Archiv der Kategorie: Rezensionen

Diverse Autoren – Monsters of MAD 4

Ein ziemlich affiges Vergnügen ist die erste Ausgabe der „Monsters of MAD“-Comics im Jahre 2007. Die Sammlung aus witzigen Mini-Strips beginnt direkt mit einem merkwürdigen Comic, in dem Don Martin auf seltsame Weise die Legende von Tarzan neu erzählt, erstreckt sich dann über weitere tierische Strips mit einem Affen als Hauptdarsteller und endet schließlich mit einem „MAD mobil“-Spezial, in dessen Hauptrolle ein gewisser King Kong schlüpft.

Unterdessen gibt es in diesem Fall kein übergeordnetes Thema; „Monsters of MAD 01/07“ ist eine lose Zusammenstellung unabhängiger illustrierter Kurzgeschichten mit vielen bekannten Gesichtern aus der „MAD“-Szene; so dürfen sich „Spion & Spion“ gleich mehrfach bekämpfen, die Märchenseiten werden mit einer eher unspektakulären Parodie auf „Der Froschkönig“ gefüllt, und auch die Liebschaften zwischen Dick und Dünn werden gleich mehrfach humorvoll in Szene gesetzt. Weitere Specials gibt es zu Geschichten aus dem Kreißsaal, dann einen Bericht über miese Küsser und all ihre ekligen Auswüchse sowie die Rubrik „Gründe, mit durchschnittlichen Serienkillern Mitleid zu haben“, in denen die niedrigsten Instinkte der Menschen recht sarkastisch durch den Kakao gezogen werden. Letzteres geschieht übrigens auch noch in „Sicherheits-Tipps für Party-Monster“ und „Katastrophale Anzeichen dafür, dass Sie den falschen Anwalt angeheuert haben“.

Während in den herkömmlichen Ausgaben von „MAD“ zumeist eine gesunde Mischung aus herrlich makaberem Slapstick, witzigen Kurzgeschichten und Frotzeleien zu derzeit aktuellen Themen verwurstet werden, bestehen die Sonderausgaben doch eher aus einem deutlichen Übergewicht an kurzweiligen Illustrationen, die jedoch in der neuesten Ausgabe leider nur bedingt witzig sind. Es sind eigentlich mal wieder die vielen Rubriken zu Spezialthemen, wie etwa der Bericht über die bemitleidenswerten Serienkiller, die die Kohlen aus dem Feuer holen und einen in Sachen Humor eher schwachen Comic halbwegs retten. Egal ob es nun die Saga von Tarzan, die einzelnen Strips zu King Kong, die beiden Geschichten um den Froschkönig oder auch die unvorteilhafte Läster-Tirade gegen Dicke sind – zum Schmunzeln, geschweige denn wirklich zum Lachen fühlt man sich hier nicht angeregt. Klar, die Art und Weise wie die Zeichnungen aufgebaut sind – Parallelen zur „Titanic“ sind sicherlich nicht zufällig –, ist eigentlich gelungen, nur der Inhalt der Illustrationen ist oft recht dröge und zielt vermehrt auf einen kindlichen, viel zu albernen oder doch deutlich überzogenen Humor.

Für meinen persönlichen Geschmack hat das „MAD“-Magazin in den letzten Jahren sowieso arg nachgelassen, weil es einfach an frischen, nicht längst ausgelatschten Ideen mangelt. Diese Entwicklung wird hier ziemlich deutlich dokumentiert: „Monsters of MAD 4“ ist eine ziemlich plumpe, kaum originelle Ansammlung von lahmen Strips und zweitklassigen Comic-Erzählungen, bei denen die wenigen Höhepunkte nicht mal mehr sonderlich hervorstechen. Ganz klar: Auf diesem Gebiet gibt es deutlich Gehaltvolleres!

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Novik, Naomi – Drachenbrut (Die Feuerreiter Seiner Majestät 1)

Es klingt auf den ersten Blick ein bisschen nach einer Mischung aus [„Eragon“ 1247 und „Jonathan Strange & Mr. Norrell“, was Naomi Novik uns mit dem ersten Teil ihrer – im Englischen bald zur Tetralogie ausgewachsenen – Trilogie |Die Feuerreiter seiner Majestät| serviert. Das Szenario ist ganz ähnlich wie bei „Jonathan Strange“, denn Noviks Drachen-Reihe spielt zur gleichen Zeit. 1805 befindet sich England mitten im Krieg gegen Napoleon, nur sind es keine Magier, die mit an die Front ausrücken, sondern Drachen. Und das auf beiden Seiten, denn in Naomi Noviks Welt sind die Drachen das Glanzstück der Streitkräfte.

Als Kapitän Will Laurence eine französische Fregatte kapert, deren Fracht ein echtes Drachenei enthält, ahnt er noch nicht, dass seine Zeit bei der Marine ihrem Ende entgegengeht. Wie es das Schicksal nun einmal so will, schlüpft der Drache auf hoher See. Im Leben eines Drachen ist dieser Augenblick stets ein sehr entscheidender. Nur wenn dem Drachen gleich nach dem Schlüpfen ein Geschirr angelegt wird, wird es gelingen, ihn zu zähmen, und derjenige, der dem Drachen sein Geschirr anlegt, wird auf immer seine Bezugsperson sein.

Der Einzige, der die Sympathien des Drachen wecken kann, ist Laurence, und von dem Moment an, als Laurence dem Drachen Temeraire das Geschirr angelegt hat, ist auch schon entschieden, dass er fortan für den Drachen verantwortlich sein muss. Und so wechselt er von den vertrauten Planken seines Schiffes auf den Rücken des Drachen, um fortan auf diese Weise seine Pflicht für die Krone zu erfüllen. Und die kann einen Drachen wie Temeraire gut gebrauchen. Es sieht nicht gut für die Engländer aus im Krieg gegen Napoleon. Ein weiterer Drache ist da Gold wert.

Doch um sich als nützlich erweisen zu können, müssen Temeraire und Laurence erst einmal eine Ausbildung in Schottland absolvieren, wo sie lernen, in Formation mit anderen Drachen Einsätze zu fliegen. Und schon nach wenigen Monaten kommt der große Augenblick für Laurence und Temeraire. Im Kampf gegen die französischen Drachen müssen sie zeigen, was in ihnen steckt, und in Temeraire steckt noch eine ganze Menge, von dem weder Drache noch Flieger etwas ahnen …

Es ist schon eine schöne Fantasygeschichte, die Naomi Novik da aus dem Hut gezaubert hat. „Drachenbrut“ bildet eine vielversprechende Ausgangslage für die beiden folgenden Teile der Reihe.

Laurence ist eine sympathische Hauptfigur. Als sich herausstellt, dass er es ist, der nun sein Leben an der Seite des Drachen verbringen soll, trägt er diese einschneidende Veränderung seines Lebens mit erstaunlicher Fassung. Er weiß, dass sich von nun an alles ändern wird, denn von nun an hat seine erste Sorge stets dem Drachen zu gelten. Unter diesen Bedingungen ein normales Leben mit allen dazugehörigen gesellschaftlichen Verpflichtungen zu führen, ist schlichtweg unmöglich. Und so verwundert es auch nicht, dass Laurence‘ „berufliche Umorientierung“ bei der Familie auf wenig Gegenliebe stößt. Sein Eheversprechen an seine Verlobte ist damit auch hinfällig und Laurence muss schon bald seinen ursprünglichen Lebenstraum begraben.

Doch das nimmt er vermutlich auch deswegen mit so viel Fassung, weil er mit Temeraire einen sehr sympathischen neuen Gefährten an seiner Seite hat. Er genießt es, Zeit mit dem Drachen zu verbringen, und die beiden verbindet schon bald eine innige Freundschaft. Das Leben der Feuerreiter erfordert viele Opfer, aber die besondere Freundschaft zwischen Drache und Flieger birgt eben auch ein ganz besonderes Gefühl.

Interessant ist, wie Novik die Drachen in ihre Welt einbettet. Sie sind ein wichtiger Teil des militärischen Apparates. Zu Zeiten, in denen der Krieg sich immer auf festem Boden oder auf dem Wasser abspielt, markieren die Drachen so etwas wie den Einstieg in den Luftkampf. Und der sieht gar nicht so fantastisch und romantisch aus, wie man sich das bei dem Gedanken an Drachen vorstellen mag. Es gibt eine feste Besatzung von mehreren Personen, die Geschosse abfeuert und über Signalflaggen mit den Besatzungen anderer Drachen kommuniziert. Der Drache mutet da wie ein rustikaler Vorläufer des Kampfflugzeugs an.

Doch auch der Drache selbst muss im Kampf seine Fähigkeiten in die Waagschale werfen. Es kommt nicht nur auf Schnelligkeit, Kraft und Wendigkeit an, viele Drachen haben auch noch eine besondere Fähigkeit auf Lager, die im Kampf von enormer Bedeutung ist. Sie spucken Säure oder Feuer und tragen so nicht unerheblich zum Kampfgeschehen bei.

So hat Novik ausreichend Stoff für fesselnde Schlachtenschilderungen, die sie vor allem in der finalen Schlacht über dem Ärmelkanal zum Höhepunkt des Buches herausarbeitet. Die Luftkämpfe sind absolut spannend und es liegt nahe, warum Herr-der-Ringe-Regisseur Peter Jackson sagt, dass aus diesem Stoff seine Kinoträume wären. Man darf also durchaus gespannt sein, wie dieser Stoff irgendwann einmal filmisch von ihm umgesetzt wird. Es kann eigentlich nur großartig werden.

So richtig auftrumpfen kann Novik mit spannenden Kampfhandlungen allerdings wirklich erst im letzten Drittel des Buches. Die ersten zwei Drittel dienen eher dem Handlungsaufbau. Laurence nimmt nach dem Schlüpfen von Temeraire Abschied vom Seemannsleben und tritt seine Ausbildung in Schottland an. Hier steht eher die beginnende tiefe Freundschaft zwischen Temeraire und Laurence im Vordergrund, genau wie die Grundsätze des Lebens auf dem schottischen Stützpunkt, der Umgang der Flieger miteinander und das vor allem anfangs etwas gespaltene Verhältnis zwischen Laurence und seinen Kollegen.

Typisch gerade auch für die Zeit in der das Buch spielt, sind Etikette und ein bestimmter militärischer Verhaltenskodex von zentraler Bedeutung. Auch Laurence muss sich trotz militärischer Erfahrung erst eingewöhnen und findet unter den Fliegern nicht gleich die Akzeptanz, die er sich später hart erarbeitet. Viele, die auf dem schottischen Stützpunkt arbeiten, warten seit Jahren darauf, Kapitän eines eigenen Drachen werden zu dürfen. Dass Laurence als Außenstehender einfach mit einem eigenen (noch dazu äußerst seltenen und wertvollen) Drachen daherspaziert kommt und ohne Vorkenntnisse seinen Dienst als Kapitän antritt, schürt jede Menge Neid und Missgunst.

Insgesamt baut Novik den Roman ganz gut auf. Auch wenn man sich wünschen möchte, sie würde schon früher an der Spannungsschraube drehen, liest sich der Roman flott herunter und es kommt keinerlei Langeweile auf. Sie entwickelt ihre Geschichte auf ganz eigenständige Art und schafft damit einen Roman, der sich gegenüber anderen Fantasygeschichten abgrenzt und individuell definiert, auch wenn man sich beim Lesen der Inhaltsangabe noch an ein Werk wie Susanna Clarkes [„Jonathan Strange & Mr. Norrell“ 2253 erinnert fühlt.

Am Ende wartet man neugierig und ungeduldig darauf, wie es mit Laurence und Temeraire weitergeht, denn Noviks Finale macht Lust darauf, die Fortsetzung möglichst bald zu lesen. Wie gut, dass der nächste Band schon im August erscheint. So hält sich die Wartezeit in Grenzen.

Bleibt unterm Strich ein positiver Eindruck zurück. Novik entwickelt sympathische Protagonisten und kreiert nach einer ersten Aufbauphase einen absolut spannenden Plot, der Lust auf mehr macht. Man darf gespannt sein, welche Abenteuer sie für Laurence und Temeraire noch aus dem Hut zaubert. „Die Feuerreiter seiner Majestät“ hat das Zeug dazu, eine große begeisterte Leserschaft anzuziehen und sich als eigenständiger Fantasyroman von der Masse anderer Werke des Genres klar abzugrenzen. Auf jeden Fall ein Lesespaß, der Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen begeistern kann und dem man noch viele Leser wünscht.

Der Roman ist derzeit nominiert für den |Hugo Award| (Bester Roman), den |Compton Crook Award| (Bester Debütroman) und den |Locus Award| (Bester Debütroman). Die Autorin selbst wurde für den |John W. Campbell Memorial Award for the Best New Writer| nominiert. Diese Auszeichnung erhielten zuletzt John Scalzi und Elizabeth Bear.

http://www.cbj-verlag.de

Straczynski, Joseph Michael / Garney, R. / Aguirre-Sacasa, R. / Crain, C. – Spider-Man 36 (Civil War Tie-in 2)

[Spider-Man 35 (Civil War Tie-in 1) 3601

_Inhalt_

|“Wie ein Bürgerkrieg entsteht … (2 von 6)“|

Alle Welt schaut aufs Weiße Haus, wo nach Tony Stark nun auch Peter Parker das Geheimnis um seine zweite Identität lüftet und sowohl Freunde und Bekannte als auch seine zahlreichen Gegner schockt. Obwohl er sich der Hilfe Iron Mans bewusst ist, werden die folgenden Stunden für den Spinnenmenschen zum Horror-Szenario. Auf den Straßen wird er von Demonstranten und Presseleuten angegriffen, und auch bei seiner Familie findet er keine Ruhe mehr. Als Stark dann auch noch öffentlich ankündigt, dass alle Superhelden, die die morgige Frist zur Registrierung ihrer Geheimidentität nicht einhalten, von ihm, Spider-Man und Reed Richards gejagt werden, beginnt Peter ernsthaft an seiner Entscheidung zu zweifeln. Doch da ist es bereits zu spät …

|“Mein Lehrer ist Spider-Man!“|

Jordan Harrison ist ein Talent im Bereich der Naturwissenschaften und belegt in der Schule den Biologiekurs von Peter Parker; dies jedoch in erster Linie, weil sein heimlicher Schwarm Madeleine Daniels seine Tischnachbarin ist. Seit einiger Zeit macht er sich schon Gedanken, warum dieser so unregelmäßig zum Unterricht erscheint, denn Jordan befürchtet, von seinem Lehrer nicht adäquat gefördert werden zu können. Als dann eines Tages im TV die Nachricht verkündet wird, dass Parker hinter der Maske Spider-Mans steckt, ist Jordan vollends verblüfft. Dennoch reist er zum Ort der Pressekonferenz, um die Enthüllung aus nächster Nähe zu verfolgen. Dass er anschließend auch noch in den Kampf zwischen Dr. Octopus und Spider-Man eingreifen würde, und dies vor den Augen von Madeleine, hätte er sich jedoch zuvor noch nicht träumen lassen …

_Meine Meinung_

Die zweite Episode der auf sechs Teile angelegten „Civil War“-Serie innerhalb der „Spider-Man“-Comics beginnt mit einem regelrechten Knall. Sobald man das Heft aufgeschlagen hat, trifft einen nämlich tatsächlich der Schlag. Es ist nach nunmehr vier Dekaden endlich (oder leider) passiert: Spider-Man lüftet das Geheimnis um seine Maskerade und läutet damit möglicherweise auch endgültig ein ganz neues Zeitalter des |Marvel|-Universums ein. Gleichsam werden Peter Parker jedoch auch die Schattenseiten des plötzlichen zweifelhaften Ruhmes aufgezeigt. Kurz nach dieser überraschenden Enthüllung sieht er sich mit unzähligen Anfeindungen aus den Reihen der einfachen Bevölkerung konfrontiert, von der ein nicht geringer Teil der Spinne sogar an den Kragen will.

