Mick O’Hare – Wie dick muss ich werden, um kugelsicher zu sein?

Die Spitze des (Fragen-) Eisbergs

Sogar der in wissenschaftlichen Belangen absolut ahnungslose Zeitgenosse kennt jene raren Momente, in denen er (oder sie) eine alltägliche, selbstverständliche Handlung oder Beobachtung hinterfragt. Wie funktioniert das, und was wäre, wenn man die Ausgangssituation folgendermaßen variiert …? Das hier vorgestellte Buch belegt, dass solche Anwandlungen oft dann aufwallen, wenn man mit Freunden zusammensitzt und zecht.

Mick O’Hare, Redakteur der Zeitschrift „New Scientist“, der führenden englischen Wochenzeitschrift für Wissenschaft und Technik, kennt dieses Phänomen, denn weil oder wenn das Rätsel trotz versammelter Geisteskraft nicht zu knacken ist, wendet sich die Gesellschaft (die sonst vermutlich gern über die Vergeudung von Steuergeldern an nutzloses Forscherpack klagt) gern an ihn und seine Kollegen. 1994 kamen O’Hare & Co. auf den Einfall, solche Fragen in besagtem Magazin zur Diskussion zu stellen. Leser beantworten seitdem Fragen von Lesern, wobei die Redaktion des „New Scientist“ die Moderation übernimmt, d. h. Irrtümer korrigiert, Informationen ergänzt und Spinner aussortiert. Mick O’Hare – Wie dick muss ich werden, um kugelsicher zu sein? weiterlesen

Hans Steinbach – A Midnight Opera 2

Story

Inmitten des Trubels, der beim Aufeinandertreffen der Vertreter der Inquisition und der Armee der Untoten auf den Straßen von Paris entsteht, gelingt es Leroux, seinen Bruder Einblick (alias Ein) aus den Gefechten zu befreien und ihn vor der drohenden Vernichtung zu retten. Gemeinsam fliehen sie zum Bahnhof und von dort aus über Köln nach Osteuropa zu reisen, wo ihre Gefährten stärker vertreten sind. Die Reise erfordert jedoch für Ein einen hohen Preis; seine Geliebte Dahlia Whyte bleibt im Kampfgetümmel zurück und wird unverhofft von ihm getrennt.

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O’Connor, Maran – Kloster des Grauens (Larry Brent, Band 108)

_Kurzbeschreibung:_

In der Nähe von Kassel verschwinden plötzlich drei Menschen, und ein weiterer wird von Wölfen angefallen und getötet. Die Spur führt in den Klosterwald. Der Bischof, ein Freund von David Gallun, bittet die PSA um Hilfe und die schickt ihren besten Mann: Spezialagent X-Ray-3 alias Larry Brent.

Um möglichst im Geheimen ermitteln zu können, wird Larry selber zum Mönch und kommt einem unheimlichen Ritual auf die Spur, mit dessen Hilfe sich der Abt, ein Schwarzmagier, der bereits über 400 Jahre alt ist, weiterhin Jugend und Unsterblichkeit sichern will. Doch auch eine Hexe namens Lilith will sich an der Zeremonie beteiligen, verfolgt dabei aber ganz eigene Absichten. Larry droht zwischen die Fronten zu geraten …

_Meinung:_

Der achte neue Fall führt Larry Brent ein weiteres Mal nach Deutschland und sogar in ein Kloster. Doch seine neue Identität als Mönch bereitet dem Agenten mehr Schwierigkeiten als erwartet, und nicht alle Mitbrüder sind dem „Neuen“ wohlgesonnen. Mit „Kloster des Grauens“ ist dem Autoren-Team Maran O’Connor sein bislang überzeugendster und bester Larry-Brent-Auftritt gelungen, der mich wirklich bis zur letzten Seite gut unterhalten hat. Die Kloster-Atmosphäre wird perfekt wiedergegeben und auch die Passagen in der Vergangenheit sind hervorragend zu lesen. Dass alles wieder einmal auf ein großes Ritual hinausläuft, ist man von den Autorinnen ja schon gewohnt, allerdings spielt dieser Roman ja chronologisch gesehen vor „Luzifers Gitarre“ und „Insel des Verderbens“, womit ich diesen Punkt dem Buch nicht anlasten möchte.

Das Eingreifen der Hexe Lilith führt einen weiteren Unsicherheitsfaktor ein und erhöht die Spannung noch einmal. Larry und Iwan tragen dieses Mal nicht wirklich viel zur Lösung bei, dafür ihre junge Kollegin Josiane. Und auch ein junger sympathischer Nachrichtenagent der PSA hat einen Auftritt und darf an der Seite des besten PSA-Agenten ermitteln. Die Charaktere sind alle sehr überzeugend gelungen, so dass dieser Roman jedem Larry-Brent-Fan wärmstens empfohlen sei. Abgerundet wird der Mystery-Genuss durch die gelungenen Illustrationen von Pat Hachfeld. Die kleinen Kunstwerke machen die Bücher zu echten Sammlerstücken.

Zum Titelbild: Leider ist das Cover des Buches eher langweilig und wirkt wieder wie einem Computerspiel entliehen. Ein Rudel zähnefletschender Wölfe vor dem Kloster hätte die Gruselatmosphäre bestimmt treffender wiedergegeben.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Schröder, Rainer M. – Labyrinth der schwarzen Abtei, Das (Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 3)

|Die Bruderschaft vom Heiligen Gral:|
Band 1: [Der Fall von Akkon 2324
Band 2: [Das Amulett der Wüstenkrieger 2727
Band 3: _Das Labyrinth der schwarzen Abtei_

Paris im August 1306: Die vier Gralshüter Gerolt, Tarik, Maurice und McIvor haben den Gral aus Akkon retten und nach einer abenteuerlichen Flucht aus Ägypten, quer durch die Sahara und verfolgt von den Häschern des ersten Knechts des Teufels, Sjadú, sicher in den Gewahrsam der Templerburg im Herzen Frankreichs bringen können.

Im Schutz des Templerordens verweilt der Gral lange Zeit sicher vor dem Zugriff der Iskaris, während die vier Gralshüter im Streit auseinandergegangen sind. Tarik arbeitet an einer Übersetzung des Koran, der Stein des Anstoßes für den Zwist. So kommt es, dass Gerolt in Deutschland weilt und seinen verhassten Bruder aufsucht, während Maurice vom Ordensobersten Antoine einen Bußgang auferlegt bekommen hat, da er einfach nicht weiblichen Reizen widerstehen kann. Tarik selbst ist als Stellvertreter Antoines in der Ordensburg zurückgeblieben, während McIvor diesem geflissentlich aus dem Weg geht. So kommt es auch, dass er alleine in einer Schänke über einen Krug Bier brütet, als er in der Nacht vom 12. auf Freitag, den 13. Oktober, von Männer des Königs belästigt wird.

McIvor ist gezwungen, sich gegen die unverhohlene Aggression zur Wehr zu setzen. Er findet ein versiegeltes Dokument mit Befehlen, die eine unverzügliche Verhaftung aller Templer in Frankreich anordnen. Ihnen wird Ketzerei, Sodomie und Götzendienst vorgeworfen. Obwohl McIvor sofort aufbricht, um seine Brüder zu warnen, ist es zu spät: Tarik und Antoine werden mitsamt der gesamten Besatzung der Ordensburg eingekerkert, nur wenige Templer können der perfekt organisierten Polizeiaktion des Königs von Frankreich entkommen.

Für den Plan Philipp des Schönen zeichnet sein Vertrauter Wilhelm von Nogaret verantwortlich, Sjadú hat die günstige Gelegenheit ergriffen, um den König und seinen Stellvertreter zu manipulieren und bereits vorhandenen Hass in seinem Sinne zu nutzen. Der König braucht Geld, welches der Orden im Übermaß besitzt. Zudem musste Philipp sich erst kürzlich schmachvollerweise vor einem Aufstand der eigenen Bürger in der Pariser Ordensburg verstecken, die zu einem Distrikt von beachtlicher Größe gewachsen ist. Das Missfallen des Königs gegen einen mächtigen Staat im Staat und die Tatsache, dass sein Mitgliedsantrag im Templerorden abgelehnt wurde, führen schließlich dazu, dass Philipp IV. nur zu gerne Sjadú und Nogaret sein Ohr leiht …

Es liegt in den Händen McIvors, die Gefährten wieder zu vereinen und den Gral zu retten. Doch ist es damit alleine nicht getan; der Gral muss erneut vor den Iskaris verborgen werden. Die Flucht führt die Gruppe fort aus Frankreich, man beschließt, nach Portugal zu reisen, wo die Templer nicht verfolgt werden. Auf ihren Weg durchziehen die Gralshüter das Gebiet der Katharer, wo es zu einem Wiedersehen mit Beatrice und Heloise kommt, die in die Hände der Inquisition geraten sind und ihrer Hilfe bedürfen.

_Der Autor_

Rainer M. Schröder (* 1951) beschreibt sich selbst als Mann mit vielen Neigungen und Talenten. Bevor er im Jahr 1977 zum Schriftsteller wurde, studierte er Gesang, später Jura und Theaterwissenschaften, arbeitete als Lokalreporter für rheinische Lokalzeitungen und den Rundfunk. Beeinflusst von Autoren wie Jack London und Joseph Conrad, unternahm er zusammen mit seiner Frau abenteuerliche Reisen, von den Everglades über den stürmischen Nordatlantik bis in die australische Wildnis. Zusammen mit dem berühmten Schatztaucher Mel Fisher tauchte er nach der spanischen Schatzgaleone Atocha; diese Erlebnisse verarbeitete er in seinem Abenteuerroman „Das Goldriff“. Heute lebt er in Palm Coast, Florida.

Während Rainer M. Schröder in Deutschland vor allem als Jugendbuchautor mit Schwerpunkt auf historischen Themen bekannt ist, veröffentlichte er unter dem Pseudonym Ashley Carrington umfangreiche historische Gesellschaftsromane für ein erwachsenes Publikum. „Der Fall von Akkon“ stellte den ersten Band der Trilogie „Die Bruderschaft vom Heiligen Gral“ dar, mit der Rainer M. Schröder sowohl jugendliches als auch erwachsenes Publikum erreichen will. Es folgten „Das Amulett der Wüstenkrieger“ und „Das Labyrinth der schwarzen Abtei“.

_Die Zerschlagung des Templerordens_

|“Nun legte Sjadú dem Fürsten der Finsternis ausführlich dar, wie er sich diesen vernichtenden Schlag gegen den mächtigen Orden der Templer vorstellte und wie er ihn in die Wege zu leiten gedachte. Und es war ein wahrhaft überzeugender, teuflischer Plan (…)“|

So unheilvoll deutete Rainer M. Schröder bereits am Ende des letzten Bandes an, was der Leser in „Das Labyrinth der schwarzen Abtei“ zu erwarten hat. Allerdings beschränkt er sich auf die historische exakte Wiedergabe einer der ersten Großrazzias der Geschichte; Sjadú kommt hier nur die Rolle eines Einflüsterers zu. Der Fokus liegt auf den vier Gralshütern, bei denen Gerolt und Maurice weitab vom Geschehen sind und ihre eigene kleine Geschichte erzählen, bis McIvor sie zur Rettung des Grals und Tariks wieder einsammelt. So verspielt Schröder leider die Chance, der Verschwörung etwas mehr Biss zu geben. Vielleicht ging er davon aus, dass die Fakten bereits hinlänglich bekannt sind, dennoch hätte ich mir hier mehr gewünscht.

Schröder wechselt die Erzählperspektive nicht, sie bleibt stets starr auf die Gralshüter fixiert. So erlebt Tarik die Befragungen beziehungsweise Folter der Inquisition nur aus der Sicht eines Gefangenen im Kerker mit, der mit fast zu Tode gefolterten, standhaften Templern und weniger standhaften Geständigen die Zelle teilt. Die Aussagen Großmeister Jacques von Molays, Konflikte zwischen Papst und König sowie die unterschiedliche Verfolgung der Templer außerhalb Frankreichs (nur in Frankreich gelang eine vollständige Zerschlagung des Ordens, in England, Spanien und insbesondere Portugal wurden die Templer oft von den gegen sie erhobenen Scheinvorwürfen freigesprochen) werden nicht direkt erlebt, sondern nur berichtend nacherzählt.

Stattdessen erzählt Schröder in diesem geschichtlichen Rahmen seine eigene Mantel- und Degengeschichte, verbunden mit der Befreiung eines gefangenen Mitbruders, die qualitativ aber nicht an eine ähnliche Situation im zweiten Band „Das Amulett der Wüstenkrieger“ heranreicht. Hier hätte ich mir wirklich mehr erwartet; eine so erfreulich gelungene Verbindung von Historie und Geschichte wie im ersten Band hat er hier leider nicht einmal versucht.

_Im Land der Katharer_

Angenehm überrascht war ich von den Wendungen, die die Flucht der Hüter im Languedoc nimmt. Dort wütet die Inquisition nach wie vor unter den Katharern, sehr zur Freude des Teufels und seiner Knechte, die dort mit ihren Verlockungen viele Diener gewinnen können. Die Gebräuche der Katharer werden dem Leser unterhaltsam nahegebracht und geschickt mit der Story verwoben. Maurice hat den Fluchtweg mit Absicht so geplant, dass sich ihre Wege mit dem der mittlerweile verwitweten Beatrice kreuzen. Diese befindet sich unter dem Verdacht der Ketzerei; gemeinsam mit ihrer mittlerweile zu einer schönen jungen Frau herangewachsenen Schwester Heloise planen die Gralshüter ihre Befreiung, bei der sie mit Hilfe ihrer besonderen Fähigkeiten ein positives Gottesurteil fingieren, um Beatrice der Inquisition zu entreißen. Doch zwei schöne, junge Frauen und vier Gralshüter, von denen einer erwiesenermaßen ein Schürzenjäger ist, schreien nach Problemen. Die Iskaris nützen gnadenlos menschliche Schwächen aus, um sich des Grals zu bemächtigen …

_Das Labyrinth der schwarzen Abtei_

Der Teufel selbst residiert in dieser Festung am Fuße der Pyrenäen. Der Vordereingang ist schwer bewacht von seinen Jüngern, der Hintereingang liegt unter dem „Atem des Todes“; niemand kann dieses Tal betreten und dort überleben. Bis auf Iskaris und Gralshüter. Die vier Hüter müssen sich durch ein zur Bestrafung versagender Teufelsjünger angelegtes Labyrinth voller trickreicher Fallen und gefährlicher Monster vorankämpfen, um den Teufel, seinem ersten Knecht Sjadú und einer Unzahl seiner Jünger zuvorzukommen, die den Gral in einer unheiligen Zeremonie vernichten und ewige Nacht über die Menschheit bringen wollen.

Hier hat Schröder sich viel einfallen lassen; die Rätsel und Gefahren, denen sich die Gralshüter stellen müssen, übertreffen alles, was Steven Spielberg in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ geboten hat. Der große Showdown selbst fällt etwas antiklimatisch aus, insbesondere Sjadú wird recht unrühmlich und unspektakulär abserviert. Dafür hat der Autor eine sehr interessante Idee, wie der Gral in Zukunft gehütet werden soll, und vor allem: Wo er versteckt wird.

_Fazit_

Mit „Das Labyrinth der schwarzen Abtei“ findet die Trilogie um die Bruderschaft des Heiligen Grals ein gelungenes Ende. Insbesondere jüngeren Lesern wird mit den gut kommentierten Fußnoten und der Handlung an sich viel spannendes geschichtliches Hintergrundwissen vermittelt. Auch für ältere Leser bietet Schröder eine spannende Abenteuergeschichte; mein einziger großer Kritikpunkt ist die etwas fantasielose und unspektakuläre, recht nebensächlich wirkende Abwicklung des Untergangs des Templerordens, die viel mehr Potenzial geboten hätte.

Die gewohnt edle Ausstattung der Trilogie – ausgezeichneter Druck, hervorragendes Kartenmaterial und ein sehr gelungener goldener Umschlag des Hardcovers mit Lesebändchen – runden erneut das vorzügliche Gesamtbild der Trilogie ab. Der auf der Umschlagvorderseite gezeigte Gral entspricht exakt der Schilderung Schröders im Roman – so etwas sieht man heute viel zu selten!

Auch wenn ich mir wegen des ersten Bands etwas mehr Stoff für erwachsene Leser erhofft hatte, werden diese nicht enttäuscht sein. Für Kinder und Jugendliche ist diese Trilogie jedoch uneingeschränkt empfehlenswert.

