Shocker, Dan – Dämonenaugen (Larry Brent 02)

Band 1: [„Das Grauen“ 2164

_Im Kabinett des Grauens_

Larry Brent und Iwan Kunaritschew befinden sich auf dem Rückflug nach New York, als plötzlich die Maschine von einem Unbekannten entführt und die Piloten zur Rückkehr gezwungen werden. Nachdem die Maschine nahe London auf einer Straße notgelandet ist, versucht der Kidnapper mit dem Co-Piloten als Geisel zu entkommen. Larry Brent greift ein, kann aber nicht verhindern, dass der Co-Pilot schwer verwundet wird. Auch Iwan wird bei der Verfolgung angeschossen. Larry erfährt von dem schwer verletzten Co-Piloten Colin Perkins, dass er von Derry Cromfield niedergeschossen wurde, einem Verbrecher, der von Colins Großvater Sir Harold vor zwanzig Jahren hingerichtet wurde.

Während Colin Perkins und Iwan Kunaritschew gemeinsam in ein nahe gelegenes Krankenhaus eingeliefert werden, beschließt Larry an dem mysteriösen Fall dranzubleiben. Larry besucht am nächsten Tag Sir Harold auf dessen Wohnsitz in der Nähe der Millionenstadt und erfährt von ihm, dass seine Enkelin Jane ihn bald besuchen kommen will. Larry entschließt sich, zusammen mit dem ehemaligen Henker auf dem Bahnhof die Ankunft der jungen Frau zu erwarten. Tatsächlich lässt sich der Mörder die Gelegenheit nicht entgehen, Jane zu ermorden. Aber ein engagierter Detektiv und der PSA-Agent können die Bluttat im letzten Moment vereiteln. Larry gelingt zudem ein Treffer aus der Laserwaffe, woraufhin sich ihm ein grauenhaftes Geheimnis offenbart: Der Mörder ist eine lebendige Wachsfigur, nahezu unbesiegbar …

_Der Dämon mit den Totenaugen_

David Gallun alias X-Ray-1 und Chef der PSA hat einen Hinweis bekommen, dass sich Ron Silker wieder in der Stadt befindet. Silker war vor drei Jahren für den Unfall Galluns verantwortlich, der den ehemaligen FBI-Beamten das Augenlicht kostete. Silker will sich der geheimnisvollen Verbrecherorganisation von „M“ anschließen. M beabsichtigt, sämtliche Agenten des FBI und der CIA auszulöschen. 17 Agenten gehen bereits auf das Konto der unheimlichen Mörder, die sich alle mit totenkopfähnlichen, fluoreszierenden Masken tarnen. Da die Bande mit neuesten Errungenschaften der Technik ausgestattet und hervorragend organisiert ist, setzt David Gallun alle verfügbaren PSA-Agenten auf den Fall an. Doch nur einer schafft es scheinbar, sich an die Fersen von „M“ und seinen „Totenköpfen“ zu heften: PSA-Agent Larry Brent alias X-Ray-3. Aber die Bande dreht den Spieß um und Larry wird zum Gejagten …

Die erste Geschichte schließt nahtlos an das zweite Abenteuer Larry Brents an und präsentiert in rasanter Satzfolge einen geradezu klassischen Gruselkrimi. Die Idee der lebenden Wachsfiguren war ja schon immer ein beliebtes Thema des Genres, und der Hauch des Ungewissen, ob nicht doch Leben in diesen realistisch modellierten Gesellen steckt, fasziniert immer noch Millionen von Menschen. Dass die Thematik noch lange nicht zum alten Eisen gehört, beweist der Film „House of Wax“, welcher im vergangen Jahr das Horror-Genre bereicherte. Im Bereich des Horror-Heftromans war Dan Shocker wohl der Erste, der diese Spielart in einem Roman verarbeitet hat, und das in seinem unnachahmlich atmosphärischen Erzählstil.

Die Lösung ist hierbei nicht gar so einfach, wie man vermuten mag, und als Leser ist man vom Anfang bis zum Ende hin gefangen von dieser unheimlichen Szenerie. Dabei verwendet der Autor wieder einmal klassische Begebenheiten und Schauplätze, die seit jeher für ein angenehmes Gruselambiente sorgen: ein nebelverhangenes London mitten im November, ein düsterer Friedhof, ein englisches Herrenhaus und ein altes Wachsfigurenkabinett. In einer kleinen Nebenhandlung geht der Autor auch auf allzu eifrige Journalisten ein, die für eine gute Story einfach alles tun und sogar den Tod eines Menschen in Kauf nehmen würden, um die Auflage in die Höhe schnellen zu lassen. Hier kommt Nostalgie pur auf und trotz seines Alters ist dieser Roman immer noch empfehlenswert und hat nichts von seinem Charme eingebüßt.

