Archiv der Kategorie: Rezensionen

Armor, Bryan / Bates, Andrew / Blackwelder, Kraig / Grabowski, Geoffrey C. / Habecker, Dana u.a. – Hohen, Die (Exalted – Zeit der Tränen)

|Ehe es eine Welt der Dunkelheit gab, gab es ein Zeitalter der tollkühnen Abenteuer.

Das Reich der Drachenblütigen erhebt sich auf den Ruinen des Ersten Zeitalters – ein unbesiegbarer Koloß.

Jahrtausende hielt die Scharlachrote Kaiserin die Welt in ihrem eisernen Griff.

Nun, da die Kaiserin nicht mehr ist, treibt das Reich jeden Tag tiefer ins Chaos und einem Bürgerkrieg entgegen.

In dieser Zeit des Haderns erscheinen die Hohen der Sonne, legendäre Helden, wiedergeboren in einer Zeit der Wehklagen.

Künden diese fleischgewordenen Legenden von der Rückkehr eines neuen goldenen Zeitalters oder vom Ende der Schöpfung?

Welche Legenden werden von ihren Taten berichten?|
(Auszug aus dem Regelwerk)

„Die Hohen“ ist das Grundregelwerk zur „Zeit der Tränen“ vom |Feder & Schwert|-Verlag. Die Grundstruktur ist geprägt von einer Beeinflussung durch die japanischen Mangas und Animes.

_Zum Hintergrund:_

Einst herrschten die Hohen der Sonne über das Reich. Doch über die Jahrhunderte hinweg wurden sie dekadent und ihre Magie verzehrte ihre Herzen von innen heraus.

So wurden ihre Diener, die Hohen der Erde, wütend und rotteten sich gegen die zahlenmäßig deutlich unterlegenen Herrscher zusammen und tilgten die Hohen der Sonne vom Angesicht der Erde. Doch die Macht der Hohen der Sonne war so enorm, dass sie nicht mit ihnen starb, sondern sich immer einmal wieder in anderen Menschen manifestierte und diese erhöhte.

Die Drachenblütigen (wie die Hohen der Erde auch genannt werden) wurden von der Scharlachroten Kaiserin beherrscht, die die anderen Hohen in der „Wylden Jagd“ jagen und fast ausrotten ließ. Diese Jagd galt besonders den wiedergeborenen Hohen der Sonne, bevor sie ihre Kräfte richtig entwickeln konnten.

Nun ist die Kaiserin verschwunden. Im Reich regieren Chaos und Aufruhr, so dass die „Wylde Jagd“ vernachlässigt wurde. Damit ist die Chance für die Hohen der Sonne gekommen!

Ihr Charakter ist eine der Personen, die zu einem Hohen der Sonne erhoben wurden. Sie sind eine Legendengestalt, mächtig wie ein Halbgott und schlau wie ein Fuchs …

_Grundsätzliches_

Es ist vorgesehen, einen Hohen der Sonne zu spielen. Es gibt allerdings noch andere Arten von Hohen und natürlich normale Sterbliche.

So gibt es auch die Hohen der Erde; sie sind die einzigen Hohen, die ihre Macht vererben können, deshalb ist ihre Anzahl groß. Sie sind Herren über die Kräfte der Elementardrachen und werden daher auch Drachenblütige genannt. Diese Hohen sind die größten Feinde der Hohen der Sonne, weil sie sie unerbittlich jagen und vernichten.

Hinzu kommen die Hohen der Sterne (Seher und Sterndeuter), die Hohen des Mondes (Gestaltwandler) und die Hohen des Abgrunds (Nekromanten).

Wie bereits erwähnt, ist „Die Hohen“ darauf ausgelegt, einen Hohen der Sonne zu verkörpern. Die Quellenbücher, die nötig sind, um die anderen Hohen zu spielen, werden leider nicht in die deutsche Sprache übersetzt. Wer allerdings unbedingt etwas anderes spielen will, kann sich ja das englische Original besorgen und kann sich dann auf der [Feder&Schwert-Homepage]http://www.feder-und-schwert.de ein englisch/deutsches „Exalted“ (Originaltitel von „Die Hohen“) kostenlos herunterladen. Für den Spielleiter sind diese Quellenbücher nicht von Nöten, da sowohl im Regelwerk als auch im „Die Hohen – Kompendium für Erzähler“ ausreichend auf die anderen Hohen eingegangen wird, um sie als Nicht-Spieler-Charaktere (NSC) einbauen und verkörpern zu können.

_Regeln_

Das Regelwerk, das bei „Die Hohen“ verwendet wird, ist eine Mischung aus dem alten „White Wolf“-System (z. B. „Vampire: Die Maskerade“) und dem neuen, das im [„Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ 1607 verwendet wird.

Zum einen ist die Grundschwierigkeit für Würfe immer eine sieben (gewürfelt wird mit zehnseitigen Würfeln). Nur die Anzahl der zu erzielenden Erfolge ändert sich, nicht aber die Augenzahl, die gewürfelt werden muss. Beispiel: Beim alten „White Wolf“-System musste man je nach Schwierigkeit manchmal gegen sechs oder höher (bis zehn) würfeln. Ein Erfolg hat dann aber gereicht. Jetzt bleibt die zu würfelnde Zahl gleich, allerdings braucht man ab und an mehrere Erfolge. Jede zehn zählt doppelt.

Auch die Schadensregelung ist geändert worden. Der Spieler würfelt nun seinen Angriff, jeder Erfolg wird gezählt. Hinzu kommt nun der Grundschaden der Waffe. Von diesem Schadenspool werden dann der Absorptionswert des Gegners (meist seine Widerstandsfähigkeit) und dessen Rüstung abgezogen. Der Rest, der noch übrig bleibt, ist der Schaden, den der Gegner einsteckt. Man muss den Schaden also nicht noch mal extra auswürfeln.

Die Hohen verfügen über zwei verschiedene Sorten von Magie:

Zum einen die Charismen. Dies sind übermenschliche Kräfte, die auf Fähigkeiten aufbauen. Es gibt für jede Fähigkeit mehrer Charismen, die jeweils eine Art Stammbaum bilden. Alle hier aufzählen zu wollen, würde allerdings den Rahmen dieser Besprechung sprengen. Denn bei 25 Fähigkeiten und jeweils mehreren Charismen verwundert es nur wenig, dass sie alleine über 60 Seiten des Regelwerkes einnehmen. Es gibt diese Kräfte in den verschiedensten Formen. Klangvolle Namen wie „Technik der angreifenden Kobra“ oder „Seele des darbenden Einsiedlers“ machen noch mal die Verbundenheit mit den japanischen Animes und Mangas deutlich.

Die zweite Form der Magie, die Hexerei, wird nur sehr kurz im Regelwerk angeschnitten. Diese wird aber ausführlich im Quellenband „Das Buch der drei Kreise“ behandelt.

Besonders erwähnenswert finde ich noch, dass man sich durch besonders interessante Aktionen, den so genannten Stunts, Bonuswürfel verdienen kann. So ist eine cineastische und interessante Aktionsbeschreibung nicht nur für die Stimmung und den Flair gut, sondern macht sich auch im Spiel für den Spieler bezahlt. Bei ganz besonderen Stunts sind so bis zu drei Bonuswürfel möglich. Daraus resultiert, dass „abgefahrene“ Aktionen eher Erfolg haben als ein: „Ich hau ihn halt mit dem Streitkolben“.

_Mein Eindruck_

„Die Hohen“ ist mal etwas anderes. Durch sein Flair und die Grafik besticht das Regelwerk schon beim ersten Durchblättern. Durch die cineastischen Kampfmöglichkeiten, die es bei den meisten Rollenspielen nicht gibt, und den Manga-Stil hebt sich „Die Hohen“ deutlich von anderen Fantasy-Rollenspielen ab.

Aber genau an dieser Stelle haben es die Autoren etwas übertrieben. Die oben erwähnten Charismen lassen sich zu Superaktionen, den Combos, vereinen. Nicht nur, dass sie unglaublich machtvoll sind, die Regeln dafür sind fast genau so kompliziert wie ein Buch über angewandte Kernphysik! Allerdings muss ich sagen, dass das wirklich der einzige Stein im Schuh ist, der mich bei „Die Hohen“ drückt.

Die Welt, in der das Spiel angesiedelt wurde, ist auch äußerst ansprechend gestaltet. Der Kontinent ist riesig und relativ spärlich beschrieben. Es gibt jede auf der Erde vorkommende Klimazone. Das bedeutet für den Spielleiter optimale Entfaltungsmöglichkeit von Abenteuerideen. Auch die anderen übernatürlichen Wesen wie das Lichte Volk (meist böse Feen), Geister, Elementare und Barbaren sind so gestaltet, dass fast nichts unmöglich ist. Endlich mal ein Spiel, bei dem man sich als Spielleiter richtig austoben kann und obendrein noch Spielercharaktere hat, die einiges aushalten können.

_Fazit_

„Die Hohen“ ist toll! Es unterscheidet sich so dermaßen von anderen Rollenspielen wie „Dungeons & Dragons“ oder „Das schwarze Auge“, obwohl es auch ein Fantasy-Rollenspiel ist. Die beiden eben genannten Rollenspiele sind sich so ähnlich, dass kaum Motivation besteht, beide zu spielen. Das ist bei „Die Hohen“ anders.

Der Faktor eines so genannten Erzählspiels ist durch die vergütete Beschreibung der Aktionen relativ hoch und daher auch für erfahrene „Recken“ allemal noch eine Herausforderung. Also: Wer schon immer mal seine Lieblinge aus Mangas und Anime-Filmen in ein Rollenspiel übertragen wollte, hat nun die Gelegenheit dazu.

Mommers, Helmuth W. (Hg.) / Borsch, Frank / Gruber, Andreas / Haubold, Frank W. / Thiemeyer, Thomas – Legende von Eden, Die (und andere Visionen)

|Phantastische Ausblicke in die Welt der Zukunft von den besten deutschen Science-Fiction-Autoren der Gegenwart|

_Tobias Bachmann_
DIE FEHLENDE STUNDE
Was wäre, wenn sich unsere Welt plötzlich in eine kafkaeske verwandelte …

_Frank Borsch_
AUSGLEICHENDE GERECHTIGKEIT
… wenn es nicht Auge um Auge ginge, sondern zwei Augen für eins …

_Rainer Erler_
AN E-STAR IS BORN
… wenn eine Filmdiva Zicken machte, bis den Studiobossen der Kragen platzt …

_Andreas Gruber_
WEITER ODER RAUS
… wenn Reality-Shows auf die blutige Spitze getrieben würden …

_Marcus Hammerschmitt_
2 HOCH 64
… wenn die Erde von ihren wahren Herrschern übernommen würde …

_Frank W. Haubold_
DIE LEGENDE VON EDEN
… wenn eine fremde Macht ein interstellares Komplott aufdeckte …

_Oliver Henkel_
HITLER AUF WAHLKAMPF IN AMERIKA
… wenn Carolina eine preußische Provinz wäre und Hitler auf Wahlkampfreise ginge …

_Desirée & Frank Hoese_
SCHÄTZE DER ZUKUNFT
… wenn wir verlorene Schätze der Vergangenheit für die Zukunft retten wollten …

_Michael K. Iwoleit_
PLANCK-ZEIT
… wenn der Urknall gerade erst stattgefunden hätte …

_Thorsten Küper_
SPIEGELBILD DES TEUFELS
… wenn ein skrupelloser Geschäftemacher seine Haut um jeden Preis retten wollte …

_Thomas Thiemeyer_
MATERIA PRIMA
… wenn eine fremde Spezies sich unsere Erde als Siedlungsplanet auserwählte …

_Ernst Vlcek_
NEULICH IM GARTEN EDEN
… wenn die Vertreibung aus dem Paradies ganz anders verlaufen wäre …

_Andreas Winterer_
COSMO POLLITE UND DER ZWISCHENFALL IM INTERSTELLAR EXPRESS
… wenn Cosmo Pollite, Held des Universums, wieder einmal zuschlagen würde …?