Offizielle Homepage von Rainer M. Schröder:
http://www.rainermschroeder.com/

Homepage des Arena Verlags:
http://www.arena-verlag.de/

Kim, Sung-Jae / Kim, Byung-Jin – Chonchu – Der Erbe des Teufelssteins 2

[Band 1 3996

_Story_

Ulpasso hat auf den Tod seines Bruders mittlerweile das doppelte Kopfgeld ausgesetzt, dessen Verlockung immer mehr Jäger folgen, um die Ausgeburt der Hölle umzubringen. Am Grab seines Ziehvaters wird Chonchu dabei von einer Truppe Kopfgeldjäger überrascht und schwer verletzt, so dass er für eine kurze Zeit blind für seine Umwelt ist. In seinem gebündelten Hass merkt er nicht, dass Kwangnijeong sich ihm nähert, und hält seine plötzliche Ankunft für den Angriff eines weiteren Feindes. Schließlich erhebt er das Schwert und tötet den Jüngling. Als ihm später bewusst wird, was er in seiner Rachsucht verbrochen hat, wird er immer stärker von Selbstzweifeln geplagt. Zu deutlich scheint ihm die Realität, dass er tatsächlich dass Monster ist, das den Mirmidon den Untergang bringen wird. Einst war das Kriegervolk stolz und prächtig, doch nun gehört Chonchu selber zur Gruppe der letzten Überlebenden. Doch während er sich den Kopf über die Vergangenheit zermartert, spinnt Ulpasso weitere Intrigen. Denn er kann nur dann in Frieden leben, wenn sein Zwillingsbruder endlich tot ist.

_Persönlicher Eindruck_

Im zweiten Band der Geschichte um den finsteren Teufelsstein vermengt der Autor einen weiteren aggressiven Blutrausch mit unerwarteten emotionalen Inhalten, die im Falle des Protagonisten fast hin zur Melancholie reichen. Chonchu hinterfragt sein gesamtes Vorgehen, entwickelt Zweifel an seiner Existenz und fühlt sich von der Niederträchtigkeit des Steins einmal mehr überrumpelt. Doch seit Jahren sucht er nach dem persönlichen Frieden und wird von einem unbändigen Kampfeswillen angetrieben, der ihn eines Tages von der Geißel des Dämons befreien soll. Aus diesem Grunde setzt er sich auch radikal zur Wehr, als ihm offenbar wird, dass Ulpassos Späher erneut nach seinem Leben trachten. Blind vor Wut verteidigt er sich gegen die Vielzahl der Häscher und richtet ein Blutbad an, das ihn in einem Maße beflügelt, dass er für kurze Zeit Freund und Feind nicht mehr voneinander trennen kann. Die Folgen dessen sind fatal; der kleine Kwangnijeong, der in Chonchu den Mörder seines Vaters vermutet, läuft ihm ins offene Messer und wird unbeabsichtigt ermordet.

Infolge dessen verfällt der gefürchtete Kämpfer in eine anhaltende Antriebslosigkeit; von allen Seiten muss er einstecken und selbst seine einstigen Verbündeten sind ihm nicht mehr freundlich gesonnen. Besonders Agon, der Anführer der Mirmidon, steigert seinen Hass ins Unermessliche, während seine Tochter Amir die Einzige zu sein scheint, die Chonchu die Treue hält. Doch die Ereignisse erlauben Chonchu nicht, sich mit seinem Seelenleben auseinanderzusetzen. Nach wie vor wimmelt es in der Umgebung von Kopfgeldjägern und Anhängern seines Bruders. Der nämlich besitzt mittlerweile die Voraussetzungen, um seinen Machtbereich kontinuierlich auszubauen, doch wird er dies nur durchführen können, wenn die letzte Hürde überwunden ist und niemand mehr die Wahrheit über den verdrehten Schicksalsverlauf der beiden Brüder in Erfahrung bringen kann – und um dies zu erreichen, sind ihm mittlerweile alle Mittel recht.

So schnell kann man seine Meinung ändern; glaubte man bereits nach dem ersten Band, dass der grobe Verlauf der Serie schon abzusehen wäre, bringt der Autor bereits in der Fortsetzung eine ganze Reihe neuer Komponenten in die Handlung ein, die den Verlauf mit Sicherheit entscheidend prägen und das Überraschungsmoment an gegebener Stelle wieder aufnehmen können. So eindeutig wie vermutet ist die Rollenverteilung nämlich letztendlich doch nicht, denn es kristallisieren sich immer mehr Unbekannten heraus, die noch nicht zu viel über sich preisgeben und die Spannung in diesem zweiten Teil mächtig anheizen. Davon abgesehen bleibt „Chonchu – Der Erbe des Teufelssteins“ eine ziemlich brutale Serie, was sich gerade in einigen Szene offenbart, in denen diverse Körperteile im Kampf nicht gerade jugendfrei abgetrennt werden. Vor dem Hintergrund der Fantasy-Handlung mag das ja legitim sein, allerdings stellt sich mehrfach die Frage, ob der Inhalt für eine Freigabe ab 15 Jahren nicht zu blutig ist. Für meinen Geschmack sollte man hiermit jedenfalls etwas sensibler umgehen.

Die Handlung leidet darunter natürlich keinesfalls, da die betreffenden Szenen fließend in die Geschichte eingebaut wurden und auch problemlos mit dem überhaupt sehr tollen Zeichenstil harmonieren.
Insgesamt sind also ganz klare Fortschritte zu verzeichnen, einerseits was den weiteren Verlauf der Handlung betrifft, andererseits aber auch im Bezug auf die fortlaufende Verschärfung der einzelnen Charakterprofile, die dieses Mal sogar schon vorab in einem Special auf den ersten Seiten noch einmal sehr umfassend dargestellt werden. Ausgehend von den bisherigen Ereignissen kann man gespannt auf die künftigen Bände sein und sicher noch einiges von „Chonchu – Der Erbe des Teufelssteins“ erwarten. Nach anfänglicher Skepsis bin ich nunmehr überzeugt, dass eine starke Fantasy-Serie ihren Weg gehen wird.

http://www.tokyopop.de/buecher/manga/chonchu__der__erbe__des__teufelssteins/index.php

Shocker, Dan – Leichenvögel (Larry Brent, Band 37)

In diesem Buch sind die Heftromane „Leichenvögel“ und „Kastell des Dämons“ enthalten, die erstmals als |Silber-Grusel-Krimis| Band 77 und 79 erschienen sind.

_Leichenvögel_

|“Wer einmal den Vogel sieht, der ist verloren.“|

So erzählen es sich die Leute in Tonklin, einem verschlafenen Nest in England. Der Antiquitätenhändler David Gander schlägt die Warnungen in den Wind und stattet der alten Frau, die etwas außerhalb wohnt, einen Besuch ab. Kurz darauf sieht er den Leichenvogel und wird von Ensebeth Mallory ebenfalls in eine solche Kreatur verwandelt.

Die PSA wird auf das Treiben der Leichenvögel aufmerksam und schickt Larry Brent und Morna Ulbrandson vor Ort. Die Computer in der New Yorker Zentrale geben Alarm, denn es scheint, dass die Dämonengöttin Rha-Ta-N’My hinter den Vorfällen steckt. Doch die beiden PSA-Agenten sind nicht vorsichtig genug und werden von der Hexe und ihren dämonischen Helfern ausgeschaltet. In der Dimension des Grauens sollen sie ebenfalls zu Leichenvögeln werden. Kann Iwan Kunaritschew, alias X-RAY-7, seine Freunde noch retten?

_Kastell des Dämons_

Nahe einem spanischen Kastell mitten in England wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, die durch mehrere Messerstiche ums Leben gekommen ist. Der Mann ist in dem düsteren Gemäuer verschwunden. Der Reporter Douglas Learmy will dem Geheimnis des verlassenen Gemäuers, von dem man berichtet, dass es dort spukt, auf den Grund gehen.

Die Computer der PSA haben ebenfalls Alarm geschlagen, und so schickt David Gallun seine beiden besten Agenten vor Ort: Larry Brent und Morna Ulbrandson.
Larry soll den Reporter überwachen und gegebenenfalls schützen. Morna hingegen erhält eine Anstellung als Zimmermädchen bei den Nachbarn. Diese haben vor drei Jahren ihre dreizehnjährige Tochter verloren und dennoch sieht man das Mädchen immer noch an den Rosenträuchern, die sie so sehr liebte. Auch Learmy hat bereits mit dem hübschen Mädchen gesprochen. Doch nicht nur die Geister Verstorbener gehen um. Der Urheber ist ein grausamer Dämon namens Asunta …

_Beurteilung_

Auch dieses Buch hinterlässt ein zwiespältiges Gefühl. Der erste Roman ist ein kleines Highlight und hat neben dem Auftreten des Dreiergespanns Brent/Ulbrandson/Kunaritschew auch eine erneute Interaktion der sagenumwobenen Dämonengöttin Rha-Ta-N’My zu bieten, die eigentlich die Erzfeindin von Macabros ist, Dan Shockers zweitem geistigen Kinde, welches ebenfalls im |BLITZ|-Verlag zu neuen Ehren kommt.
Darüber hinaus lebt die Geschichte von der unheimlichen Atmosphäre eines alten, englischen Dorfes inmitten klirrender Winterkälte. Die Attacken der Leichenvögel sind brutal und schonungslos und die Agenten müssen all ihr Können unter Beweis stellen, um dem Grauen Herr zu werden. Stilistisch bleibt Dan Shocker sich treu und fabrizierte einen zeitlosen Klassiker der anspruchslosen Horror-Unterhaltungsliteratur.

Das gilt übrigens auch für die zweite Story, welche nicht unheimlicher beginnen könnte. Ein Auto bleibt vor einem gespenstischen Haus stehen, die Frau wird das Opfer eines unheimlichen Mörders und der Mann verschwindet spurlos. Wieder einmal spielt Dan Shocker perfekt auf der Klaviatur menschlicher Ängste, und obgleich das mit beinahe altbacken wirkenden Methoden geschieht, verfehlt es seine Wirkung keineswegs. Auch das messerschwingende Mädchen, welches tagsüber Rosen pflückt und bereits drei Jahre tot ist, passt hervorragend in diese unterschwelligen Gruselstimmung.

Leider gleitet der Roman in der zweiten Hälfte zu sehr ins Kuriose ab. Die düstere Atmosphäre wird von unmotivierten Aktionen und übertriebenen Actionszenen abgelöst. Mit dem Auftreten des Dämons verliert der Roman einen großen Teil seines Reizes. Auch die Seance, welche Larry mit Hilfe eines Mediums abhält, wirkt konstruiert und unglaubhaft. Das Ende plätschert langweilig vor sich hin und ist darüber hinaus alles andere als originell. Dadurch, dass die Mutter des toten Mädchens an der Beschwörung teilnimmt und ebenfalls bereits unter dem Bann Asuntas steht, was ihre Begleiter allerdings nicht ahnen, bringt der Autor ein dramatisches Element mit ins Geschehen. Doch leider werden die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft und die psychologische Spannung durch die Actionszenen zerstört. Die Darstellung des Dämons als wolkenartiges Wesen mit Rüssel wirkt eher lächerlich als bedrohlich.

Damit bleibt bei diesem Roman ein sehr zwiespältiges Gefühl zurück. Die erste Hälfte ist super, die zweite eher unterdurchschnittlich. Dennoch liest sich der Roman sehr flüssig und schlägt nicht allzu große Kapriolen, die bei Dan Shocker oft schwer nachvollziehbar sind.

Die Illustrationen von Pat Hachfeld sind der ideale Beweis für die künstlerischen Fähigkeiten des Zeichners. Insbesondere das Bild zu „Leichenvögel“ gehört zu den besten Werken des Wolfsburgers und vermittelt einen perfekten Eindruck des Romans. Das vielfarbige Cover zeigt das überaus stimmungsvolle Originaltitelbild des Silber-Grusel-Krimis 77.

Fazit: Durchwachsener Grusel im Doppelpack. Der erste Roman bietet die altbekannte gruselige Unterhaltung, wie man sie vom Autor gewohnt ist, während der zweite Roman nur in der ersten Hälfte zu überzeugen vermag und sich zum Ende hin in Belanglosigkeiten und einem unoriginellen Finale verliert.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Blazon, Nina – Maskenmörder von London, Der

Nina Blazon, Wolfgang-Hohlbein-Preisträgerin, ist vielen vielleicht nur wegen ihrer erfolgreichen Fantasybücher ein Begriff. Tatsächlich schreibt die Autorin aber auch historische Romane wie zum Beispiel „Der Maskenmörder von London“.

Die Geschichte spielt im 18. Jahrhundert. Die Stadt London steht Kopf, denn der italienische Staropernsänger Giacomo Maria Amorelli singt in Prinz Fredericks Theaterhaus. Auch Isobel Burlington, eine betuchte Witwe, ist großer Fan des Sängers, während ihr Neffe Lucius bei der bloßen Erwähnung des Namens die Augen verdreht.

Der junge Mann, der aus ärmeren Verhältnissen aus Dover stammt und in London seine Ausbildung zum Kaufmann machen soll, interessiert sich nicht sonderlich für Opern und das adlige Getue seiner Tante. Doch als bei der Premiere von Amorellis neustem Stück dessen Rivale Ferrante ums Leben kommt, ist Lucius‘ Neugierde geweckt.

Mithilfe der Schleifenmacherin Sisí und dem Volk auf der Straße versucht er den rätselhaften Fall zu lösen. Denn anders als die Polizei unter dem raubeinigen Constable Avory glaubt Lucius nicht daran, dass Amorelli der Mörder ist …

Erneut gelingt es Nina Blazon, in den Mittelpunkt ihrer Geschichte einen jungen, gewitzten Helden zu stellen, der eine knifflige Aufgabe lösen muss. Lucius ist frech und mutig und nicht gerade der Kaufmannslehrling, der er eigentlich sein sollte. Sein Charakter ist gut ausgearbeitet und weist Ecken und Kanten auf. Außerdem ist er sehr sympathisch und interessant, weil er gerne ein wenig über die Stränge schlägt.

Ihm zur Seite stehen weitere Figuren, die ebenfalls sehr schön und zeitgerecht gezeichnet sind. Um Spannung in die Besetzung zu bringen, lässt Blazon die eine oder andere Person etwas undurchsichtig erscheinen, webt persönliche Tragödien ein und stellt Lucius eine tapfere junge Dame an die Seite. Sisí, eine einfache Bürgerin, zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie sich gerne über ihre Standesgrenzen hinwegsetzt und Dinge tut, die einem jungen Mädchen eigentlich nicht gebühren.

Die ganze Handlung wird davon geprägt, dass Lucius und Sisí Dinge tun, die sie eigentlich nicht tun sollten. Munter brechen sie die Traditionen des 18. Jahrhunderts, um den wahren Mörder von Ferrante zu finden. Trotz dieser leicht verruchten Komponente und des schönen Erzählstils bleibt die Handlung aber recht blass. Den Ereignissen fehlt oft der zündende Funke. Dadurch kommt kaum Spannung auf beziehungsweise erst am Ende. Hier schlägt Blazon ein paar Haken und sorgt für die Überraschungen, die sie lieber vorher schon hätte einfließen lassen sollen.

Insgesamt lässt die Geschichte auch ein wenig an der Dichte missen, die man sonst von der Stuttgarter Autorin gewohnt ist. Ihre überbordende Fantasie, die ihre Fantasybücher zu kleinen Sensationen werden lässt, scheint in Angesicht einer realen Welt geschrumpft zu sein. Dadurch wirkt der Hintergrund, vor dem sich die Geschichte abspielt, etwas farblos und starr. Blazon bemüht sich zwar, witzige Besonderheiten des 18. Jahrhunderts in die Geschichte einzuweben, aber es gelingt ihr nicht, diese entsprechend zu präsentieren. Die Besonderheiten wirken lose und es fehlt der Geschichte an Dichte.

Immerhin der Schreibstil ist genauso gut wie in Nina Blazons Fantasybüchern. Leichtfüßig und beschwingt mit einer guten Prise Humor schreibt sie aus Lucius‘ Perspektive. Das Buch ist angenehm zu lesen, wenn auch ein wenig ernster als zum Beispiel Blazons „Die Taverne am Rande der Welten“-Reihe. Dieser neue Ernst tut dem Erzählstil aber keinen Abbruch. Nina Blazon beweist erneut, dass sie anspruchsvoll, aber doch jugendfreundlich schreiben kann.

„Der Maskenmörder von London“ gehört nicht zu Blazons besten Büchern. Die Handlung erzeugt dafür zu wenig Spannung und auch der geschichtliche Hintergrund ist vergleichsweise blass. Trotzdem kann sie mit ihrem leichtfüßigen Schreibstil und den sympathischen Charakteren punkten.

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Caputo, Philip – Im Namen des Guten

Der schwarze Kontinent – eines der zuletzt wirklich erforschten Gebiete. Mit Afrika verbinden wir viele geheimnisvolle Eindrücke aus der klassischen Literatur, aus Filmen und Dokumentationen. Die endlosen Weiten der Nationalparks, der beeindruckende Kilimandscharo und die verschiedenen Stämme der Ureinwohner – genau daran werden sich Touristen erinnern und davon schwärmen.

Doch Afrika ist mehr als das muntere, vielfältige und sehr andersartige Land der unerschlossenen und romantischen Träume. Noch immer vergessen wir gern, dass es in vielen kleinen afrikanischen Staaten Kriege gibt, Völkermord in Sierra Leone oder dem Sudan, Bürgerkriege in Somalia und Rassengesetze, die man in Europa gar nicht mehr nachvollziehen kann.

