Fry, Stephen – Feigen, die fusseln

_Von der angebornen Sehnsucht zu dichten_

|“Jedes tiefere Vordringen in die Welt der Poesie rührt unweigerlich an die innerste Urangst eines jeden – die Angst von peinlicher Bloßstellung.“| heißt es im Vorwort zu Stephen Frys inspirierendem Buch „Feigen, die fusseln“, dem man im Deutschen noch den Untertitel „Entfessele den Dichter in dir“ verpasst hat. Dennoch gelingt es dem Schriftsteller, Schauspieler und Komiker Stephen Fry, den Leser davon zu überzeugen, dass „in uns allein eine angeborene Sehnsucht zu dichten“ steckt und „dass wir alle das Zeug dazu haben“.

Höchst kurzweilig und unterhaltsam führt Fry in das Handwerkszeug für die Dichtkunst ein und widmet sich abseits von freier Lyrik dem Metrum, dem Reim und den Formen anhand der englischsprachigen Lyrik, bevor er ein viertes Kapitel zur Lyrik und Poetik von heute anfügt. Dabei schöpft er aus einer Vielfalt von Gedichten, angefangen bei Shakespeare und Chaucer über Wordsworth bis hin zu modernen Dichtung eines Ezra Pound. Mit Hilfe seines schier unerschöpflichen Gedichtfundus‘ stellt er anschaulich dar, was beispielsweise einen Jambus von einem Anapäst unterscheidet, welche Wirkung Enjambements und Zäsuren entfalten oder wie die einzelnen Reimformen wirken. Dabei geht er neben den bekannteren Versformen wie Ballade oder Ode auf weniger bekannte wie Villanelle oder Pantum ein.

Verse über die eigene Nase, fusselnden Feigen oder Kühe auf der Wiese zeigen auf, dass es nicht unbedingt Themen von Weltbedeutung bedarf, um lyrisch tätig zu werden. Diese in Verse gebrachten alltäglichen Beobachtungen spiegeln vielmehr Frys Freude an der Dichtkunst und wirken dem Gefühl entgegen, dass man seinem Deutschlehrer gegenüberstände, für den man gerade zwanghaft versucht hat, eine mehrseitige Liste mit nur vage begreifbaren Fremdwörtern für eine anschließende Klausur in Gedichtanalyse auswendig zu lernen.

Mit der Lektüre dieses Buches könnte man verhindern, dass jungen Menschen bereits in der Oberstufe die Lust am Gedicht ausgetrieben wird. Was in den einzelnen Kapiteln anschaulich an Beispielen dargestellt wird, kann der Leser anschließend anhand einer gestellten Aufgabe sogleich praktisch erproben. Arbeitet man sich solchermaßen aufmerksam durch das Buch, kann das durchaus Wochen und Monate in Anspruch nehmen. Doch auch ohne ständige praktische Übung erhält man auf amüsante Weise einen Wissenszuwachs über die englische Literaturgeschichte und die Möglichkeiten der Dichtkunst so lebendig geschildert, als hätte Fry neben den Autoren gesessen, als Werke der Weltliteratur entstanden.

Mitglieder des Graduiertenkollegs für literarisches Übersetzen an der Universität München haben Stephen Frys Buch unter der Leitung von Andreas Mahler ins Deutsche übertragen, was ihnen vor allem bei den Eigenkreationen des Autors überzeugend gelungen ist. Dennoch war es von Vorteil, bei den zitierten Gedichten sowohl das englische Original als auch die Übersetzung abzudrucken, weil bei den deutschen Versen gelegentlich weniger deutlich wird, was Fry gerade erläutert hat. Gut gelungen ist der Akt übersetzerischer Freiheit beim Einschub von deutschem Rap, an welchem die Übersetzer verdeutlichen, wie viel Potenzial dem Reim auch in der zeitgenössischen deutschen Sprache innewohnt.

Das größte Verdienst des Buches ist jedoch, dass es so manches Vorurteil der Dichtkunst gegenüber ausräumt und, während es den Respekt vor dem Können großer Dichter stärkt, aufzeigt, dass man Freude an einer in der heutigen Zeit wenig beachteten literarischen Form empfinden kann – sowohl als Leser als auch als Schöpfer.

|475 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3351032326|
http://www.aufbauverlag.de

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Francis, H. G. / Arthur, Robert – Die drei ??? und das Gespensterschloss (Folge 11)

„Das Gespensterschloss“ ist eigentlich die Nummer eins der Serie. Das Buch von 1964 wurde in Deutschland jedoch erst 1980 als Folge elf von |EUROPA| in Hörspielform herausgebracht. Man hielt sie als Einsteigerhörspiel und Testballon damals wohl für ungeeignet und entschied sich dafür, den „Super-Papagei“ 1979 zuerst in den Ring zu schicken. Eine legendäre Entscheidung. Ob die seit 30 Jahren erfolgreiche Serie darunter gelitten hätte, kann heute niemand mit Sicherheit sagen. Feststeht aber, dass (fast) die gleiche Crew heute damit immer noch unglaublichen Erfolg hat. So gesehen hat die Zeit ihnen Recht gegeben.

_Zur Story_

Wieder einmal hat Alfred Hitchcock eine Beschäftigungstherapie für Justus, Peter und Bob auf der Pfanne. Diesmal ist es jedoch kein „Fall“, sondern eine Bitte, sich in der Nähe von Rocky Beach und Umgebung mal umzusehen. Der Altmeister des Gruselfilms sucht genau für ein solches Projekt ein altes Schloss als Filmschauplatz. Die drei ??? sind ihrem Gönner und Mentor natürlich gern zu Diensten, und Bob wird ausgeschickt, um in der Bibliothek nach einem geeigneten Objekten zu recherchieren, die Mr. Hitchcocks Anforderungen entsprechen. Natürlich wird er fündig und ebenso natürlich haben die drei Junioren auch gleich einen neuen „richtigen“ Fall. Das „Gespensterschloss“ ist nicht weit entfernt und scheint geradezu ideal.

Das infrage kommende Gemäuer mit bewegter Vergangenheit gehörte einst einem Grusel-Schauspieler aus der Stummfilmzeit, der es im Stil der Filme, in denen er mitwirkte, bauen ließ. Die Location hat nur einen kleinen Schönheitsfehler: Es soll dort tatsächlich spuken. Hausherr Stephen Terrill verschwand gramvoll und hoch verschuldet nach dem Niedergang des Stummfilms, lediglich das zerschmetterte Wrack seines Autos wurde in einer Bucht gefunden. Die spukige und mit Hypotheken belastete Immobilie selbst jedoch konnte nie verkauft werden, weil der ehemalige Besitzer angeblich dort als Geist, bekannt als „Das Blaue Phantom“, umgeht und alle Interessenten und Vertreter der Gläubigerbanken bislang in die Flucht schlug.

Oberklugscheißer Justus ist bekanntlich immun gegen übernatürlichen Hokuspokus in allen Variationen, doch diesmal muss er zugeben, dass nicht nur Peter (wie üblich) zu Recht die Hosen gestrichen voll hat. Als die beiden das Schloss nächtens erstmalig betreten und in Augenschein nehmen wollen, machen sie mit einer nie gekannten Panik Bekanntschaft: Dumpfes Orgelspiel und lähmende Kälte kriechen ihnen in die Glieder. Sie ergreifen fluchtartig das Hasenpanier. Eins-zu-null für das blaue Phantom. Doch der vermeintlich untote Wiedergänger hat die Rechnung ohne den ersten Detektiv gemacht. Düstere Drohanrufe, die Prophezeiung einer ominösen Zigeunerin und selbst der Erzfeind Skinny Norris können Just nicht davon abhalten, ein so interessantes Rätsel zu lösen.

_Eindrücke_

Die kindlichen Stimmen der drei Hauptakteure sind immer wieder lustig zu hören und kaum ein Vergleich zu ihrer heutigen erwachsenen Klangfarbe. Während man Oliver Rohrbeck und Jens Wawrczeck immer noch ziemlich klar erkennen kann, hat die heutige Stimme von Andreas Fröhlich (immerhin Synchronsprecher der schizophren-bösartigen Kreatur ‚Gollum‘ aus dem „Herr der Ringe“) nichts mehr mit seiner damaligen Piepsstimme zu tun. Bemerkenswert ist aber, wie professionell und souverän die Jungs damals schon gewesen sind.

Die anspruchsvollste Rolle aber dürfte Wolf Rathjen haben, der in seiner von der Geschichte aufdiktierten Mehrfachfunktion immer wieder gezwungen ist, seine Stimme zu verstellen. Ein Glück, dass das nicht sonderlich kitschig wirkt, wenn er die Charaktere wechselt, auch vor dem Hintergrund, dass es da einen ziemlich fetten Logikfehler gibt (er müsste permanent lispeln – doch als eines seiner Alter Egos tut er es eben nicht). Allerdings ist das – genauso Banane – auch so im Buch zu finden, also: Schwamm drüber.

Obwohl die „alte“ Musik mehr Flair hatte (sie wurde wegen Lizenzstreitigkeiten später komplett ausgetauscht), hat das Gespensterschloss seine alte Magie und dichte Atmosphäre nicht eingebüßt. Der stimmige und durchweg spannende Plot ist eben nicht totzukriegen, auch wenn das gute Stück nun schon lockere 24 Jahre auf dem Buckel hat. Meiner Ansicht nach gibt es von der Intensität und vom Mystery-Faktor her eigentlich nur zwei weitere Folgen, die ihr das Wasser reichen können: „Der Nebelberg“ und „Das Geisterschiff“ – beide bezeichnenderweise mit ähnlich gelagerter Thematik. Als Hörspiel fast der ersten Stunde der Serie kann Nummer elf hier natürlich ihren jahrelangen Kultstatus mit in die Waagschale werfen, braucht sie aber nicht. Sich damit hinter modernen Vertretern zu verstecken, hat sie nicht nötig, denn die Story ist zeitlos-genial, selbst nach all den Kürzungen, die das Buch für die vertonte Fassung hinnehmen musste.

Wie bei fast jeder Folge schleichen sich immer wieder Logikfehler und Inkonsequenzen in die Hörspiele ein, zum Teil ist dies Schlamperei beim Handwerklichen (Sprecher und Regie), zum anderen sind es sicher manchmal Unkenntnis von Landesgepflogenheiten oder gar Probleme bei der Umsetzung aus dem Buch ins Hörspiel. „Das Gespensterschloss“ ist selbstredend auch nicht davon frei, gehört aber zu den harmloseren Vertretern, wo die Fehler nicht arg stören.

Etwa diese falsche Textzuordnung von Bob: „Und was war mit der Lawine?! – Das war ein Mordanschlag auf uns!“. Tatsächlich aber müsste diese Zeile von Peter gesprochen werden. Der unabsichtlich ausgelöste Steinschlag betraf nur Justus und Peter, denn Bob war bei dem Lawinen-Vorfall gar nicht dabei. Er recherchierte nämlich in der Bibliothek, während Just und Peter sich das Gespensterschloss noch einmal bei Tageslicht vornahmen.

Oder: Nachdem Morton und die drei Fragezeichen durch die Geheimtür im Schloss treten, entsteht der Eindruck, als schwirrten Mr. Rex Wellensittiche gleich dahinter herum. Zudem befinden sich die vier kurz darauf beinahe ohne Zeitverzögerung in der Voliere von Mr. Rex. Dabei erhebt sich „… zwischen dem Schloss und Mr. Rex‘ Haus der Berg“. Der Verbindungstunnel ist im Buch sehr lang beschrieben, aus Zeitgründen hat man das im Hörspiel gerafft und sich dabei ein wenig verpaddelt.

_Fazit_

Es wäre interessant gewesen zu erfahren, wie es mit den drei ??? weitergegangen wäre, wenn die Folge tatsächlich als Nummer eins veröffentlicht worden wäre anstatt des „Super-Papageis“. Egal, alles Theorie. Es war und ist eine der Einstiegsfolgen schlechthin, denn kaum eine andere charakterisiert die Akteure der Serie so deutlich und treffend wie das „Gespensterschloss“: Superhirn Justus, Angsthase Peter, Bücherwurm Bob. Und über allem schwebt der Geist von Hitchcock im allerbesten Sinne, wenngleich er auch nur zu Marketingzwecken herhalten musste.

_Die Hörspieldaten auf einen Blick:_

Titel: „Die drei ??? und das Gespensterschloss“ – Folge 11
Erscheinungsjahr: März 1980
Label: EUROPA / Sony BMG Ariola Miller
Lauflänge: ca. 46 Minuten (CD 2001)
Buch: Robert Arthur (1964) / Drehbuch: H.G. Francis
Produktion & Regie: Heikedine Körting
Musik: Conrad, Morgenstern, Zeiberts
Cover-Design: Aiga Rasch

Die Figuren und ihre Sprecher:

Erzähler – Alfred Hitchcock: Peter Pasetti
Erster Detektiv – Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Zweiter Detektiv – Peter Shaw: Jens Wawrczeck
Recherchen & Archiv – Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Tante Mathilda Jonas: Karin Lieneweg
Skinny Norris: Andreas von der Meden
Morton: Andreas von der Meden *
Mr. Grant: Horst Breiter
Stephen Terrill: Wolf Rathjen **

*) nicht im Booklett aufgeführt
**) im Booklett gleich doppelt falsch geschrieben: „Stephan Terril“

http://www.natuerlichvoneuropa.de
http://www.dreifragezeichen.de
http://www.rocky-beach.com

Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair: Remastered-Box 1 (Folgen 1-3)

_Inhalt:_

In dieser Box sind die ersten drei |John Sinclair|-Hörspiele von |WortArt| enthalten. Die Aufnahmen wurden überarbeitet, neue Szenen eingefügt, teilweise mit neuer Musik gewürzt und mit aufwendigen Specials ausgestattet.

|Im Nachtclub der Vampire|

John Sinclair bekommt es mit drei Vampir-Schwestern zu tun, die einen Nachtclub betreiben und die junge deutsche Touristin Marina Held einem mächtigen Dämon opfern wollen. Klar, dass Geisterjäger John Sinclair da einige Einwände hat …

|Die Totenkopf-Insel|

Der Milliardär Basil Proctor hat sich mit finsteren Mächten eingelassen, um Gesundheit und ewige Jugend zu erlangen. Ein Schiff voller untoter Piraten soll den Pakt erfüllen und fordert dafür die Seelen von Menschen ein. Der Secret Service kommt Proctor auf die Schliche und bittet John Sinclair um Amtshilfe, als ein Agent des Geheimdienstes spurlos verschwindet …

|Achterbahn ins Jenseits|

Auf dem Gelände eines verfluchten Friedhofes gastiert ein Jahrmarkt mit einer gewinnbringenden Attraktion: eine gigantische Achterbahn, wie es sie weltweit nur äußerst selten gibt. John Sinclair und sein Freund Suko sollen die Gäste vor dem teuflischen Totengräber Lionel Hampton schützen, doch der Dämonendiener ist mächtiger als erwartet …

_Meine Meinung:_

Die Hörspielserie |John Sinclair| erfreut sich wachsender Beliebtheit und erreicht im Frühjahr diesen Jahres die magische Zahl der 50. Folge. Im Bereich des Erwachsenenhörspiels gibt es keine andere Serie, die mit einer derart stattlichen Summe an Hörspielfolgen aufwarten kann, sieht man einmal von der Vorgängerserie aus dem |Tonstudio Braun| ab. Längst ist auch die Serie aus dem Hause |WortArt|, produziert von Oliver Döring, Kult.

