Archiv der Kategorie: Rezensionen

Winick, Judd / Middleton, Joshua – Superman/Shazam (100% DC 4)

_Story_

Im Thronsaal des Zauberers Shazam wurde durch Magie ein weiterer Superheld geboren, nämlich der später berüchtigte Captain Marvel, eigentlich ein Jugendlicher, der sich durch den Gebrauch des Wortes ‚Shazam‘ in sein Alter Ego und wieder zurück verwandeln kann. Schon schnell macht er in seiner Heimat Fawcett City auf sich aufmerksam und befreit die Stadt von Gaunern und Ungerechtigkeiten. Zur gleichen Zeit kämpft Superman ebenfalls gegen eine Hand voll Schurken und macht dabei zum ersten Mal Bekanntschaft mit seinem neuen Kollegen. Gemeinsam stellen sie sich gegen den hinterhältigen Mr. Sivana, der zusammen mit Lex Luthor einen finsteren Plan ausgeheckt hat. Marvel muss dies jedoch teuer bezahlen; das Verbrechersyndikat hat seine wahre Identität ausfindig gemacht und greift ihn in seinem menschlichen Dasein als Kind an. Als dabei sein bester Freund – selber auch noch ein Kind – umgebracht wird, sieht der Captain rot und widersetzt sich sämtlichen Gesetzen der guten Superhelden. Superman forscht nach den Ursachen …

_Meine Meinung_

Die im vierten Band von „100 % DC“ publizierte Story schildert das erste Aufeinandertreffen von Superman und Captain Marvel und macht dabei noch ganz klar die Unterschiede zwischen diesen beiden legendären Superhelden der Comicgeschichte deutlich. Zumindest diejenigen, die bei ihrer ersten Begegnung noch offenkundig auftreten. Im Gegensatz zum schon seit Ewigkeiten bekannten Superman ist der von der Statur her ähnliche Captain noch ziemlich naiv und in seiner Art auch seinem Alter entsprechend ein wenig kindlich. Zudem hat er seine Gefühle noch nicht ganz so gut im Griff, was vor allem in dem Moment offenbart wird, in dem er realisiert, dass sein Superheldendasein einige gefährliche, gar tödliche Nebenwirkungen haben kann. Im Gegensatz dazu tritt Superman so souverän wie gehabt auf, wirkt in seiner Art sogar ein wenig arrogant. Speziell die Stellen, an denen er mit seinen Fähigkeiten protzt, machen den geliebten Action-Star nicht gerade sympathisch, schließlich ist seine eigentliche Stärke ja die Bescheidenheit.

Auf die Handlung wirken sich diese Eigenschaften dann auch ziemlich deutlich aus. Während Superman nämlich die Szenerie stets unter Kontrolle hat, wirkt der Captain in seinen ersten heftigeren Gefechten noch ein wenig unsicher und schaut dabei immer wieder aus nächster Nähe zu seinem Idol auf. Man hat nicht den Eindruck, als stünden beide auf einer Stufe. Stattdessen wird Superman in eine Art Vaterrolle hineingedrängt, die auch in den Schlusssequenzen indirekt bestätigt wird, wenngleich es hier natürlich keine biologischen Zusammenhänge gibt. Schließlich ist Billy Batson ein Mensch von der Erde, der nicht von Natur aus zum Mutanten geboren, sondern erst durch die Magie des Zauberers Shazam dazu geworden ist.

Doch zurück zur Handlung, denn die ist in der hier aufgeführten Mini-Serie „First Thunder“ überaus spannend. Gleich in mehrfacher Hinsicht liegt eine gewisse Brisanz in der Luft, sei es nun das Kribbeln vor der ersten Begegnung der beiden Stars, oder aber im Hinblick auf die wechselhafte Fortentwicklung der Geschichte, die zum Schluss hin noch einige sehr überraschende, recht harte Wendungen nimmt, die einen trotz es fiktionalen Inhalts ein wenig berühren. Die Rede ist hierbei natürlich in erster Linie vom Tod des unschuldigen Jungen, der in Captain Marvel einige Rachegelüste lostritt und den Rang des Gesetzeshüters auch erheblich herabsetzt. Hierzu wäre es dann auch interessant zu wissen, was genau danach passiert, denn nachdem sich Superman seines neuen jungen Freundes angenommen hat, ist die recht lange Story leider mit einem unbewussten Cliffhanger beendet worden, der vielleicht ja in nächster Zeit noch einmal aufgegriffen wird. Wäre jedenfalls wünschenswert.

Unterdessen hat man aber noch genügend Zeit, sich an dieser tollen, in diesem Sammelband verewigten Miniserie zu erfreuen, denn sowohl auf emotionaler als auch auf der Action-Ebene ist „Superman/Shazam“ ein echt starker Comic, bei dem lediglich die streckenweise poppigen Zeichnungen von Joshua Middleton ein wenig gewöhnungsbedürftig sind. Aber auch dadurch hebt sich diese Serie wohlig von den herkömmlichen Comics ab und macht nicht zuletzt auch die eher durchschnittlichen Veröffentlichungen zum „Superman Returns“-Kinofilm wieder ein wenig vergessen.

http://www.paninicomics.de

Harlan Coben – Kein böser Traum

Ein altes Foto zieht die Familie einer Künstlerin in einen Strudel aus Rache, Lebensgefahr und Mord, der stetig wächst und weitere Menschen ins Verderben stürzt … – Komplex geplotteter, spannender Thriller, dessen Verfasser meisterlich die Kunst beherrscht, seine Leser Stück für Stück in das große Geheimnis einzuweihen und trotzdem immer noch einen Trumpf in der Hinterhand zu behalten. Die Figuren ‚leben‘, Emotion versumpft nie in Gefühlsduselei; kurz: Für diesem Coben-Krimi kann eine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen werden. Harlan Coben – Kein böser Traum weiterlesen

Sittenfeld, Curtis – Eine Klasse für sich

Mit reichlich Vorschusslorbeeren geht derzeit der Debütroman von Curtis Sittenfeld in Deutschland an den Start. Die |New York Times| kürte „Eine Klasse für sich“ als einen der fünf besten Romane des Jahres 2005. Dass Curtis Sittenfeld bei der |New York Times| aber einen Sympathiebonus haben dürfte, sollte man im gleichen Atemzug vielleicht auch erwähnen, denn Sittenfeld schreibt schon seit ihrem 16. Lebensjahr für diverse Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem eben auch für die |New York Times|. Was bleibt also übrig von Curtis Sittenfelds Debüt, wenn man die rosarote Brille der |New York Times| einmal beiseite legt? Ist all der Rummel um die 29-jährige Autorin nur Hype oder steckt mehr dahinter?

Doch worum geht es bei „Eine Klasse für sich“ überhaupt? Der Roman erzählt die Geschichte der harten Highschool-Jahre der vierzehnjährigen Lee Fiora. Lee Fiora, durchschnittliche, amerikanische Mittelschicht, ist in ihrer Kleinstadt in Indiana eines der herausragenden Mädchen ihrer Klasse. Um so härter fällt ihre Ernüchterung aus, als sie mittels Stipendium an ein Ostküsten-Internat wechselt. Eine Welt wie in einer Hochglanzbroschüre: ehrwürdige Backsteingebäude, akkurat geschnittener Rasen, ordentliche, gut gekleidete Schüler, allesamt intelligent, privilegiert und größtenteils gut aussehend – alle außer Lee, wie es scheint.

Schon bald muss Lee begreifen, dass in Ault, dem Ziel ihrer Träume, die Uhren etwas anders ticken. Lee wird schnell zur Außenseiterin, die das Geschehen am Campus beobachtet, ohne sich als Teil davon fühlen zu können. Sie wird sich dessen bewusst, dass ihre Mitschüler so anders sind als sie, dass sie sich schwer tut, sich mit ihrer neuen Umgebung zu arrangieren. Sie schließt nur wenige Freundschaften, und jene, die sich mit Lee anfreunden, sind selbst Außenseiter. Lees Verhältnis zu Mitschülern wie zu Lehrern bleibt kompliziert und auch als Lee eine heimliche Affäre mit dem Schulschwarm Cross Sugarman beginnt, kommt Lee nicht aus ihrem schattenhaften Dasein heraus. Das geschieht erst, als sie einen folgenschweren Fehler begeht …

Sittenfeld beschreibt das bunte Treiben an der Highschool plastisch und lebhaft. Im Fokus all dieser Betrachtungen steht Lee mitsamt ihrem äußerst komplizierten Verhältnis zu ihren Mitschülern und letztlich auch zu sich selbst. Lee war als Vierzehnjährige von der Hochglanzbroschüre beeindruckt, die sie sich vor ihrer Bewerbung in Ault hat zuschicken lassen, und wollte Teil dieser schicken Hochglanzwelt werden.

Dass man seine Wurzeln nicht so einfach abstreifen kann, muss Lee schon bald begreifen. Aus dieser Erkenntnis zwischen versuchtem Anpassen und bewusstem Untertauchen in der Masse entwickelt Lee schon bald eine Strategie der absoluten Unauffälligkeit. Wie gut getarnt sie über den Campus schleicht, ist für den Leser in gewisser Weise schon erheiternd.

Dabei schmunzelt man eben nicht nur über Lees Verhalten, sondern besonders auch über die Beobachtungen, die sie in ihrer selbstgewählten Isolation macht. Lee hat das Treiben auf dem Campus stets genau im Blick. Sie studiert die ungeschriebenen Gesetze der zwischenmenschlichen Dynamik der Privatschule und sucht nebenbei nach ihrem eigenen Platz in dieser Welt – und letztlich auch im Leben.

„Eine Klasse für sich“ ist letztendlich eben auch ein Roman über das Erwachsenwerden. Sittenfeld beschreibt die Tücken der Pubertät und der ersten Liebe, beschreibt den schwierigen Weg vom Jugendlichen zum Erwachsenen und trifft dabei genau den passenden Ton. Der Roman wirkt auf gewisse Weise authentisch und glaubwürdig.

Lee wirkt als Figur außerordentlich plastisch und der Leser fühlt sich nah am Geschehen. Sie ist dabei ungleich sympathischer und wirkt wesentlich unverfälschter als Tom Wolfes Charlotte Simmons in dessen Roman [„Ich bin Charlotte Simmons“. 1883 Sittenfeld versetzt sich so gut in die Highschool-Jahre von Lee hinein, dass man schon fast automatisch nach biographischen Parallelen suchen mag. Wie Sittenfeld die Gedankenwelt ihrer Figuren beschreibt, das fühlt sich eben echt und ungekünstelt an, und genau das macht die Qualität des Romans aus.

Insgesamt betrachtet ist „Eine Klasse für sich“ wirklich unterhaltsame Lektüre. Sie beschreibt das Auf und Ab im Leben, wie es jeder kennt, sie ist mal erheiternd und mal nachdenklich oder gar traurig stimmend und so, wie die Geschichte und die Figuren sich entwickeln, ist es spannend, den weiteren Prozess zu verfolgen. Geschrieben ist der Roman auf eine herzerfrischende und lockere Art. Er lässt sich schnell runterlesen und ist dabei durchgängig unterhaltsam.

Bleibt unterm Strich die Erinnerung an ein Buch, das sich als durchaus lesenswerte Kost entpuppt. Sittenfeld beschreibt mit Herz und einem Augenzwinkern den Entwicklungsprozess ihrer Hauptfigur und weiß damit über die gesamte Romanlänge zu unterhalten. Sie zeigt auf plastische Art, wie es sich anfühlt, langsam erwachsen zu werden, und demonstriert dies anhand einer interessanten, lebensechten Hauptfigur.

Es ist also letztlich nicht alles Hype, was einem so an Lob über dieses Buch zu Ohren kommt, sondern entspricht in gewisser Weise durchaus den Tatsachen, und man kann „Eine Klasse für sich“ dem potenziell interessierten Leser durchaus ans Herz legen. „Eine Klasse für sich“ ist in der aktuellen Literatur zur Thematik dabei eine wesentlich bessere Wahl als Tom Wolfes vergleichbarer Roman „Ich bin Charlotte Simmons“, bei dem gerade auch die Hauptfigur eine gewisse Authentizität vermissen lässt.

http://www.aufbau-verlag.de

Joseph Ratzinger – Wer glaubt, ist nie allein. Worte der Ermutigung

Seit der Wahl Joseph Kardinal Ratzingers zum Papst Benedikt XVI. im April 2005 fanden seine Bücher einen erheblich gesteigerten Absatz. So ist es auch zu erklären, dass es von Ratzingers Büchern nun auch Hörbücher gibt. Bei „Wer glaubt, ist nie allein“ handelt es sich um ein Buch, welches sich vor allem an gläubige Christen richtet. Jemand, der sich für den christlichen oder speziell den katholischen Glauben interessiert und ggf. seine eigenen religiösen Überzeugungen an den Ausführungen Ratzingers messen will, ist mit dem Kauf des Buches und vor allem auch des Hörbuches schlecht beraten. Das Buch will keine Meinungen verändern, sondern es will den bereits glaubenden Christen etwas erläutern. Der Untertitel des Buches lautete treffend „Worte der Ermutigung“. Dies ist insofern besonders pointiert ausgedrückt, da Ratzinger in der Tat viele aufmunternde und erbauliche Botschaften in dieses Buch einbaut. Ein überzeugter Christ, der eventuell seinen Glauben vertiefen und seine Vorstellungen von den Aspekten des christlichen Glaubens konkretisieren will, dürfte mit diesem Buch seine Freude haben. Der Nutzen, welchen der Leser von diesem Buch gewinnt, hängt also sehr stark von dem Leser selbst ab. Dies liegt natürlich in der Natur der Sache begründet. Ein begeisterter Krimileser beispielsweise hat ja schließlich auch potenziell mehr Nutzen von einem Krimi als ein Science-Fiction-Fan.