Afrika als Kontinent gesehen ist sehr reich. Verschiedene Bodenschätze wie Silber, Gold und auch Diamanten sind immer wieder Auslöser von nationalen und internationalen Kriegen – der Wert des einzelnen Menschen schrumpft dagegen auf den minimalen Nenner, wenn z. B. das Töten schon von Kindern ausgeführt wird; für die ihre Kindheit nur ein brutaler Schrecken ist und oftmals die Seele wie auch den Körper verkrüppelte.

Zwar versuchen die wirtschaftlich großen Staaten unseres Planeten geringfügig Hilfe zu leisten, aber oftmals stehen diese Organisationen den Interessen einiger skrupelloser Machthaber machtlos gegenüber. Terre de homes, Ärzte ohne Grenzen, Entwicklungshelfer aus aller Welt, selbst die UNO sind machtlos. Ein Paradoxon, das wir oftmals nicht verstehen können.

Philip Caputo hat mit dem Roman „Im Namen des Guten“ eine Geschichte verfasst, die sich mit Afrika und seinen Problemen befasst.

_Die Story_

Die 90er Jahre im Sudan. Wie in vielen kleineren Staaten herrscht Bürgerkrieg zwischen den christlichen Stämmen des Südens und den islamischen Herrschern in der Hauptstadt Khartum. Der Abenteurer und charismatische Amerikaner Douglas Braithwaite gründet mit Hilfe eines Kenianers und eines risikofreudigen texanischen Buschpiloten eine von vielen privatisierten Airlines. Diese Airline soll internationale Hilfsgüter verteilen, um die Versorgung gerade auch in den entlegensten Gebieten zu gewährleisten.

Zeitgleich kommt eine christliche Hilfsorganisation im Sudan an. Die strenggläubige Amerikanerin Quinette verfolgt einzig und allein das Ziel, Sklaven freizukaufen, die in die Mühlen des Bürgerkrieges geraten sind. Doch auch ihr Idealismus findet keinen endgültigen und sicheren Weg der Hilfe. Sie begegnet dem Anführer der sudanesischen Rebellenarmee und verliebt sich Hals über Kopf in den geheimnisvollen und kultivierten Mann. Doch auch dieser verfolgt seine ganze eigene Ideologie und überredet schließlich Douglasm ihm nicht nur Hilfsgüter zu überlassen, sondern ihn auch mit Waffenlieferungen zu unterstützen.

Wo liegen die Grenzen zwischen Hilfe und dem eigentlichen Geschäftswillen? Als die Situation im Lande eskaliert, verschwimmen diese Grenzen und der Idealismus der Hilfsbereitschaft schützt keinen davor, sich letzten Ende schuldig zu fühlen …

_Kritik_

Der Autor Philip Caputo greift ein sehr ernstes Thema auf. Zurzeit scheint sich ja auch jeder für diesen Kontinent mitsamt seinen Problemen zu interessieren. Der Schauplatz des Romans „Im Namen des Guten“ spielt zum größten Teil direkt im Sudan. Ein Land, von Bürgerkrieg geplagt, vom Staatsterror und massiven Verletzungen des Völkerrechtes an den internationalen Pranger gestellt. Wie viele Probleme im Afrika, spielen diese in den Medien nur eine untergeordnete Rolle und werden auch in ihrer Dringlichkeit nicht gewürdigt. Dabei wäre genau dies ein Anfang, ein wirklicher, und nicht das übliche Aufschieben und Wegschauen im Namen der Zivilisation.

Ich muss Philip Caputo wirklich loben, dass er den Völkermord thematisiert und zurück in das Bewusstsein des Lesers holt. Dass der Terror, egal ob nun von staatlicher Seite ausgehend oder von Seiten der Freiheitskämpfer, gefördert wird und die Summe dieser Kriegshandlungen nichts weiter ist als ein eskalierender Genozid, wird dem Leser von Kapitel zu Kapitel glaubhaft erklärt.

Aber nicht nur diese Grausamkeiten werden in den Vordergrund geschoben, hierbei handelt es sich doch eher um die Rahmenhandlung für die Erzählung.
Gekonnt beschreibt Caputo das Versagen der ehrenamtlichen, internationalen und staatlich unterstützten Hilfsorganisationen, die sich gerne als eifrige Helfer profilieren möchten. In einem Bürgerkrieg wird man früher oder später Partei ergreifen müssen, ein unwiederbringlicher Prozess, und leider bleibt dann für eine der beiden Seiten die humanitäre Hilfe auf der Strecke. Vertuschung von Spendengeldern oder unrechtmäßige Verwendung von Hilfsgütern bilden mit den oben genannten Punkten ein strenges und anspruchsvolles Grundgerüst.

Seine Charaktere in „Im Namen des Guten“ sind dagegen weniger gut ausgearbeitet. Ihre Zerrissenheit und ihre eigenen Konflikte sind zwar interessant beschrieben, aber manchmal etwas zu arg stilisiert – entweder als gut oder böse, zwei Aspekte, die in der Geschichte nicht glaubhaft interpretiert werden.

_Fazit_

Ich habe mir von dem Roman vielleicht etwas zu viel versprochen. Gerade vor dem Blickwinkel des Schauplatzes Afrika hatte ich eine ziemlich hohe Erwartungshaltung. Ich hatte einen Spannungsroman erwartet, aber genau das wollte Philip Caputo scheinbar nicht vorlegen. In jedem Fall wollte er die Probleme des Sudan-Konfliktes nicht bagatellisieren, wie viele andere Autoren auch, sondern mit seiner Geschichte die Sinnlosigkeit des Krieges darstellen. Lobenswert finde ich auch die scharfe Kritik, die er direkt an die Hilfsorganisationen richtet; diese Problematik zu thematisieren und zu erklären war wichtig, nicht nur für die Handlung, vielmehr für die Grundproblematik in diesen Regionen.

Vieles ist dem Autor in diesem Roman beispielhaft gelungen. Leider vermisst der Leser aber schnell die Spannung und die maßgebliche Unterhaltung. Der Roman umfasst knappe 750 Seiten, und erst in den letzten Kapiteln wird das Netz von Verstrickungen zu Ende geknüpft. Viele Situationen beschreibt Caputo in einer schier nicht enden wollenden Schleife. Langatmige Umschreibung und Erklärungen fördern die Handlung in diesem Falle überhaupt nicht. Und nach der Lektüre war ich wirklich erschöpft und einfach nur froh, dass es vorbei war.

Caputo hat etwas Großes schaffen wollen, etwas Einmaliges mit vielen, vielen Details. Sicherlich ist der Roman komplex, aber er ist auch mit Kleinigkeiten einfach überfrachtet. Es gibt eine Unmenge von Personen und Beziehungen zueinander, bei denen man doch recht schnell den Überblick verliert und sich dabei ertappt, einige Seiten zurückzublättern. Wie oben schon beschrieben, sind die Charaktere seiner Protagonisten nur oberflächlich konzipiert und nur wenige von ihnen kommen als wirklich glaubhaft rüber.

Ein Pulitzer-Preisträger ist sicher kein Garant für eine spannende und unterhaltsame Geschichte. Ein anspruchsvolles Buch habe ich durchaus erwartet und sicherlich hat „Im Namen des Guten“ auch seine guten Seiten, seine interessanten Kapitel, aber es war einfach zu viel des Guten. Die Grundzüge der Dramaturgie und der Sprachstil konnten durchaus überzeugen und stellenweise auch begeistern, aber der Gesamteindruck bleibt nicht stimmig.

Wer sich mit dem Thema Sudan und vielleicht der Rolle der Hilfsorganisationen in solchen Konflikten befassen will, sollte diesen Roman lesen. Er wird nicht alles erklären können, aber doch das Interesse für mehr Informationen bei den Lesern wecken. Dagegen steht natürlich das Interesse an einer spannenden und trotz allem unterhaltsamen Story, die der Roman leider nicht erfüllen kann.

_Der Autor_

Philip Caputo wurde 1941 in Chicago geboren. Er wurde Auslandskorrespondent der |Chicago Tribune| in Rom und 1973 für seine Reportage über den Wahlbetrug in Chicago mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.

Später verließ er die Chicagoer Tagespresse und ist seither als Schriftsteller tätig. Mehrere seiner Romane spielen in Afrika und Caputo hat eine sehr persönliche Bindung zu diesem Kontinent, da er viele seiner Länder bereist hat. Zusammen mit seiner Frau lebt Caputo in Norwalk, Connecticut.

|Übersetzung: Sabine Hübner & Nicola Volland
600 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag|
http://www.pendo.de/

Steinbach, Hans – A Midnight Opera 1

_Story_

Ein DeLaLune wollte schon immer ein ganz normales Leben führen und endlich das Leben mit seiner neuen Liebe genießen, doch seine Präsenz als Goth-Metal-Star im Pariser Underground ermöglicht ihm kein bisschen seiner erstrebten Ruhe. Doch andererseits genießt Ein auch sein Leben als Rockstar, zumal sein diabolisches Erscheinungsbild durch und durch authentisch ist. Der Musiker ist nämlich ein Untoter, der bereits vor mehr als 150 Jahren gegen die Inquisition gekämpft hat und erst seit wenigen Jahren endgültig mit dieser Tatsache abschließen konnte.

Nun jedoch werden die alten Wunden erneut aufgerissen, denn kurz nach einem gefeierten Gig wird Ein von seinem Bruder Leroux heimgesucht, der ihn bittet, die Armee der Untoten im neu entflammten Streit gegen die Inquisition zu unterstützen. Auf den Schultern des verwirrten Ein ruhen bereits die letzten Hoffnungen, doch der lehnt dankend ab, schließlich war Leroux einst für den Tod seiner einstigen Geliebten verantwortlich. Aber der große Bruder ist mittlerweile mächtiger als der zum irdischen Dasein bekehrte Rockstar – und so scheint eine Rückkehr in den Lebensstil der Vergangenheit unvermeidlich.

_Persönlicher Eindruck_

Eine recht ungewöhnliche, aber nicht nur deswegen auch sehr interessante Serie schickt dieser Tage der bislang noch unbekannte Autor Hans Steinbach ins Rennen. In „A Midnight Opera“ begibt sich der Newcomer zwar in das bekannte Reich der Untoten und verbindet es mit dem Spirit der Gothic-Szene, unterwirft seine Geschichte allerdings einer weitestgehend unkonventionellen Rahmenhandlung, deren Charaktere eine deutliche Distanz zu den üblichen Genre-Schemen aufweisen.

Mit dem eigentlichen Helden Ein DeLaLune hat Steinbach dabei sofort die außergewöhnlichste Figur entworfen; als Untoter zu einem unglücklichen Dasein verdammt, hat der Knabe sich Stück für Stück aus dem Sumpf von Vampirismus und dem Kampf gegen die Heilige Inquisition herausgezogen und es über die Jahre geschafft, seine Trauer um die verschiedene Liebe zu überwinden. Indes ist er zu einem national bekannten Star herangewachsen, einem Teenie-Idol, dessen teuflisches Äußeres ihn bis an die Spitze einer ganzen Bewegung gebracht hat. Doch insgeheim kann Ein den gewaltigen Schatten seines früheren Lebens nicht ablegen; in Gedanken verfolgen ihn die alten Szenarien ständig wieder, und ganz besonders beschäftigt ihn dabei die Frage, ob es Untoten tatsächlich gestattet ist, Gefühle wie Liebe zu empfinden und auszuleben.

Die Beschäftigung mit diesem heiklen Thema zieht sich schließlich gleich auf mehreren Ebenen durch die erste Ausgabe von „A Midnight Opera“ und ist auch ein Teil des Kerninhalts im Bezug auf das emotionale Befinden des Hauptdarstellers. Viel mehr als der Kampf gegen die Inquisition, der auf Geheiß von Elisabeth Bathory geführt werden soll, sind es die Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, die Ein veranlasst haben, die eigene Vergangenheit hinter sich zu lassen, zumal ausgerechnet sein Bruder das Schicksal nachhaltig beeinträchtigt hat. Aus diesem Grunde reagiert Ein auch mit Hass und rachlüsterner Vergeltung, als ausgerechnet Leroux eines Tages auftaucht und ihn für seine Zwecke gewinnen möchte. Der Anfang für eine spannende, mit drei Bänden allerdings überraschend kurz angesetzte Story ist gemacht …

Der Auftakt zu „A Midnight Opera“ mag neben dem vorschnellen(?) Lob sicher auch einige Zweifler auf den Plan rufen, schließlich arbeitet der Autor über das gesamte Buch verteilt mit reichlich Klischees, sei es nun das Rockstardasein Eins oder eben doch die Meinungsbildung die christliche Kirche betreffend. Man sollte dabei aber berücksichtigen, dass diese alten Stereotypen nicht einfach nur plump wiedergekäut werden, sondern in dieser Form im Rahmen der Handlung schlichtweg Sinn ergeben. Klar, wenn Gestalten wie Elisabeth Bathory eingreifen oder die eine oder andere finstere Namensbezeichnung in der Story auftaucht, darf man schon mal ob des zu starken Einflusses des Metal-Fans (und nicht des unabhängigen Autors) schmunzeln, doch insgesamt harmonieren selbst solche Übergriffe prächtig mit dem Verlauf der Erzählung und werden gerne mit einem Augenzwinkern begrüßt.

Begrüßenswert ist summa summarum dann auch die Idee, basierend auf den gemischten Ideen diese außergewöhnliche, aber homogen strukturierte, einfach stimmige Geschichte zu erzählen, deren Beginn sowohl lyrisch als auch illustratorisch restlos überzeugt. Mit Hans Steinbach respektive „A Midnight Opera“ haben sich |Tokyopop| vielleicht sogar einen ganz dicken Fisch an Land gezogen, von dem man in Zukunft – sprich über diese Serie hinaus – garantiert noch einiges hören wird.

http://www.tokyopop.de/buecher/manga/a__midnight__opera/index.php

Shocker, Dan – Atoll, Das (Larry Brent, Band 36)

Das Buch enthält die beiden Heftromane „Ruine der Kopflosen“ und „Atoll des Schreckens“, welche erstmals als in der Reihe |Silber-Grusel-Krimi| als Heftromane erschienen sind.

_Ruine der Kopflosen_

Zwei Fahrradtouristen auf einer Tour durch Schottland werden in der Nacht Zeugen eines unheimlichen Geschehens. Wo eben noch die Ruine einer Burg stand, erhebt sich plötzlich ein intaktes, düsteres Gemäuer, und zwei Degenfechter duellieren sich im Mondschein. Geisterspuk!

Kurz darauf wird einer der beiden Touristen enthauptet, sein Begleiter als Hauptverdächtiger verhaftet. Doch es wurden bereits mehrere kopflose Torsi in der Umgebung gefunden, und so schickt die PSA ihren besten Agenten vor Ort: Larry Brent.

Auch X-RAY-3 wird Zeuge des grauenhaften Geisterduells. Der besiegte, enthauptete Burgherr tötet als lebender Toter seinen Kontrahenten und geht anschließend auf den PSA-Agenten los. Auch der Torso des geköpften Touristen greift Larry an. Doch wie soll man sich gegen lebende Tote wehren, die selbst den Strahlen aus Larrys Laserwaffe widerstehen?

_Atoll des Schreckens_

Auf einer kleinen Insel auf Tahiti sind acht junge, blonde Frauen spurlos verschwunden. Larry Brent und seine attraktive Kollegin Morna Ulbrandson sollen den Fall aufklären. Die blonde Schwedin ist der ideale Köder. Doch gegen die Gegner, die wirklich hinter den Entführungen stecken, sind die Agenten nicht gewappnet. Die Produkte eines zwanzig Jahre zurückliegenden Atomtestes sind wahre Monster …

_Beurteilung_

Zwei Geschichten, welche die Vielfalt und Ambivalenz der Larry-Brent-Geschichten einmal mehr eindrucksvoll beweisen.

Die „Ruine der Kopflosen“ spielt im klassischen Gruselland Schottland und bedient sich darüber hinaus auch der Elemente der Gothic-Novel. Eine gespenstische Burg, kopflose Geister und ein alter Fluch. Dan Shocker vermengt diese Zutaten darüber hinaus mit kriminalistischen Anteilen, und zu guter Letzt kommt auch noch ein dämonisches Ritual ins Spiel. Die Beschreibung des unterirdischen Gewölbes und des Irrsinns, der den Professor befallen hat, gelingt dem Autor wieder bestens; plastisch kann man als Leser den gruseligen Schädel des Druiden-Priesters in dem Geflecht der Baumwurzel vor Augen sehen. Das Motiv hätte ich mir viel eher als Illustration für die Story gewünscht; der abgeschlagene Schädel auf dem Pflock gelang dem Künstler Pat Hachfeld dieses Mal nämlich nicht so gut. Das Grauen, welches die Menschen durchmachen müssen, wenn sie der kopflosen Leichen ihrer Mitmenschen gewahr werden, ist fast greifbar. Ein echter, schnörkelloser Grusel-Krimi.

