Bottero, Pierre – achte Tor, Das (Der Andere, Band 1)

In Frankreich ist Pierre Bottero ein etablierter Autor, in Deutschland dagegen kennt man ihn kaum. Das soll sich nun ändern. Mit „Das achte Tor“ erscheint bei |Ullstein| der erste Band von Botteros Trilogie, die in Frankreich „L’Autre“ betitelt ist.

Als ein ambitionierter Wissenschaftler im brasilianischen Dschungel nach einem Maya-Tempel sucht, entdeckt er ein unbekanntes Bauwerk, in dessen Inneren ein schwarzer Würfel schwebt. Was er nicht weiß: In diesem Würfel lebt eine Macht, die Der Andere genannt wird. Vor langer Zeit wurde sie in dieses Gefängnis verbannt und nur sieben bestimmte Familien, von denen jede einzelne eine bestimmte Fähigkeit besitzt, wissen von der Existenz des Anderen und können gegen ihn ankommen.

Nathan gehört zu zwei dieser Familien, weiß aber nichts davon. Er ahnt, dass etwas mit ihm nicht stimmen kann, denn er lernt jede beliebige Sportart innerhalb kürzester Zeit und vollbringt dabei ungewöhnliche Leistungen. Jedes Mal, wenn ihm dies gelingt, ziehen seine Eltern sofort um, so dass der Sechzehnjährige mittlerweile sehr weit herumgekommen ist.

Als eines Tages seine Eltern bei einer Bombenexplosion sterben, erhält er von seinem Vater auf seinem Handy eine aufgenommene Nachricht, dass er von Montréal nach Marseilles fliehen und dort nach seiner Familie suchen soll. Dabei begegnet er der gleichaltrigen Shaé, in der ungeahnte Kräfte wohnen. Gemeinsam entkommen sie den bedrohlichen Helluren und lernen schließlich die restlichen Mitglieder von Nathans Familie, den Kogisten, kennen. Ihr Markenzeichen ist ihre schnelle Auffassungsgabe, und die kann Nathan auch gut gebrauchen, denn plötzlich wendet man sich gegen ihn und Shaé. Sie müssen es nun nicht nur mit den Helluren, sondern auch mit Nathans Familie aufnehmen. Und mit einer dritten Macht, die für das ganze Chaos verantwortlich zu sein scheint und es auf die beiden abgesehen hat…

Pierre Botteros Fantasygeschichte zeichnet sich hauptsächlich durch seine Nüchternheit aus. Es ist angenehm frei von magischen und fantastischen Elementen. Selbst die besonderen Kräfte, die man den einzelnen Familien zuschreibt, sind zumeist nur eine ins Extrem getriebene Steigerung von normalen Fähigkeiten. Natürlich sind Dinge wie Der Andere nicht von dieser Welt, aber mit der magischen Fantasy à la Harry Potter hat Botteros Buch wenig zu tun. Die Geschichte ist dadurch angenehm locker und bricht nicht unter der Last von unwirklichen Ideen zusammen. Stattdessen baut der Autor trotz einer recht langen Vorgeschichte am Ende ein beträchtliches Maß an Spannung mit wenigen, aber effizienten Mitteln auf. Dazu gehört eine überschaubare Anzahl von Hauptfiguren, ein paar ungelöste Geheimnisse und ein Verwirrspiel darüber, wer nun gut und wer böse ist.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Nathan und Shaé, die sehr lebensnah gezeichnet und starke junge Charaktere sind. Ihnen liegt eine eher düstere Grundstimmung zugrunde, die gut zu der nicht unbedingt fröhlichen Geschichte passt. Beide haben bislang Probleme damit gehabt, Anschluss zu finden und echte Freundschaften zu führen. Sie fühlen sich einsam und merken, dass sie anders sind. Dadurch entstehen sehr tiefsinnige, nachdenkliche Figuren, die der Geschichte sehr viel Leben einhauchen und sie auf weiten Strecken bestimmen.

Der Schreibstil ist nüchtern und schnörkellos. Trotzdem schlägt er den Leser mit sicheren Formulierungen und einer düsteren, fesselnden Atmosphäre in den Bann. Der Autor versteht es, anspruchsvoll zu formulieren und mit wenigen Worten eine Stimmung, einen Sachverhalt oder ein Gefühl auszudrücken. Dadurch gibt es keine Längen, und trotz einer recht weitschweifigen Vorgeschichte wird aus „Das achte Tor“ doch noch eine runde Sache.

„Das achte Tor“ vereint Gegensätze: Auf der einen Seite herrscht eine düstere, beinahe schon verzweifelte Grundstimmung vor, auf der anderen sind aber Handlung und Schreibstil unbeschwert und frei von unnötigem Ballast. Mithilfe dieses Gerüsts erschafft der Autor eine spannende, atmosphärische Geschichte, die nicht langweilig wird und Lust auf die Folgebände macht.

|Originaltitel: L’Autre – Le souffle de la hyene
Aus dem Französischen von Wolfgang Renz
336 Seiten, kartoniert|
http://www.ullstein-taschenbuch.de

Hrissomallis, Simeon – Faith – The Van Helsing Chronicles: Die Zusammenkunft (Season 1 – Episode 1)

Als Faith van Helsing eines Abends nach Hause kommt, ahnt sie noch nicht, dass sich ihr Leben kurz darauf gravierend verändern wird. Ihre Eltern sind grausam getötet worden, umgebracht von einer Vampirin und einer Hexe. Auch Faith und ihre beiden Freunde Shania Francis und Melvin Masters sollen den Dämonen zum Opfer fallen. Da taucht der geheimnisvolle Kämpfer Christopher Lane auf und rettet die drei jungen Menschen.

Doch die Flucht endet abrupt, als der teuflische Hunter erscheint, um Christopher, Shania und Melvin zu vernichten. Nur Faith will er lebend, denn sie ist die letzte lebende Van Helsing. Die Van Helsings haben seit Jahrhunderten die Mächte der Finsternis bekämpft, bis die Hölle zurückschlug und alle Mitglieder der Familie nach und nach tötete. Nun soll Faith auf die Seite der Finsternis gezogen werden. Doch im Zweikampf erwacht das Erbe der Engel in Faith Van Helsing, und sie wird zur Kämpferin gegen die Hölle …

_Meine Meinung:_

„Die Zusammenkunft“ ist die erste Folge einer vielversprechenden Hörspielserie. Wie es sich für eine gute Pilotfolge gehört, wird erst einmal die Vorgeschichte ausführlich erzählt und die Hauptcharaktere werden vorgestellt. Faith Van Helsing wird souverän und leidenschaftlich von Nana Spier gesprochen, der Synchronstimme von Sarah Michelle Gellar/Prinze alias ‚Buffy‘.

Und an „Buffy“ erinnert auch das Konzept dieser professionell produzierten Hörspielserie: Eine junge Frau, noch eine Teenagerin, ist dazu ausersehen, mit übernatürlichen Fähigkeiten gegen Dämonen, Monster und Vampire zu kämpfen. Unterstützt wird sie dabei, ebenso wie ihr Vorbild aus dem Fernsehen, von zwei guten Freunden gleichen Alters, einem etwas älteren Lehrer und Mentor namens Christopher Lane und einem geheimnisvollen Kämpfer mit Namen Raven. Letzterer erinnert stark an Figuren wie ‚Angel‘ oder ‚Spike‘, und es würde mich nicht wundern, wenn er sich als verkappter Vampir entpuppen sollte. Hinzu kommt, dass Raven, ebenso wie ‚Spike‘, von David Nathan verkörpert wird.

Aber in diesem Hörspiel ist die Besetzungsliste von oben bis unten gefüllt mit bekannten Namen aus der Hörspiel- und Synchronbranche. Thomas-Nero Wolff, deutsche Stimme von Hugh Jackman, spricht Christopher Lane und geht in seiner Rolle sichtlich auf. Als Shania Francis brilliert Dorette Hugo. Melvin Masters wird von Boris Tessmann gemimt, und hinter dem Bösewicht Hunter steckt niemand anderer als Udo Schenk. Der Sprecher ist wie geschaffen, um den Fiesling glaubhaft dazustellen. Im Kino und im Fernsehen hört man ihn häufig als Stimme von Ray Liotta oder auch Keanu Reeves („Bram Stoker’s Dracula“). Auch das Hörspiel-Urgestein Christian Rode ist mit einem kleineren Part zu Beginn der Geschichte vertreten. Als Erzählerin fungiert Petra Wolf, die mit ihrer recht tiefen Stimme ein wenig an die Erzählerin der alten |John Sinclair|-Hörspiele aus dem Tonstudio Braun erinnert. Aber irgendwie passt die Stimme hervorragend zu den Texten. Lediglich die Dialoge sind manchmal ein wenig zu flappsig, was aber von den exzellenten Sprechern kaschiert wird.

Die Musik von Jase Brandon ist schlicht genial und passt ideal zu dem Geschehen. Länge und Trackeinteilung lassen keine Wünsche offen. Mit zirka 61 Minuten unterteilt in 19 Kapitel gehört das Hörspiel vom Umfang her zum guten Durchschnitt. Dabei wird es auch nicht langweilig, und wer auf einfache und gruselige Unterhaltung steht, wird mit |Faith| sicherlich glücklich werden. Nur die Altersempfehlung ab zwölf ist teilweise etwas zu großzügig ausgelegt worden, denn die Beinahe-Vergewaltigung ist nicht unbedingt etwas für zarte Gemüter und geht schon unter die Haut, auch wenn die Täter alsbald zu Opfern werden.

_Zur Aufmachung:_

Für die Cover-Illustrationen zeigt sich Timo Würz verantwortlich, dessen Stil wunderbar zu den Geschichten um Faith Van Helsing passt. Schrill, bunt und erotisch angehaucht, stechen die Booklets jedem Hörspielfan schnell ins Auge.

_Fazit:_

„Die Zusammenkunft“ ist der vielversprechende Beginn einer neuen Hörspielserie, die sich eng an die Fernsehserie „Buffy“ anlehnt, aber durchaus eigene Wege beschreitet und zum Teil viel ernsthafter rüberkommt.

_Besetzung:_

Faith Miles – Nana Spier (Sarah Michelle Gellar, Claire Danes, Drew Barrymore)
Christopher Lane – Thomas-Nero Wolff (Hugh Jackman, Jason Statham, Anthony ‚Giles‘ Head)
Shania Francis – Dorette Hugo (Jennifer Garner, Christina Ricci in „Ally McBeal“)
Melvin Masters – Boris Tessmann (David ‚Angel‘ Boreanaz)
Raven – David Nathan (Johnny Depp, Christian Bale, James ‚Spike‘ Marsters)
Valeria – Claudia Urbschat-Mingues (Angelina Jolie, Jennifer Connelly)
Rufina – Ursula Hugo (Brittany Murphy, Tara Reid, Julie ‚Darla‘ Benz)
Hunter – Udo Schenk (Ray Liotta, Ralph Fiennes, Kevin Bacon, Gary Oldman, Jeffrey Combs …)
Erzählerin – Petra Wolf
Helen – Daniela Hoffmann (Julia Roberts, Calista ‚Ally McBeal‘ Flockhart)
Michael – Martin Keßler (Nicolas Cage, Vin Diesel)
John – Nicolas Böll (Emilio Estevez, Joaquin Phoenix)
Monique – Anna Carlsson (Piper Perabo, Eliza ‚Faith‘ Dushku)
Samuel – Detlef Bierstedt (George Clooney, Robert ‚Freddy Krueger‘ Englund …)
Dimitri – Thomas Kästner (William ‚Raucher/Krebskandidat‘ Davis)
Ellen Miles – Joseline Gassen (Linda Hamilton, Bette Midler, Ellen Barkin, Mira ‚Delenn‘ Furlan)
Dave Miles – Charles Rettinghaus (Robert Downey jr., Jean-Claude van Damme, LeVar ‚Geordi LaForge‘ Burton)
Der Seher – Christian Rode (Michael Caine, Christopher Plummer)
Melissa – Nana Spier
Bud Nevis – Wolfgang Strauss
Felipe Rodriguez – David Russel

|61 Minuten auf 1 CD|
http://www.rb-company.de
http://85.25.136.73/shop2/index.php?user=rbcompany

_Florian Hilleberg_

Reichs, Kathy / Weingart, Karin / Fruck, Wolf-Dieter – Hals über Kopf (Lesung)

_Knochen-Krimi für die ältere Generation_

Eigentlich wollte Tempe Brennan, die forensische Anthropologin, nur Urlaub machen. Doch archäologische Ausgrabung im Sand von Dewees Island, South Carolina, fördert nicht nur Ureinwohner zutage, sondern auch eine Leiche, die erst vor wenigen Jahren hier verbuddelt wurde. In einem Sumpfgebiet auf dem Festland werden kurz darauf die Überreste eines vermeintlichen Selbstmörders entdeckt. Eigenartige Einkerbungen an den Halswirbeln der beiden Toten sagen Tempe, dass eine Verbindung zwischen den beiden Fällen bestehen muss, aber welche?

_Die Autorin_

Kathy Reichs, 1950 in Chicago geboren, Professorin für Soziologie und Anthropologie, arbeitet unter anderem als forensische Anthropologin (wie ihre Helden) an gerichtsmedizinischen Instituten von Montréal und Charlotte, South Carolina, aber auch als Gutachterin für die UNO und das Pentagon. Sie unterrichtet hin und wieder an der FBI-Akademie in Quantico, Virginia. Ihre Romane, die alle beim |Blessing|-Verlag erscheinen, wurden in 30 Sprachen übersetzt.

Weitere Romane:

[Lasst Knochen sprechen 1479
[Knochenarbeit 1229
Mit Haut und Haar
[Totgeglaubte leben länger 2083
[Totenmontag 937
Knochenlese

_Die Sprecherin_

Gesine Cukrowski wurde in Berlin geboren. Nach ersten Bühnenerfahrungen im Studententheater und 1987 in der TV-Serie „Praxis Bülowbogen“ brach sie ihr Germanistikstudium ab und begann ihre Ausbildung an der Schauspielschule Maria Körber in Berlin. 1991 stand sie erstmals vor der Kamera: für den Kinofilm „Aufstand der Dinge“ unter der Regie von Hellmuth Costard. Ihren Durchbruch hatte sie mit der TV-Serie „Und tschüss!“ (1994) sowie durch ihre Rolle im Thriller „Die Schläfer“ (1998). In der ZDF-Serie „Der letzte Zeuge“ spielt sie seit 1997 die Gerichtsmedizinerin Judith Sommer.

Die gekürzte Lesefassung stammt von Karin Weingart, unter der Regie von Wolf-Dieter Fruck nahm Klaus Trapp die Lesung im d.c. Tonstudio Berlin auf.

_Handlung_

Der Frühling beginnt für die Temperance Brennan, die Anthropologin mit dem Spezialgebiet Forensik, mehr als angenehm. Auf Dewees Island vor der Küste South Carolinas hat sie zwei Wochen lang die Vertretung für eine ehemalige Kollegin von der Universität übernommen. Sie hat eine Studentengruppe bei Ausgrabungen einer alten indianischen Stätte begleitet. Doch einen Tag vor dem Ende der Grabung, am 18. Mai., ist es um die autofreie Inselidylle geschehen, als die Dünen einen Toten freigeben, der offenbar erst vor kurzem hier deponiert wurde. Und der, wie Tempe später im Labor feststellt, wohl keines natürlichen Todes starb.

Darüber muss sie natürlich einen Bericht schreiben und eingeben. Doch das ist dem Bauunternehmer Dick Dupree gar nicht recht: Der Fund wirft seine Planung um Wochen zurück, und das kostet richtig Geld. Tja, da kann sie nichts dran ändern, meint Tempe bloß. Auch ein Journalist ist Zeuge des Funde und schreibt für die Zeitung von Charleston einen Artikel. Sein Name ist Homer Winborne. Tempe informiert den Coroner (Leichenbeschauer und Untersuchungsrichter) des Distriktes, ihre Freundin Emma Russo. Tempe schätzt, dass der Tote, den sie in den Dünen fand, vor zwei bis fünf Jahren starb.

Ihr Mann Janis Pete Peterson ruft an, um anzukündigen, dass er im gleichen Haus in Charleston wie sie wohnen wird. Als Rechtsanwalt hat er für einen lokalen Klienten einen Fall übernommen. Er soll die Bücher des Fernsehpredigers und Oberhauptes der God’s Mercy Church (GMC), Aubrey Herron, überprüfen und zugleich die verschwundene Tochter seines Klienten suchen, Helen Flynn. Sie arbeitete zuletzt für eine medizinische Einrichtung der GMC und verschwand, ohne ein Lebenszeichen zu hinterlassen. GMCs Zentrale befindet sich in Charleston.

|Leiche Nr. 1|

Als Pete am Sonntagmorgen eintrifft, erzählt er ihr, dass Helen von einem Privatdetektiv gesucht wurde. Doch der ist genauso spurlos verschwunden wie Helen. Schon merkwürdig, findet Tempe. Am Montag stößt sie bei der Untersuchung der Leiche aus den Dünen auf einen Knochenbruch im Genick des Mannes. Der Haarriss ist so fein, dass man ihn nur unter dem Mikroskop sieht. Wurde der Mann stranguliert? Und was haben die Flecken auf seinen unteren Rippen zu bedeuten?

Inzwischen macht sich Tempe zunehmend Sorgen um Emma Russo. Sie liegt im Krankenhaus und bekommt gesagt, dass die Chemotherapie gegen ihren Lymphdrüsenkrebs nicht anschlägt. Emma bricht sogar geschwächt zusammen. Als der Sheriff anruft und Emmas Dienste benötigt, bittet Emma ihre Freundin Tempe, sie zu vertreten. Alles andere wäre unverantwortlich, findet Tempe.

|Leiche Nr. 2|

Der Tote hängt im sumpfigen Wald des Nationalparks an einem Ast. Sheriff Junius Gullet führt Tempe zum abgesperrten Fundort. Alle vermuten, dass es sich bei der Leiche um Matthew Summerfield, 18, handelt, doch in seiner Hosentasche steckt die Brieftasche eines gewissen Chester Pinkney. Mit Emma, die wieder auf den Beinen ist, fährt Tempe zu Pinkneys Adresse. Pinkneys ist offensichtlich quicklebendig. Die Brieftasche wurde ihm in einer Bar geklaut. Aber wer ist dann der Tote im Wald?

Auch bei dieser Leiche stellt Tempe den unerklärlichen Genickbruch fest. Die Identifizierung per Fingerabdruck besagt, dass es sich um Noble Cruikshank handelt. Er ist der Privatdetektiv, der Helen Flynn gesucht hat, ein ehemaliger Polizist und Kriegsveteran. Emma ruft an: Cruikshanks Vermieter hat dessen Sachen in seinem Keller verstaut. Pete dürte sie anschauen. Wieder darf Tempe als Emmas Stellvertreterin mitkommen. Auf einer CD steht der Name „Flynn“. Darauf befinden sich nur Fotos. Und sie zeigen alle das gleiche Haus. Ein Haus der GMC.

Am 4. März, an dem diese Fotos entstanden, muss Cruikshank also noch gelebt haben, denn er hat sie ja geschossen. Zu dieser CD muss es auch einen PC geben. Sie fahren nochmals zum Vermieter hinaus: Den PC und die Kamera hat sich seine Neffe gekrallt. Auf dem Laptop können sie aber nicht arbeiten, denn er ist mit einem Kennwort geschützt. Stattdessen ruft der Reporter Homer Winborne an. Wieso weiß der schmierige Typ schon alles über Cruikshank? Der Sheriff muss ein Informationsleck haben.

Cruikshanks Kartons enthalten auch Zeitungsartikel mit Vermisstenmeldungen aus dem Raum Charleston. Der Privatdetektiv hat seine Arbeit darauf konzentriert, Arbeit, für die ihn niemand bezahlte. Da wird ein Schizophrener namens Lonny Aickman gesucht sowie eine Eunice Montague, eine Obdachlose. Der letzte Artikel stammt vom 14. März und betrifft die Ausgrabung auf Dewees Island. Am 19. Mai wurde Jimmy Ray Teale vermisst. Meine Güte, durchfährt es Tempe entsetzt: Das ist ja der reinste Massenmord, wenn diese Leute alle umgebracht wurden. Aber ist das wirklich der Fall?

|Nr. 3|

Eine dritte Leiche wird am Strand angespült: Die tote Frau steckt in einem Fass und weist zu Tempes Beunruhigung den gleichen Genickbruch wie die anderen beiden Leichen auf. Es ist die von Cruikshank gesuchte Eunice Montague. Sie ist auf einem seiner Fotos zu sehen – jenen Fotos von dem Haus der GMC, in dem auch Helen Flynn eine Zeit lang arbeitete, wie Pete angibt. Vielleicht wurden in dieser medizinischen Station noch mehr Verschwundene „behandelt“?

Höchste Zeit, diesem mysteriösen Haus einen Besuch abzustatten …

_Mein Eindruck_

„Temperance“, der Vorname der Heldin und Ich-Erzählerin, bedeutet „Mäßigung, Enthaltsamkeit, Abstinenz“. Zu Zeiten der Prohibition im Amerika der 1930er Jahre hatten die Temperenzlerinnen den Höhepunkt ihrer Bewegung zu verzeichnen. Tempe Brennans Einfluss beschränkt sich hingegen auf die Mäßigung von Streitigkeiten, so etwa zwischen ihren beiden Männern, dem Ex namens Pete und ihrem Freund aus Montréal, Alex Ryan. Sie liegen sich ständig in den Haaren wie Hunde, die um das Weibchen wetteifern oder ihr Revier verteidigen (was aufs Gleiche rauskommt). Aber Tempe weiß sich auch gegenüber unangenehmen Zeitgenossen wie Dick Dupree und dem Reporter Homer Winborne zu zügeln. Ihr eigenes Tempe-rament kommt dagegen mehr zum Durchbruch, wenn es darum geht, Mörder zur Strecke zu bringen.