Nachdem sich die bisherigen Äußerungen vor allem auf den Inhalt der Buchvorlage bezogen haben, möchte ich mich nun den Spezifika des Hörbuchs zuwenden. Auch hier hängt die Beurteilung von den Voraussetzungen des Hörers ab. Der Sprecher des Hörbuchs Edgar M. Böhlke ist zweifellos ein sehr fähiger. Er ist zu keiner Zeit unklar in der Aussprache und behält in beachtenswerter Weise seinen Sprechrhythmus über die gesamte Spieldauer hinweg bei. In diesem Sprechrhythmus liegt allerdings auch ein gewisses Problem begründet. Die langsame und ruhige Leseart Böhlkes verleitet den Hörer allzu schnell dazu, die Aufmerksamkeit zu verlieren. Böhlke liest das Buch nach dem Stil einer Predigt, einer zweifellos guten Predigt, allerdings verspielt man dadurch eine große Chance des Buches. Ratzinger ist ein herausragender Theologe und ein allgemein brillanter Geist, und auch wenn „Wer glaubt, ist nie allein“ gewiss nicht sein bestes und schon gar nicht sein wissenschaftlichstes Buch ist, so hat es doch eine theologische Dimension. Diese Dimension verspielt man allerdings, wenn man das Buch wie eine Predigt liest. Ein Vortrag mit markanteren Betonungen und gelegentlichen Tempowechseln hätte dem Hörbuch gewiss gut getan. Dieser Kritikpunkt richtet sich jedoch weder an Ratzinger noch an Böhlke. Es ist vielmehr eine Kritik an der Entscheidung des Herausgebers, der offensichtlich nicht den inhaltlichen Tiefgang, sondern die dogmatischen und liturgischen Aspekte des Buches betonen wollte. Abgesehen davon, dass man dem Hörbuch auf diese Weise seine besondere Stärke genommen hat, wird es durch diese Akzentsetzung auch noch auf die Dauer einschläfernd. Dies dürfte jedenfalls für die Hörer gelten, die sich ernsthaft und kritisch mit dem Thema auseinander setzen wollen. Der Hörer, der sich einfach nur religiös berieseln lassen will, dürfte bei diesem zweistündigen Hörbuch auf seine Kosten kommen. Die behandelten Themen lauten in der Gesamtübersicht: Leben, Erlösung, Glaube, Bibel, Kirche, Liturgie, Freude, Liebe, Hoffnung.

Ein weiterer Kritikpunkt ist das Vorwort des Herausgebers. Im Vorwort wird der Hörer bereits darauf vorbereitet, was er von dem Buch später halten soll. Das Vorwort präjudiziert, und das ist ebenfalls etwas, das dem Buch nicht gerecht wird. Ratzingers Bücher können für sich selbst sprechen, genauso wie es alle guten Bücher können. Ein Vorwort, das den Autor und seine Werke emporhebt, bevor man die Gelegenheit hatte, auch nur ein Wort des Buches selbst zu hören oder zu lesen, leistet dem Autoren und seinem Werk einen wahren Bärendienst. Ein gutes Buch hat falsche Vorschusslorbeeren und salbungsvolle Beweihräucherungen des Herausgebers nicht nötig. Und genau darum handelt es sich bei „Wer glaubt, ist nie allein“ – um ein gutes Buch. Vorausgesetzt, dass man als Hörer oder noch viel besser als Leser dazu bereit ist, sich mit einer grundlegenden Prämisse des Buches abzufinden: Der christliche Glaube ist der wahre Glaube. Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass es sich hierbei um eine Kampfschrift handelt. Es ist, wie bereits erwähnt, eine Erläuterung des christlichen Glaubens an den Gläubigen und den, der es werden will. Im Gegensatz zu anderen Schriften Ratzingers ist dieses Buch relativ unkritisch, da es sich eben um „Worte der Ermutigung“ handelt.

http://www.sprechendebuecher.de/

Bollhöfener, Klaus (Red.) / Havemann, Achim (Hrsg.) – phantastisch! 22

_Inhalt_

|Interviews|

Carsten Kuhr: Interview mit Thomas Finn
Johannes Rüster: Interview mit Matt Ruff
Andreas Nordiek: Interview mit Marcel Feige
Thomas Harbach: Interview mit Zoran Zivkovic

|Bücher, Autoren & mehr|

Andreas Eschbach: Warnung vor akuter Dramaturgitis – Werkstattnotizen Teil 7
Horst Illmer: Science Fiction? Studieren?? In Deutschland???
Horst Illmer: Die „Science Fiction“-Definition als Herausforderung für die Philologie
Johannes Rüster: Die Welten des Matt Ruff
Achim Schnurrer: Meister der phantastischen Literatur: Leo Perutz – Teil 2
Nicole Rensmann: Sprungbrett Fantasy – Der Wolfgang Hohlbein Preis
Ulrich Blode: Level 4: Die Computerkrimis von Andreas Schlüter
Thomas Harbach: Trash and Treasury
Phantastische Nachrichten zusammengestellt von Horst Illmer

|Rezensionen|

Andreas Wolf: Peter James: „Stirb ewig“
Horst Illmer: Mikael Niemi: „Das Loch in der Schwarte“
Regnier Le Dyckt: Martin Amanshauser „Alles klappt nie“
Carsten Kuhr: Terry Pratchett: „Ab die Post“
Ulrich Blode: Kim Stanley Robinson:
„Die Romane des Philip K. Dick. Eine Monographie“
Horst Illmer: China Miéville: „Der eiserne Rat“
Andreas Wolf: Stephen King: „The Colorado Kid“
Regnier Le Dyckt: Frank Beddor: „Das Spiegellabyrinth“
Andreas Wolf: Reaves/Pelan (Hg.): „Sherlock Holmes – Schatten über Baker Street“
Carsten Kuhr: Thomas Finn: „Der Funke des Chronos“
Regnier Le Dyckt: David Brin: „Copy“

|Story|

Niels-Arne Münch: In der Nacht
Edgar Philips: Das Geräusch

_Rezension_

Im Vorwort der Ausgabe 2/2006 der PHANTASTISCH! 22 weist Klaus Bollhöfener die Leser darauf hin, dass die Redaktion dank vieler Texte zu Autoren und Büchern auf Beiträge in den beiden Rubriken COMIC und WISSENSCHAFT verzichten musste. Dafür erfährt man in den Interviews mehr über Matt Ruff, Thomas Finn, Marcel Feige und Zoran Zivkovic.

_[Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59 _ ist in letzter Zeit in aller Munde, ist ein Allroundtalent und darüber hinaus netter Mensch. Er ist auf jeden Fall ein intensives Hinblicken wert, was das Interview über ihn umso interessanter macht. Ob es um seine Leseleidenschaft geht, seine Kinogänge, seine Liebe zur phantastischen Literatur und zu Rollenspielen, seinem Patensohn, seine Liebe zu Hamburg – aber vor allem seinem Schaffen. Wie seinen Romanen bei |PIPER|, den Zusammenarbeiten mit anderen Autoren wie Bernhard Hennen, aber auch seinen Theaterstücken.

[Matt Ruff, 2712 Sohn eines Pfarrers aus New York/Queens, in dessen Romanen sich Abgründe hinter bürgerlicher Fassade auftun, wird detailliert vorgestellt und verrät, dass er eigentlich in erster Linie für sich selbst schreibt, und dass ihn Stephen King früh und stark beeinflusst hat.

_Marcel Feige_ wird vorgestellt, dessen Romanfiguren sich nicht selbständig machen, wie der Autor verrät und dessen Roman-Trilogie [„Inferno“, 2112 eine moderne Horror-Serie im |FESTA|-Verlag, das Licht der Leserwelt erblickt hat, der ein Roman im |Goldmann|-Verlag und weitere Titel in anderen Verlagen folgen werden.

Im UPDATE berichtet _Horst Illmer_ über Nachrichten und Neuigkeiten wie Nachrufe. Gedenktage, Neue (Hör-)Bücher, SF& Fantasy in den Medien und fragt: Wer ist Titus Müller? Es sei vorweg gesagt: Ein interessanter Autor!

_Andreas Eschbach_ warnt in dem siebten Teil seiner Werkstattnotizen vor „akuter Dramaturgitis“.

Die REZENSIONEN lassen sich auch wieder sehen. Ob „Der Eiserne Rat“ von China Miéville, „Ab die Post“ von Terry Pratchett, die Holmes-Anthologie „Sherlock Holmes – Schatten über Baker Street“ – Hrsg.Michael Reaves & John Pelan -, „Der Funke des Chronos“ von Thomas Finn und etliche mehr.

Achim Schnurrer verfasste Teil zwei des Portraits über _Leo Perutz_, der sich mit den Höhepunkten und Niederlagen des jüdischen Schriftstellers bis zu seinem Tod 1957 beschäftigt.

Nicole Rensmanns Artikel widmet sich dem „Sprungbrett Fantasy – Der Wolfgang Hohlbein-Preis“ und stellt die bisherigen PreisträgerInnen vor.

„Level 4: Die Computerkrimis von _Andreas Schlüter_“, stellt sowohl den Autor als auch seine Werke vor.

TRASH & TREASURY, die Kolumne von Thomas Harbach, informiert über _Zoran Zivkovic_, den serbokroatischen Schriftsteller, worauf ein Interview mit eben jenem folgt.

Die STORIES runden den Unterhaltungswert ab.

_Fazit_: Eine wieder einmal |rundum| gelungene Ausgabe! Kaufen!

PHANTASTISCH! 22
Ausgabe 2/2006
April 2006
Vierfarbcover, 68 Seiten, 4,90 €
ISSN 1616-8437
Cover: Volkan Baga
http://www.phantastisch.net
Verlag Achim Havemann
Harlingen 119
29456 Hitzacker

Gärtner, Stefan – Man schreibt deutsh. Hausputz für genervte Leser

|“Wenn die Worte nicht stimmen, so sind die Begriffe nicht richtig; sind die Begriffe nicht richtig, so kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen Moral und Kunst nicht, so trifft die Justiz nicht, so weiß die Nation nicht, wo Hand und Fuß zu setzen. Also dulde man nicht, dass in den Worten etwas in Unordnung sei.“|
(Konfuzius)

Wenn man jemanden kennt, der gelegentlich öffentlich sprechen muss, und feststellt, dass derselbe Mensch, der eben noch in kleiner Runde klar und verständlich in eigenen Worten geredet hat, nun vor Publikum Phrasen ablässt, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, dann weiß man, dass irgend etwas nicht stimmt. Und dass man die angefangenen Phrasen auf Anhieb wiedererkennt und im Kopf vorwegnehmen kann, sollte einen erst recht beunruhigen.

Stefan Gärtner, Redakteur des satirischen Magazins „Titanic“, knöpft sich in seinen Buch „Man schreibt deutsh“ (Man erkennt den Titel von Gerhard Polts satirischem Film „Man spricht deutsh“ wieder.) den Sprachverfall in veröffentlichten Texten überwiegend aus den Bereichen Literatur und Publizistik vor. Mit sicherem Wissen in Semantik, Grammatik und Literatur kritisiert er den dortigen Sprachgebrauch. Die Texte des Buches waren teilweise bereits in der „Titanic“ zu lesen, womit klar sein dürfte, dass „Man schreibt deutsh“ kein Sachbuch mit wissenschaftlichem Anspruch ist, sondern eine Satire, die aber meist auf hohem Niveau ausgewählte sprachliche Fehltritte kommentiert und persifliert.