Im Gegensatz dazu verschlägt es den braungebrannten Sonnyboy Larry in der zweiten Geschichte in die tropischen Gefilde Tahitis. Hier nimmt sich der Schriftsteller die Folgen einer Atomexplosion als Urheber des Grauens vor. Natürlich auf einem Niveau, welches zeigt, dass die Geschichte lediglich dem Unterhaltungswert dient. Aber dann doch nicht wieder so abgedroschen, dass Riesenechsen über die Lande stampfen. Vielmehr geht es um die Züchtung einer neuen Rasse und um Menschenversuche, außerdem um ein Eifersuchtsdrama mit (fast) tödlichem Ausgang.

Der Roman gestaltet sich sehr kurzweilig, auch wenn einige der Ideen alles andere als neu sind und Morna in der klassischen Opferrolle die Errettung durch Larry herbesehnen darf. Die Dialoge sind sehr realistisch und sprühen vor Wortwitz. Das Lektorat wetzt die eine oder andere Scharte hervorragend aus.

Die Illustration zu der zweiten Geschichte zeigt wieder uneingeschränkt das Talent des Zeichners und vermittelt mit einem vergleichsweise einfachen Motiv einen Eindruck von den Geschehnissen. Das Cover zeigt das Original-Titelbild von Lonati, wie es vor dreißig Jahren einen Heftroman zierte. Das Bild zeigt puren Trash und ist in seiner übertriebenen Darstellung schon fast wieder kunstvoll zu nennen. Die Frau mit den kleinen, spitzen Brüsten und dem knappen Bikini ist das typische Frauenbild, des mittlerweile verstorbenen Malers, wie es oft auf seinen Werken zu sehen ist.

Fazit: Leichte und dennoch spannende Gruselkost mit typischem Shocker-Plot.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Kalogridis, Jeanne – Kinder des Papstes, Die

Neapel, um 1488: Die zwölfjährige Sancha von Aragon ist die Enkeltochter von König Ferrante. Während sie ihrem Vater, dem Herzog von Kalabrien, feindselig gegenübersteht, liebt sie ihre Mutter und vor allem ihren jüngeren Bruder Alfonso, den das energische Mädchen für seinen Sanftmut bewundert. Als Sancha sechzehn Jahre alt ist, stirbt der alte König. Aus politischem Kalkül wird ihre glückliche Verlobung mit Graf Otoranto gelöst und sie stattdessen zur Heirat mit einem Mitglied der mächtigen Borgia-Familie gezwungen, die für Machtgier und Skrupellosigkeit berühmt ist. Jofre de Borgia, zweiter Sohn von Papst Alexander VI., wird ihr Ehemann. Ein schlimmes Schicksal für Sancha, denn Jofre ist mit zwölf Jahren fast noch ein Kind und sie muss ihre geliebte Heimat Neapel verlassen.

Nicht nur das Heimweh und die mangelnden Gemeinsamkeiten mit Jofre setzen Sancha zu, sondern auch die politischen Wirrungen. Als die Ordnung endlich wieder hergestellt scheint, ruft Papst Alexander VI. seinen Sohn Jofre und Sancha zu sich. Von nun an ist Sancha Teil der legendären Borgia-Familie und erlebt die Ausschweifungen und Grausamkeiten Roms. Sie muss sich gegen Zudringlichkeiten des lüsternen Papstes und dessen grausamen Sohn Juan wehren. Dafür verliebt sie sich unsterblich in den dritten Sohn, den schönen und charmanten Cesare, und nach anfänglichem Misstrauen freundet sie sich auch mit der raffinierten Papst-Tochter Lukrezia an.

Viel zu spät realisiert Sancha, dass sich auch hinter Cesares Fassade eisige Kälte verbirgt und er vor nichts zurückschreckt. Aus der leidenschaftlichen Liebe wird gefährlicher Hass – und Sancha kämpft verzweifelt gegen mächtige Intrigen und um ihr Leben …

Das Zeitalter der Renaissance ist ein sehr dankbarerer Hintergrund für historische Romane. Das farbenprächtige Italien, die Machtkämpfe innerhalb Europas und der Kirche und die schillernden Charaktere der Borgia-Familie bilden den Ausgangspunkt für dieses Werk.

|Überzeugende Charaktere|

Im Mittelpunkt steht die Ich-Erzählerin Sancha von Aragon, zu Beginn fast noch ein Kind, später eine erwachsene Frau, aber von Anfang an ein stolzer und starker Charakter. Sancha ist nicht so sanftmütig wie ihr geliebter Bruder, doch gerade ihre Schwächen machen sie sympathisch. Entgegen aller Vernunft schlägt sie die Warnungen über die Borgias in den Wind, um sich mit Cesare auf eine fatale Affäre einzulassen, die von nun an ihr Leben bestimmen wird. Sancha ist impulsiv und kaltblütig in ihrem Hass gegenüber denen, die ihren Nächsten schaden wollen. Bezeichnenderweise ist sie keine Heldin, die immer den richtigen Weg wählt, sondern muss Niederlagen und falsche Entscheidungen hinnehmen – doch egal wie schlimm ihr mitgespielt wird, sie gibt nicht auf.

Über die Borgias existieren zahllose Bücher und die verschiedensten Ansichten. Sehr positiv ist hervorzuheben, dass die Familie in diesem Werk nicht auf den Ruf als grausame Giftmischer beschränkt wird. Lukrezia erscheint zunächst als eifersüchtige Schwägerin, die Inzucht mit ihrem Vater stößt Sancha zusätzlich ab. Aber im weiteren Verlauf entsteht eine enge Freundschaft zwischen den Frauen und Lukrezia erscheint mehr als schwaches Opfer denn als die |femme fatale|, als die sie gern verkörpert wird. Papst Alexander erhält eine negativere Darstellung; er vergreift sich an Sancha, hält sich junge Gespielinnen, verhindert nicht die Mordlust seiner Söhne. Immer wieder allerdings blitzen Momente auf, in denen er nur als alter Mann gezeigt wird, der aus fehlgeleiteter Liebe zum Spielball der Ränke seiner Kinder geworden ist. Letztlich ist sogar Cesare als zwiespältiger Charakter geschildert. Auch nachdem Sancha erkannt hat, dass er ein Mörder ist, der vor fast nichts zurückschreckt, flammt immer wieder in ihr das alte Begehren auf, für das sie sich schämt – und es gibt sogar Anzeichen, dass selbst Cesare, der Sanchas Leben systematisch zu zerstören versucht, diese Gefühle erwidert. Die meisten Figuren besitzen sowohl schwarze als auch weiße Schattierungen, was sie glaubwürdig macht und dazu beiträgt, dass man mitgerissen wird.

|Spannung bis zum Schluss|

Das Leben der Borgias und ihr Schicksal sind keine Geheimnisse, dennoch gelingt es der Autorin, den Roman beständig spannend zu halten. Das liegt vor allem daran, dass es zwar viele Vermutungen über bestimmte Aspekte der Borgias gibt, aber nicht immer gesicherte Erkenntnisse. Der grobe Rahmen ist somit zwar historisch festgelegt, doch über einzelne Ereignisse wie Todesfälle und die wahren Charaktere wird nach wie vor spekuliert – genug Spielraum also, um Fantasie walten zu lassen, wer wen ermordet hat und wer an welcher Verschwörung beteiligt war. Mehrmals erlebt man, wie liebgewonnene Figuren in Gefahr geraten oder sogar sterben, sodass man kaum Gewissheit hat, mit wem es welches Ende nimmt. Auch das wechselnde Verhalten der Charaktere sorgt für gebanntes Lesevergnügen. So wie Sancha oft nicht weiß, wem sie trauen darf, kann auch der Leser nicht alle Vorhaben der Personen abschätzen. Man darf sich fragen, ob Lukrezia wirklich die treue Freundin ist, zu der sie sich scheinbar entwickelt hat, ob der wankelmütige, junge Jofre seiner Frau Schaden zufügen wird, welche Intrigen der Papst, Juan und Cesare womöglich planen und auf welche Weise Sancha ihre Rache nehmen wird …

Der historische Hintergrund wird auch für Nichtkundige der Renaissancezeit gut miteingebracht, bleibt dabei immer dezent, ohne trockene Faktenaufzählung. Der Leser spürt das bezaubernde Flair von Sanchas geliebter Heimat Neapel ebenso wie den atemberaubenden Prunk Roms. Die Zustände der damaligen Zeit sind schonungslos und realistisch geschildert, sodass empfindliche Gemüter gewarnt sein sollten – es wird geschändet und gemordet, dass es das Borgia-Herz entzückt. Erfreulicherweise wird jedoch bis auf einmal keine ausufernde Liebeszene erzählt, die sich sonst gerne in historische Romane einschleichen. Dafür begegnet man am Rande auch anderen historischen Gestalten der Zeit, etwa dem kirchenkritischen Prediger Savonarola, dem umstrittenen Philosoph und Politiker Machiavelli und dem gealterten Leonardo da Vinci.

|Kaum Schwächen|

Der Roman braucht ein paar Seiten Anlaufzeit, ehe man richtig in der Handlung Platz genommen hat. Dafür sind hauptsächlich die detaillierten Beschreibungen verantwortlich, die den Beginn etwas zu statisch gestalten. Der Leser erfährt, wer mit wem verwandt ist, wie die einzelnen Personen aussehen und wie die Umgebung gestaltet ist, was sich als etwas ungünstiger Einstieg herausstellt. Ein kleiner Widerspruch taucht auf, als Sancha ihren Halbbruder Ferrandino bei seiner Krönung als hochmütig bezeichnet, denn bei seiner ersten Erwähnung beschreibt sie ihn nur als offen und warmherzig, und da er in der Zeit dazwischen kaum eine Rolle spielt, irritiert dieser plötzliche Umschwung. Etwas unrealistisch wird es, als Juan von der Affäre zwischen seinem Bruder Cesare und Sancha erfahren hat und Gerüchte darüber in Umlauf sind, Sanchas Ehemann Jofre aber nichts davon ahnt. Zu guter Letzt wünscht man sich, man hätte nach Sanchas Umzug nach Rom noch mehr vom Verbleib ihrer übrigen Familie und dem Schicksal der einzelnen Mitglieder erfahren.

_Als Fazit_ bleibt ein faszinierender Historienschmöker aus der Renaissancezeit über das berüchtigte Leben der Borgias. Fantasie und Historie werden gekonnt miteinander verknüpft, die Charaktere überzeugen durch Vielschichtigkeit und die Ich-Erzählerin lädt zum Mitfiebern ein. Bis zum Schluss bleibt der Roman durch individuelle Sichtweisen und Details spannend, selbst wenn man über den geschichtlichen Verlauf bereits informiert ist. Die sehr kleinen Schwächen können den hervorragenden Gesamteindruck nicht trüben.

_Die Autorin_ Jeanne Kalogridis, geboren 1954 in Floria, studierte russische Literatur und Linguistik und unterrichtete acht Jahre lang an der Universität von Washington, ehe sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie ist spezialisiert auf historische Romane. Ihr Debütwerk war „Die Seherin von Avignon“, zuletzt erschien [„Leonardos Geheimnis“. 3959

http://www.ullsteinbuchverlage.de/listtb/

Shocker, Dan – Borro (Larry Brent, Band 35)

Das Buch beinhaltet die Larry-Brent-Romane „Borro, der Zombie“ und „Dr. Satanas – Herr der Skelette“, die erstmals in der Reihe |Silber-Grusel-Krimi| erschienen sind.

_Borro, der Zombie_

Larry Brent macht Urlaub in Afrika, doch bald wird er wieder in einen Strudel rätselhafter und grauenhafter Vorgänge verwickelt.

Eine grausam entstellte Frauenleiche wird entdeckt, die aussieht, als sei die betreffende Person eine Greisin, obwohl die Frau eigentlich erst 27 Jahre alt ist. Larry informiert seinen Chef David Gallun, der den Agenten offiziell für Ermittlungen einsetzt und ihm die Unterstützung der örtlichen Behörden zusichert. Gemeinsam mit einem Polizei-Captain besucht Brent, alias X-RAY-3, einen Medizinmann, der eventuell mehr über den unheimlichen Mord zu berichten weiß. Doch der Schamane ist vor allem Larry Brent gegenüber eher feindselig eingestellt und überwältigt die beiden Ermittler mit einem Gift, um sie mit einem Voodoo-Zauber anschließend zu töten und wieder ins Leben zurückzuholen. Jetzt weiß Larry auch, mit wem er es zu tun hat: Zombies – die ihren Opfern die Lebenskraft entziehen …

_Dr. Satanas – Herr der Skelette_

Dr. Satanas hat ein Präparat entwickelt, mit dem er ungeborene Kinder im Mutterleib in Skelette verwandeln kann, die anschließend zum Leben erwachen, um als kleine Killer mit übermenschlichen Kräften dem teuflischen Verbrecher zu dienen. Dr. Satanas hat zu diesem Zweck die Identität des Gynäkologen Dr. Roche angenommen.

Die PSA schickt ihre besten Agenten, Larry Brent und Iwan Kunaritschew, nach Paris, wo Kommissar Marcel Tolbiac die Ermittlungen bereits aufgenommen hat. Larry Brent schleust sich mit einer werdenden Mutter in die Klinik ein, wo Satanas sein Unwesen treibt. Doch der Teufel in Menschengestalt ist der PSA bereits auf der Spur …

_Beurteilung_

Der Beginn der ersten Story ist bereits geprägt von klassischen Elementen der Grusel- und Horror-Literatur. Ein altes Schiff, nachts in einem mörderischen Sturm, mit einem Untoten an Bord, der von dem letzten Überlebenden mit einer Ankerkette gefesselt und in die tobende See geworfen wird. Die Szene lebt von einer unheimlichen Spannung, die mit den Ereignissen in Afrika fortgesetzt wird, als ein zum Zombie mutierter Mann sich aus der Erde wühlt.

Der Auftritt Larry Brents wirkt da zunächst wie ein Einschnitt und beehrt den Leser mit dem typischen Humor Dan Shockers. Die Kulisse Afrikas ist nur bedingt dazu geeignet, Spannung zu erzeugen, obwohl der Autor dieser Aufgabe ziemlich gut gerecht wird. Getrübt wird der Lesegenuss im Prinzip nur durch einen haarsträubenden Zufall. Denn ausgerechnet als Borro, der Zombie, am Strand gefunden wird und wieder auf Beutezug geht, macht eine junge Frau in Afrika Urlaub, die ihrer Großmutter zum Verwechseln ähnlich sieht, welche vor mehr als 60 Jahren dem Menschen, der einst Borro war, ihre Liebe verweigerte. Borror schwor finstere Rache und will diese natürlich an der jungen Urlauberin vollenden. Diese hanebüchene Story ist umso ärgerlicher, da die Geschichte auch hervorragend ohne diesen Einschub funktioniert hätte. Auch wenn Larry Brent dann nicht als strahlender Retter hätte fungieren können.

Der zweite Roman ist wieder einmal ein Fall, in dem der berüchtigte Erzfeind der PSA, Dr. Satanas, die Fäden zieht. Bereits zu Beginn darf der Menschenfeind zeigen, wozu er fähig ist und mit welcher Teufelei er dieses Mal vorhat, die Menschheit zu vernichten. Leider wird der zweite Auftritt des wahnsinnigen Wissenschaftlers mit keiner Silbe erwähnt, nur die erste Begegnung von Larry und Iwan mit Dr. Satanas (nachzulesen in Band 30 „Wahnsinnsbrut“) findet Erwähnung. Darüber hinaus wird berichtet, dass der letzte gemeinsame Fall mit Kommissar Marcel Tolbiac die Geschichte mit dem Nachtmahr sei, welche im Roman „Im Würgegriff des Nachtmahrs“ erzählt wird und erst im Buch Nummer 61 erscheint. Allerdings haben Larry Brent und Tolbiac erst im letzten Buch (Band 34 „Der Unheimliche”) einen Fall zusammen bearbeitet, nämlich im Roman „Der Unheimliche aus dem Sarkophag“.

Ansonsten ist dieser Roman aber äußerst spannend geschrieben worden. Das teuflische Doppelspiel des Dr. Satanas ist dazu angetan, einen Schauder des Gruselns zu erzeugen. Hier kann der Leser wieder das Misstrauen des Autors gegenüber Ärzten deutlich spüren. Die Angriffe der kleinen Skelett-Killer haben etwas Beklemmendes, da es für einen Unbewaffneten unmöglich erscheint, sich gegen die Wesen mit den übermenschlichen Kräften zu wehren. Sprachlich und stilistisch bewegt sich Dan Shocker auf einem einfachen Niveau, was der Lesbarkeit des Textes sehr zuträglich ist.

Der neue Satzspiegel sorgt für eine deutliche Reduzierung des Seitenumfangs der Bücher, was sich aber nicht auf die Textmenge niederschlägt. Der alte Satzspiegel mit der größeren Schrift ließ sich allerdings viel besser lesen und die Bücher waren irgendwie handlicher und griffiger.

Die Innenillustrationen von Pat Hachfeld fangen die Atmosphäre der Romane perfekt ein. Insbesondere die Interpretation Borros gelingt dem Wolfsburger besser als Lonati, dessen Bild als Cover auf der Vorderseite des Buches zu sehen ist und bereits den Original-Heftroman zierte.