Der charmante Titelheld mit den coolen Sprüchen à la James Bond wird kongenial verkörpert von Frank Glaubrecht, der bereits in den hier neu aufgelegten Anfängen der Serie eine unglaubliche Souveränität an den Tag legte. Joachim Kerzel, sowieso ein Routinier, ist ein ebenso versierter Erzähler, der sich gut in die Dialoge einfügt und die Ereignisse mitreißend zu schildern versteht.

Ob eine Remastered-Version der Hörspiele Anklang finden wird, wird sich zeigen, doch die Idee an sich ist erst mal gar nicht schlecht, zumal der Preis von 14,95 € für drei Hörspiele äußerst günstig ist. Für den eifrigen Sammler und Besitzer aller Original-Hörspiele stellt sich allerdings schnell die Ernüchterung ein, denn die Musik unterscheidet sich nur in Nuancen vom Original und erweiterte, neue Szenen gibt es merklich nur in Folge eins, wo die Vampirin Clara Sanders noch mit Lara telefoniert, bevor sie John an die Gurgel springt. Einzig die Specials machen die Box noch für Fans der ersten Stunde interessant, obwohl es das Making-of auch als Bonus-CD in einem Romanheft gab. Wirklich originell ist allerdings das Interview mit den Hauptdarstellern, dem Produzenten Oliver Döring und dem Autor Jason Dark auf der dritten CD.

In der Folge „Achterbahn ins Jenseits“ gibt es darüber hinaus eine wesentliche Neubesetzung. Wird Sheila Conolly im Original noch von Birgitta Weizenegger gesprochen, so wurde in der Remastered-Version der Dialog mit Daniela Hoffmann neu eingesprochen. Sheila hört sich mit der neuen Stimme weitaus taffer an, und Daniela Hoffmann hat die Ehefrau von Bill Conolly auch in der Sonderedition 2 gesprochen. In weiteren Hörspielen gab es bereits eine Neubesetzung mit Ulrike Lau, doch letztendlich wurde sich für Daniela Hoffmann entschieden und so ergibt es Sinn, in einer Neuauflage die neue Stimme konsequent zu besetzen.

Für Neueinsteiger ist die Remastered-Box sicherlich ein echtes Schnäppchen und mit Sicherheit die erste Wahl. Besitzer der Original-Hörspiele sollten sich die Anschaffung jedoch genau überlegen, denn sonderlich viel Neues bieten die drei CDs nicht. Die Storys bieten solide Genrekost im Stil der guten, alten Heftromane der 70er und 80er Jahre. Nichts Weltbewegendes, aber gute und spannende Unterhaltung, die das Fernsehprogramm noch um Längen schlägt.

Äußerlich ist die Remastered-Box, dank des atmosphärischen Covers von Vincente Ballestar, ein Blickfang. Auf den schwarzen Rahmen wurde verzichtet, so dass die Titelbilder besser zur Geltung kommen. Bedauerlicherweise wurde der Schriftzug mit dem Serientitel ungünstig gesetzt und verdeckt zumindest auf den Booklets von Folge zwei und drei wesentliche Bestandteile des Covermotivs. Auch inhaltlich bieten die Begleithefte nichts Neues. Informationen zur Serie, zu den Sprechern und zu den Romanen wären ein netter Gimmick gewesen.

_Fazit:_

Günstige Hörspielbox mit den ersten drei spannenden Abenteuern des Geisterjägers John Sinclair in exzellenter Tonqualität. Die Zahl der neuen Szenen hält sich in Grenzen und der Fan erhält nur wenig mehr für sein Geld, als er durch die Original-Hörspiele ohnehin schon besitzt. Für Neueinsteiger bietet diese Box allerdings den idealen Einstieg und beinhaltet mit diversen Specials das optimale Bonusmaterial.

|178 Minuten auf 3 CDs
ISBN-13: 9783785737569|
http://www.sinclairhoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.wortart.de

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

_Florian Hilleberg_

Die drei ??? und das Gold der Wikinger (Folge 45)

„Das Gold der Wikinger“, welches in der originalen Vorlage von William Arden auf das Jahr 1986 zurückgeht und eigentlich viel treffender mit „The three Investigators in the Mystery of the Wrecker’s Rock“ (sinngemäß: Die drei Detektive und das Rätsel um den Schiffbruchfelsen) betitelt wurde, schaffte den Sprung über den großen Teich erst drei Jahre später. Bei |Franckh-Kosmos| bekam dieser Fall dann seinen an die deutsche Leserschaft angepassten Namen und noch im gleichen Jahr von |EUROPA| als Hörspiel die Nummer 45 zugewiesen. 2001 erfuhren alle bis dato erschienenen „alten“ Folgen nochmals eine Überarbeitung: Die Musik musste wegen Lizenzproblemen ausgetauscht werden. Inhaltlich ist die Neuabmischung jedoch identisch mit der Urfassung von 1989.

_Zur Story_

Die drei ??? und das Gold der Wikinger (Folge 45) weiterlesen

King, Stephen – Schwarz (Der Dunkle Turm I)

_Handlung:_

Der Revolvermann Roland ist der Letzte seiner Art und sucht schon sein ganzes Leben lang nach dem geheimnisvollen Dunklen Turm. Doch um diesen zu finden, braucht er die Hilfe des Manns in Schwarz, eines Magiers, der aber alles andere im Sinn hat als Roland zu helfen und mit ihm lieber seine Spielchen spielt.

So kommt es, dass der Revolvermann den Mann in Schwarz quer durch die Wüste verfolgt, die ihn bisweilen beinahe völlig in die Knie zwingt. Zwischendurch macht Roland in einem Dorf halt, wo er Allie kennenlernt und auf eine unangenehme Art und Weise erneut Zeuge der magischen Kräfte des Mannes in Schwarz wird. So zieht er schon kurz darauf wieder weiter, bleibt jedoch nicht allzu lange allein, denn bald trifft er auf den Jungen Jake, der nicht weiß, wo er ist, geschweige denn, woher er eigentlich kommt.

Roland ist sich sicher: Jake stammt nicht nur von einer anderen Welt, sondern ist auch eine besonders gemeine neue Spielvariante des Mannes in Schwarz. Roland schließt den Jungen immer mehr in sein Herz, obwohl er weiß, dass er Jake opfern muss, wenn er hinter das Geheimnis des Dunklen Turms gelangen will …

_Eindrücke:_

„Schwarz“ ist der erste von insgesamt sieben Bänden des Zyklus „Der Dunkle Turm“. Stephen King hat mit seinem siebenteiligen Werk eine Welt geschaffen, die sogar für das Fantasygenre ungewohnt ist: Er vermischt Fantasy mit dem Wilden Westen. Doch auch wenn der ein oder andere nun die Nase rümpfen und sich denken wird „Fantasy und Wilder Westen, wie soll das denn aussehen?“, ist Stephen King diese eigenartige Mischung mehr als nur gut gelungen und er macht wesentlich mehr daraus, als man beim ersten Gedanken daran erahnen dürfte.

„Schwarz“ spielt hauptsächlich in der Wüste, verfügt über die Kulisse eines Westerns und handelt von einem Revolvermann namens Roland; doch dieser fantastische Wilde Westen, den Stephen King erschaffen hat, ist eine wesentlich düstere Welt, als sie auf den ersten Anblick erscheint, und reicht noch viel weiter bis in völlig neue und andersartige Welten hinein. Die Welt in „Schwarz“ wirkt leer, kahl und trist und wird von kaum einer Menschenseele bewohnt, einmal abgesehen von einigen Grenzbewohnern, wenigen kleinen Dörfern, Dämonen und den Muties – mutierte Wesen, welche des Nachts nach leichten Opfern jagen. Es wirkt alles, als wäre die beste Zeit dieser kargen Welt schon längst vorbei, und es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis die Wüste vollkommen verlassen ist.

Durch diese gottverlassene Gegend streift der Revolvermann, dessen eigentlicher Name Roland und welcher der Letzte seiner Art ist. Wir lernen ihn als eher wortkargen Menschen kennen, der sein Ziel, den Dunklen Turm zu finden, beharrlich verfolgt. Er ist hinter dem Mann in Schwarz her, dem einzigen Menschen (oder soll ich sagen: „Wesen“?), der ihm Auskunft über den Dunklen Turm geben kann, und er setzt alles daran, um dieses Ziel zu erreichen. Er schreckt nicht davor zurück, ein ganzes Dorf über den Haufen zu knallen oder den Jungen Jake, den er in sein Herz geschlossen hat, zu opfern, um schrittweise näher an sein großes Ziel zu gelangen.

Durch mehrere Zeitsprünge, die den Verlauf der Geschichte ab und zu etwas durcheinanderbringen, erfahren wir mehr über die Vergangenheit des Revolvermanns. Wir erfahren etwas über seine grausame Kindheit und seinen verfrühten Aufstieg zum Revolvermann. Weshalb er den dunklen Turm sucht und warum er mittlerweile der Einzige seiner Art ist, erfahren wir jedoch vorerst nicht.

Sein Gegenspieler ist der Mann in Schwarz. Auch von ihm erfährt man eigentlich nicht viel: man weiß nicht, woher er kommt, was er für ein Wesen ist und ob er gut oder böse ist. Er scheint auf den ersten Blick lediglich ein wenig verrückt und gleichzeitig intelligent zu sein. Er spielt mit dem Revolvermann ein Katz-und-Maus-Spiel, lässt sich jagen und stellt Roland auch die ein oder andere Falle, die ihn auf seinem Weg behindern oder ihm lediglich das Leben schwermachen soll. Erst ganz zum Schluss gelingt es Roland, den Mann in Schwarz einzuholen (oder hat dieser sich vielleicht einholen lassen?), und er stellt ihn zur Rede. Dort erhält er vom Mann in Schwarz viele Hinweise auf den Dunklen Turm und auf seine Zukunft …

So weit, so gut, doch der erste Teil des „Dunklen Turms“ weist dennoch ein großes Manko auf: Während der Revolvermann dem Mann in Schwarz durch die Wüste hinterherjagt und der Leser das ein oder andere Detail aus Rolands Kindheit und Vergangenheit erfährt, geschieht ansonsten beinahe nichts. Die ganze Handlung des Buches ist ein ewiger Marsch durch die Wüste, der mal hier und mal dort von einigen Gefahren und Hindernissen gespickt ist. Doch das war es grob gesehen auch schon. Viel mehr wird dem Leser handlungstechnisch nicht geboten, was bei dem ersten Teil einer insgesamt sieben Bände starken Reihe recht problematisch ist. Immerhin erwartet man schon beim ersten Band bestmögliche Unterhaltung, und ist das nicht der Fall, werden viele Leser schon früh die Lust an der Reihe verloren haben.

Zu guter Letzt noch einige Worte zum Schreibstil des Horror-Meisters: Dieser ist auf seine ganz eigene Weise faszinierend und absolut passend für die Welt, welche er geschaffen hat. Beschreibt er Roland im Hier und Jetzt, beschränkt er emotionale Ausführungen auf ein Minimum, was wohl auf die grausame Kindheit des Revolvermanns zurückzuführen ist. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass der Revolvermann als ein gefühlskalter Protagonist rüberkommt. Stephen King schafft es trotz weniger direkter Beschreibungen, Rolands Gefühle passend und sehr authentisch wirken zu lassen. Dies gelingt ihm auch bei den restlichen Charakteren, die eher Nebenrollen einnehmen, ebenfalls sehr gut.

Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren scheut sich Stephen King nicht davor, Exkremente und Genitalien in seine Erzählweise mit einzubeziehen. Diese Tatsache lässt das Werk noch ein wenig trister und gleichsam auch direkter wirken.

_Fazit:_

An und für sich bietet der Auftakt zu „Der dunkle Turm“ interessante und kurzweilige Unterhaltung, die allerdings kaum Spannung aufweist. Man sollte „Schwarz“ wirklich als den Einstieg in die Welt des Dunklen Turms sehen und nicht gleich aufgeben, sollte einem dieser erste Teil noch nicht so zusagen.

_Der Autor:_

Stephen Edwin King wurde am 21. September 1947 in Portland, Maine, geboren. Er schrieb unter anderem auch unter Pseudonymen wie Richard Bachman und John Swithen. Er ist einer der erfolgreichsten und bekanntesten Horror-Schriftsteller und hat bislang mehr als 400 Millionen seiner Bücher verkaufen können. Heute lebt er zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls Schriftstellerin ist, in Maine und Florida.

|Der Dunkle Turm:|

Band 1: Schwarz
Band 2: Drei
Band 3: Tot
Band 4: Glas
Band 5: [Wolfsmond 153
Band 6: [Susannah 387
Band 7: [Der Turm 822
|Originaltitel: The Dark Tower: The Gunslinger
Übersetzt von Joachim Körber
352 Seiten, Broschur
ISBN-13: 978-3-453-87556-2|
http://www.heyne.de
http://www.stephenking.com
http://www.stephen-king.de

_Mehr von Stephen King auf |Buchwurm.info|:_

[„Wahn“ 4952
[„Qual“ 4056
[„Sunset“ 5631
[„Brennen muss Salem – Illustrierte Fassung“ 3027
[„Brennen muss Salem“ 3831 (Hörbuch)
[„Briefe aus Jerusalem“ 3714 (Hörbuch)
[„Friedhof der Kuscheltiere“ 3007 (Hörbuch)
[„Puls“ 2383
[„Trucks“ 2327 (Hörbuch)
[„Colorado Kid“ 2090
[„The Green Mile“ 1857 (Hörbuch)
[„Das Leben und das Schreiben“ 1655
[„Atemtechnik“ 1618 (Hörbuch)
[„Todesmarsch“ 908
[„Der Sturm des Jahrhunderts“ 535
[„Tommyknockers – Das Monstrum“ 461
[„Achterbahn“ 460
[„Danse Macabre – Die Welt des Horrors“ 454
[„Christine“ 453
[„Der Buick“ 438
[„Atlantis“ 322
[„Das Mädchen“ 115
[„Im Kabinett des Todes“ 85
[„Duddits – Dreamcatcher“ 45
[„Kinder des Zorns / Der Werwolf von Tarker Mills“ 5440 (Hörbuch)
[„Nachtschicht 2“ 5651 (Hörbuch)

Birbæk (Birbaek), Michel – Nele & Paul

|“Aber ich kam nicht umhin festzustellen, dass die anderen Frauen in meinem Leben eine Urlaubsreise gewesen waren. Nele war meine Heimat. Sie war die Küste, an der ich später sitzen und übers Meer schauen wollte. Neleland.“|

Nele war und ist Pauls große Liebe. Er ist mit ihr zusammen aufgewachsen, hat mir ihr seine erste große Liebe erlebt – und seine einzige bis zum heutigen Tag. Nun ist er Anfang 30, einsam und wohnt immer noch bei seiner Mutter. Das tun eigentlich nur Serienmörder, wird Pauls Mutter nicht müde, ihm zu erklären.