Mittlerweile erschien im Oktober die zweite Ausgabe der von Helmuth W. Mommers herausgegebenen SF-Kurzgeschichtenanthologie-Reihe |VISIONEN| im |Shayol|-Verlag. „Die Legende von Eden und andere Visionen“ wartet – wie auch schon [Band 1 1892 – erneut mit Science- und Social-Fiction vom Feinsten auf. Dreizehn Autoren unterhalten den Leser sozial-kritisch bis humoristisch, und dies, wie schon im Vorband, in einer erfreulich großen Bandbreite. Mir erscheint Band 2 sogar noch ausgereifter und bietet eben jene Steigerung, die man sich bei einer solchen Reihe erhofft, weil in „Die Legende von Eden“ keine Story vom erzählerischen Niveau abfällt; und das ist in Anthologien ja meist das Manko – Hier nicht!

Der ein oder andere Autor beeindruckt hier ein weiteres Mal durch seine Erzählkunst, aber auch neue sind hinzugekommen. Eine ausgewogene Mischung also. Auf die für mich interessantesten Beiträge möchte ein wenig näher eingehen, dabei stets darum bemüht, nichts vorwegzunehmen.

Begonnen wird dieser SF-Reigen von _Rainer Erler_, dessen satirische Geschichte Hollywood gehörig auf die Schippe nimmt und zeigt, was im Zeitalter der Technik alles möglich ist. Da wird eine exzentrische Schauspielerin, die grade „en vogue“ aber den Filmbossen höchst unbequem ist, durch ein Computer-Double ersetzt und vermarktet. Das wirft in uns die bange Frage auf: Sind wir alle (bald) ersetzbar?

_Thorsten Küper_s „Spiegelbild des Teufels“ ist eine meiner Favoritenstorys. Es geht um den Protagonisten Lasar und seine Klone und die beiden Frauen, die eine enge Bindung zu ihm haben. Um die eigene Existenz rankt sich der Hauptplot und Thorsten Küper vermag es, Charaktere zu erschaffen, die den Leser fesseln, die ihn auf subtile Art in das Geschehen mitreißen und diesen gerade deshalb nachdenklich stimmen.

_Oliver Henkel_s „Hitler auf Wahlkampf in Amerika“ hat mich am meisten angesprochen, vom Stil, Plot und der Recherche her. Die unterschiedlichen Gefühle der Personen, ihre Beweggründe, Abneigungen, das Zeitgeschehen, alles wird von dem Autor so lebendig vermittelt, als wäre man selbst „mittendrin“. |Das| ist Social-Fiction mit Sahnehäubchen! Und macht Lust darauf, mehr von diesem Autor zu lesen.

Wie sieht es derweil mit den humorvollen Geschichten dieses Bandes aus?

_Andreas Winterer_s „Cosmo Pollite und der Zwischenfall im InterStellar Express“ ist wirklich groovy. Anders kann man es nicht ausdrücken. Sein Roboterüberfall und „etwas anderes“ Geiseldrama ist für alle, die nicht auf der Humorleitung stehen, haargenau das Richtige. Beruhigend ist auch, dass in der Zukunft Harald Schmidt ein Thema ist. Bei Andreas Winterer lachen vielleicht nicht alle Schnittstellen, aber sie schmunzeln, wenn sie ein Gespür für Komik haben. Da kann ich nur zitieren: „Freiheit für alle Roboter (Aufzüge und Toaster!)!“

Bei _Ernst Vlcek_s „Neulich im Garten Eden“ kam ich denn aus dem Schmunzeln gar nicht mehr heraus. So perfekt und prägnant habe ich noch keine Schöpfungsgeschichte (mal aus einem anderen Blickwinkel, der Leser lasse sich überraschen!!!) zu lesen bekommen! Was einmal mehr beweist: Ernst Vlcek weiß zu schreiben und vor allem zu unterhalten! Und vor allem beweist er – mehr als andere – dass MMR recht hat mit seiner goldenen Regeln: Zwei Worte sind gut, eins ist besser. Wie wahr, wie wahr. Es ist Schreib|kunst| mit wenigen Worten, so vortrefflich zu unterhalten!

Aber auch _Frank Borsch_s „Ausgleichende Gerechtigkeit“ weißt vom Plot her zu überzeugen. |Mein Freund Harvey| einmal anders! Urkomisch lebendige „Auge um Auge, Zahn um Zahn“-Story mit cineastischen Einschlägen. Spätestens beim nächsten Fahrraddiebstahl werden Sie sich daran zurückbesinnen.

Die für mich ungewöhnlichste Geschichte stammt von _Andreas Gruber_. Er schildert in „Weiter oder raus“ die Sensationslust der Medien und vor allem in uns selbst. Um eine horrende Gewinnsumme zu kassieren, lassen sich die drei Kandidaten, aus den unterschiedlichsten persönlichen Gründen, ohne Anästhesie verstümmeln, lassen sich Gliedmaßen amputieren, die dann thematisch Bestandteil von zwischengeschalteten Werbespots sind. Makabre Medienschelte at its best!

Auch _Frank Haubold_s Story hebt sich ab. Die Kurzgeschichten des Autors weisen ja immer eine hohe erzählerische Dichte auf; so auch diese stilistisch ausgereifte und zu Recht titelgebende. Sie bringt dem Leser auf Haubold-Weise das Thema „Leben nach dem Tod“ näher. Großartig. Ich hoffe, der Autor wird auch ein weiteres Mal in dieser Reihe Aufnahme finden.

Im hinteren Teil des Bandes wird wie in Band eins der Künstler des Covermotives vorgestellt. Darüber hinaus verfasste der Herausgeber einen Jahresrückblick in Sachen Kurzgeschichten und fügt eine Auflistung der SF-Geschichten des Jahres 2004, die er für die besten hält, an. Ein brauchbarer Hinweis für diejenigen, die mehr aus diesem Genre lesen wollen.

Bleibt noch die Aufmachung des Titels: Das Covermotiv in warmen Erdtönen – von Thomas Thiemeyer, der ja kein Unbekannter im phantastischen Genre ist – ist schön anzusehen und künstlerisch stimmungsvoll umgesetzt. Druck und Papier, Satz und Lektorat sind ebenfalls erstklassig.

An „Die Legende von Eden“ stimmt alles (auch wenn ich mir nach wie vor Innenillustrationen in einer solchen Reihe wünsche). Gut, dass es Kleinverlage wie |Shayol| gibt, die solchen Reihen eine Chance einräumen. Davon sollten sich die Großverlage wieder eine gehörige Scheibe abschneiden. Ich zolle sowohl Herausgeber als auch Verlag meinen literarischen Respekt und hoffe, dass uns die Reihe möglichst lange erhalten bleibt. Bei mir hat sie zumindest eines schon längst bewirkt: Meine Vorbehalte gegen des Genre aufzugeben und Lesefreude auch für die SF zu wecken.

Charles Palliser – Die schwarze Kathedrale

Palliser Kathedrale 2005 kleinIn einer englischen Kleinstadt lebt 1881 ein alter Skandal nach einem neuen Mord wieder auf. Geblieben ist das Bestreben des örtlichen Domkapitels, die Wahrheit um jeden Preis unter Verschluss zu halten, wogegen sich ein auswärtiger Historiker stemmt … – Mischung aus Historienroman und Thriller, wobei letzterer auch Treibriemen einer Handlung ist, die unter nie aufdringlicher Wahrung des zeitgenössischen Lebensalltags eine vergangene Welt aufleben lässt: großartig.
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Troy Denning – Die Belagerung (Die Rückkehr der Erzmagier, Band 2)

Band 1:  „Der Ruf“

Im zweiten Teil der neuen Trilogie von Troy Denning – „Die Rückkehr der Erzmagier“ – geht es weitaus gradliniger zu als noch im komplexen ersten Band, der wegen seiner Masse an verschiedenen Handlungseinheiten irgendwann nur noch schwer durchschaubar war. Dieses Problem konnte der Autor im zweiten Teil über weite Strecken lösen, und dennoch krankt auch „Die Belagerung“ an verschiedenen Schwerpunktverschiebungen, die sich bei der Vielzahl an Schlachtszenarien vor allem aus der übertriebenen Darstellung von Kampfhandlungen, Sprüchen und Ergebnisanalysen zusammensetzen. Fast könnte man sogar sagen, dass die eigentliche Erzählung gerade deswegen auch hier nicht so ganz an Schwung gewinnen möchte, selbst wenn es eigentlich mit permanent hohem Tempo vorangeht. Aus genau diesem Grunde darf man letztendlich zwar auch von einer Steigerung sprechen, aber dennoch fällt es mir nach zwei Dritteln der Geschichte recht schwer, mit der ganzen Sache warm zu werden.

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Bionda, Alisha / Kleudgen, Jörg – Blutopfer (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 4)

Band 1: [Der ewig dunkle Traum 1899
Band 2: [Kuss der Verdammnis 1900
Band 3: [Die Kinder der fünften Sonne 1949

|1569, Atzlan|
In der aztekischen Stadt Atzlan wird ein seltsam weißhäutiges Kind geboren, welches von einer geheimnisvollen Gestalt mitgenommen wird.

|1891, London/Atzlan|
Dilara lernt auf einer Feier den Archäologen Roger Gallet kennen, dessen Spezialgebiet die Azteken sind. Gallet hat Zugang zu einem Dokument, welches von einer versunkenen Stadt berichtet, zu der er eine Expedition leiten will. Er bittet Dilara, ihn zu begleiten und die Vampirin geht nur allzu bereitwillig auf das Angebot ein. Doch in Mexiko angekommen, stellen die Abenteurer fest, dass Atzlan noch in der Blüte seiner Existenz steht. Aber die Bewohner sind Roger, Dilara und ihren Begleitern nicht gerade freundlich gesonnen. Sie werden gefangen genommen und verschiedenen Priestern für Blutopfer überantwortet. Doch wer sich hinter den Priestern verbirgt, erschüttert Dilara noch weit mehr, und eine seltsame Vertrautheit mit der Stadt der Azteken ergreift von der Unsterblichen Besitz …

|2005 London|
Dilara und Calvin gelingt es, die Schattenchronik in ihren Besitz zu bringen. Doch die Aktion ging zu reibungslos über die Bühne, so dass Dilara misstrauisch bleibt und eine Gemeinheit Antediluvians dahinter befürchtet. Darüber hinaus treibt immer noch der Wiedergänger John George Haigh sein Unwesen, und auch der Anführer der abtrünnigen Vampire, Guardian, treibt sein eigenes Spiel. Als ob das nicht genug Unsicherheitsfaktoren wären, wird Dilara von einem unerklärlichen Blut- und Morddurst erfasst – hat die Mumie, welche im British Museum ausgestellt wird, etwas mit den Vorgängen zu tun?

Mittlerweile liegt schon der vierte Band der noch recht jungen Serie vor und immer mehr Handlungsstränge und Personen kommen hinzu, verleihen der Schattenchronik immer mehr Tiefe und machen aus der Serie einen komplexen Zyklus.

„Blutopfer“ ist quasi die direkte Fortsetzung von Band 2, „Kuss der Verdammnis“, auch wenn einige Andeutungen des Buches nur nach dem Genuss des dritten Bandes völlig verstanden werden können. Aber im vorliegenden Roman wird endlich die Handlung um Roderick alias John George Haigh und Antediluvinas Pläne mit Dilara fortgeführt. Dabei ist die Handlung so temporeich in Szene gesetzt, dass man das Buch fast in einem Rutsch durchliest. Die Szenenwechsel mit der Vergangenheit tun ihr Übriges. Hier wagen die Autoren der neuen Serie ein Experiment: Zwei Handlungsstränge aus zwei verschienen Zeiten werden parallel zueinander erzählt, um zum Finale hin gekonnt zusammengeführt zu werden. Und die Rechnung geht voll auf, denn beide Geschichten sind äußerst spannend und die wechselnden Szenarien stiften keinerlei Verwirrung beim Leser, sondern animieren eher zum Weiterlesen, um so schnell wie möglich zu wissen, wie es im jeweiligen Zeitabschnitt weitergeht. Trotz des geringen Umfangs von 245 Seiten, in Anbetracht des Stoffes, den die Autoren hier verarbeitet haben, und des rasanten Schreibstils fehlt es dem Roman keineswegs an Atmosphäre.