Fazit: Abwechslungsreiche Horror-Trips aus der Feder Dan Shockers, mit kleinen Schwächen in der Handlung.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Ellis, Warren / Leach / Fabry / Dillon / Martinez / Muth / Lloyd – Global Frequency 1: Planet in Flammen

_Story_

Die |Global Frequency| ist eine internationale Organisation, die in Extremfällen ihre Agenten aussendet und genau dann eingreift, wenn die üblichen Staatskörper bereits erfolglos ihre Macht ausgespielt haben. Unter der Leitung der unbarmherzigen Miranda Zero hat sich das Unternehmen in den vergangenen Jahren zur Eliteeinheit entwickelt und selbst staatliche Behörden wie das FBI überrundet. Als in San Francisco plötzlich die Gefahr der Entstehung eines schwarzen Loches gegeben ist, bekommt die Spezialtruppe Gelegenheit, sich zu beweisen. Und auch das Ebola-ähnliche Virus, das London heimgesucht hat, eine militante Gruppe, die in Melbourne ein Gebäude in die Luft sprengen möchte sowie ein außerirdisches Computervirus bereiten den insgesamt 1001 Mitgliedern der Global Frequency genügend Arbeit bei der Eindämmung bevorstehender Katastrophen – ganz gleich, welche Methoden hierzu vonnöten sind …

_Persönlicher Eindruck_

Mit seiner neuen Reihe „Global Frequency“ wagt der erfolgsverwöhnte Star-Autor Warren Ellis nun seinen nächsten Anlauf auf das Publikum der etwas anspruchsvolleren Kost und liefert sein komplexestes, gleichzeitig aber auch ambitioniertestes Werk ab. Bereits im ersten Sammelband, der die Original-Ausgaben 1-6 der Heftreihe enthält, geht der Autor in die Vollen und lädt seine Leserschaft ohne große Vorwarnung in die grausame Welt der „Global Frequency“ ein und bereitet derweil seinen finstersten Zukunftsvisionen ein Forum voller beklemmender Stimmung und bedrückter Ausstrahlung.

Allerdings äußert sich die hier geäußerte Düsternis gleich in ganz unterschiedlichen Facetten; natürlich sind es vorwiegend die außergewöhnlichen Szenarien und die offensichtlichen Gefahren, von denen die hauptsächliche Bedrohung ausgeht, doch auch die generelle Vorstellung des überwachten Staates und einer alles überschauenden Organisation, die mit sämtlichen Machtmitteln ausgestattet ist, um in entsprechenden Fällen einzugreifen, jagt einem gleich mehrfach einen eiskalten Schauer über den Rücken und unterstreicht die pessimistische Grundhaltung, die in den Tarantino-gleichen Episoden des ersten deutschen Bandes offenkundig dominiert.

Problematisch gestaltet sich in diesem Sinne jedoch die unkonventionelle Struktur, die noch jeder einzelnen Folge zugrunde liegt. Ellis hat nämlich zwischendurch einige Probleme, der rasanten Action auf der Handlungsebene zu folgen, so dass man teilweise den Eindruck bekommt, der Plot würde von der Vielzahl sowie der hohen Geschwindigkeit der Ereignisse zunächst überholt und erst später wieder eingefangen werden. Dies hat gleich in den ersten beiden Episoden zur Folge, dass das Verständnis für den leicht konfus gestalteten Inhalt erst mit dem Abschluss der Geschichte aufkeimt und man bis dorthin lediglich auf der Suche nach greifbaren, markanten Eckpunkten ist. Zusätzlich erschwert wird diese Entwicklung durch die undeutliche Abgrenzung der einzelnen Abschnitte. Jede der sechs Episoden erzählt eine völlig unabhängige Story und wird zudem auch noch von individuellen Zeichnern graphisch bearbeitet, doch gerade die Übergänge sind häufig schwierig, weil die Szenarien meistens nicht komplett aufgelöst werden und ein Ende erst mit der Überschrift des Folgeteils ersichtlich ist. Bedenkt man schließlich, dass man vorab mit wirklich null Informationen zur „Global Frequency“ ausgestattet wird und Ellis sich ohne Umwege in die Action stürzt, ist der Einstieg in das umfassende Netzwerk der Handlung mit einigen gar nicht mal so leicht zu meisternden Hürden besetzt und erfordert wirklich äußerste Konzentration, um die vielen versteckten Facetten aufzugreifen und in Zusammenhang zu bringen.

Andererseits gewinnt „Global Frequency“ im Laufe der verschiedenen Erzählungen wieder die Überzeugungskraft, die Ellis in bisher all seinen jüngsten Werken verankert hat. Stetig entdeckt man weitere, fein ausgearbeitete Details, bekommt ein Gespür für die tolle Ausprägung der einzigartigen Charaktere und verliebt sich schließlich in die eigensinnige, völlig außergewöhnliche Science-Fiction, die der Autor nach Meisterwerken wie „Ocean“ konsequent weiterentwickelt. Hier leben Action, Mystik und Poesie gleichberechtigt Seite an Seite und schmücken eines der gewagtesten, zeichnerisch vielseitigsten, definitiv aber auch fortschrittlichsten Comics der letzten Monate. Wer futuristisch geprägte Inszenierungen, Endzeitstimmung, kompromisslose Action, eine überdurchschnittliche große Erzähldymanik und gänzliche unabhängige Ideen gebündelt in seinen illustrierten Büchern sucht, kommt heuer eben nicht mehr an Warren Ellis vorbei – auch wenn es bei der steigenden Anzahl vom ihm verfasster Meisterwerke langsam aber sicher recht teuer ist, sein Fandasein auszuleben …

http://www.paninicomics.de/?s=Wildstorm

Blazon, Nina – Im Land der Tajumeeren (Die Taverne am Rande der Welten 2)

Wenn man in der Taverne am Rande der Welten wohnt, kann man jeden Tag ein neues Abenteuer erleben. Nicht umsonst gibt es im Flur des Gasthauses eine Unmenge von Türen, die in alle möglichen Länder führen.

Das dreizehnjährige Findelkind Tobbs wohnt in der Taverne am Rande der Welten. Er arbeitet dort als Schankjunge und wundert sich den lieben langen Tag, wer seine Eltern sind und was der Wirt Dopoulos hinter der zugemauerten Tür versteckt. Nicht umsonst glaubt er, dass das Geheimnis der Tür etwas mit seiner Herkunft zu tun hat.

Eines Tages prescht ein dickes Botenpony mit einem von einem Pfeil durchbohrten Boten in die Taverne. Der Bote scheint an Gedächtnisverlust zu leiden, denn das Einzige, was er sagt, ist „Iwan!“ Nur Wanja, die starke Schmiedin in der Taverne, kann etwas mit dem Namen anfangen. Sie glaubt, dass ihre Tante Baba Jaga den Reiter geschickt hat. Das kann nur heißen, dass die Hexe, die in einem Haus mit Hühnerbeinen lebt, in Gefahr ist. Wanja sattelt ihr rotes Pferd Rubin und macht sich auf nach Rusanien – ohne zu wissen, dass Tobbs ihr folgt. Er hat sich das arbeitslose Botenpony gesattelt und reitet ihr hinterher, denn er hofft, auf diesem Weg etwas über seine Vergangenheit zu erfahren.

Damit liegt er nicht mal so falsch. Die Truhe, die Baba Jaga in ihrem Haus versteckt hatte, enthielt einen wichtigen Hinweis auf seine Herkunft, wie Wanja ihm erzählt. Doch die Kiste ist weg. Die Roten Reiter, die auch den Boten erschossen haben, haben sie mitgenommen und Baba Jaga ist ebenfalls verschwunden. Wanja und Tobbs finden sie in Tajumeer, einem Land, das an eine Südseetrauminsel erinnert. Dort lässt sich die Hexe die Sonne auf den Pelz scheinen. Als Wanja und Tobbs sie treffen, stellt sich heraus, dass ihr Schatz doch nicht den Roten Reitern in die Hände gefallen ist, sondern am Grund des Meeres liegt. Und das wird von den grausamen Haigöttern bewacht …

„Im Land der Tajumeeren“ ist in der Reihe |Die Taverne am Rande der Welten| erschienen. Wie im Vorgängerband [„Die Reise nach Yndalamor“ 3463 mischt Blazon auch dieses Mal heitere Fantasy mit alten Sagengestalten und ähnlichem.

Der eine oder andere mag den Namen Baba Jaga deshalb schon mal gehört haben. Es handelt sich dabei um eine mythologische Gestalt aus Russland, die in einem Mörser fliegen kann, wie Blazon im Anhang erzählt. Die Autorin, die slawische Sprachen studiert hat, orientiert sich aber nicht nur an diesem Kulturkreis. Ebenfalls mit von der Partie sind die Haselhexe aus Tirol und ein paar römische Gottheiten.

Nina Blazon mixt also alles wild durcheinander. Heraus kommt ein spritziges Fantasybuch, rasant erzählt und mit einem heiteren Unterton. Blazon schreibt leichtfüßig, treffsicher und humorvoll, was ihre Bücher auch für erwachsene Leser zu einem Genuss werden lässt.

Im Mittelpunkt steht wieder Tobbs, ein eher ängstlicher Junge, der auf der Suche nach einer eigenen Identität ist. Er ist kein richtiger Held, denn er hat Angst vor Pferden und kann nicht schwimmen. Ein tragischer Antiheld ist er aber auch nicht, denn er beweist sehr wohl Mut, wenn es brenzlig wird. Blazon stattet ihn mit einer Vielzahl verschiedener Wesenszüge aus und gestaltet ihn rund und anschaulich.

Ihm zur Seite stehen Freunde und Feinde, die durch ihre sauber ausgearbeiteten Charaktere und ihre Originalität bestechen. Blazon ist sich dabei nicht zu schade, ihre Figuren an der Grenze der Lächerlichkeit anzusiedeln. Baba Jaga zum Beispiel benimmt (und kleidet) sich bei den Tajumeeren so, wie man sich eine klischeehafte Seniorin auf einer Südseeinsel vorstellt. Durch solche mutigen Charaktere macht es besonders viel Spaß, das Buch zu lesen.

Die Handlung ist auch dieses Mal sehr rasant. Die Ereignisse passieren Schlag auf Schlag, und es werden nur wenige Absätze für gedankliche Ausschweifungen verschwendet. Blazons lobenswerter Einfallsreichtum ist verantwortlich dafür, dass man das Buch nicht aus den Händen legen möchte. Sie malt ihre Fantasywelt in den buntesten Farben und stattet sie liebevoll mit Details und Witz aus. Ab und an baut sie kleine Erinnerungen an die reale Welt ein, zum Beispiel auf Seite 32. Dort erzählt Dr. Dian von der neusten „Magie-Technologie“, dem „Magimnesie-Granulat“, das zu einer „magischen Amnesie“ führt.

Was Blazons Bücher, vor allem die aus der Reihe |Die Taverne am Rande der Welten|, besonders auszeichnet, ist ihre Leichtfüßigkeit in Bezug auf den Schreibstil. Sie tänzelt geradezu von einem Satz zum anderen. Sie benutzt ein einfaches Vokabular, dem sie mit ihrem heiteren Humor eine Menge Lebendigkeit einhaucht.

Allerdings ist das Lesevergnügen dieses Mal nicht völlig ungetrübt. An einigen wenigen Stellen benutzt Blazon Wörter, die für die angepeilte Zielgruppe ab elf Jahren noch etwas zu komplex sein dürften. |Salto mortale| (Seite 18) und |konspirativ| (Seite 29) dürften nicht gerade zum Wortschatz eines durchschnittlichen Fünftklässlers gehören.

Was auf der einen Seite amüsiert, auf der anderen aber leicht deplatziert wirkt, ist der Einsatz von Anglizismen. Die Begriffe |Drama-Queen| (Seite 26), |Cowboy| (Seite 49) oder |Playboy| (Seite 237) wirken ein bisschen fehl am Platze in der ansonsten sauber geschriebenen Geschichte.

Insgesamt hat die Wahlstuttgarterin Nina Blazon erneut ein entzückendes Fantasybüchlein für Kinder und Jugendliche abgeliefert. Die rasante Handlung, der heitere Schreibstil und vor allem die blühende Fantasie der Autorin sind Grund dafür, warum „Im Land der Tajumeeren“ ein einziges Lesevergnügen ist.

http://www.ravensburger.de
http://www.ninablazon.de

Moers, Walter – Stadt der Träumenden Bücher, Die

Im Alter von nur 77 Jahren verliert der junge Lindwurm und Dichter Hildegunst von Mythenmetz seinen geliebten Dichtpaten Danzelot von Silbendrechsler. Dieser hinterlässt ihm nicht mehr als ein Manuskript (abgesehen von einem Garten), welches er vor Jahren von einem jungen Talent zugesandt bekam. Und tatsächlich entpuppt sich dieses Manuskript als das wertvollste, schönste und vollkommenste, was Hildegunst je gelesen hat. Er begibt sich auf die Suche nach dem Schöpfer dieses Werkes. Und welcher Ort wäre besser dafür geeignet, einen Autor ausfindig zu machen, als Buchhaim, die Stadt der Träumenden Bücher?

Dort angekommen, überwältigt diese Stadt Hildegunst mit ihrem ganz besonderen Charme, dem er sofort verfällt. Alles ist der Literatur und der Dichtkunst gewidmet. An jeder Ecke finden sich Antiquariate, Lektorate, Büchereien und gemütliche Cafés, in welchen regelmäßig Dichterlesungen gehalten werden. Kurzum, diese Stadt ist eine einzige Ode an das Lesen. Hildegunst möchte nicht mehr fort und vergisst kurzfristig, weshalb er überhaupt nach Buchhaim kam.

Doch die Stadt hat auch ihre Schattenseiten in Form eines riesigen unterirdischen Höhlenlabyrinthes. Angeblich lebten dort die ersten Bewohner von Buchhaim, bevor die Stadt erbaut wurde. Und so befinden sich dort die wahren Schätze Buchhaims. Bücher von unermesslichem Wert. Gehoben werden diese Schätze von skrupellosen Buchjägern. Die Labyrinthe sind kein Ort, an welchem sich Hildegunst gerne aufhalten würde. Doch genau dorthin verschlägt es den Helden dieser Geschichte, als er mit seinen Nachforschungen bezüglich des Manuskriptes beginnt.

Welches Geheimnis verbergen die dunklen Schatten? Welche Gefahren lauern dort unten außer Spinxxxen, Harpyren und den schrecklichen Buchlingen? Und welches Geheimnis umgibt den mysteriösen Schattenkönig?

|“Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir. Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.“| Dieses Zitat eines gewissen Danzelot von Silbendrechsler beschreibt treffend genau, in welche Welt Walter Moers den Leser entführt. Eine Welt voller Mysterien, in der die Fantasie des Autors in allen nur denkbaren Facetten dem Leser entgegenschwappt.

Walter Moers versteht es wie kein anderer, vor dem inneren Auge des Lesers eine Welt zu erschaffen, die so unmöglich, so fantastisch, so farbenfroh, so erheiternd und gleichzeitig so grausam sein kann. Mit seiner unbeschwerten Art des Schreibens entführt er den Leser auf eine leichtfüßige Reise durch Zamonien. Selten habe ich bei der Lektüre eines Buches im einen Moment so herzhaft gelacht, nur um Augenblicke später vor Spannung fast zu erstarren.

Dieses Buch ist eine Hommage für alle Buchliebhaber. Die bildhaften Beschreibungen Walter Moers‘ ließen mich das alte Pergament förmlich riechen. Inhaltlich setzt sich Walter Moers mit allerlei Klischees auseinander, und wirklich jeder der Branche bekommt sein ‚Fett weg‘; vom Autor über den Verleger bis zum Kritiker. Niemand wird verschont, doch dies immer auf eine liebenswerte Art und Weise. Ein weiteres Highlight des Buches sind die vielfach verwendeten Namen bekannter Zamonischer Dichter und Autoren, die nahezu alle Anagramme bekannter Größen der Literatur sind und auch diesen somit die Ehre erweisen.

„Die Stadt der Träumenden Bücher“ war mein erster Zamonien-Roman bislang, und ich denke, der Ausflug nach Zamonien hat sich gelohnt. Weder hatte ich als ‚Quereinsteiger‘ Schwierigkeiten, mich in diese mir unbekannte Welt hineinzudenken, noch fiel es mir schwer, mich auf das Abenteuer einzulassen. Einzig und allein das Trompaunenkonzert war für meinen Geschmack etwas zu langatmig ausformuliert. Doch auch das kann nicht über die Klasse des Autors, der ja eigentlich nur der Übersetzer war (Leser des Buches werden wissen, was ich meine), hinwegtäuschen.

Ich bin mir sicher, dass Walter Moers das Orm erworben hat. Anders kann ich mir die Qualität des Buches nicht erklären. Dieses Werk kann uneingeschränkt denjenigen empfohlen werden, die gerne auf fantastischen Pfaden wandeln und sich auf ein unvergleichliches Abenteuer einlassen möchten. Auch Zamonien-Einsteigern sei das Buch sehr ans Herz gelegt.