Im ersten Kapitel ‚Zunehmend Barbaren Welt‘ setzt Gärtner zum Rundumschlag gegen Fernsehen, Zeitungen, Magazine und Literatur an. Er führt den täglichen Ramsch aus Tautologien („verschmutztes Schlammwasser“), Setzkasten-Deutsch („Bush-Besuch“ statt „Bushs Besuch“), barocken Aufblähungen („zunehmend wichtig“ statt „wichtiger“) und unsinnigen Metaphern (der schlaffe Testballon platzt) vor. Schlechtes Formulieren ist immer ein Zeichen für schlechtes oder mangelndes Denken. Gefährlicher als einzelne missglückte Ausdrücke ist insofern das Formulieren in vorgestanzten Phrasen, was offenbart, dass Leute, deren Aufgabe es ist, uns zu informieren, weder die berichteten Ereignisse noch ihre Worte darüber ausreichend überdenken. Oder in Gärtners Worten: Aus dem Journalisten plappert es in mechanischer Gewohnheit heraus, „weil er Einschnitte schon gar nicht mehr anders kennt als |notwendige|“ (S. 17). Dass Gärtner nicht in journalistischer Kumpanei die Beispiele schlechten Deutschs anonym vorführt, sondern die Verfasser und Veröffentlicher dieser Peinlichkeiten nennt, ist ihm hoch anzurechnen. Allein schon für dieses erste Kapitel lohnt sich die Anschaffung des Buches. Dieser Text sollte Pflichtlektüre im Deutschunterricht werden.

Die folgenden Kapitel behandeln an ausgewählten Beispielen verschiedene Textarten wie politische Kommentare, Feuilletonsbeiträge, Romane oder Klappentexte. Gärtner arbeitet den jeweils typischen nachlässigen Umgang mit der deutschen Sprache heraus und zeigt dessen Ursachen wie Ignoranz, Geschwätzigkeit, Wichtigtuerei, Selbstverliebtheit oder – vor allem kommerziell motivierte – Beeinflussung des Lesers. Eine seiner Lieblingszielscheiben ist dabei die aufgeblasene, blumige Sprache der Kulturedaktionen. Wenn ihm deren Geschwafel zu viel wird, gibt Gärtner den Kalkofe des gedruckten Wortes und schiebt statt einer Analyse dem Originalzitat eine bissige Parodie hinterher. Auch im Weiteren hat der Autor keine Angst vor großen Namen und demonstriert den schlampigen Umgang mit der Sprache auch in angesehenen Zeitungen und in den öffentlich-rechtlichen Medien, die zwar jedem „Rundfunkteilnehmer“ 51 Euro je Quartal an Zwangsgebühren abknöpfen, aber in ihren Redaktionen immer noch keine journalistische oder sprachliche Qualitätssicherung haben.

Eine Auswahl, wie sie Gärtner vornimmt, ist natürlich immer „ungerecht“, aber nach der Lektüre ist der Leser vielleicht hellhöriger und kann diejenigen aufspüren, die hier ungeschoren geblieben sind. Sicher ist auch Gärtners Kritik im Einzelnen selber kritikwürdig; insbesondere beim Schriftsteller Durs Grünbein schießt er bei allen berechtigten Bemerkungen gelegentlich etwas übers Ziel hinaus. Weiterhin behelligt er den Leser stellenweise schon etwas arg mit seiner politischen Meinung.

Trotzdem ist „Man schreibt deutsh“ ein ebenso nützliches wie unterhaltsames Buch. Wer etwas Derartiges schreibt, muss natürlich selber gut formulieren, und das gelingt Stefan Gärtner auf jeden Fall. Präzise legt er das „Dummdeutsch“ (Eckhard Henscheid) dar und korrigiert es. Man kann bei dieser Schrift von „intelligenter Unterhaltung“ sprechen, ohne floskelhaft zu werden, denn Gärtner schreibt seine Satire in einem gediegenen, vereinzelt schon etwas altertümlichen Deutsch, um dann bei nächster Gelegenheit einen kräftigen Kalauer loszulassen. Durch Anspielungen und witzige Pseudo-Zitate belustigt der Text auch noch in den Nebenbemerkungen.

Sympathisch macht das Buch, dass Gärtner zwischen seinen Attacken selbstironisch einräumt, dass es natürlich größere Probleme auf der Welt gibt oder auch ihm selbst Fehler im Buch unterlaufen sein können. Und er ist sich auch nicht zu schade, Autoren und Zeitschriften, die er eben noch kritisiert hat, für gute Beiträge zu loben.

Auch bei seinen kleinen Schwächen ist „Man schreibt deutsh“ unbedingt eine weite Verbreitung zu wünschen. Jetzt fehlen noch entsprechende Schriften über Politiker- und Werbesprech.

http://www.rororo.de

Mario Puzo – Der Pate

Wer wäre geeigneter – quasi als (selbsternanntes) Volkes schlechtes, literarisches Gewissen -, den heiligen Zorn des Blätterwaldes zu entfesseln? Richtig. Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben. Okay, diese Idee hatte ursprünglich die |Süddeutsche Zeitung|, der |Springer|-Verlag hat also wie üblich ein erprobtes Erfolgsrezept nur nachgeäfft. In Zusammenarbeit mit dem nicht nur namentlich verwandt-verschwägerten Augsburger |Weltbild|-Verlag erschien die |BILD Bestseller-Bibliothek|. „Der Pate“ ist Band 1 und kostet (wie alle anderen Titel der Reihe auch) moderate 4,99 €.

Mario Puzo – Der Pate weiterlesen

Parzzival, S.H.A. – Himbeertod (Titan-Sternenabenteuer 25)

Shaly Shan hat den brutalen Angriff, der auf sie in dem Band „GERMANIA“ verübt wurde, glücklicherweise überlebt. In einer aufwändigen Operation hat man ihr äußerst lädiertes Antlitz wieder hergestellt. Von den schlimmen Wunden ist absolut nichts mehr zu sehen, nur ihre schöne silbrige Haarpracht musste abrasiert werden, aber auch mit einer Glatze macht die hübsche Suuranerin eine gute Figur.

Nach diesem Anschlag des mutmaßlichen Mörders von Monjas Liebhabern will der leitende WORLD-POLICE-Beamte Eron Adran alle Hebel in Bewegung setzen, dieser Bestie das Handwerk zu legen. Zu diesem Zweck hat er einen Spezialisten angefordert, den Deutschen Wernher von Witzleben. Dieser eindrucksvolle und ebenso eiskalte Agent ist ein Baum von einem Mann, ganz in Schwarz gekleidet, und er nennt sich selbst die FLEDERMAUS. Dieser Kampfname basiert auf seiner Verehrung der Fledermaus-Comics aus den 50er und 60er-Jahren (nein, nicht BATMAN, aber dazu kommen wir später).

Von Witzleben ist der Überzeugung, dass er mit seinen unkonventionellen Methoden den Attentäter schnell ausfindig machen kann – und in der Tat präsentiert er recht kurzfristig die Identität des Killers. Der Mann nennt sich Haron. Die Fledermaus kann Haron in dem Haus aufgabeln, in dem Shalyn ihn das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte. Die Suuranerin will der Überführung beiwohnen, doch muss sie mit Entsetzen feststellen, dass der unheimliche Agent einige sehr radikale Methoden an den Tag legt, um die gewünschten Informationen aus dem Verbrecher herauszupressen.

Wernher verfällt in eine schiere Gewaltorgie, die Shalyn schließlich unterbindet. Leider schafft sie es nicht, irgendwelche Einzelheiten über die Beweggründe von Harons Attacke auf sie oder über seine Verbindung zu Monja zu erfahren. Somit ist sie auch mit den Geheimnissen um ihre Freundin nicht weitergekommen. Doch von Witzleben wartet schon mit einer neuen Überraschung auf …

Währendessen kommt es in den italienischen Alpen zu einigen schrecklichen Ereignissen: Wie die Crew der WALLENSTEIN befürchtet hatte, sind die Cadschiden mit ihren getarnten Gleitern bereits auf der Erde eingetroffen, während das SPACE-POLICE-Raumschiff immer noch auf dem Planeten Cadschid festsitzt. Um ihre Sucht nach Gefühlen zu befriedigen, zerstören sie die beschauliche Ruhe eines kleinen Bergdorfes und fallen über die entsetzten Bewohner her. Nicht nur, dass die Außerirdischen den Überfallenen die Emotionen rauben und sie zu gefühllosen Hüllen degradieren, einige Menschen sterben sogar, indem sie z. B. von den landenden Cadschiden-Raumschiffen zerquetscht werden. Andere wiederum kommen auf der Flucht zu Tode, wie die bemitleidenswerte Erica, die in einen reißenden Bergfluss stürzt.

Ein interessanter Faktor tritt jedenfalls bei der Invasion auf: Die Personen, die von den Kristallen der Gefühlsjäger berührt und dabei ihrer Emotion beraubt werden, bilden eine unerklärliche Assoziation zu Himbeeren heraus. Schon Shalyn hatte vor ihrem „Tod“ einen ominösen Himbeergeschmack im Mund, als Haron sie niederschlug. Besteht hier eine Verbindung?

Zum Ende dieser Geschichte tritt noch einmal die Fledermaus in Aktion: Von Witzleben konnte eine Frau ausfindig machen, deren Schwester Monja noch aus der Zeit kennen will, bevor ihr Leben offiziell dokumentiert ist. Die angeblich 25-jährige Roseanne, die Wernher, Shalyn, Sir Klakkarakk und Monja in einem Altbau aufsuchen, ist jedoch eine greise Frau und weckt Shalyns Skepsis. Dennoch scheint sie in der Tat etwas über Monjas Vergangenheit zu wissen.

Leider kann die Gruppe keine genaueren Informationen erfragen, da sich plötzlich eine neue Gefahr über den Beteiligten zusammenbraut – eine gewaltige Explosion erschüttert das Gebäude …

Unsere Ich-Erzählerin Shalyn Shan weilt also unter den Lebenden, und wir finden uns auf der Erde wieder. Nach dem Trip durch ein fremdes Sternensystem wird der Bogen zu den Ereignissen um die TITAN-Crew gespannt. Parallel zur Jagd nach dem gefährlichen Attentäter Haron – übrigens eine sehr unangenehme, hasserfüllte Figur, die zu allem Überfluss letztendlich aus der Haftanstalt entwischen kann – tummeln sich nach den Genmonstern auch noch die Cadschiden auf der Erde. Die Invasion in dem Bergdorf und Ericas dramatische Flucht atmen den Geist eines Science-Fiction-Thrillers, während die Szenerie um Shalyn zu einem Film noir in düsterster Krimi-Manier gedeiht.

Dazu gesellt sich ein neuer faszinierender Charakter, der knallharte Spezialagent Wernher von Witzleben alias „Die Fledermaus“. Ich mag diese Type – ein direkter, eiskalter, brutaler aber auch absolut hochgradig professioneller Antiheld. Seine blutigen Methoden scheinen trotz allem Unverständnis von Erfolg gekrönt zu sein, eventuell sind sie in diesem Kontext auch die einzig richtigen. Wie sonst sollte man einer solchen Bestie wie Haron beikommen?!

Die von Witzleben verehrte und kopierte Comicfigur FLEDERMAUS kann man übrigens unter www.schwarzefledermaus.de bewundern, denn diese Serie gab es in der Tat im ehemaligen Pabel-Verlag (1956-1576). Kein Geringerer als Rudolf Sieber-Lonati hat eben für diese Serie seinerzeit einige Umschläge gestaltet, und auch in dem vorliegenden TITAN-Band finden sich zwei Bilder von ihm – somit auch eine Verbeugung vor dem leider 1990 verstorbenen Zeichner vieler großartiger Titelbilder (u.a. Macabros, Kommissar X, Larry Brent etc.).

Die Covergestaltung mit Ericas schreckverzerrtem Gesicht auf ihrer Flucht durch den Wald hat wieder Mark Freier umgesetzt.

Nach der Auferstehung Shalyns und einigen sensationellen Neuigkeiten kann man sehr gespannt auf mehr von der FLEDERMAUS sein …

Singer, Bryan / Palmiotti, J. / Kerschl, K. / Leonardi R. – Superman Returns – Verschollen

_Story_

Superman ist plötzlich verschwunden, doch dieses Mal scheint seine Abwesenheit von längerer, möglicherweise sogar von ewiger Dauer zu sein. Nach der Zerstörung seines Heimatplaneten Krypton sandten ihn seine Eltern zur Erde, um die Wurzeln der Kryptonier am Leben zu erhalten und dort eine neue Existenz aufzubauen. Wohl wissend, dass Superman dort übernatürliche Kräfte entwickeln würde, schickten sie ihren Sohn im Angesicht des Todes auf eine lange Reise, an deren Ende er von der Familie Kent aufgespürt und groß gezogen wurde.

Mittlerweile erwachsen, wurde er zum Superhelden, der nun jedoch eine neue Chance gesehen hat, den Planeten Krypton aufzuspüren – obwohl dieser bereits längst zerstört wurde. Sowohl seine Pflegemutter als auch sein Erzfeind Lex Luthor und die Kollegin und heimliche Geliebte seines Alter Egos Clark Kent, Lois Lane, erinnern sich mit gemischten Gefühlen an die Zeit vor seinem unerwarteten Abschied. Während Ma Kent sich nach der Rückkehr ihres Ziehsohns sehnt, sinnt Luthor nach Rache, immerhin hat ihn Superman kurz vor seinem Verschwinden noch ins Gefängnis gebracht.