Währenddessen baut Tony Stark seine Verschwörung immer weiter aus. Als Rädelsführer einer schier unaufhaltsamen Bewegung klärt er die Fronten zwischen den Superhelden neu ab und spaltet sowohl Helden als auch Schurken in zwei Lager. Dabei hat er sich Spider-Man offenbar zum Spielball gemacht; nach seiner Demaskierung nämlich verfügt Stark, dass Peter zur Einsatztruppe derjenigen gehört, die schonungslos die Verweigerer der neuen Gesetzes jagen wird. Selbst Leuten wie Captain America, die zeit ihres Lebens die Fahne der Gerechtigkeit hochgehalten haben, werden bei Nichtfolgeleistung zu erbitterten Feinden erklärt. Doch genau so hatte sich Peter dieses Szenario nicht vorgestellt.

Inhaltlich nehmen die brisanten Entwicklungen einen sehr dramatischen Lauf. Das Volk und auch die übrigen Superhelden werden aufgehetzt, und die Vorbereitungen für den bereits im Titel propagierten Bürgerkrieg laufen auf Hochtouren. Und indirekt wird auch der Leser mit einbezogen und zur Diskussion angeregt, denn wie auch die Helden des |Marvel|-Universums, kann man über den Gesetzesentwurf geteilter Meinung sein, wobei ein Übergewicht sicherlich zugunsten der Verweigerungshaltung der rebellischen Fraktion herrscht. Insgeheim wünscht man schließlich doch, dass die maskierten Figuren unentdeckt und geheim bleiben, ganz gleich, ob auf anderem Wege innovative Ideen umgesetzt werden könnten. Schließlich hat man dieses oder jenes Geheimnis irgendwie doch ganz für sich allein und will es nicht mehr hergeben. Dass aber ausgerechnet der wohl größte Comic-Held, nämlich Spider-Man, zusammen mit seinem Partner Iron Man den Anfang machen wird, zeigt die Dimensionen, die der „Civil War“ nehmen wird.

Andererseits ist es irgendwie dann doch faszinierend zu sehen, dass tatsächlich die Masken fallen. Wie oft stand Peter Parker schon davor, wie häufig war es nur eine Frage der Zeit, bis das Geheimnis endgültig publik gemacht würde? Und dennoch haben die Autoren immer wieder Mittel und Wege gefunden, das vermeintlich Unvermeidbare zu verhindern – bis heute. Dann schließlich zu sehen, wie Spider-Man vor den Massen steht und seine Maske abnimmt, ist schlichtweg ein sensationelles Bild, das sich definitiv für Jahre im Gedächtnis einprägen wird – zumal vorab noch einmal unmissverständlich erklärt wird, dass es von nun an kein Zurück mehr gibt.

So entwickelt sich auch weiter ein steil ausgerichteter Spannungsbogen, in dessen Verlauf man immer gezielter auf die verheerenden Auswirkungen der hier getroffenen Entscheidungen vorbereitet wird, und der stetig dafür sorgt, dass die Begeisterung über diese revolutionäre Serie weiter anhält. Selbst die Entscheidung, den Plot relativ kurz zu gestalten und eine zusätzliche, ganz nette Story im Umfeld des bevorstehenden „Civil War“ zu schreiben, kann man dem Autorenteam Straczynski/Garney nicht ankreiden, denn auch Letztere gefällt sehr gut. Aufgepeppelt wird die 36. Ausgabe der deutschen „Spider-Man“-Comics schließlich noch mit einem richtig coolen Poster zur gerade gestarteten Serie. Dies ergibt |summa summarum| in Kombination mit den beiden Geschichten ein weiteres Muss für alle Spider-Man-Fans und jene, die es über den „Civil War“ noch werden sollten!

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Berkeley, Jon – gestohlene Lachen, Das (Die unglaublichen Abenteuer von Miles und Little 1)

Der zehnjährige Miles lebt seit seiner Flucht aus dem Waisenhaus in einem Holzfass. Seine besten Freunde sind sein Teddybär Mandarine, den er stets bei sich trägt, und Lady Partridge, eine ältere Frau, die mit ihren hundert Katzen in einem riesigen Baumhaus lebt. Eines Nachts zieht der Wanderzirkus Oscuro in die Stadt. Der neugierige Miles schleicht sich in die Vorstellung und sieht dort die Hochseilnummer eines kleinen Mädchens.

Mitten im Auftritt stürzt die Artistin, doch sie rettet sich auf wundersame Weise durch ihre Flügel – was das Publikum für einen netten Trick hält, ist offenbar tatsächlich Realität. Später beobachtet Miles, dass das Mädchen vom Zirkusdirektor, dem skrupellosen Großen Cortado, gefangen gehalten wird. Es gelingt ihm, die kleine Artistin zu befreien und mit ihr zu Lady Partridge zu flüchten.

Dort erfährt er die unglaubliche Geschichte des Mädchens, das sich „Little“ nennt. Little ist ein Engel, gemeinsam mit ihrem Engelfreund Silverpoint aus den Wolken gestürzt und auf dem Zirkusplatz gelandet. Während Little als Hochseilartistin auftreten musste, wurde Silverpoint in den „Palast des Lachens“ verschleppt, der zum Zirkus gehört. Für Miles und Little steht fest, dass sie Silverpoint befreien müssen. Ein sprechender Tiger hilft den beiden auf ihrer Reise zu diesem unheimlichen Ort, an dem der Große Cortado regiert. Wer hier eine Vorstellung besucht, verliert die Fähigkeit zu lachen und glücklich zu sein …

Mit dem Auftakt zu einer Trilogie versorgt Jon Berkeley alle Freunde des phantastischen Kinderromans mit einem unterhaltsamen Lesestoff, der neugierig auf die folgenden Teile macht.

|Liebevolle Charaktere|

Im Mittelpunkt steht der zehnjährige Miles, ein Waisenjunge, dem nach sieben Versuchen endlich die Flucht aus dem ungastlichen Waisenhaus geglückt ist und der seitdem zufrieden in seinem Weinfass lebt. Sein Leben ist nicht komfortabel, aber annehmbar und sein größter Schatz ist sein geliebter Bär Mandarine, die letzte Erinnerung an die Zeit vor dem Waisenhaus. Wer seine Eltern waren, weiß er nicht, und manchmal stimmt ihn dieser Gedanke traurig. Sein unbekümmertes, neugieriges Wesen macht ihn sofort sympathisch, und für Kinder stellt er schnell eine ideale Identifikationsfigur dar – ähnlich wie Huckleberry Finn lebt er ohne große Zwänge und genießt die Freiheit, eine für Kinder natürlich beneidenswerte Situation.

Die kleine Little sieht zwar aus wie ein süßes Mädchen, doch da sie zum ersten Mal auf der Erde ist, sind ihr viele Dinge fremd, was Miles immer wieder in Verwirrung bringt. Sie kann mit Tieren sprechen und fliegen, unter Wasser atmen und Miles Teddybär Mandarine zu Leben erwecken. Über die Menschen wusste sie bislang nur die Gerüchte, die sich die anderen Engel erzählen – von zweiköpfigen Wesen und pelzigen Gesichtern, von Menschen, die essen, bis sie platzen, und von anderen, die wie Gerippe herumlaufen. Ihre naive und zugleich liebenswerte Art ist nicht immer leicht für Miles zu begreifen, doch schon bald stehen sich die beiden nah wie Geschwister und sie wissen, dass sie nur gemeinsam eine Chance haben, gegen den Großen Cortado zu bestehen.

Eine Reihe von nicht weniger sympathischen und orginellen Nebenfiguren ergänzt die Liste der Charaktere. Da ist die kugelrunde Lady Partridge, die mit ihren hundert Katzen in einem Baumhaus lebt und eine zuverlässige Helferin in schwierigen Lagen ist. Mit Vorliebe lacht sie über ihre eigenen Witze, die außer ihr sonst niemand wirklich komisch findet, aber davon abgesehen, ist sie eine rundum liebenswerte, wenn auch schrullige ältere Dame. Da ist der distinguierte, sprechende Tiger, der Miles und Little auf ihrem Weg zum Palast des Lachens auf dem Rücken trägt, der aber bei jeder Gelegenheit erwähnt, dass sie ihn bloß nicht als Freund betrachten sollen, falls er doch einmal hungrig werden sollte. Und da ist der alte Bolzenglas von Arabien, ein früherer Forschungsreisender und ehemaliger Werber um Lady Patridge, der Miles‘ Expedition mit Begeisterung unterstützt.

|Fantasievolle Details|

Es ist in Grundzügen die Welt, die wir kennen, die im Roman präsentiert wird, doch nach und nach schleichen sich die fantastischen Elemente ein. Den sprechenden Tiger hält Miles zunächst noch für einen Traum, und auch ein Engelsmädchen hat er nie zuvor gesehen, ganz zu schweigen davon, dass er auf einmal die Gespräche auf der Katzenversammlung verstehen kann. Es ist kein reiner Märchenroman, sondern die Grenzen zwischen der unserigen Realität und jener der Fantasy-Details verschwimmen. Immer ist man gespannt darauf, welche skurrile Figur als Nächstes auftauchen mag, welche Hindernisse sich Miles und Little in den Weg stellen oder vom wem sie überraschend Hilfe erhalten – auch wenn von Anfang an klar ist, dass alles ein gutes Ende finden muss. Die Einbindung des Wanderzirkusses sorgt für eine zusätzliche aufregende Atmosphäre mit ihren bunten Gestalten, etwa den netten drei Clowns, die immer durcheinander reden und dabei vom Thema abschweifen, der baumlangen Riesenfrau Baumella und dem geheimnisvollen Zero, einer monsterhaften Mischung, die an an eine Hyänen-Yeti-Kreuzung erinnert.

Der Stil ist ideal für Leser ab etwa 10 Jahren geeignet. Hin und wieder spricht der Erzähler den Leser direkt an, aber so selten und dezent, dass es keineswegs aufdringlich ist. Sehr positiv ist außerdem, dass der erste Teil in sich abgeschlossen ist. Alle wichtigen Fragen werden geklärt und man kann das Buch nach dem Lesen befriedigt zur Seite legen, bis der zweite Teil erscheint. Am Ende werden Andeutungen gegeben, was im nachfolgenden Roman passieren wird, sodass sich der Leser schon mal Gedanken machen kann.

|Nur kleine Schwächen|

Echte Mankos weist das Buch erfreulicherweise keine auf. Allerdings reagieren die Figuren nicht immer ganz logisch. Als Little von ihrem Schicksal erzählt, stellt Miles kaum weitere Fragen, sondern es steht für ihn sofort fest, dass er ihr bei der Suche nach Silverpoint helfen wird. Dabei wäre es naheliegend, sich zu erkundigen, ob Little niemandem aus dem Wolkenreich zu Hilfe rufen kann. Ähnlich verhält es sich bei einer Hilfsaktion gegen Ende des Buches. Anstatt sogleich zu fragen, woher seine Freunde wussten, dass sie zur Rettung herbeikommen mussten, erfährt er die Umstände bloß zufällig und etwas später. Gerade für ungeduldige Kinder, die rasch Antworten auf logische Fragen haben wollen, ist das nicht sehr geschickt konstruiert, fällt aber zum Glück nicht stark ins Gewicht.

Ein wenig schade ist die Eindimensionalität der bösen Charaktere, deren Darstellung längst nicht so originell ausfällt wie jene der Sympathieträger. Vor allem der böse Zirkusdirektor Cortado und sein Gehilfe Dschingis sind recht oberflächlich gezeichnet, knubbelig und hässlich vom Äußeren, Dschingis außerdem sehr beschränkt und naiv. Es fehlt den Bösen vor allem an Zwiespältigkeit und einer etwas geheimnisvolleren Attitüde, die sie interessanter gemacht hätte.

_Als Fazit_ bleibt ein gelungener Auftakt zu einer kindgerechten Trilogie, an der auch Jugendliche und Erwachsene ihre Freude haben können. Obwohl es sich um den ersten von drei geplanten Teilen handelt, ist das Buch in sich abgeschlossen und besitzt ein eigenständiges und befriedigendes Ende. Liebevolle Charaktere, ein leicht verständlicher Stil und märchenhafte Elemente machen den Roman trotz ein paar kleiner Schwächen zu einem spannenden und abwechslungsreichen Lesegenuss.

_Der Autor_ Jon Berkeley, geboren in Dublin, liefert mit „Das gestohlene Lachen“ seinen Debütroman ab, zwei weitere Bände sollen folgen. Zuvor arbeitete er über zwanzig Jahre lang als Illustrator und lebte unter anderem in Sydney und Hongkong. Heute hat er sich mit seiner Familie und seinen Tieren in Katalonien niedergelassen.

http://www.ravensburger.de/

Andreas Brandhorst – Feuerstürme (Kantaki: Graken-Trilogie 2)

Kantaki

Andreas Brandhorst meldet sich nach langjähriger Pause mit eigenen Romanen zurück. Nachdem er sich weitgehend als Übersetzer betätigte und dabei namhafte Autoren wie Terry Pratchet, David Brin oder Scott Westerfeld übersetzte, startete er 2005 mit seiner umfangreichen und komplexen Erzählung über die Zukunft der Menschheit durch, die er durch die mysteriösen »Kantaki« einleiten ließ (siehe »Diamant«, »Der Metamorph« und »Der Zeitkrieg«). Im Herbst 2006 begann nun die neuerliche Reise in die Welt der Kantaki, die mit »Feuervögel« weit in die Zukunft der ersten Trilogie greift und ein gänzlich verändertes Machtgefüge in der Milchstraße zeigt.

Graken

Brandhorst vermeidet es gekonnt, mit den Erkenntnissen der ersten Trilogie die Eigenständigkeit des Graken-Zyklus‘ zu beeinträchtigen. Anspielungen sind natürlich vorhanden, gliedern sich aber in den Hintergrund der Geschichte, die ihren eigenen Charakter besitzt. War »Feuervögel« ein Roman, der ebenso gut hätte für sich stehen können, baut Brandhorst mit »Feuerstürme« auf diesem soliden Fundament seiner umgekrempelten Kantaki-Welt das komplexe Gewebe von Beziehungen, Geschichte, Handlung und Hintergrund weiter aus. Dieser zweite Band des Dreiteilers steht zu Recht in der Mitte und schreit nach seiner Fortsetzung.

Andreas Brandhorst

ist ein Phänomen. Für die beiden Dreiteiler hat er eine Welt entwickelt, die man sich verstrickter kaum vorstellen kann. Anhand seiner Chronik, des Glossars und der Hintergrundinformationen, die sich am Ende jedes Buches tummeln und ausführlicher noch auf seiner Homepage zu finden sind, lässt sich das Ausmaß der Vorbereitungen für die eigentlichen Romane andeutungsweise erahnen. Dabei ist noch nichts zur Kreativität der Romane selbst gesagt. Nebenbei ist Brandhorst ein viel beschäftigter Übersetzer, mehrere unterschiedlichste Romane übersetzt er jedes Jahr, deren Qualität außerordentlich ist. Und außerdem schreibt er hin und wieder einen Roman für eine große deutsche Science-Fiction-Serie, und seine Beiträge erfreuen sich regelmäßig großer Beliebtheit. Bleibt die Frage nach seinem Neurobooster, der ihm diese gedankliche und technische Geschwindigkeit und Qualität gestattet.

