbeiten und die Erzählgeschwindigkeit auch vorwiegend darauf auszurichten. Gleich mehrmals kommt es zu einigen actiongeladenen Begegnungen, und während Harris und Elektra in erster Linie darauf bedacht sind, die Flucht nach vorne anzutreten, entwickeln sich im Club des bösartigen Ordens neue Pläne zur endgültigen Vernichtung der neuen Besitzer des Amuletts.

Insgesamt ist die Story diesmal allerdings arg vorhersehbar, was sich auch auf den Spannungsaufbau auswirkt. Zwar wechseln die Standorte und Szenen mit erhöhter Taktung, aber in vielen Sequenzen kündigt sich bereits an, in welche Richtung die Handlung pendeln wird, was vor allem in der ersten Hälfte von „Das Killer-Kommando“ zu einer minimalen Reduktion des Unterhaltungswerts führt. Gott sei Dank gelingt es Döring wenigstens, das Tempo auf einem konstanten Level zu halten und somit über Umwege auch für die kleinen Durststrecken zu entschädigen. Doch insgeheim wünscht man sich an dieser Stelle wieder etwas mehr Mystik als Ausgleich zum bisweilen hektischen Vorgehen in dieser fünften Episode.

Meckern will man letzten Endes aber nicht, weil „Don Harris“ auch mit „Das Killer-Kommando“ einen gewissen Standard hält und als Interludium zwischen zwei besseren Folgen ebenfalls funktioniert. Jede Serie hat eben auch mal einen Moment, der nicht ganz so herausragend ist wie das Gros der anderen Episoden. Und diesen Punkt hat „Don Harris“ an dieser Stelle erreicht – ohne dass deswegen die Empfehlung ausbliebe!.

|Audio-CD mit 55 Minuten Spieldauer
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-8291-2257-3|
[www.universal-music.de]http://www.universal-music.de
[www.folgenreich.de/donharris]http://www.folgenreich.de/donharris

Döring, Oliver – Don Harris, Psycho-Cop – Das Glastonbury-Rätsel (Folge 6) (Hörspiel)

_|Don Harris – Psycho Cop|:_

Folge 1: [„Das dritte Auge“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3907
Folge 2: [„Der Club der Höllensöhne“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3922
Folge 3: [„Das schwarze Amulett“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6690
Folge 4: „Das Erbe der Wächter“
Folge 5: [„Das Killer-Kommando“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6701
Folge 6: [„Das Glastonbury-Rätsel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6709
Folge 7: [„Drei Gräber in Sibirien“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6711
Folge 8: „Triaden-Terror“ (erscheint am 10.12.2010)

_Story:_

Bei der ESI geht ein verzweifelter Hilferuf aus Ägypten ein, dessen Spur direkt nach Glastonbury führt. Ein unbekannter Bewohner des britischen Städtchens hat die Entschlüsselung eines offenbar sehr wertvollen antiken Dokuments angeordnet, seine drei Informanten vor Ort jedoch an eine geheime Organisation verloren, die das Trio kurzerhand ermordet hat. Aber auch die Kontaktperson der ESI findet noch während der Übermittlung weitere Informationen einen raschen Tod und stellt den Geheimdienst vor ein großes Rätsel.

Harris und Elektra nehmen sich der Sache an und begeben sich auf die Suche nach jenem rätselhaften Schriftstück – und staunen nicht schlecht, als sie in Erfahrung bringen, dass es sich hierbei um eine Abschrift handelt, die mehr über die tatsächliche Identität Jesu Christi preisgibt. Ein Missbrauch wäre für die ESI der Supergau, doch allem Anschein nach sind es dieses Mal nicht die Höllensöhne, die den beiden Agenten das Leben schwer maachen. Eine Organisation namens „Schwert des Zion“ jagt nach dem Dokument und agiert hierbei noch skrupelloser als Harris‘ bisheriger Erzfeind …

_Sprecher:_

Erzähler – Douglas Welbat
Don Harris – Dietmar Wunder
Elektra – Claudia Urbschat-Mingues
Jack O’Donnell – Bernd Rumpf
Terry Sheridan – Gerrit Schmidt-Foss
Ahmet Corelli – Philipp MoogAnwer Corelli – Reiner Schöne
Ethan Sloane – Jörg Döring
Hassan Hurst – Bodo Wolf
Alan Bradley – Thomas Vogt
Chaim – Roland Hemmo
Chef – Jürgen Kluckert
Geist – Raimund Krone
Hotelier – Ingolf Gorges

Buch und Regie: Oliver Döring
Produktion: Alex Stelkens
Realisation: Pe Simon
Illustration: Vladimir Bondar
Grafik: Friedemann Weise
Product Management: dp

_Persönlicher Eindruck:_

Auf den jüngsten kreativen Stillstand in der Mystery-Action-Reihe um den Psycho-Cop folgt in „Das Glastonbury-Rätsel“ wieder eine enorme Tempoverschärfung, die nicht nur eine enorme Wendung in den Plot bringt, sondern ein völlig neues Kapitel in der inzwischen in einer kleinen Sackgasse gelandeten Handlung. Eine neue Organisation mischt sich in die Story und stellt die bisherigen Stränge gewaltig auf den Kopf – und bevor man sich schließlich versieht, hat „Don Harris“ wieder jenes Niveau erreicht, welches in der vorherigen Folge aufgrund der sehr deutlichen Action-Tendenzen ein wenig abhandengekommen war.

Dabei spart auch „Das Glastonbury-Rätsel“ nicht mit Action und teils sehr rasanten Wendungen. Die Geschichte startet quasi im Nichts, mündet dann jedoch relativ früh in einer sehr erfrischenden Inszenierung mit einigen neuen Charakteren und eröffnet letztlich einen Fall, der durchaus wieder das Potenzial hat, gleich mehrere Kapitel abzudecken, gleichermaßen aber auch einige Flashbacks zum bisher Geschehenen zu erlauben. Insofern nimmt die sechste Episode sicherlich eine vorzeitige Schlüsselrolle innerhalb der Serie ein, da sie gewissermaßen einen Neustart ermöglicht, der jedoch in weiten Zügen auf der Basis dessen beruht, was sich in den bis dato veröffentlichten Hörspielen ereignet hat.