Lois Lane hingegen ist wegen der Abkehr des Helden zerstreut. Einerseits sehnt sie sich insgeheim ebenfalls nach ihm, andererseits möchte sie ihr neues Familienglück durch seine Rückkehr nicht mehr aufs Spiel setzen. Doch eigentlich wissen alle, dass Superman eines Tages zurückkehren wird.

_Meine Meinung_

„Verschollen“ ist das Prequel zur gerade angelaufenen Kinofassung von [„Superman Returns“, 2760 die ja ebenfalls kürzlich über |DC Comics| veröffentlicht wurde, allerdings in eher biederer Form. Zu wenig Eigenständigkeit, zu sehr gequetscht, nicht sonderlich ambitioniert – im Gegensatz zum Film war der Comic eher eines der schwächeren Werke der Superman-Historie. Und leider sieht es mit der hier publizierten Vorgeschichte nicht anders aus, denn der aus vier Geschichten zusammengesetzte Sammelband „Verschollen“ ist leider Gottes ebenfalls nur Stückwerk.

Ein weiteres Mal macht man sich über die Herkunft des Superhelden und seine Reise zur Erde sowie seine anschließende Kindheit her und wiederholt damit quasi lediglich Fakten, die selbst der Comic-Laie längst irgendwo in Erfahrung gebracht haben sollte. Zwar ist die Story zeichnerisch sehr gut aufgearbeitet und zumindest einige Szenen vom Planeten Krypton sind ganz ordentlich, aber genauso gut hätte man sich dieses weit ausholende Prequel zum Prequel auch gerne sparen können.

In den drei folgenden Storys stellt sich dies dann auch ähnlich dar. Mama Kent trauert um ihren verschwundenen Jungen und besinnt sich früherer Zeiten, in denen man noch ein harmonisches Familienleben führte. Im Grunde genommen ja ganz in Ordnung, aber was wird hier offenbart, was nicht längst aus der Nachfolgestory, sprich der Filmgeschichte hervorgeht? Jedenfalls nichts Bedeutungsschwangeres, das den Leser vom Hocker reißen könnte. Denn dass Mama Kent nicht wohl beim Gedanken an ihren verschollenen Sohn ist, dürfte wohl klar sein.

Weiter geht’s mit Lex Luthor, der einmal mehr seinen Rang ausnutzt, um dem Gefängnis zu entgehen und anschließend eine kurze, mehr zu sich selbst gesprochene Kampfansage an Superman loswird, infolge derer dann die im Film vorgenommene Rache folgen wird. Auch hier gilt: Unspektakulär und prinzipiell nichts sagend, wenngleich man hier zumindest etwas über den Beginn der Beziehung zwischen Lex Luthor und seiner neuen Angetrauten Catherine alias Kitty erfährt.

Lediglich die Gedanken von Lois Lane, die noch immer mit ihren Gefühlen für Superman ringt, bieten Interessantes, so zum Beispiel auch ihre Einstellung zum später zur Diskussion gestellten Artikel über die Notwendigkeit eines Superhelden wie Superman. Außerdem wird hier – leider auch nur sehr knapp – ihre erste Begegnung und die anschließende Beziehung zu ihrem später geheirateten Mann Richard geschildert, die ja für den weiteren Verlauf noch von immenser Wichtigkeit ist. Aber herausragend ist selbst dies auf keinen Fall.

Leider wird man beim Lesen dieses neuen Sammelbands den Gedanken nicht los, als wollten die Macher dieser Comics hier schnell auf den gerade angelaufenen Rummel-Zug um den neuen Kinostreifen aufspringen und diesen dazu ausnutzen, schnelles Geld mit einem bzw. zwei eher zweifelhaften Werken zu machen. Eigentlich eine Unart für die ansonsten geniale Comicschmiede |DC Comics|. Aber letztendlich ist „Verschollen“ nichts anderes als ein willkürlich zusammen gepuzzeltes, eher dröges und dem bekannten Standard vollkommen unangemessenes Magazin, das wir besser ganz schnell wieder vergessen – trotz der wiederum guten Illustrationen. Erneut mein Rat: Geld besser fürs Kino reservieren!

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Pepper, Kate – 7 Minuten zu spät

Kate Pepper scheint es mit Zahlen zu haben. Nach ihrem Debüt „5 Tage im Sommer“ folgt ihr neues Buch, das den Titel „7 Minuten zu spät“ trägt. Etikettiert ist es als „Thriller“, doch inwiefern dieser Begriff zutrifft, werden wir ja noch sehen …

Wie im Titel angedeutet, kommt die mit Zwillingen schwangere Alice zu spät zum Treffen mit ihrer hochschwangeren Freundin Lauren. Doch Lauren ist nicht da und kommt auch nicht. Alice sucht zusammen mit ihren Freunden alle Krankenhäuser ab, in der Hoffnung, dass die Wehen vielleicht frühzeitig eingesetzt haben. Allerdings werden sie nicht fündig. Jedenfalls nicht in einem Krankenhaus, denn wenig später wird Lauren tot aus dem Gowanus-Kanal gezogen. Sie wurde erschossen und das Baby aus ihrem Bauch geschnitten. Es besteht also eine Möglichkeit, dass das Kind, die kleine Ivy, noch lebt. Alice, ihre Freunde und die Polizeibeamtin Frannie machen sich auf die Suche. Alice hat dabei nicht nur mit ihrer Schwangerschaft und einem übervorsichtigen Vater zu kämpfen, sondern auch mit ihrem Vermieter Julius Pollack, der die Wohnung der vierköpfigen Familie Halper gekündigt hat und auch vor Repressalien nicht zurückschreckt …

Thriller also. Nun ja. Dann muss wohl das neue Genre „Frauen-Thriller“ erfunden werden, denn um nichts anderes handelt es sich bei „7 Minuten zu spät“. Schuld daran ist Peppers Erzählstil und nicht etwa die Tatsache, dass die Protagonistinnen nicht nur weiblich, sondern dank Schwangerschaft sogar über-weiblich sind. Vielmehr bettet Pepper ihren Roman in dem Umfeld der „Mädchengespräche bei Latte Macchiatto“-Bücher ein, ohne dem weiblichen Geschlecht jetzt zu sehr auf die Füße treten zu wollen. Die Protagonisten sind liebende Familienmütter mit wenig Tiefgang und noch wenigeren schlechten Charaktermerkmalen, wenn selbige überhaupt erkennbar sind. Ihr Leben findet zum Großteil auf einer bonbonrosa Wattewolke statt und wird nur durch den Mord an ihrer Freundin überschattet. Natürlich trauern sie, jedoch können sie den Leser damit kaum berühren, zu banal wirkt ihre Trauer.

Ein wichtiges Merkmal von Thrillern ist die Spannung. Allerdings findet man davon nur sehr wenig in Kate Peppers Zweitling. Die Kriminalhandlung – die Suche nach Laurens Mörder und ihrem Baby – findet nur sehr am Rande statt. Zwar ist die Kriminalhandlung als Gedanke in Alices Kopf immer präsent, aber das macht noch lange keinen Thriller. Aktionstechnisch unternimmt Alice nämlich kaum etwas in diese Richtung – die Elemente der Geschichte, die Spannungspotenzial haben, werden also nur gestreift. Stattdessen hält sich die Autorin mit alltäglichen Kleinigkeiten auf, wie dem Geschäftsprinzip von Alices Schuhladen oder dem Zustand ihres Fruchtwassers. Ein weiterer Beweis für die Zugehörigkeit zur Frauenromankaste.

Zu der minimalen Spannung gesellen sich einige, an den Haaren herbeigezogene Szenen. Der Vermieter Julius Pollack zum Beispiel wirkt wie eine Karrikatur in einem sonst seriösen Buch. Während er auf der einen Seite seine Mieter triezt, hat er auf der anderen natürlich ein dunkles Geheimnis, das allerdings weniger dunkel als lächerlich wirkt.
Ebenso lächerlich ist die Auflösung der so genannten Kriminalhandlung. Ich habe selten etwas an den Haaren Herbeigezogeneres gelesen. Hier hängt fast jedes Rädchen im Getriebe. Die sehr unglaubwürdige Auflösung hinterlässt außerdem offene Fragen und kommt sehr überraschend, da vorher nur wenige Bröckchen an den Leser verfüttert wurden, die eine Spur zu diesem Ende gelegt hätten.

Der Schreibstil fügt sich nahtlos in die vorhergehende Kritik ein. Seicht und nicht besonders anspruchsvoll. „Mädchengespräche bei Caffè Latte“ eben. Keine Ich-Perspektive, sondern Alice in der dritten Person und immer schön weich ohne negative Gedanken oder gar Vulgärausdrücke. Bringt wenig Freude, tut aber auch nicht weh.

Bei „7 Minuten zu spät“ handelt es sich um ein kleines Schaf im Wolfspelz. Oder soll ich Wölfin sagen? Der so genannte Thriller entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Frauenlektüre mit thrillerähnlichen Elementen, Spannung ist kaum spürbar und insgesamt ist der Roman sehr oberflächlich. Und eben doch irgendwie ein bisschen wie ein Buch von Ildikó von Kürthy.

|Zuerst erschienen 2005 bei ONYX/Penguin, New York, unter dem Titel „Seven Minutes to Noon“
2006 als Taschenbuch bei Rowohlt
Übersetzt von Theda Krohm-Linke
348 Seiten|

Parzzival, S.H.A. – Gefühlsjäger (Titan-Sternenabenteuer 24)

Der Beginn des neuen Bandes knüpft unmittelbar an die Katastrophe in GERMANIA an: Anake Tagawa und Cyberjohn Five haben den WORLD-MARKET-Boss Michael Moses wohlbehalten in seinem Wohnsitz Hawkwind auf den Malediven bei seiner Ehefrau Elenoré abgeliefert.

Die beiden TITAN-Mitglieder verweilen noch etwas in der exotisch anmutenden Anlage, als die Ökoterroristen ihre nächste Attacke auf Moses starten. Ein gigantischer Krake taucht aus den Fluten des Meeres vor der Anlage auf und nimmt Kurs auf Hawkwind. Doch Moses hat auch an diesem Ort einige Sicherheitskräfte stationiert, mit seinen Kampfgleitern attackiert er das Monstrum. Ein wilder Kampf entbrennt …

„Und jetzt noch einmal mit Gefühl …“ – diesmal das einleitende Zitat zu diesem Band. Um diesem Ausspruch seine Bedeutung abzugewinnen, müssen wir die Handlung um einige Lichtjahre tiefer in den Weltraum versetzen, weit weg von der Erde. Genauer in MI13 im Sternenbild des Herkules, wo wir auf die dreiköpfige Crew des Prospektorenschiffs WALLENSTEIN treffen. Sebastian Blenkov, Ceccyl Céraderon und David Eichmond sind auf ihrer Suche nach Energierohstoffen in eine sehr missliche Lage geraten.

Von dem Volk der Cadschiden wurden sie zu deren Heimatplaneten entführt; hier quält man sie mit gedanklichen Attacken, die ihnen ziemlich zusetzen. Diese einäugigen Wesen mit den großen runden Köpfen können jedoch nur auf diese Weise über das Bewusstsein mit den Menschen kommunizieren, eine reine Gewohnheitssache, wie sich mit der Zeit herausstellt.

Die Drei erfahren durch das Regierungsmitglied Fulgar von dem Grund ihrer Entführung: Die Cadschiden empfinden keinerlei Gefühle mehr, obwohl ihnen das in der Vergangenheit wohl einmal möglich gewesen ist. Von den emotionsgesättigten Menschen erhoffen sie, dass diese den so genannten Lariod ausfindig machen werden. Dieser verschollene Erlöser entstammt zwar ebenfalls dem Volk dieser gefühllosen Aliens, er könnte ihnen aber wieder die Fähigkeit zurückgeben, Gefühle zu entwickeln. Eine eigentlich unlösbar scheinende Aufgabe für die drei Prospektoren.

Bei einigen Nachforschungen auf dem Planeten Cadschid entdecken sie nebst einer äußerst mysteriösen Aufzuchtsstation (die noch unfertigen Cadschiden werden hier von seltsamen Maschinen betreut – dieses von Marcel Barthel sehr atmosphärisch umgesetzte Bild kann man in dem Band und auf dem Buchrücken bewundern) auch einen weiteren Angehörigen der Regierung. Dorlog spielt ein doppeltes Spiel, denn er gehört der Gruppe der Emorebs (Emotionsrebellen) an. Dies sind Cadschiden, die noch über einen Restbestand Gefühle verfügen. Aufgrund dieser Tatsache der Unvollkommenheit werden sie von ihren gefühllosen Artgenossen gnadenlos gejagt, um ihnen diese Fähigkeit auf brutalste Weise zu entreißen. Auch Dorlog baut auf die Mithilfe der Menschen.