»Feuerstürme«

Aus der Beziehung zwischen Dominik und einer ehemaligen Tal Telassi ging ein Mädchen hervor, das in Gedenken an den jung verstorbenen Vater Dominique genannt wird. In ihr vereinen sich weit größere Kräfte als selbst in ihrem Vater. Doch seit 23 Jahren werden die Tal Telassi unterdrückt, und obwohl die Graken seither keine Aktionen mehr starteten, ist von einem Ende des Konflikts keine Rede, die Allianzen freier Welten erzielen nicht einmal Fortschritte.

Die Tal Telassi erheben sich gegen ihre Unterdrücker, genau als die Graken eine neue, weit energischere Offensive starten. Mit sogenannten Feuerstürmen greifen sie nun die Welten direkt an, benötigen keinen Feuervogel in der Sonne mehr, um das System zu erreichen. Unter ihrem neuen Druck bricht die Allianz auseinander, die Tal Telassi befinden sich in der Schnittmenge der Interessen von Militär und Graken, während Dominique auf ein altes Geheimnis trifft und den »Großen K« begegnet, und in den Randbezirken tritt ein neues Phänomen ins Bild: die Crota, höchste maschinelle Intelligenzen mit biologischen Komplexen für Kreativität und Impulsivität. Sie stellen eine Gefahr für die Graken dar, bedeuten aber für die Galaktiker noch lange keine Hilfe, da die Graken umso schneller und härter vorgehen.

Fazit

Brandhorst ist ein außerordentlicher Schriftsteller, er bereichert das Genre mit seiner Energie und seinen Geschichten. »Feuerstürme« bietet fesselnde Unterhaltung in Zusammenarbeit mit dem ersten Band des Dreiteilers, und es steigert die Sucht nach Brandhorstscher Weltenschöpfung. Wenn auch hin und wieder eine Szene zu technisch abgearbeitet wird, bleibt im Endeffekt das Gefühl, etwas Großartigem auf der Spur zu sein.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

 

Diverse Autoren – MAD Nr. 104

In der 104. Ausgabe des „MAD“-Magazins nimmt die Redaktion mal wieder einen aktuellen Kinostreifen als Anlass, um die Film- und Fernsehindustrie mächtig durch den Kakao zu ziehen. Dieses Mal hat man sich den dritten Teil der „Spider-Man“-Verfilmungen ausgesucht und ihm nicht nur mehrere kleine Comic-Strips gewidmet, sondern den Spinnenmenschen auch diversen ‚Was wäre, wenn …‘-Szenarien ausgesetzt. Den Beginn macht allerdings ein Spezial über die kommerzielle Ausschlachtung des Streifens mitsamt der Masse an neuen Actionfiguren, die im Zuge dessen veröffentlicht werden. Von der ollen Stasi-Abgeordneten über den grünen Kobold (in persona Joschka Fischer) bis hin zu „Spider-Man“-Erfinder Stan Lee scheint jeder vertreten, wobei sich manche abstruse Abhandlung gar nicht mal so abwegig anhört. Anschließend werden einige recht bescheuerte Fragen aufgeworfen, gefolgt von einem weiteren Abschnitt, in dem spekuliert wird, wo Spider-Man war, als die Welt real in der Krise steckte. Und zu guter Letzt darf die allseits beliebte Spinne sich auch noch einmal von ihrer blutigen und erotischen Seite präsentieren. Hüstel …

Etwas bizarrer ist indes die Rubrik „12 Wege, Kindern die Scheidung zu erleichtern“. Als wäre es das Normalste der Welt, wird hier von der Prostitution bis zur Verwahrlosung im ‚modernen‘ Kinderheim alles durchgenommen, was sich der guten Moral entzieht, und wenn es doch nicht fruchtet, wird die altgediente Bestechung als letzter Ausweg eingesetzt. Nicht minder zimperlich geben die Macher von „MAD“ „Hinweise, dass Sie tief in der Scheiße stecken“ und Beispiele von Leuten, die „wirklich in Panik sind“. Und für den handelsüblichen Studenten werden die „Vorteile einer multiplen Persönlichkeitsstörung“ analyisiert. Aufgefrischt wird das Ganze schließlich mit kurzen Strips aus dem Kreißsaal und einer kurzen Geschichte aus der „Spion“-Reihe.

Insgesamt ist die hauptsächliche Parodie auf den neuen „Spider-Man“ als Mittelpunkt der neuen „MAD“-Ausgabe ganz gut gelungen. Hollywood bekommt ganz schön sein Fett weg, sei es nun im Hinblick auf die kommerzielle Ausschlachtung mit zahllosen Merchandise-Artikeln oder aber auf so manch sinnentleerten Dialog im Laufe der Comic-Verfilmung. Darüber hinaus werden einige brisante Themen mit unterschwelliger, ironischer Gesellschaftskritik belegt, wobei hier definitiv kein Blatt vor den Mund genommen und keinerlei Tabus beachten werden. Heftig sind diesbezüglich sicherlich die makaberen Abhandlungen des Schicksals von Kindern aus geschiedenen Ehen, wirklich witzig hingegen die „Rache für die flotten Antworten der Neunmalklugen“, die sich sicherlich auch sehr schön auf den eigenen Alltag übertragen lassen – wobei natürlich jederzeit Vorsicht geboten ist.

Alles in allem ist also wieder eine klare Steigerung zur eher bescheidenen Ausgabe um SpongeBob Schwammkopf zu erkennen; zwar nicht jeder Gag zwingt den Leser in die Knie, doch die Zahl der humorvollen Pointen ist ebenso gestiegen wie diejenige der gelungen Balanceakte zwischen untolerierbarer, aggressiver Kritik, Oberflächlichkeit und echtem Humor. Spider-Man-Fans werden zwar sicherlich weniger davon erbaut sein, dass der besonnene Spinnenmensch das Ziel der aktuellen „MAD“-Attacke ist, doch mit ein wenig Offenheit wird selbst der beinharte Verfechter des |Marvel|-Helden das eine oder andere Mal schmunzeln können. Und damit hat die Redaktion eigentlich genau das erreicht, was Ziel jeder „MAD“-Ausgabe sein sollte.

http://www.paninicomics.de/?s=gruppen&gs__gruppe=10012

Boothby, Ian – Simpsons Comics 126

_Story_

Bart ist höchst besorgt, weil ihm in den letzten Stunden gleich mehrere offenkundige Morddrohungen geschickt wurden. Doch der vermutliche Attentäter Sideshow Bob sitzt noch hinter Schwedischen Gardinen, weshalb sich der kleine Simpson keinen Reim darauf machen kann, woher die geheimen Botschaften stammen.

Währenddessen bringt das Fernsehen derzeit eine Reality-Show, in der sich fünf Ganoven um eine frühzeitige Entlassung bewerben können – unter ihnen auch Sideshow Bob. Um etwas mehr Publicity zu erhalten, bekommt der Bart-Hasser kurzzeitig Freigang, nutzt die sich bietende Gelegenheit jedoch nicht, um Bart endgültig umzubringen. Aber genau dieser Schritt bringt ihm die Gunst der Zuschauer, die letztendlich entscheiden, wer auf freien Fuß kommt. Und was er in diesem Fall als Erstes machen würde, ist für den berühmten Verbrecher keine Frage …

_Meine Meinung_

In der 126. Ausgabe der „Simpsons Comics“ nimmt Autor Ian Boothby den anhaltenden Wahn der Reality-Shows mächtig aufs Korn. Wurde diesbezüglich die Toleranz des Publikums zuletzt noch mit dem Nieren-Skandal in den Niederlanden überschritten, geht der Stammschreiber des Magazins sogar noch einen Schritt weiter und bietet in seinem aktuellen Plot „Rächen Sie bitte jetzt!“ nun auch skrupellosen Knackis die Möglichkeit, sich über das Fernsehen eine vorzeitige Freilassung zu erkämpfen. Also werben die Schwerverbrecher mit schmierigsten Mitteln für Stimmen, die in der schlussendlichen Entscheidung über den Sieger der Show bestimmen. Ebenfalls mit dabei: Barts langjähriger Feind Sideshow Bob, der natürlich jede Chance nutzen würde, um den Simpson-Jungen um die Ecke zu bringen. Auch dieses Mal hat er sich wieder einige raffinierte Tricks einfallen lassen und versetzt Bart in Angst und Panik. Komischerweise gerät Bart dann auch noch im Minutentakt in Lebensgefahr. Als er schließlich den hinterhältigen Plan seines Kontrahenten erkennt und durchschaut, dass er dieses Mal die Bürger Springfields in Hypnose versetzen lässt, ist es für ihn Zeit, das Weite zu suchen. Doch Bob scheint überall zu sein.

Der aktuelle Plot ist, wie von Boothby eigentlich auch gewohnt, mit einigen netten Spitzen und einer ganz ordentlichen Handlung gesäumt, wenngleich es sicher auch schon bessere Geschichten um Sideshow Bob und seine Hatz auf Bart gegeben hat. Aber immerhin ist in „Rächen Sie bitte jetzt!“ bis zum Ende nicht wirklich klar, auf welcher Seite Bob nun steht bzw. welche Motivation hinter seinem Handeln steht. Neben allerhand Klamauk – hier sind vor allem die kurzen Dialoge mit dem allseits beliebten Comic-Händler zu erwähnen – mangelt es der Story nämlich definitiv nicht an Spannung, die sich in erster Linie an Bobs undurchsichtiger, merkwürdiger Haltung festmachen lässt. Insofern prallt Kritik auch wieder leicht ab, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Erzähltempo teilweise so hoch ist, dass Entfaltungsspielräume gar nicht möglich sind. Daher wird auch festgehalten, dass es nicht der Höhepunkt des ungleichen Duells zwischen den beiden tragenden Charakteren ist.

Punkten kann die Story indes mit den unterschwelligen Anspielungen, die nicht nur Insider zum Lachen bringen sollten. Dieses Mal werden unter anderem „Zurück in die Zukunft“ und „Captain America“ sowie die gesamte Medien-Maschinerie durch den Kakao gezogen. Boothby zielt mit seinen Scharfschüssen vor allem auf das mediengeile, gewöhnliche Publikum, hierzulande bestehend aus dem eingeschworenen „Big Brother“-Fankreis und denjenigen, denen keine miese Reality-Soap zu schlecht ist. Und die Treffer sitzen allemal, zumal der Autor keinem Betroffenen Freiräume zur Rechtfertigung lässt. So sollte das bei den „Simpsons“ sein, und so lässt man sich als Leser der gleichnamigen Comics auch gerne die neuen Geschichten gefallen.

Die Nr. 126 bietet darüber hinaus noch einen kurzen Ausblick auf den bald anstehenden Kinofilm, der hier mit einer Kopie des Filmplakats als Extra-Beilage noch besonders schmackhaft gemacht wird. Dem entgegen nerven jedoch mal wieder die vielen Werbeseiten im hinteren Teil des Comics, die als einziger negativer Eindruck haften bleiben. Betrachtet man dies einmal in der Relation, geht hier potenziell ein zusätzlicher Mini-Plot verloren. Aber daran wird man wohl nichts ändern können …

Fassen wir also zusammen: „Simpsons Comics 126“ ist eine anständige Ausgabe mit ordentlicher Story und guten Artikeln in den einzelnen Rubriken. Fans der gelben Familie dürfen bedenkenlos zugreifen.

http://www.paninicomics.de/?s=gruppen&gs__gruppe=10310

Alvtegen, Karin – Flüchtige, Die

Karin Alvtegen gehört zu den viel gelobten schwedischen Krimiautoren, auch wenn sie vielleicht nicht so bekannt ist wie die Kollegen Mankell und Nesser.

Trotzdem herrscht auch in ihrem Roman „Die Flüchtige“ ein depressiver Unterton vor, der in Schweden so verbreitet zu sein scheint wie Smörrebröd und Köttbullar. Die Protagonistin Sybilla hat auch allen Grund dazu, deprimiert zu sein. Als reiche, aber isolierte Direktorentochter in Småland aufgewachsen, ist sie mit der Volljährigkeit aufgrund ihrer psychischen Probleme des engstirnigen Elternhauses verwiesen worden und lebt seitdem in Stockholm auf der Straße. Obwohl sie obdachlos ist, gönnt sie sich einmal im Monat eine Übernachtung in einem Hotel, die sie sich von Geschäftsmännern, die sich leicht um den Finger wickeln lassen, bezahlen lässt.

Doch die Nacht im edlen Grand Hôtel kommt sie teuer zu stehen. Jörgen Grundberg, ihr Gönner des letzten Abends, wird ermordet aufgefunden, und Sybilla gerät in Verdacht. Natürlich finden sich ihre Fingerabdrücke an seinen Sachen, doch als die Polizei am Morgen an ihre Zimmertür klopft, gelingt ihr die Flucht. Zurück auf der Straße, muss sie tatenlos mit ansehen, wie ein Ritualmörder das Land und die Presse in Atem hält – und sich als sie ausgibt …

Alvtegens Buch ist kein alltäglicher Krimi. Es dreht sich um genau eine Person, und das ist Sybilla – und kein Ermittler in der Lebenskrise. Der Leser begleitet die Frau auf ihrer ruhelosen Wanderung durch die Straßen Stockholms und ihrer zaghaften Suche nach dem wirklichen Mörder. Außerdem fächert sich die gesamte Erzählung in zwei Perspektiven auf: die der gegenwärtigen, gejagten Sybilla und die des jungen Mädchens Sybilla, das mit seinem gefühlskalten Elternhaus zu kämpfen hat. Dadurch erschafft die Autorin einen sehr tiefgründigen, ausgebauten Charakter, der eine Vergangenheit und eine Gegenwart hat. Da die Vergangenheitsperspektive sehr kurz gehalten ist, entstehen auch keine großen Brüche, so dass die Geschichte trotzdem zügig vorangeht.

Die Geschichte hat durchaus ihre spannenden Momente. Insgesamt klaffen die Ritualmorde und Sybillas Schicksal recht weit auseinander, was damit zusammenhängt, dass nur aus Sybillas Sicht erzählt wird. Das ist auf der einen Seite sehr gut, weil die Geschichte dadurch tief und fesselnd wird und dem Leser die Möglichkeit gibt, sich voll und ganz auf die Hauptperson zu konzentrieren. Auf der anderen Seite wirken die Morde dadurch wie weiße Wölkchen am Horizont, die ohne Eindruck zu hinterlassen vorbeiziehen.

Wenn Alvtegen die beiden Stränge schließlich zusammenführt, bleibt die Distanz erhalten. Dadurch wirkt die Auflösung des Falles etwas abrupt und schlecht nachvollziehbar. An dieser Stelle wäre es vielleicht besser gewesen, wenn die Autorin in Bezug auf die Ritualmorde mehr Vorarbeit geleistet hätte.

Karin Alvtegen schreibt sauber, still und ohne reißerische Momente. Ihre Hauptperson geht nahezu perfekt in ihrem Schreibstil auf und zieht den Leser in das Geschehen. Das ist insofern bemerkenswert, da Alvtegen in der dritten Person schreibt und nicht in der ersten. Dennoch webt sie ein dichtes, erzählerisches Netz, das mit nüchterner Sprache und nur wenigen rhetorischen Besonderheiten aufwartet. Der Schreibstil ist genauso leise und zurückhaltend wie die Protagonistin, was sehr angenehm zu lesen ist.