Die Story ist unterdessen ein echter Schmaus, mal wieder mit einer hohen Erzählgeschwindigkeit staffiert, aber auch wieder von einer angenehmen inhaltlichen Tiefe, deren religiöser Background eine neue Facette im übergreifenden Plot öffnet. Zwar trifft man hier oftmals auf relativ bekannte Quertendenzen, doch im Hinblick auf den historischen Ursprung der Serie geht dies völlig in Ordnung. Denn im Prinzip war es ja Harris, der mit mancherlei Idee zuerst dort war – und dementsprechend erfrischend ist auch der Transfer von Themen und Theorien, die sich um die Handlung in „Das Glastonbury-Rätsel“ ranken.

Schade ist lediglich, dass man das Ganze nicht ähnlich effektreich über die Ziellinie bringt. Die plötzliche Auflösung der Ereignisse folgt relativ abrupt und verschenkt ein bisschen von dem, was sich die Story bis hierhin in eleganten Schritten erarbeitet hat. Doch immerhin zählt hier die klare Steigerung gegenüber dem Vorgänger, sowohl in der Inszenierung als auch im Bereich des Plots, der sich wieder vielschichtiger gestaltet.
Die übrigen Faktoren sind schließlich gewohntermaßen stark: Bombastische Effekte sind ein gängiger Standard, fantastisch aufgelegte Sprecher – Harris-Mime Dietmar Wunder tritt so überzeugend wie nie zuvor auf – die erwartete Ergänzung. Und da dieses Mal auch die Story wieder durchweg überzeugt, mag man den minimalen Durchhänger aus „Das Killer-Kommando“ auch ganz flott wieder vergessen. Gott bzw. in diesem Fall Oliver Döring sei Dank!

|Audio-CD mit 59 Minuten Spieldauer
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-8291-2258-0|
[www.universal-music.de]http://www.universal-music.de
[www.folgenreich.de/donharris]http://www.folgenreich.de/donharris

Schneider, Bernward – Spittelmarkt

_Story_

Berlin im Herbst 1932: Der renommierte Rechtsanwalt Eugen Goltz steht kurz vor der Abreise nach New York, als er von einem Schlägertrupp überrascht und übel zugerichtet wird. Die Gründe für den Überfall sind nicht ersichtlich und beschäftigen ihn zunächst auch nicht weiter, da ein weitaus bedeutsamerer Auftrag an ihn herangetragen wurde. Er soll im Auftrag des einst befreundeten Bankiers Philipp Arnheim die Scheidung mit dessen Gattin Florence besiegeln und hierzu ein Dokument beschaffen, über dessen Inhalt Goltz jedoch nichts weiß.

An Bord der „Bremen“ realisiert der Anwalt schließlich, dass seine Reise von Beginn an unter keinem guten Stern steht. Der Mord an einen Professor sowie die eigenartigen Gestalten, die sich in seinem Umfeld bewegen, machen ihn stutzig. Als Florence jedoch kurz nach seiner Ankunft tot aufgefunden wird und eine Schönheit, die sich als Filmdarstellerin vorstellt, ihn mit erotischen Phantasien umgarnt, wird ihm bewusst, dass er schnell nach Berlin flüchten muss, um nicht weiter in den Fall hineingezogen zu werden.
Dort angelangt beginnt für Goltz aber erst der Spießrutenlauf; die Spuren des Attentats auf Florence Arnheim führen in die Gesellschaft der Brüder und Schwester, denen auch Eugens Schwester Doris angehört, und die auch ihn endgültig für sich gewinnen will. Goltz ist jedoch fest entschlossen, dem okkulten Zirkel fernzubleiben, lässt sich aber dennoch darauf ein, einer ihrer Sitzungen beizuwohnen – bis ihm schließlich bewusst wird, welche Ziele dieser Orden tatsächlich verfolgt. Doch als ihr spirituelles Oberhaupt Adolf Hitler in einer Hauruck-Aktion den Posten des Reichskanzlers übernimmt, ist es für eine Offenbarung des Gesehenen zu spät. Und für eine Flucht offenbar ebenfalls …

_Persönlicher Eindruck_

Keine leichte Kost, die sich Bernward Schneider für seinen aktuellen Roman ausgesucht hat – so viel steht bereits nach wenigen Seiten seiner Geschichtsreise in die frühen 30er statt. Der Autor versucht im Rahmen einer historischen Aufarbeitung prägnanter Ereignisse der deutschen Politik eine Kriminalgeschichte zu etablieren, die solch pikante Themen wie Hitlers Machtergreifung als Basis nutzt und die okkulten Vorlieben einiger NSDAP-Gerätschaften ebenso einflechtet. Überdies aber auch Charaktere einfügt, die trotz ihres fiktiven Fundaments einen ähnlichen Stellenwert gewinnen sollen – und damit ist die Handlung insbesondere im zweiten Abschnitt massiv überfordert.

Dabei tritt Schneider zunächst recht anständig in Szene. Die Überfahrt nach New York sowie die merkwürdigen Ereignisse in der US-amerikanischen Metropole bieten reichlich Futter für eine verzwickte Kriminalhandlung, zumal sich der Autor zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht in die Karten schauen lässt, wie sich die eigentliche Motivation des Plots konstituiert. Erst die Rückkehr nach Deutschland, bei der die eigentliche Aufklärungsarbeit beginnt, führt ein undurchsichtiges Verwirrspiel an, welches sich alsbald als chaotische Faktensammlung mit völlig spannungsarmen Sequenzen und einer müden, inhaltlich stellenweise stark ausgelatschten Story entpuppt. Goltz beginnt eher widerwillig damit, erste Nachforschungen anzustellen und vor allem seine fleischlichen Gelüste nach der hübschen Irene Varo zu befriedigen, deren einziges Aufeinandertreffen in New York jedoch bis auf Weiteres ihre letzte Zusammenkunft sein soll. Er interviewt selbst seine Schwester, mit der er selbst vor einigen Jahren ein sexuelles Verhältnis hatte, ist jedoch schnell wieder abgestoßen von deren esoterisch-beklemmenden Weltbild, das jedoch genau mit jener Ansehung übereinkommt, die seine offensichtlichen Gegenspieler ebenfalls angenommen haben. Also widmet sich Eugen Goltz nichtsdestotrotz dem eigenartigen, anscheinend jedoch inzwischen sehr mächtigen Orden, lässt sich verführen, nutzt aber auch die Schwelle zur Mitgliedschaft dazu, sich letzte Informationen zu verschaffen. Doch der plötzliche Aufstieg der Partei zerstört nicht nur für ihn alles, wofür er in den letzten Tagen eingetreten ist – und macht ein sicheres Leben in seiner Kanzlei am Berliner Spittelmarkt künftig unmöglich.