Und der Leser wird auch nicht enttäuscht, denn einige offene Fragen werden geklärt, neue dafür aufgeworfen und vielversprechende Perspektiven für die Zukunft eröffnet. Wie sich das eben für eine richtige Serie gehört. Auch so manche Überraschung erwartet den Leser, wenn er nicht den Fehler begeht, sich die Vorschau auf den fünften Band vor der Lektüre des Buches durchzulesen. Damit kommen wir gleich zur Kritik, die dieses Mal aber sehr kurz ausfallen wird. Durch die Vorankündigung wird dem Leser wirklich ein Großteil des Überraschungseffektes genommen. Wer sich das Buch noch zulegen möchte, sollte die Vorschau erst lesen, wenn er den Roman bis zur letzten Seite konsumiert hat. Das Finale selber lässt es noch mal so richtig krachen, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Leider wird es dann sehr abrupt abgeschlossen, aber man darf versichert sein, dass Band 5 die Ereignisse direkt fortsetzt. Nur die Wartezeit wird sicherlich für den einen oder anderen sehr lang werden.

Ein ganz dickes Lob gebührt den Schriftstellern aber noch für ihre sorgfältige Recherche, was die alten Azteken anbelangt, denn Namen wie Tonatiuh oder Coyolxa entstammen keineswegs den kreativen Köpfen von Alisha Bionda oder Jörg Kleudgen, sondern sind vielmehr real existierender Bestandteil der aztekischen Mythologie. Und auch der Name des Urnosferatu Antediluvian ist keiner, der ausgewählt wurde, weil er so klangvoll ist, dahinter steckt wirklich Methode.

Die Innenillustrationen von Pat Hachfeld lockern das Buch wieder gekonnt an den Kapitelanfängen auf, auch wenn nicht jedes Bild meinen Geschmack getroffen hat. Das Cover dagegen passt hervorragend zum Roman, sowohl vom Motiv als auch vom Stil her.

http://www.blitz-verlag.de/

_Florian Hilleberg_

Tad Williams – Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Apocalypse Now Digital! So lässt sich der vierte Teil der „Otherland“-Tetralogie von Tad Williams, der jetzt als Abschluss des Mammut-Hörspielprojekts des HR und des |hörverlags| auf sechs CDs vorliegt, schlagwortartig beschreiben. Spektakulär stürzt der virtuelle Weltenraum in sich zusammen und für die Protagonisten kommt es zur finalen Konfrontation.

_von Bernd Perplies
mit freundlicher Unterstützung unseres Partnermagazins http://www.ringbote.de/ _

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James, Henry / Gruppe, Marc – Unschuldsengel, Die (Gruselkabinett 5)

Eine Pfarrerstochter wird von dem Vormund zweier engelsgleicher Kinder als Gouvernante eingestellt. Der in London als Lebemann logierende Herr will mit den Blagen offensichtlich nichts zu tun haben und beauftragt die Gouvernante, die seinem Charme sofort erliegt, ihm nie und nimmer zu schreiben, ihn nicht um Rat zu fragen und alle Probleme selbst zu lösen. Fürstlich entlohnt, entsendet er die junge Frau auf den Landsitz Bly, wo die Kinder recht einsam leben.

Auf Bly angekommen, wird die Gouvernante zunächst aufs Herzlichste von der Haushälterin Mrs Grose und den Geschwistern Flora und Miles begrüßt. Sie schließt die liebenswerten Kinder sofort ins Herz, fühlt sich prompt ins Paradies versetzt und bezeichnet die beiden fortan als „meine Kinder“. Doch die Idylle soll bald gestört werden. Der zuckersüße und wohlerzogene Miles ist von seiner Schule verwiesen worden und die Gouvernante zerbricht sich den Kopf darüber, was er, der kein Wässerchen trüben kann, wohl angestellt haben mag. Gleichzeitig fängt sie an, Geister zu sehen. Zuerst den ehemaligen Leibdiener des Vormunds, Peter Quint, später dann auch noch dessen vermutliche Geliebte Ms Jessel.

Es gilt, die Kinder vor dem verruchten Einfluss der beiden zu schützen. Doch nach und nach kommen der Gouvernante Zweifel: Sind die beiden wirklich so unschuldig, wie sie vorgeben? Oder ist all dies nur Fassade, um hinter verschlossenen Türen mit den Toten zu kommunizieren und die arme Gouvernante zu hintergehen? Sie jedenfalls ist entschlossen, die Kinder vor der Korruption durch Quint zu beschützen, doch wie soll ihr das gelingen, wenn sie plötzlich alle gegen sich sieht?

Die Situation spitzt sich immer mehr zu, und zusammen mit der bodenständigen Haushälterin Mrs Grose ist man sich nie ganz sicher, ob die bösen Geister nun tatsächlich existieren oder nur ein Produkt der überbordenden Fantasie der Gouvernante sind.

Literarisch versierteren Hörern wird die Erzählung „Die Unschuldsengel“ wohl eher unter dem eigentlichen Titel „Die Drehung der Schraube“ (engl. „The Turn of the Screw“) ein Begriff sein. Erstmals 1898 in Fortsetzung erschienen, gehört „Die Drehung der Schraube“ zu Henry James‘ Meistererzählungen. Der 1843 in Amerika geborene James verbrachte einen Großteil seines Lebens in Europa und wurde 1915, ein Jahr vor seinem Tod, sogar englischer Staatsbürger. Seine über 100 Erzählungen, 20 Romane und nicht zuletzt seine theoretischen Arbeiten zur „Kunst des Romans“ haben den modernen Roman maßgeblich beeinflusst. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei in der Bedeutung des Bewusstseins im Gegensatz zu den hinter ihm zurücktretenden äußeren Ereignissen. Diese Problematik wird auch in „Die Drehung der Schraube“ stark thematisiert. Die Gouvernante, in der englischen Provinz mit den sie überfordernden Problemen praktisch allein gelassen, wird ihrer Vorstellungskraft nicht mehr Herr. Die beiden Kinder vor der moralischen Korruption (in was auch immer diese genau bestehen mag) durch die in Unzucht (un)lebenden Geister zu beschützen, wird ihr persönlicher Kreuzzug. Dabei ist die Erzählweise der besondere Kniff: Wir erfahren den Ablauf der Handlung durch die Gouvernante selbst und so wird nie ganz klar, ob es sich um eine reale Bedrohung durch Geister (und damit um eine klassische Geistergeschichte) oder um eine neurotische Reaktion der nervlich überreizten Gouvernante (und demnach um eine psychologische Erzählung) handelt. „Die Drehung der Schraube“ stützt mal die eine, mal die andere Theorie und die Unsicherheit im Hinblick auf das tatsächliche Geschehen ist die Crux der Geschichte. Auch als Leser bzw. Hörer ist man stetig hin- und hergerissen, der Gouvernante oder den Kindern zu glauben, eine eindeutige Lösung wird allerdings nie präsentiert.

Das Hörspiel schafft es wunderbar, diesen Tanz auf dem Drahtseil aufrecht zu erhalten. Mal erscheint die Gouvernante vollkommen hysterisch. An anderer Stelle geben sich Miles und Flora dagegen durchaus dämonisch und man möchte an die Existenz der zerstörerischen Geister glauben. Das Hörspiel von |Titania Medien| lebt damit besonders von den drei Protagonisten: Rita Engelmann als Gouvernante, Charlotte Mertens als Flora und Lucas Mertens als Miles. Unterstützt wird die beklemmende Wirkung durch die atmosphärische Klaviermusik, die vor dem geistigen Auge prompt karge englische Landschaften heraufbeschwört, über die ein hartnäckiger Nebel hinweggeistert.

|Titania|-Mastermind Marc Gruppe hat sich mit „Die Drehung der Schraube“ an ein literarisches Meisterwerk gewagt. Das hätte auch schief gehen können, doch zielsicher bewahrt das Hörspiel die Mehrdeutigkeit der Erzählung und damit deren größten Reiz. Ob es sich nun tatsächlich um eine Geister- oder gar Gruselgeschichte handelt, muss jeder für sich entscheiden, kann „Die Drehung der Schraube“ doch ebenso als eine Metapher für das Wirken der Literatur im Allgemeinen gelesen werden. Das Geheimnis der Geschichte entzieht sich dem Leser, sobald er meint, es fassen zu können. Und gerade daraus, nicht aus den imaginären oder realen Geistern, zieht James‘ Erzählung ihre Faszination.

Bei Henry James‘ „Die Drehung der Schraube“ handelt es sich um ein Muss im Bücherschrank eines jeden Liebhabers. Und jetzt gilt dieses Muss auch für’s CD-Regal!

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Burnett, Frances H. – kleine Lord, Der

Im zweiten Teil der „Titania Special“-Reihe widmet sich das junge Hörspiel-Label einem literarischen Klassiker, nämlich der Geschichte um den kleinen Lord Cedric Errol, die im Original von Frances H. Burnett stammt und schon seit einer halben Ewigkeit junge und alte Leser begeistert. Nach der Buchvorlage und verschiedenen TV-Auflagen gibt es die Angelegenheit nun auch als Hörspiel, und wiederum hat man eine sehr prominente Riege aktueller Synchronsprecher auftreiben können, um dieses 100-minütige Projekt zu verwirklichen. Dementsprechend ist die Liste der beteiligten Personen auch geradezu ein Who-is-Who der Szene und liest sich wie folgt:

Lucas Mertens als Cedric Errol
Friedrich Schoenfelder (u. a. dt. Stimme von Alec Guiness) als Earl of Dorincourt
Christian Rode (Sean Connery) als Rechtsanwalt Havisham
Evelyn Maron (Kim Basinger) als Mrs. Errol
Dagmar von Kurmin als Lady Lorridaile
Heinz Ostermann als Silas Hobbs
Matthias Deutelmoser (Orlando Bloom) als Dick Tipton
Regina Lemnitz (Kathy Bates) als Mrs. Dawson
Arianne Borbach (Helen Hunt) als Minna Tipton
David Nathan (Christian Bale, Johnny Depp) als Mr. Higgins

_Story_

Der kleine Cedric Errol lebt mit seiner verwitweten Mutter in New York. Sein bester Freund ist der Gemischtwarenhändler Silas Hobbs, den Cedric auch jeden Tag besucht. Dort träumt Cedric davon, als Präsident der Vereinigten Staaten zu regieren – oder aber den Laden von Mr. Hobbs zu übernehmen. Der Traum, ein ganz Großer zu werden, soll ihm dann eines Tages tatsächlich erfällt werden: Ein gewisser Havisham sucht den aufgeweckten Jungen auf und bittet ihn, zusammen mit seiner Mutter nach England zu kommen, um die Position des Lords im Schloss seines Großvaters einzunehmen. Obwohl Cedric an seiner aktuellen Wohngegend hängt und sich eigentlich gar nicht von Mr. Hobbs und dem Schuhputzer Dick Tipton trennen möchte, reist er schließlich nach England und lernt dort seinen griesgrämigen Großvater kennen. Seine Mutter begleitet ihn, darf aber nicht mit ihm im Schloss wohnen, weil das Verhältnis zwischen ihr und dem Earl seit jeher gespalten ist – und das nur, weil sie Amerikanerin ist.