In der zweiten Story greift der PSA-Chef David Gallun zum ersten Mal persönlich ins Geschehen ein, und mit dem Auftreten des Verbrechers Ron Silker legt der Autor bereits den Grundstein für den gefährlichsten Feind, den die PSA je erhalten wird: Dr. Satanas. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg und selbst Dan Shocker wird zu dem Zeitpunkt, als er diesen Roman schrieb, noch nicht in eine so ferne Zukunft geschaut haben.

So gruselig der Titel auch klingen mag, so wenig folgt die Story den gängigen Horror-Klischees, denn der „Dämon“ ist keineswegs ein hässliches Monstrum aus den tiefsten Gefilden der Hölle. Die Bezeichnung gilt vielmehr der Maskierung der Banditen und orientiert sich einmal mehr in die Richtung der Bösewichter, wie sie auch Edgar Wallace ins Leben rief. Die Totenaugen spielen allerdings eine wirklich frappierende Rolle, denn dem Anführer des Syndikats „M“ ist es tatsächlich möglich, durch einen suggestiven Blick das Herz seines Opfers stehen bleiben zu lassen. Zudem bekommt es Larry hier mit LSD, Gaspistolen und hochexplosiven Nitroglycerin-Folien zu tun. Hier zeigt sich wieder, wie vielseitig der Autor seine Themen ausgewählt hat, denn vom Genre her kann man diese Geschichte eher im Bereich Spionage, Krimi oder Thriller einordnen als in die Kategorien Grusel oder Horror – obwohl eine sehr beklemmende Szene darstellt, wie ein Verbrecher, der die Organisation verlassen will, lebendig begraben wird.

Als ein wenig fahrlässig ist die Aktion von David Gallun zu bewerten. Als Chef eines so hoch entwickelten Geheimdienstes wie der PSA selbst einzugreifen, noch dazu mit einer nicht unerheblichen Behinderung, nämlich Blindheit, ist mehr als brisant. Immerhin kennt niemand der Agenten den Boss persönlich, und wenn dieser dennoch Tag und Nacht für seine Agenten erreichbar sein will, kann er nicht so ohne weiteres auf eigene Faust ermitteln und sich in Gefahr begeben. Wie gut, dass keiner der im Einsatz befindlichen Agenten Kontakt zur Zentrale aufgenommen hat, während David Gallun bewusstlos und mehrere Stunden außer Gefecht gesetzt war.

Was die Handlung betrifft, geht es im wahrsten Sinne des Wortes Schlag auf Schlag, so dass man kaum dazu kommt, die Geschehnisse zu verdauen. Die Aushebung des Verbrechernestes durch zwei Agenten nimmt der Gefährlichkeit des Syndikats ein wenig von seiner Glaubwürdigkeit. Mehr gibt es an diesem ansonsten hochspannenden Roman wirklich nicht zu bemängeln, und es ist immer noch eine sehr empfehlenswerte Geschichte.

Die Innenillustrationen sind eine hervorragende Bereicherung der Geschichten und vervollständigen die Aufmachung. Das vielfarbige Cover zeigt das Oberhaupt der „Totenköpfe“ vor der Grabplatte des besten PSA-Agenten. Ein schaurig schönes Cover, welches wieder perfekt zur Story passt und bereits auf dem Originalroman der eigenständigen Heftromanserie zu bewundern war. Weder das Titelbild noch die Geschichten haben im Laufe der Zeit an Spannung eingebüßt und bieten immer noch hervorragende Unterhaltung für lange Winterabende.

http://www.blitz-verlag.de/

_Florian Hilleberg_

Bischoff, David – Aliens versus Predator 2: Planet der Jäger

|Die Yautja jagen wieder. Doch diesmal müssen die galaktischen Großwildjäger – man nennt sie auch Predatoren – überrascht feststellen, dass die Aliens nicht mehr ganz so einfach zu besiegen sind wie früher. Auf dem „Planet der Jäger“ verhilft ein geldgieriger Geschäftsmann den Hartfleischern zu einem unfairen Wettbewerbsvorteil …|

_von Bernd Perplies
mit freundlicher Unterstützung unseres Partnermagazins http://www.ringbote.de/ _