Es sind vor allem Fakten, die diese Erzählung umrahmen und ihr gelegentlich auch die Atmosphäre rauben. Die Story hat ein paar gute Ansätze, die jedoch nicht vertieft werden können, da man gelegentlich an den Rand der historischen Gegebenheiten gedrängt wird und dementsprechend zur Wahrung der Tatsachen intervenieren muss. Dass selbst reale Personen wie Hitler Gastauftritte in „Spittelmarkt“ haben, macht die Sache für den Autor nicht einfacher, was schließlich auch dazu führt, dass seine Herangehensweise Stück für Stück verkrampfter wirkt. Der Fortschritt einiger Stränge, gerade zum Ende hin, wirkt stellenweise arg erzwungen, infolge dessen auch zunehmend unglaubwürdiger, wenngleich zumindest das Tempo in dieser letzten Phase zu nimmt. Doch bis dorthin ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen und die vielen bisweilen würzigen Themen nicht mehr bereit, zu der Symbiose zu verschmelzen, die Schneider ihnen zugedacht hat. Inzest, okkulte Magie, Erotik und ein Kriminalfall von höherem Rang – das hört sich in der Summe interessanter an, als es in „Spittelmarkt“ geschildert wird. Und somit verschwimmt sowohl der historische Wert der Geschichte, als auch die Bedeutsamkeit der größtenteils lahmen, wenn auch interessant endenden Kriminalstory.

|Broschiert: 372 Seiten
ISBN-13: 978-3839210994|
[www.gmeiner-verlag.de]http://www.gmeiner-verlag.de

Bourgeon, Francois – Handel mit schwarzer Ware (Reisende im Wind 3)

_|Reisende im Wind|:_

Band 1: [„Blinde Passagiere“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6679
Band 2: [„Das Gefangenenschiff“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6680
Band 3: _“Handel mit schwarzer Ware“_
Band 4: „Die Stunde der Schlange“
Band 5: „Gefährliche Fracht“
Band 6.1: „Das Mädchen von Bois-Caiman“ Teil 1/2
Band 6.2: „Das Mädchen von Bois-Caiman“ Teil 2/2

_Story:_

An Bord des Sklavenschiffes ‚Marie Caroline‘ steuern Hoel, Isabeau, Mary, ihr Gatte John und das frisch geborene Kind den afrikanischen Kontinent an, um dort vorläufig Frieden zu finden. Doch die Schiffspassage entpuppt sich als grausames Schicksal, da die Reisenden zunächst nicht wissen, welchen Zweck der große Segler tatsächlich verfolgt. Als das Schiff schließlich in Quidah an Land geht, wird vor allem Isabeau das schreckliche Ausmaß des Sklavenhandels bewusst. Im Saint-Louis de Grégoy macht die Gesellschaft Bekanntschaft mit Oliver de Montaguére, der bereits von den desertierten Damen und ihren Anhängen gehört hat. Doch es ist in erster Linie sein Buchhalter Estienne de Viaroux, der ein Auge auf die beiden Frauen geworfen hat und sogar eine folgenschwere Wette eingeht, sie eines Tages zum Opfer seiner fleischlichen Gelüste machen zu können. Von diesem Wunsch und der Furcht vor dem Verlust des finanzträchtigen Wetteinsatzes getrieben, lässt er kein Mittel aus, endlich einen Vorteil herauszuschlagen. Und als John immer weiter dem Alkohol verfällt und Hoel von einer unbekannten Krasnkheit befallen wird, scheint er alle Zügel fest in seinen Händen zu halten. Doch die verzweifelte Mary und die unverwüstliche Isabeau lassen sich nicht erpressen …

_Persönlicher Eindruck:_

Mit jedem weiteren Handlungsabschnitt offeriert Francois Bourgeon wieder neue Facetten seiner Story und insbesondere ihrer führenden Charaktere. Bereits in der letzten Episode nahm die Geschichte ein unglaublich hohes Tempo an und raste von Handlungsebene zu Handlungsebene, während die Charaktere teilweise einen sehr krassen Wandel durchliefen, der jedoch jederzeit glaubwürdig und für die gesamte Story sehr förderlich war. Und diesen Weg führt der Autor von „Reisende im Wind“ nun auch im dritten Kapitel seines Epos‘ fort, vielleicht sogar noch eine Spur beeindruckender als in den ersten beiden Bänden.

Die Geschichte nimmt bereits im Anschluss an den Cliffhanger von „Das Gefangenenschiff“ eine weitere Wendung und steuert analog zur eigentlichen Reise in einige parallel stattfindende Abenteuer. Dieses Mal sind es jedoch nicht nur die äußeren Umstände, denen ein besonderes Gewicht beigemessen wird. Erstmals kommt es auch zu internen Konflikten, ausgelöst zunächst durch diverse Eifersüchteleien, dann aber auch durch den Werdegang der beiden Männer an Bord bedingt, die sich immer weiter von ihren Geliebten zu distanzieren scheinen. Ständig steht die unmoralische Offerte von Monsieur Viaroux über den Geschehnissen, und auch wenn die Damen es problemlos schaffen, standhaft zu bleiben, drängen sich die Ereignisse um dessen Ungeduld und Fleischeslust. Dies hat zunächst einen raschen Anstieg des intriganten Teils der Handlung als Folge, dadurch auch einer weitere Tempoforcierung und schließlich auch als Konsequenz ein sehr kontrastreiches Programm aus schwarzem Humor, Action und sehr schön ausstaffierter Dramaturgie – oder zusammengefasst: Erneut spitzt sich die Szenerie in einem sehr weitläufigen Plot zu.

Unterdessen nehmen die Charaktere immer individuellere Eigenschaften an, sind gleichsam aber auch nicht mehr ganz durchschaubar. Einer lebenslustigen, nun aber verzweifelten Persönlichkeit wie Mary ist für die nächsten Episoden wirklich alles zuzutrauen. Hoel hingegen verändert sich nicht nur im Rahmen seiner plötzlichen Krankheit, und die eigentliche Protagonistin Isabeau springt ständig zwischen allen erdenklichen Charakterzügen, was der Erzählung ganz nebenbei die entsprechende Würze verleiht – mal ganz davon abgesehen, dass die eigentliche Inszenierung trotz ihrer vergleichsweise schlichten Züge noch viel intensiver wird.