Doch als Nele ihn vor neun Jahren verlassen hat, um in den USA als Model ihr Glück zu (ver)suchen, brach für Paul eine Welt zusammen. Er sprach mit niemandem und verlor bei einem Unfall nicht nur seinen Führerschein, sondern auch seinen Job im Außendienst bei der Polizei, da er schlappe zwei Promille Alkohol im Blut hatte.

Kurz: Pauls Leben ist keines, er ist nicht in seiner Heimat (dem Neleland), sondern auf einer Wanderschaft ohne Ziel. Keine Frau interessiert ihn oder kann ihm annähernd das geben, was Nele ihm bedeutet. Doch dann steht sie plötzlich vor ihm – sie ist zurück. Nach neun Jahren. Ihre einst langen Haare sind kurz geschnitten, ihre zarte Figur weiblicher geworden. Ihr Vater Hans ist gestorben, daher ist sie aus den USA zurückgekehrt. Doch dann gesteht sie Paul, dass sie bereits seit einigen Monaten wieder in Deutschland ist und in Köln gearbeitet hat, um das Pflegeheim ihres Vaters zu bezahlen.

All das trübt Pauls Wiedersehensfreude aber nicht, er ist einfach nur glücklich, seine große Liebe wieder an seiner Seite zu haben und endlich wieder angekommen zu sein in seinem Neleland. Die beiden erleben das pure Glück, auch wenn sie feststellen müssen, dass die Villa von Neles Vater völlig verwüstet und damit erst einmal unverkäuflich ist. Innerlich grinst Paul sich eins, denn die langwierige Renovierung wird Nele Wochen oder Monate an sich binden. So stürzt er sich mit Feuereifer in die Arbeit, unterstützt von seinem besten Freund und Kollegen Rokko, der zurzeit allerdings in einem haarigen Clinch mit seiner Lebensgefährtin Anita liegt.

Dennoch scheint alles perfekt, bis Paul eines abends unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückkehrt, denn plötzlich muss er erkennen, dass Nele nicht die Alte ist. Etwas verschweigt sie ihm. Was ist nur passiert?

_Die große Liebe_

Mit seinem hervorragenden und gefühlvollen Roman [„Beziehungswaise“ 3970 hat sich Michel Birbæk in mein Herz geschrieben. Das vorliegende Buch „Nele & Paul“ versprach, in die gleiche Kerbe zu schlagen. Und tatsächlich beginnt das Buch in gewohnter Manier: Paul ist verzweifelt und trauert seit neun Jahren seiner großen Liebe hinterher. Ihn interessieren nicht die Dorfschönheiten oder die Kontaktanzeigen, die ihm sein bester Kumpel Rokko ständig vorliest. Ihn interessiert nur Nele, sie ist sein Ein und Alles, und das nicht nur in einer verklärten Erinnerung. Denn als sie wieder vor ihm steht, scheint alles perfekt.

Hier zeichnet Michel Birbæk über lange Strecken ein perfektes Glück. Nele und Paul knüpfen dort an, wo sie vor neun Jahren aufhörten, und auch wenn sie eigene Erfahrungen gemacht haben, andere Partner hatten und reifer geworden sind, passen sie zusammen wie der Topf zum Deckel. Auch Pauls Mutter Mor, die nach einem Unfall nur noch ein Bein hat und nun keinen Mann mehr kennenlernt, der in ihr die liebenswerte Frau und nicht den Krüppel sieht, fasst wieder Mut und schmiedet Pläne für die Zukunft.

Alles ist perfekt. Bis Pauls heile Welt einen erneuten Riss bekommt. Von einem Moment auf den anderen erkennt er Nele nicht wieder. Sie ist völlig weggetreten, aggressiv und apathisch. Kurz darauf „erwacht“ sie aus diesem Zustand und kann sich an nichts erinnern. Was ist bloß los mit ihr? Ist etwas unvorstellbar Schlimmes geschehen? Oder ist sie gar schwer krank? Paul macht sich daran, es herauszufinden.

Das ist der Moment, in dem „Nele & Paul“ fast zu einem Krimi wird, denn auch der Leser will nun unbedingt wissen, was eigentlich geschehen ist, was Nele so sehr zusetzt. Leider zeichnet sich recht schnell ab, in welche Richtung es weitergeht. Und leider geht es in eine Richtung, die mir zu abgeschmackt vorkommt. Zu dramatisch ist das, was uns Birbæk hier präsentiert, zu weichgespült das, was darauf folgt. Seine Geschichte nimmt an diesem Punkt eine Wendung, die ich nicht stimmig fand und die mir nur konstruiert erschien, um dem perfekten Liebesglück mehr Authentizität zu verleihen. Schade, denn diese Wendung und das daraus unweigerlich folgende Buchende trübten meinen Gesamteindruck sehr. Eine solche Wendung würde besser zum ZDF-Sonntagabendfilm passen.

_Mehr als nur Worte_

Doch eine Stärke bringt Michel Birbæk mit, auf die er sich offensichtlich stets verlassen kann, nämlich sein Talent, Situationen und Gefühle in die passenden Worte zu verpacken. Birbæk findet treffende Metaphern, die mitunter ins Komische abdriften und dem Leser ein Lächeln ins Gesicht zaubern:

|“Als November merkte, dass niemand den Kühlschrank ansteuerte, trottete er zu seiner Decke und ließ sich dort fallen wie Andy Möller bei einem Windhauch.“|

Auch als Leserin hatte ich sofort Andy Möller vor Augen, der selbst dann filmreif zu Boden geht, wenn der gegnerische Spieler noch fünf Meter entfernt ist und eher eine Ahnung am Bildschirmrand. November ist übrigens der Hund von Paul – mit seinen unvergleichlich schönen Seidenohren, die Paul gern liebevoll streichelt.

Aber es sind nicht nur die Metaphern, sondern auch die herrlichen Übertreibungen, die Ausschmückungen, die uns Situationen genau vor Augen halten und mir immer wieder positiv aufgefallen sind:

|“Wäre Van Gogh anwesend gewesen, hätte er gemalt, Shakespeare hätte gedichtet, Rio komponiert. Aber es waren bloß Dorfbewohner da, und das Einzige an Kunst, das hier betrieben wurde, war der Versuch, nicht zu viel neben die Schüssel zu kotzen.“|

Zuvor beschrieb Birbæk die Anmut, in der Nele und ihre gute Freundin Anita eine Kneipe schmissen. Er beschreibt sie als zwei schöne Frauen, die vom Leben gezeichnet sind, die dadurch aber noch mehr Ausstrahlung besitzen und mit ihren Komplimenten die Kneipenbesucher zum Erröten bringen. Dennoch relativiert Birbæk die Schönheit des Momentes, da außer Paul niemandem auffällt, welch einzigartiges Schauspiel die beiden Frauen abliefern. Herrlich!

Aber auch schwarzer Humor ist Michel Birbæk nicht fremd, denn eine seiner Hauptfiguren ist Mor, die ihren Lebensmut nicht verliert, obwohl sie sich einsam fühlt und die Hoffnung aufgegeben hat, einen Mann kennenzulernen, der über das fehlende Bein hinwegsehen kann. Birbæks große Kunst ist es, diese Figur nie dramatisch zu zeichnen. Zwar ist Mor ebenfalls vom Schicksal schwer gezeichnet, ihr amputiertes Bein findet mindestens genauso oft Erwähnung wie der allgegenwärtige kleine Hund November, aber in keiner Situation tendiert man dazu, Mitleid für Mor aufzubringen, einfach deshalb, weil sie ihr Leben so gut meistert. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, streut Birbæk Sätze ein, die fast schon unverschämt schwarzhumorig sind, aber so perfekt zu ihm passen:

|“Sohn einer Behinderten schneidet sich aus Solidarität Bein ab! Gemeinsamer Schuhkauf möglich!“|

Michel Birbæks Sprache ist nie eintönig, nie langweilig. Einmal bringt er den Leser zum Lachen, dann aber auch wieder zum Träumen. Denn die Liebe steht in diesem Buch nun einmal im Vordergrund, und hierfür findet Michel Birbæk wunderbare Worte, die nicht ins Kitschige abdriften, sondern einfach nur eine tiefe Liebe zum Ausdruck bringen:

|“Sie sah mich einen Moment lang an, dann schloss sie die Augen, rollte sich auf die andere Seite und schlief wieder ein. Ich lauschte in die Runde. Bis auf eine Amsel, die den Tag begrüßte, war nichts zu hören. Ich ließ meinen rechten Arm aus dem Bett hängen. November leckte mir die Hand. Ich suchte seine Seidenohren und streichelte sie. Links meine große Liebe, rechts meine tierische. Vielleicht würde ich für diese Nacht noch zu zahlen haben, aber was es auch kostete, nie würde mich jemand über den Preis jammern hören.“|

_Wie Topf und Deckel_

Im Mittelpunkt stehen, wie schon der Titel des Buches vermuten lässt, natürlich Nele und Paul. Die beiden verbindet eine gemeinsame Vergangenheit, die bis in die Kindheit der zwei zurückreicht, und vor allem eine ganz große Liebe, die auch nach neun Jahren Trennung nicht erloschen ist. Michel Birbæk zeichnet zwei sympathische Figuren, die in ihrem Leben viel erlebt haben und mitunter an ihrem Leid zu zerbrechen droh(t)en. Dadurch werden sie richtig menschlich, auch wenn die Liebe zueinander fast schon zu blütenweiß gewaschen scheint. Dennoch bleiben Paul und Nele stets greifbar und ihre Gefühle füreinander nachvollziehbar. Am Ende des Buches sind sie zu guten Freunden geworden, in deren Leben man einen kleinen Blick hineinwerfen durfte.

Fast noch besser gefallen hat mir aber Rokko – Pauls bester Freund, der mit ihm zusammen im Außendienst tätig war. Nach besagtem Unfall hat sich auch Rokko in den Innendienst zurückgezogen, um Paul Gesellschaft zu leisten. Eigentlich ist Rokko glücklich mit Anita liiert, doch dann zieht es ihn immer wieder zu anderen Frauen hin, was Anitas Geduld ziemlich strapaziert. Rokko ist ein Draufgängertyp mit einem schnellen Auto, der im Dienst nicht immer tut, was er soll. Dennoch verleiht Michel Birbæk ihm auch eine sehr gefühlsbetonte Seite.

Auch wenn November „nur“ ein kleiner Hund ist, lernen wir ihn fast so gut kennen wie die handelnden Personen. November ist allgegenwärtig. Er begleitet Paul beim Joggen, hechelt Mor in ihrem neuen schnellen Rollstuhl hinterher, er fängt all die Essensreste auf, die vom Tisch „fallen“ und er lässt sich immer wieder gerne die Seidenohren streicheln. Richtig schmunzeln musste ich, als Paul und Nele einen hohen Felsen erklimmen und von dort ins Wasser springen. Anschließend toben sie im Wasser und legen sich in Ufernähe auf eine Wiese, doch obwohl November den Weg nach unten kennt, bleibt er geduldig auf dem Felsen sitzen und wartet treu darauf, dass Paul ihn von dort abholt. Und auch wenn das einige Stunden dauern kann, so trägt November seinem Herrchen nichts nach, sondern begrüßt ihn freudig. So bekommt auch der kleine Hund richtig menschliche Züge.

_Abschied vom Neleland_

„Nele & Paul“ ist ein traumhaft schönes Buch, zumindest bis etwa hundert Seiten vor Schluss. Michel Birbæk erweckt seine Figuren zum Leben, sodass wir sie richtig liebgewinnen. Außerdem schafft er es mit seinen detaillierten Beschreibungen, uns in seine Geschichte hineinzuziehen. Es war wie ein Sog, der mich immer weiterlesen ließ – bis zu dem Punkt, an dem ich ahnte, wie sich alles auflösen würde. Nicht nur fand ich das Ende so vorhersehbar wie das Happy End bei Rosamunde Pilcher, sondern auch so abgeschmackt und kitschig, dass ich wirklich enttäuscht war. Dennoch ist „Nele & Paul“ ein echtes Wohlfühlbuch, das weit aus der Masse herausragt.

|397 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-7857-2350-0|
http://www.birbaek.de
http://www.luebbe.de

_Mehr von Michel Birbæk auf |Buchwurm.info|:_
[„Beziehungswaise“ 3970
[„Wenn das Leben ein Strand ist, sind Frauen das Mehr“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=714

Daniel Glattauer – Gut gegen Nordwind

Das Internet – heute ist es mehr als eine Datenautobahn, auf der wir uns an allen Abzweigungen Informationen abholen und auf der wir uns an Kreuzungen mit Menschen treffen. Das Internet ist zu einer riesigen, globalen Kontaktbörse geworden. Doch welche Konsequenzen können sich daraus ergeben, wenn man sich erst virtuell kennen lernt – und das viel zu gut? Wenn man vorher einen Berg von Erwartungen aufbaut? Davon erzählt Daniel Glattauer – und zwar in wunderbaren, einfühlsamen Worten, so viel sei jetzt schon vorweggenommen.

Lieber Leo …

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Little, Bentley – Böse

_Das geschieht:_

Willis, eine Kleinstadt in Arizona, schmort unter glühender Sommersonne. Lehrer Doug Albin freut sich auf die Ferien, die er mit Gattin Trish und Sohn Billy daheim verbringen möchte. Das Leben in dem abgeschiedenen Ort ist beschaulich. Jeder kennt jeden, Nachbarn helfen einander, Geheimnisse müssen sorgfältig gehütet werden, wenn sie gewahrt bleiben sollen.

Der Schock ist deshalb groß, als sich Bob Ronda, der leutselige und allseits beliebte Postbote, mit der Schrotflinte den Kopf wegschießt. Niemand kann sich einen Reim auf diese sinnlose Tat machen, aber schon am nächsten Tag fährt sein Nachfolger die Post aus. John Smith ist sein Name, und er scheint sehr tüchtig zu sein. Doug Albin kann ihn allerdings überhaupt nicht leiden; Smith strahlt etwas Bedrohliches aus.