Gemäßigt sind auch der Tonfall und das Tempo, mit denen die Story von der Jagd nach den kriminellen Organhändlern von Charleston erzählt wird. Da tauchen alte Omas auf, entlegen lebende Hinterwäldler, ständig neue Vermisstenmeldungen, Nachrichten von mysteriös verunglückten Damen und zu guter Letzt auch noch ein schier unknackbares Passwort. Dieses wenigstens sorgt für Spannung, wenn auch als eine Art „running gag“: „Hast du schon das Passwort gefunden, Schatz? – Nein, Schatz, aber es kann nicht mehr lange dauern.“ Auf diese lässige Weise hält die Erzählerin die Leser bei der Stange. Am Ende denkt sich der Leser: Herrje, da hätte sie auch gleich draufkommen können.

Dass die Autorin ihren Stoff souverän beherrscht, ihre Leserschaft dies aber auf keinen Fall merken lassen will, merkt man an manchen Stellen. Sie nimmt Rücksicht auf Leser und Leserinnen, die vielleicht nicht mehr ganz taufrisch sind (lies: Senioren) oder einen geringen Schulabschluss haben (lies: Dumpfbacken und Schulabbrecher). Für diese hält Reichs ein erprobtes Hilfsmittel bereit: die vorläufige Zusammenfassung bzw. Rekapitulation. Diese erfüllte den Zweck, eine Übersicht über das bisher Erreichte zu liefern und vor allem, die noch offenen Fragen aufzulisten. Die zwei „Recaps“ im Roman teilen diesen sauber in drei Teile: hübsch übersichtlich. Nicht nur |Reader’s Digest|-Lektoren dürften es ihr danken, sondern auch Omas, die sich nicht mehr jeden Namen merken können.

Die eigentliche Story von den kriminellen Medizinern und Organhändlern ist ja nun auch nicht mehr ganz die neueste. Bemerkenswert ist eher, dass diesmal eine dieser Sektenkirchen mit drin hängt. Damit will die Autorin vielleicht andeuten, dass bei manchen der tausend christlichen Sekten in den USA vielleicht nicht alles zum Besten steht. Die illegale Behandlung Minderjähriger, etwa bei manchen Mormonenfamilien, ist ja publik geworden. Aber wer weiß, so deutet Reichs an, was noch alles möglich ist? Die GMC-Sekten hat in ihrem Netzwerk auch eigene medizinische Stationen, und eine davon wird zur illegalen Organentnahme missbraucht. Fragt sich also, wer davon weiß und dafür verantwortlich ist.

Im Zuge ihrer Nachforschungen gerät Tempe zunehmend ins Rampenlicht, und das bekommt ihrer Gesundheit gar nicht gut. Doch es gehört ja praktisch schon zum Standard, dass die Schnüfflerin oder der Schnüffler schließlich selbst in die Schusslinie gerät. Aber dass Tempe erst ihren Hund einschließt und dann mutterseelenallein zum Strand geht, um die Sterne zu bewundern, grenzt schon an das Ergebnis einer Hirnamputation. Auf diese Weise ist bestens dafür gesorgt, dass sie umgehend überfallen werden kann.

|Die Sprecherin|

Gesine Cukrowski trägt langsam und sehr deutlich vor, so dass jede Hörer – und sei er schon in fortgeschrittenem Alter – sie verstehen kann. Womit sie sich etwas zurückhält, ist die Betonung der Satzmelodie. Nach einer Weile klingt ihr Vortrag flach und langweilig und man hofft, dass bald wieder Dialog kommt. Denn besonders bei älteren Damen scheint Cukrowski kein Problem zu haben, freundlich und hoch zu intonieren. Ein Beispiel ist die Naturkundlerin Althea Hunnicut, die schon „sehr alt“ ist, aber auch „sehr reich“.

Die männlichen Figuren darzustellen, fällt der Sprecherin schwer. Nun, Sheriff Gullet macht es ihr mit seiner betont monotonen Sprechweise sicher nicht einfach: Er soll die Ruhe in Person darstellen. Aber Chester Pinkney ist das genaue Gegenteil: ein Südstaatler, der neben einem Akzent auch eine singende Ausdrucksweise vorzuweisen hat. Cukrowskis Umsetzung fällt relativ schwach aus.

Womit die Sprecherin gar nicht klarkommt, ist die Aussprache englischer Namen. Drei Beispiele: Sie spricht den Namen Burgess wie [börges] aus statt wie [bördsches], und Emma Russo klingt bei ihr mehr wie „Rousseau“, also [ruso], statt wie [rasso].

Der Abschuss ist jedoch ihre Aussprache des Frauennamens Eunice. Korrekt sollte es wie [junis] klingen, sie sagt jedoch durchgehend [juni:k]. Die Aussprache [juni:k] ist jedoch für das englische Wort „unique“ reserviert, das „einzigartig“ bedeutet. Im übertragenen Sinne sagt Cukrowski also ständig „die einzigartige Montague“, was in keiner Hinsicht hinhaut.

|Die Übersetzung|

Auch die Übersetzung fand ich nicht so berauschend. Einmal wurde ein stehender Begriff nicht übertragen, sondern wörtlich übersetzt, was dann im Deutschen seltsam klingt. Im Englischen muss wohl „bag lady“ gestanden haben, in der Eins-zu-eins-Übersetzung wurde daraus „Tüten-Dame“. Vielleicht denkt jetzt so mancher Leser an Tüten-Suppen, gemeint ist aber eine Obdachlose, die auf der Straße lebt und ihre Habseligkeiten in Tüten mit sich herumschleppt oder in einem Einkaufswagen verstaut hat. Mit einer Dame hat das wohl kaum etwas zu tun.

_Unterm Strich_

„Hals über Kopf“ ist einer dieser Thriller für ältere Herrschaften, die auf Nummer sicher gehen. Hier werden erst eine Menge Rätsel und Spuren ausgestreut, doch nach dem ersten Drittel fein säuberlich die Befunde aufgelistet. Vor dem finalen Drittel passiert das Gleiche nochmals, denn schließlich soll der Leser auf keinen Fall den Überblick verlieren. Ältere Leser, deren Gedächtnis nicht mehr so gut funktioniert, werden es der Autorin danken (oder deren Lektorat beim Verlag). Durch die gleichzeitig aufgelisteten Fragen bleibt zudem noch Spannung für den Endspurt übrig.

Die Sache mit den kriminellen Organhändlern ist so neu nun auch wieder nicht. Und dass in den USA jedes Jahr mehrere tausend Menschen spurlos verschwinden, regt leider auch niemanden mehr auf. Für jede Menge Herzschmerz dürfte zudem das langsame Sterben von Coroner Emma Russo sorgen – höchste Zeit für den Einsatz der Taschentuchbrigade!

|Das Hörbuch|

Gesine Cukrowskis Vortrag ist deutlich artikuliert, aber unaufgeregt. Jüngere Hörer könnten in Gefahr geraten, beim Lauschen einzuschlafen, aber für ältere Herrschaften, die nicht ihre Augen anstrengen wollen, dürfte das Lesetempo genau das richtige sein. Schade, dass sich die Sprecherin mit der Aussprache englischer Namen nicht auskennt, aber man kann wohl nicht alles verlangen.

|Originaltitel: Break no Bones, 2005
Aus dem US-Englischen übersetzt von Klaus Berr
450 Minuten auf 6 CDs|
http://www.random-house-audio.de

Shocker, Dan – Nachts, wenn die Toten kommen (Larry Brent: Hörbuch 3)

Larry Brent ermittelt in Fällen mysteriöser Todesfälle von Millionären, die zu Lebzeiten alle an spiritistischen Sitzungen teilnahmen. Angeblich sind einige der dort beschworenen Toten zu neuem gespenstischem Leben erwacht und schrecken sogar vor Mord nicht zurück. Ein Privatdetektiv, der sich in diesen obskuren Zirkel einschleust, wird ebenfalls ein Opfer der Toten.

Larry Brent gelingt es Kontakt zu einigen Mitgliedern aufzunehmen, um selbst an einer Séance teilzunehmen, die in einer abgelegenen Ruine stattfinden soll. Noch ahnt X-RAY-3 alias Larry Brent nicht, dass die Nacht noch einige Überraschungen für ihn bereithält …

_Meine Meinung:_

Mit diesem Hörbuch wagen |Europa| und |Lausch| einen kleinen Sprung in der Serienchronologie. Vermutlich auch deshalb, weil es die Bände drei und vier bereits als Hörspiele aus den Achtzigern gibt, die Anfang des Jahrtausends neu aufgelegt wurden. So wurde gleich mit der Lesung des fünften |Larry Brent|-Abenteuers weitergemacht, welches für die Fans besonders interessant sein dürfte, denn Morna Ulbrandson alias X-GIRL-C hat ihren ersten Auftritt und lernt in diesem Fall ihren späteren Lieblingskollegen Larry Brent kennen. Dieser ist nicht minder erstaunt, eine derart attraktive und schlagkräftige Mitarbeiterin in den Reihen der PSA-Agenten zu haben.

Die Story an sich ist nicht mehr ganz so packend und innovativ wie die Vorlagen zu den ersten beiden Hörbüchern. „Nachts, wenn die Toten kommen“ – der Titel suggeriert dem Horror-Fan eine Geschichte, in der es um Untote oder Zombies geht, doch was den Hörer erwartet, ist eine durch und durch trashige Geschichte um Geldschneiderei und inszenierten Gespensterspuk. Natürlich zog Dan Shocker auch hier alle Register, die einen guten Gruselroman aus dem Bereich der Trivial- und Heftromanliteratur ausmachen. Allerdings kommen in dieser Geschichte eine Unzahl von Personen und Namen vor, die es dem Hörer sehr schwer machen, der Handlung zu folgen.

Ein Glück also, dass sich Rainer Schmitt abermals dazu bereiterklärte, den Roman ungekürzt und unlektoriert zu lesen. Während der |BLITZ|-Verlag die alten Heftromane gewissenhaft überarbeiten ließ und dadurch so manche Stilblüte ausmerzte, entschloss man sich bei |Europa| beziehungsweise |Lausch|, die Hefte unbearbeitet und im originalen Wortlaut zu vertonen, gewissermaßen als Hommage an den jüngst verstorbenen Dan Shocker alias Jürgen Grasmück. Rainer Schmitt verleiht jedem der Charaktere eine eigene Note und chargiert mit seiner Stimme sehr professionell, auch wenn einige weibliche Personen schon komödiantische Züge annehmen. Die Musik hingegen wirkt an einigen Stellen störend und unpassend, auch wenn sie niemals zu laut wird. Der Ton ist gelegentlich sehr dumpf und könnte ein wenig klarer sein, ansonsten ist dieses Hörbuch aber wieder ein voller Erfolg.

_Zur Aufmachung:_

Rein Äußerlich macht auch dieses Hörbuch einen sehr guten Eindruck. Die schwarze Box mit der grauen Knochenklaue passt ideal zu dem düsteren Titelbild des Künstlers Lonati. Auf der Rückseite der einzelnen CD-Hüllen bekommt der Hörer darüber hinaus Infos zu Autor, Serie und Sprecher.

_Fazit:_

Sicherlich gibt es durchaus spannendere und packendere Stoffe von |Larry Brent|, aber durch den ersten Auftritt von Morna Ulbrandson ist die Lesung dieses Romans Pflicht. Aufgrund der schauspielerischen Qualitäten von Rainer Schmitt macht dieses Hörbuch trotz der Mängel in der Handlung einen Riesenspaß.

|212 Minuten auf 3 CDs|
http://www.europa-klassiker.de
http://www.merlausch.de
http://www.blitz-verlag.de

_Larry Brent auf |Buchwurm.info|:_

Band 1: [„Das Grauen“ 2164
Band 2: [„Dämonenaugen“ 2198
Band 3: [„Die Todestreppe“ 2587
Band 4: [„Die Höllenbrut“ 2588
Band 5: [„Bluthände“ 2589
Band 7: [„Der Vampir“ 4392
Band 8: [„Im Leichenhaus“ 4356
Band 23: [„Die Mordleiche“ 3896
Band 24: [„Dartmoor“ 3897
Band 25: [„Hexensabbat“ 2281
Band 26: [„Alpträume“ 2284
Band 27: [„Dämonen“ 2423
Band 28: [„Das Höllentor“ 2465
Band 31: [„Die Gruft“ 3898
Band 32: [„Deborah“ 2684
Band 33: [„Die Vampirklinik“ 2685
Band 34: [„Der Unheimliche“ 3899
Band 35: [„Borro“ 4009
Band 36: [„Das Atoll“ 4010
Band 37: [„Leichenvögel“ 4011
Band 40: [„Die Nebelhexe“ 4755
Band 108: [„Kloster des Grauens“ 4012
Band 110: [„Das Methusalem-Projekt“ 4013
Band 113: [„Der Dämonensohn“ 3042
Band 114: [„Der Schädelgürtel“ 3043
Band 115: [„Finale“ 3077

_Florian Hilleberg_

Weidler, Christoph (Hg.) – Phase X – Magazin für Phantastik 1: Helden

_Inhalt:_

Artikel zu:

– Fritz Leiber
– William King
– Michael Moorcock
– Robert E. Howard
– Shayol Verlag
– Star Wars Comics
– Comichelden und Kino
– u.v.m.

Interviews mit William King, Michael Moorcock und Cam Kennedy

Kurzgeschichte „Wolfsgesang“ von Christoph Marzi

_Eindrücke:_

Die erste Ausgabe der „Phase X“ startet unter dem Thema „Helden“. Christoph Weidler begründet das damit, |“dass sich der Held wie andere Stilmittel auch in der Literatur weiterentwickelt hat. War er anfangs der schwertschwingende Rächer mit einer klaren Aufgabe, so ist er mittlerweile zu einer facettenreichen Figur geworden, bei der durchaus auch einmal Schwarz und Weiß zu einem Grau werden – ein Bild, welches auch in anderen Bereichen der Unterhaltung wie Film, Comic und Rollenspiel übernommen worden ist.“| Somit greift „Phase X“ also ein interessantes Thema auf und setzt es sehr informativ um.

Christel Scheja verfasste den Artikel „Barbaren, Schurken und Flötenspieler“ über das Heldenbild der Fantasy im Wandel und nimmt sich der Unterthemen: „Die frühen Helden“, „Das Heldenbild wandelt sich“, „Die Helden der Achtziger“ und „Helden heute“ an.

Holger M. Pohl glänzt mit dem Essay „Der Ewige Held“ über Michael Moorcock und sein Multiversum. Wer sich mit den großen Helden in der Phantastik beschäftigt, kommt an Michael Moorcock nicht vorbei. Zusammen mit dem „Ewigen Helden“ schuf Moorcock eine Welt, in der seine Helden leben und lieben, kämpfen und sterben. Holger M. Pohl ging der Faszination von Moorcocks Multiversum nach und sprach mit dem sympathischen Autor aus England.

Achim Hillebrand wiederum verfasste mit „Ich |kann| nicht und ich |will| nicht!“ einen Artikel über „Antihelden“. Robert Asprins oftmals verhinderter Meistermagier Skeeve, Douglas Adams‘ schusseliger Weltraumreisender Arthur Dent und Jack Vances Schuft Cugel haben auf den ersten Blick nur wenig gemein. Dennoch gehören sie alle drei zweifellos in ein und dieselbe Schublade des in der Literatur zelebrierten Heldentums – nämlich die der vielseitigen „Antihelden“.

Alfred Bester hat sich mit nur einer handvoll Romanen und einer Reihe von Kurzgeschichten einen Platz unter den großen SF-Autoren geschaffen und gilt als Pionier in Sachen PSI. Rupert Schwarz startet mit seinem Beitrag „Alfred Bester – Demolition – Die Zukunft, eine Welt der Telepathen“ die Rubrik „Klassiker der Phantastik“, in der im Laufe der Zeit (und kommenden Ausgaben) die wichtigsten Werke der phantastischen Genres Fantasy, Horror und SF vorgestellt werden sollen. Den Anfang macht somit Alfred Besters herausragendes SF-Werk [„Demolition“. 1288

In Ralf Steinbergs Artikel „Schurkische Helden“ geht es dann um Fritz Leibers unglaubliches Duo: Fafhrd und den Grauen Mausling. Sie laden zum Tanz in der phantastischen Zauberwelt Nehwon ein. Es folgen ausführliche Rezensionen der Leiber-Werke [„Der unheilige Gral“ 2340 & „Die Herren von Quarmall“, in denen es um die Abenteuer eben jenes Duos geht.

Ralf Steinberg stellt dann zusammen mit Michael Schmidt den Berliner Kleinverlag |Shayol| vor und nimmt ihn unter die Lupe. Shayol hat sich im Laufe der Jahre einen herausragenden Ruf erarbeitet, nicht zuletzt auch durch das gut gewählte Programm. Interessant ist auch die folgende „Top Ten der Phantastik-Verlage“, wo sich nach Platz eins, den |Heyne| belegt, und Platz zwei, den |Bastei| innehält, auf Platz drei bereits mit |Festa| der erste Kleinverlag behauptet, gefolgt von |Shayol|, |Edition Phantasia| und anderen.

Als erster Autor wird Robert E. Howard von Christian Endres in die „Phase X Hall of Fame“ aufgenommen. Und das zu Recht, denn Howard zählt zu den einflussreichsten und beliebtesten Autoren phantastischer Literatur aller Zeiten. Die „Phase X Hall of Fame“ wird im Laufe der Zeit all die Autoren und Autorinnen, die das Genre der phantastischen Unterhaltungsliteratur nachhaltig geprägt haben, würdigen und ihnen gleichzeitig ein strahlendes Denkmal setzen. Mit Robert E. Howard findet dies einen mehr als würdigen Beginn.

„Die Welt des Spielers“ stellt Hugh Walkers [Magira-Zyklus 3290 vor – eine phantastische Fantasywelt voller Abenteuer und Magie.

William King ist dank seiner Romane um das Fantasy-Gespann Gotrek und Felix sowie die Weltraum-Abenteuer des Spaceworld Rangar vielen „Warhammer“- und Fantasyfans ein Begriff. Der Artikel „Like A Slayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix“ beschäftigt sich mit den beiden ungleichen Schicksalsgefährten und ihrem Autor, der sich zudem zu einem Interview bereiterklärte.

Für den „Comic“-Bereich bietet Christian Endres einen Artikel über „Die Renaissance der Barbarei – Conan und die Rote Sonja: Reloaded“. Achim Hiltop schließt sich mit „A. Mr. Fett To Se You, Sir …“ an und berichtet von Jedi-Rittern, Kopfgeldjägern und Gardisten – über „Star Wars“ in Comicform.

Die pure Unterhaltung bietet Christoph Marzi mit „Wolfsgesang“; in der düster-phantastischen Geschichte setzt er den Plot des Märchens „Rotkäppchen und der Wolf“ einmal anders um.

Doch das ist noch lange nicht alles, was die erste Ausgabe der „Phase X“ zu bieten hat! Entgegen manch anderem Magazin startet dieses fast ohne Fehl und Tadel. Und das ist wahrlich beeindruckend.

Zur Aufmachung: Auf gutem Papier, in einem handlichen Taschenbuchformat und einem übersichtlichen und dennoch künstlerischen Layout gedrucktes Infotainment und Unterhaltung. Auch das Paperbackformat weiß zu überzeugen. Somit ist „Phase X“ ein Magazin, das nicht nur für „Phantasten“ empfehlenswert ist!

Fazit: Ein sehr ansprechendes Phantastik-Magazin mit Sammlerqualitäten!

|Hrsg. Christoph Weidler
Phase X – Helden
Nr. 1
Atlantis Verlag, Stolberg, Februar 2006
A5, Magazin für Phantastik, ISBN 3-936742-35-9
Titelillustration: Chris Schlicht / Titelgestaltung: Christian Endres
URL des Verlags: http://www.atlantis-verlag.de |

Interview mit Andreas Gruber, Teil 2

[Zum ersten Teil des Interviews]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=87

Andreas Gruber wurde am 28.08.1968 in Wien geboren. Er studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien, arbeitet als kaufmännischer Angestellter in einem Teilzeitjob, hat einen Sohn und lebt verheiratet in Grillenberg in Niederösterreich.

1996 begann er mit dem Schreiben von Autorenportraits, die im Magazin |Space View| abgedruckt wurden. Ab 1997 verfasste er Kurzgeschichten für Fanzines wie |Fantasia|, |Nocturno|, |Sagittarius|, |Solar-X| und das |Andromeda|-SF-Magazin. 1999 war er mit einer Story Preisträger des [NÖ Donaufestivals.]http://www.donaufestival.at

Mittlerweile erschienen seine Kurzgeschichten in zahlreichen Magazinen, u. a. |Alien Contact|, |Nova|, |Omen|, |phantastisch!| und |Space View|, sowie in Anthologien der Verlage |Aarachne|, |Abendstern|, |Basilisk|, |BeJot|, |Bielefeld|, |BLITZ|, |Lacrima|, |Midas|, |Richter|, |Schröter|, |Shayol|, |Storia|, |UBooks|, |VirPriV|, |Wurdack| und |Ulmer Manuskripte|.

Sein Kurzgeschichtenband „Der fünfte Erzengel“ (|Shayol|, derzeit in 2. überarb. Aufl.) wurde zum |Deutschen Phantastik-Preis| 2001 nominiert und erreichte den 4. Platz. Mit seinem zweiten Kurzgeschichtenband „Die letzte Fahrt der Enora Time“ (|Shayol|, derzeit in 2. überarb. Aufl.) erzielte er 2002 den 1. Platz beim |Deutschen Phantastik-Preis| in den Kategorien „Beste Kurzgeschichte“ und „Beste Kollektion“, sowie den 2. Platz beim |Deutschen Science-Fiction-Preis| und den 3. Platz beim |Kurd-Lasswitz-Preis|.

Die phantastische Detektiv-Kurzgeschichten-Serie „Jakob Rubinstein“ erschien im |Basilisk|-Verlag und erzielte beim |Deutschen Phantastik-Preis| 2004 den 4. Platz.