Cedric ist noch gar nicht lange vor Ort, da stellt er auch schon alles auf den Kopf. Der kleine Lord bringt eine Menge Lebensfreude mit und kann somit auch recht schnell das vorher scheinbar versteinerte Herz des Earls gewinnen. Doch gerade, als der alte Herr sich dem Jungen geöffnet hat und auch bereit ist, seine Mutter näher kennen zu lernen, taucht eine gewisse Minna Tipton auf und behauptet, den älteren Bruder von Cedrics Vater geheiratet und daher eher einen Anspruch auf den Thron zu haben. Doch bevor das letzte Wort in dieser Angelegenheit gesprochen ist, melden sich plötzlich Cedrics Freunde aus New York zu Wort, denen die suspekte, herrschsüchtigen Dame bestens bekannt ist …

Ähnlich wie auch das erste „Titania Special“ ist auch „Der kleine Lord“ eine sehr herzliche Geschichte mit liebevollen Charakteren, einer sehr schönen, mit sehr viel Moral versehenen Handlung und einem trotz des nahezu vorhersehbaren Endes guten Spannungsaufbau. Mit anderen Worten: Völlig zu Recht handelt es sich bei dieser Erzählung um einen Kinderbuch-Klassiker, der schon seit vielen Generationen immer wieder bemüht wird, dennoch aber nichts von seiner lebensfrohen Ausstrahlung verloren hat.

Es ist die Geschichte von einem kleinen, ganz gewöhnlichen Jungen, der bereit ist, die Welt zu verändern und mit seiner freundlichen und aufgeweckten Art weitaus mehr bewegen kann als andere Personen mit Reichtum und Macht. Cedric ist eine Person, die man einfach lieb haben muss, sei es nun, weil er so bodenständig, so intelligent, so vorlaut ist oder aber auch, weil er einfach für das steht, was den Begriff Liebe ausmacht. So gelingt es ihm während dieser Geschichte, den Earl und Mr. Hobbs von ihrer jeweiligen Abneigung gegen Amerika bzw. die Aristokratie abzubringen, den unsinnigen Streit zwischen seiner Mutter und dem sturen Großvater zu schlichten, die Liebe eines sonst so herzlosen Menschen zu gewinnen und sein ganzes Umfeld mit Freude zu erfüllen – egal ob nun am Hofe oder aber im Gemischtwarenladen von Silas Hobbs. Schließlich ist es dann auch noch seine Gutmütigkeit, die das klassische Stück so wertvoll macht und zu einer der schönsten Erzählungen der Weltliteratur hat werden lassen.

Das hier veröffentlichte Hörspiel verdient aber trotzdem noch einmal ein Extralob, weil es den verschiedenen Sprechern sehr schön gelungen ist, die Geschichte lebendig zu gestalten und auch die verschiedenen Stimmungen und Emotionen richtig schön herüberzubringen. Gerade Lucas Mertens in der Rolle des kleinen Lords gibt eine fabelhafte Figur ab und spielt den vorlauten kleinen Bengel sehr gekonnt. Sein Kontrapart in Sachen Stimmung steht ihm da in nichts nach: Friedrich Schönfelder als mies gelaunter Earl erzielt die gewünschte abschreckende Wirkung und verkörpert die zunächst herzlose Person ebenfalls mit deutlicher Hingabe. Doch genau das trifft hier zum wiederholten Male auf alle Beteiligten zu, weshalb ich mich auch gerne dazu hinreißen lasse, eine Behauptung wie „auf Titania Medien ist in Sachen Hörspiele Verlass“ in den Raum zu stellen. Wie auch schon der Vorgänger „Fröhliche Weihnachten, Mr. Scrooge“ ist diese Doppel-CD definitiv eine Anschaffung wert!

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Schwartz, Susan / Schwekendiek, Margret – Anachronisten, Die (Titan-Sternenabenteuer 20)

Band 18: [Spur ins Parakon 1951
Band 19: [Tabu-Planet 1966

_Story_

Die |Titan| sitzt weiterhin im Parakon fest, kann den unerwarteten Angriffen allerdings standhalten und strandet schließlich auf dem zivilisierten Planeten des dort entdeckten Sonnensystems. Nachdem man von einer Eskorte ins Stadtzentrum gebracht wurde, treffen sich einige Crew-Mitglieder des Schiffes mit der Regierung der T’earron – so nennt sich das auf diesem Planeten lebende Volk -, um dort der Ursache des plötzlichen Beschusses auf die Schliche zu kommen.

Die T’earron verhalten sich sehr friedlich und erzählen im Folgenden die lange, traditionsreiche Geschichte ihres Volkes, lassen dabei aber auch keinen Part ihrer immer blutigeren Historie aus. Am Ende wissen Shalyn Shan, Patrick und Cyberjohn Five, dass sie es hier mit einer herrschsüchtigen Rasse zu tun haben, die nicht akzeptieren kann, von anderen Völkern entdeckt zu werden, und deshalb am Ende ihres Berichts auch wieder dazu übergeht, ihre kurzzeitig soziale Haltung abzulegen. Doch die Besatzung der |Titan| war die ganze Zeit über auf der Hut und kann so gerade noch aus dem feindlichen Gebiet fliehen, jedoch nicht, ohne dass die T’earron sie verfolgen …

Auf der Asteroidenwerft geht die Suche nach den Attentätern und weiteren Komplizen der Entführer munter weiter. Thomas Chiavelli hat den Ausnahmezustand ausgerufen und erklärt fortan jeden für potenziell verdächtig. Entsprechend vorsichtig geht die Space-Police, deren Verhältnis zu den Führern der Werft indes ein wenig besser geworden ist, auch bei ihren Ermittlungen vor und beobachtet jede noch so kleine Bewegung mit Argusaugen. Als ein weiterer Attentäter, der sich schließlich als ein Mogk herausstellt, versucht, die beiden Patientinnen Eleni Demetrios und Luisa di Cantoras durch einen Sabotageakt umzubringen, können die Beamten noch rechtzeitig intervenieren. Und nun hat man auch wieder eine neue Spur, die sie auf die schon öfter ins Visier genommenen Lunadocks führt. Oberleutnant Peter Henjean schickt daher einen Teil seiner Spezialeinheit Pioneers auf den Mond, um dort die vermeintlichen Drahtzieher zur Strecke und die Ursache für die Entführung des CRC-Chefs in Erfahrung zu bringen …

Auch auf Akat ist man in Aufruhr. Zwei Suuraner versuchen, die komatöse Anne Crawford wieder zum Leben zu erwecken, entdecken aber schließlich, dass die Frau nach ihrem Experiment mit den Mind Controllern wohl kaum noch zu retten sein wird. Währenddessen machen sich ihre mitgereisten Kollegen im Geheimen auf die Suche nach weiteren Mogks, die auf Akat vermutet werden, können aber in einem Hinterhalt überrumpelt werden …

_Meine Meinung_

„Die Anachronisten“ steht ganz im Zeichen des neu entdeckten Volkes der T’earron. In einzelnen Rückblicken wird deren Geschichte ebenso aufgerollt wie das seltsame Verschwinden der Andorer, mit denen die T’earron einst in Kontakt standen, sich aber gezwungen sahen, dieses Volk auszurotten, um die eigene Rasse zu bewahren und auf einem neuen Planeten neu zu etablieren. Von dort an sind die T’earron quer durch die Galaxis gesiedelt, haben mehrere Planeten angegriffen und die dort lebenden Wesen ausgelöscht, um sich von den dort ausgesandten stellaren Impulsen zu ernähren. Im ganzen All war schließlich die Rede von einigen mysteriösen Raumpiraten, die blitzschnell zuschlagen und die individuellen Welten vereinnahmen, doch die |Titan| ist das erste Schiff, das die T’earron entdeckt und mit ihnen Kontakt aufnimmt.

Alleine dieser Nebenstrang ist sehr spannend und detailreich aufgebaut, wobei besonders die Beschreibungen der einzelnen Wesen sehr gut gelungen ist. Susan Schwartz, die hier als Hauptautorin verantwortlich zeichnet und sich teilweise von der etatmäßigen Autorin Margret Schwekendiek hat unterstützen lassen, geht sehr genau auf die Geschichte dieses unentdeckten Volkes ein, schwenkt aber wie gewohnt immer wieder zu anderen Szenarien über, wenn ein weiteres Mysterium über die T’earron aufgeklärt wurde. Insgesamt werden aber sowieso sehr viele Rätsel in diesem Buch gelöst. So bekommt man auf der Asteroidenwerft endlich eine etwas konkretere Spur, erfährt mehr über das seltsame Parakon und begreift auch endlich, worunter Anne Crawford tatsächlich leidet bzw. was hinter ihrem Zustand genau steckt. Andererseits werden aber auch wieder neue Richtungen eingeschlagen, bei denen die Spannung letztendlich auch nicht abflaut. So bleibt man erst einmal im Dunkeln über die fortschreitende Reise der |Viana|, die sich ihren fremden Gegnern aus dem Parakon zunächst entledigt hat. Hinzu kommt die spektakuläre Flucht der |Titan|, deren Ende weiterhin ungewiss ist, schließlich sieht man sich einer Überzahl von Verfolgern ausgesetzt. Und natürlich stehen die Hintergründe hinsichtlich des Kidnappings von Amos Carter sowie die schwer zu vermutenden Zusammenhänge mit den Machenschaften bei der Space-Police und den Lunadocks nach wie vor aus, auch wenn Thomas Chiavelli und die Space-Police eine genauere Vermutung haben …

Wie schon die Vorgänger aus diesem Zyklus, kann auch „Die Anachronisten“ voll und ganz überzeugen, zumal auch hier wieder ganz neue Rätsel entstehen und neue Charaktere eingeführt werden. Selbst die Einbeziehung von Wesen, die nach kurzen Rückblicken wieder verschwinden, stellt sich als günstig heraus, weil so die Eigenschaften der T’earron noch besser beschrieben werden können und die ganze Geschichte, die sich bis zum aktuellem Zeitpunkt genau so entwickelt hat, sofort schlüssig erscheint – nicht ohne gewisse Mysterien beizubehalten. Zudem fügt sich Susan Schwartz wunderbar in den Stil ihrer Vorgänger(innen) ein und ist sofort in der Lage, das Niveau dieser sehr guten Space-Opera aufrecht zu erhalten.

Fazit: Noch heute werde ich die Fortsetzung „Gefrorene Zeit“ in Angriff nehmen – ich denke, das reicht, um meine ungebrochene Begeisterung auszudrücken.

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Paolini, Christopher – Eragon – Der Auftrag des Ältesten

Endlich wird das aufregende Abenteuer des jungen Eragon, welches in [„Eragon – Das Vermächtnis der Drachenreiter“ 1247 seinen Anfang gefunden hat, weitererzählt, und wir erfahren, was nach der ersten spannenden Schlacht in Farthen Dûr passiert ist. Doch der zweite Teil der Drachenreiter-Trilogie hat wie so viele andere Übergangsbände damit zu kämpfen, dass dieses Buch keinen echten Anfang und kein Ende hat. So bleibt wie so oft direkt nach dem Zuklappen des zweiten Bandes ein etwas unbefriedigendes Gefühl zurück, weil noch so viele Dinge ungeklärt blieben, auf deren Aufklärung wir sicher noch einige Zeit warten müssen.

_Die Reise geht weiter_

Nur knapp sind die Varden einer großen Niederlage entkommen, nur mit Aryas und Saphiras Hilfe konnte Eragon gerettet werden. Doch die Verluste sind groß, die verräterischen Zwillinge haben Murtagh verschleppt, und nachdem die Elfin Arya seine blutige Kleidung findet und seinen Geist nicht ertasten kann, wird Murtagh für tot erklärt. Eragon dagegen konnte den gemeinen Schatten Durza töten und dadurch eine Wendung zum Guten hervorbringen. Aber in Farthen Dûr wurde nur die erste Schlacht ausgefochten, die entscheidende Schlacht gegen Galbatorix und seine hinterhältigen Anhänger steht noch aus.