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_Frank P. Albrecht_

Kramer, Wolfgang – Markt von Alturien, Der

_Der Hintergrund_

Alturien war ein kleines Reich im Mittelalter irgendwo zwischen Italien, Germanien und Spanien. In einer Sage wird die Geschichte des Reiches nacherzählt, und darin wird berichtet von der Blütezeit des Adels, dem wirtschaftlichen Aufstieg und dem letztendlichen Streit zwischen den Herrschaftsfamilien, denen ihr Machtstreben schließlich zum Verhängnis wurde. Jene Sage wird nun auf spielerische Weise nacherzählt, und zwar in einer gleich mehrteiligen Reihe zum Thema ‚Alturien‘. Den Einstieg bereitet dabei „Der Markt von Alturien“, der sich an der Küste des Reiches befindet, und an dessen Beispiel nun der stete Aufstieg der Adelskaste dokumentiert wird. Allerdings liegt es nun an den Spielern zu entscheiden, in welchem Ausmaß der Markt wirklich floriert und wie das Prestige unter den Adelshäusern aufgebaut ist. Denn schon hier zeigt sich, dass Image und Einfluss auch in Alturien alles bedeuteten.

_Spielmaterial_

• 1 Spielplan
• 6 Kunden
• 1 Dieb
• 72 Handelshäuser in 6 verschiedenen Farben
• 6 Marktführerkarten
• 14 Prestigekarten
• 1 Karte ‚Stadtwache‘
• 70 Spielgeldscheine
• 2 Spezialwürfel
• 6 Kurzspielregeln
• 12 Investitionskarten

Das Spielmaterial ist qualitativ eigentlich ganz in Ordnung. Zwar bedarf es schon ein bisschen Phantasie, um hinter den brückenförmig entworfenen Handelshäusern eben solche zu erkennen, und außerdem mögen die quietschend bunten Farben ebenfalls nicht ganz so zum historischen Fundament passen, doch zumindest was die Spielbarkeit betrifft, gibt es grundsätzlich keine Einschränkungen. Einzig und allein das wirklich lieblos gestaltete Spielgeld gibt Anlass zur Kritik, denn hier wird der Eindruck reif, dass man es ebenso gut auch selber hätte malen können. Als Ausgleich halten jedoch dann wieder die tollen Kundenfiguren her, die über ein detailreicheres Design verfügen – auch wenn das wiederum nicht ganz mit den bunten Farben der Häuser harmoniert.

Schlussendlich sind Farbgebung und Design nicht vollends zufriedenstellend, aber solange die Spielbarkeit gewährleistet ist, sollte man halt nicht meckern. Letzten Endes wäre es nur schön gewesen, wenn man das Material auch in eine Schachtel platziert hätte, die der Menge angepasst wäre. Der überdimensionale Karton, in dem nicht nur das Spielbrett hin und her rutscht, scheint jedenfalls nicht geeignet. Aber das nur am Rande.

_Spielziel_

In „Der Markt von Alturien“ geht es vornehmlich um den Gewinn von Einfluss und Prestige. Dies geschieht in erster Linie über den Ausbau der eigenen Handelskette, den daraus resultierenden Zugewinn von Macht und Geld und schließlich über den Kauf von drei Prestigeobjekten. Wer Letztere als Erster sein Eigen nennt, darf sich glücklich Sieger nennen – wobei Glück in gewisser Weise kein zufällig gewählter Begriff ist. Doch dazu später mehr.

_Spielvorbereitung_

Bevor eine Partie beginnen kann, wird zunächst einmal das Spielmaterial verteilt. Jeder wählt eine Farbe und bekommt die dementsprechenden Handelshäuser. Darüber hinaus verfügt jeder über ein Startkapital von 6 Rand (offizielle Währung in Alturien). Die Prestigekarten, die Marktführerkarten und jene mit der Stadtwache werden ebenso wie der Dieb neben dem Spielfeld platziert. Anschließend werden die Kunden beginnend mit dem ältesten Spieler (und anschließend im Uhrzeigersinn) auf freien Straßenfeldern auf dem Spielplan verteilt. Wichtig ist hierbei, dass sie eine klare Ausrichtung haben, da sie später nur in die Richtung ziehen dürfen, in die die Spitze ihres Sockerls zeigt. Als Letztes setzt nun jeder vier Handelshäuser auf beliebige freie Marktstände, wobei zu beachten ist, dass anfangs nur jeweils ein Handelshaus auf einem dunkelgrauen Spezialfeld stehen darf. Ist dies geschehen, kann das Spiel beginnen.

_Spielverlauf_

Der Spielzug eines Spielers ist grob in drei verschiedene Schritte unterteilt, nämlich:

1. Würfeln und eine Figur vorwärts ziehen
2. Geld einnehmen, indem die Kunden einkaufen
3. Geld ausgeben und eventuell investieren

Dabei ist nur der erste Schritt ein entscheidendes Muss, während man später nicht genau bestimmen kann, ob der Kunde auch tatsächlich in einem Geschäft landen und einkaufen wird bzw. anschließend auch genügend Geld übrig hat, um zu investieren. Der Aufbau ist nun wie folgt:

Der Spieler würfelt mit dem Spezialwürfel die Augenzahl aus, welche besagt, wie weit eine von ihm ausgewählte Figur ziehen darf. Zu Beginn des Spiels stehen ihm nur die sechs Kunden zur Verfügung; sobald jedoch ein Spieler über ein Vermögen von 10 Rand und mehr verfügt, kommt auch der Dieb ins Spiel und darf gezogen werden. Entsprechend der Augenzahl wird also nun gezogen, wobei man stets versuchen sollte, die Kunden auf seinen eigenen Märkten zu platzieren, denn nur dann gibt es auch Geld als Belohnung. Wichtig auch hierbei: Das Feld, auf das die Figur gezogen wird, muss frei sein. Und natürlich müssen alle Figuren immer in genau jene Richtung gezogen werden, in die ihr Sockel ausgerichtet ist.

In jedem Zug darf man nur einmal würfeln und ziehen; sollte man sich aber entschließen, als Erstes den Dieb zu ziehen und eventuell einen Gegner auszurauben, darf man anschließend ein weiteres Mal würfeln und ziehen.

Ist man nun mit seiner Figur auf einem eigenen Marktfeld gelandet, kommt es zur Abrechnung. Hierbei gibt es partiell gravierende Unterschiede, die bei der Wahl des Zugs bereits mit eingeplant werden sollten. Vorteilhaft wäre es demnach, einen Kunden in eine der sechs Regionen zu schieben, in der man die Position des Marktführers innehat. Dies ist in der Regel der Fall, wenn man über die meisten Geschäfte/Handelshäuser in dieser Region verfügt. Weiter ratsam wäre es, Märkte aufzusuchen, auf denen man bereits mehrere Geschäfte aufgebaut hat. Und wenn es dann noch möglich ist, den edelsten Kunden, nämlich den Grande, in sein Geschäft zu locken, wäre das ebenfalls lukrativ, weil dieser immerhin einen Kundenwert von drei hat. Unter Berücksichtigung dessen wird also nachher gerechnet, multipliziert und addiert. Die Formel sieht dabei folgendermaßen aus: Kundenwert x Handelshäuserzahl + 2 Real bei Marktführerschaft. Natürlich lässt sich der Optimalfall nicht jedes Mal verwirklichen, aber ggf. erhält man hier schon mal schnell einen Betrag von knapp 10 Rand, was schon fast dem Preis eines Prestigeobjekts (12 Rand) entspräche.

Es besteht indes die Möglichkeit, das Gesamtergebnis noch ein weiteres Mal zu verbessern, falls zu Beginn des eigenen Zuges noch eine Figur auf einem eigenen Spezialfeld steht. In diesem Fall wird nämlich nicht nur die zuvor bewegte Kundenfigur gewertet, sondern auch der Kunde, der seit der letzten Runde immer noch auf diesem Spezialfeld steht – und das nach dem gleichen Rechenbeispiel.

Sollten die Kunden in der jeweiligen Runde nicht sonderlich glücklich auf dem Spielfeld positioniert sein, besteht noch die Möglichkeit, den Dieb ins Spiel zu bringen. Weil dieser sowieso einen weiteren Zug ermöglicht, wäre es aber generell ratsam, ihn immer zuerst einzusetzen, da man sich dadurch einen individuellen Vorteil verschaffen und dem Gegnern weiter schaden kann. Der Dieb hat nämlich einen Kundenwert von -2 und raubt dem Geschädigten nach dem nunmehr bekannten Rechenmuster den entsprechenden Wert an Real, der natürlich dann in die eigene Tasche gewirtschaftet wird. Interessant wird’s dabei, wenn der Beraubte den Schaden nicht begleichen kann; dann nämlich muss er Handelshäuser zu einem geringeren Wert an die Bank zurückverkaufen, um das Geld aufzubringen. Zum Ausgleich erhält man aber zumindest nachher die Karte mit der Stadtwache, die vor weiteren Angriffen des Diebes schützt – und zwar so lange, bis dieser wieder zugeschlagen hat.

Wer nach alldem noch ein wenig Geld übrig hat, kann es im letzten Schritt nun in Handelshäuser, Marktausbau, Umzüge oder Prestigekarten umsetzen. Allerdings sollte man immer noch einen letzten Notgroschen übrig lassen, denn der Dieb kehrt garantiert bald zurück.

_Spielende_

Sobald alle Prestigekarten vergeben sind bzw. ein Spieler drei von ihnen besitzt, wird die angefangene Runde noch zu Ende gespielt. Anschließend wird der Sieger ermittelt, sprich derjenige mit den meisten Prestigekarten. Sollte hier Gleichstand bestehen, wird das Bargeld verglichen. Der Legende nach ist der Gewinner nun Baron von Alturien.

_Persönlicher Eindruck_

Die Eindrücke, die der Auftakt der „Alturien“-Reihe hinterließ, war in hiesigen Spielerkreisen recht gemischt, was vor allem damit zusammenhing, dass das Spiel als nur wenig innovativ erachtet wurde. Dies mag weniger verwundern, wenn man sich vor Augen führt, dass Autor Wolfgang Kramer die Grundidee zu „Der Markt von Alturien“ einem Spiel aus den Achtzigern, nämlich „City“, entliehen und die Umgebung lediglich den neuen Bedingungen angepasst hat. Weiterhin wurde festgestellt, dass der Glücksfaktor recht hoch einzustufen ist und im Grunde genommen sehr viel von den Resultaten der Würfelergebnisse zusammenhängt. Gerade zu Beginn hat das Spiel daher auch etwas von „Monopoly“, was darin bestärkt wird, dass derjenige, der anfangs glücklich würfelt, sofort lukrativ investieren und seinen Machtbereich schnell ausbauen kann, wohingegen der zunächst vom Pech Gebeutelte schon in den ersten Runden erhebliche Schwierigkeiten bei der Weiterentwicklung seines Handelsnetzwerks haben wird.

Nichtsdestotrotz ist die Dynamik, die sich im Laufe des Spiels entwickelt, nicht zu unterschätzen, denn erst nach und nach stellt sich heraus, dass man die ersten Eindrücke nicht überbewerten und erst einmal abwarten sollte, wie sich das Ganze gestaltet, wenn erst mal jeder ein bis zwei Partien absolviert hat. Meiner Meinung wird die Sache dann nämlich trotz der genannten Defizite richtig spannend, zumal jeder nun auch schon die Finessen durchschaut und sich eine entsprechende Taktik zurechtgelegt hat, mit der er seine Gegner überrumpeln kann. Dass selbst dann nach wie vor sehr viel vom Würfelglück abhängt, ist indes weiterhin unbestritten und dämpft zumindest die nicht ganz so fein ausgeprägte taktische Komponente, mindert aber nur geringfügig den Spielspaß. Schließlich greifen auch heute immer wieder Leute zu „Monopoly“ …

Für den Auftakt geht „Der Markt von Alturien“ letztendlich in Ordnung; es ist zwar nicht der erhoffte Kracher, aber ein grundsolides, unterhaltsames Spiel, welches besonders jetzt, wo der wesentliche Gehalt durchschaut ist, sicher noch öfter auf den Tisch kommt. Und dennoch: Um die Serie interessant zu halten, sollte in der Fortsetzung eine Steigerung inbegriffen sein.

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Pessl, Marisha – alltägliche Physik des Unglücks, Die

Marisha Pessl hat für ihren Debütroman „Die alltägliche Physik des Unglücks“ reichlich Lobeshymnen eingeheimst. Die Presse überschlägt sich geradezu vor Lob, feiert den Roman als brillantes Debüt und eines der besten Bücher überhaupt seit langem ab. Wirft man einen Blick auf den Handlungsabriss, so hofft man wirklich, ein feines Romanjuwel in Händen zu halten, denn die Handlung klingt durchaus liebenswürdig und vielversprechend.

„Die alltägliche Physik des Unglücks“ erzählt die Geschichte der Blue van Meer. Blues Vater ist Universitätsprofessor, der als Gastdozent mal hier und mal dort lehrt, so dass Blues Kindheit und Jugendzeit vor allem von permanenten Ortswechseln geprägt ist. Doch Blue kommt damit im Grunde gut zurecht. Sie ist intelligent und vertieft sich leidenschaftlich gerne in Bücher.

Als sie ein letztes Mal vor ihrem Schulabschluss die Schule wechselt, weil ihr Vater einen Lehrauftrag in Stockton angenommen hat, ahnt sie noch nicht, was für ein turbulentes Schuljahr ihr bevorsteht. Während ihr Vater (wie üblich) die Damenwelt in Verzückungen versetzt, gerät Blue in den Bann der Lehrerin Hannah Schneider und einer mit ihr befreundeten Schülerclique.

Blue wird in die Gemeinschaft aufgenommen und beginnt das Leben zu genießen. Bis zum dem denkwürdigen Tag, an dem ein mysteriöser Mord geschieht. Blue versucht etwas Licht in die Hintergründe zu bringen, und was sie dabei entdeckt, wirbelt ihr ganzes Leben durcheinander …

„Die alltägliche Physik des Unglücks“ ist ein Buch, das im Grunde in keine Schublade passt. Was als Coming-of-Age-Geschichte anfängt, entwickelt mehr oder minder krimihafte Züge. Pessl garniert diesen sonderbaren Genremix mit einer Flut an Zitaten und mit bis an die Grenze des Vertretbaren gehenden blumigen Umschreibungen. Sie setzt sich dadurch überaus deutlich von anderen Autoren ab und legt ein Werk vor, das vor allem durch seinen konsequenten individuellen Stil besticht. Das ist es sicherlich, was die einen Leser in Verzückungen und wahre Begeisterungsstürme versetzt und die übrige Leserschaft eher irritiert zurücklässt. „Die alltägliche Physik des Unglücks“ dürfte ein Buch sein, an dem sich die Geister scheiden.

Die Geschichte fängt an sich ganz beschaulich an. Der Leser/Hörer lernt Blue und ihren Vater kennen und schmunzelt über so manchen sonderbaren Vergleich der Autorin und so manche obskure Umschreibung. Marisha Pessl bedient sich eines wunderbar reichhaltigen Wortschatzes. Sie umschreibt Menschen und Dinge auf die sonderbarste Art und Weise, so dass man immer wieder über ihre ungewöhnlichen Formulierungen schmunzeln muss. Das gestaltet bereits den Einstieg in das Buch sehr unterhaltsam und man mag gerne glauben, dass all die Lobeshymnen berechtigt sind.

Was Pessls Stil ebenfalls kennzeichnet, ist eine wahre Zitierwut. Immer wieder streut sie Zitate in Blues Schilderungen ein. Die belesene Blue neigt offensichtlich dazu, Dinge bevorzugt mit den Worten anderer zu sagen, und das stets unter Angabe von Autor, Textquelle und Erscheinungsjahr. Im Hörbuch stören diese Einschübe nicht sonderlich, im Buch könnte ich mir aber durchaus vorstellen, dass sie auf die Dauer ein wenig ermüden können.

Die Handlung gerät vor dem Hintergrund dieses prägnanten Erzählstils etwas zur Randerscheinung. Nachdem man mit den Figuren vertraut ist und Blue sich an der neuen Schule in Stockton eingewöhnt hat, beginnt die Handlung etwas vor sich hinzuplätschern. Es gibt Phasen, wo nicht viel passiert, aber die wenige Handlung durch den aufgebauschten Erzählstil als mehr erscheint, als sie wirklich ist. Es macht zwar dennoch Spaß zuzuhören und über Marisha Pessls farbenprächtige Sprache und die vielen treffenden Zitate zu staunen, aber die handlungsärmeren Phasen des Buches können (vor allem dann wenn man selbst liest und das Buch nicht so unangestrengt konsumieren kann wie bei der Hörbuchfassung) doch etwas ermüdend werden.

So wenig man einerseits Pessls ausschmückenden, bildgewaltigen Erzählstil beschneiden möchten, so sehr wünscht man sich andererseits auch eine Straffung der Handlung – gerade im Mittelteil, wo sich so manche Länge endlos hinzuziehen scheint. Und vor diesem Hintergrund fangen dann auch manche etwas zu ausschweifend geratenen Umschreibungen wenig an zu nerven. So sehr Pessls Stil auch über weite Strecken Spaß macht, manchmal treibt sie ihre originelle Umschreibungswut auch etwas zu sehr auf die Spitze.