Zudem beginnen seltsame Vorfälle für Verwirrung und Unfrieden zu sorgen. Rechnungen und Mahnungen werden nicht mehr zugestellt, Telefon- und Stromanschlüsse gekündigt. Viele Bürger erhalten Nachrichten von Familienangehörigen und Freunden, zu denen der Kontakt seit Jahren abgebrochen war. Diese Briefe sind geschickte Fälschungen. Andere Schreiben landen absichtlich falsch in nachbarschaftlichen Briefkästen. Oft liegen Nacktfotos bei, die bekannte Bürger bloßstellen.

Doug will Smith zur Rede stellen, doch der hat geschickt dafür gesorgt, dass es keine Beweise für seine Machenschaften gibt. Einige Bewohner von Willis glauben Doug zwar, aber voller Angst verweigern sie ihm die Hilfe. Der Terror verstärkt sich, offene Gewalt bricht aus. Smith nimmt die Albins direkt ins Visier. Verzweifelt sucht Doug nach einem Ausweg. Die Zeit drängt, denn Smith, der sich immer fester im Sattel wähnt, lässt seine Maske endgültig fallen …

_Dämonischer Schuss in den Ofen_

„Böse“ ist das seltene Beispiels eines Romans, der flüssig geschrieben ist und seine Leser trotzdem irritiert und verärgert zurücklässt. Der Plot ist bewährt und hat seine Tauglichkeit schon oft unter Beweis gestellt. Die Kleinstadt, hinter deren idyllischer Kulisse sich allerlei düstere Geheimnisse verbergen, ist ein klassisches Motiv, seine Bewohner, ‚durchschnittliche‘ US-Amerikaner, bilden einen gut eingeführten Figuren-Pool. Aber irgendwie geht Bentley Little alles schief.

Der Plot: In eine kleine, von der Außenwelt bereits geografisch isolierte Gemeinde kommt John Smith, ein Dämon in Menschengestalt. Er schlüpft in die Rolle des Postboten und damit in eine Position, die es ihm möglich macht, sich mit privatem und beruflichem Hintergrundwissen zu versorgen, das er benötigt, um die Menschen besagter Gemeinde gegeneinander aufzuhetzen. Wie man so etwas richtig macht, hätte Smith vielleicht vorher bei seinem Dämonenkollegen Leland Gaunt erfragen sollen, der 1991 das neuenglische Städtchen Castle Rock heimsuchte. „Needful Things – In einer kleinen Stadt“ wurde allerdings von Stephen King verfasst, der offensichtlich in einer ganz anderen Liga schreibt als Little. Der ‚borgt‘ sich nicht nur den Plot, sondern auch Kings Kleinstadt-Ambiente, vermag aber aus beidem wenig zu machen.

_Horror im Dorf der Holzköpfe_

Was hat Postbote Smith den guten Menschen von Willis nur ins Wasser getan? Wie sonst ließe sich deren kollektive Irrationalität erklären? So fern von Gut und Böse kann selbst die Bürgerschaft eines Provinznestes in Arizona nicht sein, dass sie sich von einem einzigen Schurken – Dämon hin, Dämon her – aus den Angeln heben ließe! Schon bald weiß nicht nur Lehrer Albin, dass Smith ein Betrüger ist. Es geschieht – nichts! Seine Nachbarn werfen ihm auf der Suche nach Unterstützung wie dem einsamen Sheriff aus „12 Uhr mittags“ die Haustüren ins Gesicht. Die örtliche Polizei ignoriert ihn. Wieso? Vermutlich vor allem deshalb, weil der gute Doug sich so umständlich ausdrückt, dass kein Polizist versteht, was er eigentlich sagen will.

Little will uns außerdem glauben machen, dass der böse Postmann nicht nur die Bürger von Willis, sondern auch die US-Postbehörde, das Elektrizitätswerk oder die Telefongesellschaft wie Marionetten an seinen Fäden tanzen lassen kann. Das ist schwer genug zu glauben, ohne dass Little es uns so plump schildert. Selbst in der modernen Servicewüste würde es einem Unternehmen auffallen, wollte eine ganze Stadt plötzlich auf seine Dienste verzichten.

In Willis bricht ob der falschen Briefe erst Unruhe und dann der Bürgerkrieg aus. Alle wissen, wer hinter der Hetze steckt. Statt sich zusammenzutun, um Smith auf die Postbude zu rücken, verkriechen sich seine Opfer in ihren Häusern und streiten sich munter weiter. Mit seinem Brett vor dem Kopf rennt jede/r rat- und sinnlos umher. Den moralischen Verfall der Menschen von Willis symbolisiert der Autor so: „Sein Haar hatte er anders gekämmt als sonst. Er hatte es in der Mitte gescheitelt, und das ließ ihn älter und härter aussehen.“ Gemeint ist Lane, Billy Albins Freund, der zwölf Jahre ‚alt‘ ist. Manipulation muss wesentlich subtiler inszeniert werden, wenn sie überzeugen und nicht zum Lachen reizen soll, Mr. Little!

_Im Grunde bekommen sie, was sie verdienen_

Erregt das Schicksal der Bürger von Willis beim Leser Mitleid? Ein deutliches NEIN ist die Antwort. Sogar seine Hauptfiguren, die Angehörigen der Lehrerfamilie Albin, denken und handeln so blöd, dass die Schweine sie beißen, wie man in Westfalen zu sagen pflegt. Wie Stephen King wollte Little typische Durchschnittsamerikaner als Sympathiefiguren zu literarischem Leben erwecken. Das ist augenscheinlich schwieriger, als es scheint. Wenn dabei nur Trottel und Langweiler entstehen, gibt es erst recht ein Problem.

Little scheinen seine Figuren selbst wenig zu interessieren. Sie werden aufwändig eingeführt, um nicht selten irgendwann spurlos aus der Handlung zu verschwinden. Da ist zum Beispiel Stockley, der Verleger der örtlichen Zeitung, mit dem Doug Albin seinen Verdacht gegen Smith diskutiert. Einige Seiten später lesen wir, dass Stockley bewaffnet in der Bank von Willis Amok gelaufen ist, ein Dutzend Menschen erschossen und Selbstmord begangen hat. Wie kam es dazu, zumal er laut Little eindeutig wusste, dass Smith nur Lügen verbreitet? Andere Figuren enden ebenso irrational; Little schert sich nicht um die daraus resultierende Unlogik. Lieber inszeniert er drastische Schockeffekte und lässt unter anderem die alte Irene in einer Badewanne sterben, in deren Wasser die Fragmente ihres zerstückelten Gatten treiben …

_Ein Teufel für dämliche Zeitgenossen_

Ein Horror-Roman wie „Böse“ steht und fällt mit der Qualität des Bösewichts. Den muss man hier einen Totalausfall nennen. Ein Postbote ist beim besten Willen keine Schreckensgestalt, auch wenn ihn Little laut im nächtlichen Wald tanzen und singen lässt – das soll wohl dämonische Fremdartigkeit suggerieren; der Leser denkt indes unwillkürlich an Rumpelstilzchen. („Ach wie gut, dass niemand weiß …“)

Weil selbst Little nicht entging, wie untauglich John Smith als Buhmann ist, pflanzt er seinen Figuren eine heilige Todesangst ein: Sie müssen den Postboten nur sehen, dann fährt sie ihnen tief ins Mark. Behaupteter Schrecken ist freilich wie feuchtes Schießpulver: Er zündet nicht. Der Leser bleibt ratlos mit seiner Frage, wie Smith solches Grauen verbreiten kann. Weil er der trutschigen Trish Albin feuchte Träume beschert? (Später schneidet er immerhin den Dorfhunden in Serie die Köpfe ab …)

Das Ende des dämonischen Postboten wird zum traurigen Höhepunkt dieser missglückten Horrormär. Aus heiterem Himmel gelingt Albin, womit er bisher scheiterte: Die Bürger von Willis stellen sich auf seine Seite und bilden eine gemeinsame Front. Wären sie früher auf diese naheliegende Idee gekommen, hätten sich diverse Morde, Selbstmorde, Haustiermorde und andere Ungeheuerlichkeiten gar nicht erst ereignet. Damit wäre dieser Roman überflüssig geworden; nichtsdestotrotz gibt ihn, und weil er nun auch die deutschen Leser erzürnen kann, muss man wohl annehmen, dass John Smith zu schlechter Letzt doch triumphiert …

_Zwei Anmerkungen zur deutschen Ausgabe_

– „Böse“ erschien im US-Original nicht wie im Buchimpressum angegeben 2003, sondern bereits 1991; der Roman ist also schon ein wenig angejahrt, was den Lesern/Käufern offensichtlich vorenthalten werden soll. Das Alter lässt sich gut an der völligen Abwesenheit der heute allgegenwärtigen Handys erkennen; im 21. Jahrhundert wäre John Smith schon aufgrund der modernen Kommunikationstechnik mit seinem Postboten-Coup schmählich gescheitert …

– „Kein Buch für schwache Nerven – und dabei bin ich wahrlich kein ängstlicher Zeitgenosse“: Stephen King soll diese lobenden Worte geäußert haben, die prompt und werbewirksam auf dem Cover auftauchen. Verkauft King solche hohlen Elogen en gros? Schämt er sich nicht, seinen Namen herzugeben, mit dem Humpel-Horror wie „Böse“ angepriesen werden kann? (Offensichtlich nicht.)

_Der Autor_

Der studierte Sprach- und Literaturwissenschaftler Bentley Little (geb. 1960 im US-Staat Arizona) veröffentlicht seit 1990 Geschichten und Romane, die recht kompromisslos dem Horror-Genre zuzuordnen sind: Das Übernatürliche wird nicht rational entschlüsselt, sondern als real vorausgesetzt.

Als Autor ist Little kein Feingeist. Er arbeitet ausgiebig mit blutigen Morde, sexuellen Perversionen und anderen vordergründigen Effekten. Gern lässt er solche Schrecken auf eine scheinbar heile Welt niederprasseln, um diese dann anschaulich in Stücke zu reißen. Als Vorbilder nennt Little Dean Koontz und Stephen King, wobei der Mann aus Maine sich schon früh für den jungen Kollegen einsetzte. Dass Little für seinen Roman „The Revelation“ 1990 einen „Bram Stoker Award“ für das beste phantastische Erstlingswerk erhielt, verdankt er auch Kings Fürsprache.

Mit seiner Familie lebt und arbeitet Bentley Little in Fullerton, Kalifornien. Über seine Aktivitäten informiert diese Website: http://bentleylittle.homestead.com

_Impressum_

Originaltitel: The Mailman (New York : Signet 1991)
Übersetzung: Rolf Tatje
Deutsche Erstausgabe: April 2009 (Bastei-Lübbe-Verlag/TB Nr. 15986)
414 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-404-15986-4
http://www.bastei-luebbe.de

Die drei ??? und das Riff der Haie (Folge 30)

In den Achtzigern, speziell um die Folge 30 herum, geschah ein Umbruch. Beginnend mit dem „Riff der Haie“ wurden bei den drei Fragezeichen verstärkt auch moderne Themen angepackt, wie zum Beispiel hier der Umweltschutz, zudem Aliens (Bedrohte Ranch), politischer Extremismus / Waffenhandel (Narbengesicht). Dem stand entgegen, dass das |EUROPA|-Studio plötzlich nicht mehr so sorgfältig an den Scripten arbeitete und bei der Umsetzung der Bücher in die Hörspielfassungen allerlei handwerkliche Fehler auftraten.

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Barton, Beverly – Killing Beauties

Es gibt herausragende, schlechte und durchschnittliche Krimis. Durchschnittliche Krimis zeichnen sich zumeist dadurch aus, dass sie in sich schlüssig und nett lesbar sind, ansonsten aber nur wenig zu bieten haben. Ihre Zutaten sind wohlbekannt, Mut zur Innovation ist selten. „Killing Beauties“ der amerikanischen Autorin Beverly Barton fällt in genau dieses Schema.

Im Mittelpunkt steht ein Serienmörder, der seit Jahren sein Unwesen im Süden der USA treibt. Er hat es auf ehemalige Schönheitsköniginnen abgesehen. Eines seiner ersten Opfer war Jennifer Walker, die Ehefrau des gut betuchten Anwalts Judd Walker. Judd hat ihren Tod nicht besonders gut verarbeitet und beauftragt die private Ermittleragentur seines Freundes Griff Powell mit dem Fall.

Griff und seine Leute kümmern sich nun schon seit viereinhalb Jahren darum, die Morde nachzuverfolgen. Immer wieder geschehen neue Bluttaten, bei denen den Opfern Gliedmaßen abgehackt werden. Genau wie das ebenfalls involvierte FBI haben sie kaum Ergebnisse aufzuweisen. Der Täter geht sehr geschickt vor. Es gibt keine Zeugen, keine Spuren, doch als er die rothaarige Gale Ann Cain töten will, unterläuft ihm ein Fehler. Gale Ann überlebt, und zusätzlich wird er von ihrer Schwester beim Verlassen ihrer Wohnung beobachtet. Sein neuestes Opfer bleibt lange genug bei Besinnung, um den Ermittlern mitzuteilen, dass der Mörder ein Spiel spielt. Je nach Haarfarbe ist eine Tote eine bestimmte Punktzahl wert.

Zur gleichen Zeit treffen Judd Walker und Lindsay McAllister, eine von Powells Agentinnen, erneut zusammen. Sie haben eine bittere Affäre hinter sich, die alleine schon deshalb nicht gut enden konnte, weil Judd sich nach Jennifers Ermordung in seiner Trauer völlig zurückzog, mit dem Trinken begann und ein anderer Mensch wurde. Lindsay liebt ihn jedoch immer noch, und während sie gemeinsam zum Tatort des neusten Mords fahren, kommen die beiden sich wieder näher – mit verhängnisvollen Folgen. Um Judd bei seiner Rückkehr ins Leben zu helfen, beschließt Lindsay, den Täter zu fassen, indem sie ihm eine Falle stellt …

Beverly Bartons Buch liest sich wie das einer Autorin, die Thriller in Serie produziert. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, führt aber häufig zu einer gewissen Routine, die den Leser langweilt. In „Killing Beauties“ ist das ähnlich. Die Handlung ist spannend, obwohl der Täter von Anfang an bekannt ist, und überzeugt durch den Wechsel verschiedener Perspektiven. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Wettlauf zwischen Polizei und Täter, der in einem hektischen Showdown endet. In einer Nebenhandlung wird das komplizierte Verhältnis zwischen Lindsay und Judd beleuchtet. Allzu oft versinkt die Autorin dabei in kitschiger Romantik und dem Versprechen von ewiger Liebe. Das lenkt unangenehm von der eigentlichen Handlung ab, auch wenn die Beziehung sicherlich ihre Berechtigung hat und zur Story dazugehört.