Und auch wenn es der „Flüchtigen“ an einigen Stellen an Spannung mangelt, ist Karin Alvtegens Krimi, besonders was den Schreibstil und die Person angeht, ein kleines Meisterwerk geworden. Leise zwar und nicht besonders originell, aber trotzdem sehr interessant und geradezu bewundernswert dicht umgesetzt.

http://www.rowohlt.de

Vlugt, Simone van der – Klassentreffen

Klassentreffen – das sind die alljährlich wiederkehrenden Events, die ein Teil des Abschlussjahrgangs hasst und bei solchen Veranstaltungen ohnehin nicht auftaucht und die der andere Teil des Jahrgangs liebt, weil er dann wieder in seliger Erinnerung an die ach-so-schöne Schulzeit schwelgen kann. Bei Simone van der Vlugts Roman“heldin“ Sabine hat das anstehende Klassentreffen allerdings noch ganz andere Konsequenzen: Unangenehme Erinnerungen tauchen wieder auf, die Sabine eigentlich vergessen wollte und die sie nun aber gar nicht mehr loslassen wollen …

Sabine leidet an einer der bekanntesten modernen Volkskrankheiten, nämlich dem Burn-Out-Syndrom. Eigentlich hat ihr die Arbeit als Sekretärin bei der BANK in Amsterdam immer sehr gut gefallen, doch irgendwann ist ihr alles über den Kopf gewachsen. Nach einer längeren Auszeit und therapeutischen Behandlung lernen wir Sabine kennen, als sie wieder arbeiten gehen möchte. Besser geht es ihr allerdings noch nicht, doch weil selbst ihre Therapeutin nicht bis zum Grund ihres Problems vordringen kann, quält Sabine sich kurzerhand wieder zurück zu ihrer Arbeit, wo sie allerdings feststellen muss, dass ihre beste Freundin Jeanine dort nicht mehr arbeitet und sie stattdessen neue Kolleginnen hat, die sie von Anfang an mobben. Besonders schlimm ist die neu eingesetzte Leiterin des Sekretariats, Renée, die Sabine an das Leben zur Hölle macht.

Einen Lichtblick gibt es bei der BANK für Sabine, und zwar Olaf aus der IT-Abteilung, in den die halbe weibliche Belegschaft verliebt ist, allen voran Renée, die mit ihren Flirtversuchen allerdings auf Granit beißt. Anders aber Sabine, die Olaf von früher kennt, weil dieser damals mit ihrem Bruder befreundet war. So kommen die beiden sich schnell näher und beginnen eine heiße Affäre, die Sabines eifersüchtige Kolleginnen mit immer schlimmeren Mobbing-Attacken quittieren.

Doch Sabine quälen noch ganz andere Dinge, nämlich das bevorstehende Klassentreffen in ihrer Heimat Den Helder, das Erinnerungen an ihre frühere Freundin Isabel weckt, die vor neun Jahren spurlos verschwunden ist. Sabine kann sich noch daran erinnern, dass sie am fraglichen Tag auf dem Heimweg mit dem Fahrrad hinter ihr fuhr, um an einer Kreuzung allerdings anders abzubiegen, um Isabel nicht zu begegnen. Das ist die letzte Erinnerung, die sie bewusst an Isabel hat, doch ganz allmählich tauchen ganz neue Bilder auf, die Sabine nicht recht einordnen kann. Daraufhin begibt sie sich nach Den Helder, um Spurensuche zu betreiben.

Der erste Weg führt sie zum Hausmeister der Schule, der inzwischen alt und wunderlich geworden ist und mit sechs Katzen zusammenlebt, die auffälligerweise die Namen von sechs Mädchen tragen, die vor einigen Jahren in Den Helder verschwunden sind. Ob dies etwas zu bedeuten hat? Und was versucht Sabine zu verdrängen? Weiß sie etwa, wer für Isabels Verschwinden verantwortlich ist und kennt sie womöglich den Täter? Fast dauert es zu lange, bis Sabine schließlich erkennt, was damals wirklich vorgefallen ist …

Simone van der Vlugt hat mit „Klassentreffen“ einen Roman vorgelegt, der sich zunächst schlecht in ein Genre einordnen lässt. Zwar vermutet man von Anfang an, dass sich hinter Isabels Verschwinden und Sabines wiederkehrenden Erinnerungen eine spannende und grausame Geschichte verbergen muss, doch bevor wir uns diesen Erinnerungen widmen, begleiten wir Sabine zunächst zu ihrer Arbeit und ihren gehässigen Kolleginnen. Dort erlebt Sabine die Hölle, die nur dadurch abgemildert wird, dass Frauenschwarm Olaf sich in sie verliebt und sich vom ersten Moment an an sie heranmacht. Sabine kann ihr Glück kaum fassen und lässt sich deswegen nicht mit ganzem Herzen auf die Affäre ein. Schon früh merkt sie zudem, dass sie Olaf gegenüber nicht die gleichen Gefühle entwickeln kann wie für Bart, ihren ersten und bislang einzigen Freund. Immer wieder denkt sie an Bart zurück und fragt sich, warum er sie nach Isabels Verschwinden links liegen gelassen hat und nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.

Nur langsam legt Simone van der Vlugt Spuren aus, die uns Hinweise darauf geben, was vor neun Jahren am Tag von Isabels Verschwinden passiert sein mag. Sehr geschickt konstruiert die Autorin ihre Geschichte dabei so, dass immer neue Verdächtige auftauchen. Kaum meint man, den Täter entlarvt zu haben, kommt Sabine eine neue Erinnerung, die wieder alles über den Haufen wirft und einen neuen Verdächtigen aus dem Hut zaubert. Mein persönlicher Hauptverdächtiger wechselte daher praktisch von Kapitel zu Kapitel, ohne dass ich mich für einen hätte entscheiden können, denn die neuen Spuren und Erinnerungen schließen niemals jemanden aus, sodass sich der Kreis der Verdächtigen stets erweitert. Das gibt Simone van der Vlugt schließlich auch die Möglichkeit, ihrem Roman ein Ende zu verpassen, das sich gewaschen hat und ihre Leser in Erstaunen versetzt. Obwohl man die Wende vielleicht hätte absehen können, war ich mir bis zum Schluss nicht ganz sicher, wer für Isabels Verschwinden verantwortlich war, und konnte mich deswegen richtig überraschen lassen. Und obwohl der Autorin ein echtes Überraschungsmoment glückt, passt es sich wunderbar in die Geschichte ein und wirkt keineswegs aufgesetzt oder künstlich konstruiert. Durch die verschiedenen Fährten, die Simone van der Vlugt ausgelegt hat, ist die Wende absolut stimmig!

Auch die Charakterzeichnung ist Simone van der Vlugt hervorragend gelungen. Wir sind in jedem Moment bei Sabine und lernen sie daher von vielen verschiedenen Seiten kennen. Wir reisen mit ihr in die Vergangenheit, hören von ihrer Freundschaft zu Isabel, die sich im Laufe der Zeit sehr gewandelt hat, bis Isabel plötzlich zu Sabines Feindin geworden ist, von der sie permanent gepiesakt wurde. Doch das Mobbing setzt sich in der Gegenwart weiter fort, denn dort sind es Sabines Arbeitskolleginnen, die ihr das Leben schwer machen. Sabines Verzweiflung und ihre Ängste erleben wir in jedem Moment hautnah mit. Auch die Beziehung zu Olaf, die anfangs glücklich und perfekt scheint, bekommt schnell Risse und bewegt sich in eine ungeahnte Richtung. All diese Veränderungen und Sabines Gefühle beschreibt Simone van der Vlugt zu jedem Zeitpunkt glaubwürdig und nachvollziehbar.

„Klassentreffen“ ist ein höchst erfreulicher Roman, der sich deutlich vom Mittelmaß abhebt und sich durch gelungene Figurenzeichnung und einen geschickt inszenierten Spannungsbogen auszeichnet. Obwohl Simone van der Vlugt am Ende eine dicke Überraschung für ihre Leser parat hat, bereitet sie dieses Aha-Erlebnis so gut vor, dass es sich stimmig in die Geschichte einfügt. Der vorliegende Roman überzeugt auf ganzer Linie und macht neugierig auf weitere Werke der niederländischen Autorin!

http://www.diana-verlag.de

|Ergänzend dazu: [„Schattenschwester“ 3625 (März 2007)|

Godderidge, Ulrig / Floch, Adrien – Slhoka 1 – Die vergessene Insel

_Story_

Ar’n Arunja und Slhoka vom Volk der Okrane müssen gezwungenermaßen in einem Dschungelgebiet notlanden und befürchten bereits vorab, dass ihnen ein knallharter Überlebenskampf bevorsteht. Als Slokha Tage später wieder aus seinem plötzlichen Schlaf erwacht, stellt er allerdings fest, dass seine Befürchtungen unbegründet waren. Sein Partner und er sind von einer Dschungel-Gemeinschaft, den Goldköpfen, mit offenen Armen empfangen, Slokha sogar die gesamte Zeit über intensiv gepflegt worden. Letzteres hat die hübsche Leidjill erledigt, die sich nun völlig ihrem neuen Mann verbunden fühlt und sich fortan als seine neue Partnerin an ihn hängt. Sie berichtet ihm von den Eigenheiten ihrer Kultur und zeigt ihm auch das geheimnisvolle Artefakt der Götter, welches alle Liebenden vor ihrer ersten Berührung aufsuchen müssen.

Doch die Gottheit, die ihnen dort erscheint, verheißt nichts Gutes: Es ist Shani, der Rachegott, der gefürchtete Gott in Gestalt eines Tigers, der bislang noch überall Chaos und Vernichtung gebracht hat. Und das schlechte Omen soll nicht lange auf seine Bestätigung warten; als nämlich die Söldner von Okrane in den Dschungel eindringen und die Goldköpfe bei der Unterbringung ihrer Geheimwaffe erbarmungslos abschlachten, scheint das Ende des Stammes besiegelt.

Slhoka fühlt sich seinen alten Verbündeten aber nicht mehr zugehörig. Die neuen Kräfte, welche die Gottheit in ihm geweckt hat, verhelfen ihm zum Überleben, machen ihn aber gleichsam auch zum neuen Forschungsprojekt der Okrane. Mit derartig mächtigen Fähigkeiten lassen sich die diabolischen Pläne der Okrane nämlich noch leichter durchsetzen.

_Persönlicher Eindruck_

„Slhoka“ ist das Comic-Debüt des französischen Autors Ulrig Godderidge, der für seine bereits vor drei Jahren erstmals veröffentlichte Abenteuergeschichte zudem auf den schon aus [„Die Schiffbrüchigen von Ythaq“ 3722 bekannten Zeichner Adrien Floch zurückgreifen konnte. Und dieses Team hat sich bei der ersten Zusammenarbeit bereits vollends bewährt, denn dort, wo Godderidge einige Steilpässe mit einer intelligenten, wenn auch nicht wirklich außergewöhnlichen Story spielt, verwandelt Floch diese mit seinen bewährt stimmungsvollen, farbenfrohen Illustrationen gleich mehrfach zu Treffern. Gut so.

Parallelen zum Plot von Ythaq sind indes nicht von der Hand zu weisen, wenn auch der Vergleich wegen der Chronologie der jeweiligen Entstehungsgeschichten nicht wirklich angebracht ist. Jedoch haben wir es auch in „Slhoka“ mit zwei Schiffbrüchigen zu tun, die mit ihrem Helikopter in unbekanntem Gebiet abstürzen und sich zunächst einmal mit den seltsamen Angewohnheiten der Eingeborenen anfreunden müssen. Letztgenannte sind in diesem Fall jedoch durchweg friedlich; Ar’n und auch Slhoka fühlen sich in ihrer neuen Umgebung bestens aufgehoben und bereuen letztendlich sogar, dass sie einst zum Corps der Truppen gehörten, die beabsichtigten, eben jenen Dschungel zu infiltrieren. Dementsprechend heftig sind ihre Gewissensbisse, als die ehemaligen Kameraden zu einem späteren Zeitpunkt den Dschungel heimsuchen und in einem rücksichtslosen Feldzug das gesamte befreundete Volk der beiden Gestrandeten auslöschen. Die einstige Harmonie wird innerhalb weniger Minuten völlig aus dem Gleichgewicht gebracht und weicht stattdessen einem Szenario von Krieg, Vernichtung und Massenmord.

Während Ar’n beim Versuch, sich der Angriffe zu erwehren, sein Leben lässt, fällt Slohka erneut in einen tiefen Schlaf und erwacht in der Forschungsstation der Okrane. Zuvor war es ihm gerade noch gelungen, eine komplette Einheit der Söldner mit der Kraft der Götter dem Erdboden gleich zu machen, was das Volk von Okrane darin bestärkte, ihn am Leben zu lassen und seine Kräfte für eigene Zwecke auszunutzen. Doch die kurze Zeit auf den Inseln des Lamprizer-Archipels hat in ihm Facetten geweckt, mit denen er sich jeglicher Unterdrückung widersetzen kann. Nachdem das Paradies für ihn, seine Angetraute und seine neuen Freunde zur Hölle geworden ist, ist es für Slhoka Zeit, sich an seinen ehemaligen Stammeskollegen zu rächen – und mit der Kraft, die ihm die Götter des Dschungels geschenkt haben, geht er nun in die Offensive.

Rein inhaltlich betrachtet, mag die Idee zu „Slhoka“ nicht sonderlich originell sein. Ein junger Mann landet gezwungenermaßen im Dschungel, beschützt das dortige Volk, erlangt unterdessen einige Superkräfte und stellt sich im entscheidenden Moment gegen die hinterhältigen Ex-Verbündeten, an deren Seite er im Normalfall noch gegen die Dschungelbewohner gekämpft hätte. Was die Story hingegen dennoch zu etwas ganz Besonderem macht, sind sowohl die tollen Charakterzeichnungen der Hauptdarsteller als auch die allgemein faszinierende Atmosphäre, die zum größten Teil auf Flochs Arbeit beruht. Ähnlich wie auch in „Die Schiffbrüchigen von Ythaq“ erschafft er mit seinen fabelhaften Bildern eine fantastische Fabelwelt und hat damit auch einen maßgeblichen Anteil am Gelingen dieses tollen Fantasy-Comics. Kaum verständlich also, dass die erste Veröffentlichung über |Carlsen| einst eingestellt wurde, denn das Potenzial ist erneut erstaunlich hoch für eine derart (vergleichsweise) gewöhnliche Story. Aber zum Glück gibt es ja seit einiger Zeit einen Verlag, der die Perlen des französischen Comic-Marktes aufspürt und solche Glücksgriffe wie in diesem Fall „Slohka“ (neu) auflegt.

http://www.splitter-verlag.de/

Desirée und Frank Hoese – Die Zyanid-Connection

In diesem Roman teilen sich mehrere längere Kapitel den Platz, wobei jedes einzelne eine Geschichte aus dem Leben und den Problemen der ausgestoßenen Hauptpersonen erzählt und sie insgesamt das Bild eines umfassenden Konflikts malen. Ein Konflikt, der in dieser zukünftigen Gesellschaft schwelt und durch einen zufälligen Fokus auf die Protagonisten zu eskalieren droht. Ein Konflikt, auf dem diese Gesellschaft errichtet ist, die ohne ihn so nicht funktioniert.