Nach Ajihads Tod brauchen die Varden einen neuen Anführer, doch anstatt in weiser Voraussicht einen starken Vardenführer zu wählen, werden im Ältestenrat zahlreiche Intrigen gesponnen, bis Ajihads junge Tochter Nasuada auserwählt wird, weil der Ältestenrat sie aufgrund ihrer Jugend und Unerfahrenheit für manipulierbar und formbar hält. Doch der Ältestenrat hat sich geschnitten, denn Nasuada hat sich bereits auf ihre kommende Aufgabe eingestellt und sichert sich Eragons Treue und Unterstützung zu. Eragon, der noch eine weitere Allianz eingehen wird, schafft sich mit diesen Entscheidungen allerdings nicht nur Freunde …

Im Zentrum der Geschichte steht die Fortsetzung von Eragons Ausbildung in Ellesmera, der berühmten Elfenstadt, in der die Königin Islanzadi herrscht. Doch während Eragon bei den Elfen wichtige neue Zaubersprüche und die Elfensprache lernt, ahnt er nicht, in welcher Gefahr sein Cousin Roran in Carvahall schwebt. Dorthin hat Galbatorix nämlich seine Soldaten und Ra’zac geschickt, um Roran als Geisel zu nehmen und dadurch an Eragon heranzukommen. Als die Schatten schließlich Rorans geliebte Katrina gefangen nehmen, greift Roran in seiner Verzweiflung zu drastischen Maßnahmen. Er überredet das gesamte Dorf, mit ihm nach Surda zu ziehen, um sich dort dem Widerstand der Varden anzuschließen. Eine gefahrenvolle Reise wird den Bewohnern von Carvahall bevorstehen …

_Die Zeichen stehen auf Krieg_

Nach dem Ende des ersten Bandes der Drachenreiter-Trilogie war bereits die Zielsetzung für den aktuellen zweiten Band klar, denn der Kampf gegen Galbatorix ist noch lange nicht zu Ende, genau wie Eragons Ausbildung, die dringend fortgesetzt werden muss. Und so überrascht uns Christopher Paolini in seinem fast 800-seitigen Werk nicht sonderlich, wenn er sich genau diesen Punkten widmet. Doch gleich von Anfang an packt uns Paolini, indem er Intrigen spinnt und Allianzen entstehen lässt, die für genug Brisanz sorgen. Kurz nach Eragons Ankunft in Ellesmera erwartet uns schließlich das erste große Überraschungsmoment, welches der junge Autor geschickt in seine Geschichte einfließen lässt, um seine Leser immer mehr an seine Erzählung zu fesseln.

Zunächst entwickelt Paolini seinen Handlungsstrang in Farthen Dûr, welcher direkt im Anschluss an die erste Schlacht einsetzt. Die Varden müssen große Verluste hinnehmen, die Zwerge haben gar ihr großes Wahrzeichen verloren, das Arya und Saphira zerstört haben, um Eragon retten zu können. Die Verluste sind trotz siegreicher Schlacht groß und müssen zunächst verkraftet werden. Die Geschichte fasziniert von Anfang an und weiß zu unterhalten, ohne dass zunächst viel Spannung aufgebaut wird. Dies passiert erst, als Paolini eine zweite Handlungsebene eröffnet, die größtenteils in Carvahall spielt. Eragons Heimatdorf wird nämlich von Galbatorix‘ Soldaten und Ra’zac bedroht, die Roran gefangen nehmen wollen, aber auf unerwartet großen Widerstand treffen. Die Bewohner von Carvahall wehren sich tapfer, können irgendwann aber einfach nur noch die Flucht ergreifen, auch wenn diese viele Gefahren mit sich bringt.

Dieser zweite Handlungsstrang und die Wechsel zwischen den beiden Schauplätzen sorgen für stetig anwachsende Spannung, die unweigerlich auf nur ein Ziel hinweisen kann, nämlich auf einen großen Kampf am Ende des Buches, auf den die Leser allerdings über 700 Seiten lang warten müssen. Erst spät geht Paolini zielgerichtet auf die Schlacht zu, in der viele verschiedene Völker aufeinander treffen.

_Lehrstunden_

Eine etwas längere lesetechnische Durststrecke ist während Eragons Ausbildung in Ellesmera zu überstehen. Diese Lehrstunden bei seinem neuen Meister werden sehr detailliert und in allen Einzelheiten geschildert, die schon etwas Geduld und Ausdauer erfordern. Zwar spielt Paolini wieder alle seine Trümpfe aus, indem er farbenfrohe Bilder von Ellesmera entwirft und uns in eine fremde und faszinierende Welt entführt, doch präsentiert er uns über eine lange Buchstrecke hinweg wenig Neues. Nur die Passagen in Carvahall sorgen hier für das gespannte Kribbeln, sodass ich mir tatsächlich von der Rahmengeschichte mehr gewünscht hätte.

Auch wenn wieder einige Anleihen bei anderen berühmten Fantasywerken zu bemerken sind, entfernt Paolini sich stetig von seinen Vorbildern. Nur „Der Herr der Ringe“ blitzt wieder einmal an einigen Stellen durch; so wurde hier Eragon eine schmerzliche Wunde durch die Ra’zac (das Paolinische Pendant zu den Tolkien’schen Nazgul) zugefügt, die nur durch besondere Kräfte zu heilen ist und ihn zunächst immer wieder schwer beeinträchtigt. Auch die Flucht der Einwohner von Carvahall mag an diejenige von Edoras nach Helms Klamm erinnern. Selbst in der Schlacht am Ende des Buches sind Parallelen nicht von der Hand zu weisen, denn die lebensnotwendige Verstärkung trifft auch bei Paolini fast schon zu spät ein. Dennoch muss man auch im zweiten Teil der Drachenreiter-Trilogie wieder neidlos zugeben, dass Christopher Paolini dennoch eine eigene Welt entwirft, die er uns in schönen Bildern und lautmalerischen Worten präsentiert. Er schafft es sogar, seine Skeptiker zu überzeugen und zu Fans seines fantastischen Alagaësia zu machen.

Paolini entscheidet sich hierbei für einen jungen und strahlenden Helden, der bei den Elfen geformt und am Ende verwandelt und von seinen Narben befreit wird. Spätestens mit dieser Entscheidung entfernt Paolini sich spürbar von Tolkien, der Frodo bewusst tragisch gezeichnet hat, um die ewig andauernde Last des Ringes zu kennzeichnen. Doch schon diese kleine Differenz ist es, die „Eragon“ eine ganz andere Prägung verleiht und die die Drachenreiter-Trilogie insbesondere auch deutlich kindgerechter macht.

Punkten kann Paolini wieder einmal in seiner überzeugenden Charakterzeichnung, die er in diesem Band noch weiter gestaltet. Besonders Eragon und Saphira lernen wir hier von ganz neuen Seiten kennen, die vorher noch nicht aufgeblitzt sind. Aber auch Roran erhält Gestalt und bekommt viel mehr Raum zugestanden, welchen er problemlos füllen kann. Von Roran möchte man gerne mehr lesen, er hat seinen starken Charakter bereits bewiesen, auch wenn noch nicht ganz klar ist, wie er zu seinem Cousin steht, der für das ganze Unglück von Carvahall verantwortlich ist. Doch dieser Konflikt ist es, der bereits neugierig auf die Fortsetzung macht, in welcher die beiden Cousins zusammen noch wichtige Aufgaben zu erfüllen haben.

Neben der etwas langwierigen Erzählweise im Mittelteil des Buches sind es nur Winzigkeiten, die den Lesegenuss trüben mögen, wie die teils längeren Passagen, die in Zwergen- oder Elfensprache abgedruckt sind und nicht in einer Fußnote übersetzt werden. Zweifeln wird der aufmerksame Leser auch, wenn ganz Carvahall an nur einem Tag von einem mächtigen Schutzwall umzogen wird, den die Bewohner gemeinsam errichten. Etwas unklar ist mir außerdem, warum Arya ihrem Drachenreiter-Schützling wichtige elfische Gepflogenheiten erst direkt vor ihrer Ankunft in Ellesmera mitteilt und die lange Zeit der Reise zuvor nutzlos verstreichen lässt. Insgesamt handelt es sich hierbei jedoch sicherlich um Unstimmigkeiten, über die man angesichts der fantastischen Erzählweise gerne hinweg sehen wird.

_Nun heißt es warten_

Wie schon im ersten Teil, so endet auch „Eragon – Der Auftrag des Ältesten“ völlig offen. Wieder ist eine Schlacht geschlagen, ein vorübergehender Sieger steht fest, doch das Aufeinandertreffen von Eragon und Galbatorix hat Christopher Paolini sich für seinen heiß erwarteten Abschlussband der Drachenreiter-Trilogie aufgehoben. Das vorliegende Buch hat als Übergangsteil einen sehr schweren Stand, zumal der Mittelteil sehr lang gezogen erscheint, dennoch entwickelt Paolini seine Figuren und seine Geschichte sehr schön weiter. An manchen Stellen weiß er zu überraschen und so präsentiert er gen Ende noch einmal eine unerwartete Wendung, mit der ich nicht gerechnet hätte. Insgesamt gefiel mir der Eröffnungsband ein klein wenig besser, da ich mir die Erzählung im aktuellen Roman etwas straffer gewünscht hätte, doch es sind im Grunde Kleinigkeiten, die es zu bemängeln gibt, sodass ich schon jetzt ungeduldig dem Abschluss der Trilogie entgegen fiebere!

http://www.eragon.de/

|Originaltitel: Inheritance Trilogy 2: The Eldest
Übersetzt von Joannis Stefanidis
800 Seiten, mit Lesebändchen
gebunden, 22,7 × 15 cm|

Clark, Mary Higgins – Mein ist die Stunde der Nacht

_Die Frau, die die Eule erschuf._

Mary Higgins Clark wurde 1928 geboren, und ihre Thriller führen stets die Bestsellerlisten an. So hat sich auch der |Heyne|-Verlag die „Königin der Spannung“ unter den Nagel gerissen, und die meisten ihrer Bücher veröffentlicht, das ZDF hat sich sogar die Filmrechte von zwei Erzählungen und vier Romanen gesichert: „Haben wir uns nicht schon mal gesehen?“, „Schwesterlein, komm tanz mit mir“, „Sieh dich nicht um“, „Dass du ewig denkst an mich“ und „Glückstag“.

Die Irin hat 25 Romane und zwei Bände mit Erzählungen veröffentlicht, auch weiterhin schreibt sie fleißig weiter, ihr großes Ziel ist es, eines Tages die „100-Romane-Barriere“ von Agatha Christie zu knacken.

„Mein ist der Stunde der Nacht“ ist einer dieser Romane und nun erstmals als Taschenbuch erhältlich. Er ist nicht der aktuellste ([„Hab Acht auf meine Schritte“ 1799 ist es), aber das ändert an der Qualität der Story natürlich nichts:

_Der Mörder ist immer der Loser._

Sam Deegan will in Pension gehen, der einzige Fall, der ihn noch an seinen Job fesselt, ist der Mord an Karen Sommers, ein Mord, der ohne erkennbares Motiv stattfand, und ein Mord, den Deegan zwanzig Jahre lang nicht lösen konnte. Am Ende seiner Kräfte entschließt er sich dazu, die Akte zu schließen, bis ihn die Mutter von Karen Sommers bittet, sich um einen weiteren Mordfall zu kümmern: Alison Kendall wurde tot in ihrem Swimmingpool aufgefunden, sie war eine enge Freundin von Jean Sheridan, die ihrerseits eine Freundin von Karen Sommers war.

Mörder ist ein mysteriöser Jemand, der sich selbst die Eule nennt, schon zu Beginn informiert er den Leser über seine Motive, ohne seine Identität zu lüften: Er ist ein weinerlicher Hosenpiesler, der von seinem Vater geschlagen, von seiner Mutter verhöhnt und von niemandem an der Schule ernst genommen wurde. Der Mörder in ihm wurde wach, als ihn eine Gruppe von Klassenkameradinnen verspottete, da er seine Sprechrolle als Eule nicht stotterfrei formulieren konnte: „Ich b-b-bin die Eu-Eule, und l-l-lebe in ei-ei-einem B-Baum …“ Alison Kendall war eine der Frauen, aus dieser Spöttergruppe.