Der Roman „Der Judas-Schrein“ erschien im April 2005 als Hardcover im |Festa|-Verlag und gewann 2006 den |Deutschen Phantastik-Preis| in der Kategorie „Bestes Roman-Debut“. Danach Arbeitsstipendium Literatur 2006, österreichisches Bundeskanzleramt. Ende 2007 erschien der Roman „Schwarze Dame“ im |Festa|-Verlag und Anfang 2008 der Roman „Das Eulentor“ im |BLITZ|-Verlag. Für das dritte Quartal 2008 ist der Roman „Die Engelsmühle“ im |Festa|-Verlag in Vorbereitung.

|Die Biographie wurde der offiziellen Autoren-Website http://www.agruber.com entnommen und geringfügig bearbeitet.|

_Andreas Gruber auf |Buchwurm.info|:_

[„Schwarze Dame“ 4584
[„Der Judas-Schrein“ 2113
[„Der fünfte Erzengel“ 1907

_Zweiter Teil des Interviews mit Andreas Gruber, geführt von Alisha Bionda am 5. März 2008_

_Alisha Bionda:_
Nachdem wir im ersten Teil über dich als Mensch, deine Hobbys und Kurzgeschichten gesprochen haben, möchte ich jetzt näher auf deine Romane eingehen. Der erste, den ich von dir las, war „Jakob Rubinstein“, der im Mai 2003 im |Basilisk|-Verlag erschien und fünf Phantastik-Krimis des jiddischen Privatdetektivs aus den düsteren Ecken Wiens beinhaltet. Mit Jakob Rubinstein hast du einen Charakter mit Herz, Humor, Verstand und vor allem liebenswerten Marotten geschaffen, von dem man gerne mehr gelesen hätte. Ist da irgendwann eine Fortsetzung angedacht? Bestenfalls als komplexer Roman?

_Andreas Gruber:_
„Jakob Rubinstein“ war ja streng genommen kein Roman, sondern ein Episodenroman. Der dicke jiddische Detektiv und sein homosexueller Bekannter, der Kolumnist Nicolas Gazetti, mussten fünf mysteriös-phantastische Fälle lösen. Grundsätzlich hatte ich schon damals eine Idee für einen Roman, der damit beginnen sollte, dass Rubinsteins drei Goldfische Sammy, Davis und Junior entführt werden. Doch zu dem Roman ist es nie gekommen, da mir die Arbeit an „Der Judas-Schrein“ dazwischenkam.

_Alisha Bionda:_
„Der Judas-Schrein“, dein erster düster-phantastischer Roman – ich mag ihn nicht in das Genre Horror eingliedern, das würde ihm nicht gerecht -, erschien dann als Hardcover im |FESTA|-Verlag in „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Frank Festa?

_Andreas Gruber:_
Das ist eine lange Geschichte, aber ich versuche, mich kurz zu fassen: Frank Festa hat mir vor vielen Jahren das Angebot gemacht, als Herausgeber und Redakteur eines Horror-Magazins zu fungieren. Ich hatte jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass ich lieber selbst Storys schreibe als welche herauszugeben. Im Jahr darauf kam dann das damals für mich großartige Angebot, als Co-Autor bei einer Serie mitzuschreiben. Das Konzept war gut, der Hauptautor ein erfahrener Schreiber, doch je mehr wir Story und Charaktere entwickelten, desto mehr entfernte sich die Geschichte von jenen Ideen, die ich gerne umsetzen wollte. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem die Story nicht mehr meine war. Daher verließ ich das Boot noch während der Entwicklungsphase. Ein halbes Jahr später schlug ich Frank Festa dann die Idee zu einem eigenständigen Roman vor. Es war die Plot-Idee zu „Der Judas-Schrein“.

_Alisha Bionda:_
Hattest du das Manuskript da schon fertig? Oder hast du den Roman speziell für diese Reihe geschrieben?

_Andreas Gruber:_
Zunächst erstellte ich nur das fünfseitige Exposé und die Dossiers der wichtigsten Protagonisten, dann kamen die Recherchen, danach folgte der Autorenvertrag, und erst dann begann ich mit dem Schreiben. Hätte Frank zuvor gewusst, dass ich ein 450-Seiten-Manuskript abliefern würde, hätte er den Vertrag wahrscheinlich rasch durch den Papiershredder gejagt.

_Alisha Bionda:_
Ich oute mich da gerne, dass mir „Der Judas-Schrein“ sehr gut gefallen hat, von der Stimmung und der Atmosphäre her, aber auch, wie du den Lovecraft’schen Plot umgesetzt hast. Besonders angesprochen hat mich dann auch das offene Ende, das Raum für eine Fortsetzung ließe. Wurden dahingehend schon Leserstimmen laut, die eine solche fordern? Kann man damit rechnen?

_Andreas Gruber:_
Ich denke, wer das Epilog-Kapitel von „Der Judas-Schrein“ kennt, weiß, dass der Roman abgeschlossen ist und es keine Fortsetzung geben kann. Natürlich ist, gerade im Horror-Genre, immer eine Fortsetzung möglich, aber „Der Judas-Schrein“ ist eine in sich geschlossene Story, das Ende ist zwar absichtlich ein wenig offen, aber das ist ja gerade das Schreckliche daran, weil man trotzdem genau weiß, was los ist, was mit Körner passieren wird und wer hinter den Machenschaften steckt … Trotzdem haben Frank Festa und ich vor Jahren über eine eventuelle Fortsetzung nachgedacht. Das Gespräch dauerte aber nicht lange, denn wir waren einer Meinung. Es sollte kein zweiter Aufguss erfolgen, der versucht, an den Erfolg des Romans anzuknüpfen. „Der Judas-Schrein“ sollte selbständig für sich stehen bleiben. Lieber Zeit und Hirnschmalz in ein völlig neues Projekt investieren.

_Alisha Bionda:_
„Der Judas-Schrein“ erschien im |FESTA|-Verlag auch als Paperback. Ist es eine reine Neuauflage oder wurde der Roman überarbeitet? Wenn ja, inwieweit?

_Andreas Gruber:_
Es wurde nichts am Manuskript verändert. Frank schlug zwar die Idee vor, den Roman eventuell zu kürzen, aber ich habe mich dagegen entschieden. Es gibt so viele Leser, denen das Buch gefällt, weil sie – wie du vorhin selbst sagtest – die Stimmung und die Atmosphäre so sehr lieben, dass ich nichts daran ändern wollte.

_Alisha Bionda:_
Im |FESTA|-Verlag erschien Ende 2007 mit „Schwarze Dame“ ein Psychothriller, der von dem Privatermittler Peter Hogart handelt, der beauftragt wird, in Prag nach einer Kollegin zu suchen, die in einem Fall von Versicherungsbetrug ermittelte und spurlos verschwand. Das „SF-Radio.net“ sagt unter anderem über diesen Roman, dass es dir bis weit in das letzte Drittel des Buches gelingt, nicht nur deine Protagonisten zu täuschen, sondern vor allem auch die Leser immer wieder mit falschen oder unvollständigen Hinweisen in die Irre zu führen und dass „Schwarze Dame“ handlungstechnisch dein bislang ambitioniertester Roman ist. Siehst du das auch so? Hast du dich in diesen Roman besonders „eingebracht“?

_Andreas Gruber:_
Vor Jahren, als ich noch keine Storys geschrieben hatte, habe ich nie verstanden, warum Autoren auf die Frage, was sie für ihr bislang bestes Buch halten, immer die gleiche Antwort gaben, und zwar: Das Buch, an dem sie gerade arbeiteten. Mittlerweile weiß ich, dass das keine leere Phrase, sondern tatsächlich so ist. Wie alle Autoren, so versuche auch ich, mich in jedes Projekt besonders reinzuknien und das nächste Buch besser zu machen als das vorherige. Natürlich war das bei „Schwarze Dame“ genauso. Ich habe versucht, interessante, lebendige Charaktere zu zeichnen, einen spannenden und interessanten Plot bis zur letzten Seite zu entwerfen, ihn mit ungewöhnlichen Schauplätzen und stimmigen Recherchen zu hinterfüttern, dabei aber keine angloamerikanischen Mainstream-Thriller zu kopieren, sondern etwas Erfrischendes, Neues zu erschaffen. Große Worte, ich weiß. Aber das war zumindest das Ziel, das ich mir für dieses Buch gesteckt hatte. Ob es mir gelungen ist, kann ich nicht beantworten, das wissen die Leser besser als ich.

_Alisha Bionda:_
Was hat dich an dem Plot am meisten gereizt?

_Andreas Gruber:_
Die neuen Wendungen, die die Handlung mit sich brachte. Der Plot verlässt ja nie die Erzählperspektive von Peter Hogart – insofern ist es ein geradlinig erzählter Roman ohne Rückblenden oder Nebenplots. Umso mehr habe ich daher versucht, der Handlung mit mehreren so genannten Plot-Twists eine gewisse Dynamik zu verleihen, sodass der Leser nie weiß, wie es nun weitergeht, oder was als nächstes passieren wird.

_Alisha Bionda:_
Haben sich die oben angeführten „Täuschungsmanöver“ während des Schreibens entwickelt – sprich per Eigendynamik – oder war das Exposé von Anfang an von dir so festgelegt?

_Andreas Gruber:_
Täuschungsmanöver am Protagonisten oder am Leser, die sich beim Schreiben als Eigendynamik entwickeln, gehen doch meistens in die Hose. Wenn am Schluss eines Films oder eines Romans sich plötzlich eine völlig unplausible Wendung ergibt, weil der Gute in Wahrheit der Böse ist, oder umgekehrt, und sich diese Wendung während des gesamten Romans nie abgezeichnet hat, dann wird der Leser meines Erachtens für dumm verkauft. Filme wie „Fight Club“ oder „The Sixth Sense“, die meiner Meinung nach die besten Pointen der letzten Jahre zu bieten hatten, waren im Handlungsverlauf so plausibel, dass die Schlusspointe eine logische Folge war, die sogar angedeutet wurde, aber dennoch so raffiniert versteckt war, dass man sie nicht finden konnte. Das ist, glaube ich, die große Kunst: eine Überraschung aus dem Hut zu zaubern, die plausibel und logisch ist, aber nicht gleich vom Leser entdeckt wird. Und so etwas ergibt sich nicht einfach beim Schreiben. Da muss man schon lange darüber im Exposé brüten und alles bis ins kleinste Detail ausarbeiten – falls es überhaupt klappt.

_Alisha Bionda:_
Ebenfalls bei |FESTA| geplant ist nun mit „Die Engelsmühle“, der zweite Fall des Privatermittlers Peter Hogart, der im September 2008 erscheinen soll. Was erwartet den Leser da? Gibst du den Lesern einen kleinen „Appetizer“?

_Andreas Gruber:_
Natürlich gern: Der Versicherungsdetektiv Peter Hogart bleibt diesmal in Wien. In „Schwarze Dame“ habe ich ihn ins Ausland, auf fremdes Terrain, nach Prag geschickt, diesmal bleibt er in seiner gewohnten Umgebung. Es beginnt damit, dass der pensionierte Rückenmarksspezialist Abel Ostrovsky in seiner Villa am Stadtrand Wiens brutal gefoltert und ermordet wird. Vor seinem Tod kann er noch ein Videoband verstecken. Auf der Suche nach diesem Film zieht der Killer eine blutige Spur durch die Stadt. Peter Hogart und sein Bruder Kurt finden das Video vor dem Mörder und werden so selbst zur Zielscheibe. Allerdings ist auf dem Film nur eine neunminütige Schwarzweiß-Sequenz zu sehen: Der schäbige Raum eines Krankenhauses, durch den eine Frau im Rollstuhl fährt. Mehr will ich aber nicht verraten, denn dann kommt schon die erste Überraschung.

_Alisha Bionda:_
War von Anfang an mehr als ein Hogart-Band bei |FESTA| geplant oder hat sich das während der Entstehungsphase von „Schwarze Dame“ so ergeben? Vor allem, sind da noch weitere geplant? Sozusagen eine „Hogart-Reihe“?

_Andreas Gruber:_
Ich war in Leipzig bei einer Buchpräsentation von „Der Judas-Schrein“. Am Nachmittag vor der Lesung war ich im Hause Festa zur Kaffeejause eingeladen. Dort besprachen wir das Konzept für zwei Peter-Hogart-Romane und unsere beiden Ehefrauen plauderten fröhlich mit, was ich besonders lustig fand. So entstanden die Idee, das Genre, die Atmosphäre und die Richtung, in die beide Bücher gehen sollten. Ob man schon von einer „Hogart-Reihe“ sprechen kann, weiß ich noch nicht. Es gibt bislang nur Verträge für zwei Romane. Eine dritte Idee spukt mir zwar vage durch den Kopf, die ist aber noch nicht im Detail ausformuliert.

_Alisha Bionda:_
Wie sich erkennen lässt, ist deine Zusammenarbeit mit |FESTA| wohl langfristiger angelegt oder irre ich da?

_Andreas Gruber:_
Jetzt heißt es mal abwarten und Tee trinken. Abwarten, wie gut sich „Schwarze Dame“ verkauft, wie die Peter-Hogart-Fortsetzung „Die Engelsmühle“ bei den Lesern ankommt, und ob das Publikum noch einen dritten Band wünscht.

_Alisha Bionda:_
Was besonders bei den drei neuen FESTA-Romanen von dir auffällt, sind die äußerst ansprechenden Cover. Wurdest du in die Motivauswahl eingebunden oder waren sie reine Verlagsentscheidungen?

_Andreas Gruber:_
Nach dem Erfolg von „Der Judas-Schein“, mit dem ja wirklich keiner gerechnet hatte, bot mir Frank Festa eine eigene Autoren-Layout-Reihe an, also sämtliche Bücher im selben Schriftzug mit Wiedererkennungswert. Frank hatte eine klipp und klare Vorstellung, was die Cover zum Ausdruck bringen sollten. Ich erhielt die Schriftzüge und Covermotive zur Ansicht, bei einem Roman sogar zwei Motive zur Auswahl, zu denen ich meine Meinung abgeben konnte. Obwohl mir das Lovecraft’sche Tentakelwesen auf dem Judas-Schrein-Hardcover gefiel, bin ich mit der neuen subtilen Layoutreihe mehr als zufrieden. Die Cover gefallen mir ausgesprochen gut, und ich kann sie sogar meiner Mutter zeigen, ohne dass sie in Ohnmacht fällt.

_Alisha Bionda:_
Du erwähntest einmal deinen Qualitätsanspruch. Inwieweit liegt dieser auch bei der Gestaltung deiner Titel vor? Welche Wünsche/Ansprüche erhebst du dort? Legst du zum Beispiel Wert auf Innenillustrationen, wie ich es im Falle des Romans „Das Eulentor“ mit Mark Freier zusammen erarbeitet habe? Bevorzugst du – wenn überhaupt – eher Grafiken wie die angesprochenen von Mark Freier oder eher Illustrationen? Und hast du einen bevorzugten Künstler?

_Andreas Gruber:_
Nein, überhaupt nicht. Mir gefallen zwar die Grafiken von Mark Freier und Rainer Schorm besonders gut, aber da ich bisher nur Werke von Künstlern gesehen habe, die wirklich gut sind, könnte ich mich gar nicht entscheiden. Ich würde also nie im Leben sagen: „Um Gottes Willen, die Werke dieses oder jenes Malers kommen nur über meine Leiche aufs Buch.“ Wichtig ist nur: Das Motiv sollte zur Handlung passen, der Stil zum Logo und zur Buchreihe. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn Leser durch Coverbilder in die Irre geführt werden. Beispielsweise entscheidet – zumindest bei mir – beim Kauf eines Buches auch das Auge mit. Besonders irritierend finde ich etwa Covers mit Weltraumschlachten bei SF-Romanen, in denen dann keine Weltraumschlacht vorkommt.

_Alisha Bionda:_
Ein düster-phantastischer Abenteuerroman in der Tradition von Jules Verne erschien mit „Das Eulentor“ unlängst von dir im |BLITZ|-Verlag. Was hat dich dazu bewogen, diese Thematik zu wählen? Kannst du bitte erläutern, wie es zu der Idee des Romans kam?

_Andreas Gruber:_
In der bunten Wochenendbeilage der Zeitung habe ich einmal einen Querschnitt der Erde gesehen. Zufällig lag der Kugelschreiber fürs Kreuzworträtsel darüber, und es sah so aus, als würde ein Tunnel quer durch den Planeten führen. Also war die Idee geboren, dass es einen solchen Schacht tatsächlich gäbe, möglichst weit oben im Norden, wo es kalt und unwirtlich ist, und dass er erforscht werden müsse. Ich hatte bereits damit begonnen, ein Exposé für einen Roman zu entwerfen, der in der Gegenwart spielen sollte, als ich von dir das Angebot für einen Roman in der Poe-Reihe des |BLITZ|-Verlags bekam. Ich beschäftigte mich also mit den Werken von Poe, Verne und Mary W. Shelley, um ein Gespür für das Thema zu bekommen, erinnerte mich aber zugleich an das Exposé mit dem Schacht im Ewigen Eis. Schließlich verlagerte ich die Handlung ins Jahr 1911, wo der Schacht mit dampfbetriebenen Gondeln erforscht werden sollte. Der Roman erschien dann zwar nicht wie geplant in der Poe-Reihe, sondern in der neuen Horror-Hardcover-Reihe bei |BLITZ| – doch so kam er jedenfalls zustande.

_Alisha Bionda:_
Ich weiß, dass dich der Roman einiges an Recherche gekostet hat.

_Andreas Gruber:_
Ja, da galt es einerseits, die technischen Möglichkeiten jener Zeit herauszufinden, wie man einen solchen Schacht erforschen konnte, bei denen mir Kurt Kobler, ein befreundeter SF-Fan, behilflich war. Andererseits bat ich meinen ehemaligen Physikprofessor Viktor Schädel um Rat, wie sich Temperatur, Anziehungskraft und Luftdruck in siebzig Kilometern Tiefe verändern könnten – und das war gar nicht so einfach, weil sich die Meinungen teilten. Und zuletzt ging es noch darum, eine Arktisexpedition jener Zeit so wahrheitsgetreu wie möglich zu schildern. Dabei waren mir zahlreiche Bücher über die Expeditionen von Amundsen, Scott, Shackleton und Valerian Albanow behilflich. Es ist schrecklich, manche von ihnen kämpften jahrelang im Ewigen Eis ums Überleben, weil sie einfach keinen Weg heraus fanden.

_Alisha Bionda:_
Wie gestaltet sich bei dir die Endphase der Arbeit an einem Roman?

_Andreas Gruber:_
Kurz vor dem Abgabetermin beim Verlag drucke ich mir das Manuskript aus, um es noch einmal zu lesen. Ich korrigiere herum. Dann gebe ich es noch einem Testleser zu lesen. Sicherheitshalber. Warte seine Meinung ab, diskutiere mit ihm und korrigiere wieder herum. Eigentlich müsste ich das Buch schon längst abgeben, aber es gibt noch ein paar Ecken, die mir nicht gefallen. Also lese ich ein Schreibbuch, beispielsweise von Albert Zuckerman oder Christopher Vogler, um mich inspirieren zu lassen. Dann wird noch einiges in den Kapiteln umgestellt, nichts Großes, nur Kleinigkeiten, die der Leser vermutlich nicht einmal bemerken würde. Aber ich habe das Gefühl, dass der Roman dann hundertprozentig fertig ist. Besser kann ich es nicht. Dann schicke ich das Manuskript an den Verlag.

_Alisha Bionda:_
Wie ist dein Empfinden nach Beendigung eines Romans? Kannst du gut „loslassen“? Mir persönlich fällt das hin und wieder schwer, und es ist beinahe so, als müsse ich einen guten Freund ziehen lassen. Wie sieht das bei dir aus?

_Andreas Gruber:_
Wenn das Manuskript den PC über die Telefonleitung verlassen hat, lehne ich mich erstmal zurück und entspanne mich. Ich gönne mir ein paar Tage Faulenzen und verbringe die Zeit mit Fernsehen oder Lesen. Es ist eine Art Erleichterung, wieder einen Teil erledigt zu haben, eine Storyidee endlich abgeschlossen zu haben – so als würde man die Festplatte eines PCs neu formatieren. Der Roman ist weg, und mein Kopf ist frei für neue Dinge. Endlich kann ich etwas Neues beginnen, das mich schon seit Monaten unter den Fingern juckt.

_Alisha Bionda:_
Was zeichnet für dich die Zusammenarbeit mit Kleinverlagen aus?

_Andreas Gruber:_
Ich erinnere mich gern daran, wie du mir angeboten hast, einen Roman für den |BLITZ|-Verlag zu schreiben. Ich habe den Wortlaut nicht mehr genau im Kopf, aber in der E-Mail stand ungefähr Folgendes: „Du hast jeglichen Handlungsfreiraum, keine Einschränkungen, kannst sogar das Seitenlimit sprengen, falls erforderlich, allerdings müsste das Skript in die Poe-Reihe passen.“ Das sind die Zauberworte, die meinen kreativen Motor anwerfen und zum Glühen bringen, bis die Bolzen davonfliegen. Die Arbeit mit Klein- und Mittelverlagen zeichnet sich für mich genau dadurch aus. Man kann sich künstlerisch entfalten, austoben und richtig gehen lassen.

_Alisha Bionda:_
Wie zufrieden bist du zum Beispiel mit der Vermarktung deiner Titel? Wo könnte deines Erachtens noch etwas verbessert werden?

_Andreas Gruber:_
Die Rezensionsexemplare sind raus, Kataloge erscheinen, Werbungen werden geschaltet, Pressebesprechungen werden online gestellt. Ich bin rundum zufrieden. Was kann man da noch mehr machen? Die Verleger tun alles, damit die Leser erfahren, dass das Buch am Markt existiert. Wenn es gut ist, stimmen die Verkaufszahlen. Meines Erachtens jammern die Verleger aber trotzdem viel zu viel – die typische Berufskrankheit eines Selbständigen. Wenn die nicht jammern, sind sie es nicht. Ich habe bisher nur eine einzige Ausnahme kennengelernt: Andreas Schröter, der Verlagsleiter des |Schreiblust|-Verlags. Er leistet professionelle Top-Arbeit, bringt voller Enthusiasmus schöne Anthologien heraus, jammert aber nicht. Stattdessen kniet er sich lieber voll ins Geschäft. Hier ist übrigens die Webseite seines Verlags: http://www.schreib-lust.de.
(Anmerkung A. B.: Da stimme ich Andreas Gruber zu. Ich habe auch schon mit Andreas Schröter zusammengearbeitet und er ist wirklich ein Paradebeispiel dafür, wie positiv eine Zusammenarbeit und der Umgang mit Menschen/Kollegen sein können.)