Abhängigkeiten zwischen Privilegierten und Gesetzeslosen.

Die Hoeses traten mit diesen Geschichten über das Computermagazin c’t an die Öffentlichkeit und fanden ein fasziniertes Publikum. Für den Wurdackverlag erweiterten, überarbeiteten, schrieben neu und verknüpften sie die Abenteuer ihrer Helden zu einem Roman. Das Ergebnis spricht für sich.

Auf der Welt entwickelten sich Megastädte, in denen das gesetzlich geregelte Leben kondensierte und sich konzentriert, während sich außen herum weitgestreckte Slums anlagerten, in denen all jene leben, für die es keinen Platz in der legalen Gesellschaft gibt. Aber nicht nur Drogen und Amusement sind die Ware dieser so genannten Outskirts, sondern es lebt hier auch allerlei fähiges Volk wie ausgestoßene Programmierer, Polizisten, Köche, Händler, Ingenieure, Bänker. Geregelt werden die Interessen von Gangs, die die Skirts in Bereiche aufteilen und in einem wackligen Gleichgewicht halten.

Instant Auger und Wren Ironside sind fähige, ganglose Bewohner der Outskirts von New Athens. Instant ist eine begnadete Programmiererin, Wren ein Ex-Bulle. Sie landeten hier, weil ihnen die kriminellen Arbeitsweisen der legalen, noch dazu weltgrößten Herstellerfirma von Biochips nicht mehr gefallen. Und vor allem gegen diese Firma richten sich ihre neuen Tätigkeiten: die Skirts auf dem neuesten Stand der Implantatetechnik halten und damit die Abhängigkeiten zwischen Skirts und Gesetz erhalten. Die Cyberfirma reagiert kompromisslos, und so steigert sich diese Folge von Actio und Reactio bis an die Grenze zum Chaos, zur Eskalation.

Dieser Roman ist ein dicker Fang für den Wurdackverlag. Die Geschichten, die aus der Ichperspektive des Bullen Wren Ironside erzählt werden, bieten das Höchstmaß an Unterhaltung. Interessante Wortschöpfungen, vor allem im cybertechnischen Bereich, gepaart mit der harten, geraden Linie der protagonistischen Erzählsprache, ergeben einen attraktiven Stil. Schnell wird das Protagonistenpaar sympathisch, kommt völlig ohne Sex aus und erzeugt doch die Gewissheit von enger Beziehung und gegenseitiger Wichtigkeit. Schubladentechnisch bietet der Roman mindestens Thriller, Cyberpunk und Krimi. Es wird ganzzeitlich eine straffe Handlung gewebt, die Gefühle lesen mit und das Herz schlägt schneller, bis zur letzten Seite – Suchtgefahr gegeben!

Was es nicht gibt, sind allzu detaillierte Hintergründe zu den Protagonisten. Trotzdem wächst ihr Profil mit jedem Gedanken, den der Icherzähler formuliert, zu einem sympathischen und glaubwürdigen Gerüst. Über Wren Ironside erfährt man noch am wenigsten, er denkt lieber über seine Partnerin und andere Charaktere nach als über sich selbst. Aus seiner Sprache und seinen sarkastischen Bemerkungen zum Beispiel zum Ableben einiger Personen lernt man ihn aber kennen und schätzen.

Gerade das Fehlen weitschweifiger Erklärungen und Rückblenden erzeugt im Roman das Flair von Geschwindigkeit und Entdeckerdrang. Man will alles erfahren und wird von der Handlung vorangetrieben, bis man die letzte Seite umschlägt und ein eindrückliches Bild der Outskirts hat – Slums, in denen man eigentlich nicht leben will, aber bieten die Megacitys nicht noch weniger? Totale Kontrolle und Bevormundung durch irgendwelche mächtigen Interessengruppen, die sich andererseits mit billigen Arbeitskräften aus den Slums versorgen. Desirée und Frank Hoese extrapolieren ein Zukunftsbild mit strikten Klassentrennungen und staatlicher Allgegenwart als Grundgerüst für ihre Geschichten voller Leben und Gefühle. Ein sehr empfehlenswertes Buch, das Aufmerksamkeit über die Grenzen des Genres hinaus verdient.

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Garfield, Richard – Magic: The Gathering – Blick in die Zukunft – Themendeck »Ausgesetztes Urteil«

_Das wiederholte Spiel mit der Zeit_

„Ausgesetztes Urteil“ ist wohl dasjenige Themendeck im Rahmen der „Zeitspirale“-Edition, welches die neuen Fähigkeiten wie ‚Aussetzen‘ und ‚Verschwinden‘ mit der größten Relevanz verwendet. Ein knappes Drittel des Kartenmaterials greift auf diese grundlegenden Elemente zurück und bestimmt somit auch die Zugbasis des gesamten Decks. Weiterhin ist „Ausgesetztes Urteil“ ganz deutlich auf gewisse Schlüsselkarten ausgelegt, soll heißen, mit ihnen steht und fällt das Spiel. In diesem Fall ist dies ‚Paradoxer Dunst‘, der die Sonderfähigkeit besitzt, einen verzauberten Spieler zu Beginn jedes Versorgungssegments mit einem weiteren Segment zu belohnen. So kann man kurzzeitige Hindernisse wie ‚Aussetzen‘ schneller überwinden und die zusätzlichen Eigenschaften (in diesem Fall das kostenlose Ausspielen ausgesetzter Karten) beschleunigt ins Spiel bringen. Doch dies ist nur eine der vielen Seiten dieses Sets …

_Karteninhalt_

Länder:
• 10x Insel
• 9x Sumpf
• 3x Immerändernde Weite (common)
• 2x Vitale Kaverne (uncommon)

Kreaturen:
• 2x Zeitverbieger (uncommon)
• 2x Traumschleicher (common)
• 1x Unerschrockene Blase (common)
• 4x Infiltrator il-Kor (common)
• 1x Zeitriss-Wolkenscholle (uncommon)
• 2x Augur der Schädel (common)
• 1x Todessporen-Thallid (common)
• 1x Tödliche Raupe (common)
• 1x Shimanisches Gespenst (rare)
• 1x Nihilith (rare)

Andere:
• 2x Tickendes Uhrwerk (common)
• 3x Paradoxer Dunst (uncommon)
• 3x Realitätssäure (common)
• 2x Abtasten der Realität (uncommon)
• 1x Verlorene Stunden (common)
• 3x Glitschiges Wundsekret (common)
• 2x Marsch der Eiternden (uncommon)
• 1x Klapper des Todes (common)
• 2x Hirnmartern (common)
• 1x Schwindsucht (uncommon)

_So spielt man das Deck_

Nun, ganz so deutlich wie die Überschrift es vermuten lässt, ist die taktisch korrekte Anleitung für „Ausgesetztes Urteil“ nicht. Entscheidend ist sicherlich, dass man den Paradoxen Dunst möglichst zügig ins Spiel bringt, um so das mitunter schleppende Voranschreiten des Spielflusses etwas anzukurbeln. Es ist nämlich vergleichsweise schwer, eine siegversprechende Offensivkraft ins Rennen zu schicken, weil diese entweder wegen ihrer ausgesetzten Fähigkeit ziemlich lange auf sich warten lässt (so zum Beispiel der Nihilith) oder aber ihre Angriffs- und Widerstandswerte nicht gerade die besten sind – in Relation mit den teils recht hohen Manakosten ist es aber sowieso nicht leicht, sich hier entsprechend aufzubauen.

Also ist das ganze Spiel darauf ausgelegt, geduldig einen schlagkräftigen Wall zu bilden, der nach mehrfachem Aussetzen plötzlich die verheerende Vernichtung über den Gegner bringt, wenn einem das nicht schon selber widerfahren ist. Hierbei sollte man nach Möglichkeit auch Kreaturen wie das Shimianische Gespenst ins Spiel bringen, da man jedes Mal, wenn dieses Geschöpf dem Gegner einen Kampfschaden zugefügt hat, seine Hand nach einer selbst erwählten Karte durchforsten und ihre gesamten Äquivalente anschließend aus dem Spiel bringen kann. Zumindest das ist wahnsinnig effektiv, wobei die Angriffswerte nicht immer dafür bürgen, dass auch tatsächlich ein Kampfschaden entstehen kann. 2/2 ist diesbezüglich nicht besonders viel.

Allgemein ist auch viel vom Glück abhängig; gerade die Karten, die blaues Mana verwenden, sind teils entweder angriffslustig oder aber stark in der Defensive, aber eben nicht sonderlich ausgeglichen. Wer hier zu Beginn im Versorgungssegment recht einseitig zieht und möglicherweise nur offensive Karten wie den Infiltrator il-Kor zieht, wird sich in der Verteidigung nur schwer behaupten können. Diese sollte wegen der teils aussetzenden Kreaturen eh schon leicht geschwächt sein. Effizienter wäre hier beispielsweise der Traumschleicher mit 1/5, zumal man offensiv aufgrund der eher mäßigen Karten eh nicht viel ausrichten können wird.

Letztendlich liegt die Hoffnung darauf, dass man den ersten Attacken standhalten wird, um später dann mit einem Dutzend ausgesetzter Kreaturen zurückzuschlagen. Hierzu ist es jedoch nötig, die neuen Eigenschaften, die mit der „Zeitspirale“ hinzugekommen sind, perfekt zu beherrschen, und obendrauf auch mit Glück nicht zu knapp gesegnet zu sein. Aber als Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit einem anderen Deck, geschweige denn für ein Turnier, ist dies doch eine ziemlich dünne Basis.

_Fazit_

„Ausgesetztes Urteil“ ist definitiv ein Profi-Deck, welches sich vor allem zu dem Zwecke eignet, sich mit den Eigenschaften von „Blick in die Zukunft“ sowie dem schwarzen und blauen Kartenmaterial der neuen Serie vertraut zu machen. Man wird viel experimentieren müssen und bedarf auch konsequenter Übung, um das Set annähernd zu beherrschen, wobei es selbst im Idealfall schwierig sein wird, gegen eines der stark besetzten anderen Themendecks der aktuellen Edition zu bestehen.

Problematisch ist einfach die fehlende Harmonie, die einen zielgerichteten Spielaufbau nur schwer ermöglicht. Hat man im ersten Versorgungssegment nicht gerade das Glück, seine Karten in einer wünschenswerten Reihenfolge zu erhalten und ist zu sehr auf die Nutzung der Aussetzen-Fähigkeit angewiesen, kann das Ganze schnell in die Hosen gehen, weil man fast hilflos den Attacken des Gegners ausgesetzt ist, der wiederum leichtes Spiel hat und die Lücken in der Verteidigung gnadenlos ausnutzen kann. Andererseits kann man natürlich mit dem nötigen Glück auch zur Spätoffensive blasen, wenn man später ohne Bezahlung weiterer Manakosten seine ausgesetzten Kreaturen in den Kampf schicken kann. Aber darauf zu spekulieren, ist sicher nicht das, was sich der ehrgeizige „Magic: The Gathering“-Spieler wünscht.

Insofern ist „Ausgesetztes Urteil“ eigentlich nur für diejenigen interessant, die mit den neuen Techniken üben und ihren Einsatz trainieren wollen. Alle übrigen Interessenten sollten sich eventuell mal mit „Rebellenvereinigung“ auseinandersetzen. In Sachen Effizienz ist dieses vielleicht das wertvollste „Magic“-Set.

http://www.magicthegathering.de/
http://www.universal-cards.com
http://www.wizards.com/

|Siehe ergänzend dazu:|

[Magic: The Gathering 9. Edition – Schnelleinstieg 3335
[Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Armee der Gerechtigkeit« 3337
[Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Schon wieder tot« 3370
[Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Luftige Höhen« 3591
[Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Welt in Flammen« 3592
[Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck »Remasuri-Entwicklung« 3371
[Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck »Kreuzritter der Hoffnung« 3372
[Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck »Pelzige Pilzwesen« 3667
[Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck »Realitätsbruch« 3670
[Magic: The Gathering – Weltenchaos – Themendeck »Endloser Marsch« 3731
[Magic: The Gathering – Weltenchaos – Themendeck »Verwirrtes Hirn« 3734
[Magic: The Gathering – Weltenchaos – Themendeck »Ixidors Vermächtnis« 3741
[Magic: The Gathering – Weltenchaos – Themendeck »Rituale der Wiedergeburt« 3746
[Magic: The Gathering – Blick in die Zukunft – Themendeck »Rebellenvereinigung« 3748

[Magic: The Gathering – Zeitspirale-Zyklus Band 1 3720
[Outlaw 1864 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 1)
[Der Ketzer 2645 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 2)
[Die Hüterin 3207 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 3)
[Die Monde von Mirrodin 2937 (Magic: The Gathering – Mirrodin #1)

Berkeley, Jon – gestohlene Lachen, Das (Die unglaublichen Abenteuer von Miles und Little 1)

Miles lebt schon seit drei Jahren in einem leeren Weinfass auf dem Hügel oberhalb von Larding, einem kleinen, verschlafenen Provinzstädtchen. Eines Nachts taucht ein merkwürdiger Zirkus in Larding auf, der nur von Miles bemerkt wird, denn er kommt mitten in der Nacht und ganz still und heimlich!

Neugierig schleicht sich Miles am nächsten Tag in die Vorstellung, nur um hochkant hinausgeworfen zu werden. Aber immerhin hat er mitbekommen, dass die kleine Artistin nur deshalb nicht abgestürzt ist, weil sie … Flügel hat! Und offenbar wird sie gefangen gehalten, denn kaum hat sie die Manege verlassen, wird sie gefesselt und eingesperrt!

Für Miles ist es selbstverständlich, dass er die Kleine rettet. Und das ist der Anfang eines erstaunlichen Abenteuers …

Jon Berkeley hat seine Geschichte mit ein paar _skurrilen Gestalten_ bevölkert:

Miles ist davon noch der normalste. Abgesehen davon natürlich, dass er bereits siebenmal aus dem Waisenhaus ausgebüchst ist. Ein Ausreißer wie er kann selbstverständlich hervorragend rennen. Aber Miles hat es nicht nur in den Beinen, sondern auch im Köpfchen. Und vor allem gibt er nicht so leicht auf, selbst dann nicht, wenn er erwischt wurde und man meinen könnte, dass er jetzt so richtig tief in der Tinte sitzt!

Little, die kleine Artistin, ist eigentlich ein Liedengel, der nur deshalb auf der Erde gelandet ist, weil er seine neugierige Nase zu weit vorgestreckt hat. Aber obwohl es im Himmel vor allem Pflicht und Treue gibt, und Freundschaft eher ein Fremdwort ist, geht sie nicht einfach nach Hause, sondern hilft Miles bei der Rettung seines gestohlenen Teddybären namens Mandarine. Abgesehen davon ist Little ein richtiger kleiner Sonnenschein, immer fröhlich, immer munter und mit einem ungewöhnlichen Blick für die kleinen Details des Lebens ausgestattet.

Als wäre ein leibhaftiger Engel nicht schon ungewöhnlich genug, gibt es auch noch Lady Partridge, eine äußerst beleibte alte Dame, die früher mit einem großen Erfinder verheiratet war. Leider hatten dessen Erfindungen die Angewohnheit, höchst unangenehme Nebenwirkungen zu entfalten, weshalb die Lady nach dem Tod ihres Gatten ihr gesamtes Vermögen in Schadensbegrenzung investierte. Nun lebt sie auf dem Grundstück ihrer verfallenen Villa in einem Baumhaus, umgeben von einem Berg von Trödel und hundert Katzen. Bei ihr hat Miles Lesen gelernt, aus einem Lexikon, weshalb er jetzt über fast alles Bescheid weiß, das einen Anfangsbuchstaben von A bis R hat.