Machiko Noguchi, die ehemalige Konzernaufseherin des Kolonieplaneten Ryushi, auf dem es nach dem Crash eines Predator-Ritualjagd-Schiffes zu einem Ausbruch von Aliens kam, der die friedliche Farmerkommune in einen Hexenkessel verwandelt hatte, hockt auf dem öden Bergbauplaneten Alistar Drei und langweilt sich zu Tode. Noch vor Monaten war sie eine gefürchtete Kriegerin gewesen, die mit den wildesten Killern der Galaxis, den Yautja, Jagd auf Aliens machte, doch nach ihrer Rückkehr in die menschliche Zivilisation – ein Schritt, der irgendwann unvermeidlich wurde – scheint der Konzern sie einfach nur abgeschoben zu haben.

Da kommt ihr das Angebot von Livermore Evanston wie gerufen. Der gewiefte Geschäftsmann hat fernab der Einflussphäre des Konzerns sein eigenes Paradies verwirklicht: eine perfekte Welt für jagdbegeisterte Touristen mit genmanipulierten Kreaturen für Abenteuerausflüge am Tage und allem Hotelkomfort für die After-Hunt-Party am Abend. Doch seit kurzem treiben sich Fremde auf seiner Welt herum – Predatoren – und Noguchi als Spezialistin auf diesem Gebiet soll sich ihrer annehmen. Gemeinsam mit ihrem treuen Androiden Attila fliegt die „Kleine Klinge“ zum Planet der Jäger.

Dort wird ihr eine rauhe Söldnertruppe unterstellt, darunter der großspurige Daniels und der geheimnisvolle Ned Sanchez, und es wird ein Plan ausgearbeitet, der Bedrohung zu begegnen. Je länger Machiko jedoch auf Livermores Freizeitwelt weilt, desto mehr hat sie das Gefühl, das noch etwas anderes überhaupt nicht stimmt. Warum zum Beispiel existieren diese gesperrten Bereiche der Genlabore, wenn doch Geschöpfe wie ein Tyrannosaurus im offenen Teil der Anlage gezüchtet werden? Was weiß ihr Auftraggeber wirklich über Aliens und Predatoren? Und warum besitzt er eine ganze verborgene Bibliothek über Militärfeldzüge? Als schließlich die ganze Wahrheit ans Licht kommt, muss Noguchi entscheiden, auf wessen Seite sie sich zum Wohl der ganzen Menschheit stellen will.

David Bischoff ist genau der Mann, den man in einer „AvP“-Romanreihe als Autor erwarten würde. Genau wie die Perrys ist er ein Genre-Schreiber durch und durch, hat für „Star Trek“ geschrieben, für „Farscape“, für „Sea Quest“ und auch ein „Alien“-Einzelwerk verfasst. Hier schließt er auf 279 Seiten recht nahtlos an [„Beute“ 2131 von Steve und S. D. Perry an, überspringt dabei nur die Zeit, die Noguchi zwischen Ryushi und Alistar Drei bei den Yautja verbracht hat – sicher zum Unwillen manch eingefleischter Predator-Fans. Die Geschichte ist an sich nicht schlecht und baut weniger auf bekannte Standardsituationen auf als der vorangegangene Roman, auch wenn einen natürlich die ruppigen Söldner, der hilfreiche Androide und der windige Konzernmann alle ein bisschen an „Aliens“ von James Cameron erinnern – ist aber ein völlig anderes Setting.

Gerade Attila der Androide bringt ein bisschen Farbe in den Charakterreigen und entwickelt sich zum heimlichen Star der Story, auch wenn seine Vorgehensweise gegen Ende ein bisschen „kopflastig“ ist. 😉 Noguchi ist derweil zur harten Kriegerin gereift (Ripley-Style, nur exotischer), die vor kaum noch etwas Angst hat und den Weichbrötchen um sie herum erstmal zeigt, wie es in der Welt der Yautja so zugeht. Ein bisschen irritierend mag manchem der Wandel von der eher spröden, von Schuld geplagten Konzerndame hin zur gefühlsbetonten, wilden Kriegerin erscheinen, doch ich denke, angesichts des ebenso gewandelten Weltbildes und Selbstverständnisses von Noguchi ist dies durchaus erklärbar. Ganz nett sind die Rückblicke in ihre Zeit mit den Predatoren, die weitere Details über die Gesellschaft und Denkweise der Yautja verraten. Stilistische Experimente, wie die Ich-Perspektive eines Jägers, gibt es diesmal allerdings nicht.