_Alisha Bionda:_
Wie weit bringst du dich in die PR ein? Hältst du regelmäßig Lesungen ab?

_Andreas Gruber:_
Ich hatte vor Jahren ein interessantes Schlüsselerlebnis. Und zwar telefonierte ich mit der Programmleiterin der österreichischen Buchhandelskette |Libro|, weil ich ihr ein Rezensionsexemplar eines meiner Bücher schicken wollte. Falls es ihr gefiele, könnte sie ja in Erwägung ziehen, es ins Sortiment aufzunehmen. So dachte ich mir das zumindest! Allerdings hat mich die Frau am Telefon – auf gut Deutsch – „zusammengeschissen“, weil ich ihre Zeit stehle. Würde das jeder Autor machen, hinge sie nur noch am Telefon. Allerdings dauerte die Moralpredigt zehnmal länger als meine Anfrage. Jedenfalls erklärte sie mir ausführlich, dass es zweimal jährlich Vertretertagungen gäbe, bei denen die reisenden Vertreter die Projekte mit Prospekten anbieten, und dann würde im Management entschieden, was im nächsten Jahr in die Läden kommt – oder so ähnlich. Seitdem halte ich mich aus dem Vertrieb raus. Je größer der Verlag wird, desto undurchsichtiger wird für mich der Dschungel des Vertriebs. Meine PR beschränkt sich auf Lesungen mit Signierstunden und auf meine Webseite, wo ich Leseproben und Rezensionen anbiete. Ich denke mir das so: Schuster bleib bei deinen Leisten und mache das, was du besser kannst: nämlich nicht Bücher verkaufen, sondern Bücher schreiben.

_Alisha Bionda:_
Wie ist das Feedback bei deinen Lesungen? Und wie der Kontakt zu deinen Lesern?

_Andreas Gruber:_
Hin und wieder traut sich jemand nach der Lesung zu mir, um mich anzusprechen. Darüber freue ich mich immer besonders, weil ich mit den Leuten gern plaudere. Ich rede auch gern vorher mit den Zuhörern, bevor ich ein Buch signiere, weil ich immer gern etwas Persönliches reinschreibe. Und was die Leser betrifft: Manchmal bekomme ich eine E-Mail von jemandem, der mir einfach nur schreiben möchte, dass ihm der Roman oder eine bestimmte Kurzgeschichte gefallen hat. Kommt zwar selten vor, aber dafür sind Freude und Überraschung umso größer.

_Alisha Bionda:_
Mit welchem Großverlag würdest du gerne zusammenarbeiten?

_Andreas Gruber:_
Ich habe die wahnwitzige Idee, für einem Großverlag zu arbeiten, der mir sagt: „Schreib das Buch so, wie du glaubst, dass es richtig ist“, ohne dass mir das Lektorat beispielsweise andere Charaktere einredet oder ein anderes Ende aufoktroyiert. Selbstverständlich muss ich von Lektoren noch unendlich viel lernen, was Stil, Plotstrukturen oder Charakterentwicklung betrifft. Ich bin nicht perfekt und werde es auch in zehn Jahren nicht sein, weil es immer etwas gibt, das man dazulernen muss, aber wie gesagt – ich möchte nicht in eine Richtung geführt werden, von der ich nicht überzeugt bin. Dann wäre es nicht mehr mein Buch.

_Alisha Bionda:_
Ich habe dir zwar in Teil eins unserer Interviews eine ähnliche Frage gestellt, aber in ausgewogenerer Form keimt sie gerade wieder in mir auf. Ich habe dich seinerzeit einmal darauf angesprochen, ob du in einer bestimmten Serie mitschreiben möchtest, und du hast mir einen „Korb“ gegeben. Fürchtest du da um deine schöpferische Freiheit? Hast du konkrete Vorstellungen über die unterschiedlichen Formen der Serienzusammenarbeit? Oder hast du dich rein vom „Bauch“ heraus dagegen entschieden?

_Andreas Gruber:_
Ich habe aus dem Bauch heraus „nein“ gesagt. Ich werde aber versuchen, es im Nachhinein rational zu begründen: Das Schwierige einer Serie ist für mich, dass viele Köche an einem Brei rühren. Was dabei rauskommt, ist nicht aus einem Guss – kann auch gar nicht aus einem Guss sein. Es gibt Höhen und Tiefen einer Serie, weil Subplots auf der Strecke bleiben, Charaktere sich plötzlich anders entwickeln oder anders geschildert werden, und vor allem gibt es Brüche im Erzählstil der Serie, weil jeder Autor eine unterschiedliche Schreibweise oder eine unterschiedliche Herangehensweise an das Thema hat. Der eine schreibt literarisch antiquiert, der andere hat einen saloppen, frechen, zynischen Stil und der dritte schreibt wiederum künstlerisch experimentell, knapp, pointiert und abgehackt. Jetzt kannst du natürlich argumentieren, dass gerade das den Reiz einer Serie ausmacht. Für mich als Leser ist das aber eher unbefriedigend. Da lese ich lieber die Serie eines einzigen Autors, wie beispielsweise die Hexer-von-Salem-Serie von Hohlbein oder die Mark-Brandis-Serie von Nikolai von Michalewsky. Und jetzt sag mir bloß nicht, Hohlbeins Hexer-Serie stammt von mehreren Autoren, denn das würde mein Weltbild zerstören.
(Anmerkung A. B.: Es gibt auch Serien, die nur von zwei Autoren bestritten werden, die sich so perfekt ergänzen, dass sie sich beide frei entfalten können und es dennoch oder genau aus dem Grund ein qualitativ hochwertigeres Ergebnis gibt – aber ansonsten stimmt es schon, ich möchte es modifizieren: die |falschen| Köche verderben sehr schnell den Brei. Aber dann muss man die Rezeptur möglichst rasch ändern. Ansonsten: Es kommt immer darauf an, wie sich solche Autoren ergänzen, so pauschal würde ich persönlich das nicht sehen. Das kommt dann auch auf die Serie und den Autor an.)

_Alisha Bionda:_
Was mich damals erstaunte, möchte ich in eine Zusatzfrage kleiden: Serienarbeit bietet dem Autor – zumindest in der damals von mir angefragten Form – ja die Möglichkeit, durch die Mitarbeit an dem Exposé einen oder mehrere Charaktere zu formen und vor allem mit mehr Muße auszubauen als in einem begrenzten Roman. Sprich, du wärest als Autor sozusagen an der Entwicklung beteiligt, was neue Wege bedeutete, woran man als Schriftsteller auch wachsen kann. Reizt dich das nicht?

_Andreas Gruber:_
Nein – und du hast dir die Antwort eigentlich schon selbst gegeben. Ich wäre als Autor an der Entwicklung „beteiligt“. Meine Ideen wären bloß ein Teil in einem Pool vieler Ideen. Bei einem Storybeitrag zu einer Themenanthologie ist das okay, im Rahmen einer Buchserie fühle ich mich aber nicht wohl. Ich bin nun mal ein sturer Hund, der nur dann Kompromisse eingeht, wenn er muss. Das bedeutet, dass ich nur dann etwas schreibe, wenn ich hundertprozentig überzeugt bin, dass es genau das ist, was ich machen will. Andernfalls ist es für mich Zeitverschwendung. Ich fürchte, das klingt jetzt etwas arrogant, was nicht beabsichtigt ist, daher möchte ich versuchen, es anders zu erklären: Ich wende für die Schreiberei irrsinnig viel Zeit auf – Freizeit, in der ich Bücher lesen, Filme sehen, Musik hören oder etwas mit Freunden oder der Familie unternehmen könnte. Aber es ist meine eigene Entscheidung, vor dem Monitor zu hocken, während andere an einem sonnigen Tag ins Freibad gehen. Ich habe es mir so ausgesucht. Und wenn ich in dieser Freizeit schreibe, muss es mir Spaß bereiten. Falls ich also an einer Serie mitarbeite, und plötzlich entscheidet das Autoren-Team, dass die Plotwendung in diese Richtung geht, sich jener Charakter so oder so entwickelt, Informationen an den Leser an einer anderen Stelle platziert werden, um sie früher oder später zu ernten – und ich mich mit diesen Dingen nicht identifizieren kann -, würde ich nur noch mit Widerwillen weiterschreiben.

_Alisha Bionda:_
Und abschließend zu der Thematik: Wenn ich heute noch einmal „anklopfen“ würde, wäre die Antwort wieder ein klares „No“ oder mittlerweile ein „Vielleicht“?

_Andreas Gruber:_
Manche Autoren sind gesellige Serienschreiber, manche Autoren schreiben lieber allein. Ich gehöre zu Letzteren, daher leider wieder: No.

_Alisha Bionda:_
Du sagst ja selbst, dass dir – als Leser – Crossovergeschichten, aber auch solche Romane gefallen. Du selbst spielst ja auch mit den Genres, mischst sie. Gibt es eine „Kombination“, die dich besonders reizen würde? Oder gibt es ein Genre, in das du noch gerne vorstoßen würdest?

_Andreas Gruber:_
Steampunk klingt interessant. Für dieses Genre habe ich bisher nur ein oder zwei Kurzgeschichten geschrieben. Aber ein utopischer Roman, der im viktorianischen London des Jahres 1888 spielt, würde mich reizen. Stell dir vor, Jack the Ripper hätte einen mit Dampf betriebenen Teleporter oder etwas Ähnliches. Aber ich habe natürlich keine Ahnung, ob die Idee nicht schon jemand anders vor mit hatte.

_Alisha Bionda:_
Wie sieht im Allgemeinen deine Planung aus? Legst du grob fest, wie viele Projekte du im Jahr bewältigen möchtest/kannst? Sprich, wie gehst du da vor?

_Andreas Gruber:_
Wie der Tausendfüßler: Ein Schritt nach dem anderen. Im Durchschnitt arbeite ich an einem Roman zwischen neun und zwölf Monate, falls mir keine Kurzgeschichten dazwischenkommen. Zeitweise überschneidet sich die Arbeit an zwei Büchern, weil bei einem das Endlektorat ansteht, während ich beim nächsten bereits die Recherchen beendet habe und am Prolog schreibe. Im Grunde genommen habe ich nur einen Zwei-Jahres-Plan, was ich als nächstes gern machen möchte, und einen Kopf voller Ideen. Aber leider geht nicht alles gleichzeitig, also muss ich Prioritäten setzen, das heißt, ich mache jenes Projekt als nächstes, das mir am meisten unter den Fingern brennt und sich mit einem Autorenvertrag fixieren lässt.

_Alisha Bionda:_
Lieber Andreas, vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit deinen Projekten und mir weiterhin Bücher von dir – und möchte in absehbarer Zeit in Teil drei des Interviews (und danach sporadisch in Folge) über deine neusten Aktivitäten mit dir plaudern.

Oeming, Michael Avon / Carey, Mike / Rubi, Mel – Red Sonja 1: Die Schwertkämpferin

_Story_

In einem unzivilisierten Zeitalter, in dem Männer und der Glauben an den allmächtigen Himmlischen die Welt prägen, kämpft eine Frau, die wegen ihrer feuerroten Haare, ihrer teuflischen Ausstrahlung und vor allem wegen ihrer Talente am Schwert gefürchtet wird. Dennoch wird sie von den mächtigen Herrschern gejagt und wegen ihres bloßen Daseins verachtet, obwohl ihre Motive sie stets zu gerechten Taten leiten.

Aus diesem Grund lässt sich Sonja bei ihrer bislang schwersten Mission auch wieder auf ein unmoralisches Zweckbündnis ein. Ihr einstiger Peiniger beauftragt sie, dem allgegenwärtigen Himmlischen gegenüberzutreten und ihn endgültig auszulöschen. Wohl wissend, dass das Schicksal einer ganzen Welt von ihrem Auftrag abhängt, willigt sie in das Bündnis ein – und muss zum ersten Mal in ihrem Leben dem Tod ins Auge sehen.

_Persönlicher Eindruck_

Red Sonja? Da werden unwiderruflich Erinnerungen an das peinliche 85er B-Movie mit Brigitte Nielsen und Arnold Schwarzenegger wach, die seinerzeit den vorläufigen Tiefpunkt ihrer Schauspiel-Karriere manifestierten, um den sich trotz der absolut mangelhaften cineastischen Qualität heute ein regelrechter Kult rankt. Zumindest unter Fans des zweiten Schwarzenegger-Filmhelden gilt der darstellerische Zwischenfall als ein Pflichteintrag in der eigenen Biografie, und sei es nur, um sich ob der mangelhaften Kulissen oder der schwachen Handlung eine ganz besondere Variante des Amüsements zu bereiten.

Dennoch griffen diverse Schriftsteller und selbst Autoren der |Marvel Comics| das Thema in der Folgezeit mehrfach auf, bevor die rothaarige Hauptdarstellerin dann schleichend von der ganz großen Bühne verschwand. Dementsprechend überraschend ist daher auch das plötzliche Comeback, welches in den Staaten kürzlich eine neue Serie etablierte, deren ansprechender Erfolg Grund genug war, die illustrierte „Red Sonja“ auch jenseits des großen Teichs wieder aufzulegen. Band 1, „Die Schwertkämpferin“, allerdings schürt vorerst die Zweifel, ob dieser Entschluss auch tatsächlich wohlbedacht war. Wirklich überzeugen kann die Story des hierzulande als Sammelband veröffentlichten Softcovers jedenfalls noch nicht.

Das Problem ist schnell auf den Punkt gebracht: Der Story fehlt es an Spannung, einem schlüssigen Hintergrund und vor allem an echten Szene-Highlights. Statt sich auf einen Hauptplot zu konzentrieren, zersplittert sich die Erzählung in viele belanglose Momentaufnahmen, die erst mit dem Schlussszenario einigermaßen ansprechend zusammenlaufen. Bis dorthin allerdings schlägt sich die Heldin durch zahlreiche Grabenkämpfe, sorgt für ein hohes Blutaufkommen, erwehrt sich schier übermächtiger Feindeshorden und fährt ganz nebenbei noch eine ganz eigensinnige Schiene der Emanzipation. Parallelen zur abenteuerlichen Filmproduktion sind dabei natürlich nicht ausgeschlossen, grundsätzlich aber nicht erwünscht! Gerade nämlich was die permanent flachen Dialoge betrifft, wird dem Potenzial der Story von Beginn an das Wasser abgegraben.

Andererseits muss man natürlich sehen, was man mit der Figur „Red Sonja“ assoziiert – und gerade hier wird dann so manch einer doch noch auf seine Kosten kommen. Denn sowohl der B-Movie-Charakter der Erzählung als auch die schludrige Ausstrahlung der Figuren sollten allemal ausreichen, um den anspruchslosen Action-Comic-Liebhaber aus der Reserve zu locken. Hinzu kommt ein äußerst prachtvolles zeichnerisches Gesamtbild, welches zumindest die Optik des Comics zu einem rundum gelungenen Unterfangen macht. Dennoch können die wunderschönen Bilder von Mel Rubi nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Story – bei allem Respekt – ein kompletter Totalausfall ist. Denn auch wenn „Red Sonja“ bei ihrem einstigen Filmdebüt insgeheim den Begriff Trash maßgeblich prägte, so sollte man mit etwas Weitsicht nicht den gleichen Fehler begehen und diesen Umstand weiterhin zu betonen. In „Die Schwertkämpferin“, dem Comic-Debüt, ist dies leider nichtsdestotrotz geschehen.

http://www.paninicomics.de/red-sonja-s10539.html

Bionda, Alisha / Kleudgen, Jörg – Vabanque (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 10)

Band 1: [„Der ewig dunkle Traum“ 1899
Band 2: [„Kuss der Verdammnis“ 1900
Band 3: [„Die Kinder der fünften Sonne“ 1949
Band 4: [„Blutopfer“ 1977
Band 5: [„Der Schattenkelch“ 2483
Band 9: [„Der Vampir von Düsseldorf“ 4100

Von Peter Kürten, dem Vampir von Düsseldorf, haben Dilara und Calvin den Hinweis auf einen mächtigen Vampir erhalten, der in der Lage ist, Lee Khan, den Drachen, zu stürzen. Dieser Widersacher wurde von Khan einst getötet und sein Leib geteilt. Haupt, Herz und Rumpf wurden an drei verschiedenen Orten versteckt, um eine Rückkehr des Vampirs zu verhindern. Kürten hat Dilara vor seinem Tod noch den entscheidenden Hinweis auf Paris gegeben, wo das Vampirpaar bei Dilaras Künstlerfreundin Nuit unterkommt. Ist das Herz des mächtigen Blutsaugers tatsächlich in der Kirche Sacré-Cœur verborgen?

Währenddessen suchen Guardian und sein Begleiter Semjasa in den Katakomben von Wien nach den Gebeinen des Widersachers von Lee Khan. Doch der Drache hat an beiden Fronten bereits Fallen aufgestellt, in denen sich seine Feinde fangen sollen.

Zwischenzeitlich wird Dilara immer wieder von ihrer Erinnerung eingeholt, in der sie erneut die Krönung Napoleons miterlebt …

_Meine Meinung:_

Der zehnte Schattenchronik-Roman (der letzte von Alisha Bionda als Co-Autorin) präsentiert sich äußerlich in altgewohnter Form. Doch leider weist schon die Aufmachung im Inneren des Buches erhebliche Mängel auf. Eine Innenillustration von Pat Hachfeld prangt bereits auf Seite eins und fristet ein einsames Dasein, denn auf weitere Illustrationen wurde, aus welchen Gründen auch immer, verzichtet. Auch auf das Inhaltsverzeichnis muss der Leser verzichten. Die Kapitel beginnen einfach im Text, wobei Kapitel zwei nachträglich eingeschoben zu sein scheint, denn es ist das einzige, welches keine lateinische Überschrift trägt.

Rein textlich betrachtet konnte glücklicherweise die hohe Qualität der Vorgänger-Bände gehalten werden. Gut 160 Seiten hat das Autoren-Team Bionda/Kleudgen mit viel Handlung und ausreichend Vampiratmosphäre gefüllt. Der Kampf gegen den großen Widersacher Lee Khan tritt in die entscheidende Phase. Dabei muss der Leser in diesem Band hauptsächlich drei Handlungsebenen verfolgen: Dilara und Calvin in Paris, Guardian und Semjasa in Wien, sowie Dilara zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts. Gerade die Vergangenheitsepisoden sind sehr eindringlich und authentisch geschildert worden. Napoleons Krönung zum Kaiser ist dabei nur Nebensache. Hauptsächlich geht es um Dilaras Bekanntschaft mit Friedrich Esterházy und Shei An Khan. Gemeinsam jagen sie einen mächtigen Vampir, der nicht nur Khans Gefährtin entführt hat, sondern auch die geheimnisvolle Schattenchronik. Das titelgebende Buch ist sowieso viel zu selten Gegenstand der laufenden Handlung und es ist ein geschickter Schachzug, die Chronik in Zusammenhang mit dem aktuellen Zyklus dem Leser wieder ins Gedächtnis zu rufen.

In der Gegenwart bekommen es Dilara und Calvin mit einer ganz besonderen Form von Kunst zu tun. Die Ereignisse gipfeln in einem bombastischen Finale unterhalb der Kirche Sacré-Cœur, welches ziemlich blutig ausfällt, ohne dass die Autoren die Grenze des guten Geschmacks überschreiten. Immer noch gilt die Devise: Stimmung statt Gemetzel. Der Part von Guardian und Semjasa unterhalb der Stadt Wien ist ebenso gelungen, und es ist großartig, dass Guardian endlich einen aktiveren Part erhalten hat. Dafür musste in diesem Band größtenteils auf Mick und Luna Sangue verzichtet werden. Auch die Handlung um die Rivalität der alten Nosferati untereinander und die Erweckung des Demiurgen ist zunächst in den Hintergrund geraten. Hier zeigt sich deutlich, dass die einzelnen Bände zu wenige Seiten haben, um der Fülle an Figuren und Handlungssträngen gerecht zu werden. Band 12 (September 2008) und 13 (März 2009) sind übrigens mit doppelter Seitenstärke angekündigt, dafür aber nicht mehr unter der Herausgeberschaft von Alisha Bionda und Wolfgang Hohlbein. Genaueres dazu ist noch nicht bekannt.

Das Cover von Mark Freier ist sehr kunstvoll ausgefallen, wenngleich nicht ganz so atmosphärisch, wie bei den Vorgänger-Bänden. Im Hintergrund ist die Kirche Sacré-Cœur zu sehen, die im Roman ja eine tragende Rolle inne hat. Die Innenillustration von Pat Hachfeld kommt leider aufgrund ihrer Größe nicht so gut zur Geltung.

_Fazit:_ Spannende und temporeiche Fortsetzung mit originellen Einfällen. Die Handlung läuft stringent ab, und neben einigen blutigen Szenen dominiert auch hier die düstere Atmosphäre. Langsam aber sicher streben die Ereignisse auf ein großes Finale zu. Leider wurde im Gegensatz zu den restlichen Schattenchronik-Bänden auf die Illustrationen von Pat Hachfeld sowie auf das Inhaltsverzeichnis verzichtet.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Ruff, Matt – Bad Monkeys

Wenn Matt Ruff ein neues Buch veröffentlicht, ist das für sich genommen schon ein Anlass zur Freude. Ruff ist alles andere als ein fleißiger Schreiber und hat es in den 20 Jahren seit seinem Debütroman „Fool on the Hill“ auf gerade einmal insgesamt vier Bücher gebracht. Nichtsdestotrotz hat er eigentlich für jedes seiner Werke viel Lob geerntet. So ist es vielleicht auch ganz gut, dass er nicht dem Hype verfällt und weiterhin auf Qualität statt auf Quantität setzt – lieber sporadisch und dafür stets von gleichbleibend hoher Qualität, als viel Mittelmaß oder gar Ramsch.