Der ulkigste Kerl aber ist Bolzenglas von Arabien, ein blinder alter Mann, der früher Weltreisender war, jetzt aber in einem kleinen Dorf lebt und Apfelgelee mit Thymian verkauft. Sein fehlendes Augenlicht kann ihn allerdings nicht davon abhalten, noch immer mit einem Säbel herumzufuchteln und erstaunlicherweise auch sehr genau dabei zu zielen und zu treffen! Und seine Zunge ist mindestens genauso treffsicher wie sein Säbel!

Der Bösewicht ist natürlich der Zirkusdirektor, der die kleine Little gefangen gehalten hat. Das ist aber nicht sein eigentliches Kapitalverbrechen. Bis Miles und Little herausfinden, was dieser Kerl tatsächlich vorhat, müssen sie bis in die Großstadt reisen, in den Palast des Lachens.

Aber nicht nur die Charaktere sind drollig, auch die Sprache ist mit einem trockenen, augenzwinkernden Humor ausgestattet, der nicht mal durch den kleinsten Rechtschreibfehler getrübt wird.

_Die Handlung_ ist nicht übermäßig kompliziert geraten, aber trotzdem spannend gestaltet, angefangen bei Miles‘ Verfolgung, nachdem er Little befreit hat, über all die Verwicklungen mit den Straßenbanden der Großstadt bis hin zum Geschehen im Palast des Lachens. Der Leser ist abwechselnd mit Schmunzeln und Mitfiebern beschäftigt. Dabei wirken selbst die unwahrscheinlichsten Ereignisse niemals gekünstelt. Selbst der unglaubliche Zufall, dass sich genau vor Miles‘ Nase die gesuchte Tür befindet, deren Versteck nur zufällig entdeckt wird, ist so natürlich und locker beschrieben, dass der Leser im schlimmsten Fall nachsichtig schmunzelt.

_Mit anderen Worten:_ „Das gestohlene Lachen“ ist ein liebenswertes und spannendes Buch für Kinder ab zehn Jahren. Es ist leicht nachvollziehbar, lustig geschrieben und bietet Charaktere, mit denen die jungen Leser sich gut identifizieren können. Grausamkeiten und Blutvergießen fehlen völlig, und selbst der Zero, ein behaartes, kicherndes Ungeheuer, scheint eher bemitleidenswert als erschreckend. Und zu guter Letzt gibt die Geschichte ein paar Gedanken über das Lachen mit auf den Weg.

_Fazit:_ sehr empfehlenswert.

_Jon Berkeley_ stammt aus Dublin und lebt in Katalonien. Nach zwanzigjähriger Tätigkeit als Illustrator ist „Das gestohlene Lachen“ sein erster Roman. Der zweite Band der Serie „The Tiger’s Egg“ erscheint im September dieses Jahres erst einmal auf Englisch.

http://www.ravensburger.de/

Giménez-Bartlett, Alicia – süße Lied des Todes, Das

Alicia Giménez-Bartlett gehört laut ihres deutschen Verlages zu den beliebtesten Autorinnen in Spanien. In Deutschland hat sie bis jetzt nicht ganz so viel Wind aufgewirbelt – zu Unrecht, wie „Das süße Lied des Todes“ beweist.

Die emanzipierte Inspectora Petra Delicado besucht nichtsahnend die Toilette in einem Einkaufszentrum, als plötzlich eine kleine Hand über die Trennwand greift und sich ihre Handtasche nimmt. Petra sieht ein kleines Mädchen damit wegrennen, und als man die Tasche wenig später wiederfindet, fehlt ihre Dienstwaffe.

Ein weiteres Fundstück ist eine namenlose, aber sehr gut angezogene Leiche in den Straßen Barcelonas. Der Mann wurde ausgerechnet mit Petras Dienstwaffe erschossen. War es das kleine Mädchen oder hat sie die Waffe weiterverkauft? Petra ermittelt in alle Richtungen und verwickelt sich in einem Sumpf aus illegaler Immigration, Prostitution, Zwangsarbeit und Kindesmissbrauch. Dabei muss sie entdecken, dass die Welt um einige Grad kälter ist, als sie dachte …

Alicia Giménez-Bartlett bietet einen klassischen Ermittlerkrimi, der nur auf einer Perspektive basiert – der wichtigsten. Petra Delicado, manchmal etwas übereifrige Inspectora, zweifach geschieden und emanzipatorische Vorkämpferin, ist eine sehr interessante Persönlichkeit, die dem Leser sofort sympathisch ist. Ihre offene, schlagfertige Art und ihre Lebenserfahrung wirken sehr echt und zeichnen das runde, wohlschattierte Bild einer starken Frau.

Ihr Gegenstück ist Fermín Garzón, der mit ihr zusammenarbeitet. Er ist ebenso schlagfertig wie sie und zeichnet sich durch eine stoische Ruhe aus, die auch notwendig ist, um den Wirbelwind Petra zu ertragen.

Viel Charme erlangt das Buch durch die Schlagabtausche zwischen den beiden Polizisten. Mit einer guten Portion böser Ironie nehmen sie sich gegenseitig aufs Korn und sind sich für keinen Witz zu schade. Hätte die Autorin Petra Delicado nicht mit dieser guten Portion Humor ausgestattet, würde sie wie eine alte, verbitterte Jungfer wirken, doch diese Klippen hat Giménez-Bartlett wunderbar umschifft.

Beim Handlungsaufbau hätte ihr ein Lotse an der einen oder anderen Stelle sicher nicht geschadet. Sie baut den Kriminalfall, der sich hauptsächlich mit dem Schicksal von Immigranten in Spanien beschäftigt, sehr logisch mit einem Anfang und einer sauberen Lösung des Falls auf. Der Spannungsbogen dazwischen ist jedoch recht flach geworden. Es fehlt an Wendungen und Ankern, die dem Leser versteckte Hinweise geben und ihn zum Miträtseln einladen. Insgesamt liest sich das Buch etwas zu geradlinig, um wirklich spannend zu sein. Hinzu kommen ein paar voreilige Schlüsse, die zu selbstverständlich abgetan werden und empfindliche Sprünge in der Handlung offenbaren. Glücklicherweise passiert das aber so selten, dass das Lesevergnügen, welches „Das süße Lied des Todes“ bereitet, nur oberflächlich gestört wird.

Eine nette Nebenhandlung stellen die privaten Querelen im Polizeirevier dar. Das Privatleben der Polizisten, in dem auffällig oft vom Heiraten gesprochen wird, kommt nicht zu kurz, wirkt aber wesentlich leichtfüßiger als die deprimierten Gedanken mancher schwedischer Kommissare. Im Gegenteil ist das Alltagsgeschehen störungsfrei eingearbeitet und sorgt immer wieder für eine kurze Auflockerung. Einzig das überlange Ende, in dem es nur noch um das Privatleben geht, hätte gekürzt gestaltet beziehungsweise weggelassen werden können, denn normalerweise liest man keinen Krimi, um Hochzeitsbeschreibungen zu erhalten.

Um das Buch abzurunden, benutzt Giménez-Bartlett einen sehr subjektiv gefärbten, persönlichen Schreibstil, der perfekt zu Petras satter Ich-Perspektive passt. Dementsprechend versucht sie nicht, künstliche Metaphern und hochgestochene Satzstrukturen in die Gedankenwelt ihrer Protagonistin zu pressen, sondern benutzt ein einfaches, aber durchaus gebildetes Vokabular, das sich flüssig lesen lässt. Mit der Einfachheit und der sehr persönlichen Note in den Sätzen schafft sie es, den Leser zu fesseln, auch wenn ihr Schreibstil sich nicht sonderlich hervortut.

Im Großen und Ganzen ist „Das süße Lied des Todes“ eines von diesen Büchern, bei denen alles, trotz ein paar kleiner Fehlerchen, zu passen scheint. Das liegt vor allem an der starken Hauptfigur, die es schafft, dem gesamten Krimi ihren persönlichen Stempel aufzudrücken, und dadurch alles miteinander verbindet. Ebenfalls für einen positiven Eindruck sorgen der trockene Humor sowie die schlagfertigen Dialoge, die Petra Delicado mit ihrem Kollegen Fermín Garzón führt.

http://www.edition-luebbe.de

Ishiyama, Ken – Grimms Manga

Es mag auf den ersten Blick ein wenig ungewöhnlich erscheinen, dass die legendären Gebrüder Grimm auch auf dem Manga-Markt präsent sind. Aber wer das japanische Faible für Märchen kennt, sollte eigentlich weniger erstaunt sein, dass man sich früher oder später einiger [berühmter Märchen 3456 des wohl berühmtesten Brüderpaars des Genres angenommen und sie in Form eines illustrativen Sammelbands veröffentlicht hat.

Der Mann hinter dieser Idee heißt Ken Ishiyama, ein bislang eher unbekannter Autor auf dem Spartenmarkt, der fünf Geschichten der Grimms aufgegriffen und sie in kurzweiliger, unterhaltsamer Form wiedergegeben, jedoch auch neu interpretiert hat. Den Start macht dabei die Geschichten von Rotkäppchen und dem bösen Wolf. Letzterer ist jedoch in Ishiyamas Fassung der heimliche Held und nicht der Bösewicht. Zwar ruhen in ihm mächtige Kräfte, doch setzt er diese lediglich dazu ein, um sich seiner Häscher zu erwehren und Rotkäppchens Großmutter zu imponieren, damit diese bei der Rückkehr ihrer Enkeltochter von der Betriebsamkeit des Wölfchens berichten kann. Dann jedoch greift der Jäger ein, der das Wesen mit den zwei Gesichtern seit längerer Zeit sucht und es töten will. Dabei hat das Wölfchen gar nichts Böses im Sinne.

Die zweite Geschichte erzählt von der verzweifelten Liebe zwischen Rapunzel und Eva, die jäh unterbrochen wird, bevor das Schicksal die beiden wieder zusammenbringt. Auch hier distanziert sich der Autor ein ganzes Stück weit von der Original-Geschichte und betont stattdessen die Liebe zwischen Rapunzel und Eva – eine Liebe, wie sie bei den Gebrüdern Grimm noch ganz anders definiert und vor allem ausgelebt wurde. Aber es ist schon angenehm, dass Ishiyama hier seine eigene Note mit einbringt.

Hänsel und Gretel stehen dem in nichts nach. Jedoch variiert die Geschichte ab dem Zeitpunkt, an dem die Geschwister von ihrem armen Vater und der Stiefmutter ausgesetzt wurden. Hänsel ist in der japanischen Variante der Geliebte der Hexe und verstößt seine Schwester. Erst sein Verantwortungs- und Pflichtgefühl bringt ihn wieder zur Besinnung. Spätestens hier wird deutlich, dass der Autor das Schwergewicht seiner improvisierten Märchen auf die Betonung der Liebschaften legt, was einerseits dazu führt, dass seine Interpretationen vorhersehbar werden, andererseits aber auch einige frische Nuancen offenbart, die der Story schließlich eine ganz andere, aber dennoch interessante Bedeutung verleihen. Aber auch hier stellt sich ein wesentliches Problem ganz deutlich dar: Die Erzählungen sind teilweise viel zu kurz und wirken eher sprunghaft als detailverliebt. Gerade ‚Hänsel und Gretel‘ und ‚Rapunzel‘ hätten etwas mehr Tiefe sehr gut vertragen können.

In der zweiten Hälfte ist diesbezüglich aber dann eine spürbare Verbesserung ersichtlich. Die nächste Liebesgeschichte ‚Die zwölf Jäger‘ gehört deutschlandweit nicht gerade zum Märchen-Mainstream. Es ist eine der weniger bekannten Geschichten der Gebrüder Grimm, aber definitiv eines der versteckten Juwelen der Sammlung der beiden Märchenforscher. Sie erzählt vom Leben eines jungen Prinzen, der gerade seine große Liebe entdeckt hat, am Sterbebett seines Vaters aber geloben muss, die auserwählte Prinzessin zu ehelichen, um die Zukunft des Landes zu sichern. Widerwillig lässt sich Maximilian auf den Pakt ein und regiert zunächst mit gebrochenem Herz. Dann taucht jedoch ein merkwürdiger Jäger auf und wird zum engsten Verbündeten des neuen Königs. Und natürlich handelt es sich hierbei um die unfreiwillig verstoßene Christina, die mit aller Macht um die Liebe kämpft.

Das Highlight hat man sich schließlich bis zum Schluss aufbewahrt und auch entsprechend ausgeschmückt. ‚Die zwei Brüder‘ wird als Zweiteiler publiziert und hält sich von allen fünf Neufassungen am nächsten am Original. Hier zeigt sich zu guter Letzt, dass die Geschichten erst dann so richtig aufleben, wenn der nötige Entfaltungsspielraum gewährleistet ist. Das Ganze wirkt weitaus weniger gedrungen und gestrafft als noch die ersten Kapitel, sondern ist gegenteilig auch weitaus spannender und abwechslungsreicher aufgebaut. Einfach ein perfektes Märchen mit deutlicher Botschaft, feiner Moral, sympathischen Charakteren und einer ausgeprägten Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse. Genau dies hätte man sich insgesamt für alle Märchen gewünscht.

Der wesentliche Kritikpunkt ist somit leicht formuliert; Ken Ishiyama kommt teils viel zu schnell auf den Punkt und nimmt den einzelnen Handlungen oft den größten Teil ihrer Lebendigkeit. Dass es durchaus anders geht, beweist er im mit Abstand besten Teil, dem abschließenden ‚Die zwei Brüder‘, welches als Kaufanreiz das einzige wirklich schlagkräftige Argument darstellt. Die übrigen Geschichten sind zwar allesamt toll gezeichnet, aber schlichtweg viel zu kurz in ihrer Darstellung. Wobei Potenzial natürlich – nicht nur wegen der Vorlage – ganz bestimmt in allen hier vorliegenden modernen Versionen vorhanden ist und der geneigte Interessent nicht abgehalten werden sollte, mal einen Blick zu riskieren.

http://www.tokyopop.de

Kallifatides, Theodor – kalte Blick, Der

Wenn man der Meinung der |Svenska Dagbladet| Glauben schenken darf, so scheint ein hoffnungsvoller Name in Sachen „Schweden-Krimi“ Theodor Kallifatides zu sein, auch wenn der ganz und gar nicht schwedisch klingt. Besagte Zeitung sieht in ihm |“einen der besten Erzähler hierzulande“|. In Deutschland liegt mit „Der kalte Blick“ nun der dritte Roman des gebürtigen Griechen vor.

Kallifatides‘ Chefermittlerin heißt Kristina Vendel, eine junge und erfolgreiche Kriminalkommissarin, von der in „Der kalte Blick“ ein pikantes Foto in der Stockholmer Unterwelt kursiert. Es zeigt die Polizistin unbekleidet in einer obszönen, wollüstigen Stellung. Mikal Gospodin, russischer Schwerverbrecher mit einem seltsam guten Draht zu Kommissarin Vendel, bekommt das Bild in die Finger und will es ihr zurückgeben. Doch ehe es dazu kommt, wird Gospodin ermordet – brisanterweise von einer Frau, die Kristina Vendel sehr ähnlich sieht.