Dieser Mord war sein Auftakt, der Beginn seines Planes, auch noch die letzten beiden Frauen um die Ecke zu bringen, die ihm diese Schmach angetan haben: Laura Wilcox und Jean Sheridan, und das lang geplante Klassentreffen ist die ideale Kulisse für ihn, um seinen Plan zu vollenden.

Und dieses Klassentreffen ist es dann auch, auf dem sich der Thriller abspielt: Ein ganzes Ensemble möglicher Täter trifft dort zusammen, jeder von ihnen könnte der ehemalige Loser sein, der den beiden Frauen an den Kragen will: Da wäre Carter Stewart, ein bösartiger und scharfzüngiger Dramaturg, der sich mit seinen rabenschwarzen Stücken aus der Unterschicht schreiben konnte; Robby Brent, der ungeliebte Sohn und unbegabte Schüler, der sich zum Komiker gemausert hatte und nichts mehr liebt, als Schläge unter der Gürtellinie zu verteilen; Gordon Amory, erfolgreicher Fernsehproduzent, der sich durch plastische Chirurgie seiner körperlichen Unzulänglichkeiten entledigt hat; Mark Fleischman, berühmter TV-Psychiater, dem nachgesagt wurde, seinen beliebten Bruder getötet zu haben; und Jack Emerson, ein reicher Immobilienmakler, der noch immer darunter leidet, dass ihn die schöne Laura Wilcox seinerzeit abgewiesen hatte.

Jean Sheridan ist die Erste, die die Drohung der Eule zu spüren bekommt, aber schließlich ist es Laura Wilcox, die verschwindet …

_Puzzle-Krimi´s Paradise._

Mary Higgins Clark steht nicht nur in dem Ruf, die Königin der Spannung zu sein, man sagt ihr außerdem nach, dass es ihre Spezialität sei, falsche Fährten zu legen und den Leser in die Irre zu führen. Eines jedenfalls stimmt: Sie ist eine Meisterin der Andeutung. An jedem Teilnehmer des Klassentreffen zeigt sie Verdächtiges auf, stupst den Leser an, in eine bestimmte Richtung zu denken, nur um dann woanders ein Verhalten zu zeigen, das noch viel verdächtiger wirkt. Überall sind Spuren; immer wenn man glaubt, den Täter zu kennen, oder wenn man annimmt, dass Clark zu viel verraten hat, bekommt man schon den nächsten Brocken an den Kopf geknallt.

Clark zeichnet dabei den Hintergrund der Figuren als klug verwobenes Patchwork: Manche Szenen werden aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt; zwar werden dadurch einige Ereignisse mehrmals rückgeblendet, aber sie macht das so geschickt, dass die Rückblende weitere Feinheiten aufdeckt, und ganz nebenbei die „rückblendende“ Figur durch ihren Standpunkt mitcharakterisiert.

Eine besondere Rolle hat dabei Jake Perkins inne: Er ist Schüler der Stonecroft Academy, und interessiert sich brennend für das Phänomen der dezimierten Frauenrunde. Er möchte unbedingt einen Artikel darüber verfassen und kennt keine Skrupel dabei, sich Informationen zu verschaffen. Für den Leser ist Perkins ein Quell unbequemer Informationen über die Besucher des Klassentreffens, er stochert überall hinein und trägt einiges dazu bei, den Leser zu erhellen (und ihn dabei natürlich weiterhin auf falsche Fährten zu locken).

Jedenfalls spitzen sich die Konflikte bis zum Ende hin zu, der finale Showdown bleibt nicht aus und Clark zieht die Spannungsschraube ständig an – erst auf den letzten Seiten lüftet sich, wer die Eule tatsächlich ist.

_Schmackhaftes Thriller Fast Food._

„Mein ist die Stunde der Nacht“ bietet all die Zutaten, die einen Thrillersüchtigen zum Nägelkauen verleiten: Ein Puzzle aus Verdächtigen und Informationen, die sich nach und nach aneinander reihen, dazu Konflikte, Bedrohungen für die Protagonisten und eine Atmosphäre aus Angst und Misstrauen.

Clark hat hier wirklich solide Arbeit geleistet und unterhält bis zum Schluss, die Story steht nie still und löst am Ende alle Fragen. Um auf ihre Fähigkeiten als Fährtenlegerin zurückzukommen: Ja, sie schafft es, den Leser zu irritieren, aber sie bedient sich dabei einiger unlauterer Tricks. Clark lässt ihre Figuren Dinge tun, die nur dazu dienen, um sie verdächtig zu machen. Nicht selten handeln Figuren nach einer Art, die nicht der ihren entspricht, manchmal sogar haben diese Handlungen nicht den geringsten Sinn – außer eben den, den Leser zu irritieren.

Das wiederum hat zur Folge, dass man irgendwann aufgibt, das Rätsel selbst knacken zu wollen. Man lehnt sich zurück und lässt sich passiv durch die Geschichte treiben: Aha, jetzt soll dieser verdächtig erscheinen, oho, jetzt ist es jener.

Trotzdem. „Mein ist die Stunde der Nacht“ ist bis zum Schluss spannend und unterhaltsam, es liest sich flüssig, hat keine Längen und wurde geschickt konstruiert. Ein Thriller-Imbiss für zwischendurch, schmackhaft und sättigend, aber sobald man ihn vertilgt hat, wird man ihn vergessen. Da kann man nur noch guten Appetit wünschen.

Schwekendiek, Margret / Bekker, Alfred – Tabu-Planet (Titan-Sternenabenteuer 19)

Für den zweiten Teil des Parakon-Zyklus in der Reihe der „Titan-Sternenabenteuer“ hat Alfred Bekker seine Vorgängerin Antje Ippensen als Co-Autorin abgelöst und beschreibt hier die Ereignisse auf der Asteroidenwerft, während Margret Schwekendiek weiterhin von der Fahrt der drei Raumschiffe |Suuran|, |Titan| und |Viana| berichtet. So viel zu den Rahmenbedingungen, nun aber auch direkt zur Action, denn von der gibt es in „Tabu-Planet“ noch weitaus mehr als im [Vorgänger-Band. 1951

_Story_

Die |Titan| ist nach ihrem Sprung ins Parakon in einem seltsamen Schlauch gelandet, der die ganze Besatzung in einem ungewöhnlichen Tiefschlaf versetzt. Bis auf den Cyborg Cyberjohn Five leidet das gesamte von Shalyn Shan geführte Team unter Atemnot und fällt in ein längeres Koma. Cyberjohn Five befürchtet, dass die Mannschaft dem Tode geweiht ist, kämpft aber beflügelt durch einen letzten Hoffnungsschimmer gegen das Aufgeben des Lebensmutes an. Doch auch auf ihn hat der mysteriöse Tunnel eine verheerende Auswirkung; der Cyborg wird von Bildern aus seiner Vergangenheit heimgesucht, aus der Zeit, als John noch ein Mensch war und seine Mutter ständig in Aufruhr versetzte. Als die Besatzung der |Titan| später dann wieder aufwacht, wird sie von eigentümlichen Luftblasen angegriffen, die ebenfalls Erinnerungen an die individuelle Vergangenheit der Crew wecken. Doch der Ärger will nicht enden, denn nachdem Lukas Hagens Idee, in dem Tunnel einen weiteren Sprung zu riskieren, von Erfolg gekrönt wird, entdecken die Insassen des Schiffes einen unbekannten Planeten, auf dem es ebenfalls menschenähnliches Leben gibt. Doch das dort lebende Volk scheint nicht gerade friedlich zu sein und nimmt die |Titan| alsbald unter Beschuss …

Zur gleichen Zeit versucht die Space-Police, dem Anschlag auf die Asteroidenwerft auf die Spur zu kommen, reibt sich dabei aber immer wieder mit Amos Cartwer und seinem Team. Die Ursache: Einige Mitglieder der Rechtsvertretung versuchen seit geraumer Zeit, die von Carter geführte CRC auszustechen, weshalb man vor Ort befürchtet, die Polizeitruppe könnte Firmengeheimnisse ausspionieren. Der sture Carter lässt sich indes weiterhin nicht dazu bewegen, sich auf der Erde in Sicherheit zu bringen oder zumindest auf der Werft selber einen Sicherheitsdienst in Anspruch zu nehmen. Die Strafe folgt sofort: Bei der ersten Unachtsamkeit wird Carter von einigen jener Leute, die auch den Anschlag auf die Raumwerft verübt haben, entführt – und das, obwohl das ganze Zentrum von Mitgliedern der Polizeieinheit umgeben ist …

_Meine Meinung_

In „Tabu-Planet“ kommt Schwung in die Geschichte rein, denn das Erzähltempo nimmt im zweiten Band des Parakon-Zyklus schlagartig zu. Nachdem man jetzt mit den einzelnen Charakteren (und vor allem mit ihren Eigenarten) sehr gut vertraut ist, gewinnt die Handlung merklich an Farbe. Sehr gut gelungen ist den beiden Autoren hierbei erneut der Wechsel zwischen den verschiedenen Szenarien. In dem Moment, in dem sich die Ereignisse auf der |Titan| überschlagen, schwenkt man zur Asteroidenwerft herüber, und umgekehrt läuft’s ähnlich. Das verleiht der Angelegenheit natürlich eine Menge Spannung, und zudem schadet es der Story in diesem Falle definitiv nicht, weil sich die gegenseitig aufeinander aufbauende Spannungskurve immer mehr steigert und die Storyline nie aus dem Ruder zu laufen droht.

Darüber hinaus werden die verschiedenen Schauplätze weiter ausgbaut. Nachdem die |Viana| und die |Titan| getrennt werden, entwickeln sich hier weitere parallel ablaufende Stränge, in denen sich eine Menge ereignet. Aber auch durch die Konflikte mit der Space-Police, die Diskussionen zwischen Amos Carter und Thomas Chaivelli über die Sicherheit des CRC-Bosses und das seltsame Verhör mit zwei Personen, die bei den Anschlägen aktiv beteiligt waren, wird der Rahmen, in dem sich die Geaschichte bewegt, ein ganzes Stück weiter ausgebaut und eröffnet zugleich neue Rätsel, die es in den Folgebänden zu lösen gilt.

Zusätzlich zu alldem gehen die beiden Autoren hier auch noch genauer auf die verschiedenen Charaktere ein, die allesamt über eine ganz besondere Eigenschaft zu verfügen scheinen, nämlich über einen verdammten Dickkopf. Seien es nun die Crew-Mitglieder der |Titan|, die Verantwortlichen bei der CRC, die Mitglieder der Space-Police oder aber zum Schluss die Bewohner des von der |Titan| entdeckten fremden Planeten. Das verleiht der Sache zusätzlich ein wenig Humor, der zwischendurch auch immer mal wieder willkommen ist.

Alles in allem ist „Tabu-Planet“ somit nicht nur die logische und erneut schlüssig umgesetzte Fortsetzung von „Spur ins Parakon“, sondern gleichzeitig eine ziemlich drastische Steigerung gegenüber dem Vorgänger, die sich schließlich in fast allen Punkten deutlich zeigt. Spätestens jetzt ist der letzte Funken Skepsis bezüglich dieser Serie verflogen, nachdem ich anfangs noch befürchtet hatte, dass „Titan“ lediglich ein Abklatsch von „Perry Rhodan“ sein könnte. Genau das trifft nämlich ganz bestimmt nicht zu!