Gerade Lindsay und Judd können sich als Charaktere nicht aus dieser Romantikfalle befreien, obwohl vor allem Judd bei genauerem Hinsehen eine gut ausgearbeitete, intensive Figur ist. Der Schmerz aufgrund des Verlusts seiner Frau wirkt echt und regt zum Nachdenken an. Barton überzeugt, wenn sie seine Gefühle in Worte packt und in die Düsternis seiner Seele hinabführt. Lindsay wirkt hingegen stellenweise wie ein verschüchtertes, unterwürfiges Fräulein. Ihre masochistische Ader ist zu viel des Guten und sorgt eher für Antipathien als für Mitgefühl. Die anderen Charaktere haben hingegen nur kurze Auftritte, was im Fall von Griffin Powell durch ein „leider“ ergänzt werden muss. Es schimmert immer wieder durch, dass Lindsays Chef eine bewegte, nicht ganz saubere Vergangenheit hat. Es wäre spannend gewesen, mehr darüber zu erfahren, doch an dieser Stelle hält die Autorin den Leser kurz.

Krimis in Routine zu produzieren, setzt voraus, dass man sie schreiben kann, denn sonst würden sie kaum verlegt werden. Beverly Barton hat über 50 Bestsellerromane auf ihrer Liste, was ihren sicheren und versierten Schreibstil erklärt. Sie bedient sich eines gehobenen, großen Wortschatzes, bleibt aber nüchtern in der Erzählung. Sie bringt die Gefühle ihrer Personen mit ein, verzichtet aber weitgehend auf die Benutzung von Sprachbildern. Stattdessen schildert sie schnörkellos und ohne unnötigen Ballast die Handlung, so dass ein hohes Erzähltempo entsteht, das auf weiten Strecken für den richtigen Vorwärtsgang sorgt.

„Killing Beauties“ ist sicherlich kein Ausnahmebuch, aber nett zu lesen und spannend. Beverly Barton bewegt sich auf ihrem Gebiet – Krimis mit einem Schuss Romantik – sehr sicher, auch wenn ihr das Besondere fehlt.

|Originaltitel: The Dying Game
Aus dem Amerikanischen von Kristina Lake-Zapp
510 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-426-50014-9|
http://www.beverlybarton.com
http://www.knaur.de

Die drei ??? und der Geisterzug (Folge 122)

Auf die Vertonung dieser Geschichte aus der „Drei Fragezeichen“-Reihe mussten Fans lange warten, galt es doch, heftige Lizenzstreitigkeiten, welche seit 2005 schwelten, zu beseitigen. Zwar erschienen im Stammverlag |Franckh-Kosmos| zunächst weiterhin Buchfassungen, doch die entsprechenden Hörspiele lagen eine ganze Zeit auf Eis. 2008 war es dann so weit: Nach der unsäglichen – und dankenswerterweise mittlerweile eingestellten – Klon-Serie „Die Dr3i“ durften die drei Junior-Schnüffler bei |EUROPA| wieder ihr normales Tagesgeschäft verrichten – natürlich mit dem über lange Jahre gestählten Team vor und hinter den Mikrofonen. Der „Geisterzug“ bekam die Nummer 122 und wurde in einer Tranche mit „Spur ins Nichts“ (121) und „Fußballfieber“ (123) veröffentlicht.

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Nicholson, William – Noman (Der Orden der edlen Krieger III)

Band 1: [„Sucher“ 3817
Band 2: [„Jango“ 4590

_Sucher_ hat die Savanter gefunden. Doch zwei von ihnen konnten entkommen. Nun verfolgt Sucher sie durch das halbe Land. Als er sie endlich stellen kann, passiert etwas Unvorhergesehenes …

Der Wildling hat eine ganze Armee aus Spiekern um sich versammelt. Sein Ziehvater und Vertrauter Schlange drängt ihn zum Handeln, doch der Wildling weiß nichts mit seiner Armee anzufangen. Ziellos lässt er sich einfach treiben. Bis Schlange ihn zum Handeln zwingt …

Morgenstern sieht die Entwicklung mit Schrecken und Kummer. Und so beschließt sie, die Spiekerarmee zu verlassen. Nach nur einem halben Tag auf Wanderschaft gabelt sie ein paar verlassene Kinder auf, die sich ihr anschließen. Sie will sie in ihr Heimatdorf bringen, damit sich jemand um sie kümmert, doch der Ort ist verlassen. Die Einwohner sind alle dem Freudenbringer gefolgt …

_Die Charaktere_ haben noch einmal Zuwachs bekommen: die beiden Savanter – ein Mann namens Manlir und eine Frau, deren Namen man erst am Ende erfährt – sowie Noman, der Gründer des Ordens der edlen Krieger. Schade nur, dass diese drei so wenig eigenes Profil zeigen. Noman taucht wie Jango lediglich als Ratgeber für Sucher auf. Das erscheint nicht weiter verwunderlich, da er ja eigentlich seit zweihundert Jahren tot ist. Aber auch die beiden Savanter bleiben größtenteils schemenhaft. Nicht einmal die Vergangenheit, für die diese schattenhaften Figuren stehen, nimmt durch sie mehr Kontur an. Letztlich bleiben sie nicht mehr als Stellvertreter für ihre jeweiligen Ideologien. Lediglich die drei Hauptprotagonisten bieten noch ein wenig Entwicklung in ihren Charakteren.

_Was die Handlung betrifft_, so hat der Autor diesmal den bunten Rahmen, der in den beiden Vorgängerbänden den roten Faden verbrämt hat, einfach weggelassen. Übrig geblieben ist vor allem Suchers Jagd nach den Savantern und letztlich nach der Wahrheit, nach Antworten auf all die offenen Fragen, die im Laufe der Geschichte aufgetaucht sind. Dieser Hauptstrang überlagert nach und nach alle anderen Stränge. Und er neigt sich zunehmend in eine ausgesprochen philosophische Richtung. Das verleiht dem Band einen wesentlich ernsteren Grundtenor, als er der Trilogie bisher zueigen war.

Der Hintergrund, vor der sich all das abspielt, hat sich ebenfalls stark gewandelt. Die alte Ordnung ist völlig zusammengebrochen. Der Nom ist zerstört, die Nomana in alle Winde verstreut. Sören Similin, der die Herrschaft über Radiosa an sich gerissen hatte, ist der Rache des Erfinders Evor Ortus zum Opfer gefallen. Und der Jahan der Orlaner ist krank und schwach und wird schließlich von seinem eigenen Sohn ermordet.
Aus dieser Situation der Orientierungslosigkeit und Unsicherheit resultiert zunächst einmal ein ziemliches Durcheinander. Die orlanische Armee ist zu marodierenden Banden zerfallen, skrupellose Geschäftemacher versuchen, die letzten Wohlhabenden über den Tisch zu ziehen, selbsternannte Heilsbringer tauchen auf und ziehen ganze Scharen von Anhängern an.
Alles in allem ein gelungenes, wenn auch nicht besonders differenziertes Bild eines gesellschaftlichen Umbruchs.

_Ich muss aber gestehen_, dass es mir trotzdem schwerfiel, mich in diesen letzten Band hineinzufinden. Dazu hat sicherlich der lange Leseabstand von mehr als einem Jahr beigetragen. Hauptsächlich aber lag es am Gesamteindruck.

Die Geschichte wirkt zum einen ziemlich sprunghaft. Sucher legt bei seiner Jagd/Suche immense Strecken zurück, in kürzester Zeit und ohne dass dazu viel gesagt würde, und zwar stellenweise dieselben Strecken: zum Meer, wieder ins Landesinnere, wieder ans Meer … wie ein Pingpong-Ball. Auf einer dieser Strecken verirrt er sich auch noch, und zwar nicht einfach so, wie man sich im Dunkeln verläuft oder in einem weglosen Wald, sondern in sozusagen metaphysischer Hinsicht.

Zum anderen empfand ich die Antworten, die Sucher letztlich findet, als lückenhaft. Das gilt vor allem für die Szene, die sich in der Felsnadel in der Wüste abspielt. Sie wirft letztlich mehr Fragen auf, als sie beantwortet, zum Beispiel die Frage nach der Identität der Beteiligten. Andere Fragen werden überhaupt nicht beantwortet, zum Beispiel die, warum die Savanter eine Bedrohung für das Ewige Kind sein sollten, denn das sind sie tatsächlich gar nicht. Die Bedrohung ist letztlich jemand ganz anderer, wobei sich hier schon wieder die Frage stellt, ob er denn wirklich eine Bedrohung ist.

Das Allermerkwürdigste aber ist der Endkampf zwischen Sucher und Manlir. Das gilt für seinen Verlauf ebenso wie für sein Ergebnis. Hier spielt die Philosophie so stark ins Metaphysische, dass sie den Boden unter den Füßen verliert und schon fast parabelhafte Züge annimmt. Nur, Parabel wofür?

_Mit anderen Worten_, dieser letzte Band wollte sich einfach nicht zu einer runden Sache fügen lassen. Vielleicht war der Entwurf des philosophischen Grundgerüstes, Nomans Experiment, einfach zu sperrig, zu weit hergeholt. Der Versuch, die Welt zu erklären, einen Grund für Leid und Kummer zu finden, die Frage nach der Existenz Gottes zu beantworten, ist ja durchaus nicht neu. Aber in diesem Fall konnte mich die Erklärung – trotz einiger interessanter Gedanken – nicht zufriedenstellen.

_William Nicholson_ ist Brite und arbeitete nach seinem Anglistikstudium zunächst für die BBC. Inzwischen ist er Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Aus seiner Feder stammt „Die Gesellschaft der Anderen“ sowie im Jugendbuchbereich die |Aramanth|-Trilogie. Er schrieb die Drehbücher für „Nell“ und „Der Marsch“ sowie für „Gladiator“, mit dem er für den Oscar nominiert wurde.

|395 Seiten
ISBN-13: 978-3-423-71316-0|
[Verlagsspezial über William Nicholson 3817
http://www.williamnicholson.co.uk
http://www.dtvjunior.de

_Außerdem von William Nicholson auf |Buchwurm.info|:_
[„Der Windsänger“ 1048

Die drei ??? – Poltergeist (Folge 73)

Nachdem in der Vergangenheit er Serie immer weniger Mystery vorkam, aber zunehmend Fälle mit Diebstahl, Entführung und Erpressung zu lösen waren, bei denen vermeintliche Geister und Dämonen keine Rolle mehr spielten, sondern rein weltliche Bösewichte, besinnt man sich bei Folge 73 wieder auf alte Tugenden. Einen Poltergeist hat’s bis dato noch nicht gegeben. Verraten sei jedoch, dass der alte Erzrivale Victor Hugenay mal wieder seine schmierigen Finger im Spiel hat.

Zur Story

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Walker, Hugh / Birker, Thomas / Hajek, Joschi / Daber, Christian – Lebendig begraben (Dreamland Grusel, Folge 3)

Dreamland-Grusel 5: [„Wolfsnächte“ 5080
Dreamland-Grusel 6: [„Der Zombie-Macher von Tahiti“ 5117
Dreamland-Grusel 8: [„Mörderische Weihnachten“ 5430

_Handlung:_

Gerhard Bermann wird beinahe bei lebendigem Leib begraben. Im letzten Augenblick wird er vor einem grausigen Schicksal bewahrt, denn scheinbar wollte jemand den Mann vergiften. Doch bedauerlicherweise hat Bermann sein Gedächtnis verloren. Viel erschreckender ist, dass er nach dem Vorfall gut zwanzig Jahre jünger erscheint. Langsam kristallisiert sich heraus, dass er einen heftigen Streit mit einem gewissen Albert Geisler hatte. Als er den Mann zur Rede stellen will, trifft er nur dessen Tochter Franziska an. Diese erklärt ihm, dass ihr Vater in ihm ein Geschöpf des Teufels sieht, das vor langer Zeit einen Pakt mit dem Satan geschlossen hat, um ewiges Leben zu erlangen. Dafür würde ihm nun der Zwang zum Bösen anhaften, der dafür sorgen würde, dass Bermann Böses tun muss, um die Menschen in seiner Umgebung ins Verderben zu stürzen.

Bermann beschließt, seinen Heimatort zu verlassen, doch Geisler beabsichtigt nicht, ihn so leicht gehen zu lassen. Er hetzt seinem Kontrahenten zwei Schläger auf den Hals, die den vermeintlichen Hexer beseitigen sollen. Doch wieder kommt Bermann knapp mit dem Leben davon – erneut um gut zehn Jahre jünger. In einem anderen Dorf hofft Bermann ein neues Leben beginnen zu können, doch dann beginnt der Zwang zum Bösen erneut zu wirken und die Vergangenheit holt den Mann mit zerstörerischer Wucht ein …

_Meine Meinung:_

Ein Hörspiel nach einem Roman des großartigen Schriftstellers Hugh Walker ist wohl der Traum eines jeden Heftroman-Liebhabers. Die Titel, die Walker alias Hubert Straßl zeit seines Lebens für den Horror-Heftroman verfasste, kann man locker an zwei Händen abzählen. Umso eindringlicher und dichter sind seine Erzählungen, die sich durch ihre Subtilität von herkömmlicher Genrekost innerhalb des Heftromangenres abheben. Im Mittelpunkt stehen häufig normale Männer, die unvermittelt in einen Strudel des Schreckens gerissen werden.

Auch „Lebendig begraben“ bedient sich dieses Musters. Der Protagonist Gerhard Bermann fungiert zugleich als Erzähler, was bedeutet, dass der Hörer nie mehr weiß als die Hauptfigur der Geschichte – ein Umstand, der die Spannung zeitweise unerträglich macht. In der Hauptrolle ist Christian Rode zu hören, der zwar nicht mehr als Zwanzigjähriger durchgeht, aber dank seiner stimmlichen Präsenz und Leidenschaft eine derart überzeugende Arbeit abliefert, dass man diese Diskrepanz leicht verschmerzen kann. Im Gegensatz zu den anderen Folgen dieser Reihe fällt dieses Hörspiel durch seinen hohen Anteil an reinen Erzählertexten auf, was stellenweise den Eindruck erweckt, ein Hörbuch im CD-Player zu haben. Verstärkt wird dieser Eindruck natürlich dadurch, dass es kaum Gelegenheit gibt, mit bombastischen Effekten zu glänzen, was bei einer derartigen Story sowieso unangebracht wäre. Kleines Manko hier ist die Szene, in der Bermann von den Schlägern misshandelt wird. Die Prügelei hört sich an, als ob jemand mit einem Fensterladen geklappert hätte. Sehr viel Spaß scheinen die Schauspieler dagegen in den Sterbeszenen gehabt zu haben, die sehr geräuschvoll ausgefallen sind.