Bevor Kristina sich damit befassen kann, wer für das Auftauchen des Bildes verantwortlich ist, sieht sie sich auch schon mit dem Verdacht konfrontiert, etwas mit dem Ableben Gospodins zu tun zu haben. Es ist kein deutlich ausgesprochener, konkreter Verdacht, aber Kristina ist klar, dass sie in die Offensive gehen muss. Sie muss so schnell wie möglich die Hintergründe des Fotos und des Mordes an Gospodin lüften, um sich selbst zu entlasten.

Da geschieht kurz darauf ein Mord an dem berühmten Schachspieler Alain Karpin und es kommen Gerüchte auf, dass Islamisten einen Anschlag auf den Literatur-Nobelpreisträger V. S. Naipaul geplant haben. Bei all der beruflichen Hektik bleibt aber unerwartet auch noch Zeit für die Liebe. Kristina verliebt sich in den attraktiven Kemal und ist hin und weg von ihm. Bis plötzlich ein schrecklicher Verdacht aufkommt …

„Der kalte Blick“ ist ein Krimi und ist es dennoch nicht. Kallifatides geht den Plot auf eine erstaunlich „unkrimihafte“ Weise an und liefert damit eher ein Kammerspiel verzwickter menschlicher Schicksale ab als einen klassischen Krimi. Er verzichtet auf klischeehafte Schwarzweiß-Skizzierungen und setzt den Spannungsbogen so an, dass der Leser sehr schnell weiß, wer der Mörder ist. Es geht weniger um die Frage des Täters als vielmehr um den Menschen, der sich dahinter verbirgt, und das, was ihn bewegt, und so ist die Art der Spannung, die Kallifatides aufbaut, auch eine ganz andere, weniger subtile.

Punkten kann Kallifatides in jedem Fall auf menschlicher Ebene. Er hat ein tolles Ermittlerteam zusammengestellt mit ebenso sympathischen wie menschlichen Figuren. Da wäre Maria, die liebenswerte Tochter eines italienischen Pizzabäckers, die nach einer gescheiterten Ehe immer noch auf der Suche nach dem richtigen Mann ist. Dann wäre da Östen, der, nachdem seine Frau ihn verlassen hat, zunehmend im Alkohol Trost sucht und dem die Freundschaft zu Maria noch ein wenig Halt gibt. Und dann wäre da noch Thomas, dessen Privat- und Liebesleben durch die Behinderung des Sohnes in Mitleidenschaft gezogen ist. Jeder hat an seinem eigenen Schicksal zu tragen, und die Art, wie Kallifatides diese Ebene der Figurenskizzierung in die Handlung einfließen lässt, gibt dem Krimi ein ganz und gar menschliches Antlitz.

Die Einzige, die dabei nicht immer ganz überzeugt, ist Kristina. Gleich zu Beginn des Romans, noch in der Phase, als sie das Trauma abzuschütteln versucht, in dessen Zuge auch das Foto entstanden ist, das sie in so eine heikle Lage bringt, kauft sie aus einer Bauchentscheidung heraus eine Axt, um die Rache an ihren Peinigern zu vollstrecken. Ich muss gestehen, dass mir dieser Zug gewisse Schwierigkeiten bereitet. Eine Frau, in deren Rachephantasien eine Axt die Hauptrolle spielt, das klingt doch ein wenig abwegig. Obwohl Kallifatides Kristina am intensivsten beobachtet, sowohl dienstlich als auch privat, bleibt ihr Charakter dennoch merkwürdig blass. Sie wirkt ein wenig unnahbar und schwer durchdringlich, so dass man als Leser nur schwer einen Bezug zu ihr aufbauen kann.

Als Gegenpol zu Kristina baut Kallifatides die Figur des Kemal auf, die ihren ganz eigenen Reiz hat. Auch er bleibt etwas mysteriös, aber dieser Zug tut seiner Figurenskizzierung sehr gut. Kallifatides schafft es, mit Kemal eine gleichermaßen faszinierende wie auch geheimnisvolle Figur aufzubauen, in der sich ein Großteil der Spannung der Geschichte manifestiert.

Der Plot an sich hat positive wie auch negative Seiten. Kallifatides beweist ein ausgesprochenes sprachliches Feingefühl. Er kleidet die Handlung und die Gedanken der Figuren stets in so passende Worte, dass sehr stimmige Bilder entstehen. Andererseits setzt er verstärkt auf den Faktor Zufall, und so sehr sein Roman im Detail auch fein ausbalanciert sein mag, so wirkt dennoch die Auflösung nicht in allen Belangen ganz stimmig und schlüssig.

Bleibt am Ende festzuhalten, dass Kallifatides‘ Qualitäten nicht von der Hand zu weisen sind. Dennoch kann er als Krimiautor nicht auf ganzer Linie überzeugen. Sprachlich ist „Der kalte Blick“ sehr schön komponiert und ein echter Lesegenuss. Das Ermittlerteam, das er ins Rennen schickt, zählt ebenso zu den schönen Seiten des Roman. Lediglich die letzte Schlüssigkeit des Krimiplots und die etwas unnahbare Art von Kristina Vendel trüben ein wenig die Freude. Was Kallifatides hier inszeniert, kann als Drama eben eher überzeugen als als Krimi.

http://www.dtv.de

Giffen, Keith / Grillo-Marxuach / Arlem / Titus – Annihilation 2 (von 4)

[Band 1 3782

_Story_

Der Silver Surfer reist nach Xandar, um sich ein Bild von der Verwüstung zu machen, die Annihilus dort angerichtet hat. Erschrocken stellt er fest, dass der vernichtende Anschlag auf die Heimatwelt des Nova Corps erst der Anfang von Annihilus‘ Streifzug durchs Universum gewesen ist, denn scheinbar hat dieser es auf die Kräfte der Herolde von Galactus abgesehen. Tatsächlich folgen diese, unter anderem auch Thanos, dem Ruf des derzeit gefährlichsten Wesens der Galaxis und beschließen ein dauerhaftes Bündnis mit Annihilus.

Auch der Super-Skrull macht Jagd auf Annihilus. Hierzu stellt er sich sogar gegen sein Volk, das die Gefahr der Superwaffe, die der Weltenzerstörer einsetzt, nicht erkennen möchte. Wie ein Berserker tobt der Super-Skrull durchs Universum und zerstört sämtliche Widersacher, um mehr Informationen über den Ernter der Sorgen an sich zu bringen. So verbündet er sich sogar mit einem alten Feind Hawal, um seine Heimatwelt zu retten und seinen dort befindlichen Sohn zu schützen. Schmerzlich muss er jedoch feststellen, dass man seinen Feinden besser nie trauen sollte …

_Meine Meinung_

Nachdem in der ersten deutschsprachigen Episode von „Annihilation“ noch Richard Rider die Hauptrolle mimte, greifen nun langsam aber sicher bekanntere Figuren ins Geschehen ein. Allerdings wird die Chronologie der Dinge in Band 2 ein wenig auf den Kopf gestellt, denn die erste Story um den Silver Surfer, die zudem noch nicht abgeschlossen ist, findet hier ein jähes Ende, bevor die zuvor datierte Geschichte um die letzten Schlachten des Super-Skrull dann erneut die weitaus actionlastigere Seite der Serie präsentiert. Zumindest was das angeht, haben die beteiligten Autoren hier ein bisschen unlogisch gehandelt.

Die beiden Stränge sind indes wieder vom Feinsten. Der Silver Surfer stellt sich sofort gegen Annihilus und seine Schergen und entdeckt auch direkt die Gefahr, die von seiner Macht ausgeht. Xandar ist bereits zerstört, und dank seiner Superwaffe und der neuen Bündnisse mit den Herolden des Galactus scheinen auch die Wege zu weiteren Vernichtungen frei. Ob aber auch tatsächlich jeder Herold Annihilus völlig untergeben ist, muss sich in Kürze noch bewähren.

In der zweiten Handlung, in der es um die vorzeitige Vernichtung des Ernters der Sorgen geht, taucht ein lange Zeit nicht mehr bedachter, alter Bekannter wieder auf: Kl’rt, der Super-Skrull, ein langjähriger Gegner der Fantastischen Vier, der sogar alle Superkräfte des fabulösen Quintetts in sich vereint hat, greift ins Geschehen ein und versucht, die Vernichtung ganzer Welten aufzuhalten. Im Laufe der Jahre hat er herausgefunden, warum er den Fantastischen Vier stets unterlegen war bzw. dass eine Familienbande nötig sind, um im Kampf selbst gegen mächtigere Gegner zu bestehen. Davon angestachelt, setzt er alle Fähigkeiten in Kraft, um seinen kriegerischen Sohn auf dem Planeten Zaragz’na zu befreien und ihn vor der Welle der Zerstörung zu schützen. Denn im Bunde mit ihm hätte er endgültig die Macht, um sich gegen seine alten Widersacher durchzusetzen und nach Jahren des verzweifelten Kampfes als Sieger vom Schlachtfeld zu ziehen.

Mit gemeinen Intrigen und kompromissloser Aggression zieht er in eine neue Schlacht, bei der er sich sogar gegen die Mächtigsten seines Volkes durchsetzen muss, die seine Entscheidung nicht teilen. Er wird durch das halbe Universum gejagt und wildert mordend und wütend von Planet zu Planet, um sich die nötigen Informationen zu beschaffen. Schließlich nagelt er den bösartigen Hawal fest und zieht ihn auf seine Seite, denn mit ihm ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Ernter der Sorgen beseitigt ist. Aber Kl’rt ahnt nicht, dass sich jemand anmaßt, sein Vertrauen zu missbrauchen. Er tappt genau in jene Falle, die er so vielen anderen zuvor auch schon gestellt hat, und läuft mit ausgestreckten Armen in sein bitteres Schicksal hinein.

Entscheidende Begebenheiten beleben auch den zweiten Teil von „Annihiliation“, wobei der seltsame Aufbau der Serie zu diesem Zeitpunkt ein wenig überraschend ist. Warum soll der Super-Skrull versuchen, eine Waffe vor dem ersten Einsatz zu vernichten, wenn Letzterer bereits in einem vorherigen Plot vollzogen wurde? Die mangelnde Logik vergisst man indes wieder schnell, wenn man einen intensiveren Blick auf die fabelhaften Charakterzeichnungen wirft. Vor allem die Entwicklung des Super-Skrulls ist vor seinem persönlichen, schurkischen Hintergrund erstaunlich, so dass er zum Ende seiner Geschichte sogar tatsächlich in die Rolle eines Sympathieträgers schlüpft, welche ihm in all den Jahren seit seinem ersten Abenteuer im Jahre 1963 nicht vergönnt war. So feiert eine einprägsame Gestalt aus der B-Riege der |Marvel|-Superschurken in „Annihilation“ einen letzten würdigen Auftritt und erhält einen tollen Abgang.

Währenddessen ist auch der Plot um den Silver Surfer spannend aufgebaut, lässt sich jedoch wegen des raschen Endes noch nicht ganz entschlüsseln. Zwar werden die Fronten frühzeitig abgesteckt und die Rollen zeitweilig verteilt, doch inwieweit Mächte wie Galactus später in die Handlung eingreifen werden bzw. inwiefern es zum ersten direkten Aufeinandertreffen zwischen Silver Surfer und dem gewaltsamen Annihilus kommt, bleibt zunächst noch unklar, wird aber sicherlich Thema des nächsten oder letzten Bandes sein.

Insofern knüpft „Annihilation 2“ zwar nur indirekt an die Ereignisse des ersten Buches an, hält aber die Spannungskurve weiter aufrecht und eröffnet einen weitaus weiterreichenden Komplex, als derjenige, den man zunächst dahinter vermutet hatte. Neue Kräfte greifen in das galaktische Spiel ein, neue Fäden werden gesponnen, und daraus ergeben sich auch ungeahnte Hintergründe. Kritik ist lediglich an der unsauberen Zusammenstellung sowie den etwas quietschigen Zeichnungen der „Super-Skrull“-Geschichte auszuüben. Davon abgesehen überzeugt auch der zweite Teil von „Annihilation“ auf ganzer Linie und verdient eine dicke Empfehlung.

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Koontz, Dean – Todesregen

_Handlung_

Eines Nachts werden Molly und ihr Ehemann Neil von einem Unwetter geweckt. Der Regen leuchtet schwach und riecht komisch; ein ungutes Gefühl überkommt die beiden. Im Fernsehen wird weltweit von merkwürdigen Wetterphänomenen berichtet. Plötzlich fallen das Fernsehen, das Telefon und die Internetverbindung aus. Die beiden machen sich auf den Weg in die Stadt und kommen an verlassenen Autos und Häusern vorbei. Überall ist es nebelig.

In einem Lokal treffen sie die wohl letzten Überlebenden in der Stadt. Viele sind verschwunden, oder tot, aber keiner weiß, warum. Was ist bloß passiert?

Auf der Suche nach Erklärungen kristallisiert sich eine These heraus: Eine fremde und überlegene Spezies will die Erde für sich und beginnt einen „Terraforming“-Prozess, um diese Welt für sich nutzbar zu machen. Können die letzten Überlebenden die Welt vor den Invasoren retten?

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren und lebt heute mit seiner Frau in Kalifornien. Seine zahlreichen Romane – Thriller und Horrorromane – wurden sämtlich zu internationalen Bestsellern und in über dreißig Sprachen übersetzt. Weltweit hat er bislang über 250 Millionen Exemplare seiner Bücher verkauft. Zuletzt bei |Heyne| erschienen: „Trauma“.

_Mein Eindruck_

„Todesregen“ klingt, wenn man dem Buchrücken glauben schenken mag, wie eine Hommage an [„Krieg der Welten“ 1475 von H. G. Wells. Doch Koontz wäre nicht Koontz, wenn er die Kopie eines anderen Buches schriebe. Koontz widmet sich also in „Todesregen“ dem Ende der Welt, was eigentlich nicht wirklich ins Koontz’sche-Schema von unterhaltsamer Horror-Literatur zu passen scheint. Allerdings darf ich den geneigten Leser beruhigen, denn Koontz ist nicht zu einem reinen Science-Fiction-Autor geworden. Vielmehr vermischt er geschickt Mythologie und Science-Fiction-Themen zu einem Buch, das den Leser zwingt, sich auf die Geschichte einzulassen und sich selber Gedanken dazu zu machen. Dadurch wird eine unglaubliche Spannung erreicht, die den Leser stundenlang fesselt und ihm den ein oder anderen wohligen Schauder über den Rücken jagt. Gerade auch das Motiv des Terraforming, das ja schon weltweit, infolge der Marsexpeditionen diskutiert wurde, gefällt mir ausgesprochen gut.

Über das Ende möchte ich natürlich nicht zu viel verraten, nur so viel: Es ist wirklich sehr unerwartet!

Koontz zu analysieren, fällt immer wieder schwer, darin mag auch seine Stärke liegen. Zuerst einmal begeistert seine Sprachgewandheit immer wieder aufs Neue. Es macht einfach Spaß, sich durch die Satzkonstrukte zu wühlen, die allerdings immer sehr flüssig lesbar sind. Was dieses Mal ebenfalls besonders gut gefällt, sind die vielen Verweise auf andere Autoren wie T. S. Eliot, Henry James, Edgar Allen Poe, H. P. Lovecraft und andere, wobei besonders T. S. Eliot häufig zitiert wird.