Erst mit Beginn des letzten Drittels kommt dann wieder eine Phase, in der man neugierig und ungeduldig die Geschichte in sich aufsaugt. Mit dem mysteriösen Mord bekommt die Handlung eine Dynamik, die ihr vorher gefehlt hat. Es entsteht Spannung und man will unbedingt wissen, wie die Geschichte weitergeht.

Doch so unvermittelt, wie der Spannungsschub die erlahmende Handlung wieder auf Touren bringt, so abrupt ist die Geschichte dann auch schon zu Ende. Plötzlich ist die Geschichte vorbei, Blue verabschiedet sich aus der Handlung und der Leser bleibt etwas irritiert und unbefriedigt zurück. Ich persönlich habe glatt die letzten Takte noch mal bewusst von CD gehört, weil ich dachte, beim Übertragen auf den |iPod| wäre mir vielleicht ein Kapitel verloren gegangen, aber dem war nicht so. Plötzlich ist die Geschichte zu Ende, ohne dass sie eigentlich wirklich richtig zu Ende erzählt ist. Da bleibt man als Leser/Hörer schon etwas ratlos und unzufrieden zurück.

Die Hörbuchfassung muss man ansonsten aber durchaus als gelungen bezeichnen. Schauspielerin Anna Thalbach liest die Geschichte und füllt sie sehr schön mit Leben. Ihre Stimme passt wunderbar zum Charakter von Blue und auch die übrigen Personen werden gut umgesetzt. Das macht es zwar ganz angenehm, der Geschichte zuzuhören, und tröstet über so manche Länge hinweg, über die man leicht mal laut aufgestöhnt hätte, wenn man die Geschichte selber lesen müsste, kann die Schwachpunkte des Buches aber eben auch nicht ausradieren.

Alles in allem ist „Die alltägliche Physik des Unglücks“ nach all den überschwänglichen Lobeshymnen eher eine Enttäuschung als eine Offenbarung. Es gibt Züge an Marisha Pessls Schreibstil, die Freude bereiten und die „Die alltägliche Physik des Unglücks“ im Grunde zu einem liebenswürdigen Roman machen. Rein sprachlich betrachtet, ist es ein wirklich schönes und ungewöhnliches Werk. Die Handlung wirkt da manchmal fast wie schmückendes Beiwerk, und genau das ist der entscheidende Schwachpunkt des Romans. Eine Straffung der Handlung hätte gutgetan und der Geschichte etwas mehr Dynamik eingebracht. So nimmt die Geschichte nach zwischenzeitlichen Durststrecken erst zum Ende hin so richtig Fahrt auf.

Abgesehen davon ist die Hörbuchfassung von |Argon Hörbuch| durchaus gelungen umgesetzt. Ich weiß nicht, ob ich bei der Lektüre auch nur halb so viel Durchhaltevermögen an den Tag gelegt hätte, wenn ich selbst hätte lesen müssen. Durch Anna Thalbachs kurzweilige Lesung lassen sich schließlich so manche Längen in der Handlung durchstehen.

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Hoffmann, Horst – Sternenkind (Titan-Sternenabenteuer 29)

_Story_

Nachdem das Verhältnis zwischen den Emo-Rebs und den gefühlsberaubten Cadschiden wieder in die rechte Bahn gelenkt wurde, machen sich der Lariod Dorlog, sein Gefährte Arlog und das Team der |Titan| auf die Suche nach dem Ursprungsvolk der Einäugigen. In Wythan, dem Heimatplaneten der Cadschiden, angekommen, bietet sich ihnen jedoch ein Bild des Grauens; die gesamte Welt liegt nach einem Angriff der Weltraumfresser in Schutt und Asche und wird derweil von einigen Mutanten beherrscht.

Vanessa Modesta und ihre Crew müssen ganze Arbeit leisten, um die Wythaner und das in der Prophezeiung des Lariods erwähnte Sternenkind aufzuspüren, mit dessen Hilfe die Cadschiden und die Wythaner wieder zu einem Kollektiv verschmelzen sollen. Unter Anleitung des jüngsten und letzten Nachfahren der Wythaner reisen sie auf einen von Vanessa ‚Destiny‘ getauften Planeten, in dessen Kristallwelten das verbliebene Kollektiv der urtümlichen Vorfahren sich versteckt hält. Allerdings ist die Bedrohung, die ihnen dort entgegenschlägt, noch weitaus brutaler als die Gefahren auf Wythan …

_Persönlicher Eindruck_

Die stetige Berg- und Talfahrt im Rahmen der „Titan-Sternenabenteuer“ macht auch vor dem neuesten Band „Sternenkind“ keinen Halt. Nachdem der Social-Fiction-Abschnitt der Serie mit dem letzten Band „Dorlog“ vorläufig zugunsten des Starts einer neuen Weltraumsaga abgeschlossen wurde, gelang es Horst Hoffmann in besagter Episode, wieder eine Geschichte zu entwerfen, die sich ganz nahe am gefeierten Ursprung der nunmehr 29-teiligen Reihe orientierte. Und selbst wenn „Dorlog“ hier und dort noch einige geringfügig zu bewertende Schönheitsfehler aufwies, so durfte man endlich wieder in eine hoffnungsvolle Zukunft blicken, weil die unliebsamen Schmonzetten zwischen Shalyn Shan und Monja ebenso vorbei schienen wie die völlig ausgelatschten Pfade, die solch vergleichsweise dümmliche Gestalten wie Wernher von Witzleben bis zuletzt beschritten hatten.

Aber es wäre natürlich zu schön, würde man das relativ gute Niveau der letzten Geschichte in der Fortsetzung dann auch mal konsequent halten. Selbst dem wohl besten derzeitigen „Titan“-Schreiber Hoffmann ist nämlich in „Sternenkind“ eine ganze Reihe an Peinlichkeiten und Schönheitsfehlern unterlaufen, die nicht nur den generellen Plot ad absurdum führen, sondern auch jeden zuvor aufgebauten Spannungsbogen im rasanten Tiefflug wieder durchbrechen. Hinzu kommt, dass die Entwicklungen in „Sternenkind“ von Seite zu Seite unglaubwürdiger erscheinen und man gerade im Schlussdrittel den Eindruck bekommt, der weitere Verlauf der Story würde nur zur Füllung des (dazu noch bescheidenen) Seitenumfangs dienen. An Ideen mangelt es nämlich ganz gewaltig, was den Autor dazu veranlasst, nach dem Abschluss des ersten Horror-Szenarios auf Wythan gleich noch eine vollkommen ähnliche Situation auf Destiny zu schaffen, in der er sich zudem auch noch mehrfach zitiert. Ob das hätte sein müssen? Des Weiteren hat sich Hoffmann scheinbar auch vom platten Liebesgesäusel seiner Kollegen anstecken lassen. Die bisweilen noch hitzige Affäre zwischen Vanessa Modesta und Sebastian Blenkov artet heuer völlig aus und wird vom überzogenen Pathos fast erstickt. Nicht zu vergessen die Momente, in denen der Leser seine Helden bereits tot wähnt, diese aber wieder mal wie durch ein Wunder der finsteren Bedrohung trotzen konnten. Gerade Letzteres wird in „Sternenkind“ bis zum Erbrechen ausgereizt und entzieht der Geschichte zum Schluss dann auch das letzte Fünkchen Authentizität.

Dass die Mini-Serie innerhalb der „Titan-Sternenabenteuer“ mit diesem Band in einem mäßigen, völlig unspektakulären Finale bereits ihr Ende findet, setzt der Negativ-Entwicklung schließlich die Krone auf. Mensch, da hat der Autor endlich mal wieder einen Hintergrund mit Potenzial aufgestellt, nur um ihn im Eiltempo wieder zu zerstören. Sollte dies die Masche des aktiven „Titan“-Teams sein – und so scheint es mir angesichts der merkwürdigen Qualitätsschwankungen zwischen den letzten Ausgaben –, dann kann ich das mittlerweile weder lustig finden noch irgendwie begrüßen. Und so ist der Kontrast in diesem Fall wohl auch noch am schwersten zu tolerieren. Nach dem besten Band der letzten Monate folgt mit „Sternenkind“ der vorläufige Tiefpunkt der neueren „Titan“-Veröffentlichungen. Traurig, aber leider wahr!

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Nuyen, Jenny-Mai – Nocturna – Die Nacht der gestohlenen Schatten

Vampa ist seit neun Jahren vierzehn. Und er hat seine Erinnerungen verloren, selbst die an seinen wirklichen Namen. Das Einzige, woran er sich aus der Zeit vor den letzten neun Jahren erinnert, ist ein gesichtsloser Mann mit Zylinder, der ihm eine Geschichte erzählte. Seine – Vampas – Geschichte, und mit jedem Wort der Erzählung verschwand ein Teil dieser Geschichte aus seinem Gedächtnis und wanderte in das Dritte Buch. Seither ist er auf der Suche nach diesem Dritten Buch. Er will seinen Namen und seine Erinnerungen wiederhaben. Denn ohne sie ist er kein Mensch, kann weder leben noch sterben …

Apolonia dagegen hat ganz andere Probleme. Vor kurzem ist die Buchhandlung ihres Vaters abgebrannt, was diesen den Verstand gekostet hat. Da Apolonias Mutter vor einigen Jahren gestorben ist, bleibt dem Mädchen nun nichts anderes übrig als bei ihrer Tante und ihrem Onkel zu wohnen. Seither löchert sie den mit der Klärung des Falles betrauten Polizeiinspektor nahezu täglich nicht nur mit Fragen nach dem Fortschritt der Ermittlungen, sondern auch mit ihrer Theorie einer Zaubererverschwörung!

Tigwid wiederum ist in die ganze Sache aus purer Neugier hineingeschlittert. Er hat ein paar ungewöhnliche Fähigkeiten, zum Beispiel kann er Dinge bewegen, ohne sie zu berühren, und er kann mit Tieren sprechen. Und er will unbedingt wissen, woher diese Fähigkeiten kommen. Was er nicht weiß: Auch ihm wurden Erinnerungen genommen …

Schon bald stellt sich heraus, dass die hartnäckigen Fragen und Nachforschungen der drei auf denselben Punkt zielen. Einen Punkt, der sie schon bald in große Schwierigkeiten bringt …

Der dominierende Charakter unter den dreien ist Apolonia. Sie ist nicht nur von wohlhabender Herkunft, sie ist auch sehr intelligent. Das hat eine scharfe Zunge und eine gehörige Portion Arroganz zur Folge. Sie ist überzeugt davon, dass ihre Mutter keines natürlichen Todes starb, und dass der Brand im Geschäft ihres Vaters und dessen jetziger Gesundheitszustand damit zusammenhängen. Sie fühlt sich bestohlen, ihrer Familie und ihres Zuhauses beraubt und sinnt auf Rache. Daß sie tatsächlich einen Teil der Wahrheit herausfindet, liegt allerdings mehr an ihrem Mut als an ihrer Intelligenz. Und Letztere kann sie auch nicht davor bewahren, letztlich doch ihren Gegnern auf den Leim zu gehen …

Tigwid ist ein Straßenjunge, der von Diebstählen lebt und von Botengängen für einen der städtischen Unterweltbosse. Ein echter Überlebenskünstler, dem man nur schwer die gute Laune verderben kann. Er besitzt eine gesunde Portion Misstrauen, einen durch seinen Lebenswandel geschulten, sicheren Instinkt und außerdem Köpfchen.

Über Vampa gibt es nicht besonders viel sagen, denn durch den Verlust seiner Erinnerungen ist ihm seine Persönlichkeit abhanden gekommen. Er strahlt vor allem Leere und Kälte aus, was seine Umgebung ziemlich einschüchtert.

Ein interessanter Charakter war Apolonias Tante Nevera, die zunächst wirkt wie eine oberflächliche, egozentrische dumme Gans. Wie sich im Laufe der Geschichte herausstellt, hat sie es aber in sich. Und die Entwicklung vollzieht sich ganz allmählich und ohne Knacks.

Mit anderen Worten, auch in ihrem dritten Buch ist Jenny-Mai Nuyen die Charakterzeichnung wieder gut gelungen. Zwar sind die Figuren nicht ganz so eindringlich geraten wie in ihren ersten Büchern, das mag aber auch daran liegen, dass Tigwid und vor allem natürlich Vampa ein mehr oder weniger großer Teil ihres Ichs fehlt. Trotzdem waren auch Vampas Leblosigkeit und seine Reaktion auf das Buch mit Tigwids Geschichte sehr gut gemacht.

Auch die Grundidee, auf der das Buch basiert, fand ich sehr ungewöhnlich und faszinierend. Eine Gruppe magisch Begabter, die sich die Dichter nennen, stiehlt den Menschen ihre Erinnerungen, um damit Bücher zu schreiben. Diese Bücher üben einen einzigartigen Zauber auf den Leser aus, und zwar deshalb, weil sie echte Gefühle beinhalten. Die Dichter behaupten, dies sei der einzige Weg, andere an den eigenen Gefühlen teilhaben zu lassen, und ihre Taten brächten Liebe und Glück in die Welt und seien deshalb zum Wohle der Menschheit.

Die Originale der Bücher werden mit dem Blut desjenigen geschrieben, dessen Erinnerungen sie enthalten sollen. Worte, die mit Blut geschrieben wurden, besitzen noch eine weitere Eigenschaft, die den Kopien fehlt: Ihren Worten wohnt die Macht inne, so tief in den Geist des Lesers einzudringen, dass er sie für seine eigenen hält. Auf diese Weise können die Dichter Menschen manipulieren, in den Wahnsinn treiben, sogar töten. Daran ist unschwer zu erkennen, dass die Dichter durchaus noch andere Ziele haben, als nur für ihre genialen literarischen Werke bewundert zu werden und ein Vermögen damit zu verdienen.

Um gegen einen solchen Gegner zu bestehen, müssen natürlich die Hauptfiguren der Geschichte auch mit entsprechenden Fähigkeiten ausgestattet sein. So stellt sich schon bald heraus, dass auch Apolonia mit Tieren sprechen kann, und zwar wesentlich besser als Tigwid. Außerdem erhalten sie Unterstützung vom Treuen Bund der Kräfte, ebenfalls magisch begabten Leuten, die die Dichter bekämpfen.
Und dann ist da noch die Polizei, die logischerweise von all dem überhaupt nichts glaubt!

So kommt es, dass es nahezu unmittelbar, nachdem Apolonia ihr Elternhaus verlassen hat, um Tigwid zu folgen, ziemlich drunter und drüber geht. Von allen möglichen Seiten werden die drei verfolgt, getrennt, entführt. Das sorgt zunächst einmal für eine Menge Trubel, spannend wird es aber erst, als Apolonia ins Wanken gerät und nicht mehr weiß, welcher Seite sie glauben soll.

Leider empfand ich gerade diesen wilden Trubel als etwas hektisch und chaotisch. Irgendwie verläuft der Erzählfluss in diesem Teil des Buches nicht ganz glatt, auch wenn er so amüsante Nebensächlichkeiten bot wie die Verbrüderung von Tigwids betrunkenem Boss und Dotti, der mindestens genauso betrunkenen Inhaberin der geheimen Gangsterkneipe.

Auch die physikalische Erklärung der magischen Talente der Motten, wie hier die Zauberer genannt wurden, hakelt etwas. Abgesehen von dem unglücklich gewählten Wort Magnetismus glaube ich nicht, dass die elektrischen Gehirnströme von Erinnerungen sich in irgendetwas von denen anderer Gedanken unterscheiden. Strom ist Strom.

Unterm Strich bleibt zu sagen, dass mir dieses Buch von Jenny-Mai Nuyen recht gut gefallen hat, wenn auch nicht ganz so gut wie ihre ersten beiden. Den Handlungsaufbau fand ich zunächst nicht so gelungen, später wurde es besser. Die Charakterzeichnung war nicht ganz so intensiv, aber immer noch sehr glaubwürdig und anschaulich. Und für die kleinen Knackse entschädigt die ausgefallene Thematik der Geschichte. Mit anderen Worten: Auch wenn es nicht ganz an die beiden Vorgänger heranreicht, ist auch dieses wieder ein sehr gutes Buch der jungen Autorin.

Jenny-Mai Nuyen stammt aus München und schrieb ihre erste Geschichte mit fünf Jahren. Mit dreizehn wußte sie, dass sie Schriftstellerin werden wollte. „Nijura“, ihr Debüt, begann sie im Alter von sechzehn Jahren. Inzwischen ist sie neunzehn und studiert Filmwissenschaft an der New York University.