Für sein aktuelles Werk „Bad Monkeys“ hat Ruff sich nur vier Jahre Zeit gelassen – für seine Verhältnisse schon fast ein Anfall von Arbeitswut. Herausgekommen ist der mit 251 Seiten bisher kompakteste Ruff, der wieder einmal (auch das ist typisch für ihn) in keine Schublade passt.

Ruff selbst sieht „Bad Monkeys“ als eine Hommage an Philip K. Dick. Wer deswegen einen astreinen Science-Fiction-Roman erwartet, der liegt dennoch daneben – wenn auch nur irgendwie. „Bad Monkeys“ ist Verschwörungsthriller, Coming-of-Age-Roman, Krimi und Science-Fiction-Geschichte in einem. Ein wilder Genremix, in dem Ruff die verschiedensten Elemente unter einen Hut bringt.

„Bad Monkeys“ erzählt die Geschichte von Jane Charlotte. Jane sitzt in der psychiatrischen Abteilung eines Gefängnisses in Las Vegas ein und ihre Anklage lautet auf Mord. Sie leugnet nicht die Tat, sondern will dem zuständigen Psychiater nur die genaueren Umstände erläutern. Jane behauptet, Mitglied einer Geheimorganisation zu sein und dort in einer Unterabteilung namens „Bad Monkeys“ zu arbeiten, deren genauer Name „Abteilung für die finale Ausschaltung nicht zu rettender Personen“ lautet.

Hier ist Jane für das Ausschalten böser Menschen zuständig, die bereits Schaden angerichtet haben und dies auch in Zukunft zu tun gedenken. Das Eliminieren der Zielpersonen erfolgt dabei stets so unauffällig wie möglich.

Jane ist für den Job als Bad-Monkey-Agentin prädestiniert: Schon als Teenager hat sie den Hausmeister ihrer Schule (einen mutmaßlichen Kindermörder) auf eigene Faust zur Strecke gebracht. Jane wird von den Bad Monkeys rekrutiert und schreitet mit vollem Eifer zu Werke, schießt dabei aber auch manchmal über das Ziel hinaus.

Je mehr Jane davon dem Psychiater erzählt, desto mehr kommen Zweifel an ihrer Geschichte auf. Ist das alles überhaupt wirklich passiert? Der Psychiater weiß viel über Jane und konfrontiert sie mit immer neuen Fakten, die ihre Geschichte in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen, wie z. B. die Geschichte ihres kleinen Bruders, der als Kind entführt wurde. Sieht die Wahrheit vielleicht doch ganz anders aus?

„Bad Monkeys“ ist allem voran ein temporeicher Roman. Ruff versteht es, den Leser unmittelbar in den Plot zu ziehen. Ruff springt immer wieder hin und her, zwischen Janes Gespräch mit dem Psychiater und ihrer Vergangenheit. Schlag auf Schlag ziehen die Ereignisse ihre Kreise. Schon nach wenigen Seiten steuert Ruff den ersten Spannungshöhepunkt an: Jane verfolgt den Hausmeister, und damit knüpft Ruff einen dermaßen dichten Spannungsbogen, dass man schon von Beginn an völlig hingerissen von der Lektüre ist.

Ruff versteht sich darauf, den Leser gewissermaßen einzulullen. Er hat eine so eingängige und lebhafte Sprache, erzählt in so klaren, plastischen Bildern, dass man schnell tief in die Geschichte gesogen wird. Dieses Talent hat er auch in früheren Romanen schon bewiesen. Ruff hat eine Art zu erzählen, bei der er dem Leser noch so abstruse Begebenheiten unterjubeln kann – der Leser schluckt willig so ziemlich alles.

Dieses Prinzip funktioniert auch bei „Bad Monkeys“ wieder wunderbar – zumal der temporeiche Aufbau des Romans sein Übriges dazu tut. Obendrein spannt Ruff diesmal den Leser mit ganz existenziellen Fragen auf die Folter: Was ist die Realität? Wer ist Jane Charlotte? Je weiter der Plot sich entrollt, desto mehr drängen sich diese Fragen in den Vordergrund, und das erinnert in gewisser Weise dann eben tatsächlich an die Romane von Philip K. Dick („Blade Runner“, „Minority Report“, „Total Recall“, „Paycheck“, „A Scanner Darkly“, „Next“ …).

Ruff spielt mit der Wahrnehmung des Leser, und auch wenn man innerlich schon auf die klassischen psychologischen Schachzüge gefasst ist (schließlich drehte Ruffs letzter Roman „Ich und die anderen“ sich um das Thema Persönlichkeitsspaltung), so ist man auf den Paukenschlag des furiosen, atemlosen Finales dann doch nicht wirklich vorbereitet. Ruff dreht alles gnadenlos auf den Kopf, zaubert eine unerwartete Wendung nach der anderen aus dem Hut und fordert den Leser damit richtig heraus.

Sind die ersten Zweidrittel des Romans eine Mischung aus spannenden, teils gar schaurigen und vor allem phantastischen Elementen, erzählt von einer Figur (Jane Charlotte), mit der man stets mitfiebert, so dürfte so mancher Leser vom letzten Drittel etwas überfordert sein. Manch einem mag das „Matrix“-mäßige Finale dann doch etwas zu dick aufgetragen sein, und ganz eindeutig geht Ruff hier bis an die Grenze des Erträglichen. Wie er das Ganze am Ende dann aber auflöst und eine unerwartete Wendung nach der anderen präsentiert, das wäscht ihn dann zu einem nicht unerheblichen Teil doch wieder rein. Ruff war halt schon immer der Meister abgefahrener Plots.

Alles in allem bleibt damit ein positiver Eindruck zurück. Matt Ruff beweist mit „Bad Monkeys“ wieder einmal seinen Sonderstatus als Schriftsteller. „Bad Monkeys“ ist ein ungewöhnlich kompakter Ruff, aber er strotzt vor atmosphärischer Dichte und Spannung. Ruff schafft es wieder einmal, einen höchst sonderbaren und absurden Plot auf so eingängige und leichtfüßige Art zu erzählen, dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Ein abgefahrener Genremix, der in keine Schublade passt und sich vielleicht am ehesten noch mit Jasper Ffordes [„Der Fall Jane Eyre“ 4165 vergleichen lässt.

http://www.hanser-verlag.de

_Die Romane von Matt Ruff:_
„Fool on the Hill“ (auf Deutsch 1991 erschienen)
„G.A.S. – Die Trilogie der Stadtwerke“ (1998)
[„Ich und die anderen“ 2712 (2004)
„Bad Monkeys“ (2008)

Palmer, Rob – Gejagt

Rob Palmer ist Juraprofessor und Anwalt. Anders als man es vielleicht erwartet, spielt sein erster Roman „Gejagt“ aber nicht in einem stickigen Gerichtssaal, sondern in einem ganz anderen Milieu.

Ben Tennant arbeitet für ein Zeugenschutzprogramm, wo er die Antragsteller auf Zeugenschutz auf Herz und Nieren auf ihre Eignung überprüft. Nebenbei besorgt er bedrohten Leuten aber auch privat eine neue Existenz, doch diese kleine Nebentätigkeit wird ihm eines Tages zum Verhängnis. Er organisiert der gerissenen Betrügerin Patrice Callan, deren Äußeres ihn nicht unbeeindruckt lässt, ein neues Leben. Wenig später steht die CIA bei ihm vor der Tür und verlangt, dass er den Aufenthaltsort von Patrice bekannt gibt. Man glaubt, dass ihr Leben in Gefahr ist, aber Ben stellt das in Frage. Die angeblichen Sonderermittler gehen in seinen Augen dafür zu brutal vor.

Nachdem er diesen Leuten entkommen ist, macht er sich selbst auf die Suche nach der schönen Betrügerin. Doch er ist nicht alleine. Als er sie gefunden hat, merkt er, dass man Patrice bereits auf die Schliche gekommen ist, und gemeinsam mit Patrices Tochter Cherry gelingt es ihnen zu fliehen. Doch sie haben mehr als nur einen Feind, wie sie schließlich feststellen, denn Patrice besitzt etwas von unschätzbarem Wert: Ein ehemaliger Lover hat ihr den Schlüssel für ein Bankschließfach vermacht, in dem sich etwas befindet, das für die einen einen monetären und für die anderen einen ideellen Wert hat – und es kann großen Schaden anrichten. Es versteht sich von selbst, dass die beiden, die sich immer näher kommen, den Schlüssel nicht herausrücken wollen, doch dann wird Cherry entführt und es scheint, dass sie keine andere Wahl mehr haben …

Rob Palmers Debütroman wirkt auf weiten Strecken sehr bemüht und kann trotz des Einfallsreichtums des Autors kaum Spannung aufbauen. Dazu fehlt es an einer fesselnden Atmosphäre. Außerdem sind die Verwicklungen, in welche die beiden Protagonisten geraten, an einigen Stellen zu unübersichtlich. Das Ende des Romans ist zwar nicht vorhersehbar, aber es fehlt eine geschickte Spannungskurve, die die Erwartungen des Lesers ankurbelt. Die wüste Hetzjagd auf Patrice und Ben wirkt zu sehr in die Länge gezogen und bietet wenig Abwechslung. Das ist schade, denn an und für sich hat man das Gefühl, dass der Autor sich bemüht hat.

Das zeigt sich vor allem an den Personen. Ben hat eine Gabe, die ihn für seine Arbeit beim Zeugenschutzprogramm geradezu prädestiniert. Er erkennt an Benehmen, Kleidung und Auftreten einer Person, was ihre Absichten sind und häufig auch noch Dinge, welche die Person lieber verbergen würde. Er besitzt eine starke Intuition, und Palmer gelingt es, diese Besonderheit authentisch herüberzubringen und sie im ganzen Buch immer wieder auftauchen zu lassen. Ansonsten wirkt der Protagonist etwas blass und alltäglich. Seine Vergangenheit wird nur selten thematisiert und seine Gedanken und Gefühle gehen innerhalb der Handlung ein wenig unter.

Die anderen Charaktere haben ein ähnliches Problem. Auch sie wirken schablonenhaft, nicht besonders gut ausgearbeitet. Das trägt zusätzlich dazu bei, dass die Spannung flach bleibt. Es passiert einfach zu selten etwas, das wirklich originell ist und hängenbleibt. Der Schreibstil kann über dieses Manko nicht hinweghelfen. Er ist darauf bedacht, möglichst detailliert zu berichten, und besitzt nur einen geringen Wiedererkennungswert. Palmer verfügt über einen guten Wortschatz und formuliert sauber und abwechslungsreich, doch er wirkt dabei streckenweise zu bemüht.

Rob Palmers Debütroman „Gejagt“ zeigt vielversprechende Ansätze. Die Handlung ist gut ausgedacht, doch leider ist die Umsetzung nicht besonders spannend. Die Charaktere wirken – trotz guter Ansätze – blass, genau wie der Schreibstil. Beides ist nicht unbedingt schlecht, aber definitiv noch ausbaufähig. „Gejagt“ ist ein durchschnittlicher Thriller, der sich kaum aus der Masse heraushebt.

http://www.heyne.de

Thiemeyer, Thomas / Schäfer, Lutz / Steck, Johannes – Magma (Lesung)

_Unterhaltsamer, spannender Geologiethriller_

Ein verschwundener Forscher, mysteriöse Kugeln aus Stein, eine Supernova im Sternbild Orion – die amerikanische Erdbebenforscherin Ella Jordan steht vor einem Rätsel. Als sie sich per Tauchboot zum tiefsten Punkt der Erdoberfläche hinunter wagt, scheinen die Ereignisse und Phänomene endlich einen schrecklichen Sinn zu ergeben.

Aus dem Tiefseegraben dringen seismische Signale, die viel zu regelmäßig sind, um natürlichen Ursprungs sein zu können. Doch plötzlich registrieren Ellas Kollegen von überall an den Bruchzonen der Kontinentalplatten Aktivitäten. Vulkane brechen aus, Erdbeben verwüsten die Erdoberfläche, das Klima droht zu kippen. Doch wo liegt der Schlüssel zu diesem Rätsel – und zur Rettung der Erde? (erweiterte und abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Thomas Thiemeyer, geboren 1963, studierte Geografie und Geologie in Köln. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in Stuttgart und arbeitet als selbständiger Illustrator und Umschlagdesigner. Seine Romane „Medusa“ und „Reptilia“ entwickelten sich zu Bestsellern.

Thomas Thiemeyer auf |Buchwurm.info|:

[Interview vom September 2004]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=25
[Interview vom März 2007]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=74
[„Medusa“ 482
[„Reptilia“ 1615
[„Magma“ 3415

_Der Sprecher_

Johannes Steck, geboren 1966 in Würzburg, ist Absolvent der Schauspielschule Wien. Von 1990 bis 1996 hatte er Engagements an verschiedenen Theatern. Dem breiten Publikum ist er vor allem aus dem TV bekannt. Er spielte in zahlreichen TV-Serien. Steck arbeitet zudem als Radio-, Fernseh- und Synchronsprecher. Er hat schon diverse Hörbücher gelesen.

Regie führte Lutz Schäfer, der Tonmeister war Gerhard Wölfle, Tonregie führte Hardy Meiser. Die Aufnahme fand in den |Dorian Gray Studios| in Eichenau statt.

Das Titelbild, das der Autor geschaffen hat, entspricht dem der Buchausgabe beim |Droemer-Knaur|-Verlag.

_Handlung_

|PROLOG.| Am 19 Mai 1954 begegnet der italienische Geologe Francesco Mondari in den Südtiroler Alpen einem merkwürdigen Phänomen. Als sein Kompass spinnt, schaut er sich um und bemerkt einen Felsbrocken. Indem er diesen aufhämmert, legt er einen glänzenden Fremdkörper frei, der sich als superhart erweist – zu hart selbst für Diamant! Als Mondari den Hammer wiederholt einsetzt, erscheinen Risse und leuchtende Schriftzeichen auf dem kugelförmigen Gebilde. Die Helligkeit nimmt ebenso zu wie die Hitze. Der Stein teilt sich. Die Explosion fegt Mondari von den Beinen …

|Haupthandlung.|

Fünfzig Jahre später, am 22. März. Es ist zwar Frühlingsanfang, doch Schnee fällt in den Eifelbergen auf das große Radioteleskop von Effelsberg. Die Astrophysikerin Jan Zieglow betrachtet die neuesten Daten aus dem Sternbild Orion. Der Riesenstern Beteigeuze – er muss in einer Supernova explodiert sein! Sie informiert sofort ihren Chef Martin Enders von der Sensation, der nur meint: „Wir rufen sofort alle an!“

Dr. Ella Jordan von der George Washington Universität ist Spezialistin für Kontinentaldrift und Erdbeben. Sie hat den Zeitungsartikel über die neue Supernova gelesen, aber da dieser Stern 400 Lichtjahre entfernt ist, interessiert er sie nicht sonderlich. (Sollte er aber.) Gerade als sie als frischgebackene Professorin ihre Antrittslesung halten soll, treten Dekan Jagger und der Mineraloge Prof. Sonnenfeld ein und holen Ella aus der Vorlesung. Sie ist sauer, als Sonnenfeld ihren Job übernimmt. Noch saurer wird sie, als Jagger ihr in seinem Büro zwei unbekannte Gentlemen vorstellt, die ziemlich militärisch aussehen.

Esteban und Billings sind vom Office for Naval Research (ONR), der Behörde für Meeresforschung, und bitten Ella erstens um Hilfe, zweitens laden sie sie auf eine Expedition in den elf Kilometer hinab reichenden Tiefseegraben bei den Marianen-Inseln ein. Ella bestätigt, dass von dort sehr merkwürdige, weil regelmäßige seismische Erschütterungen gemessen werden, deren Ursprung ein Rätsel ist. Ella ist geplättet, als Esteban ihr auf seinem Laptop-PC Echtzeitwerte von dieser Gegend zeigt. Der Puls erscheint genau alle zwei Stunden 48 Minuten. Wer verursacht den Puls? Die Frage kann sie beantworten, wenn sie mitkommt und hinabtaucht. Gebongt!

Bevor sie nach Guam abreist, wo das US-Militär einen Marinestützpunkt unterhält, warnt ein anonymer Anrufer sie vor der Teilnahme an der Tauchfahrt. Er zitiert sogar aus ihren psychologischen Akten, so dass sie sich geradezu entblößt vorkommt, aber das hält sie nicht davon ab, am 25. März auf Guam einzutreffen. Sie hat an Joaquin Esteban Gefallen gefunden und mit ihm das Bett geteilt. Ihr Ex ist schon wieder verheiratet und hat ihre zehnjährige Tochter Cathy mitgenommen. Sie braucht wegen eines One-Night-Stands keine Gewissensbisse zu haben, sagt sie sich.

Beim Abendessen mit Admiral Arthur J. Johnson bekommt Ella den Schweizer Wissenschaftler Konrad Martin vorgestellt. Er erscheint Ella wie ein kalter und harter Mann, dieser angebliche Marinegeologe. Es dauert nicht lange, und die beiden streiten sich über ihr Fachgebiet, weil Martin in Ellas Augen „Bullshit“ redet. Der Admiral und Esteban müssen vermittelt eingreifen. Ellas Argwohn ist jedoch geweckt, und sie behält diesen angeblichen Schweizer genau im Auge. Da erhält Admiral Johnson die Nachricht, dass die Streitkräfte in Alarmbereitschaft gemäß DEFCON 4 versetzt worden sind!

In der Nachrichtenzentrale der Pazifikstreitkräfte erfährt Ella, was los ist. Überall am so genannten „Feuerring“ der Vulkane, der den Rand des Pazifikbeckens umgibt, haben sich Erdbeben ereignet und Risse zwischen den Kontinentalplatten aufgetan. Aus diesen Rissen dringe flüssiges Gestein, so genanntes Magma, aus dem Erdinneren. Was das Phänomen so furchteinflößend macht, ist die Tatsache, dass dies alles gleichzeitig passiert, als würde es gesteuert …

Das japanische U-Boot |Yakasuka| mit dem Tauchboot |Shinkai| läuft bereit am nächsten Tag aus, um einem Sturm zuvorzukommen, der im Anzug ist. Ella findet Kapitän Yamagata sehr sympathisch, aber auch Konrad Martin ist an Bord, und das verursacht ihr ein mulmiges Gefühl. Wenige Stunden später informiert Esteban sie, dass er glaubt, eine Bombe sei an Bord. Er sei in Wahrheit Geheimagent. Na toll, meint Ella, die sich hintergangen fühlt. Diese Offenbarungen kommen wohl ein wenig spät.

|Schweiz|

Unterdessen bereitet sich ein Wissenschaftler in einem Bunker unter den Schweizer Alpen auf das nahe Ende der |Shinkai| vor. Prof. Elias Weizman arbeitet in seinem eigenen kleinen Gravitationslabor, das zu der Forschungseinrichtung von Elaine Kowarski gehört. Ihr Vater Lev Kowarski gründete das Labor 1954 nach dem Vorfall mit Francesco Mondari. Was niemand außer Elains Mitarbeitern weiß: Die Metallkugel, die damals explodiert sein soll, existiert immer noch, und zwar in einem geheimen Hochsicherheitsraum. Die Kugel gibt alle zwei Stunden und 48 Minuten einen Puls ab. Genau wie die seismische Quelle am Grund des Marianengrabens. Prof. Weizman sitzt vor seinem Laptop, den Finger über der ENTER-Taste, um den Befehl zu geben …

|Deutschland|

Im Radioobservatorium von Effelsberg beginnt Martin Enders, sich zunehmend über seine Mitarbeiterin Jan Zieglow zu wundern. Was treibt sie eigentlich? Sie hat in den 20 Millisekunden vor der Supernova-Explosion Beteigeuzes merkwürdige Signale entdeckt. Und jetzt redet sie auch noch von Aliens, um Himmels willen!

|Vor Guam|

Die |Shinkai| erreicht fast den Grund der Challengertiefe im Marianengraben, fast 11.000 Meter unter der Meeresoberfläche. Da entdeckt der Kapitän zu seinem Entsetzen, dass der Meeresboden geradezu glüht! Sein Boot hat keinen Hitzeschild. Sie müssen sofort umkehren. Ella, die protestiert, zeigt ihm einen Felsbuckel, der eine Zuflucht bietet. Von dort kommen die seismischen Impulse. Erste Untersuchungen zeigen, dass es sich um eine metallische Kugeln mit einem Durchmesser von 200 Metern handelt. Das Ding stamme nicht von der Erde, wird Ella klar, es ist außerirdischen Ursprungs.

Als Yamagata die Kugel anbohren lässt, rührt sich etwas. Konrad Martin warnt vor einem Magma-Geysir. Angst schnürt Ella die Kehle zu. Die |Shinkai| versucht einen Notstart. Bloß weg hier! Ein Blitz blendet sie, ein Knall dröhnt in ihren Ohren, massive Schwerkraft zerrt an ihr. Sie verliert das Bewusstsein …

_Mein Eindruck_

Von dieser Stelle weitet sich der Horizont allmählich aus, bis er die globale Ebene erreicht hat. Schließlich muss jemand alle Puzzleteilchen zusammensetzen, um das Rätsel der mysteriösen Kugeln zu lösen, die irgendjemand queerbeet über die Welt verstreut hat, und zwar fatalerweise genau dort, wo die Bruchstellen der Erdkruste liegen. Die Kugeln erzeugen, genau wie die im Marianengraben, seismische Wellen, die sich gegenseitig verstärken. Die Folgen kann man sich leicht ausrechnen. Doch wer löst das Rätsel und worin besteht die Lösung? Dreimal darf man raten: natürlich die Hauptfigur Ella Jordan.

Wie es aussieht, haben die Aliens vom Beteigeuze die Erdlinge auf den Prüfstand gestellt. Die menschliche Qualifikation zum Überleben scheint von gewissen Faktoren abzuhängen, aber von welchen? Kann Ella Jordan die Lösung schnell genug finden, bevor die ganze Erdkruste ihre ameisenhaften Bewohner abwirft und verschlingt?