Den Crew-Mitgliedern der WALLENSTEIN gelingt es letztendlich, die SPACE-POLICE auf der Erde über ihre missliche Lage zu informieren. Ein Polizeischiff trifft wenig später zu ihrer Rettung ein. Man will mit den Cadschiden verhandeln, doch diese haben zufällig eine Möglichkeit gefunden, der Gefühle der Menschen habhaft zu werden. Mithilfe eines seltsamen Kristalls können sie bei der Berührung des Opfers die Gefühle in sich aufsaugen, nur dass der Betroffene dadurch zu einer emotionslosen Hülle verkommt – für einen Menschen fast schon sein Todesurteil. Diese Möglichkeit der Gefühls-Gewinnung weckt die Gier der Cadschiden, der Lariod ist vergessen.

Eine ganze Heerschar der Außerirdischen fällt über das Raumschiff der SPACE-POLICE her. Es kommt zu einer brutalen Auseinandersetzung, in deren Wirren die WALLENSTEIN unbemerkt ihre Heimreise zur Erde antreten kann.

Nach der ganzen Gefühlsdusselei lassen sich auch Sebastian und Ceccyl etwas von ihren aufkommenden Emotionen überrollen. Damit vertreiben sie sich ein wenig die Zeit in Sebastians Kabine, was David ziemlich gegen den Strich geht.

Seltsamerweise wird dem Prospektorenschiff die Einreise auf TERRA verwehrt. Sie müssen auf LUNA zwischenlanden, denn angeblich ist bereits ein baugleicher Gleiter mit dem Namen WALLENSTEIN auf der Erde gelandet. Eiskalt fällt der Crew ein, dass die Cadschiden-Raumschiffe die Fähigkeit haben, ihr Aussehen beliebig zu ändern. Sie sehen eine schreckliche Gefahr auf die Menschheit zukommen …

Nach dem apokalyptischen Katastrophenszenario im vorangegangenen Band komponiert S.H.A. Parzzival eine klassische aber auch gleichzeitig originelle und düstere Space-Opera. Diesmal versetzt uns dieses „Sternenabenteuer“ tatsächlich in ein anderes Sternensystem und wir werden mit waschechten Aliens bzw. deren recht innovativen Eigenarten konfrontiert. Zu guter Letzt bleibt dann auch die drohende Invasion nicht aus.

Die Protagonisten sind diesmal nicht unsere wohlbekannte Shalyn (Ist sie tatsächlich gestorben?) und ihre Kameraden von der TITAN, sondern ein recht sympathisch anmutendes Trio. Da haben wir den reifen, erfahrenen und schon etwas ins Alter gekommenen Eigner, dann den übermütigen Frischling, der noch seine Grenzen erforschen muss bzw. sich für einen Gewinnertypen hält, und letztendlich die junge, ansehnliche Weiblichkeit, die auf keinem anständigen Raumschiff fehlen darf. Diese Drei durchleben ungewollt ein dramatisches Abenteuer in einer unbekannten Welt, entdecken aber auch sich selbst und die jeweiligen Sympathien oder Antipathien zu ihren Crew-Kameraden.

Die außerirdischen Wesen hingegen wirken naiv, fast schon unschuldig, aber gerade ihre Naivität macht sie so unberechenbar und beängstigend.

Nebst dem oben erwähnten Bild hat Marcel Barthel noch eine sehr stimmungsvolle Darstellung zu einer der Sicherheitsplattformen vor Moses’ Hawkwind umgesetzt. Auf dem Cover sehen wir eine ebenfalls sehr atmosphärische Szenerie, die so aber erst im Folgeband zu lesen ist: die Invasion auf ein kleines Bergdorf.

Insgesamt haben wir hier eine spannende eigenständige Geschichte, die sich dann geschickt in den gesamten Zyklus einschmiegt. Der Weg zum mysteriösen HIMBEERTOD ist somit geebnet …

Parzzival, S.H.A. – Germania (Titan-Sternenabenteuer 23)

Die Crew der TITAN ist in der Firmenzentrale des WORLD-MARKET-Konzerns, dem Nachbau der geplanten Reichshauptstadt GERMANIA mitten in der Wüste Sonora von Arizona, eingetroffen und wohnt den dortigen Festlichkeiten mit gemischten Gefühlen bei.

In der Tat kommt es dann auch zur der angedeuteten Katastrophe, denn die Ökoterroristen haben sich in Washington das dort ansässige Wetterforschungsinstitut zunutze gemacht. Sie wagen das Unglaubliche und beeinflussen die künstlich kreierten Klimabedingungen in GERMANIA auf dramatische Weise. Reißende Wirbelstürme und ein apokalyptisches Unwetter setzen den zahlreichen Gästen massiv zu. Leider gerät den Terroristen dieser Anschlag etwas aus der Kontrolle, da sich Michael Moses als kompromissloser Verhandlungspartner erweist.

Weitere mörderische Genmonster, die durch das Cargo-Röhrensystem von GERMANIA eingeschleust werden, lassen ihn ebenfalls absolut kalt. Warany P’stanhagon, Chef der Wetterstation und Mitwirkender an dem Klimaanschlag auf Moses. steht vor einem unlösbaren Problem. Er will die Wetterbedingungen in GERMANIA nicht noch mehr ausreizen, aber ihr Gegner schaltet auf stur und lässt sich nicht erweichen.

Zu aller Entsetzen setzt Moses als letzte Instanz seine hauseigene Söldnertruppe ein, welche die Terrorgruppe und ihre Anhänger in dem Wetterforschungsinstitut ausfindig macht und sie gnadenlos liquidiert. Alle Beteiligten werden bei dieser Blitzaktion erschossen, auch der verzweifelte P’stanhagon, welcher das tatsächliche Ausmaß dieser Katastrophe kurz vor seinem Tod begriffen hat.

Leider gibt es mit dem Tod der abtrünnigen Wissenschaftler keinen Experten mehr, der die Zustände in GERMANIA in den Griff bekommen könnte. Die Klimabedingungen werden zunehmend extremer, immer mehr Menschen müssen sterben. Die hochgelobte Firmenzentrale wird langsam aber sicher zerstört. Neben der TITAN-Crew und den Gästen kämpfen auch die angeforderten Sicherheitskräfte um ihr nacktes Überleben. Immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen, sei es durch den tobenden Orkan oder die zahlreichen Genmonster.

Schweren Herzens sieht sich Michael Moses gezwungen, seine nahezu zerstörte Zentrale aufzugeben. Er lässt sich von den TITAN-Mitgliedern Anake und Cyberjohn auf seinen exotischen Wohnsitz Hawkwind auf den Malediven begleiten. Hier wartet schon der nächste Streich der Ökoterroristen auf ihn.

Nach einigen dramatischen Stunden in GERMANIA treten auch Shalyn, Monja und die restliche TITAN-Crew den Heimweg an. Zurück in Yellowknife greift Shalyn wieder die Nachforschungen um Monja auf. Mit Hilfe der World-Police kann sie in Monjas letztem Aufenthaltsort einige persönliche Gegenstände ausfindig machen, auch kommen sie dem mutmaßlichen Mörder von Monjas Bekannten ein gehöriges Stück näher.

Doch die Jagd endet dramatisch – der Killer lauert Shalyn auf und versetzt ihr einen tödlichen Schlag …

In GERMANIA baut S.H.A. Parzzival eine fast schon apokalyptisch anmutende Endzeitstimmung auf. Der alles vernichtende Orkan, der unaufhaltsam sein Zerstörungswerk in dem Stolz des WORLD-MARKET-Konzerns verrichtet, dazwischen die aufwühlenden Schicksale verschiedenster Menschen. Zum Beispiel die dramatische Handlung um den WORLD-POLICE-Beamten Jan Sinnlar – sein hoffnungsloser Kampf gegen die enthemmten Kräfte der Natur geht dem Leser allemal unter die Haut. Auch die dramatische Figur des Warany P’stanhagon, der mit sich selbst und seiner Mission hadert, der mit Entsetzen einen schrecklichen Fehler eingestehen muss; doch leider kommt seine Erkenntnis etwas zu spät.

Michael Moses’ Charakterzüge indessen verhärten sich, mehr und mehr mutiert er zu der berechnenden Gestalt des eiskalten Großindustriellen, der sich seiner Macht vollauf bewusst ist und diese ohne Zögern ausspielt. Er schreibt seine eigenen Gesetzen in der von ihm beherrschten Welt. Wer sein Spiel nicht mitspielt, hat keine großartigen Chancen, jemals wieder auf die Beine zu kommen.

Im Reigen dieser unterschiedlichen Personen bewegt sich Shalyn mit ihrer immer naiver anmutenden Freundin Monja. Wo diese auftaucht, bricht plötzlich das Unglück über alle Beteiligten herein – und das blonde Mädel sieht sich blauäugig mit der nächsten Katastrophe konfrontiert, vollends auf die Hilfe von Shalyn Shan angewiesen. Nur könnte es diesmal das endgültige Aus für ihre starke Freundin bedeuten …

So weit einige Eindrücke der Weiterführung des Zyklus, aber auch hier sollen die kleinen Augenweiden nicht unerwähnt bleiben, wie die Illustrationen von Marcel Barthel. Diesmal findet sich auf dem Rücken des Bandes die farbenfrohe Gesamtansicht von Moses’ Anlage Hawkwind auf der Malediveninsel Kuramathi. Im Buch entdeckt man zusätzlich eine weitere düsterere Zeichnung, die den Angriff der mutierten Insekten auf den Wohnkomplex von GERMANIA wiedergibt. Wunderschön auch das Titelbild mit der TITAN über der noch unzerstörten Anlage der beeindruckenden Firmenzentrale, eingebettet in Mark Freiers Covergestaltung.

Dann ist das kleine Lexikon am Ende nicht zu vergessen, welches uns mit zwei weiteren Personen der TITAN-Crew vertraut macht, die in diesem Abenteuer Shalyn ihre volle Unterstützung geben müssen.

Mit dem zweiten Band des neuen Zyklus wird das Tempo jedenfalls gehörig angezogen, den Leser reißt der beschriebene Orkan durch die sich überstürzende Handlung, ein knallharter Sprint mit einer kurzweiligen Verschnaufpause, welche von einem abrupten Ende abgeschlossen wird! Der geschockte Leser greift schnell zum nächsten Band, um sich damit den GEFÜHLSJÄGERN zu stellen …

Mankell, Henning – Tod des Fotografen, Der

_Handlung_

Der alteingesessenen Fotograf Simon Lamberg wird tot in seinem Atelier gefunden, erschlagen. Keine Spuren am Tatort, und ein Opfer, das anonymer nicht sein könnte. Sogar in einer kleinen Stadt wie Ystad gibt es kaum Gerüchte über ihn zu hören. Wallander nimmt sich des Falles an und stößt auf das Geheimnis hinter der Anonymität des Menschen Lamberg.

_Bewertung_

„Der Tod des Fotografen“ ist einer der Fälle aus dem Sammelband „Wallanders erster Fall“. Dass auf den 140 Seiten kaum Zeit für die üblichen Merkmale eines Wallanderromans bleibt, wie etwa Gedanken über Schwedens Gesellschaft oder Wallanders persönliche Probleme, ist von vornherein klar, trotzdem verliert der Band über die kurze Strecke kaum die typische Atmosphäre, die man beim Lesen umfangreicherer Werke immer gespürt hat.

Der Handlungszeitrum beträgt hierbei gerade mal zwei Tage, in denen – angefangen beim Wetter bis hin zu den Zahnschmerzen des Protagonisten – genug passiert, um auch außerhalb des Falles eine Mankell-typische Atmosphäre zu kreieren. Die Auflösung des Falles ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend und auch logisch nachvollziehbar. Es gibt hier zwar kaum ins Leere gehende Spuren wie sonst, trotzdem gibt es genügend Details, über die man sich seine Gedanken machen kann.

Die Struktur selber ist wie im ersten Wallander-Roman angelegt, das heißt, man kennt den Täter nicht, und er selber wird auch bis zum Ende des Buches nicht in eigenen Abschnitten erwähnt. Die kurzen, abgehackten Sätze, die für einen Mankellroman typisch sind, ziehen sich auch hier durchgängig durch den Roman, ohne irgendwie störend zu wirken. Zusammenfassend: ein klassischer Wallander, der einfach nur etwas kürzer als sonst ausgefallen ist.

_Fazit_

Über den Grundgedanken, die einzelnen Geschichten aus dem Roman „Wallanders erster Fall“ nun in Einzelteilen herauszubringen, kann man sicher streiten, wer allerdings das Buch noch nicht hat oder einfach nur mal kurz in die Wallandergeschichten reinschnuppern möchte, wird hier wirklich nicht enttäuscht.