Zum Schluss bleibt daher mal wieder eine Menge Begeisterung und ein Höchstmaß an Spannung ob des nächsten, fiesen Cliffhangers. „Reisende im Wind“ bestätigt einmal mehr seinen Anspruch, ein echter Comic-Klassiker zu sein, und entwirft mit „Handel mit schwarzer Ware“ eine weitere, absolut lesenswerte Episode!

|Graphic Novel: 56 Seiten
Originaltitel: Les passagers due vent – Le comptoir de Juda (1981)
ISBN-13: 978-3-86869-076-7|
[www.splitter-verlag.eu]http://www.splitter-verlag.eu

Choi, Angela S. – Hello Kitty muss sterben

_Inhalt_

Fiona Yu hat es nicht leicht: Sie ist achtundzwanzig Jahre alt, gut bezahlte Anwältin in San Francisco, steht sicher auf eigenen Füßen respektive Zehn-Zentimeter-Absätzen – aber ihren Eltern, traditionsbewussten Chinesen, hat sie nichts entgegenzusetzen. Da kann sie hundertmal in Yale gewesen sein: Es wird jetzt allerhöchste Zeit zum Heiraten. Und da kommt natürlich nur ein Chinese in Frage. Fiona wird also von einem entsetzlichen, zermürbenden Date zum anderen geschickt, immer die Stimme des Vaters im Ohr, die ihr wie ein Mantra vorbetet: „Trag Lippenstift.“ „|Hai|, Daddy“, denkt Fiona sich. |Hai| bedeutet auf Kantonesisch je nach Tonlage „Ja“ oder „Fotze“.

Fiona steht etwas ratlos vor den sich häufenden Dates mit peinlichen Verlierern und der drohenden Heirat mit irgendjemandem, aber glücklicherweise trifft sie Sean wieder. Sean, der ihr auf der Schule gezeigt hat, dass man Gewalt am besten mit unverhältnismäßiger Gegengewalt begegnet. Er war immer schon faszinierend und beängstigend, und er hat sich in der Zwischenzeit noch weiterentwickelt. Inzwischen ist er betuchter Chirurg, der sich auf Wiederherstellung von Hymen spezialisiert hat und in seiner Freizeit seine Mitmenschen von unangenehmen Mitmenschen erlöst.

Fiona, die befürchtet hatte, dass sie als brave chinesische Ehefrau und Mutter als „Hello Kitty“ enden würde (ohne Krallen, ohne Zähne, ja, ohne Mund, selbst ohne Augenbrauen, um mal wütend zu gucken), wittert in Seans Nähe Morgenluft. Seine Unkompliziertheit, was den serienmäßig herbeigeführten Tod irgendwelcher Unsympathen angeht, wirkt befreiend auf sie. Schnell erweist sie sich als gelehrige Schülerin, doch noch während ihre Dates den Schrecken verlieren, zieht eine neue Gefahr am Horizont auf: Sean wird unmäßig in seinem Drang – und unvorsichtig. Wird er Fiona in die Abwärtsspirale mit hineinreißen, in der er selbst ins Bodenlose trudelt?

_Kritik_

Die ersten paar Seiten dieses Romans sind eine Winzigkeit gewöhnungsbedürftig, dann aber erledigt sich jede Form von Zweifel von selbst. Fiona hat als Gefangene zwischen der oberflächlichen amerikanischen Schicht der Besserverdienenden und dem starren Korsett des chinesischen Traditionalismus jedes Recht, so durchgeknallt zu sein, wie sie nur möchte. Es sind zwei Lebensstile voller Extreme, die hier aufeinanderprallen, und beide sind auf ihre Art abartig und indiskutabel, so wie Angela S. Choi das Ganze schildert: Fiona hat ungefähr die Wahlmöglichkeit zwischen Hölle und Fegefeuer, wie es scheint.

Zwar sind die Morde hier nicht wie etwa bei Ingrid Noll von zwingender Notwendigkeit und die Motive für alle nachvollziehbar, aber man versteht auf jeden Fall den Wunsch Fionas, sich aus ihrer ekelhaften Situation zu befreien, und als Sean-der-Serienkiller auftaucht, freut man sich fast ein bisschen für sie: Man kann sich halt nicht dauernd mit moralischen Zweifeln belasten, wenn man einen Alltag durchlebt, der einen ständig an die Grenzen der Belastbarkeit treibt.

Choi bedient sich einer bewunderungswürdigen Stilmischung: Gemäß dem Bildungsstandard ihrer Protagonistin, zeigt sich in den Sätzen der Ich-Erzählerin ein beachtlicher Wortschatz und ein breites Allgemeinwissen, gemäß ihrem Geisteszustand jedoch ist das Ganze durchsetzt mit einer derartig schnoddrigen Rotzigkeit, dass man hin und wieder schlucken muss, ehe man sich daran gewöhnt hat. „|Hai|, Daddy“ …

Das Buch springt dem Leser förmlich ins Gesicht: vorm Aufschlagen bereits durch das aufdringlich-grelle Pink, und beim Lesen erst recht durch die bitterböse, ironische, moralisch indiskutable und doch so verständliche Abrechnung mit all den Widerlichkeiten und Widrigkeit des Alltags der Fiona Yu.