Obwohl der Großteil des Hörspiels von Christian Rode bestritten wird, ist das restliche Ensemble wieder ein Who-is-Who der deutschen Hörspielszene. Allen voran der grandiose, leider bereits verstorbene Peter Joseph Schmitz, der mit der Rolle als Albert Geisler sein letztes Hörspiel eingesprochen hat. Den Hörspiel-Fans ist er wohl am ehesten als „Der Spuk“ aus den alten |John Sinclair|-Hörspielen von |Tonstudio Braun| bekannt. Gerade in den letzten Szenen, in denen er sich mit Bermann auseinandersetzt, stiehlt er Rode glatt die Show – ein wahrhaft begnadeter Sprachkünstler. Nicht zu unterschätzen sind auch die weiblichen Stars Kerstin Draeger als Franziska Geisler und Gisela Trowe als Andrea Bermann. Letztere hat leider nur eine sehr kleine Rolle. Ebenfalls dabei sind Konrad Halver, Fabian Harloff, H. G. Francis, Horst Kurth und Carsten Bohn. Für die sparsam, aber dafür umso effektvoller eingesetzte Musik zeichnet sich natürlich Tom Steinbrecher verantwortlich, der eine wirklich sehr breite Palette an Stücken zu bieten hat, in der für jeden Anlass das Passende dabei zu sein scheint.

Als Bonus gibt es dieses Mal einen gefühlvollen Nachruf auf Peter Joseph Schmitz, der maßgeblich zum Erfolg dieses Hörspiels beiträgt. Die Coverillustration ist sehr atmosphärisch und wirkt äußerst bizarr und surreal – einfach, aber sehr wirkungsvoll. Im Booklet selbst finden sich zwei Fotografien des großartigen Sprechers Peter Joseph Schmitz; der restliche Platz wurde für Eigenwerbung genutzt. Eine Auflistung der kommerziellen Hörspiele, in denen Schmitz mitwirkte, wäre wünschenswert gewesen.

_Fazit:_

„Lebendig begraben“ ist immer noch die bis dato beste und atmosphärischste Folge der Reihe. Ein kleines Meisterwerk, das vor allem durch die grandiosen Sprecher Christian Rode und Peter Joseph Schmitz lebt, deren Leistung über die eine oder andere Schwäche hinwegsehen lässt.

|75 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9783939066521|
http://www.ts-dreamland.de

_Florian Hilleberg_

Die drei ??? und das Geisterschiff (Folge 93)

Mit Folge 93 der kultigen Jugend-Detektei befand man sich Ende der Neunziger bzw. Anfang Zwotausend qualitativ schon wieder auf dem Weg nach oben. Vergessen waren die zwischenzeitlich teils lieblos hingeschluderten Storys ab etwa Folge 60. Mit dem Setzen auf bewährte Rezepte und ein Besinnen auf alte Stärken schaffte man es, die Steigerung in der Formkurve – mit ein paar Ausreißern – bis heute zu halten. „Das Geisterschiff“ ist dabei quasi ein modernes Role-Model und Paradebeispiel für solide gesponnenes Garn, auf dem die Serie ihren bislang ungebrochenen Erfolg gründete.

Zur Story

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Krajewski, Marek – Gespenster in Breslau

_Das geschieht:_

Breslau im Spätsommer des Jahres 1919: Kriminalassistent Eberhard Mock, eigentlich in der Abteilung für Sittlichkeitsverbrechen tätig, wird zur Mordkommission versetzt, um bei der Aufklärung eines grotesken Massenmords zu helfen: Vier nackte Männer mit Matrosenmützen – offensichtlich Prostituierte – wurden betäubt, ihre Gliedmaßen systematisch zerschlagen und ihre Lungen mit langen Nadeln durchbohrt.

Bei den Leichen hinterließ der Täter eine Nachricht: Eberhard Mock soll sich für ein unerkannt gebliebenes Verbrechen schuldig bekennen. Fatalerweise kann sich Mock an keine entsprechende Missetat erinnern, will diese aber nicht ausschließen: Er ist Alkoholiker, betrinkt sich regelmäßig bis zur Bewusstlosigkeit und leidet unter Schlafstörungen.

So geschieht, womit zu rechnen war: Als Mock sich nicht offenbart, schlägt der ungeduldig gewordene Mörder erneut zu. Von seinen Vorgesetzten kaltgestellt, schart Mock eine kleine Gruppe ihm gewogener Männer um sich und führt die Ermittlungen auf eigene Faust fort. Er stößt auf eine Spur, die in die höchsten gesellschaftlichen Kreise Breslaus führt, was seine Nachforschungen erheblich erschwert. Mocks Albträume nehmen zu, denn weitere Bluttaten ereignen sich, für die er sich verantwortlich fühlt. Umso nachdrücklicher stürzt er sich in die gefährlichen Untiefen der Breslauer Halbwelt, denn nur dort findet er die Antworten, die er sucht …

_Verbrechen als zeitloses Lesevergnügen_

Historienkrimis liegen im Trend. Vor allem in Deutschland wird die Mischung aus Verbrechen und Vergangenheit sehr geschätzt, was sich in entsprechenden Verkaufszahlen niederschlägt. Wo die Nachfrage hoch ist, wird von Autoren und Verlagen selbstverständlich geliefert – um jeden Preis, was den Historienkrimi zu einem Genre macht, das unter argen Qualitätsgefällen leidet. Noch die dümmlichste Mordmär wird scheinbar geadelt, wenn man sie nur in ferner Zeit ansiedelt: So wird offensichtlich und leider viel zu oft erfolgreich kalkuliert. Dabei ersetzen Recherche und historische Akkuratesse keineswegs eine gute Story, während andererseits eine gute Story problemlos Anachronismen ausgleichen kann.

„Gespenster in Breslau“ stellt keineswegs die ideale Symbiose von Historienroman und Krimi dar – glücklicherweise: Nicht nur die Geschichte liest sich spannend, auch das historische Umfeld ist glänzend rekonstruiert. Kein Wunder, war Autor Krajewski doch einst als Bibliothekar an der Breslauer Universität tätig und hat sich tief in die Geschichte seiner Heimatstadt eingearbeitet. Gleichzeitig übertreibt er es mit den Fakten nicht. Sie unterstützen die Handlung, erdrücken sie aber nie. „Gespenster in Breslau“ bleibt vor allem eine weitere Episode aus dem bewegten Leben des Eberhard Mock, mit dem Krajewski eine Figur gelungen ist, die er zu Recht in den Vordergrund schiebt.

_Serienmord und der Tanz auf dem Vulkan_

Vier schwule Matrosen werden gerädert und mit Nadeln erstochen, weitere Pechvögel erfahren ähnlich bizarre Lebensenden: In Sachen Drastik kann Krajewski auf jeden Fall mit den Metzeleien der aktuellen Killer-Thriller mithalten. Diese ereignen sich allerdings in Breslau, einer Stadt, die erfreuliches Krimi-Neuland für den interessierten Leser darstellt. Das Jahr 1919 ist kein vom Verfasser willkürlich gewähltes Datum; es signalisiert dem historisch leidlich vorgebildeten Leser ein Umfeld, das von politischer und gesellschaftlicher Instabilität geprägt ist und in dem ein Geschehen, wie es Krajewski schildert, plötzlich gar nicht mehr außergewöhnlich wirkt.

1919 ist nicht nur das Jahr 1 nach einem I. Weltkrieg, der viele Millionen Opfer gekostet hat. Jetzt strömen die Überlebenden zurück ins ’normale‘ Leben. Eberhard Mock gehört zu ihnen – ein typischer Vertreter seiner Generation, der nach dem Grauen, das er in einem Abnutzungs- und Vernichtungskrieg erleben musste, psychisch gezeichnet ist. Er kann nicht schlafen, wird von Albträumen heimgesucht, die er mit Alkohol und Sex betäubt. Nachts suchen ihn Gespenster heim, vermischen sich seine Kriegserinnerungen mit den alltäglichen Schrecken, denen er als Polizist ausgesetzt ist.

Die Gegenwart wird ihn kaum zur Ruhe kommen zu lassen. Nach Jahrhunderten, in denen Monarchen die europäischen Staaten regierten, versuchen diese nun die Demokratie. Immer neue Krisen erschüttern die jungen Republiken. Die Inflation galoppiert. Nach sowjetischen Vorbild bilden sich Arbeiter- und Soldatenräte. Eine Revolution scheint auch in Deutschland nicht unwahrscheinlich; auch Mock wird damit konfrontiert, dass sich Räte und Militär belauern und ein Funke den bewaffneten Straßenkrieg auslösen kann. Währenddessen rühren die geschassten Machthaber von einst im Untergrund, versuchen alte Positionen neu zu besetzen. Noch spricht niemand von den Nazis, aber das Fundament, auf dem sie gedeihen, wird bereits bereitet.

_Eine Atmosphäre der Bedrohung_

„Gespenster in Breslau“ ist zweifellos ein spannender Kriminalroman. Dennoch ist der Plot vergleichsweise simpel, seine Auflösung womöglich platt. Wesentlich eindrucksvoller ist dagegen die Stimmung, die über dem Geschehen liegt. Über Breslau schweben in der Tat Gespenster; es sind nicht nur die für Mock ungelösten Konflikte der Vergangenheit, von denen die Gegenwart geprägt ist. Die allgemeine Unsicherheit wird von Krajewski selten direkt angesprochen. Viel lieber und effektvoller verdeutlicht er sie durch das fast verzweifelt zu nennende Bemühen der Breslauer, sich zu amüsieren.

In dieser Stadt herrscht kein Frieden, sondern eher eine Ruhe vor dem Sturm. Die Bürger versuchen an die Vorkriegszeit anzuknüpfen und den Krieg und seine Folgen zu verdrängen. Obwohl es hoch hergeht in den Bars und Boudoirs, wirken die Ausschweifungen wie Fluchten. Man genießt nicht, sondern frisst, säuft, kokst und hurt bis zum Erbrechen, bis zur Bewusstlosigkeit, als ob es kein Morgen gäbe oder als ob man schon die nationalsozialistische Zukunft ahnt, die Breslau 1945 in Schutt und Asche sinken und als polnisches Wroclaw wiedererstehen lässt. Dekadenz ist nicht tadelnswert, sondern beinahe das Gebot der Stunde.

In dieser Situation wirken auch die Umtriebe einer obskuren Geheimgesellschaft durchaus realistisch, zumal namentlich erwähnte Personen wie Ludwig Klages, Lanz von Liebenfels oder Walter Friedrich Otto tatsächlich existierten. Natürlich übertreibt Krajewski mit dem Wissen des Nachgeborenen. Der Prägnanz seiner Darstellung tut das jedoch keinen Abbruch.

_Ein Mann wie Mock_

Eberhard Mock markiert wie schon erwähnt das eigentliche Zentrum dieses Romans. Er ist als Person faszinierend, trägt aber durchaus unsympathische Züge. Die einzige Konstante seines Wesens scheint seine Unberechenbarkeit zu sein. Er ist in dem einen Moment sentimental und mitfühlend, um im nächsten seiner Aggressivität freien Lauf zu lassen, die er selbst nicht begreift. Mocks ‚Verhältnis‘ zu Frauen ist – gelinge ausgedrückt – gestört. Eine seiner Kriegsneurosen ist die womöglich eingebildete Erinnerung an eine rothaarige Krankenschwester, in die Mock seine unerfüllten Sehnsüchte projiziert. In Gestalt einer jugendlichen Prostituierten nimmt sie Gestalt an und sieht sich Mocks innerer Zerrissenheit ausgesetzt, der hilflos zwischen Illusion und Realität taumelt.

Wohin gehört dieser Eberhard Mock eigentlich? Auch ohne Krieg wüsste er es wohl nicht. Er ist ein Mann aus dem Volk, Sohn eines Schusters, der aber in den Genuss einer höheren Schulbildung kam. Seine klassische Bildung kann und will Mock nicht verleugnen. Sie hätte ihn womöglich in eine akademische Laufbahn geführt. Stattdessen und ohne sich die Gründe vor Augen führen zu können, ist Mock Polizist geworden. Als solcher ist er gut, aber gleichzeitig korrupt: ein gelangweilter Mann mit selbstzerstörerischen Zügen, der sich im Beruf, aber auch bei seiner Familie und seinen Freunden vorsätzlich in Schwierigkeiten bringt und das heimlich zu genießen scheint.

Als Leser versteht man gut, wieso Krajewski von Mock nicht lassen mag, obwohl er ihn ursprünglich nach vier Romanen ‚entlassen‘ wollte. Er passt in die unruhigen Zeiten, in die ihn der Autor wirft. Mocks Unberechenbarkeit wird unterstrichen durch den Verzicht auf eine chronologische Abfolge seiner Fälle: Während „Tod in Breslau“, der erste Teil der Serie, 1933 spielt, springt [„Der Kalenderblattmörder“ 5001 zurück ins Jahr 1927. „Gespenster in Breslau“ geht weitere acht Jahre zurück, während wir in „Festung Breslau“ den Mock von 1945 erleben. Mit „Pest in Breslau“ geht es zurück nach 1923. Die nüchterne und das Schwelgen in historischem Lokalkolorit meidende Form der Darstellung, die Krajewski – der sich lieber als Handwerker denn als Schriftsteller bezeichnet – bevorzugt, macht auch auf diese Romane neugierig.

Die Eberhard-Mock-Serie:

(1999) Tod in Breslau (btb Verlag Nr. 72831)
(2003) [Der Kalenderblattmörder 5001 (dtv Nr. 21092)
(2005) Gespenster in Breslau (dtv Nr. 21150)
(2006) Festung Breslau (dtv premium Nr. 24644)
(2007) Pest in Breslau (dtv premium Nr. 24727)

_Impressum_

Originaltitel: Widma w mieście Breslau (Warschau : Wydawnictwo W. A. B. 2005)
Übersetzung: Paulina Schulz
Deutsche Erstausgabe: August 2007 (Deutscher Taschenbuch Verlag/Dtv premium 24608)
317 Seiten
EUR 14,50
ISBN-13: 978-3-423-24608-8

Als Taschenbuch: Juli 2009 (Deutscher Taschenbuch Verlag Nr. 21150)
317 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-423-21150-5
http://www.dtv.de

Francis, H. G. / Arthur, Robert – Die drei ??? und der grüne Geist (Folge 8)

Mittlerweile sind über 120 Hörspiele der drei sympathischen Junior Detektive erschienen und die Technik geht auch an ihnen nicht vorüber, will heißen, die Storys gleichen sich dem aktuellen Zeitgeist immer wieder geringfügig an. Somit sind die Geschichten der „Drei Fragezeichen“ alles andere als statisch und immer wieder hörenswert. Auch die älteren Folgen besitzen einen Charme, der nicht nur Kinder und Jugendliche anspricht, sondern auch durchaus für Erwachsene geeignet ist. Quid ad est demonstrandum. Hier geht es um einen wahren Klassiker von 1979, also im besten Sinne der ersten Stunde: Fall Nummer acht.