Ich persönlich fand es ganz angenehm, ein Buch zu lesen, von dem ich wusste, dass die Lektüre nur einen Abend brauchen würde; nicht mehr und nicht weniger. Der Fall ist spannend und es gibt kein bisschen Leerlauf; und für einen Wallanderfan ist es sehr angenehm, mal ein bisschen von der Zeit vor dem ersten Roman zu lesen, wo so vieles noch nicht passiert ist und man sich tatsächlich etwas nostalgisch fühlt.

Wer mit diesem Buch zum ersten Mal mit Wallander in Kontakt kommt, wird sich über die fast schon cameoartigen Auftritte einiger Figuren wundern, aber nicht weiter stören, da der Fokus wie immer auf den Kommissar gerichtet ist und alle anderen Figuren mehr oder weniger nur seine Handlanger sind. Man kann also, auch ohne einen anderen Band gelesen zu haben, mit „Der Tod des Fotografen“ seinen Spaß haben, da in den anderen Fällen den Nebenfiguren auch sonst nie viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde und das Privatleben des Kommissars fast selbsterklärend ist. Ein gelungenes Buch für einen gemütlichen Abend ist „Der Tod des Fotografen“ auf alle Fälle.

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Weinland, Manfred / Fickel, Florian – Vampira: Das Erwachen (01)

Das ist uns doch allen schon mal passiert: Da wacht man im Morgengrauen nur dürftig bekleidet auf einem Friedhof auf und hat keinerlei Erinnerung daran, wie man dorthin gelangt ist. Und bevor man sich noch orientieren kann, stürzt sich auch schon eine bluthungrige Kreatur auf einen, die aber glücklicherweise durch die aufgehende Sonne in die ewigen Jagdgründe befördert wird.

Genau mit diesem Tableau startet „Vampira – Das Erwachen“, |Lübbe|s Hörspielserie um Lilith Eden. Ursprünglich bevölkerte Lilith die |Bastei|-Heftromane von Manfred Weinland, wo sie sich gern halbnackt und lasziv auf dem Cover rekelte. Doch nun gibt’s auch was auf die Ohren, nämlich Liliths erste Schritte in die Welt der Vampire in „Das Erwachen“.

Das erste Hörspiel der Reihe startet |in medias res| – zusammen mit der amnesiegeplagten Lilith versucht der Hörer, das Geheimnis um ihre Identität zu lüften. Ein erster Anhaltspunkt bietet sich, als Lilith aus der Jackentasche des toten Angreifers eine Adresse fischt: Lilith Eden, Paddington Street 333. Natürlich verfolgt sie diesen einzigen Anhaltspunkt. Sie nimmt sich ein Taxi – und den dazugehörigen Taxifahrer (schließlich hat auch frau so ihre Bedürfnisse) und findet sich bald auf einem scheinbar verwunschenen Grundstück wieder: Der Garten ist überwuchert, Bäume und Sträucher scheinen die Herrschaft übernommen zu haben. Das Haus jedoch gewährt ihr sofort Einlass, und während Lilith sich noch fragt, was das alles mit ihr zu tun hat, wird sie schon von verstörenden Visionen und Erinnerungen heimgesucht.

Lilith ist eine Art weiblicher „Blade“ – ein Mischwesen zwischen Mensch und Vampir, laut Prophezeiung dazu erschaffen, die Vampire zu bekämpfen. Wie sich das damit verträgt, dass ihre Mutter selbst Vampirin war (sie gab – ebenfalls prophezeiungsgetreu – ein paar Tage nach Liliths Geburt den Löffel ab), wird dem leicht verwirrten Hörer allerdings vorenthalten. Nach einem hundertjährigen Schlaf sollte sie erwachen und eben jene Prophezeiung erfüllen, doch ihr „Blutdepot“, nämlich ihre Jugendfreundin Marsha, will endlich sterben und erweckt Lilith daher zwei Jahre vor der Zeit.

Offensichtlich hat das Lilith nicht wirklich gut getan. Ihre Amnesie scheint nur langsam zu verfliegen, und da nun sowohl ihre Eltern als auch Marsha das Zeitliche gesegnet haben, steht sie im Kampf gegen die Vampire ganz allein da. Und das, wo der Oberbösewicht Landru immer näher rückt und ihr offensichtlich ans Leder will.

„Vampira – Das Erwachen“ ist nette Unterhaltung, vor allem für Jugendliche, mehr wird aber nicht geboten. Die Handlung plätschert seicht dahin, und wie der Erzähler (wie immer grandios – Christian Rode) sollte man als Leser eventuelle Ungereimtheiten wohlweislich ignorieren. Überhaupt bestreitet Rode den Hauptteil des einstündigen Hörspiels. Alle anderen Charaktere – selbst Lilith – sind zu reinem Hintergrundsound verdammt. Tina Haseney in der Titelrolle der Lilith ist hauptsächlich damit beschäftigt zu stöhnen, zu keuchen und zu seufzen, was das Zeug hält – ihre Dialoge sind ohnehin zu vernachlässigen. Als kleines Schmankerl wird der Oberfiesling und vermutliche Endgegner Landru allerdings vom allseits bekannten Bela B. gesprochen. Aber auch er hat im ersten Teil noch nicht wirklich viel zu tun, das wird sich aber sicher in den Fortsetzungen ändern.

Man merkt dem Hörspiel seine Wurzeln durchaus an: Klischees werden gern bedient. Lilith ist zwar noch lange keine Männer verschlingende Göttin (so wie ihre Namensvetterin aus der Mythologie), doch sie arbeitet dran. Den Großteil der Zeit ist sie halbnackt (wahlweise ist ihr Kleid auch gern durchgeschwitzt oder zerrissen) und überlässt nichts der Fantasie. Die Beschreibung von Liliths körperlichen Vorzügen ist dick aufgetragen, dürfte aber den männlichen Hörern trotzdem (oder gerade deshalb) gefallen. Überhaupt, das Kleid: Offensichtlich das Vermächtnis ihrer Mutter, krallt sich das Ding in Liliths Haut und kann dann zu jedem Kleidungsstück mutieren. Das ist ungefähr so existenziell wichtig wie die wechselnde Klamottenfarbe im unterirdisch schlechten „Ultraviolet“, aber na ja. Der oben erwähnte Grundsatz gilt auch hier: Ungereimtheiten ignorieren.

Technisch ist das Hörspiel dagegen durchaus überzeugend: Musik und Sound bilden eine gelungene Kulisse für die mittelmäßig fesselnde Handlung. Die Sprecher machen das Beste aus dem Wenigen, das ihnen geboten wird, denn abgesehen vom Erzähler Christian Rode haben sie nicht wirklich etwas zu tun. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Verhältnis Erzähler/Charaktere in zukünftigen Folgen noch relativieren wird.

„Das Erwachen“ ist empfohlen für Hörer ab 16 und dort ist die CD wohl auch am besten aufgehoben. Es gibt schöne Frauen (na gut, eine), böse Machenschaften, ein bisschen Grusel (nicht zu viel, damit die Klientel nicht vergrault wird) und seufz-intensive Erotik. Genau das richtige Rezept für die Zielgruppe. Für alle anderen wird „Vampira“ nicht viel Überraschendes oder Neues bieten. Auf die eine oder andere Weise hat man das alles schon mal gesehen / gehört / gelesen. Und wie gesagt: Sind wir nicht alle schon mal ohne Erinnerung auf einem Friedhof erwacht?

http://www.luebbe-audio.de

Pasko, Martin / Haley, M. – Superman Returns – Der offizielle Comic zum Film

_Story_

Als Superman vor fünf Jahren sang- und klanglos von der Erde verschwand, hat sich in seiner ehemaligen Umgebung einiges geändert: Lex Luthor ist mittlerweile durch eine gewaltige Erbschaft zu einem der reichsten Männer der Welt geworden und seine Angepriesene, Lois Lane, hat inzwischen geheiratet, mit ihrem Mann einen gemeinsamen Sohn und ist zu einer weltbekannten Reporterin geworden. Für eines ihrer Projekte steht ihr sogar die Verleihung des Pulitzer-Preises bevor, nämlich für einen Artikel, der sich damit beschäftigt, dass die Welt Helden wie Superman nicht braucht.

Just in dem Moment, wo dieser jedoch von seiner Suche nach Krypton wieder auf die Erde zurückgekehrt ist, bereut Lois aber auch schon wieder die Fertigstellung dieses Artikels. Lex Luthor hat sich nämlich ein weiteres Mal daran begeben, die Welt zu unterjochen. Ausgerechnet mit den Kristallen aus Supermans Festung der Einsamkeit will er die Macht an sich reißen. Nun ist es an Superman selber, zu beweisen, dass die Welt auch weiterhin einen Superhelden wie ihn benötigt …

_Meine Meinung_

Das Adäquat zum gerade erst angelaufenen Kinofilm um den seit Ewigkeiten von der Leinwand verschwundenen Superhelden ist im Grunde genommen nicht schlecht, aber wegen seines (im direkten Vergleich) recht mageren Umfangs dennoch ähnlich umstritten wie die Kinorückkehr der blauroten Legende. Dort wo nämlich das cineastische Vergnügen zu großen Teilen auf den zahlreichen Effekten aufbaut und gar nicht mal so besonders auf der teils langatmigen Story, hat der von allen derzeitigen Ereignissen im DC-Universum losgelöste Plot des Comics nur vergleichsweise wenig aufzubieten, was in diesem Fall vor allem daran liegt, dass man an vielen Ecken sehr deutliche Kürzungen vorgenommen hat. Mal ganz abgesehen von der noch immer heiß diskutierten Frage, ob man nach den eher durchwachsenen Filmen aus den Achtzigern und den gescheiterten (weil nie realisierten) Wiedergutmachungsversuchen überhaupt einen weiteren Superman-Film hätte abdrehen sollen, ist die gesamte Geschichte einfach zu durchsichtig; eben typisches Hollywood-Popcorn-Kino mit transparenter Storyline, wenig Überraschungen und – das sollte wohl jedem klar sein – typischem Happy-End. Weil dies bei der Leinwandfassung zumindest noch sehr gut umgesetzt und auch von Anfang bis Ende (selbst in den handlungsarmen Szenen) prächtig inszeniert wurde, kann ich eigentlich auch nur empfehlen, dieser Tage mal die Kinosäle aufzusuchen und sich das große Action-Spektakel anzusehen – warum der gleichnamige und zugehörige Comic jedoch nicht damit mithalten kann, nun, dazu eine kurze Aufzählung:

1. zu große Sprünge: Manchmal ist man selber überrascht, wie hektisch Martin Pasko von Situation zu Situation schlendert. Obwohl die Handlung keine riesigen Gedankensprünge vollzieht, gelingt es dem Autor tatsächlich noch, hier und dort Verwirrung auszulösen, weil er die Fäden nicht konsequent zusammenführt und die einzelnen Haldndlungsabläufe nebeneinander herlaufen lässt. So gerät er nach und nach in die Enge und kann nur noch mit teils irritierenden Schauplatzwechseln das Gesamtkonstrukt erfassen.

2. ungünstige Gewichtung von Details: „Superman Returns“ ist eigentlich ein Action-Spektakel sondergleichen, bei dem das Verhältnis zwischen dem Superhelden und Lois Lane sicherlich weit im Vordergrund steht, aber nicht die eigentliche Handlung verdrängen darf. Im Film ist dieses ständige Techtelmechten zwar auch zugegen, aber die Omnipräsenz im Comic zerstört dann doch den eigentlichen Strang und entlarvt die Handlung zunehmend als verkappte Lovestory. Gut, ist vielleicht etwas übertrieben, aber es ist eben nicht das, was man erwartet.

3. der Begleitbuch-Effekt: Wenn eines mal klar ist, dann, dass die Idee der Geschichte absolut nicht ihrer eigentlichen Entsprechung gemäß zum Ausdruck kommt. Mit anderen Worten: Der Comic kann sich wegen seiner Vorgabe nicht wirklich entfalten und wird durch die vergleichsweise knapp bemessene Seitenzahl noch zusätzlich eingeschränkt. Details bleiben außen vor, Fixpunkte werden nur kurz angeschnitten und irgendwie geht alles schneller voran, als es sollte. Es ist eben eine Beilage zum Film, leider nicht mehr.

4. neue Wege, große Erwartungen: Wie bereits gesagt, die Geschichte beschreitet abseits der aktuellen Ereignisse im DC-Universum (man denke nur an die „Infinite Crisis“) gänzlich neue, unabhängige Pfade, was natürlich unwiderruflich hohe Erwartungen hervorruft – sowohl an den Comic als auch an den Film. Während die Kino-Variante diese zu Teilen auch ganz geschickt befriedigen kann, ist die zeichnerische Variante ganz klar unterlegen und abgesehen von den einmal mehr tollen Illustrationen sicher nicht das, was man von einem Comic dieses tragenden Charakters der Actionwelt erhofft hat.