_Fazit_

„Hello Kitty muss sterben“ ist rabenschwarz und mit Abstand der zynischste Erstling, der mir je untergekommen ist, trotz all des Pinks. Nach kurzer Gewöhnung fühlt man mit der Protagonistin und lacht sich atemlos durch die rasanten Kapitel, die an Absurdität ihresgleichen suchen. Ich warte gespannt auf weitere Werke der Autorin, auch wenn ich zwischendurch wieder etwas anderes lesen muss, um mich meiner Werte zu vergewissern. Lesen!

|Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
Originaltitel: Hello Kitty Must Die
Aus dem Amerikanischen von Ute Brammertz
ISBN-13: 978-3630873398|
[www.luchterhand-verlag.de]http://www.luchterhand-verlag.de
[www.angelaschoi.com]http://www.angelaschoi.com

Eric Nylund – Gemini – Der goldene Apfel (Mortal Coils 1)

Die Mortal Coils-Serie:

Band 1: „Gemini – Der goldene Apfel“
Band 2: „All That Lives Must Die“ (noch ohne dt. Titel)

Die Zwillinge Eliot und Fiona sind nahezu völlig von der Welt abgeschottet aufgewachsen. Erst seit zwei Jahren verlassen sie überhaupt das Haus, und das auch nur, um in einem Restaurant einige Straßen weiter als Bedienung und als Tellerwäscher zu arbeiten. Doch eines Tages bekommt ihre kleine, abgeschlossene Welt Risse: Fremde tauchen vor ihrer Wohnung auf. Einer davon behauptet gar, ihr Onkel zu sein. Und plötzlich ist die Welt nicht nur viel größer, als die Zwillinge gedacht hatten, sie ist auch viel verwirrender, viel magischer und vor allem … viel gefährlicher!

Eric Nylund – Gemini – Der goldene Apfel (Mortal Coils 1) weiterlesen

Pratchett, Terry – Club der unsichtbaren Gelehrten, Der

_Inhalt_

Nutt hat einen ordentlichen Beruf. Oder – na ja, er hat einen Beruf. So in der Art. Er arbeitet jedenfalls in den Kellergewölben der Unsichtbaren Universität und tropft dort die Kerzen vor. Das muss gemacht werden; wer will denn schon in großen alten Leuchtern Kerzen sehen, die nagelneu wirken?

Nutts Kollegen sind überwiegend Geschöpfe, bei denen es für den Rest der Welt besser ist, wenn sie den Großteil ihrer Tage in irgendwelchen Kellergewölben verbringen. Und Nutt selbst …? Er weiß nur, dass er sich als nützlich erweisen muss. Und er muss zuvorkommend sein und höflich. Das hat ihm die Lady gesagt, und die Lady ist gut zu ihm gewesen.

Dann jedoch führt Nutts Weg über Trevor hinauf ins Tageslicht. Trevor ist sein Chef und er findet Gefallen an dem fleißigen kleinen … Kerl. Nutt lernt die Köchin Glenda kennen, und plötzlich überstürzen sich die Ereignisse, vermischen sich die streng getrennten Welten von Dienerschaft und Professoren der Unsichtbaren Universität. Fußball mischt sich (wie überall) plötzlich auch hier ins beschauliche Leben und fordert Aufmerksamkeit, und zwar in besonders unangenehmer Form: Wenn die Zauberer nicht schnell eine Mannschaft ins Leben rufen, verlieren sie den Anspruch auf eine großzügige regelmäßige Zuwendung. Und da das bedeutete, dass die Mahlzeiten weniger üppig ausfielen, sind die zerstreuten Herren alle mit von der Partie.

Trevor kennt sich aus mit Fußball, sein Vater war eine Art Lokalheld und hat auf dem Feld sein Leben gelassen. Trevor kennt sich allerdings auch super damit aus, sich um Arbeit herumzudrücken, während Nutt sich besonders gut mit eigentlich fast allem auskennt und obendrein Organisationstalent besitzt. Glenda kennt sich speziell in ihrer Küche gut aus, nutzt aber den Rest ihrer Talente, um andauernd für andere einzutreten und jemandem gründlich die Meinung zu sagen. Ohne es zu wissen, steuern sie alle gemeinsam eine Geschichte an, die größer ist als alles, was sie sich je erträumen konnten.

_Kritik_

Pratchett ist wieder da! Alle seine Fans laufen also wieder tagelang kichernd mit dem Buch durch die Gegend und zitieren andauernd daraus. Eine schöne Zeit, außer für jene, die nicht schnell genug weglaufen können.

Aber im Ernst: „Der Club der Unsichtbaren Gelehrten“ ist wie gehabt großartig. Pratchett bereichert seine schon sehr detaillierte Scheibenwelt um ein weiteres Fragment, indem er die Seite der Dienerschaft in der Unsichtbaren Universität schildert, die bisher noch nie vorkam. Die pragmatische, mütterliche Glenda erinnert vom Wesen her ein bisschen an Sam Mumm, und in die Fußballgeschichte mischt sich mittels zweier junger Menschen zwischen den verfeindeten Fan-Fronten ein Hauch von Romeo und Julia.

Wie genau die Zauberer beim Fußballspielen wirken, kann man Leuten, die Pratchett noch nicht kennen, keinesfalls erklären. Und jene, die Pratchett kennen, haben zwar eine ungefähre Vorstellung, möchten aber mit Sicherheit selbst lesen, was geschieht, von daher an dieser Stelle nur der Vermerk, dass die Unterzeichnete herzlich gelacht hat. Das Geheimnis um die Existenz von Nutt zieht sich quasikriminalistisch durch den ganzen Roman und verleiht der Geschichte einen unheimlichen Touch.

Eine ganze Reihe altbekannter Figuren bekommt in diesem Roman erstmals mehr Tiefe verliehen; Lord Vetinari werden einige Facetten hinzuaddiert, Erzkanzler Ridcully läuft zu voller Form auf und Ponder Stibbons erhält bedeutend mehr Tiefe.

Über Stil muss man wohl kaum noch ein Wort verlieren: Pratchett ist einfach ein Meister der mehrfachen Verneinung und der subtilen Neuverortung altbekannter Worte bzw. Silben; wie bei „Boggle“ schüttelt er einen Würfel voller Buchstaben und erschafft daraus etwas, auf das man schrecklich gern selbst gekommen wäre. Ein Wort noch zur deutschen Ausgabe: Der neue Übersetzer hat insgesamt einen guten Job gemacht. Etwas, das so derartig voller Wortwitz und Neologismen steckt, ohne Verluste von einer Sprache in die andere zu transportieren, ist eine heikle Angelegenheit. Im Ganzen ist das sehr gut gelungen; dass sich jetzt aber Ridcully und Vetinari auf einmal siezen, ist ein schmerzhafter Bruch mit den Regeln und hätte nicht sein müssen.