_Zur Story_

Peter und Bob werden Ohrenzeugen eines grausam-kläglichen Schreis, der aus einem alten Haus dringt, das abgerissen werden soll. Scheinbar zufällig befinden sich auch einige Männer in der Nähe, die den Schrei ebenfalls vernehmen und beschließen, das Haus zu betreten, nachdem der Schrei ein zweites Mal ertönt. Geistesgegenwärtig schneidet Bob das Ganze auf Tonband mit und die beiden Jungs betreten zusammen mit den Männern das gespenstische Haus, wo sich ein grüner, schemenhafter Geist an der Wand und dann auf der Treppe zeigt.

Der Geist, von dem einer der Erwachsenen später zu berichten weiß, dass dieser derjenige vom alten Matthias Green sein muss, welcher sich vor über 50 Jahren auf der betreffenden Treppe das Genick brach, verschwindet genauso plötzlich, wie er erschien. Am nächsten Morgen sind die Zeitungen Rocky Beachs voll davon – doch Justus glaubt nicht an Geister und hört sich Bobs Tonbandaufnahme immer und immer wieder an, bis Hauptkommissar Reynolds die Jungs aufsucht und darum bittet, ihn zu Greens Haus zu begleiten, schließlich sind Peter und Bob live dabei gewesen. Justus will den „Tatort“ auch gern unter die Lupe nehmen.

Am Haus treffen sie einen entfernten Verwandten des alten Green, Harold Carlson, der sich als Neffe, Rechtsanwalt und gesetzliche Vertretung der rechtmäßigen Erbin des Hauses zu erkennen gibt. Gemeinsam macht man sich daran, im Haus nach Spuren zu suchen, und nachdem Bob und Peter Kommissar Reynolds gezeigt haben, wo die Erscheinung im Mauerwerk verschwand, ordnet dieser an, dass die Wand aufgestemmt werden soll. Als Justus in eine nun freigelegte Geheimkammer kriecht, entdeckt er einen alten Sarg, in dem die sterblichen Überreste von Greens chinesischer Frau und eine Perlenkette liegen.

Dies seien offensichtlich die lange verschollenen und legendären „Geisterperlen“, die der alte Green angeblich aus China gestohlen haben soll und weswegen er das asiatische Land fluchtartig verlassen musste. Diese Perlen sind unscheinbar, jedoch wohl extrem wertvoll. Carlson nimmt sie an sich, um sie nach San Francisco zu seiner Tante Lydia zu bringen, der rechtmäßigen Erbin. Wenige Tage später klingelt das Telefon in der Zentrale der drei ???. Es ist Miss Lydia Green – offensichtlich ist der Grüne Geist nun auf ihrem Anwesen in San Francisco aufgetaucht.

_Eindrücke_

Selbst heute versprüht diese Folge das typische ???-Flair, das uns als Jugendliche so faszinierte und nichts von seiner Wirkung eingebüßt hat. Zugegeben: Die Sound-Effekte und Geräusche sind bestimmt allesamt heute besser möglich, aber nichtsdestoweniger gut gemacht und stimmig. Dass diese bei sämtlichen |EUROPA|-Produktionen jener Zeit verwurstet wurden, ist zu vernachlässigen, denn man hat sich wirklich die Mühe gemacht, eine intelligente Geschichte zu vertonen. Das spiegelt sich in der Qualität der Sprecher genauso wider wie in der spannenden, durchdachten Machart der Folge.

An keinem Punkt findet man die Angelegenheit lächerlich oder gar kitschig. Dieser Klassiker ist von der dichten Atmosphäre her herausragend, aber das ist nicht das einzig Bemerkenswerte am „Grünen Geist“: Was diese Folge von vielen anderen ???-Folgen objektiv unterscheidet, ist die Tatsache, dass hier das Triumvirat Justus/Peter/Bob ausnahmsweise mal voneinander getrennt wird. Somit ist dies keine sonst so oft präsentierte Justus-Löst-Fast-Alles-Alleine-Show, sondern die Charaktere der beiden Mitstreiter werden auch endlich noch weiter vertieft und zeigen, dass auch Peter und Bob nicht auf den Kopf gefallen sind.

_Fazit_

Mit diesem Vertreter der alten Folgen aus den Anfangstagen fällt auch Serien-Neulingen der Einstieg sehr leicht. Der „Grüne Geist“ weist vergleichsweise wenig Fehler auf und ist atmosphärisch sehr dicht, obwohl er natürlich kräftig unter den – aufgrund der begrenzten Kapazität von LP/MC damals notwendigen – Kürzungen gegenüber der Buchvorlage zu leiden hat. Dennoch gehört er zu Recht seit fast 30 Jahren zu den beliebtesten Vertonungen der „drei ???“-Reihe.

_Die Hörspieldaten auf einen Blick:_

Titel: „Die Drei Fragezeichen und der Grüne Geist“ – Folge 8
Ersterscheinung: Buch 1965, Hörspiel: 1979
EUROPA – BMG Ariola Miller
Lauflänge: ca. 50 Minuten
Regie: Heikedine Körting
Drehbuch: H. G. Francis
Musik: Zeiberts, Morgenstern

Die Figuren und ihre Sprecher:

Erzähler (alias Alfred Hitchcock): Peter Pasetti
Erster Detektiv – Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Zweiter Detektiv – Peter Shaw: Jens Wawrczeck
Recherchen & Archiv – Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Hauptkommissar Reynolds: Horst Frank
Chang: Thorsten Sense
Patrick: Wolfgang Kubach
Miss Lydia Green: Marianne Kehlau
Harold Carlson: Alexander Stubbe
Mr. Jensen: Rolf Mamero
Mr. Won: Victor Bernard
Mann: Gernot Endemann (nicht aufgelistet)

http://www.natuerlichvoneuropa.de
http://www.dreifragezeichen.de
http://www.rocky-beach.com

Max Brooks – World War Z. Operation Zombie

Das geschieht:

Kaum ein Jahrzehnt ist vergangen, seit die menschliche Zivilisation beinahe unterging. Kein Atomkrieg, keine terroristischen Umtriebe und keine Ebola-Pandemie haben ihr den Untergang gebracht, sondern Zombies – verstorbene und wiederauferstandene Männer und Frauen, die nicht nur hungrig Jagd auf ihre früheren Mitmenschen machten, sondern diese durch ihren Biss selbst in lebende Tote verwandelten. Erst nach Jahren eines verzweifelten Kampfes konnten die Zombies ausgerottet werden. Die Zahl der Opfer geht in die Milliarden.

Der Autor dieses Buches gehörte einer Kommission an, die für die Vereinten Nationen die Geschichte des „Zombie-Weltkriegs“ rekonstruierte. Er konnte die Brennpunkte der Ereignisse bereisen und mit denen sprechen, die dort mit den Zombies in Berührung kamen (und dies überlebten). Die gesammelten Interviewtexte sind wichtige Steinchen in einem Mosaik, das bisher nie in seiner Gesamtheit dargestellt werden konnte. Sie wurden chronologisch geordnet und spielen an vielen Orten der Erde.

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Bendikowski, Tillmann – Tag, an dem Deutschland entstand; Der

Im September 2009 jährt sich die Varusschlacht zum zweitausendsten Mal. Schirmherrin wird Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sein. In Kalkriese, wo Archäologen und Geschichtsforscher vermuten, dass es sich um den Ort der legendären Schlacht zwischen drei römischen Legionen unter dem Statthalter Varus und aufständischen germanischen Stämmen unter der Führung Arminius des Cheruskers handeln soll, laufen schon die ersten Vorbereitungen. In der Nähe von Detmold hingegen steht seit 1875 das berühmte, gut 53 Meter hohe Hermannsdenkmal, ein heroisches Standbild, das uns daran erinnern soll, dass Arminius alias Hermann uns von dem römischen Joch befreit hat und ein strahlender, selbstloser Held deutscher Geschichte sein soll.

Doch weder wissen wir mit absoluter Gewissheit die genaue Lokalität der Schlacht, auch wenn in Kalkriese Unmengen von Münzen, Waffen, Rüstungsteile und selbst Knochen mit eindeutigen Kampfspuren gefunden worden sind, noch können wir den genauen Ablauf der Schlacht rekonstruieren. Im Laufe der Jahrhunderte verblasste die Erinnerung an die Schlacht im Teutoburger Wald und die Quellen des Tacitus und des römischen Konsuls Cassius Dio und damit auch der Mythos von der Befreiung und Einigkeit deutscher Gebiete.

Viele Jahre später, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, wurde aus Arminius dem Cherusker, Hermann, der Befreier Germaniens. Um Arminius ranken sich viele Legenden und Mythen, und gerade zum Varusjahr werden uns noch mehr Geschichten um seine Person und die legendäre Schlacht erreichen.

Dr. Tillmann Bendikowski, Historiker und Journalist, hat sich mit der Konfrontation zwischen dem Statthalter Varus und dem cheruskischen Fürsten Arminius befasst und wirft auch einen genauen Blick auf die Entwicklung des Mythos und der Person des späteren Hermann, der als Sinnbild für die Befreiung und Entstehung Germaniens immer noch über dem Teutoburger Wald sein Schwert in Pose gen Himmel richtet.

_Inhalt_

Im September des Jahres 9 n. Chr. soll es fürchterlich geregnet haben. Wir können das nicht mehr nachweisen, vielleicht handelt es sich nur um eine Ausrede der Berichterstatter, um die Katastrophe angesichts des Verlustes von drei römischen Legionen mit über 20000 Soldaten des Imperiums im fernen Germanien zu erklären. Es fand keine Feldschlacht statt, sondern die römischen Legionen wurden auf dem Weg in ihr Winterlager durch Hinterlist und Verrat in einem zermürbenden Guerillakrieg, der drei Tage anhielt, vernichtend geschlagen.

Was vor 2000 Jahren wirklich geschah, darüber geben antike Quellen nur wenig Auskunft. Das schlechte Wetter dürfte für eine Berufsarmee wie die der Römer vielleicht hinderlich, aber nicht verantwortlich für die Niederlage gewesen sein. Ausschlaggebend war die Person des Cheruskerfürsten Arminius, der lange Jahre in Diensten Roms stand und durch seine militärische Ausbildung der Taktik und Strategie der römischen Militärmacht entgegenwirken konnte. Er kannte alle Schwachstellen der Legionen, und hinzu kamen noch seine geografischen Kenntnisse des zu durchquerenden Gebietes.

Der Sieg des Arminius hatte zur Folge, dass die Römer ihre Eroberungspolitik für Germanien aufgaben, aber auch der Fürst der Cherusker hatte wenig Glück nach seinem anfänglichen Erfolg. Zwar konnte er seine Stellung innerhalb der Fürstengemeinschaft ausbauen, doch auch ihn kosteten die anschließenden Fehden und kleineren Auseinandersetzungen das Leben.

Dem historischen Arminius wurde eine Karriere zuteil, von der viele römische Offiziere nur träumen konnten. Politisch und militärisch wurde er von Varus hoch geschätzt, der als Statthalter Germanien befrieden und reorganisieren sollte. Die germanischen Stämme waren alles andere als einig. Stammesinterne und übergreifende Konflikte waren an der Tagesordnung, und längst waren sich die einzelnen Fürsten nicht einig darüber, wie sie den Römern begegnen sollten. Arminius wusste sehr wohl, welche Strategie ihn persönlich zum Erfolg verhelfen sollte; für jeden Fall sicherte er sich ab und spielte auf beiden Seiten gleichwohl seine Trümpfe aus. Ein nicht ungefährliches Pokerspiel, aber zeitweise, wie man ja weiß, recht erfolgreich.

Germaniens unmittelbarer Nachbar war Gallien und damit ein angrenzendes Sicherheitsrisiko. Die ganze Provinz, die von Julius Cäsar erobert wurde, sollte von den Barbaren geschützt werden, keine andere Aufgabe hatten die Germanen aus römischer Sicht. Für das römische Imperium waren diese Menschen ohne jede Kultur, ohne etwaige Landwirtschaft oder Bodenschätze, und die tiefen, dichten Wälder machten das Land noch unheimlicher. Es gab nichts, was die Römer in Verbindung mit Zivilisation und kulturellem Erbe sahen.

Octavian – Kaiser Augustus – berief Publius Quinctilius Varus zum neuen Statthalter der Provinz Germanien. Mit seinen 55 Jahren war Varus ein erfahrener Politiker und Offizier, der schon in Syrien für „Ruhe“ gesorgt hatte, allerdings mit militärischer Härte und Rücksichtslosigkeit, aber ebenso konnte er durchaus als feinfühliger Diplomat agieren.

Unmittelbar nach der Schlacht war der Ruf des verstorbenen Varus zweifellos in Takt. Erst später wurde sein Ruf zweifelhaft und gezielt diffamiert; angesichts politischer Streitigkeiten wurde ihm posthum persönliches Versagen vorgeworfen. Theodor Mommsen nannte Varus einen Mann von stumpfem Geist und trägem Körper, ohne Begabung und militärische Erfahrung. Fakt ist jedoch, dass Kaiser Augustus die Sicherung der wichtigsten Rheingrenze keinem Nobody anvertraut hätte, sondern jemandem, der schon Erfolge vorweisen konnte.

Nach der Schlacht muss das Gelände kilometerweit von Leichen und Verwundeten bedeckt gewesene sein. Es ist davon auszugehen, dass sich Varus zusammen mit einigen seiner Offiziere ins Schwert stürzte. Gefangene wurden nur von den Germanen gemacht, um sie ihren Göttern zu opfern. Mit einem Freitod konnte man wenigstens noch seine soldatische Ehre retten. Der Kopf des Varus wurde nach Rom geschickt, wo ihm noch eine Bestattung in allen Ehren zuteil wurde.

Das Imperium hatte drei Legionen verloren, ein neuntel seiner militärischen Größe. Augustus sandte seinen späteren Nachfolger Germanicus an die Ufer des Rheins, um die Grenzen zu sichern und gegebenenfalls die gefallenen Kameraden zu beerdigen, was dann auch genauso geschah. Doch auch Tiberius gelang es nicht, das Grenzgebiet zu Gallien zu sichern, zu hoch waren die Verluste, zu hoch das Risiko, sodass die Truppe den Feldzug letztlich nicht mehr befürwortete.

Rom behandelte das Drama um die drei verlorenen Legionen verständlicherweise sehr verschwiegen. Von germanischer Seite war nicht zu befürchten, dass die Niederlage schriftlich dokumentiert wurde, und der römische Senat hatte wenig Interesse am Gegenteil. So fiel dieses Ereignis in einen historischen Winterschlaf.

Erst Jahrhunderte später sollte der deutsche Humanist Ulrich von Hutten bei einem Studienaufenthalt in Rom über die ersten Bücher und antiken Schriften des Tacitus stolpern. Dieser stellte Arminius als den Befreier Germaniens dar, der das römische Reich durch seinen Sieg in den Grundfesten erschütterte. Für von Hutten war das ein willkommenes Geschenk, und er publizierte die Botschaft des Tacitus noch ein wenig heroischer und in einem noch strahlenderen Lichte.