Die beiden Hauptcharaktere Molly und Neil sind für meinen Geschmack allerdings etwas zu schablonenhaft geworden, denn sie verhalten sind an einigen Stellen des Romans zu kitschig, moralisch und tugendhaft. Allerdings werden sie nicht durchgehend oder häufig so übertrieben dargestellt, dass es wirklich stören würde. Auch seiner Faszination für Hunde frönt Koontz wieder einmal ganz unverhohlen, und manchmal ein wenig nervig.

„Todesregen“ wird bisher in Deutschland äußerst zwiespältig gesehen. Die Vorwürfe an Koontz reichen von „er würde die Gesellschaft unter Bush verherrlichen“ bis dahin, „er würde die christliche Religion über andere heben“. Ich muss ehrlich sagen, dass mir davon nichts aufgefallen ist, im Gegenteil, denn die zwei Protagonisten haben nicht wirklich etwas mit Religion am Hut. Sicher benutzt Koontz Charaktere, die „typisch amerikanisch“ erscheinen, aber wieso sollte er nicht? Schließlich spielt die Handlung in einer amerikanischen Kleinstadt. Zumal diese so gut wie keinen Einfluss auf die Handlung haben, also reine Nebenfiguren sind. Einzig bei der Rettung der verschiedenen Kinder erhebt er den Zeigefinger, denn diese kommen fast ausnahmslos aus sehr schwierigen Verhältnissen. Alles in allem kann ich also nichts entdecken, was diese Vorwürfe bestätigen würde. Bei „Die Anbetung“ etwa hätte ich solche Vorwürfe noch eher verstehen können, denn dort wird Mohammed Atta (Attentäter vom 11. September) wiederholt als „Monster“ bezeichnet.

Was mich an „Todesregen“ mit Abstand am meisten gestört hat, ist aber, dass das Buch nicht deutlich dicker geworden ist. Hundert oder zweihundert Seiten mehr wären durchaus möglich und wünschenswert gewesen, denn der Stoff hätte sicher noch mehr hergegeben. Auch wenn man sich den Preis von knapp 20 € anschaut, wären ein paar Seiten mehr (oder ein paar Euro weniger) sicher ein gutes Kaufargument gewesen, wobei der Gesamtaufmachung insgesamt wirklich gut ist.

_Fazit_

„Todesregen“ ist wieder ein starker Horror-Roman geworden, auch wenn er an einigen kleinen Schwächen leidet. Trotzdem schafft es Koontz mit seiner lebendigen Sprache, seinen tollen Ideen, plötzlichen Wendungen und einem völlig unerwarteten Ende, seine Leser von der ersten bis zur letzen Seite zu fesseln.

http://www.heyne.de

_Dean Koontz auf |Buchwurm.info|:_

[„Frankenstein: Das Gesicht “ 3303
[„Die Anbetung“ 3066
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt« “ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648

Millar, M. / McNiven, S. / Jenkins, P. / Lieber, S. – Civil War 2

[„Civil War 1“ 3802

_Inhalt_

|“Civil War, Teil 2″|

Einheiten von Shield machen Jagd auf all diejenigen, die sich dem beschlossenen Registrierungsgesetz widersetzen. In einer rasanten Verfolgungsjagd werden die Young Avengers von einem Agententeam der Regierung gefangen genommen und ins Gefängnis verfrachtet. Captain America sieht diesen Entwicklungen mit gemischten Gefühlen entgegen. Um seine Wut über Tony Starks naiven Beitrag zum Gesetz Ausdruck zu verleihen, lässt er in einem symbolischen Akt einen Shield-Gefangenentransport entführen und geht somit auf die Kampfansage der Gesetzesverfechter ein. Doch ausgerechnet sein langjähriger Freund Spider-Man verpasst ihm einen denkwürdigen Hieb, als er vor aller Öffentlichkeit seine Maske fallen lässt.

|“Angeklagt, Teil 2 und 3″|

Speedball erleidet im Gefängnis Höllenqualen. Sowohl die unnachsichtigen Wächter als auch die Insassen misshandeln den gefallenen Superhelden aufs Übelste und rächen sich für seine eigennützige Tat in Stamford. Dennoch bleibt der Mann, der im öffentlichen Leben Robert Baldwin heißt, standhaft und stimmt der Registrierung nicht zu. Zudem sieht er sich nicht als Verantwortlichen für das Stamford-Attentat und erkennt den Schuldspruch nicht an. Dennoch eröffnen sich für ihn Wege, der brutalen Gefangenschaft legal zu entfliehen. Bedingung ist lediglich die Aufgabe seiner Geheimidentität. Allerdings würde Speedball lieber die Hölle einfrieren sehen als sich dem Druck des Gesetzes zu unterwerfen.

|“Schläfer, Teil 1″|

Bei einem Noteinsatz in einem explodierten Fischfachgeschäft stoßen die Ermittler auf seltsame Spuren. Jemand hat die Wand des Ladens von innen eingeschlagen und somit den gewaltigen Knall ausgelöst. Doch wer oder was verfügt über derartige Superkräfte?

_Persönlicher Eindruck_

In der aktuellen Ausgabe von „Civil War“ kommt es schon zu den ersten Überschneidungen mit den regulären Heftserien, die bei einem derartig monströs aufgebauschten Event aber auch einfach nicht ausbleiben können. Prägender Punkt ist diesbezüglich sowie allgemein sicher die Demaskierung Spider-Mans, die jüngst bereits in „Spider-Man 36“ aus Sicht des Protagonisten vollzogen wurde, hier jedoch recht neutral in den gesamten Plot eingebunden wird. Genau deswegen ergeben derartige Wiederholungen auch durchaus Sinn, denn während man auf der einen Seite mehr über Peter Parkers Gewissensbisse erfährt, bekommt man in „Civil War 2“ noch weitaus deutlicher zu spüren, welchen Effekt dies auf die allgemeine Entwicklung des Bürgerkriegs hat und was dies auch für Kontrahenten und Verbündete des Spinnenmannes bedeutet.

Währenddessen bekommt man auch schon eine deutliche Vorstellung des verheerendes Ausmaßes, das der „Civil War“ nach sich zieht, ergreift aber aus der hier vorgestellten Perspektive auch noch eindeutiger Partei für Captain America und die Gegner des strittigen Gesetzes. Schließlich haben sie nichts Illegales verbrochen und werden plötzlich von den Jägern der Gerechtigkeit zu den Gejagten eines Staates, der sich offenbar nicht bewusst ist, dass er mit Verabschiedung des Gesetzes in ein riesiges Ungleichgewicht fallen wird. Doch nichtsdestotrotz leitet man eine brutale Verfolgung ein und zieht die Linie konsequent durch. Mit nahezu faschistischen Methoden agiert die Regierung und bekämpft ehemalige Verbündete mit einem Mal, als seien es Schwerverbrecher mit bedenklichem Hintergrund. Selbst Patriot von den Young Avengers, der gerade dabei ist, für das rechtmäßige Gesetz einzutreten und einen Verbrecher zu überführen, bekommt die ungeheure Macht von Shield zu spüren, die sich nun als Geheimpolizei aufspielen und unregistrierten Superhelden die Hölle heiß machen. Auch wenn man vorab noch nicht zu sehr darauf abzielte, den Lesern bei der Meinungsbildung so deutlich behilflich zu sein, ist letztendlich ganz klar, für wen hier die Sympathien geweckt werden.

In der zweiten Story, der Fortsetzung von „Angeklagt“, sieht dies allerdings schon wieder ganz anders aus. Zwar erfährt man von den grausamen Misshandlungen, die Speedball in seiner Gefängniszelle über sich ergehen lassen muss, doch andererseits kann man die Regung der Insassen in gewisser Weise nachvollziehen, denn ohne das Eingreifen des ehemaligen Superhelden hätte Nitro womöglich niemals die Explosion in Stamford ausgelöst – und für diesen Fall wäre weder die Diskussion über das neue Gesetz noch der Tod so vieler unschuldiger Zivilisten erforderlich gewesen. Autor Paul Jenkins hat hier einen richtig starken Plot in den Wirren des „Civil War“ konstruiert, in dem die menschlichen Regungen und Emotionen der Beteiligten näher beschrieben werden, die ganze Situation plötzlich aber auch noch einmal viel authentischer erscheint. Natürlich bewegt man sich in der Welt der Superhelden auf rein fiktiver Ebene, aber in diesem Fall werden einige Aspekte hinzugezogen, die das Ganze unheimlich nahbar gestalten und abseits der opulenten Action auch die menschlichen Tragödien, die mit den Ereignissen unmittelbar verbunden sind, beschreiben. Sehr gut gelungen ist dies allemal!

Die letzte Story hingegen scheint bloß der Anfang eines weiteren interessanten Handlungsstrangs zu sein. Ein blaues Meereswesen, das als Fischhändler jahrelang ein Doppelleben geführt hat, taucht plötzlich ins Geschehen ein und startet sofort mit einem lauten Knall. Was es damit auf sich hat, wird man in den nächsten Ausgaben sicher erfahren. An dieser Stelle bleiben lediglich ein starker Cliffhanger und tolle Aussichten auf die Fortsetzung.

Blendende Aussichten darf man der Zukunft des „Civil War“ nach dieser Ausgabe allerdings sowieso bescheinigen; die Handlung wird enorm temporeich fortgeführt, der Komplex immer verblüffender und die eigentliche Handlung mit interessanten Nebengeschichten bereichert. Wer nach den gelungenen Crossovern der letzten Monate und Jahre eine Blaupause für einen superben Einstieg in ein derartiges Event sucht, der sollte zu „Civil War“ und damit natürlich auch zu dieser zweiten Episode greifen.

http://www.paninicomics.de/?s=CivilWar

Scott, Lisa – Mord unter Schwestern

Blut ist dicker als Wasser. Normalerweise. Im Fall von Bennie Rosato hat man da allerdings seine Zweifel, denn ihre eineiige Zwillingsschwester Alice, die getrennt von ihr aufgewachsen ist und die sie erst vor zwei Jahren kennen gelernt hat, macht ihr das Leben zur Hölle.

Dabei hat Bennie eigentlich schon genug Probleme. Ihre Kanzlei, die sie sich über die Jahre aufgebaut hat, bekommt die Rezession in Amerikas Wirtschaft deutlich zu spüren. Der momentan einzige Mandant eröffnet der ehrgeizigen Anwältin nach dem gewonnenen Prozess, dass er insolvent ist und sie nicht bezahlen kann.

Bennies Hoffnung, ihre Kanzlei doch noch vor dem Untergang retten zu können, wird dadurch zunichte gemacht. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ein französische Hersteller von optischen Linsen, der nach Amerika expandiert hat, engagiert sie, um eine Gruppenklage gegen einen amerikanischen Industrieverband zu führen, der das Wettbewerbsgesetz verletzt hat. Obwohl weder Bennie noch ihre Angestellten Erfahrung mit Gruppenklagen haben, erklären sie sich dazu bereit, Robert St. Amien zu unterstützen.

Zur gleichen Zeit taucht Bennies kriminelle Zwillingsschwester Alice wieder in Philadelphia auf und versucht alles, um ihre Schwester in Verlegenheit zu bringen. Sie kleidet sich wie sie, stürzt in einer Bar ab, klaut ein paar teure Diamantenohrringe und versucht Bennies Hund zu töten. Sie will den Ruf ihrer Schwester zerstören, was ihr auch beinahe gelingt.

Doch dann wird Bennies Aufmerksamkeit von einem ganz anderen Problem gefesselt: Robert St. Amien, die Rettung ihrer Kanzlei, wird auf offener Straße erstochen. Während die Polizei an einen Touristenmord glaubt, wie er vor kurzem schon einmal passiert ist, ist Bennie fest davon überzeugt, dass die Anwälte und andere Kläger der Gruppenklage ebenfalls einen Grund gehabt hätten, St. Amien zu beseitigen. Sie beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und bringt sich dabei in tödliche Gefahr …

„Mord unter Schwestern“ fühlt sich anfangs an wie ein amerikanischer Gerichtsthriller, letztendlich dreht sich die Geschichte aber um Bennies Leben, ihre Kanzlei und den Mord an St. Amien. Scott schafft es dabei, eine starke Sogwirkung zu entfalten, indem sie die teilweise rätselhaften Ereignisse, welche die Spannung noch steigern, schnell aufeinander folgen und von einer sympathischen, erfrischend unkonventionellen Erzählerin zusammenhalten lässt.

Bennie, die Erzählerin, schreibt allerdings nicht aus der Ich-Perspektive, sondern aus der dritten Person. Die Autorin schafft es trotzdem, die Anwältin so lesernah wirken zu lassen wie aus der Ich-Perspektive erzählt, was auf jeden Fall von Vorteil ist. Ebenfalls sehr vorteilhaft sind die witzigen, teilweise selbstironischen Bemerkungen, die immer wieder in den Text einfließen und Scotts Schreibstil prägen.

|“Bennie war wie betäubt. Sie konnte nicht rechnen, weil das Blut so laut in ihren Ohren rauschte. Allerdings konnte sie auch nicht rechnen, wenn kein Blut in ihren Ohren rauschte.“| (Seite 29)

Die Autorin stellt ihre sympathische Protagonistin gerne durch derartige Bemerkungen bloß, was Bennie Rosato unperfekt und dadurch authentisch wirken lässt – was bei amerikanischen Krimis und Thrillern ja nicht immer an der Tagesordnung ist.

Doch nicht nur anhand von Bennie schafft es die Autorin, die Aufmerksamkeit des Lesers zu fesseln. Die Handlung erweist sich als vielschichtiger Plot, der nie zerfasert, sondern Spannung aus allen möglichen Ecken bezieht. Neben dem Mordfall sind da noch die zufälligen Verstrickungen, in die Bennie dank ihrer Zwillingsschwester gelangt, und die Angst um die Kanzlei. Dadurch, dass immer wieder ein Hoffnungsschimmer auftaucht, der dann wieder zerfasert wird, fiebert der Leser bis zum Ende mit. Gleiches gilt für die rechtlichen Auseinandersetzungen, die Scott kurzweilig und interessant gestaltet, so dass auch ein Laie versteht, was vor sich geht.

Eigentlich ist bei „Mord unter Schwestern“ alles in Ordnung. Kurzweilig, spannend, packend ist das Buch, doch das dicke Ende kommt erst noch. Dann nämlich reimt sich Lisa Scott eine absolut unbefriedigende, da an den Haaren herbeigezogene Lösung des Mordfalls zusammen, der ein überzogener und unlogischer Showdown vorausgeht.

Wieso ist die Lösung unbefriedigend? Der wirkliche Täter ist einfach zu überraschend. Bennie, die mit ihren Angestellten wider die Belehrung von Detective Needleman auf eigene Faust ermittelt, findet schnell ihren Kreis von Verdächtigen, doch der eigentliche Täter war darin (natürlich) nicht vorgesehen. Dummerweise legt die Autorin auch keinerlei Spuren im Vorfeld, die sanft in dessen Richtung zeigen. Dadurch wirkt das Ende sehr überraschend und, wie bereits erwähnt, nicht gerade logisch.

Wenn Scott vorher nicht 380 Seiten packende Literatur abgeliefert hätte, wäre es um dieses Buch geschehen. Obwohl die Protagonistin und der mit ihr eng verknüpfte, humorgeprägte und genaue, aber nicht ausschweifende Schreibstil mehr als gefallen, sorgt das Ende der spannenden Handlung für einiges Stirnrunzeln. „Mord unter Schwestern“ schwächelt auf den letzten dreißig Seiten, und das ist traurig, denn sonst wäre das Buch eine Empfehlung cum laude gewesen.

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