In seiner globalen Sicht und dem Postulat, dass die Menschheit ihre Überlebensfähigkeit beweisen muss, nähert sich der Autor Kollegen wie Eschbach (in [„Ausgebrannt“) 3487 und Kim Stanley Robinson (seine letzte Trilogie über den Klimawandel) deutlich an. Doch bleibt er auch dem Thriller und dem Abenteuerroman verpflichtet und entführt den Leser an eine Reihe exotischer Schauplätze, um dessen Lust am Sonderbaren zu befriedigen. Dazu gehören auch sibirische Pelzjäger und eine Übernachtung neben einem Gestaltwandler …

Das Garn ist unterhaltsam gesponnen. Weitere Zutaten sind finstere Hintermänner und noch finsterere Auftragskiller, eine Reihe von Liebesabenteuern der Heldin und selbstverständlich Entkommen in letzter Sekunde (San Francisco). Ob das mit den Strahlen vom Beteigeuze so hinhaut, das wissen bloß die Teilchenphysiker, und ob man die seismischen Wellen so hochschaukeln kann, das Mutter Gäa speiübel davon wird, ist auch noch nicht getestet worden. Der Spekulation ist also Tür und Tor geöffnet. Aber das macht das Buch noch nicht zur Sciencefiction. Dem Leser, der von SF eh nichts hält, kann das nur recht sein. Abenteuerroman und Thriller reichen ihm eventuell vollkommen aus.

|Der Sprecher|

Dem Sprecher gelingt es, die durch die Klischees vorgegebenen Figuren einigermaßen zum Leben zu erwecken. Die Frauenstimmen sind stets einen Tick höher als die der Männer, versteht sich, aber das macht die Frauen noch längst nicht zu hilflosen Spielbällen der Ereignisse. Im Gegenteil, eine Frau wie Elaine Kowarski leitet ein wichtiges Unternehmen, und Ella setzt sich mit Jan Zieglow gegen einen Auftragskiller zur Wehr.

Bei den männlichen Figuren kann Steck jedoch sein Potenzial für sehr tiefe Stimmlagen voll ausspielen. In den Szenen, die in Sibirien spielen, tritt ein bäriger Typ mit einer tiefen, rauen Stimme auf, und auch Joaquin Esteban ist mit einem recht männlichen Timbre ausgestattet. Dann gibt es allerdings noch die „unmännlichen“ Männer: Konrad Martin und sein Auftraggeber Elias Weizmann sind da an erster Stelle zu nennen, aber auch Martin Enders. Wen wundert’s, dass sie allesamt den Löffel abgeben müssen?

Die besondere Dramatik bestimmter Szenen unterstreicht der Sprecher durch entsprechenden Stimmeinsatz: Er ruft und schreit empört oder aufgeregt auf. Das hat man sich aber nicht als Tohuwabohu vorzustellen, vielmehr findet dieser Einsatz von Lautstärke sehr fein dosiert statt. Vielleicht damit niemand beim Zuhören einschläft.

Das Hörbuch verfügt weder über Geräusche noch über Musik, aber dafür ist es recht preisgünstig.

|Das Booklet|

Das Booklet informiert lediglich über die Mitwirkenden und über den Autor (s. o.). Die Information über den Sprecher findet sich auf der Rückseite des Hörbuchs. Ansonsten gibt es jede Menge Werbung.

_Unterm Strich_

„Magma“ ist ein unterhaltsamer Abenteuerthriller mit Science-Fiction-Elementen, der die Kenntnisse über die Geologie und Seismologie als Hintergrund benutzt, um eine actionreiche und gut durchdachte Handlung auf den Weg zu bringen. Für die gehörige Portion Unterhaltung sorgen Action, Gefahren, Katastrophen, diverse Bösewichte und ein ziemlich großes kognitives Rätsel, das die Heldin zu lösen hat (und das hier nicht enthüllt werden darf).

Wer sich also lehrreich unterhalten lassen will, ist hier an der richtigen Adresse. „Ernsthafte“ SF-Leser möchten vielleicht lieber einen Bogen um das Buch machen, obwohl es durchaus schlechtere Bücher über die Tiefsee und die Geheimnisse der Geologie geben dürfte.

|Das Hörbuch|

Johannes Steck macht seine Sache wie stets recht gut und unterhält den Hörer mit einem kompetenten und keineswegs eintönigen Vortrag. Er weiß die Figuren stimmlich zu charakterisieren, so dass man sie unterscheiden kann, und engagiert sich in spannenden oder emotionalen Szenen auch lautstark.

|Buchausgabe Hardcover: Knaur, Februar 2007; Taschenbuch: Knaur, April 2008
462 Minuten auf 6 CDs|
http://www.AME-hoeren.de

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Sassenberg, Volker – Point Whitmark: Die blutenden Schlüssel (Folge 22) (Hörspiel)

_Kurzbeschreibung:_

Als PR-Gag für sein erstes Werk mit dem reißerischen Titel „Die blutenden Schlüssel“ hat sich der Krimiautor und ehemalige Wissenschaftler Dr. Baltus Hayes etwas ganz Besonderes ausgedacht. Einige ausgewählte Personen sollen in die Charaktere seines Romans schlüpfen und während einer Fahrt in dem urtümlichen „Eternity Express“ einer Art Live-Rollenspiel beiwohnen, welches der Handlung des Buches nachempfunden ist. Jedoch bricht der frühere Forschungsleiter der Firma „NewTech“ während eines Interviews in der Sendung „Hinter dem Vorhang“ plötzlich zusammen.

Trotz dieser Missstände entschließt man sich, die Dampflokomotive dennoch wie geplant abfahren zu lassen. Auch Derek, Jay und Tom haben ein Abteil auf dem „Eternity Express“ ergattert, um in den Kostümen aus dem frühen 20. Jahrhundert neuen Stoff für eine Sendung ihres Radioprogramms „Point Whitmark“ (der Sender, der heißt wie die Stadt) zu sammeln. Sehr schnell stellt sich heraus, dass einer der Mitreisenden nicht alleine an dem vorgegaukelten Krimischauspiel interessiert ist – irgendjemand meint es verdammt ernst, so dass einen Fahrgast nach dem anderen ein unheimliches Schicksal ereilt.

Die drei Jungen müssen schleunigst herausfinden, wer da die Grenzen zwischen Spiel und bitterem Ernst verschwimmen lässt, bevor auch sie an der Reihe sind …

_Meine Meinung:_

Jeder Kenner wird sich nach den ersten Tracks angenehm an solch legendäre Geschichten wie [„Mord im Orientexpress“ 1844 von Agatha Christie erinnert fühlen. Der „Eternity Express“ lädt zu einer faszinierenden Reise zurück in eben jene Zeit ein, als noch ein gewisser Hercules Poirot nach dem Übeltäter fahndete, denn genau diese spezielle Atmosphäre bringt diese Folge bewusst mit sich.

Auch hier finden wir uns in einer kleinen illustren Gesellschaft von sieben Personen nebst den drei Jungs wieder, isoliert von der Außenwelt, ganz auf sich selbst gestellt. Schräge Charaktere mit ihren ganz speziellen Eigenarten treffen auf kleinstem Raum aufeinander: die mieslaunige Baroness, der undurchsichtigen Privatschnüffler oder der typische Gentleman sowie auch die eigensinnige junge Dame sind allesamt vertreten – und einer von ihnen ist anscheinend zu allem bereit.

Was in der Tat anfänglich als ein klassisches Krimi-Rollenspiel gedacht ist, entwickelt zunehmend eine gefährliche Eigendynamik, bei der auch für den aufmerksamen Hörer lange unklar bleibt, was kalkulierter Spaß und was doch ein tatsächliches Verbrechen ist. Der Verdächtigenkreis wird mehr und mehr dezimiert, was die Suche nach dem Täter und dessen Motiv nicht unbedingt einfacher macht, denn immer wieder führt eine mögliche Spur in eine Sackgasse.

Derek, Jay und Tom müssen sich zusammen mit dem verzweifelten Zugführer Chriscoe ziemlich ins Zeug legen, um hinter das düstere Geschehen in der Enge der Zugabteile zu kommen, doch ein überraschendes Ende wartet auf den Hörer, als das Geheimnis um die blutenden Schlüssel endlich gelöst und der Bösewicht entlarvt wird.

Insgesamt wird mit dieser neuen Folge der |Point Whitmark|-Serie ein gelungenes und clever strukturiertes Abenteuer ganz im Geiste der klassischen Kriminalgeschichten serviert. Die immer wiederkehrenden Flachsereien zwischen den kostümierten Jungs in ihren Rollen als tatteriger Lord, durchtriebene Lady und deren gebeutelter Diener verleihen dem Ganzen noch dazu eine urkomische Nebenwürze, die für einige Lacher sorgt …

_Besetzung:_

|Erzähler:| Jürg Löw
|Jay Lawrence:| Sven Plate (Whil ‚Wesley Crusher‘ Wheaton in „Star Trek“, Ewan McGregor in „Emergency Room“)
|Tom Cole:| Kim Hasper (James Franco, Jason Biggs, Brendan Fehr in „Roswell“ & „CSI: Miami“)
|Derek Ashby:| Gerrit Schmidt-Foß (Leonardo DiCaprio, Giovanni Ribisi, Scott Caan)
|Sherry Scott:| Sabine Mazay (Samantha ‚Mary Stewart‘ Morton in „Elizabeth – Das Goldene Königreich“)
|Dr. Baltus Hayes:| Werner Ziebig
|Zugführer Chriscoe:| Karl Schulz
|Mr. Frost:| Engelbert von Nordhausen (Samuel L. Jackson, Gene Hackman)
|Sir Thomas Nightingale:| Stefan Krause (Billy ‚Pippin‘ Boyd, ‚Hui Buh‘)
|Keira Plague:| Diana S. Borgwardt
|Raoul:| Bernd Vollbrecht (Antonio Banderas)
|Die Baronin:| Regina Lemnitz (Whoopi Goldberg, Kathy Bates, Diane Keaton)
|Mr. Constantine:| Heinz-Werner Krähkamp

_Produktion:_

Idee & Konzeption: Volker Sassenberg
Drehbuch: Andreas Gloge & Decision Products
Musik: Matthias Günthert, Markus Segschneider, Volker Sassenberg & Manuel Rösler
Ton & Schnitt: Volker Sassenberg, Marc Sander & Jens Kriegel
Illustration: Ingo Masjoshusmann
Regie: Volker Sassenberg
Produktion: Volker Sassenberg
Aufgenommen und gemischt unter Finians Regenbogen
Verlegt durch ROBIL BOR Music
Im Handel ab dem 25. April 2008

http://www.folgenreich.de/pointwhitmark
http://www.karussell.de/0__point__whitmark__22460.jsp
http://www.pointwhitmark.de

Lynds, Gayle – Spymaster

Spionagethriller haben es so an sich, dass sie zumeist an diversen Orten in der ganzen Welt und vielleicht auch zu unterschiedlichen Zeiten spielen. „Spymaster“ von der Amerikanerin Gayle Lynds bildet da keine Ausnahme. In dem Buch spielt nicht nur der Kalte Krieg eine Rolle, sondern auch der moderne Terrorismus sowie eine Handvoll verschiedener Länder.

Charles Tice ist eine lebende Legende bei der CIA, fristet sein Leben aber momentan in einer Gefängniszelle. Der geschickte Spion hatte seine eigenen Auftraggeber verraten und ein gefährliches Doppelspiel gespielt. Doch eines Tages gelingt ihm die Flucht, und der CIA ist sehr daran gelegen, Tice wieder zu verhaften. Zu diesem Zweck soll Elaine Cunningham, eine neunundzwanzigjährige Jägerin, ihn aufspüren. Sie ist bekannt dafür, in ihrem Metier sehr gut zu sein, doch sie hat nicht mit der Schläue von Tice gerechnet. Ihm gelingt es, sämtliche Fallen zu umgehen, und schließlich nimmt er Elaine als Geisel und ‚zwingt‘ sie zur Zusammenarbeit. Für die junge Frau ist die Kollaboration die einzige Möglichkeit, denn mittlerweile hat sich ihr Auftraggeber gegen sie gestellt. Es scheint, als ob die CIA – oder jedenfalls Teile davon – ebenfalls Dreck am Stecken hat.

Elaine steckt in einem Gewissenskonflikt: Soll sie Tice helfen oder brav ihrem Chef gehorchen, obwohl sie bei beiden nicht sicher sein kann, was sie jeweils für ein Spiel spielen? Und wer sind die anderen Männer, die ebenfalls an Tice und später auch an ihr interessiert sind? Mit Tice auf dem Beifahrersitz begibt sie sich mit ihrem roten Jaguar auf eine Jagd durch Amerika, ohne zu ahnen, was für weite Kreise dieses Abenteuer noch ziehen wird …

Gayle Lynds‘ Thriller erinnert auf weiten Strecken stark an die Bücher und Filme um Jason Bourne: schnelle Schnitte, Action und eine blonde Frau, die sich ihrer Position nicht so sicher ist (in dem Filmen verkörpert von Julia Stiles). Das ist nicht unbedingt negativ, denn die häufigen Wechsel der Perspektiven sorgen für Abwechslung und fügen sich trotzdem zu einer flüssigen Gesamtgeschichte zusammen. Es kommt dabei immer wieder zu überraschenden Wendungen, und Tice und Cunningham gelingt es auf über 530 Seiten, aus jeder brenzligen Situation zu entkommen. Nicht selten schrammt Lynds dabei nur haarscharf am Verlust ihrer Glaubwürdigkeit vorbei. Es ist ihr hoch anzurechnen, dass sie selbst haarsträubend wirkende Situationen recht gut meistert.

Doch solche Situationen sind nicht alles in einem spannenden Buch. Die Spannung geht bei „Spymaster“ nämlich ein wenig verloren, da die Handlung zu umfassend und zu wendungsreich ist. Manchmal verliert der Leser den Überblick, weil sich so viel, teils auch sehr Unterschiedliches ereignet. Wie die Fäden am Ende verknüpft werden, ist zwar überraschend, wirkt aber ein wenig konventionell, vielleicht sogar zu weit hergeholt. Islamistische Terrorgruppen sind eine Tatsache, wie man mittlerweile nicht mehr abstreiten kann, aber deswegen müssen sie noch lange nicht in jedem Thriller die Schuldigen sein. An dieser Stelle beweist Lynds keinen Mut, um etwas Neues zu schaffen, was dem Buch aber gutgetan hätte.

Ganz in der Tradition der Spionagethriller gehalten, wirkt die Geschichte recht kühl und bietet nur wenig Gefühl. Die Charaktere sind trotzdem gut ausgearbeitet und wirken authentisch, bieten aber kaum die Möglichkeit, sich mit ihnen zu identifizieren. Dafür wirken sie zu steril, teilweise auch zu intelligent und zu weit vom realen Leben entfernt. Möglicherweise lernen CIA-Beamte tatsächlich all diese Überlebenstricks, die Lynds in ihrem Buch beschreibt, aber für den ’normalen‘ Leser wirkt die Welt der Spione manchmal ein wenig zu durchkonstruiert. Es fällt schwer, sich in diese andere Welt der Geheimdienste entführen zu lassen.

Der Schreibstil ist, ähnlich wie der Grundton der Geschichte, kühl und sehr präzise. Alles wird detailliert und abwechslungsreich beschrieben, wobei immer wieder auffällt, dass Lynds gerne Produktmarken benutzt. Sowohl bei den Waffen als auch bei den einzelnen Autos weiß sie stets mit den technischen Eigenschaften aufzuwarten. Sie übertreibt es allerdings nicht, so dass auch ein Laie, der sich mit diesen Dingen nicht auskennt, die Geschichte ohne Stirnrunzeln lesen kann. Denn flüssig und homogen kann die Autorin schreiben. Trotz des Umfangs des Buches schwächelt sie nicht und greift auf einen großen Wortschatz und eine verständliche, durchaus gehobene Schreibweise zurück.

In der Summe ist „Spymaster“ von Gayle Lynds ein netter Spionagethriller, der die Grenzen seines Genres aber nicht sprengt. Alles ist gut erzählt und ausgearbeitet, überrascht aber nicht wirklich. Gerade die Tatsache, dass einmal mehr islamistische Terroristen im Vordergrund stehen, wird dem einen oder anderen Leser sicherlich sauer aufstoßen. Dieses Motiv ist mittlerweile einfach zu abgenutzt.

http://www.heyne.de

Edwards, Blake / Rohrbeck, Oliver – Richard Diamond, Privatdetektiv: Fall 3 & 4

_Inhalt_

|Fall 3: Der Fall Ed Lloyd|

Als am frühen Morgen das Telefon klingelt, erwartet der derzeit arbeitslose Privatdetektiv Richard Diamond endlich seinen nächsten Fall. Doch weit gefehlt: Es ist Helen, deren Anruf gerade recht kommt, um das Leid der fehlenden Einkünfte zu klagen. Doch just in dem Moment lernt Diamond in seinem Büro die junge Gale Lloyd kennen …

Die junge Dame vermisst ihren Vater, einen ehemaligen Glücksspieler, der gerade erst aus dem Gefängnis entlassen wurde. Gemeinsam mit seinem Partner Walt Levinson von der städtischen Polizei durchforstet er die Vergangenheit Lloyds, erpirscht die erste Spur und trifft auf Lloyds einstige Angetraute Belle Collins. Über Umwege erfährt der Schnüffler, dass Lloyd direkt nach seiner Freilassung beim Zocker-Imperium von Frank Morris aktiv geworden ist und dort seiner bekannten Leidenschaft frönt. Doch irgendetwas an der Sache stinkt gewaltig: Lloyd spielt scheinbar mit gezinkten Karten – und dies widerspricht seinem Ehrenkodex als passionierter Spieler in jeglicher Hinsicht …

|Fall 4: Der Mordauftrag|

Gleiches Szenario, neues Setting: Wieder einmal muss Richard seine Geliebte am Hörer vertrösten, da ein neuer Kunde das mäßige Geschäft just während des Telefonats aufzubessern verspricht. Ein gewisser Herbert Weatherby tritt in das Büro von Mr. Diamond ein und gibt ihm den wohl bislang ungewöhnlichsten Auftrag: Rick soll einen Mord begehen. Jedoch handelt es sich bei dem Opfer nicht um einen Menschen, sondern um die Bauchrednerpuppe Danny Denver, der Weatherby in der Vergangenheit schon mehrfach vergeblich den Garaus gemacht hatte.

Wegen des betrüblichen Kontostands nimmt Diamond schließlich an und begibt sich in die bunte Welt seines Auftraggebers. Doch obwohl er fest davon überzeugt ist, dass sowohl Weatherby als auch dessen Kollegen und Angehörige einen leichten Dachschaden haben, trägt er zu der zeremoniellen Verbrennung der Puppe bei. Doch bevor er seine ‚100 plus Spesen‘ einstreichen kann, wird er am frühen Morgen vom Telefon aus dem Schlaf gerissen. Es ist Weatherby, der ihm eröffnet, dass Danny Denver erneut zurückgekehrt sei …

_Persönlicher Eindruck_

Diese Hörspielserie ist wahrlich eine Wucht, das lässt sich nach den fantastischen Eindrücken der zweiten Doppelfolge und entgegen erster Skepsis beim Hörspiel-Debüt Diamonds nun endgültig festlegen. Von der markanten Inszenierung dieses nostalgischen Krimis über die Rollenverteilung der Sprecher bis hin zu den durchaus interessanten Fällen – hier ist definitiv alles in bester Ordnung.

Dabei könnte man eigentlich schon in den ersten Szenen die ersten Bedenken äußern. Das Szenario des ersten Falles gleicht denen der vorherigen Episoden: bei Anruf Mord. Oder so ähnlich. Aber dass die ständigen Rezitierungen eben ausschließlich den eigenwilligen Humor der Serie bedienen und gewissermaßen als Running Gags fungieren, hat man schnell heraus, und spätestens als Mr. Weatherby im vierten Fall das Telefonat zwischen Helen und Rick unterbricht, ertappt man sich selber ebenfalls beim wohligen Schmunzeln. Toll gemacht!

Die einzelnen Fälle wiederum sind auf dem zweiten publizierten Silberling ein wenig außergewöhnlich, zumindest die Story mit dem Puppenspieler. Nicht genug damit, dass Diamond für einen Mord beauftragt wird, sind auch die skurrilen Figuren nicht das, was man sich von einer klassischen Detektivgeschichte erhofft. Nichtsdestotrotz ist die Geschichte äußerst lebendig gestaltet, bietet selbst bei der verhältnismäßig knappen Laufzeit einige angenehme Wendungen und bestätigt schließlich das hier bereits etablierte Serienimage als bizarr andersartig und dennoch überwältigend – durchgeknallte Szenen selbstverständlich inbegriffen!

Da macht der dritte Fall gegensätzlich fast schon einen gewöhnlichen Eindruck: Diamond verbarrikadiert sich in der Zocker-Szene New Yorks, trifft auf die üblichen schmierigen Typen und legt sich großspurig mit der Mafia an. Das ist natürlich der Stoff, aus dem Helden gemacht sind, effektreich inszeniert und sprachlich absolut authentisch gehalten. Und wären da nicht kleine Ungereimtheiten in der Handlung – zunächst kann Diamond mit dem Namen Lloyd nichts anfangen, bei seiner ersten Begegnung hingegen begrüßt er ihn als alten Bekannten -, würde man sofort mit der Höchstpunktzahl für einen detail- und temporeichen Kurzkrimi parat stehen. Doch auch mit diesen kleinen Schönheitsfehlern ist man geneigt, das klassische Kriminal-Szenario mit allerhand Lob zu überschütten, weil es dem Hörspiel-Team sehr schön gelungen ist, innerhalb der knapp bemessenen Zeit eine wahre Achterbahnfahrt in Sachen Spannung zu starten und dennoch an entscheidender Stelle wieder auf den Punkt zu kommen.