Ein bisschen ärgerlich ist allgemein die Kräfteverteilung der Aliens und Predatoren: die insektoiden Bestien werden fast durch die Bank als zwar gefährliches, aber letztlich doch völlig unterlegenes Wild beschrieben. Selbst in Paul W. S. Andersons Kinofilm kommen die Aliens besser weg. Diese bei aller Betonung der Exotik und der tumben Brutalität doch deutliche Bewunderung der Autoren für die Predatoren stößt mir als altem Alien-Fan ein bisschen auf. Aber gut: Die Gretchenfrage, ob die Aliens oder die Predatoren die cooleren Monster sind, muss jeder Leser für sich selbst entscheiden.

_Fazit:_ Mit „AvP 2: Planet der Jäger“ ist David Bischoff eine ordentliche und durchaus lesbare Fortsetzung von „Beute“ gelungen. Am Anfang zieht sich die Story zwar noch ein wenig, doch im Laufe der Handlung kommt durchaus Schwung auf. Alien-Fans werden ein bisschen enttäuscht sein von der vergleichsweise kleinen Rolle der Xenomorphen in der Geschichte, Predator-Fans hätten sich vielleicht ein paar mehr Details in Bezug auf Vokabular und Ausrüstung der Jäger gewünscht und das Ende ist irgendwie etwas befremdlich. Für Freunde des Franchises ist der Roman trotzdem zu empfehlen. (Es gibt wenig genug davon …)

Meyer, Kai – Schattenesser, Der

Kai Meyer ist in den letzten Jahren als ein sehr eigenwilliger Autor bekannt geworden, der in seinen historischen Romanen immer wieder Phantastisches und Übersinnliches einfügt und so auch mehrere Genres miteinander verbindet. Diesen Ansatz verfolgte der Autor bereits in „Der Schattenesser“, jedoch hat er seinerzeit leider versäumt, das Ganze auch in eine spannende Rahmenhandlung zu integrieren. Meyer bleibt nämlich in „Der Schattenesser“ ziemlich blass und verschiebt die Schwerpunkte zugunsten einer sehr blutigen Erzählung, in welcher der eigentliche Plot viel zu kurz kommt. Auch wenn es sich lediglich um die Neuauflage eines bereits 1996 veröffentlichten Romans handelt, rückt diese Veröffentlichung den Autor aus heutiger Sicht in kein gutes Licht.

_Story_

Die Judenstadt Prag befindet sich mitten im Dreißigjährigen Krieg. Das Heer der Katholischen Liga hat die Stadt besetzt und es herrscht Ausnahmezustand. Plünderer machen die Straßen unsicher, skrupellose Söldner machen sich über das unschuldige Volk her und vor den Stadtmauern wartet der schwarze Tod, die Pest, nur darauf, das Elend innerhalb der Stadmauern mit einem Schlag endgültig zu beseitigen.

Mitten in dieser bedrohlichen Situation befindet sich die junge Sarai, selbst Jüdin, die sich als Junge verkleidet von einer Ecke der Stadt in die andere begibt, um Aufträge für den Alchimisten Cassius zu erledigen. Der alte Magier hat gleichzeitig eine Art Vaterrolle für das Mädchen übernommen, seit ihr richtiger Vater in Selbstmitleid versunken ist und dem Tod seiner Frau hinterhertrauert.

Bei der Ausübung eines weiteren Auftrags im Dienste Cassius‘ begibt sich Sarai in große Gefahr. Zwei Söldner verfolgen sie durch die Hinterhöfe, und erst im letzten Moment kann sie ihnen entkommen. Bei dieser Jagd trifft sie auf eine Gruppe Frauen, die Sarai wegen ihrer seltsamen Verkleidung als Hühnerdamen identifiziert. Fasziniert von dem großen Ei, das sie behüten, nutzt Sarai die Gelegenheit, diesen Schatz zu stehlen und zu Cassius zu bringen. Und damit beginnt eine Geschichte, deren Folgen Sarai lebenslanges Leid zufügen, das sie nie mehr wird besiegen können. Das Mädchen findet seinen Vater auf und sieht sich gezwungen, ihn selbst umzubringen, um seine Schmerzen zu lindern. Dabei fällt ihr auf, dass er keinen Schatten mehr bei sich trägt.