_Fazit_

Lesen. Unbedingt lesen. Pratchett ist einer der einfallsreichsten Autoren der Gegenwart, und das Leben ist ohne seine Werke ärmer.

|Broschiert: 512 Seiten
Originaltitel: Unseen Academicals
Aus dem Englischen von Gerald Jung
ISBN-13: 9783442546732|
[www.randomhouse.de/manhattan]http://www.randomhouse.de/manhattan
[www.terrypratchett.co.uk]http://www.terrypratchett.co.uk

_Terry Pratchett bei |Buchwurm.info|:_
[„Heiße Hüpfer“ (Lesung) 6295
[„Das Licht der Phantasie“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id___book=208
[„Das Erbe des Zauberers“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id___book=218
[„Maurice, der Kater“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id___book=219
[„MacBest“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id___book=236
[„Gevatter Tod“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id___book=237
[„Eric“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id___book=239
[„Schweinsgalopp“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id___book=241
[„Wahre Helden“ 247
[„Wachen! Wachen!“ 253
[„Wachen! Wachen!“ (Hörbuch) 787
[„Rincewind, der Zauberer“ 259
[„Kleine Freie Männer. Ein Märchen von der Scheibenwelt“ 1034
[„Kleine freie Männer“ (Hörbuch) 2310
[„A Hat Full of Sky“ 1842
[„Ab die Post“ 2122
[„Pyramiden“ (Hörbuch) 2615
[„Trucker“ (Nomen 1, Hörbuch) 2998
[„Wühler“ (Nomen 2, Hörbuch) 3906
[„Lords und Ladies“ (Hörbuch) 3160
[„Gefährliche Possen und andere Erzählungen“ (Hörbuch) 3406
[„Schweinsgalopp. Das illustrierte Buch zum großen Film“ 4614
[„Ruhig Blut!“ (inszenierte Lesung von der Scheibenwelt)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6428

Vyleta, Dan – Pavel & ich

_Das geschieht:_

Nach dem Untergang des „Dritten Reiches“ ist die deutsche Hauptstadt Berlin in vier Sektoren geteilt. Die US-Amerikaner, die Sowjetrussen, die Briten und die Franzosen üben die militärische Oberherrschaft in der durch Bomben und Brände fast völlig zerstörten Stadt aus. Da die Alliierten der gewaltigen Aufgabe, die Einwohner Berlins zu versorgen, nicht Herr werden können, sind Hunger und Seuchen im Dezember des Jahres 1946 an der Tagesordnung; zudem ist dieser zweite Nachkriegs-Winter der härteste seit Menschengedenken. Auf dem Schwarzmarkt verkaufen verzweifelte Menschen geretteten Besitz gegen Nahrung, warme Kleidung und Medikamente. Die Prostitution blüht, verwilderte Kinderbanden streifen durch die Trümmerlandschaft.

Inmitten dieses Chaos‘ haust Pavel Richter, geboren in den USA und vormals Dolmetscher im Dienst der US-Armee. Seit Kriegsende ist er Zivilist, blieb aber in Berlin, wo er wie die Einheimischen um sein Überleben kämpft. Dennoch ist er bereit, seinem besten Freund Boyd White zu helfen, der ebenfalls Zivilist geworden, aber als Zuhälter und Schieber zu Geld gekommen ist. White hat in der Nacht den Gangster Söldmann überfahren. Richter soll die Leiche verschwinden lassen. Dabei erregt er die Aufmerksamkeit des britischen Colonels Stuart Fosko, der in allerhand zwielichtige Aktivitäten verstrickt ist und einen Mikrofilm mit brisanten Geheim-Informationen an sich zu bringen sucht, den Söldmann bei sich trug.

Als White entführt, gefoltert und ermordet wird, will Richter seinen Mörder stellen. Die einzige Spur führt zur Prostituierten Sonja, die sich als Foskos Geliebte entpuppt. Der Colonel lässt Richter überwachen, und auch die Russen sind auf ihn aufmerksam geworden. Richter muss erkennen, dass ihn der letzte Dienst für den Freund in Lebensgefahr bringt, denn jeder ist käuflich im Berlin dieser kalten Tage …

_|“Nun ward der Winter unseres Missvergnügens …“|_

Der Winter 1946 auf 1947 zählte in Mitteleuropa zu den kältesten des 20. Jahrhunderts. Er fiel ausgerechnet in eine Zeit, in der die meisten Menschen ihm hilflos ausgeliefert waren. Vor allem in den ausgebombten Großstädten des ehemaligen „Dritten Reiches“ herrschte Not. Es fehlte an winterfesten Wohnungen, Heizmaterial, Kleidung und Vorräten. Wer diese schier endlosen Monate überlebte, erinnerte sich sein ganzes Leben daran.

Den Nachgeborenen blieben solche Erfahrungen erspart. Ihnen fällt schwer wirklich zu begreifen, welche Entbehrungen und Schrecken dieser Winter brachte, der seinerseits den generellen Ausnahmezustand nur verschärfte. Die Lebensrealität in der besetzten und geteilten Stadt Berlin war erst recht bizarr. Dan Vyleta ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Historiker. Er hat sich mit den historischen Fakten so vertraut gemacht, wie dies nachträglich möglich ist. In „Pavel & ich“ errichtet er aus ihnen die Kulissen für eine wiederum zeitgebundene Handlung.

|Gefühle als riskanter Luxus|

Zigarettenwährung, Schwarzhandel, Trümmer, Fraternisierung mit den „Frolleins“: Viele Historienkrimis, die ebenfalls in der (deutschen) Nachkriegsära spielen, bedienen sich der Zeitumstände nur als Klischees. Vyletas Blick auf die Vergangenheit ist filterfrei. Er schildert die Kälte als unwiderstehliche Macht. Mit beachtlichem Wortschatz und einem Gespür für Ausdrucksstärke – die der deutsche Übersetzer zu bewahren wusste – findet er immer neue, prägnante Bilder für ihre grausame Allgegenwart. Oft sind es Details, die dem Leser den Schwebezustand zwischen Leben und Tod deutlich machen.

Die Kälte des Winters spiegelt zwischenmenschliche Kälte wider: Zwar lieben nicht nur die Literaten unter den Schriftstellern das Symbol, aber sie scheinen eine besondere Vorliebe für das Bildhafte zu haben. „Pavel & ich“ wimmelt von solchen Spiegelungen, denn im Inneren der Protagonisten geht es emotional hoch her. Diese innere Kälte weiß Vyleta zu differenzieren. Der Kampf ums Überleben hat nicht nur die Gesetze, sondern auch die gesellschaftlichen Regeln stärker beeinträchtigt als der verlorene Krieg. Der findet höchstens im Untergrund als Planspiel einiger Unverbesserlicher statt. Die Mehrheit hat Besseres zu tun.