Natürlich geht all dies auch in gewissem Maße von den Sprechern aus, und hier sei einmal mehr Tobias Kluckert in der Hauptrolle genannt. Er meistert die flotten Sprüche mit vorzeigbarer Eleganz und verkörpert den lässigen Detektiv-Typus mit einer nie dagewesenen Hingabe. Zwar hat er nicht immer den richtigen Riecher und bekommt dementsprechend auch mal eins auf die Nase, steckt aber selbst die Rückschläge seines Alter Egos mit einer Souveränität weg, die genreintern ihresgleichen sucht – sicherlich ein Hauptgrund, sich mit den Fällen des Richard Diamond zu beschäftigen. Nebst zahlreichen anderen …

In der zweiten Doppelfolge jedenfalls bietet sich dem Publikum feinste Krimi-Action mit ungewöhnlichen Charakteren, vorzüglichen Dialogen und kinoreifer Geräuschkulisse. Wer hier nostalgisch wird und sich an die alter Klassiker erinnert fühlt, braucht sich daher auch nicht zu schämen. In Sachen Retro-Produktionen ist diese Serie definitiv Referenz!

lauscher news


http://www.luebbe-audio.de

|1. Staffel (Dezember 2007):|

Fall 1: Die schwarze Puppe
Fall 2: Der braune Umschlag
Fall 3: Der Fall Ed Lloyd
Fall 4: Der Mordauftrag
Fall 5: Der Mord am Barbier
Fall 6: Der Gibson-Fall

|2. Staffel (Juli 2008):|

Fall 7: Die rote Rose
Fall 8: Der Karussell-Fall
Fall 9: Der graue Mann
Fall 10: Gute Nacht, Nocturen
Fall 11: Der Nachtclub-Fall
Fall 12: Mr. Walkers Problem

Sullivan, James A. – letzte Steinmagier, Der

Die Steinmagier sind die mächtigsten Zauberer in China und der Kaiserin treu ergeben. Doch auch unter den Steinmagiern gibt es Neid und Missgunst. Einem von ihnen, She-Bi, gelingt es, die Kaiserin zu versteinern. Das Kaiserreich zerfällt in viele kleine, rivalisierende Fürstentümer.

Der Fürst Dayku Quan schickt sich an, die versteinerte Kaiserin endgültig zu vernichten und in die Stadt der Erhabenen einzudringen, um sich selbst zum Kaiser zu krönen. Doch die Kaiserstadt wird von einer Armee von Steinkriegern bewacht, die jeden Eindringling gnadenlos töten. Bei der großen Schlacht von Wuchao, wo Dayku Quan seine Macht festigt, werden jedoch alle Steinmagier getötet. Alle bis auf einen: Wurishi Yu, überlebt als Einziger, weil sein Meister ihn in der Halle der Steinmagier zurückließ.

Nun soll Yu das Erbe der Steinmagier bewachen und dafür Sorge tragen, dass es nicht in falsche Hände gerät. Gemeinsam mit seinen treuen Gefährten – dem Dieb Sankou Yan, den Adligen Okalang Shi und Jhutsun Li, welche beide zu den Unsterblichen gehören, sowie der kaiserlichen Leibwächterin Ruwae – macht sich Wurishi Yu, der letzte Steinmagier, auf den Weg nach Irishien, um die Kaiserin zu befreien. Doch der machthungrige Fürst Dayku Quan ist den Gefährten bereits dicht auf den Fersen …

_Meine Meinung:_

Bereits mit seinem ersten eigenen Roman landet Bernhard Hennens Co-Autor des Romans [„Die Elfen“, 2169 James A. Sullivan, einen Volltreffer: „Der letzte Steinmagier“ ist ein äußerst spannendes und rasant zu lesendes Fantasy-Epos. Dabei bleibt Sullivan erstaunlich bodenständig. Die Ereignisse spielen in einer alternativen Fantasy-Welt, angelehnt an das alte China. Darüber hinaus muss sich der Leser nicht mit den üblichen Fantasy-Gestalten wie Elfen, Goblins, Orks oder Riesen auseinandersetzen. Sullivans Protagonisten sind allesamt Menschen, wenngleich mit unterschiedlichen Fähigkeiten, und einige der Charaktere besitzen darüber hinaus das Privileg der Unsterblichkeit.

Überhaupt bezieht sich das Prädikat „Fantasy“ auf die Nutzung von Magie, welche in Sullivans Roman zum Leben dazugehört wie die Luft zum Atmen. Die Figuren, die der Schriftsteller auf gut 600 Seiten zum Leben erweckt, sind allesamt sehr dicht und realistisch dargestellt worden. Gerade Yu und seine Gefährten werden derart sympathisch und vertraulich beschrieben, dass man wirklich und wahrhaftig um das Leben der Freunde bangt und im Kampf mit ihnen mitfiebert. Doch auch die Nebenpersonen oder Widersacher wurden nicht minder lebensnah dargestellt. Die Handlung indes wird geradlinig erzählt, manchmal unterbrochen von Anekdoten der Unsterblichen Jhutsun Li und Okalang Shi oder des Diebes Sankou Yan.

Der in Chicago geborene, aber in Deutschland aufgewachsene Autor verfügt über eine klare, schnörkellose Schreibe, die angenehm zu lesen ist. Das Buch entwickelt sehr schnell eine eigene Dynamik, die den Leser mit sich reißt und die Seiten nur so vorüberfliegen lässt. Ein absoluter Pageturner! Das Ende lässt die Hoffnung wachsen, dass vielleicht noch eine Fortsetzung der Abenteuer von Wurishi Yu folgen wird.

Das Cover zeigt eine chinesische Maske und passt gut zu Titel und Inhalt. Das Buch fasst sich sehr gut an und die Seiten bestehen aus einem hochwertigen, stabilen Papier. Die Schrift hat eine angenehme Größe, so dass die Augen auch nach 50 Seiten Lektüre nicht schmerzen.

_Fazit:_ Ein rasanter Fantasy-Roman mit sympathischen, glaubwürdigen Charakteren und einer fesselnden und dramatischen Handlung. Sullivan schuf mit „Der letzte Steinmagier“ einen Debütroman der Superlative.

http://www.jamessullivan.de
MIRA Taschenbuch

_Florian Hilleberg_

Suzy McKee Charnas – Alldera und die Amazonen (Motherlines 2)

Wege zu einer feministischen Utopie

Dieser Post-Holocaust-Roman ist ein weiteres Experiment in Sachen alternativer Geschichte aus feministischer Sicht – eine Tradition, die Ursula K. LeGuin („Winterplanet“) und Joanna Russ („Planet der Frauen“) in den Siebzigern begannen. „Alldera“ ist die Fortsetzung von „Tochter der Apokalypse“ („Walk to the End of the World“, 1974) und erweckt den Eindruck, es handele sich um den Mittelteil einer Trilogie, von welcher der dritte Band nie geschrieben wurde. Doch keine Angst: Auch so liest sich „Alldera“ spannend, interessant und unterhaltsam. Das Buch wird jedoch die (meist) männlichen Erwartungen nach Action und Kampf nicht erfüllen.

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Bionda, Alisha / Haubold, Frank W. (Hgg.) – Fenster der Seele

„Fenster der Seele“ präsentiert düstere, unheimliche, teils aber auch sehr humorvolle Geschichten, die alle ein zentrales Motiv beinhalten: Katzen, diese eleganten, eigenwilligen und samtpfotenen Kreaturen, die bei Menschen die unterschiedlichsten und vielfältigsten Gefühle hervorrufen wie kaum ein anderes Tier. Teils subtil, teils plakativ und einfach nur mörderisch spannend oder witzig sind die Geschichten, welche die neunzehn sorgfältig ausgewählten Autoren für diese Anthologie zu Papier brachten.

Den Reigen eröffnet _Alexander Amberg_ mit |“Der Fluch“|, einer äußerst spannenden Geschichte um einen Mann, der mit finsteren Mächten paktiert, eindrucksvoll geschildert aus der Sicht einer Katze.

_Eddie M. Angerhuber_ berichtet in |“Les choses éternelles“| von dem Kampf zweier Katzen, wobei eine ein unglaubliches Geheimnis umgibt.

Die Herausgeberin _Alisha Bionda_ steuerte mit |“Fenster der Seele“| ihre beste und unheimlichste Kurzgeschichte bei. Eine Frau gefangen zwischen Wahn und Wirklichkeit. Ist sie das Opfer teuflischer Genexperimente oder ’nur‘ einer sinnverwirrenden Geisteskrankheit?

|“Eine Nacht mit Nivenar“| von _Nina Blazon_ schildert die Begegnung mit einer unheimlichen Katze in der Afrika-Abteilung eines Museums, der aber irgendwie der Aha-Effekt fehlt, um wirklich packend zu sein.

|“Der Katzenstrauch“| von _Corina Bomann_ ist eine verträumte und sehr subtile Story mit märchenhaften Elementen.

_Michael Borlik_ schrieb mit |“Die Gemeinschaft“| eine fesselnde Horror-Geschichte um die alte Thematik der Seelenvampire, welche die Lebenskraft der Menschen rauben, um selbst ewige Jugend zu erlangen.

Den mit Abstand unheimlichsten und düstersten Beitrag lieferte _Barbara Büchner_ ab, die mit |“Die Katze im Wald“| eine schauerliche Mär schrieb, die man nicht allein abends in freier Natur lesen sollte.

Eher humorvoll geht es dagegen bei _Wolfgang Fienhold_s |“‚Schach‘ sagt Gustav“| zu, wohingegen _Heide Solveig Göttner_s |“Die Goldkatze“| ebenfalls ein einfühlsames Märchen darstellt.

_Andreas Gruber_ schuf mit |“Philipp“| die gefühlvollste und schönste Geschichte dieses abwechslungsreichen Bandes. Eine Katze wird zum wahrhaft besten Freund eines Jungen, dessen Familie keinen Halt mehr bietet.

_Frank Haubold_, Herausgeber Nummer zwei, steuerte mit |“Sieben“| ebenfalls eine Kurzgeschichte bei: die Erzählung eines wahnsinnigen Mörders, der nicht mit der Treue und Freundschaft einer Katze zu einem seiner Opfer gerechnet hat. Oder verbirgt sich in dem anschmiegsamen Körper des Vierbeiners noch jemand anderer?

Sehr kurz, aber nicht minder einprägsam ist |“3 + 4″| von _S. Ch. Hirsch_. Danach liefert _Stefanie Hübner-Raddatz_ mit |“Ein Kinderspielzeug“| eine ebenfalls sehr gruselige Lektüre ab, die ein wenig an [„Die seltsame Geschichte des Mr. C“ 1203 von Richard Matheson erinnert.

Bestsellerautor _Christoph Marzi_ hat sich dazu bereiterklärt, auch eine Erzählung beizusteuern. |“Die Seekatze“| schildert die Kameradschaft eines Schiffbrüchigen mit einer Katze, die als einziges Lebewesen mit ihm gemeinsam den Untergang eines Schiffes überlebte. Leider kann das Ende der Geschichte nicht vollends überzeugen.

Auch _Stefanie Pappon_s |“Sieben Leben“| greift das Thema der seelenraubenden vampirischen Kreaturen auf, wenngleich auf eine sehr originelle und innovative Art und Weise.

_Judith Rau_s |“Nachtratten“| ist eine sehr schön geschriebene Story um eine Katze mit besonderen Vorlieben.

Sehr surreal mit Motiven von Edgar Allan Poe und H. P. Lovecraft versehen ist die Erzählung |“Der Ailuromorph“| von _Mark Francis Samuels_, die eindeutig dem Genre der düsteren Phantastik zuzuordnen ist und den Leser für ein paar Minuten in eine unheimliche Welt entführt.

Wenngleich ebenfalls sehr kurz, zeugt _Dirk Taeger_s |“Neun Leben“| von großem Ideenreichtum, und die Umsetzung ist dem Autor nicht minder gut gelungen.

Den Abschluss macht _Arthur Gordon Wolf_ mit |“Die neongrüne Katze“|, einer unheimlichen Science-Fiction-Story, die zeigt, in welchem Chaos die Tierliebe des Menschen eines Tages enden könnte.

Wenngleich mit einigen Druckfehlern versehen, ist die Aufmachung dieser wunderbaren Anthologie dem |Lerato|-Verlag sehr gut geraten. Jede einzelne Erzählung wurde von dem Wolfsburger Künstler Patrick Hachfeld liebevoll illustriert. Insbesondere die Werke zu den Geschichten von Eddie M. Angerhuber, Alisha Bionda, Andreas Gruber und Arthur Gordon Wolf sind echte Blickfänger. Sinnvoll ist zudem, dass die Autoreninfos direkt hinter der Illustration zur jeweiligen Geschichte abgedruckt wurden und nicht gebündelt am Ende des Buches, wie es gemeinhin üblich ist.

Das Buch wurde auf einem sehr hochwertigen Papier gedruckt und das Format, welches sonst zu groß wäre, ist genau richtig, damit die Grafiken inklusive des grandiosen Covers perfekt zur Geltung kommen.

_Fazit:_

„Fenster der Seele“ ist eine rundum gelungene Sammlung phantastischer Kurzgeschichten über das Thema „Katzen“. Ein Euro des Erlöses wird bei Direktbestellung beim Verlag dem Verein |Katzen in Not e. V.| gespendet und kommt somit den eleganten Vierbeinern zugute. Die Herausgeber, Autoren und der Illustrator haben sich sehr viel Mühe dabei gegeben, ein äußerst spannendes und liebevoll gestaltetes Buch zu kreieren.

|222 Seiten Paperback|
http://www.lerato-verlag.de
http://www.dunkelkunst.de

_Florian Hilleberg_

Clauß, Martin – Atem des Rippers, Der

Im Jahre 1903 offenbart ein dem Tode geweihter Priester auf dem Sterbebett ein grausiges Geheimnis: Er weiß um die Identität des geheimnisumwitterten Frauenmörders Jack the Ripper.

Zur selben Zeit verfolgt der Künstler Walter Sickert zwei Männer von einem Schiff, welches gerade aus Burma eingelaufen ist. Sickert beobachtet, wie einer der Männer, augenscheinlich ein Priester, eine Tasche über eine Mauer wirft und vor dem zweiten Mann flieht. Sickert nimmt die Tasche an sich und findet darin zwei Bücher: eine Bibel und – das Tagebuch von Jack the Ripper …

_Meine Meinung:_

Newcomer Martin Clauß, Autor der Falkengrund-Geschichten von der |Romantruhe|, präsentiert mit diesem außergewöhnlichen Horror-Thriller eine weitere, originelle Interpretation des Ripper-Mythos. Dabei stützt er sich penibel auf die historischen Fakten, soweit diese bekannt sind. Daten, die Namen der Opfer und die Todesarten wurden detailgetreu in den Roman übernommen, und es ist wirklich erstaunlich, welche neuen Aspekte Clauß der Mordserie aus dem Jahre 1888 abgewinnen konnte.

Der religiöse Wahn, dem Clauß‘ Ripper unterliegt, wurde nicht nur hervorragend recherchiert, sondern auch schlüssig und authentisch in die Handlung integriert. Obwohl der dünne Band gerade mal 108 Seiten zählt, gelingt es dem Verfasser, eine düstere und unheimliche Atmosphäre aufzubauen, die sich von der ersten Zeile an bis zum Ende hin durch die Handlung zieht. Die Geschichte besitzt dadurch auch keinerlei Längen und ist spannend von Anfang bis zum Ende, unterhält dabei auf einem anspruchsvollen Niveau. Martin Clauß beweist mit „Der Atem des Rippers“, dass er zu den talentiertesten und vielversprechendsten neuen Phantastikautoren Deutschlands gehört.

_Zur Aufmachung:_

Satz und Lektorat sind für einen kleinen Verlag wie |Atlantis| wirklich hervorragend und brauchen sich nicht hinter den großen Verlagshäusern zu verstecken. Das Papier ist so hochwertig wie das Titelbild, ein surreales Zerrbild der inneren Zerrissenheit des Rippers. Lediglich am Format könnte noch gefeilt werden. Der Roman käme im Taschenbuch-Format viel besser zur Geltung. Als großformatiges Paperback erinnert er doch zu sehr an einen Heftroman – ein Eindruck, der dieser Story nicht gerecht wird.

_Fazit:_

„Der Atem des Rippers“ ist ein unheimlicher und atmosphärisch sehr dichter Historik-Thriller aus der Feder von Martin Clauß – eine der originellsten und am besten recherchierten Ripper-Storys der letzten Jahre.

http://www.atlantis-verlag.de
http://martinclauss.blogspot.com

_Florian Hilleberg_

Irtenkauf, Dominik – Worträtsel. Aufgabe in Mensch und Wort

_Inhalt:_

|… Wie gerne würde ich diese Fahrt in wundersame, weil schöne Sprache kleiden, doch versagt mir der Charakter, dies eigene Wesen von Grausamkeit, ein solches Ansinnen. Der Rückzug in Geisteshüllen, die uns lieblich drücken – ans Herz oder sonstwo -, bleibt mir ein Übel, das ich im Folgenden zu besiegen habe. Man möge mir deshalb stets eng folgen, mich auf Strich und Faden begleiten, wenn ich nichtsdestotrotz meine Erinnerung entspinne, sie aufspüre.|

_Storys:_

Byzantinischer Schlaf
Abziehbild eines Ausgangs
Kubbeln
Nur ein Flügel hat gestreift
Sternenhagel
Jenseitsraum
Rasender Schwund
Rabenwetter
Nachwort: Rätsel in Wort und Mensch

_Meinung:_

Texte von Dominik Irtenkauf spalten mit Sicherheit die (Lese-)Nation. Sein Stil, der jenseits des Mainstreams liegt und sich dem modernen Sprachbild entzieht, mutet wie aus einer anderen Wirklichkeit an – und gerade das zeichnet ihn aus, macht ihn anspruchsvoll und fordert dem Leser ab, sich auf ihn einzulassen. Auch die Plots sind keine Einheitskost, sondern allesamt „eigen“ bis „surrealistisch“ – aber genau aus diesem Grund bleiben sie länger als manch andere Texte im Kopf des Lesers haften.

Man merkt dem Autor seine Belesenheit an; seine Wortkreationen sind oft durchwirkt von klassischen Elementen, aber immer nur in exakt der Prise erkennbar, um den neuen Inhalt, das neue Gewand nicht zu überlagern, so wie das Gewürz eine Speise abrundet, ihr den letzten Pfiff gibt, aber nur zart zu erschmecken sein sollte.

Dominik Irtenkauf vermag es mit wenigen Worten, den Leser nach Istanbul zu entführen, zaubert ihm orientalische Bilder vor das geistige Auge. Man riecht fast die süßlichen Düfte exotischer Gewürze. Dann ist man direkt dabei, wenn es um das formbare Land der Seele des „Namenlosen“ geht. Nichts ist uns fremd an den Worten des Autors, an seinen Erkenntnissen – wie: |Wäre uns der Tod nicht ein ernster Feind, so könnten wir uns einfach ergeben in unser Schicksal.|

In „Nur ein Flügel hat gestreift“ rühren Dominik Irtenkaufs einfühlsam erzählte Kindheitserinnerungen eines Mannes und wie sie in sein Erwachsenendasein greifen. Die besondere Beziehung seiner Eltern, die „über das Jahr nicht viel miteinander sprachen, sondern es bei innigen Blicken beließen“. Man spürt sie fast, die Intensität dieser Blicke, die tiefer geht als jedes gesprochene Wort, es somit überflüssig macht. Umso weniger sind es die geschriebenen von Dominik Irtenkauf, denn sie bringen Menschen, ihre Gefühle, ihre Seelenbrandung, ihre Zwänge und Entgleisungen näher. So auch in dieser Geschichte, die zeigt, wie zerbrechlich Harmonie ist, wie kostbar Bindungen von Menschen sind und schmerzend, wenn einem bewusst wird, dass sie zerbrochen sind.

Der vorliegende Kurzgeschichtenband ist eine Crossoversammlung, ein Kaleidoskop verschiedener erzählerischer Sichtweisen, ein Wort-Experiment, ein teilweise literarisches Aufbegehren – Texte mit Profil, die in kein Schema passen. Und das ist gut so! Der Autor gibt in seinem Nachwort an, dass seine Absicht in der Bewusstmachung der verschrobenen Wege im eigenen Kopf liegt, denn keiner könne sich von Prägungen und auch Bequemlichkeiten freisprechen. Wohl wahr, wohl wahr. Besonders Letztere stehen oft der Entwicklung und dem persönlichen Glück, der Entfaltung im Wege. Bequemlichkeit ist ein Joch der Zeit, und somit ein Joch der Menschen.

Dominik Irtenkauf spricht auch die Vorschriften an, denen wir uns alle zu beugen und unterzuordnen haben. Auch die Literatur gehört dazu – und eben jenem Diktat entzieht sich der Autor dankenswerterweise, scheint somit nicht in unsere Zeit zu passen, ein junger Klassiker zu sein – und genau von eben jenen kann es nicht genug geben. Sie sind der Anker dessen, was wir Wortkunst nennen, was die Texte lebendig werden lässt, ihnen einen Odem einhaucht und sie aus der Masse hervorstechen lässt.

Es ist schwierig, über einen Band mit kurzen Texten nicht zu viel zu verraten, denn das wäre besonders im Fall von „Worträtseln“ ein fataler Fehler, nähme man ihnen doch damit die Wirkung. Daher sei über den Inhalt der Geschichten nichts verraten. Doch sei so viel erwähnt, dass mich „Verunglückung“ besonders nachhaltig erreicht hat. Der Text weckte Gefühle und Affinität in mir, über die Existenz, verlorene Existenz, wie schnell einem das Leben entgleitet, man sprachlos wird, besonders in der Zweisamkeit. Wie schwer es ist, Frieden zu erlangen. In sich selbst und mit anderen. Vorrangig in sich selbst. Wie die Ohnmacht greift, wenn sich das Leben schon zu Lebzeiten von einem verabschiedet und man wie ein Statist danebensteht.

Domini Irtenkauf sagt: |“Leser hin oder her – man muss den Mut aufbringen, von Zeit zu Zeit das geheime Wort auszusprechen, es einzugestehen. Der geheimnisvolle Weg geht nach innen!, meint Novalis, und ich schließe mich dem an.“| Ich wiederum schließe mich Dominik Irtenkauf an und wünsche mir mehr Autoren, die diesen Mut besitzen. Die Leser mögen es ihnen danken!