Cassius deutet daraufhin verschiedene Vermutungen an, die dem Verschwinden dieses Schattens zugrunde liegen könnten, doch obwohl er eigentlich mehr weiß, als er behauptet, will er Sarai nicht in das düstere Geheimnis einweihen. Daher macht sich das Mädchen selber auf den Weg, mehr über diese außergewöhnliche Begebenheit zu erfahren und stößt schließlich auf den |mal’ak| Jahve, einen Engel, den der Herr entsandt hat, und der nun auch zur größten Bedrohung für Sarai wird. Der göttliche Schattenesser verfolgt die Jüdin durch ganz Prag und wird zu ihrem Schicksal, dessen einziger Ausweg der Tod zu sein scheint.

Währenddessen hat sich vor den Toren der Stadt eine neue Macht ihren Weg gebahnt: Der friedliche Michal und seine Familie werden auf der Reise nach Prag von ein paar Söldnern überfallen. Während er schwer verletzt überlebt, kommen seine Frau und das gerade erst geborene Kind bei dem Attentat ums Leben. Michal schwört Rache und stößt bei seinem Feldzug auf eine alte Hexe, die dem ehemaligen Familienmenschen die Vorzüge des Kannibalismus näherbringt …

_Meine Meinung_

Es ist schon eine recht seltsame Geschichte, die Kai Meyer hier erschaffen hat. Dabei beginnt zunächst noch alles sehr strukturiert und auch nicht wirklich außergewöhnlich. Die Verfolgungsjagd zu Beginn des Buches lässt auf eine Menge Spannung hoffen, und die Begegnung mit den Hühnerdamen sowie das Auffinden ihres schattenlosen Vaters steigern die Vorfreude auf einen tollen historischen Roman mit vielen phantastischen Inhalten.

Doch leider verliert sich Meyer in diesem Fall recht schnell in einer allzu wirren Story, bei der die einzelnen Szenenwechsel nicht immer besonders günstig gewählt sind. Der Autor wechselt von Kapitel zu Kapitel den Schauplatz und erzählt parallelel die Geschichten von Sarai und Michal, die erst am Ende des Buches zusammengefügt werden, als die beiden aufeinander treffen. Bis dahin sind die Zusammenhänge zwischen den beiden Hauptfiguren des Buches aber völlig unklar, weil Meyer nicht eine einzige Andeutung diesbezüglich macht. Man weiß zwar, dass beide auf irgendeine Weise mit den Hühnerfrauen in Verbindung stehen, doch das war’s dann schon. Natürlich muss dies kein schlechtes Vorzeichen sein, doch die Art und Weise, wie der Autor schließlich die beiden Stränge zu einer Einheit verschmelzen lassen will, wirkt dann doch sehr uninspiriert und wirft am Ende auch noch mehr Fragen auf als zuvor ohnehin schon im Raume standen. In dieser Beziehung ist „Der Schattenesser“ schon einmal eine echte Enttäuschung.

Davon einmal abgesehen, gelingt es Kai Meyer auch nicht annähernd, die vielfältigen Elemente und die teils auch schon bekannten Fantasy-Figuren – unter anderem den Golem – sinnvoll in die Handlung einzubeziehen, so dass es irgendwann vor Spannung zu kribbeln begänne. Das Bisschen an Spannung, das den Leser auf den ersten Seiten schlichtweg überfällt, verschwindet plötzlich im Nichts, und die Erzählung entwickelt sich infolgedessen auch immer mehr zu einer Aufzählung von Fakten und Selbstverständlichkeiten. Überdies schafft Meyer es auch nicht, die einzelnen abstrakten Figuren ihrer Bedeutung entsprechend vorzustellen. Der |mal’ak| Jahve ist hier das beste Beispiel. Seine Herkunft wird zwar noch grob umrissen, doch die Schilderungen bezüglich seiner Bestimmung bzw. seines eigentlichen Charakters sind dann doch sehr unbefriedigend. Gleiches gilt für die Hühnerdamen; man erfährt zwar über das Buch verteilt, wer eigentlich dahinter steckt und was sie (im wahrsten Sinne des Wortes) ausgebrütet haben, doch auch hier gibt sich der Autor damit zufrieden, dem Leser Kapitel für Kapitel die Tatsachen vor den Latz zu knallen, ohne dass dieser sich irgendetwas erarbeiten müsste.