Zuerst erwischt es die Schwachen – die Kranken, Alten und Kinder. Nur der ständige Regelbruch kann sie retten. Paulchens Bande ist die Konsequenz: Eine Generation von den Nazis ‚erzogener‘ und die erlernten Grundsätze ahnungslos konservierender Kinder lebt wie ein Wolfsrudel in der Trümmerwüste. Sie helfen sich selbst, weil ihnen sonst niemand hilft.

|Verrat als notwendige Selbstverständlichkeit|

Die Not hinterlässt überall ihre Spuren. Sonja ist keine ‚richtige‘ Prostituierte, sondern eine weitere Überlebende, die lernen musste, dass es besser ist, ihren Körper zu verkaufen, weil sie sich auf diese Weise wenigstens theoretisch eine gewisse Entscheidungsfreiheit bewahrt, wen sie in ihr Bett lässt, und sich ein Dach über dem Kopf und einen vollen Magen leisten kann: Noch im Vorjahr haben sich die Sieger gewaltsam genommen, was sie als ihr Vorrecht betrachteten.

Auf der Seite dieser Sieger herrscht das Chaos. Sie schaffen es nicht, das vollständig am Boden liegende Deutschland zu verwalten. So mancher Alliierte sabotiert sogar die entsprechenden Bemühungen: Der Sieg über die Nazis wurde nicht von Heiligen errungen. Kriegsgewinnler gibt es auf beiden Seiten. Boyd White und Colonel Fosko gehören zu denen, die ihre Schäfchen ins Trockene bringen wollen. Da sie das Recht formal vertreten, können sie es besonders leicht mit Füßen treten.

Pavel Richter scheint die einsame Ausnahme zu sein – ein Mann, der sich nicht korrumpieren lässt und auf diese Weise einer verlorenen Kriegswaise zum Vaterersatz, einer verzweifelten Frau zum aufrichtig Geliebten und einem brutalen Schläger zum Seelengefährten wird. Wer Richter wirklich ist, enthüllt Vyleta (ansatzweise) in einem Finale, das überrascht und es in sich hat!

|Inhalt mit Stil – und umgekehrt|

Dass dieser Knalleffekt selbst bei Lektüre-Veteranen zündet, verdankt „Pavel & ich“ der schon erwähnten Fabulierkunst des Verfassers, die über das Setzen wohlüberlegter Worte weit hinausgeht. Obwohl er mit diesen nie geizt, hält uns Vyleta kurz, was grundsätzliche Informationen angeht. Sie werden geschickt in den Text integriert bzw. dort versteckt. Vyleta verwischt Spuren zusätzlich durch Perspektivenwechsel. Meist schildert Peterson, der einäugige Handlager des Colonels, die Ereignisse, aber immer wieder übernimmt Vyleta, der der unsichtbar aber allwissend über der Handlung schwebt – und dies oft buchstäblich.

Auch den Zeitfluss manipuliert der Verfasser, wie es seiner Geschichte am besten zuträglich ist. Er springt im Zeitraum 18. Dezember 1946 bis 4. Januar 1947 hin und her, vergrößert das ohnehin allgegenwärtige Gefühl der Unsicherheit, mit dem auch die Protagonisten ihre Gegenwart verbinden, während sie die Vergangenheit verdrängt oder vergessen haben und an eine – bessere – Zukunft nicht glauben können. Wie der Epilog zeigt, der 1964 spielt, liegen sie damit in gewisser Weise richtig.

Aufgrund (oder trotz?) dieser harmonisch die Geschichte stützenden, nie übertriebenen stilistischen Kunstfertigkeit (die ‚literarisch zu nennen ich mich weigere, weil dieser Begriff eher Wertung als Definition geworden ist) zieht ‚Pavel & ich“ den Leser in jenen Bann, der das echte Lese-Erlebnis von der Alltags-Lektüre trennt. Kein durch die Bestsellerlisten tobender Psychopath kann vor dem Hintergrund dieser einfachen aber bedrückend überzeugenden Geschichte bestehen, die selbst im notwehrbedingt teflonbeschichteten Hirn eines Patterson/Johansen/Cornwell-geschädigten Lesers haften bleiben wird!

_Autor_

Dan Vyleta wurde 1974 in Gelsenkirchen geboren. In den 1960er Jahren waren seine regimefeindlichen Eltern durch den „Eisernen Vorhang“ in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Hier wuchs Vyleta auf, verließ aber das Land, um in England Geschichte zu studieren. Seinen Doktorgrad erwarb er am King’s College in Cambridge. Anschließend lektorierte er wissenschaftliche Veröffentlichungen. Er kehrte nach Deutschland zurück, wo er in Berlin lebte.

2008 veröffentlichte Vyleta, der nun im kanadischen Edmonton lebt und arbeitet, seinen ersten Roman. „Pavel & ich“ wurde von der Kritik freundlich aufgenommen. Vyleta blieb dem Historien-Roman – den er mit Elementen des Krimis erzählt – auch in seinem zweiten Werk treu, das im Wien des Jahres 1939 spielt; ein Umfeld, in dem der Verfasser sich durch seine historische Forschungsarbeit – seine Doktorarbeit trägt den Titel „Crimes, News, and Jews, Vienna 1895-1914“ – ausgezeichnet auskennt.

|Gebunden: 414 Seiten
Originalausgabe: Pavel & I (New York : Bloomsbury 2008)
Übersetzung: Werner Löcher-Lawrence
ISBN-13: 978-3-8270-0814-5|
[www.berlinverlage.de]http://www.berlinverlage.de
[danvyleta.com]http://danvyleta.com

del Toro, Guilermo / Hogan, Chuck – Blut, Das

_Die „The Strain“-Trilogie:_

Band 1: [„Die Saat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5905
Band 2: _“Das Blut“_
Band 3: „Eternal Night“ (erscheint im Original am 15.03.2011, noch ohne dt. Titel)

Schon in „Die Saat“, dem ersten Teil dieser auf drei Bände angelegten Trilogie, setzte das Autorenduo del Toro und Hogan auf altbewährte, stilistische Ideen. Dass man sich in einen Vampir durch einen Biss verwandelt und dadurch ein Virus übertragen wird, ist nicht neu, und doch haben die Autoren auf originelle Art ihre Geschichte um die Invasion der Vampire auf dem amerikanischen Kontinent weiterentwickelt.