Die Befreiungstat des fürstlichen Cheruskers passte sehr gut ins Gesamtbild Deutschland, und so wurde auch der Name Hermann geboren. Zwischen 1750 und 1850 entstanden mehr als 200 Schauspiele, Opern und Sagen zu diesem Themenkreis. Das Bild der militärischen Macht Roms wurde negativiert, und eine Idealisierung Arminius/Hermanns angestrebt. Die Begeisterung sollte mit dem nationalen Denkmal in Detmold ihren Höhepunkt erreichen. 1875 wurde das Hermannsdenkmal eingeweiht und präsentierte ein willkommenes Symbol für die Zuversicht und das Selbstbewusstsein eines starken Deutschen Reiches.

In den kommenden Jahren wurde es auch zum Symbol für Stärke und Kampfkraft auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges und später auch ein wichtiger Markstein der Nationalsozialisten.

_Kritik_

Dr. Tillmann Bendikowski hat mit „Der Tag, an dem Deutschland entstand“ ein erzählerisch dichtes und verständliches Sachbuch geschrieben. Sieht man rückblickend auf die Varusschlacht, könnte der Eindruck entstehen, dass Arminius den Grundstein für ein Deutschland als geeinigten Staatenverbund gelegt hat. Doch war dieses Ereignis nur ein kleiner Anstoß, der dann den Stein in den nächsten Jahrhunderten ins Rollen brachte, um im Verlauf ganzer Epochengenerationen einen gesamtdeutschen Staat daraus zu schmieden.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert, wobei der erste und erzählerisch stärkere Part die Konfrontation vor zwei Jahrtausenden zwischen dem Statthalter Varus und seinem Gegenspieler Arminius präsentiert. Der Verlauf der Schlacht wird vom Autor spannend und anhand gut recherchierter Quellen fabelhaft lesbar wiedergegeben. Der Mythos von Arminius als volksnahem Helden wird dabei analytisch und detailreich infrage gestellt und anhand von Quellennachweisen ausgeräumt, die sich im Anhang nachlesen lassen.

Das Buch versteht sich nicht als Roman, sondern als Sachbuch, das ohne fiktive Erzählungen auskommt. Wissenschaftlich fundiert werden hier Irrtümer, die über Jahrhunderte hinweg selbstbewusst gepflegt wurden, aufgearbeitet und regelrecht seziert. Dass ein relativ junges Deutschland Helden, Ideale und Idole benötigte, um sich angesichts verlorener Kriege das nötige Selbstbewusstsein einzureden, ist nachvollziehbar, aber pathetisch und hat die Realität entsprechend verzerrt. Doch Propaganda war schon immer ein wichtiger Ansatz für jegliches Politikum im Staate. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde Varus als Feindbild mit dem Franzosen, einem unserer „Erbfeinde“, verglichen, und die Rolle des Hermanns spielten in diesem Stück natürlich die deutschen Truppenverbände. Ein Vergleich, der sichtlich hinkt, seinerzeit aber als Bild recht gern aufgegriffen wurde.

Unserem historischen Gedächtnis mag manchmal eine Amnesie ganz gut tun, doch ist es wichtig, dass wir uns unserer Rolle bewusst bleiben und historische Fakten nach Belieben und politischer Windrichtung zu verdrehen versuchen. Nun jährt sich nächstes Jahr die Schlacht des Varus, und an mindestens drei Standorten wird es Kundgebungen, Feiern und Informationsveranstaltungen geben, doch was daraus gemacht wird, wird sich zeigen. Wird Hermann der Cherusker, dessen Denkmal über dem Teutoburger Wald in Detmold thront, wieder zum Wahrzeichen deutschen Heldenmutes mutieren? Oder wird man den antiken Quellen gerecht und bleibt so bei der historischen Wahrheit? Brauchen wir wieder einen „Volkshelden“, zu dem wir aufschauen und mit dem wir uns identifizieren können?

_Fazit_

Die Frage, wie wir im Varusjahr dem Jubiläum begegnen werden, kann auch das Buch „Der Tag, an dem Deutschland entstand“ nicht beantworten, dafür aber viele andere wichtige Fragen; und damit ist das Buch eine wertvolle Bereicherung für die Literatur, die sich jetzt zeitgleich mit der Varusschlacht befasst und noch befassen will. Dr. Tilmann Bendikowski hat mit fundiertem Wissen ein Werk verfasst, das allen empfehlen kann, die in diesem Jahr vielleicht vor dem Denkmal bei Detmold stehen werden oder sich die Fundstücke der Legionäre in Kalkriese anschauen wollen. Ein Stück Geschichte wird erzählt, das nicht übertreibt oder ins Phantastische abdriftet, sondern aufräumt mit einer Heldengestalt, die letztlich ein ganz normaler, auch nur nach Macht strebender Mensch seiner Zeit gewesen ist.

_Der Autor_

Dr. Tillmann Bendikowski, Historiker und Journalist, ist Leiter der Medienagentur Geschichte in Hamburg. Er verfasste Beiträge für Printmedien und Hörfunk, betreut Forschungsprojekte und übernimmt die Realisierung historischer Ausstellungen.

|271 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und 56 Abbildungen
ISBN-13: 978-3-570-01097-6|
http://www.cbertelsmann.de
http://www.hermann2009.de
http://www.arminiusforschung.de
http://www.arminius-varusschlacht.de
http://www.varusschlacht-am-harz.de
http://www.kalkriese-varusschlacht.de

Katie MacAlister – Kein Vampir für eine Nacht

In Katie MacAlisters „Blind Date mit einem Vampir“,  dem Auftaktroman ihrer Reihe um die „Dunklen“, durfte die geneigte Leserin verfolgen, wie die Hauptfigur Joy in Tschechien zwar nicht den Vampir, aber doch den Mann fürs Leben fand. In der Fortsetzung „Kein Vampir für eine Nacht“ kann man nun zwar erfahren, wie es mit Joy und Raphael weitergegangen ist, aber nur in einer Nebenhandlung. Tatsächlich hat sich MacAlister für den zweiten Band eine neue Protagonistin ausgedacht, die es auf den folgenden 400 Seiten erfolgreich zu verkuppeln gilt.

Allegra ist Beschwörerin, das heißt, sie ruft Geister herbei. Inwiefern so etwas die Miete, den Supermarkteinkauf und anfallende Rechnungen bezahlen soll, erklärt MacAlister zwar nicht. Trotzdem hat Allegra eine Festanstellung, und das, obwohl es ihr in ihrer gesamten Karriere noch niemals gelungen ist, auch tatsächlich einen Geist herbeizurufen. Ihr Chef ist davon kaum begeistert, darum hat er sie nach London geschickt, wo sie nun endlich mal etwas Ordentliches beschwören und damit den Beweis ihrer Fähigkeiten erbringen soll. Tatsächlich ist London ihrem geheimen Beschwörer-Gen offensichtlich sehr zuträglich, denn am Schluss des Romans hat sie sieben Geister beschworen, die ständig um sie herumschwirren (wenn sie sich nicht gerade im Fernsehen „Buffy“ ansehen).

Nebenbei soll sie bei ihrem London-Aufenthalt auch unbedingt einer Lesung von J. C. Dante beiwohnen und ihrer Freundin ein signiertes Buch mitbringen. Allie selbst hält von Dantes Romanen überhaupt nichts und wirft sich eher widerwillig in das weibliche Getümmel, das den Starautor paranormaler Romanzen umgibt. Allerdings lernt sie dort Joy und Roxy kennen, die sofort beschließen, dass Allie Dantes Auserwählte sein muss. Und dass, obwohl sie Dante unglaublich arrogant und unsympathisch findet! Es kommt natürlich alles, wie es kommen muss: Sie fällt mit Christian (also Dante) in die Kissen, sie gestehen sich ihre ewige Liebe und dazwischen müssen noch ein böses magisches Triumvirat besiegt und ein Dämon zurück in die Hölle geschickt werden – aber das ist eher lästiges Beiwerk. Stattdessen konzentriert sich MacAlister auf Bettgeschichten, wahnsinnig süßliche Liebesgeständnisse und unglaublich nervtötende Dialoge.

Wer „Blind Date mit einem Vampir“ kennt, kennt auch „Kein Vampir für eine Nacht“, denn die Fortsetzung ist „more of the same“, wie der Engländer so schön sagt. Wieder gibt es eine Ich-Erzählerin und wieder ist sie leicht fehlerhaft – diesmal sind es ein vernarbtes Bein und verschiedenfarbige Augen. Ganz klassisch kann sie den Mann ihrer Träume zunächst nicht ausstehen, nur um schließlich doch noch seinem Charme zu erliegen und als ultimativen Liebesbeweis ihr Leben für den Liebsten zu riskieren. Selbiger war zwar anfangs auch nicht von seiner Auserwählten angetan, doch ist er selbstverständlich gegen sein Schicksal machtlos: Allie ist dazu auserkoren, Christians Seele zu retten, und das wird sie auch tun, da kann der arrogante Macho sich noch so sehr wehren. Das bedient natürlich das gleiche Klischee wie der Erstling, nämlich das Männer zwar gutaussehend und sexy, aber geistig auf dem Stand von Neandertalern verblieben sind und deshalb nicht wissen, was gut für sie ist. Darum müssen sie gegen ihren Willen von einer gutmeinenden Frau verführt und in den Hafen der Ehe verschifft werden.

Viel Handlung ist bei „Kein Vampir für eine Nacht“ nicht zu erwarten, und was MacAlister an Handlung bietet, ist reichlich abstrus und teilweise widersprüchlich. Das macht der Autorin offensichtlich nichts aus, man hat nie den Eindruck, dass sie ihren Roman oder ihre Charaktere sonderlich ernst nehmen würde. Ihr Personal ist dermaßen überzeichnet und viele Szenen sind so slapstickartig aufgebaut, dass einem als Leser schnell schwindelig wird. Das alles soll natürlich kurzweilig und witzig sein, doch wirkt es meistens nur übertrieben und spleenig.

Offensichtlich ist MacAlister der Meinung, Vampire seien das Ultimum an Romantik. Deshalb nennt sie sie auch nicht „Vampire“, sondern „Dunkle“ – gerade so, als wäre Vampir politisch unkorrekt und diskriminierend. Dunkle, das sind bei MacAlister unsterbliche, Blut trinkende Männer, die verzweifelt auf der Suche nach ihrer Auserwählten sind, denn nur sie kann die Seele des Dunklen retten. Ohne Frau ist er verzweifelt, deprimiert, selbstmordgefährdet – mit Frau ist er vollkommen, glücklich und endlich ein ganzer Mann. So sagt Allie an einer Stelle über Christian: „Christian war im Grunde seines Herzens zutiefst verzweifelt und sehnte sich nach Liebe, denn sie war der Schlüssel zur Rettung seiner Seele.“ Hach, wie schön! Ist der Dunkle erst einmal romantisch errettet (d. h. aus seinem Neandertalerstadium befreit), mutiert er zum zuvorkommenden Liebhaber und potenten Sexgott; schließlich ist es fortan seine Lebensaufgabe, seine Geliebte wunschlos glücklich zu machen. Na, das sind doch Aussichten!

Schon diese völlig an den Haaren herbeigezogene und gänzlich auf den Romance-Plot ausgelegte Vampirmythologie ist an Kitsch kaum zu überbieten. Leider sind MacAlisters Charaktere auch nicht viel besser. Allie ist die typische Heroine, die nicht ganz perfekt ist und anfangs an sich zweifelt (es ist aber auch blöd, ein Beschwörer zu sein, wenn man offensichtlich gar nicht beschwören kann). Schlussendlich findet sie aber im Laufe der Handlung sich selbst und damit auch den Mann ihrer Träume. Und auch wenn sie anfangs mit Christian nicht viel anfangen konnte, so sieht sie doch irgendwann die Vorzüge eines Vampirs und erklärt ganz hingerissen: „Von einem Dunklen geliebt zu werden, ist alles, was sich eine Frau nur wünschen kann.“

Dumm nur, dass auch die Liebe völlig zerredet wird. MacAlister scheint unfähig, dem Leser Dinge zu zeigen – durch Taten oder Andeutungen. Schließlich hat sie einen Liebesroman geschrieben, und da muss alles deutlich und auch für den naivsten Leser zu durchschauen sein. Deshalb wird geredet, ständig und unaufhörlich. Anstatt zu zeigen, wie die Charaktere sich lieben, lässt MacAlister sie ihre Liebe gestehen – immer und immer wieder. Das geht so weit, dass selbst die Sexszenen so von Dialogen durchzogen sind, dass die Erotik vollkommen verloren geht. Wenn Allie und Christian das erste Mal Sex haben, hat man eher den Eindruck, die beiden würden eine gepflegte Unterhaltung führen (bei der sie zufällig nackt sind und Körperflüssigkeiten austauschen). Wie abtörnend.

Auch die Nebencharaktere sind nicht besser. Da hochschwanger, erscheint Joy noch mehr wie eine unförmige Planschkuh. Und deren beste Freundin Roxy, die schon in „Blind Date mit einem Vampir“ nie den Rand halten konnte, ist nun tatsächlich noch nerviger – unglaublich, aber wahr. Ständig plappert sie unzusammenhängendes Zeug, macht peinliche Bemerkungen und unterbricht Dialoge gerade dann, wenn doch einmal so etwas wie Handlung transportiert werden soll. Ohne Frage ist Roxy die Gülcan der Supernatural Fantasy. Leider fällt ihr nie ein Backstein auf den Kopf. Sie wird auch nicht vom Auto überfahren oder von einem Dämon gefressen. Es besteht also die berechtigte Gefahr, dass sie auch in zukünftigen Fortsetzungen ihr sinnloses Gelaber verbreiten wird.

„Kein Vampir für eine Nacht“ ist uninspirierte Schnulzenkost, ein Roman vom Fließband, der sich nur minimal vom Vorgänger „Blind Date mit einem Vampir“ unterscheidet. Wer Kitsch mag, ist hier vermutlich richtig. Wer eine gute Liebesgeschichte will, sollte sich eher ein anderes Buch suchen.

Man muss Egmont LYX zugute halten, dass sie die Romanreihe wunderbar aufgemacht auf den Markt gebracht haben. Die Covergestaltung und das Artwork sind wirklich peppig und liebevoll. Nur schade, dass der Inhalt nicht hält, was die Verpackung verspricht.

Die Dunklen

1. „A Girl’s Guide to Vampires“ („Blind Date mit einem Vampir“)
2. „Sex and the Single Vampire“ („Kein Vampir für eine Nacht“)
3. „Sex Lies and Vampires“ („Küsst du noch oder beißt du schon?“)
4. „Even Vampires Get the Blues“ („Vampir im Schottenrock“)
5. „The Last of the Red-Hot Vampires“ („Vampire sind zum Küssen da“)

Originaltitel: Sex and the Single Vampire
Ins Deutsche übertragen von Antje Görnig
398 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8139-7
www.egmont-lyx.de
www.katiemacalister.com