_Fazit_

„Superman“-Fans haben dem gesamten Ereignis „Superman Returns“ heißblütig entgegengefiebert und werden im Kino momentan auch ansprechend belohnt. Comic-Freunde indes werden von der Comic-Adaption ob ihres uneigenständigen Stils und der arg gekürzten Handlung nur wenig Freude an dieser Geschichte haben. Mein Tipp: Geld für’s Magazin besser in die Kinokarte investieren.

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Pfeiffer, Boris – Die drei ???-Kids: In letzter Sekunde (Bd. 25)

Neben der originalen ???-Kult-Serie aus der Feder Robert Arthurs, die Kinder und Jugendliche seit ihren Anfängen in den Sechzigerjahren immer noch begeistert, hat sich seit August 1999 ein Seitenarm entwickelt, der sich eher an eine jüngere Leserschaft richtet. Deutschland ist seit Jahrzehnten die treueste Drei-Fragezeichen-Hochburg, daher erstaunt es nicht, dass es dieses (übrigens auch rein deutsche) Konzept auf mittlerweile beachtliche 30 Titel bringt. Fast alle davon wurden von Ulf Blanck verfasst – fast.

Diese als „Jumboband“ beworbene Jubiläumsausgabe zur Feier des 25. Falles wird hingegen von Boris Pfeiffer erzählt. „In letzter Sekunde“ bietet mit 180 Seiten (netto – ohne Cover, Vorsatz und Verlagswerbung) gut die doppelte Seitenzahl der anderen Bände, kostet jedoch nur ein wenig mehr als die Normalo-Fälle – 7,50 €, um genau zu sein. Bei der generellen Aufmachung orientiert man sich an dem Design, welches Aiga Rasch damals erschuf und das auch heute noch den Gutteil des Wiedererkennungswertes ausmacht. Das Hardcover erschien erstmals im Dezember 2005 im |Franckh-Kosmos|-Verlag. Wo auch sonst?

_Zur Story_

Wieder einmal dürfen die Drei Fragezeichen Bobs Vater zu einem Interviewtermin begleiten. Der Sammler Mr. Pim gastiert mit seiner Ausstellung am Bahnhof von Rocky Beach. Am Bahnhof deswegen, da seine Kuriositätensammlung in einer Art Museumszug quer durch die USA tingelt. Sein neues Prunkstück ist eine überdimensionale, voll funktionstüchtige Kuckucksuhr, welche er kürzlich auf einer Auktion ergattern konnte. Gebaut hat sie ein berühmter Uhrmacher, der seit einer gewissen Zeit jedoch abgetaucht ist und gelobte, auch keine Uhren mehr bauen zu wollen, bis ihn jemand findet.

Mr. Pim hat die größte von Felix Blacktrees kunstvoll-raffinierten Kuckucksuhren erstanden, es ist jedoch nicht die einzige – und wie es scheint, sind die Uhren auch wirklich eine codierte Spur zu seinem Aufenthaltsort. Sofern man ihre Zeichen zu deuten versteht. Oder sind das doch alles nur Gerüchte? Klar, dass insbesondere Justus darauf brennt, ihnen ihr Geheimnis zu entreißen. Und tatsächlich ist „Kuckuck“ nicht das Einzige, was Mr. Pims Uhr zu bestimmter Stunde zum Besten gibt und die Neugier der drei Jungs entfacht. Doch als sie am nächsten Tag noch einmal genau hinhören wollen, ist die seltsame Uhr gestohlen worden. Samt Waggon.

_Meinung_

Die Originalserie spielt ursprünglich in den Sechziger- und Siebzigerjahren, wurde dann aber über die Jahrzehnte behutsam bis in die Neuzeit verfrachtet. Heute sind Justus, Peter und Bob in der laufenden Serie im Alter von etwa 17 Jahren und benutzen Computer, Handy & Co. Als sie erfunden wurden, da gab es solcherlei moderne Geräte noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt mögen sie so um die 12 oder 13 gewesen sein. Hier als knapp 10-jährige „???-Kids“ jedoch verwenden sie wie selbstverständlich das Internet und andere heutige Technik. Das passt von der Zeitlinie her überhaupt nicht ins Bild und ist überaus paradox. Zumindest hat es nicht im Entferntesten den Charme der alten Geschichten.

Kommen die „klassischen“ Fälle des fiktiven Jungdetektiv-Trios aus dem ebenso fiktiven kalifornischen Nest Rocky Beach gänzlich ohne Illustrationen daher, hat man bei den „???-Kids“ für optische Auflockerung gesorgt. Cover und die zahlreichen, zumeist putzigen, S/w-Zeichnungen im Comic-Stil stammen von Stefanie Wagner & Timo Müller bzw. Jens R. Nielsen. Allerdings hält man sich seitens der Illustrationen leider immer noch nicht an die Beschreibung der Originalfiguren. Künstlerische Freiheit nennt man das wohl – ist auch nicht weiter tragisch, reiht sich aber in die Liste der Kontinuitätsprobleme bei der „Kids“-Serie ein.

Die Story an sich ist dennoch gut durchdacht und wäre – modifiziert und an die etwas andere Altersstruktur angepasst – auch für die Hauptserie durchaus geeignet gewesen. Boris Pfeiffer spinnt sein Garn spannend und geschickt, um nicht nur den jüngeren Leser bis zum Schluss bei der Stange und somit in Leselaune zu halten. Wiewohl man als gestandener (erwachsener) Fan unter anderem die Elemente aus den Fällen „Rätselhafter Wecker“, „Superpapagei“ oder „Teufelsberg“ durchaus wiederfindet und der Plot als solcher natürlich alles andere als neu und unvorhersehbar ist. Gewürzt ist das Ganze (wie immer) mit kleinen pädagogischen Aha-Erlebnissen, die mal mehr und mal weniger augenfällig sind. Die Verbindung mit „Blacktree“ zu Schwarzwald und Kuckucksuhren ist schon sehr subtil.

_Fazit_

Dank Illustrationen und augenfreundlich großer Schriftart ist die Jubiläumsausgabe recht schnell gegessen – und das nicht nur aus der Sicht einer erwachsenen Leseratte, auch die angepeilte Leserschaft um die 10 Jahre herum dürfte sich den „Jumboband“ fix und entspannt durchziehen können und sich dabei gut unterhalten fühlen. Das Buch ist ein kurzweiliges Vergnügen und trotz der vielen kleinen Kollisionen in Sachen Logik und Kontinuität mit der Hauptserie durchaus eine der lesenswerten Geschichten der „???-Kids“.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Die drei ???® Kids – Band 25
„In letzter Sekunde“
Erzählt von Boris Pfeiffer
Illustrationen von Stefanie Wegner und Jens R. Nielsen
Lesealter: 8 bis 10 Jahre
Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 08/2005
196 Seiten Hardcover, ISBN: 3-440-10202-5
Preis: 7,50 Euro

Autorenteam – Morgana 18

_MORGANA meets BLACK PAPER FOR STRANGE PEOPLE_

Im Vorwort des Leipziger Szenemagazines MORGANA, einem kleinen feinen Mag in Taschenbuchformat mit einer beeindruckenden Auflage von 15.000 Exemplaren, kündigt die Redaktion zwei Hauptthemen an: Fußball und das WGT, das größte Schwarztreffen des Jahres, bei dem u. a. „The House of Usher“ auftrat, deren Frontmann Jörg Kleudgen auch der „schreibenden Zunft“ angehört (Mitbestreiter der |Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik| im [BLITZ Verlag).]http://www.BLITZ-Verlag.de Ebenso stellt sie ein Joint Venture in Sachen BLACK PAPER, einem little Mag aus Halle, das Jubiläum feiert, in Aussicht. Auch Morgana feiert eines – das Zweijährige. Wir erfahren darüber hinaus, dass die Redaktion Zuwachs bekommen hat, aber Volly Tanner das Team verlassen hat.

Doch kommen wir zum Inhalt des 94 Seiten starken Magazines. Auch vom BLACK PAPER-Team gibt es ein einleitendes Vorwort. BLACK PAPER informiert seit vier Jahren über alle Termine der Gothic-, Grufti-, oder einfach der Schwarzen Szene Halles und liegt |kostenlos| bei vielen schwarzen Veranstaltungen aus. In dieser Ausgabe der MORGANA gibt es dann auch satte acht Seiten mit Terminen aus Halle und Leipzig, Oliver Baglieri, Autor und Fotograf, kommt zu Wort, es gibt ein WGT-Special, die Leipziger geben ihre Meinung über das WGT ab, man findet Interviews mit dem Alltroundtalent Christian von Aster, Daniel Myer (Musikprojekt DESTROID), Angelo Bergamini & Elena Alice Fossi (Kirlian Camera – ital. Band), Dennis Ostermann, dem Frontmann von „In Strict Confidence“, Tomas Petterson, dem Gründer der skandinavischen Band O.R.E. (Ordo Rosarius Equilibrio), Rudy Ratzinger (Wumpscut), Jaromir Konecny, seines Zeichens Bühnenliterat und Schriftsteller, und Alisha Bionda (Autorin, Herausgeberin, Lektorin, Rezensentin …).

Sehr informativ ist auch MORGANAS SOMMER SPECIAL mit den heißesten Veranstaltungstipps für den Sommer rund um Halle und Leipzig. Ebenso MORGANAS SOMMER MODE, das einige schwarz-modischen „Anlaufstellen“ für potenzielle Käufer vorstellt. Kulturell stellt sich Halle in „1200 Jahre Halle Saale“ vor. Schön ist auch, dass MORGANA „Gesicht zeigt“ und sein Team vorstellt: Frank Bröker, Claudia Ponelies, Peggy Schladitz, Maria Carfagna, Ane-Kathrin Kretschmar und Sandra Nieman.

MORGANAS CD NEUVORSTELLUNG und LOGBUCH LEIPZIG, eine Kolumne von Frank Bröker über den Bummel durch Antiquariate, runden den MORGANA-Lesecocktail vollmundig ab. Für die heimlichen Esoteriker in uns gibt es sogar ein MORGANA HOROSKOP und den großen Bogen aus den Sternen zurück auf den Globus nach Indien in „Kleines Indien-ABC für unerschrockene Traveller im direkten Vergleich“ von Frank Bröker, das von A-C geht und fortgesetzt wird.

MORGANA bietet noch viel mehr und ist dank der sehr speziellen Mischung erfrischend abwechslungsreich und informativ, auch für jene, die nicht aus dem Leipziger Raum kommen, und besonders für jene, die ihre Fühler in diese Richtung ausstrecken wollen und sollten!

Die nächste Ausgabe der MORGANA erscheint am 10. September. Zugreifen!

|MORGANA
Das Szenemagazin von Leipzig
http://www.morgana-leipzig.de

ISSN 1860-9783
Auflage 15.000

Kontakt:
Maria Carfagna
Oststr. 6
04317 Leipzig
Tel & Fax: 0341 2154899
Website: http://www.morgana-leipzig.de
Maria Carfagna: anzeigen@morgana-leipzig.de
Peggy Schladitz: peggy.schladitz@morgana-leipzig.de |

Welsh, Louise – Kugeltrick, Der

Die preisgekrönte britische Autorin Louise Welsh veröffentlicht mit „Der Kugeltrick“ ihren nunmehr dritten Roman und wird damit voraussichtlich ihre Erfolgsgeschichte fortsetzen. Ihre Bücher wurden bislang in 17 Sprachen übersetzt und bereits ihr Debütroman „Dunkelkammer“ erhielt mehrere Preise. Dieses Mal begleiten wir den Illusionisten und Magier William Wilson auf seiner Tour durch Europa …

_London_: In der englischen Metropole London nimmt die Geschichte um den Zauberer William Wilson ihren Lauf, hier tritt er wieder einmal in einem abgehalfterten Theater im Vorprogramm einer „erotischen Tanzgruppe“ auf. Bei seinem denkwürdigen Auftritt in London trifft es ihn besonders hart, denn er spielt den Anheizer für zwei Striptease-Tänzerinnen, die auf dem Abschiedsabend eines Polizeibeamten für Stimmung sorgen sollen. Williams Auftritt läuft mäßig, er fasst sich kurz und hofft, noch unbescholten von der Bühne zu kommen, doch hinter der Bühne wartet ein weiterer Auftrag auf ihn: Er soll dem pensionierten Beamten einen Umschlag aus dessen Anzugsjacke entwenden, wofür ihm ein ordentlicher Batzen Geld winkt, der auf einen Schlag Williams Finanzkrise beenden könnte. So wundert es nicht weiter, dass ihm auch dieser Auftrag gelingt. Unbemerkt klaut er den besagten Umschlag und bringt ihn zu seinem Auftraggeber, doch dann geht plötzlich alles schief, die beiden werden bei der Übergabe gestört und William flieht mit dem ominösen Umschlag.