_Inhalt_

Mit dem Flugzeug, das auf dem JFK-Airport gelandet ist, kam der Tod. Ein alter Meister-Vampir verbündet sich auf dem amerikanischen Kontinent mit einem, dem Tode geweihten Milliardär und Geschäftsmann, der hofft, den Tod zu betrügen und seine Macht weiter auszubauen. Seit den frühesten Kindheitstagen steckt sein wacher und intelligenter Geist in einem kränklichen, schwachen Körper, und die Gelegenheit, sich mit einem „Dämon“ zu verbünden, schlägt er nicht aus. Zu groß ist die Verlockung, sich über den Tod zu erheben.

Die Seuche, der Vampirismus breitet sich einem Flächenbrand gleich über New York aus. Auf den Straßen regiert die Angst und der Tod, nach Sonnenuntergang hallen durch die Straßenschluchten die verzweifelten Schreie von Opfern, die unvorsichtig und nachlässig genug waren, die Gefahr zu ignorieren.

Ephraim Goodweather – Arzt und Experte der Seuchenprävention in New York und Professor Abraham Setrakian, der schon seit Jahrzehnten von der Existenz der Vampire weiß und diese mit allen Mitteln jagt, kämpfen zusammen mit dem Schädlingsbekämpfer Vasiliy gegen die Ausbreitung der Seuche.

Doch konnten sie die Gefahr nicht weiter eindämmen. Die Nachrichten zeigen, dass sich auch in den Großstädten der europäischen Länder, wie auch in Asien, das Virus und damit die blutrünstigen Vampire weiter ausbreiten.

Zwar konnten sie den Meister-Vampir kurzzeitig stellen, doch nicht besiegen. Er verfügt über größere Macht, als sie vermuteten. Doch es gibt keine Chance. Seit Jahrhunderten existiert ein geheimnisvolles Buch, das Hinweise birgt, wie er und die anderen Meister-Vampire vernichtet werden können. „Die Alten“, wie sie genannt werden, verstecken sich, aber im Laufe der Zeit haben sie die Menschheit gelenkt wie Marionetten an einem Faden Doch nun ist ihr Einfluss gefährdet und sie möchten die Ausbreitung der „Seuche“ nach Möglichkeit weiter verhindern. Dabei bedienen sie sich ebenfalls der Menschen, statten diese mit Waffen aus und schicken sie auf eine blutige Mission.

Für das Trio findet der Krieg also an mehreren Fronten statt und neben der Suche nach dem geheimnisvollen, in Silber eingefassten Buch, wird die Zeit immer knapper -..

_Kritik_

„Das Blut“ ist mit Sicherheit spannender und vielseitiger als „Die Saat“. Zwar sind die Charaktere inhaltlich keinen Entwicklungsschritt weitergegangen, mit Ausnahme vielleicht von Vasily, der als Vampirjäger, quasi seine Bestimmung gefunden hat, doch ansonsten gilt das gleiche Muster wie schon im ersten Teil. Auch wenn das ungleiche Trio einen gemeinsamen Feind hat, so sind ihre Beweggründe ganz unterschiedlich. Besonders Setrakian zeigt sich als Egoist, denn so ganz teilt er sein Wissen nicht mit seinen Waffenbrüdern.

Die Story ist wie schon erwähnt spannender. Der Leser erfährt viel mehr über das Wesen und die Beweggründe der „Alten“ und vor allem ihre Macht, auch wenn sie im Schatten der Menschheit existieren.

Deutlich negativ und absolut überzogen zeigen sich die „Bösen“ von ihrer ganz schlechten Seite und dabei bedienen sich die Autoren der klassischen und sehr klischeehaften Idee, dass das „Böse“ in persönlicher und nun untoter Form von Nazis aus Deutschland auf Amerikas Straßen wandelt. Eine etwas „moderne“ nicht so ganz einseitige Idee wäre vorteilhaft gewesen. Manche Vorurteile werden halt so über die Generationen immer weitergegeben. Aktuell verarbeiten die Autoren auch die Macht der Medien über die Bevölkerung und auch die Finanzkrise bekommt im Roman „Das Blut“ einen kurzen Part.

Die atmosphärische dunkle Stimmung im Roman ist nicht zu verleugnen und so nimmt das Böse seinen Lauf. Der Vorsprung des Bösen ist auch im zweiten Teil nicht mehr einzuholen, das ist selbst für einen Blinden deutlich zu sehen und damit ist das Ende schnell vorhersehbar, auch wenn es die Spannung im Grunde nicht mindert.

Das Tempo im Roman hat deutlich angezogen, der Szenenwechsel – bzw. die Nebengeschichten, die zumal auch dem Leser wieder ermöglichen, einen intensiven Blick in die Vergangenheit einzelner Protagonisten zu werfen, sind schnell erzählt.

_Fazit_

Es geht manchmal recht oberflächlich zu, doch es ist auch eine willkommene Steigerung, die einige inhaltliche Lücken schließen kann, aber auch gleich Ideen und Anreize schafft, um auch den dritten Teil zur Hand zu nehmen. Man sagt ja oft, dass der zweite Teil einer Trilogie der intensivste ist, und so verhält es sich bei „Das Blut“ auch nicht anders.

In jedem Fall ist es nicht zu empfehlen, das Buch zu lesen, ohne vorher den ersten Teil zu kennen, dafür ist die Handlung des ersten viel zu eng mit dem vorliegenden Teil verzahnt.

Für mich ist der Roman „Das Blut“ eindeutig zu empfehlen. Dies ist keine romantisch, verklärte Vampirgeschichte, in der der Blutsauger mit guten Manieren und schmachtendem Blick und feinen Manieren überzeugt. Nein, hier fließt das Blut und das meist auch nicht zu wenig. Ich bin gespannt auf den letzten Teil der Trilogie die nächstes Jahr unter dem Titel: „Eternal Night“ erscheint. Ein deutscher Titel, steht zurzeit noch nicht fest.

|Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
Originaltitel: The Fall
ISBN-13: 978-3453266490|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de