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Rolf Giesen/Manfred Hobsch – Hitlerjunge Quex, Jud Süss und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches

Böser Anfang ist schwer

Die nationalsozialistische „Machtergreifung“ zielte 1933/34 nicht nur auf Politik und Wirtschaft. Wie alle Bereiche des deutschen Lebens wurde auch die Kultur in den Dienst der „Partei“ gestellt. Der Film stellte keine Ausnahme dar. Im Gegenteil: Propagandaminister Joseph Goebbels besaß ein außerordentliches Faible für das Kino. Das betraf nicht nur seine Vorliebe für hübsche Nachwuchsschauspielerinnen. (Seine spezielle Fürsorge verschaffte ihm den Spitznamen „Bock von Babelsberg“.) Für Goebbels war das Kino ein Instrument: Spielerisch und unaufdringlich sollte die nationalsozialistische Botschaft den deutschen Zuschauern eingeträufelt werden.

Geprobt wurde dies schon in den letzten Jahren der Weimarer Republik, sodass pünktlich zu Hitlers Machtübernahme die ersten Filme eines ‚neuen‘ Deutschlands gestartet werden konnten. Sie demonstrierten freilich, wie richtig Goebbels lag, als er darauf drang, die Propaganda stets der Unterhaltung unterzuordnen. „Hans Westmar – Einer von vielen“ oder „SA-Mann Brand“ boten pathetische Massenszenen und braune Aufmärsche in einer dürftigen Spielhandlung und wurden keine Erfolge, denn der deutsche Kinobesucher lehnte Holzhammer-Propaganda ab. Rolf Giesen/Manfred Hobsch – Hitlerjunge Quex, Jud Süss und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches weiterlesen

Robin Hobb – Der weiße Prophet (Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher III)

Band 1: Der lohfarbene Mann
Band 2: Der goldene Narr
außerdem: Der Adept des Assassinen (Die Legende vom Weitseher 1)
und ergänzend: Der Ring der Händler

Prinz Pflichtgetreu hat es nicht gerade leicht. Als einzigem Erben des Weitseher-Throns ist es an ihm, den Frieden zwischen den Sechs Herzogtümern und den Äußeren Inseln der als Piraten gefürchteten Outislander zu schließen. Zumal es noch nicht lange her ist, dass man mit diesen in einen brutalen Krieg verwickelt war, der seinen Vater König Veritas das Leben gekostet hat.

Robin Hobb – Der weiße Prophet (Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher III) weiterlesen

Carl Bowen, Rick Jones, James Kiley, Matthew McFarland, Adam Tinworh – Werwolf: Paria

Das Paradies ist verloren – vernichtet von unserer eigenen Hand, zerrissen von unseren eigenen Klauen und Zähnen. Wegen dieses Verbrechens sind wir PARIAS.

Heute lauern wir inmitten der menschlichen Herde. Wir sind Wölfe im Schafspelz und unsere Sinne führen uns zu unserer Beute.

Unsere eigenen Geschwister wenden sich gegen uns, und Geschöpfe aus dem Schatten der Erde setzen uns nach. Unser Blut kocht vor Wut, wenn die Zeit des Vollmonds näher rückt.

Du, der du uns jagen willst, sei gewarnt: Wir werden den Spieß umdrehen, und du wirst erkennen, dass du nicht der Jäger, sondern unsere Beute bist.
(Auszug aus dem Quellenband)

_1. Über die Werwölfe_

Carl Bowen, Rick Jones, James Kiley, Matthew McFarland, Adam Tinworh – Werwolf: Paria weiterlesen

Holt, Anne – Was niemals geschah

Man könnte ja manchmal denken, diese ganzen Erfolgsautoren seien alle in den letzten zwei, drei Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen, doch das stimmt natürlich nicht. Die ersten Krimis von Anne Holt sind schon Mitte der Neunziger bei |btb| erschienen, allerdings galt die norwegische Ex-Justizministerin damals noch als Geheimtipp. Inzwischen hat die lesbische Kommissarin Hanne Wilhelmsen sieben Fälle gelöst und sich damit eine beträchtliche Fangemeinde erobert.

Die zweite Krimiserie von Anne Holt dreht sich um den Kommissar Yngvar Stubø und seine Frau, die Profilerin Inger Johanne Vik. „In kalter Absicht“ haben sie ihren ersten Fall miteinander gelöst, „Was niemals geschah“ ist der zweite Fall mit diesem ungewöhnlichen Doppel.

_Eine Mordserie, die sich zu wiederholen scheint_

Stubø ist gerade im Vaterschaftsurlaub, Inger Johanne noch im Mutterschutz. Eigentlich wollen beide mit dem Fall nichts zu tun haben, den Stubøs Kollegen recht schnell an ihn herantragen. Doch die Neugier siegt und schließlich auch die Zeit, die verrinnt, bis Stubø wieder seinen Dienst antreten muss und der Fall noch immer mehr Fragen aufwirft als dass irgendwelchen Spuren nachgegangen werden könnte.

Mehr noch, bei dem Mörder scheint es sich um einen Serientäter zu handeln, der sich auf prominente Opfer spezialisiert hat, eine Mordserie, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Stets hinterlässt der Mörder eine Botschaft des Schreckens: Da wird der beliebten Fernsehmoderatorin die Zunge herausgetrennt und mit einem Skalpell gespalten. Sie sollte wohl ganz offenkundig posthum als Lügnerin enttarnt werden. Da wird eine aufstrebende rechtspopulistische Politikerin in kompromittierender Stellung mit dem Koran zwischen den Beinen aufgefunden. Ein religiöser Fanatiker also?

Nachdem Stubo und seine Kollegen eine Weile im Dunkeln tappen, findet die eigentlich nicht direkt an den Ermittlungen beteiligte Psychologin Inger Johanne eine entscheidende Spur – in ihrer eigenen beruflichen Vergangenheit beim FBI, über die sie bisher auch Yngvar gegenüber ein großes Geheimnis gemacht hat. Es scheint, als hätte es diese Mordserie schon einmal gegeben – kann es Zufall sein?

_Anne Holt at her best!_

Mehr sollte man auf keinen Fall verraten, um nicht die vielen überraschenden Wendungen vorwegzunehmen, die dieser Krimi in sich birgt. Wenn man erst mal angefangen hat, ist es unmöglich, ihn aus der Hand zu legen, und nebst atemberaubender Spannung schreibt die Autorin auf erfreulich hohem Niveau.

Der Fall ist außergewöhnlich und recht „konstruiert“, denn der Mörder inszeniert diese Morde ja förmlich, dazu noch ermordet er Menschen, die ohnehin im Rampenlicht stehen. Dennoch bleibt der Fall bis zum Ende schlüssig. Und das Ende selbst ist so klasse, dass man sich eigentlich gar keine Fortsetzung wünschen würde, allerdings muss ich zugeben, dass mich die beiden sympathischen Anti-Helden glatt zu einer Serienleserin machen könnten.

Die Eheleute Vik und Stubø haben kein einfaches Leben miteinander. Sie haben ihre Macken und ihre Vorgeschichte, was sie glaubwürdig und menschlich macht. Beide schleppen regelrechte Traumata aus ihrer Vergangenheit mit sich herum, doch während Stubø im Familienalltag langsam wieder Fuß fasst, fühlt sich Inger Johanne durch ihre etwas schwierige Tochter Kristiane und den Säugling stark belastet. Die beiden streiten, diskutieren, wälzen Probleme – vielleicht manchmal zu häufig? Das habe ich mich manchmal bei der Lektüre gefragt, doch im Nachhinein passt das alles ganz wunderbar zusammen.

Schön ist außerdem, dass die beiden absolut Hand in Hand arbeiten und einander ebenbürtig sind. Obwohl Inger Johanne eher eine „Nebenermittlerin“ ist, hat man nie den Eindruck, sie sei „nur“ Hausfrau und Hobbydetektivin, sondern von ihr kommen im Gegenteil die entscheidenden Impulse.

Der Fall wird hauptsächlich aus der Perspektive von Yngvar und Inger Johanne geschildert, teils aber auch aus der Sicht der anderen beteiligten Personen. Nicht immer finde ich eine solche Erzählweise gelungen, hier ist das ausgewogen und äußerst spannungsfördernd.

Im Gegensatz zu manchen anderen Autoren, die sich doch recht oft wiederholen, sobald sie „in Serie gehen“, wird Anne Holt besser und besser.

_Fazit:_ Einer der besten psychologischen Krimis seit langem – mit interessanter Handlung, glaubwürdigen Charakteren und überraschenden Wendungen. Wird wahrscheinlich eine vielversprechende neue Krimiserie.

_Anne Holt_ wurde 1958 geboren und wuchs in Norwegen und den USA auf. Sie ist mit einer Frau verheiratet, hat eine kleine Tochter und sich nach ihrer politischen und juristischen Karriere ganz aufs Schreiben verlegt. Wenn ich richtig gezählt habe, sind derzeit neun Krimis von ihr lieferbar. Zudem hat Holt noch einen lesbischen Liebesroman geschrieben mit dem Titel „Mea Culpa“.

http://www.piper-verlag.de

François Marcela Froideval & Cyril Pontet – Von Winden, Jade und Kohle (Die Chroniken des schwarzen Mondes, Band 7)

Band 1: Das Zeichen der Schatten
Band 2: Der Flug des Drachen
Band 3: Das Zeichen der Dämonen
Band 4: Die Stunde der Schlange
Band 5: Scharlachroter Tanz
Band 6: Die Krone des Schattens

Als Baron von Moork und Horkher ist Wismerhill endgültig an der Spitze der Macht angekommen, möchte seinen Status allerdings noch weiter ausbauen. Sein Bestreben nach mehr Macht und Reichtum erfüllt er sich schließlich, nachdem er im Palast des Methraton eine Audienz hatte, in der er sich einen neuen mächtigen Verbündeten hat machen können. Nach einigen Zweifeln nimmt er auch die Prüfung zum Priester des schwarzen Mondes an und darf sich nach harter Ausbildung mit diesem Titel schmücken.

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Hesse, Sheree – Lecker, lecker Metalküche

Die Frage, was die Veranstalter des Wacken Open-Airs so treiben, wenn nicht gerade das berühmte Musik-Festival traditionell am ersten August-Wochenende in der beschaulichen schleswig-holsteinischen Provinz stattfindet, dürfte jetzt teilweise beantwortet sein: Sie kochen! Zumindest Sheree Hesse tut dies offensichtlich gerne. Und was liegt da näher, als ein Kochbuch zu schreiben, dieses mit einer ordentlichen (!) Prise Humor zu würzen und dann auch noch ein paar Urgesteine aus der Metal-Szene (u.a. Tom Angelripper von SODOM und Biff Byford von SAXON) zur Vorstellung ihrer Lieblingsrezepte zu bewegen? Eben!

„Lecker, lecker Metalküche“ heißt das Werk und ist unterteilt in die Kapitel ‚Suppen‘, ‚Vorspeisen‘, ‚Hauptgerichte‘, ‚Desserts‘, ‚Drinks‘, ‚Snacks‘ und ‚On Tour‘. Die Bandbreite bzw. der Schwierigkeitsgrad der Gerichte reicht von kinderleicht bis durchaus herausfordernd für Kochmuffel. Mit anderen Worten wird jeder Hobby-Koch seine Freude an und keine Probleme mit den Rezepten haben, auch wenn die Zubereitung der einzelnen Speisen meist sehr knapp, aber dennoch präzise geschildert wird. Für alle, die lieber multimedial ihre Lieblingsrezepte recherchieren, befindet sich quasi als Bonus der Inhalt des Buches noch mal in digitaler Form auf einer beigelegten CD-ROM. Lässt man die nicht allzu ernst gemeinten „Köstlichkeiten“ wie ‚Prärie-Austern (Lammhoden)‘, ‚Spülmaschinenlachs‘ oder ‚Kuheuter‘ weg, dann bleibt trotzdem eine Vielzahl von Leckereien übrig, die geradezu danach schreien, nachgekocht oder zubereitet zu werden. Seien es die ‚Abgehackten Finger‘ aus Würstchen, Ketchup und Mandeln (!), um die Schwiegermuter zu schocken, oder die ‚3-farbige Paprikasuppe‘ mit der man(n) sicherlich mächtig Eindruck bei der Dame seiner Träume machen kann.