Ein kleines Härchen in der schmackhaften Suppe gibt es jedoch, und es sei nicht unerwähnt: Was die textliche Besonderheit des Bandes abgerundet hätte, wäre ein sorgfältigeres Lektorat, das Ungereimtheiten wie „und scharte um sich eine kleine Schar“ ausbügelt – zum Wohle des Autors und des Textes. Doch ist es Kleinverlagen wie diesem oftmals nicht gegeben, gute und somit teure Lektoren zu verdingen. Und schließlich sind es solche Verlage, die den Leser überhaupt in den Genuss solcher Texte und Autoren bringen, vor denen sich der Mainstream verschließt. Daher sei dieses einzige Manko zwar erwähnt, aber es ist dennoch nicht ausschlaggebend für die Güteklasse dieses kleinen, feinen Bandes.

_Fazit:_ Eine kleine literarische Besonderheit, die Beachtung verdient. Mehr davon!

|Mischwesen Autorenverlag, 2007
Kurzgeschichtensammlung
ISBN 978-3-938313-09-1
Linolschnitte: Fabian Oettel
Titelbild, Gestaltung und Satz: Bernhard Straßer
Paperback DIN A5, 142 Seiten|
http://www.mischwesen-av.de

_Dominik Irtenkauf auf |Buchwurm.info|:_
[„Subkultur und Subversion. Wanderer zwischen Zeichen, Zeiten und Zeilen“ 2656
[„Teufel in der Tasche, Der. Ein Reisebegleiter in seine Welt“ 2657

Pullman, Philip – Goldene Kompass, Der (His Dark Materials 1 – Lesung)

_Enttäuschende akustische Umsetzung des Bestsellers_

In Oxford lebt ein Mädchen namens Lyra in einem altehrwürdigen Internat. Lyra ist klug, wild, unendlich neugierig und stößt bei ihren Erkundungen auf beunruhigende Dinge: Was erforscht ihr geheimnisvoller Onkel Lord Asriel oben im eisigen Norden Europas? Und warum verschwinden in der Gegend um Oxford immer wieder Kinder?

Als schließlich auch noch ihr Freund Roger entführt wird, begibt sich Lyra auf eine abenteuerliche Suche nach ihm. Die Reise führt sie in den hohen Norden, wo Panzereisbären eine uneinnehmbare Festung bewachen. Verfolgt wird Lyra von der ominösen Wissenschaftlerin Mrs. Coulter, die ein ganz eigenes Interesse an den Kindern hat. Als Wegweiser erhält Lyra einen magischen „Goldenen Kompass“, der ihr bei der Suche nach der Wahrheit ein nützliches Instrument ist.

_Der Autor_

Philip Pullman wurde 1946 in Norwich geboren. Er wuchs in Australien, Zimbabwe, England und Wales auf. Nach der Schule studierte er Englisch am Exeter College in Oxford und unterrichtete danach zunächst am Westminster College. Mittlerweile hat er sich hauptberuflich der Schriftstellerei zugewandt und schreibt v. a. Kinderbücher und Kurzgeschichten.

Sein bekanntestes Werk ist die derzeit verfilmte Trilogie „His Dark Materials“, bestehend aus den Romanen „Der Goldene Kompass“, „Das Magische Messer“ und „Das Bernstein-Teleskop“. Die Trilogie wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit der Carnegie Medal. Für sein Gesamtwerk erhielt Pullman 2005 den Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis.

|Philip Pullman auf Buchwurm.info:|

[„Das Magische Messer“ 4285 (His Dark Materials 2)
[„Das Bernstein-Teleskop“ 4309 (His Dark Materials 3)
[„Graf Karlstein“ 3374
[„Ich war eine Ratte“ 3880
[„Der Goldene Kompass“]http://www.powermetal.de/video/review-1335.html (Filmbesprechung)

_Der Sprecher_

Rufus Beck, geboren 1957, studierte Islamistik, Philosophie, und Ethnologie, bevor er sich der Schauspielerei zuwandte. Seit 1979 arbeitet er als Schauspieler an den größten Bühnen Deutschlands. Er hat in über 60 Fernsehfilmen und elf Kinofilmen mitgewirkt. In den letzten Jahren war Beck auch als Regisseur und (Co-)Autor an verschiedenen Theater- und Showproduktionen beteiligt, u. a. an dem Rock-Fantasy-Musical „Tabaluga und das verschenkte Glück“ und dem internationalen Tanz-Spektakel „Night of the Sultans – Pandora’s Legend“.

Seit Mitte der 90er Jahre arbeitet er als Interpret und Produzent an Hörbuchproduktionen mit. Bekannt ist er vor allem als die Stimme von „Harry Potter“ – er hat alle sieben Romane vertont, wofür er mehrere Preise einheimste. Im Oktober 2006 war er Herausgeber der Anthologie „Geschichten für uns Kinder“ und produzierte die gleichnamige Hörbuchfassung. Im Frühjahr 2007 erschien sein Sachbuch „Kinder lieben Märchen und entdecken Werte“. Beck lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in München.

|Zur Produktion|

Rufus Beck hat dieses Hörbuch produziert und dabei Regie geführt. Die Aufnahme erfolgte bei |meirelli o.s.t.| in Frankfurt/Main, 2007. Die Textfassung ist ungekürzt und dementsprechend lang: 848 Minuten, das sind etwa 14 Stunden.

_Handlung_

Lyra Belacqua ist zwar erst zwölf Jahre alt, kennt aber schon den Unterschied zwischen Gut und Böse sowie zwischen aufgepropften Verhaltensregeln und ihrem eigenen Sinn für Recht und Wahrhaftigkeit. Das rebellische Waisenkind lebt am Oxforder Jordan College für experimentelle Theologie, und weil sie das Kind von Adeligen ist, wird sie von den diversen Dozenten hier unterrichtet. Ihr Onkel, Lord Asriel, hat sie hergebracht und schaut ab und zu nach ihr.

Wann immer sie kann, spielt sie mit den Kindern der Gypter in der Unterstadt, mit ihrem besten Freund Roger oder mit ihrem Daemon Pantalaimon. Dieser ist Teil ihrer Seele und kann sich in verschiedene Gestalten verwandeln. Alles, was Lyra fühlt, fühlt auch Pan, und umgekehrt. Wenn sie also ihre Gefühle verbergen will, muss sie Pan verstecken. Aber wer will das schon? Schließlich hat jeder Mensch so einen Daemon. Nur bei den Erwachsenen können sich die Daemonen nicht mehr verwandeln, sie habe ihre endgültige Gestalt gefunden. Ein Rätsel, über das Lyra noch nie nachgedacht hat. Aber das soll sich schon bald ändern.

Zunehmend hört Lyra von verschwundenen Kindern, so etwa von Ma Costas verschwundenem Sohn Billy. Ma Costa, die Gypterin, ist praktisch ihre Ziehmutter. Eines Tages verschwindet auch Roger, und das macht Lyra wirklich besorgt. Unter den Gyptern gehen Gerüchte von mysteriösen Gobblern um und dass die Entführten in ein Forschungslabor im hohen Norden verschleppt würden, wo man sie unaussprechlichen Experimenten aussetzt.

|Staub|

Als Onkel Asriel aus dieser Gegend zurückkehrt und vor einem Komitee des Jordan College einen erstaunlichen Vortrag über ein Phänomen namens „Staub“ hält, bittet Lyra ihn, mitkommen zu dürfen, denn sie will ja Roger wiederfinden. Doch er lehnt kategorisch ab, weil es zu gefährlich sei. Da oben am Pol gäbe es wilde Tataren und räuberische Samojeden, von den Hexen aus Lappland ganz zu schweigen.

Aber Lyra bekommt eine zweite Chance geboten, als eine Wissenschaftlerin aus der Stadt das College besucht: Die attraktive Forscherin Mrs. Coulter zaubert Lyra aus ihrer bisherigen Umgebung fort und lockt sie mit Londoner Abenteuern. Mrs. Coulter hat einen goldenen Affen als Daemon, mit dem sich Pantalaimon gar nicht anfreunden mag. Warum nur?

|Der goldene Kompass|

Kurz vor ihrer Abreise mit dem Luftschiff übergibt der besorgte Rektor des Jordan College Lyra ein ungewöhnliches Instrument: ein so genanntes Alethiometer. Was aussieht wie ein goldener Kompass, soll ihr verraten, wann jemand die Wahrheit sagt oder lügt, aber auch viele Dinge, die sie nicht sehen könne. Wie sie das Alethiometer liest, muss sie allerdings selbst herausfinden. Und ganz wichtig: Sie müsse es stets geheimhalten, zumindest vor Menschen, denen sie nicht völlig vertraut.

Als sich in London herausstellt, dass Mrs. Coulter keineswegs unabhängig agiert, sondern eine Dienerin der tyrannischen Magisterium-Kirche ist, versucht Lyra verzweifelt, das kostbare Alethiometer in Sicherheit zu bringen. Doch der goldene Affe hat es bereits gesehen und ihr beinahe abgeluchst. Sogar Pantalaimon wird von dem Affenvieh überwältigt und fast verletzt. Die schmerzerfüllte Lyra weiß nun, dass es nur einen Ausweg gibt, der Tyrannei Mrs. Coulters zu entgehen: die Flucht.

|Die Gypter|

In der großen Stadt und dann noch bei Nacht verirrt sich Lyra in die zwielichtige Hafengegend. Zwei Kinderfänger verfolgen sie, doch als sie schon in deren Netz zappelt, durchbohren plötzlich Pfeile die Häscher und jemand schneidet die Maschen des Netzes entzweit: Es sind Gypter aus der Familie Costa – ihre Freunde! Sie verstecken die gesuchte Lyra und ihren Daemon unter Deck, dann fahren sie zu einem Schiff auf hoher See, auf dem der Chef der westlichen Gypter Lyra freundlich empfängt. John Faa und sein Freund Farder Coram, der Seher, sind die ersten anderen Menschen, denen Lyra ihr Alethiometer zeigt. Erstmals erkennt sie, wie man es bedient.

|Iorek|

Die Reise geht nach Norden. In Trollsund am Polarkreis lernt Lyra den Aeronauten Lee Scoresby kennen, der ihr einen Tipp gibt, wo sie einen Freund findet: den Panserbjörn Iorek Byrnison. Doch der Eisbär ist nur am Reparieren von Schlitten interessiert und will nichts mit Fremden wie Lyra und Forder Coram zu tun haben. Dabei lebt er nur von Fraß und Schnaps, den ihm ein Wirt als Bezahlung für seine Dienste gibt. Ist das ein würdiges Leben? Lyra überredet Iorek, indem sie ihm verrät, wo seine Rüstung versteckt ist. Dafür gelobt er ihr Treue, denn statt eines Daemons haben Panserbären ihre Seele in der Rüstung.

|Bolvangar|

Sobald er diese unter erheblichem Aufruhr wiedergeholt hat, können alle losziehen. Ihr erstes Ziel ist Bolvangar, dann Svalbard, wo Lord Asriel gefangen gehalten wird. Doch Bolvangar wird verteidigt, wie Lyra und die Gypter schon bald erfahren müssen. Ein nächtlicher Überfall lässt Lyra in die falschen Hände geraten. Wird sie ihren Freund jemals wiedersehen?

_Mein Eindruck_

Das ist also der Auftakt zu einer der besten Fantasytrilogien der letzten Jahre. Über die bemerkenswert gut besetzte, aber eher gefloppte [Verfilmung]http://www.powermetal.de/video/review-1335.html habe ich an anderer Stelle bereits berichtet. Doch da das Buch ganz anders aufgebaut ist als die Filmhandlung und auch einen völlig anderen Schluss aufweist, ist es vielleicht angebracht, noch ein paar Worte zur Geschichte, die das Buch bietet, zu verlieren.

Im Buch besteht der ominöse „Staub“ aus so etwas wie Elementarteilchen dunkler Materie. (Daher auch der Trilogie-Titel „His DARK Materials“, ein Zitat aus Miltons Gedicht „Paradise Lost“ aus dem 17. Jahrhundert.) Dieser Staub ist auf einem Fotogramm, das Lord Asriel von seiner Expedition nach Spitzbergen – hier „Svalbard“ genannt – mitgebracht hat, nur in Erwachsenen, aber nicht in Kindern zu finden. Der Unterschied hat weitreichende Folgen.

Das Phänomen hat eine theologische Bedeutung, die dem konservativen Magisterium überhaupt nicht behagt: Der Staub wird als Stoff der Erbsünde interpretiert. (Erbsünde: Eva und Adam aßen vom Baum der Erkenntnis und erkannten, dass sie nackt waren und schämten sich und verstießen ganz allgemein gegen das Gebot Gottes etc., wofür sie von einem Engel in den Hintern getreten wurden. Fortan sollten sie wie die Schlange, deren Verlockung sie erlagen, „Staub“ fressen …) Kinder sind unschuldig und wissen nichts von der Erbsünde, daher lässt der Staub sie in Ruhe. Erwachsene hingegen, da erfahren, sind der Erbsünde teilhaftig und werden deshalb vom Staub heimgesucht. Das Fotogramm, entwickelt mit einer besonderen Entwicklerflüssigkeit, beweist es.

Um herauszufinden, welche Bedeutung dabei den telepathischen Daemonen zukommt, die sich bei den Erwachsenen nicht mehr verwandeln können, stellt die GOB im Auftrag oder zumindest mit stillschweigender Billigung des Magisteriums Experimente mit Kindern an. Dabei trennt sie diese mit Hilfe einer speziellen Apparatur von ihren Daemonen.

Dass die so behandelten Kinder dabei ihre Seele verlieren, versteht sich von selbst. Sie laufen herum wie Zombies. Wenn sie überhaupt laufen können, denn viele sterben durch den schrecklichen Verlust. Dies ist eine weitere Sünde, derer sich die Erwachsenen, die eh schon den Sündenfall hinter sich haben, schuldig machen. In jedem Fall sind Kinder die Opfer. Die Aufgabe der Trilogie ist es als Fantasy, diesen ungerechten Zustand der Welt wieder zu beheben und so die Kinder von diesem Fluch zu erlösen.

Doch wie verhält es sich mit der Seele der kleinen Lyra? Dass Mrs. Coulter ihre Mutter ist und Lord Asriel ihr Vater, erfährt Lyra im Chris Weitz‘ Film erst sehr spät, sozusagen in der Stunde höchster Not. Im Buch hingegen teilt man ihr dies bereits schon ziemlich früh mit, in einem der ausgedehnten Dialoge, ohne dabei viel Faxen zu machen. Lyra ist buchstäblich hin- und hergerissen.

|Die persönliche Wahrheit|

In theologischer Hinsicht ist sie ein Kind der Sünde, das im geistigen Exil (fern von Vater und Mutter) aufwächst und dringend der Erlösung bedarf. Doch gewisse Mächte – nicht zuletzt der Autor – setzen sie lieber dafür ein, dass Lyra ihrerseits die Welt erlöst. Sie ist nicht gerade eine Jesusfigur, und auch kein Messias, von einer Maria Magdalena ganz zu schweigen.

Doch mit dem Alethiometer, dem Wahrheitsmesser, besitzt sie ein mächtiges Instrument, das ihr einen unschätzbaren Vorteil gegenüber allen anderen „Besitzern der Wahrheit“ verleiht. Es ist die Kenntnis der eigenen, persönlichen Wahrheit, nicht die vermittelte, zensierte und verstümmelte Wahrheit, welche die Kirche erlaubt. Die theologischen Implikationen sind völlig klar: Lyra ist eine Gnostikerin. (Gnosis bedeutet Erkenntnis und Wissen. Die Gnostiker wurden anno 323 auf dem Konzil von Nicäa als Ketzer aus der Kirche ausgeschlossen. Alles Nähere liefert die Wikipedia.) Damit steht der Autor im Widerspruch zu den christlichen Lehren, die zugelassen, also orthodox sind.

|Die Panserbjörn|

Auch die Panserbjörn leben in einem Zustand der Ungerechtigkeit, der zu beheben ist. Dazu muss Iorek, der Prinz im Exil, den Thronräuber töten. Lyra hilft ihm bekanntlich dabei. Auf einem der unzerstörbaren Panserbjörn zu reiten, muss für Lyra ungefähr das Gleiche sein wie für den Jungen Eragon das Reiten auf Saphira, dem klugen, starken Drachenweibchen. Beide sind jeweils der beste Freund und Beschützer ihres Reiters. Die Szenen, in denen Iorek Byrnison raumgreifend die Schneelandschaft des Nordens durchmisst, sind sehr schön und appellieren an jedes Kind, das auch mal gerne reiten möchte.

Der Zweikampf zwischen Iorek, dem Prinzen im Exil, und Ragnar Sturlusson, der Thronräuber, erfolgt erst nach der Schlacht um die Forschungsstation Bolvangar, nicht davor wie im Film. Die Beseitigung Ragnars macht den Weg frei nach Svalbard, wo Lord Asriel gefangen gehalten wird.

|Die Hexen|

Lyra gewinnt die Hilfe der Hexen von Lappland. Eine lange Liebesgeschichte hängt daran, die ich dem Leser hier ersparen will. Die Hexen sind im Gegensatz zu ihren männlichen Geliebten unsterblich oder zumindest langlebig. Das erinnert an Tolkiens Elben, die in der Geschichte von Beren und Lúthien (im [„Silmarillion“) 4483 sowie Aragorn und Arwen jeweils Paare aus unsterblichen Elben und sterblichen Menschen darstellen. Die Hexen sind eine Art Frauenorden und haben Charakteristika wie die legendären Amazonen: kämpferisch, bisexuell, stets in Machtkämpfe verstrickt. Marion Zimmer Bradley hätte ihre helle Freude daran gehabt, die in Romanen wie „Die Nebel von Avalon“ einen Orden von weisen Frauen erfand, der christlichen Schwesternorden in nichts nachstand.

|Der Sprecher|

Rufus Beck gelingt es, die einzelnen Figuren zum Leben zu erwecken, indem er ihnen jeweils eine charakteristische Stimme und Ausdrucksweise verleiht. Der kleine Daemon Pantalainen beispielsweise hat eine hohe und zarte Stimme, Lord Asriel hingegen eine sehr tiefe und volltönende. Lyra klingt wie das junge, etwas wilde Mädchen, das man erwartet, mit einer hohen und oftmals aufgeregten Stimme. Ihr Mutter, Mrs. Coulter, ist verzaubernder Charme in Person. Die Gypter (= Zigeuner) reden natürlich mit einem gewissen Akzent. Der Eisbär Iorek spricht mit einer der tiefsten Stimmen im Stück überhaupt.

Sobald alle Figuren eingeführt und charakterisiert sind, kann es sich der Sprecher leisten, sie gemäß der jeweiligen Situation, in der sie sich befindet, agieren zu lassen. Da es sich häufig um Notlagen und Gefahren handelt, kommt es oftmals zu Rufen, Keuchen und dringendem oder angsterfülltem Flüstern. Das macht die Szenen lebendig und lädt den jungen Zuhörer ein, sich emotional zu beteiligen.

Leider gibt es überhaupt keine Musik, um dieses Bemühen irgendwie emotional zu unterstützen und zu steuern. Kaum hat einen eine Szene gefesselt, da hört sie auch schon wieder auf. Auch der realistische Eindruck von Szenen leidet unter dem Umstand, dass keinerlei Geräusche die Illusion stützen. Offensichtlich verließ sich der Verlag |Hörbuch Hamburg| im Unterschied zu |Jumbo Medien| (ebenfalls Hamburg) darauf, dass es dem Sprecher der Harry-Schotter-Hörbücher allein durch seinen Vortrag gelingt, das geschilderte Geschehen unterhaltsam zu gestalten.

Ich musste leider feststellen, dass ihm dies nicht gelingt. Vielmehr erging es mir über weite Strecken so, dass die ungekürzten Dialoge mich beinahe einschläferten, insbesondere jene, die mit Staub und Teilchen, mit ominösen Kirchen, Sekten und Wissenschaftlern zu tun hatten. Es wäre für den Hörer sicherlich hilfreich, zuvor schon das Buch gelesen zu haben, aber dann muss man sich fragen, ob sich der Mehrwert, den der Sprecher darstellt, für den Hörer lohnt.

_Unterm Strich_

Die Story der Trilogie ist meiner Ansicht nach nicht für Kinder unter zwölf Jahren geeignet. Die religiösen, theologischen, philosophischen und politischen Erörterungen und Thesen setzen ein erhebliches Maß an Vorwissen voraus, selbst wenn die Tatsache hilfreich ist, dass der Roman seine eigene Welt aufbaut und sie selbst erklärt. Die Geschichte ist für junge Menschen anspruchsvoll und setzt eine rasche Auffassungsgabe voraus.

Wer nur ein Kinderbuch à la „Pippi Langstrumpf“ erwartet, liegt völlig daneben. Vielmehr liegt „Der Goldene Kompass“ auf dem gleichen Level wie [„Eragon“, 3228 geht aber in seiner Kritik bestehender Verhältnisse wesentlich weiter. Das heißt aber nicht, dass das Buch nicht zu unterhalten weiß, im Gegenteil. Es ist spannend, bewegend, stellenweise dramatisch. Aber ein Happy-End gibt es in Band eins noch nicht.

|Das Hörbuch|

Obwohl Rufus Beck seine bekannten Fähigkeiten und Qualitäten als Sprecher einsetzt, bin ich doch enttäuscht von der akustischen Umsetzung dieses Buches. Mit etwas Musik und ein paar Geräuschen hier und da hätte man seinen stellenweise einschläfernden Vortrag durchaus aufwerten und unterhaltsam machen können. So jedoch war ich ein wenig enttäuscht. Ich würde daher zu einer Version mit Musikuntermalung oder Kürzungen raten.

|Originaltitel: His Dark Materials 1. Northern Lights, 1995
Aus dem Englischen übersetzt von Wolfram Ströle
848 Minuten auf 11 CDs
ISBN 978-3-86742-006-8|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.goldencompassmovie.com
http://www.philip-pullman.com