Gebundene Ausgabe 580 Seiten
ISBN-13: 978-3-570-13337-8

www.jenny-mai-nuyen.de/
www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Festa, Frank (Hrsg.) – Pflanzen des Dr. Cinderella, Die

25 meist kurze Geschichten geben einen Überblick, der angelsächsische und europäische Phantastik von 1830 bis 1930 umfasst. Mit großer Sachkenntnis und viel Liebe zum Genre hat Herausgeber Festa vor allem selten oder sogar noch nie in deutscher Sprache erschienene, thematisch und stilistisch breit gefächerte Storys ausgewählt und macht den Freunden des ‚historischen‘ und durchaus anspruchsvollen Grusels ein gern entgegengenommenes Geschenk:

_Ralph Adams Cram (1863-1942): Das Haus in der Rue M. le Prince_ („No. 252, Rue M. le Prince“, 1895) – Die böse Tante vermacht dem erfreuten Neffen ihr Haus, doch leider ist es verflucht und beschert dem ahnungslosen Erben und seinen Freunden eine unvergessliche Nacht …

_Robert E. Howard (1906-1936): Das Ding auf dem Dach_ („The Thing on the Roof“, 1932) – Wer sich im mittelamerikanischen Dschungel auf Schatzsuche begibt, sollte sich zuvor sorgfältig informieren, was genau in der Schatzkammer auf ihn wartet …

_Gustav Meyrink (1868-1932) – Die Pflanzen des Dr. Cinderella_ (1913) – Ein ehrgeiziger Wissenschaftler forscht ein wenig zu abseits naturgesetzlicher Pfade, was seiner geistigen Gesundheit abträglich ist …

_Oskar Panizza (1853-1921): Die Kirche von Zinsblech_ (1893) – Ein müder Wanderer sucht ein Nachtquartier in besagtem Gotteshaus, wo er in einen turbulenten Hexensabbat gerät …

_Leslie Poles Hartley (1895-1972): Der australische Gast_ („A Visitor from Down Under“, 1926) – Mr. Rumbold ist im fernen Australien auf eine Weise zu Reichtum gekommen, die eine Rückkehr ins heimische England ratsam scheinen lässt: Allerdings hat er die Rachsucht seines Opfers definitiv unterschätzt …

_Ralph Adams Cram (1863-1942): Gefangen auf Schloss Kropfsberg_ („In Kropfsberg Keep“, 1895) – Zwei allzu selbstbewusste Wanderer besuchen des Nachts ein Spukschloss in Österreich …

_Edgar Allan Poe (1809-1849): William Wilson_ („William Wilson“, 1839) – Wer ist die mysteriöse Erscheinung, die dem Wüstling und Falschspieler Wilson immer dann in den Arm fällt, wenn der eine besonders ruchlose Tat plant …?

_Ralph Adams Cram (1863-1942): Die weiße Villa_ („The White Villa“, 1895) – In Italien geraten zwei Reisende in ein nächtliches Spukdrama, das sich seit vielen Jahren unbarmherzig wiederholt …

_Leonhard Stein: Der Flötenbläser_ (1918) – Eine junge Frau verfällt dem Zauber Ägyptens – und einem stattlichen Mann aus dem Volke, der indes nicht ganz von dieser Welt ist …

_Bram Stoker (1847-1912): Im Haus des Richters_ („The Judge’s House“, 1891) – Der alte Richter ließ für sein Leben gern hängen; nach seinem Tod übernimmt er den Job selbst …

_Willy Seidel (1887-1934): Lemuren_ (1929) – Ein seelisch aus der Bahn geworfener Mann gerät bei seiner Flucht vor den Menschen an eine Stätte, an der merkwürdige Kreaturen auf ihn schon gewartet zu haben scheinen …

_Ralph Adams Cram (1863-1942): Notre Dame des Eaux_ („Notre Dame des Eaux“, 1895) – In einer uralten Kirche in einem abgelegenen Winkel Frankreichs findet sich eine junge Frau nächtens allein mit einem mörderischen Wahnsinnigen wieder …

_Max Brod (1884-1968): Wenn man des Nachts sein Spiegelbild anspricht_ (1907) – Ausgerechnet das eigene Spiegelbild hilft seinem ‚Eigentümer‘ aus einer moralischen Zwickmühle …

_Ralph Adams Cram (1863-1942): Das Tote Tal_ („The Dead Valley“, 1895) – In Schweden gibt es einen verfluchten Ort, der grausam tötet, wer in seinen Bann gerät …

_Orest M. Somow: Eine eigenartige Abendgesellschaft_ („Videnie na javu“, 1831) – Auf offener Straße wird der junge Mann zu einem Fest eingeladen; seinen Gastfreunden entkommt er nur knapp …

_Ignaz Franz Castelli (1781-1862): Tobias Guarnerius_ (1839) – Zum perfekten Klang einer Geige bedarf es des ‚Einbaus‘ einer Seele, was den genialen Instrumentenbauer jedoch schon bald reut …

_Alexander von Ungern Sternberg (1806-1860): Das gespenstische Gasthaus_ (1842) – Ein mörderischer Gastwirt muss feststellen, dass seine Opfer nicht ruhen oder ihn gar die Früchte seiner bösen Tat genießen lassen wollen …

_Jean-Marie Villiers de l’Isle-Adam (1838-1889): Das zweite Gesicht_ („L’Intersigne“, 1867) – Der Blick in die Zukunft fällt meist schrecklich unklar aus, so dass sich das Gesehene selten verhindern lässt …

_Guy de Maupassant (1850-1893): Eine Erscheinung_ („Apparition“, 1883) – Ein gar nicht guter Freund, der genau weiß, was dort umgeht, bittet den naiven Jüngling, ihm aus dem Zimmer, in dem seine Gattin tragisch starb, einige Briefe zu holen …

_Paul Leppin (1878-1945): Severins Gang in die Finsternis_ (1914) – Schritt für Schritt verfällt Severin dem Laster, doch keine Erlösung erwartet ihn, als er das Ende seines Weges erreicht …

_John Charles Dent (1841-1888): Das Geheimnis in der Gerald Street_ („The Gerrard Street Mystery“, 1886) – Der gute Onkel will vor einem smarten Betrüger warnen; leider ist sein Neffe ziemlich schwer von Begriff und begreift viel zu spät …

_Vernon Lee (1856-1935): Die verruchte Stimme_ („A Wicked Voice“, 1890) – Die Vision eines boshaften Gesangskünstlers der Vergangenheit raubt einem in Italien reisenden Komponisten erst den Seelenfrieden und dann den Verstand …

_William Hope Hodgson (1877-1918): Der Spuk auf der Jarvee_ („The Haunted Jarvee“, 1948) – Dieses Schiff ist verflucht, und ‚Geisterdetektiv‘ Carnacki reizt die Mächte von ‚drüben‘ erst richtig, sich auf Deck zu offenbaren …

_Eric Count Stenbock (1860-1895): Die andere Seite_ („The Other Side“, 1893) – Zu süß ist die Verlockung des Landes, in dem Wolfsmenschen und Menschenwölfe umgehen …

_Karl Hans Strobl (1877-1946): Der Skelett-Tänzer_ (1926) – Der Tod macht sich ein Späßchen und tritt auf die Bühne; als ihn sein Partner versetzt, reagiert er nachtragend …

|“Zum Wesen der Phantastik gehört die Erscheinung: was nicht eintreten kann und trotzdem eintritt, zu einer ganz bestimmten Zeit, an einem ganz bestimmten Ort, im Herzen einer bis ins kleinste Detail festgelegten Welt, aus der man das Geheimnisvolle für immer verbannt hatte.“| (Roger Caillois)

|Einige Anmerkungen zu dieser Sammlung|

|I.|

Sammlungen von Kurzgeschichten werden gern unter ein bestimmtes Motto gestellt, das in der Regel in einem Vor- oder Nachwort erläutert wird. Dieses vermisst man hier schmerzlich und wundert sich, da nachweislich viel Hintergrundrecherche für diesen Band betrieben wurde: Jede Story wird mit einer Biografie ihres Verfassers eingeleitet, die knapp aber informativ ausfällt und Hilfestellung bei der Einordnung der jeweiligen Geschichte ins Genreumfeld leistet.

Vielleicht gibt es gar kein Motto? Womöglich sollen nur 25 selten oder noch nie in deutscher Sprache erschienene Storys einem möglichst breitem Lesepublikum vorgestellt werden? Angesichts der Qualität des Angebots könnte man damit prima leben. Ein wenig spekulieren lässt sich dennoch. Zumindest einen ‚historischen Faden‘ findet man im Gewebe dieser Kollektion. „Die Pflanzen des Dr. Cinderella“ wurzeln in dem Jahrhundert zwischen 1831 und 1932. (Zwar wird für W. H. Hodgsons „Der Spuk auf der Jarvee“ 1918 als Entstehungsdatum angegeben, doch muss diese Story vor 1918 entstanden sein; übrigens wurde sie 1929 zum ersten Mal veröffentlicht. Das Datum „1931“ für O. M. Somows „Eine eigenartige Abendgesellschaft“ im Copyright ist ein Druckfehler.) Damit wird der Bogen zwischen dem ‚modernen‘ oder ‚psychologischen‘ Horror über die klassische, traditionell erzählte Gespenstergeschichte bis zur vom „fin-de-siecle“ und Expressionismus geprägten Phantastik geschlagen.

In diesem zugegeben etwas roh gezimmerten Rahmen machen die 25 präsentierten Storys mit typischen aber erfreulich unbekannten Vertretern ihrer unheimlichen Zunft bekannt. Wem außer dem absoluten Genrekenner sind Namen wie Ralph Adams Cram, Leslie Poles Hartley oder John Charles Dent ein Begriff? Wie wir sehen, liefern sie mindestens so guten ‚Stoff‘ wie Bram „Dracula“ Stoker (hier leider vertreten mit einer zu Tode edierten Geschichte) oder Arthur Conan Doyle; zwei Autoren aus alter Zeit, die man auch im 21. Jahrhundert noch kennt.

Es fällt auf, dass die dem angelsächsischen Sprachraum entstammenden Verfasser in Sachen Spuk wesentlich ‚handfester‘ zu Werke gehen als ihre europäischen Kollegen. Zumindest die für diese Sammlung ausgewählten Geschichten wirken quasi dokumentarisch. Der Ort des unguten Geschehens wird präzise beschrieben, und wenn das Gespenst (oder eine andere Erscheinung) auftritt, gerät es ebenfalls unter die Feder des Schriftstellers. Breit stellt Herausgeber Festa daneben eine Phantasik vor, die mit der ‚Logik‘ der Handlung bricht, stattdessen mit Symbolen arbeitet, dabei auf die zeitgenössische Realität reflektiert und auf die Erzeugung von Stimmungen zielt. Das zu goutieren, erfordert vom Leser deutlich mehr Aufmerksamkeit bzw. die Bereitschaft, sich mit der Story treiben zu lassen.

Selbstverständlich schätzt die Literaturkritik solche ‚anspruchsvolle‘ Phantastik höher als die ’naturalistischen‘ Gruselhandwerker. Das trifft einerseits keineswegs in jedem Fall zu und ist andererseits kontraproduktiv, denn solcher Hochmut schreckt womöglich diejenigen Horrorleser, die zunächst mit den fieberhaften, übersteigerten, vieldeutigen, eindrucksvollen Visionen eines Gustav Meyrinck, eines Leonard Stein oder Willy Seidel wenig anfangen können, generell davon ab, sich beispielsweise mit der faszinierenden deutschen bzw. deutschsprachigen Phantastik vor den Nazis zu beschäftigen, die einem kontinuierlich gewachsenen, reichen und vor allem eigenständigen Genre den Garaus machten. Diese Literatur mag sich ’schwierig‘ lesen, ist jedoch wert, kennengelernt zu werden. (Übrigens belegt Eric Count Stenbock mit „Die andere Seite“, dass symbolistisch überhöhte Phantastik nicht den kontinentalen Europäern vorbehalten war.)

‚Schwierig‘ ist die Annäherung nicht nur wegen der Vielschichtigkeit. Auch der Stil ist gewöhnungsbedürftig. Hier sind die ‚ausländischen‘ Autoren im Vorteil, denn ihre Werke werden oft viele Jahrzehnte nach ihrer Entstehung ins Deutsche übertragen. Auch wenn sich die Übersetzer bemühen, den Tonfall des Originals zu treffen, erfährt der Text eine gewisse Anpassung an den Tonfall der Gegenwart. Eine Geschichte wie „Im Haus des Richters“ liest sich deshalb – obwohl ziemlich zeitgleich entstanden – wesentlich ‚moderner‘ als „Die Kirche von Zinsblech“.

Ausgerechnet die Schriftsteller unserer eigenen Vergangenheit müssen den Preis dafür zahlen, dass deutsche Leser fremdsprachige Literatur paradoxerweise lieber aus zweiter Hand, d. h. übersetzt zur Kenntnis nehmen! Dabei spannen die deutschen Literaten vor 1850 ihr Garn ohne die stilistischen Experimente ihrer Nachfahren, wie „Tobias Guarnerius“ und „Das gespenstische Rasthaus“, die beiden ältesten deutschsprachigen Geschichten dieser Sammlung, belegen.

Außerdem gleicht die (es mag pompös klingen) unerhörte Virtuosität, mit der z. B. ein Leonhard Stein („Der Flötenbläser“) die deutsche Sprache einsetzt, manche inhaltliche Unzugänglichkeit aus. Ob dies den Horrorfreund überzeugt, der eher auf den actionbetonten Pulpgrusel eines Robert E. Howard („Das Ding auf dem Dach“) steht, ist freilich fraglich. In „Die Pflanzen des Dr. Cinderella“ werden jedenfalls alle Erwartungen bedient und Alternativen angeboten.

|II.|

Aufgrund der Vielzahl von Erzählungen kann an dieser Stelle nicht auf jede Story eingegangen werden. Die persönlichen Vorlieben Ihres Rezensenten bestimmen die folgende Auswahl.

Gleich fünf Geschichten des vergessenen US-amerikanischen Verfassers Ralph Adams Cram finden wir in diesem Band. Waren die Rechte billig zu bekommen? Egal, denn dies sind sauber gearbeitete, wenn auch simple Gespenstergeschichten, die durch Crams Ortskenntnisse profitieren; er reiste oft und gern durch Europa, und was er sah und erlebte, ließ er gern in seine Storys einfließen. Wunderschönen klassischen Horror mit einem rachsüchtigen Geist verbreitet auch Leslie Poles Hartley („Der australische Gast“), während sich William Hope Hodgson („Der Spuk auf der Jarvee“) in einer seiner atmosphärischen Seespuk-Geschichten letztlich ein wenig zu intensiv um eine logische Aufhellung des eigentlich keiner Erklärung bedürfenden Geschehens bemüht.

Wenn weiter oben von einer Geburt der modernen Phantastik gesprochen wurde, so muss diese natürlich eine Vorgeschichte besitzen. Zwischen Romantik und Realismus schreibt Alexander von Ungern Sternberg („Das gespenstische Gasthaus“). Selten wird man so rüde wie durch ihn aus der schön gestrickten Gruselmär vom verfluchten Haus geworfen: „Ich habe in manchem [Gasthaus] gewohnt, in dem ich Geister fand, die für mich weit widriger und schrecklicher sind …; es waren die Geister der Unreinlichkeit, der Prellerei und einer schlechten Küche.“ (S. 251) Dabei leugnet der betont rationale Erzähler (und damit der Verfasser) nicht, dass die Gewissheit einer geordneten Welt brüchig ist: „Wenn man den Naturgewalten völlig überlassen ist, so wird man gläubig. Das albernste Märchen verwandelt sich in eine Tatsache, wenn wir im Rauschen eines uralten Waldes allein sind oder allein auf dem endlosen Meere oder allein … auf dem Weg, wo wir eben sind.“ (S. 243) Das ändert jedoch nichts an der Haltlosigkeit solcher Ängste, denn sie existieren – so der Verfasser – nur im Gehirn des Menschen. Der ernüchternde Schlusssatz ist deshalb durchaus als Provokation an die Adresse romantischer, schwärmerischer oder abergläubischer Zeitgenossen gedacht, die an Geister glauben oder glauben möchten.

Edgar Allan Poe ging 1839 schon einen Schritt weiter: ‚Seine‘ Furcht ist auch oder sogar vor allem im Alltag beheimatet. William Wilson verirrt sich nicht im finsteren Wald oder gerät in eine unheimliche Ruine. Sein eigener Spiegel wird zur Quelle der Heimsuchung, wobei Poe sehr gut um die Ambivalenz dieses Motivs weiß und seine Leser ratlos mit der Frage zurücklässt, ob sich Wilsons Spiegelbild wirklich selbstständig gemacht hat oder Wilson dem Irrsinn verfallen ist. Mit vergleichbarer Meisterschaft bedient sich Vernon Lee (d. i. Violet Paget) in „Die verruchte Stimme“ eines ähnlichen Plots. Ihr gelingt zudem das Kunststück, den Schauplatz Italien nicht als pittoreske Kulisse zu missbrauchen, sondern die Story kongenial mit dem geografischen, gesellschaftlichen und historischen Hintergrund zu verschmelzen.

Auf diese Weise hat jede der hier präsentierten Geschichten ihre Position in der Literaturgeschichte der Phantastik. Noch erfreulicher ist indes die Tatsache, dass darunter der Lesespaß weder leidet noch die historischen Aspekte überhaupt Berücksichtigung finden müssen, um 25-fachen Genuss zu ermöglichen!

http://www.festa-verlag.de