_Berlin_: William kennt nur einen Wunsch: weg aus England! Und dieser Wunsch wird ihm tatsächlich erfüllt, als ihm sein Agent ein Engagement in der deutschen Hauptstadt besorgen kann. Dort soll William Wilson im „Spinnenetz“ auftreten, einem schäbigen Theater, wenn auch einem mit einem ganz eigenen Charme. Dort angekommen, verliebt sich William Hals über Kopf in die Freundin eines eingebildeten Muskelprotzes und muss erkennen, dass er auch hier zusammen mit erotischen Tänzern auf der Bühne stehen soll. Schon Williams erster Auftritt beginnt katastrophal, seine Zuschauer sind gelangweilt und warten ungeduldig auf den nächsten Showact, bis William eine Assistentin aus dem Publikum holt und dabei Sylvie kennen lernt. Noch weiß William allerdings nicht, wie sehr diese Begegnung sein Leben verändern wird …

_Glasgow_: Hier treffen wir auf William nach all den Geschehnissen, er lebt auf der Straße und besäuft sich jeden Abend besinnungslos. Er ist verzweifelt und heruntergekommen. Eines Abends schläft er neben einem Penner unter einer Brücke ein und bemerkt dabei gar nicht, dass dieser Penner kurz zuvor brutal ermordet wurde. Als William unsanft von Polizeibeamten geweckt wird, ahnt er, dass ihm neues Unheil droht …

In diesen drei europäischen Schauplätzen hat Louise Welsh ihre Kriminalgeschichte rund um den Zauberer William Wilson angesiedelt. Die Geschichte springt häufig zwischen den einzelnen Handlungsorten und damit auch in der Zeit hin und her. Schnell merkt der Leser, dass die Geschichte in London ihren Anfang genommen hat und in Glasgow enden wird. Berlin schließlich stellt eine Zwischenstation dar, in der allerdings ebenfalls ereignisreiche Dinge geschehen. Zunächst lassen sich die Ereignisse nicht eindeutig in die richtige Reihenfolge bringen, was jedoch auch die Spannung unweigerlich ansteigen lässt, da der Leser noch nicht ahnen kann, welche Episode genau zu Williams Verfall beigetragen hat. Die erste Vermutung erweist sich deswegen erst einmal als falsch, wie der Leser sehr spät bemerken wird.

In eindrucksvollen und ergreifenden Worten schildert uns Louise Welsh einen Ich-Erzähler, der sich mehr oder eher weniger erfolgreich als Illusionist und Mentalist verdingt, dabei aber schonungslos zu verstehen gibt, dass er auch nicht zur oberen Liga der Zauberer gehört und eigentlich eher in den kleinen Zaubertricks und Kartenkunststückchen gut ist. Im Laufe der Geschichte erleben wir jedoch eine erstaunliche Wandlung mit, denn während William anfangs zwar arm und recht erfolglos auftritt, hat er in Glasgow bereits mit seinem Leben abgeschlossen und teilt dort lieber sein Dosenbier mit irgendwelchen Obdachlosen. In schonungslosen Beschreibungen wird uns dieser Verfall näher gebracht:

S. 149: |“Trotz aller Warnungen war Alkohol offenbar ein ziemlich langsamer Killer. Kein Vergleich zu einem Messer im Bauch oder einer Kugel im Kopf. […] In der Taille war ich schon ziemlich auseinandergegangen. Zwischen meinen Fingern war eine Schuppigkeit, die nachts mehr juckte. Meine Haut hatte die breiige Blässe von Häftlingen nach einem halben Jahr Knast. Kosmetikartikel wie Deodorant und Rasierwasser hatte ich aufgegeben, wie auch meine Kontaktlinsen. Die Brille machte mich gleich noch drei Jahre älter, obwohl sie für meine derzeitigen Verhältnisse fast einen Hauch zu modisch war. Ich überlegte, ob ich mir nicht eine neue besorgen sollte, eine, die nicht so deutlich signalisierte, dass ich ein Mann war, der bessere Zeiten gekannt hatte. Mein Haar war auch länger geworden. Manchmal kam es zwei Wochen am Stück nicht mit Shampoo in Berührung, und Festiger und Gel und den ganzen Kram brauchte ich nicht.“|

Auch in zahlreichen anderen Situationen beweist Louise Welsh ihr überragendes Erzähltalent und ihre genaue Beobachtungsgabe. Viele Kleinigkeiten schmücken ihre Erzählung aus, die uns bei den Geschehnissen ganz nah dabei sein lassen, weil uns selbst das winzigste Detail nicht vorenthalten wird. Insbesondere in der Darstellung des Protagonisten aus dem Kugeltrick geht Welsh schonungslos und mit viel Liebe zum Detail zu Werke. Der Leser kann ihn förmlich auf der Bühne stehen und zaubern sehen. Allerdings weckt er eher Mitleid als Sympathien, weil er einfach zu tolpatschig und ohne Aussicht auf Erfolg zu Werke geht.

Doch die wunderbaren Beschreibungen sind nicht das Einzige, was diesen Kriminalroman kennzeichnet, denn umrahmt wird die Erzählung durch eine mysteriöse Kriminalgeschichte, die mit dem Diebstahl des geheimnisvollen Umschlags beginnt. Zunächst passiert dieser Teil der Geschichte ganz nebenbei, William denkt gelegentlich an den Umschlag zurück, den er zur Aufbewahrung an seine Mutter geschickt und sie damit wahrscheinlich in große Gefahr gebracht hat. Doch mit fortschreitender Zeit beginnt William Nachforschungen anzustellen, er öffnet den Umschlag und fängt an, Fragen zu stellen und darauf Antworten zu suchen. Wir begleiten ihn also auch auf seinen Ermittlungen und kommen mit ihm gemeinsam der Lösung des Geheimnisses auf die Spur.

Was aber hat der Kugeltrick mit all dem zu tun? Dies ist wiederum eine weitere Episode, die Teil des Buches ist. Der Kugeltrick ist ein sehr gefährlicher Zaubertrick, den William zusammen mit seiner Assistentin Sylvie auf der Bühne vorführt. Er ist dabei um einiges schwieriger und riskanter als der berühmte Trick, in dem Sylvie vor den Augen der Zuschauer durchgeschnitten und mit Messern aufgeschlitzt wird. Welche Rolle aber genau der Kugeltrick spielt, der sich während der Lektüre immer weiter aus den Gedanken der Leser stiehlt, um dann am Ende ganz plötzlich wieder aufzutauchen, das muss wohl jeder selbst herausfinden.

Am Ende lässt sich festhalten, dass Louise Welsh mit „Der Kugeltrick“ ein eindrucksvoller, aber doch auch ganz anderer Kriminalroman gelungen ist. Es geht nicht so sehr um eine vertrackte Mordermittlung, als vielmehr um William Wilsons Spurensuche und Vergangenheitsbewältigung. Die Kriminalgeschichte kann hierbei allerdings nicht ganz so sehr überzeugen wie die ausgefeilten Beobachtungen und Beschreibungen der Autorin, die uns alle Situationen so bildlich vor Augen führen, als säßen wir selbst im Publikum. „Der Kugeltrick“ ist ein Roman für Buchfreunde, die keine Effekthascherei brauchen und die sich gerne mit ihren Protagonisten auch in ein schummeriges und schmuddeliges Milieu begeben, um dem Ich-Erzähler bei seinem persönlichen Verfall zuzusehen. Als Charakterstudie, die sich herrlich lesen lässt, funktioniert der vorliegende Roman sehr gut, mit Autoren wie Henning Mankell kann und will es Louise Welch jedoch nicht aufnehmen. Wer also lieber eine blutige Mordserie miterleben will, sollte auf den nächsten Schwedenkrimi warten, alle anderen Buchfreunde sind mit Louise Welsh jedoch hervorragend bedient.

http://www.kunstmann.de/

Thielking, Helge – Destino

Lust auf Urlaub zu Hause? Helge Thielking entführt uns mit seinem zweiten Roman „Destino“ in die Karibik – Spannung und Action inklusive!

Die neunundzwanzigjährige Jette Colberg setzt sich gegen eine Menge ältere und erfahrenere (und vor allem männliche) Mitbewerber um einen Posten als Managerin des Touristikunternehmens STO durch. Verwunderlich, bringt sie doch nicht die richten Schlüsselqualifikationen für so einen harten Job mit. Ob ihr ehemaliger Professor Kurt Jacobi da seine Finger im Spiel hatte?

Jette macht sich darüber keine weiteren Gedanken. Stattdessen lebt sie sich in Bremen ein, nachdem sie beinahe ihr ganzes Leben von einem Ort zum anderen gezogen ist. Sie hofft, in der Geburtsstadt ihrer Mutter die Heimat zu finden, die sie die ganze Zeit vermisst hat. Anfangs scheint das auch ganz gut zu klappen. Sie findet schnell Freunde und an ihrem Arbeitsplatz läuft auch alles bestens. In dem kaltherzigen, karrieregeilen Kramer findet sie schnell einen Gegenspieler, doch sie merkt erst wesentlich später, dass seine Repressalien mehr sind als ein firmeninterner Kampf. Spätestens als ihre Sekretärin bei einem Briefbombenattentat schwer verletzt wird.

In Jette wächst die dunkle Ahnung, dass der Anschlag ihr gegolten hat, da er an ihre Abteilung, die für die Karibik zuständig ist, addressiert war. Schnell kommt ihr der Verdacht, dass die Bombe vielleicht in Zusammenhang mit den Ungereimtheiten steht, die sie in ihrem Bereich entdeckt hat. Strände, die verschwinden, Unfälle, Beschwerden, die nicht weitergereicht werden – was zur Hölle ist in der Karibik los? Und wieso weiß sie als Leiterin des Bereichs „Karibik“ nichts davon? Enthält man ihr mit Absicht Informationen vor?

Jette recherchiert selbst, doch als sie genug Informationen zusammengesammelt hat, um sie der Staatsanwaltschaft zu übergeben, geht ihr Haus in Flammen auf und Jette sieht ein, dass es der einzige Weg ist, direkt vor Ort zu ermitteln. Allerdings gibt es da einige Leute, die mit ihrem Tatendrang nicht einverstanden sind und die auch nicht davor zurückschrecken, ihr Leben aufs Spiel zu setzen …

Da Thielking Tourismuswirtschaft studiert hat, weiß er, worüber er redet. Er schildert ansehnlich die Vorgänge in dem großen fiktiven Touristikunternehmen STO und schafft es, die geschäftliche Seite, auf der es nicht immer mit rechten Dingen zugeht, auch für den Laien zugänglich zu machen. Wer hofft, dass sich das Buch später in pathetischen Naturbeschreibungen der Karibik ergeht, wird enttäuscht. Vielmehr schildert der Autor das knallharte Geschäft mit den Inseln und den dortigen Tourismus.

Trotz des Fachwissens möchte auf weiten Strecken des Buchs nur wenig Spannung aufkommen. Zäh wälzt sich die Geschichte auf 460 Seiten voran, wobei die eine oder andere Seite weniger vielleicht von Nutzen gewesen wäre. Dabei schreibt Thielking noch nicht mal zu ausschweifend, er versucht nur zu viele Fakten in seine Geschichte unterzubringen, was ihm leider nicht so ganz gelingt. Zu weit klaffen teilweise diese Fakten auseinander und diese Lücken sorgen wiederum dafür, dass dem Buch sehr schnell die Puste ausgeht.

Ein wenig lieblos wirken die Charaktere. Sie besitzen zwar eine Vergangenheit – und besonders mit Jettes kann man sich gut identifzieren -, diese geht jedoch nicht besonders tief und das Fehlen von wirklichen Eigenschaften, darunter auch Macken, trägt dazu bei, dass die Figuren sehr oberflächlich erscheinen.

Thielkings Schreibstil schließt sich der Oberflächlichkeit der Protagonisten an. Geübt, aber ohne einen eigenen Stempel pflügt er sich durch das Buch, ohne Eindruck zu hinterlassen. Das ist nicht unangenehm, sorgt aber für eine wenig interessante Lektüre.

Die Urlaubsvorfreude muss also einen kleinen Dämpfer einstecken, denn in Bezug auf Handlung, Personen und Schreibstil muss man bei „Destino“ ein paar Abstriche machen. Trotzdem ist das Buch ein Durchschnittsthriller, der nicht schmerzt, aber auch keine euphorischen Jubelstürme auslöst.

http://www.knaur.de

Peter Bürger – Theorie der Avantgarde

Die Theorie der Avantgarde als Meilenstein einer kritischen Literaturwissenschaft

Ist die Kunst nun losgelöst von gesellschaftlicher Praxis oder ist sie gerade in dem Spannungsfeld von Zweck und Zweckfreiheit zu finden? Ist sie selbstständig gegenüber kunstexternen Verwendungsansprüchen, wie es Habermas formulierte, oder muss sie in der Lebenspraxis aufgehen? Dieses zuletzt genannte Aufgehen im unmittelbaren Lebensumfeld forderte die historische Avantgarde; Letztere ist aber auch Peter Bürgers Untersuchungsgegenstand, den er in seinem bahnbrechenden Buch „Theorie der Avantgarde“ abhandelt.

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