Das optisch sehr ansprechend aufgemachte Buch verfügt über zahlreiche teils schwarz-weiße, teils farbige Bilder der jeweiligen Gerichte oder Getränke. Einige der nicht farbigen Bilder sind zwar etwas undeutlich, aber das ist auch der einzige Kritikpunkt an diesem sehr unterhaltsamen und vor allem sehr nützlichen Buch. Die Sprache ist vergleichsweise authentisch und passt hervorragend zum teils morbiden Charme mancher „Gerichte“. Mal deftig (‚Würstchen Cordon Bleu‘ oder ‚Überfahrener Blechhase‘), mal gesund (‚Feldsalat mit Trauben und Nüssen‘ oder ‚Grün-roter Salat mit Blauschimmel‘), mal süß (‚Mousse au Nutella‘ oder ‚Schaumkusstorte‘), mal hochprozentig (‚Krötenrotze‘ oder ‚Gummibärchen-Bowle‘) oder auch mal wahrlich innovativ (‚Kaffeemaschinen-Ei‘), dieses Kochbuch ist unterhaltsame Lektüre, praktischer Ratgeber und Kult-Objekt in einem. Egal, ob als Abwechslung und Bereicherung für die heimische Küche, als „schockierender“ Party-Gag oder als Ausdruck eines Lebensgefühls, „Lecker, lecker Metalküche“ ist eine runde Sache, die einfach Spaß macht. Und definitiv satt …!

Und für alle Freunde der alternativen Küche sei noch erwähnt, dass an Band zwei bereits mit Hochdruck gearbeitet wird. Die Zeit zwischen den Wacken-Festivals ist schließlich sowieso viel zu lang … und der Hunger natürlich groß! Auch wenn der Bezug zum Heavy Metal nicht immer ersichtlich ist – aber mit ein wenig Phantasie und Humor geht das natürlich ohne Probleme –, macht es schon Sinn, wenn ausgewachsene Rocker auch ordentlich essen und trinken, oder?

Ach ja, da wieder Weihnachten vor der Tür steht, mag für den einen oder anderen die lästige Grübelei, was denn dem Headbanger von nebenan zu schenken ist, erspart bleiben und man hat jetzt eine sinnvolle und vor allem dezibelarme Alternative. Das Buch gibt es in jeder Buchhandlung oder direkt beim [Oidium-Verlag]http://www.oidium-verlag.de zum Preis von 12 Euro.

Ich werde jetzt erst mal die ‚Krötenrotze‘ ausprobieren …

Andreas Brandhorst – Der Zeitkrieg (Kantaki 3)

Mit dem „Zeitkrieg“ legt Brandhorst den Abschluss seiner dreibändigen Kantaki-Saga vor. Es gilt, offene Handlungsstränge zu beenden und zusammenzuführen und dabei noch eine dem hohen Anspruch der Vorgängerromane gerechte Handlung zu entwickeln. Eines kann man bereits vorwegnehmen: Eigenständig lesbar ist dieser Roman kaum, da die Motivation der Protagonisten bereits zwei Bücher lang Platz und Zeit hatte, zu wachsen und mit Leben gefüllt zu werden.

Andreas Brandhorst ist einigen Lesern von SF-Serien vielleicht ein Begriff durch seine langjährige Tätigkeit als Übersetzer von StarWars- und Terry-Pratchet-Romanen. Als Autor ist er seit seinem Antritt mit dem Kantaki-Universum erneut im Blickfeld. Sein Beitrag zum Perry-Rhodan-Taschenbuch-Zyklus „Lemuria“ (in sechs Bänden bei Heyne) gilt als Höhepunkt der Serie. Brandhorst lebt und arbeitet in Italien.

Einstieg in den Kantaki-Zyklus

Die Menschheit ist abhängig von der überlichtschnellen Raumfahrt der Kantaki. Diese Wesen haben den Glauben an eine transzendente Entwicklung des Universums, den sie über alles andere stellen. Dieser Glaube umfasst das absolute Verbot von Zeitmanipulationen. Einfach gesagt, sehen die Kantaki in sich so etwas wie Zeitwächter. Verstößt ein Volk gegen ihren Kodex, bestrafen sie es mit Isolation.

Vor einigen Generationen kam es zum ersten Zeitkrieg, bei dem die sogenannten Temporalen besiegt und in die zeitlose Zone, das Null, verbannt werden konnten. Sie arbeiten seither an einer Möglichkeit, auszubrechen und erneut mittels Zeitmanipulationen gegen die Realität vorzugehen.

Schlüssel sind zwei Menschen: Diamant und Valdorian. Diamant ist Pilotin eines Kantaki-Schiffes und steht damit außerhalb der Zeitlinie, Valdorian ist Wirtschaftsmagnat und Führer der größten menschlichen Macht in der Milchstraße. Der Konflikt zwischen diesen beiden Menschen verhilft den Temporalen zum Ende des zweiten Romans „Der Metamorph“ zum Ausbruch aus dem Null.

Der Zeitkrieg

Er tobt jetzt seit subjektiven 15.000 Jahren, der Widerstand (vor allem unterstützt durch Kantaki, ihre Piloten und befreundete Völker, die durch sie außerhalb der Zeitlinien stehen) ist kurz vor dem Zusammenbruch. Durch ihre Manipulationen entwickelten die Temporalen einen |Ozean der Zeit|, in dem es von verschiedensten Zeitlinien nur so wimmelt. Sie versuchen, den großen, endgültigen Kollaps der Realität herbeizuführen.

Valdorian entkommt seiner Gefangenschaft. Er soll nun benutzt werden, um die Rebellenstützpunkte aufzuspüren und den Sieg endgültig zu machen. Diamant stößt in mehreren Teilen zu den Rebellen. Ihr realstes Ich findet die eine Zeitlinie, in der der Ursprung aller Manipulationen stattfand und von den Temporalen mit allen Mitteln gegen die Korrektur durch die Rebellen geschützt wird. Ein Eingriff zum richtigen Zeitpunkt würde den Krieg ungeschehen machen und die Gefahr für das Universum bannen, aber die Entscheidung darüber bleibt ihr verwehrt. Es ist Valdorian, der den Schlüssel trägt, aber gleichzeitig kommt mit ihm auch die größte Gefahr …

Kaleidoskop

Zeit ist nicht völlig erfassbar. Die Thematik des Romans bringt es aber mit sich, dass die Zeit in ihren unmöglichsten Ausformungen eine tragende Rolle spielt. Brandhorst löst das Problem, indem er die Zeitlinien visualisiert: Im Ozean der Zeit wimmelt es von bunten Fäden, die alle eine eigene Zeitlinie darstellen, innerhalb der die Geschichte andere Wege geht als in den anderen. Die realste Zeitlinie, die ursprüngliche Linie, ist braun, dicht bei ihr liegende Linien sind blau oder violett. Die braune Linie liegt verborgen inmitten dieses zeitlichen Kaleidoskops, dort ist der Ausgangspunkt aller Manipulation.

Der Roman wird allen Ansprüchen und Erwartungen gerecht: Er ist äußerst komplex in seiner Handlung und im Thema, entwickelt dabei die Protagonisten weiter und führt ihre Konflikte zu Höhe- und Wendepunkten. Valdorian, dessen weltlicher Handlungspart in „Diamant“ zwar bereits einen Hauptteil ausmachte aber hinter der Faszination der transzendenten Welt der Kantaki zurückblieb, tritt immer stärker in den Mittelpunkt und erweist sich als Schlüsselfigur. Das Dilemma für die „gute“ Seite: Valdorian war ein arroganter und egozentrischer Mensch, der auch vor Morden nicht zurückschreckte.

Zeitweise gelingt Brandhorst die absolute Verwirrung. Da handeln die Ichs verschiedener Zeitlinien auf ein Ziel zu, bis man ihre temporale Herkunft in dem Durcheinander verloren hat. Das wird irgendwann wieder aufgedröselt, man meint zumindest zu erkennen, wer jetzt der Richtige ist und wer erst durch die Manipulationen existent geworden ist.

Kritisiert wurde in den beiden ersten Romanen „Diamant“ und „Der Metamorph“ oft, dass die Welt polarisiert ist. In den Konflikten Valdorians vor allem zum Ende des „Metamorph“s hin entwickelte sich bereits ein Ansatz für Grauzonen; im „Zeitkrieg“ erhalten schließlich alle Beteiligten ihren Hintergrund. Sogar die Temporalen, anscheinend die „Bösen“ der Trilogie, werden auf ihren Antrieb untersucht. Vor allem in diesem Zusammenhang bringt Brandhorst berührende und kosmische Erkenntnisse ans Licht. Die Transzendenz der kantakischen Philosophie erlangt etwas mehr Realität, aber sogar die Handlungen hoch überlegener Wesenheiten sind keinesfalls schwarz-weiß gemalt. Ihre Motivationen sind für uns schwer verständlich; Brandhorst gelingt eine vereinfachte Darstellung, indem sich diese unverständlichen Beweggründe als eine Art gefährlichen Spieltriebs zeigen.

Was sich für den Leser etwas schwieriger gestaltet, ist die Entwicklung Valdorians. Er ist der Schlüssel, aber um im positiven Sinn seine Wirkung zu haben, bedarf es einer menschlichen Wesensänderung. Um die Möglichkeit, die ihm eingeräumt wird, auch in unserem Verständnis richtig zu nutzen, musste Brandhorst alle Künste der Charakterentwicklung aufbieten.

Fazit

„Der Zeitkrieg“ wird allen Erwartungen gerecht, obwohl es an einigen wenigen Stellen den Anschein machte, als müssten unbedingt begonnene Fäden zur Lösung einbezogen und zu Ende gesponnen werden, so dass ein paar Handlungsaspekte durchaus vorhersehbar waren. Trotzdem ist der Roman eine sehr unterhaltsame, spannende und erhebende Leseerfahrung. Leider bleibt direkt nach dem Ende ein etwas schales Gefühl zurück: Ein Kreis ist geschlossen, Ursache und Wirkung heben sich auf, die Protagonisten stehen am Anfang vor einer unbekannten Zukunft. Und gewiss ist, dass man nicht alle Unbilden der Zukunft aus dem Weg räumen kann. Probleme finden immer eine Lücke.
Insgesamt eine umfassende, ausgefeilte, gefährliche und spannende Zukunftsvision, die ihre Beachtung verdient.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)


 

Tilman Röhrig – Die Ballade vom Fetzer

Mathias Weber war das, was man heute wohl unter dem Begriff ‚mieses Schwein‘ einsortieren würde. Zu Lebzeiten war er im Rheingebiet einer der gefürchtetsten Räuber, der vor keiner Brutalität zurückschreckte, um an sein Ziel zu gelangen.
Tilman Röhrig fasziniert die Geschichte des Mannes, der sich damals schnell den Beinamen ‚Fetzer‘ einhandelte, von jeher so sehr, dass er irgendwann beschloss, das kurze Leben des Mathias Weber bzw. den Lebensabschnitt, in dem er vom Tagedieb zum Anführer einer Räuberbande wurde, in einem Buch aufzurollen und den in Vergessenheit geratenen ‚Fetzer‘ der heutigen Generation vorzustellen. Die Arbeit des Autors stellte sich dabei als äußerst schwierig und langwierig vor. Nach intensiver Recherche, die fast schon aussichtslos erschien, fand er unter dem Namen ‚Schinderhannes‘ schließlich erste Informationen zu Weber, die er später in einem 61-seitigen Bericht näher intensivieren konnte. Eine halbe Ewigkeit hat Röhrig schließlich damit verbracht, Daten zu sortieren, Informationen zu bündeln, Einzelheiten im Detail zu erforschen und das Leben einer Person, die gerade mal 25 Jahre alt geworden war, lückenlos darzustellen – was ihm schließlich auch hervorragend gelungen ist!

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