Bisweilen bekommt man den Eindruck, als wäre „Der Schattenesser“ lediglich ein Ventil für einige recht abstrakte, zwischenzeitlich auch abstoßende Phantasien, die in diesem Buche besonders mit der Wandlung des einst so friedlichen Michal in den Vordergrund treten. Die Pest als weiteres Mittel, das ganze Massen dahinrafft, kommt da noch hinzu, verliert aber im Vergleich zu den anderen Gewaltdarstellungen ein wenig an erschreckendem Ausdruck.

Meyer hatte es in der Hand, einen wirklich fesselnden Roman zu schreiben. Alle Mittel standen ihm zur Verfügung: ein gottgesandter Schattenesser, eine vom Krieg gezeichnete Stadt, ein Heer von skrupellosen Eigenbrödlern, der Golem des Rabbi Löw, zwei Hauptfiguren mit sehr starkem Charakter und letztendlich auch noch übersinnliche Schauplätze wie das Schatzhaus der Seelen. Und dennoch hat er in diesem Fall ziemlich daneben gegriffen. In den 400 Seiten dieses Buches passiert so viel, und im Grunde genommen passiert doch gar nichts. Nach einem rasanten Beginn wird die Erzählung radikal ausgebremst und liefert trotz der arg bedrohlichen Atmosphäre keinen weiteren Einstieg mehr, der die Spannung wieder aufnehmen könnte. Die hoch gesteckten Erwartungen wurden mit „Der Schattenesser“ ziemlich enttäuscht, und über das Prädikat „Mittelmaß“ kommt Kai Meyer mit diesem neu aufgelegten Frühwerk daher auch nicht hinaus.

Frank Schenk und die Chaos-Crew – Chaos Magazine Nr. 13

Sie waren die krasseste und verrottetste Grindcore-Band des Planeten: CARCASS, die sich um 1997 herum relativ unvermittelt auflösten. Was die Mitglieder heute machen und welche Hintergründe der Split damals hatte – solche Infos stehen im aktuellen „Chaos Magazine“ Numero 13. Die Macher des Blatts haben nämlich Ken Owen interviewt, den ehemaligen Drummer der britischen Grindcore-Legende. Owen hat 1999 eine schwere Gehirnblutung überlebt und erzählt, wie er sich nach einem langen Koma inzwischen wieder erholt. So ist 2004 mit seiner Unterstützung das CARCASS-Best-of-Album „Choice Cuts“ erschienen. Die Fragen an Owen sind klug gestellt, die Antworten ausführlich – und so erfahren die Fans viel aus seinem Leben nach dem Krankenhaus und über die sicken Geschichten, die CARCASS in ihrer Karriere so erlebten. Das Interview ist auf einer Doppelseite platziert, wegen der kleinen Schriftgröße aber doch ausführlich. Allerdings, und da wird es haarig: Da das Magazin als eigentlich schmucker Schwarz-Weiß-Druck erscheint und deshalb der Untergrund wie etwa bei CARCASS manchmal grau ist, wird darauf die weiße oder schwarze Schrift schnell relativ unleserlich.

Das Layout ist denn auch das generelle Problem dieses ansonsten erstklassigen Fanzines. So geschieht es VOMITORY etwa, dass ihr Doppelseiter quer steht, also quasi das Mag um 90 Grad gedreht werden muss, um die wegen der wiederum miesen Farbgebung sowieso schwer erkennbaren Interviewzeilen lesen zu können. Dafür haben die Zine-Designer erkennbar viel Arbeit in die Auswahl der zum Teil großartigen Fotos gesteckt, zudem ist jede Band mit ihrem großen individuellen Erkennungsschriftzug würdig vertreten. 78 prall gefüllte Seiten warten also auf den Leser – der allerdings schon eine Affinität zu extremen Klängen haben sollte. Besonders für die skandinavische Ecke interessieren sich die Macher des Chaos Magazines – die Bandauswahl mit zum Beispiel DISMEMBER, GRAVE, UNLEASHED, DARK TRANQUILLITY, AMON AMARTH, MAZE OF TORMENT, INCAPACITY oder ONE MAN ARMY AND THE UNDEAD QUARTET (ex-THE CROWN) spricht eine deutliche Sprache. Da bilden die Interviews mit OBITUARY und eben CARCASS fast eine Ausnahme.

Die Texte sind allesamt in interessantem Ton geschrieben, das verwendete Englisch für Leute mit normalen Schulsprachkenntnissen recht einfach verständlich. Cool sind auch die großen Reviewteile, bei denen viele Undergroundveröffentlichungen durchgenommen werden. Die Bewertungen scheinen dabei einen guten Mittelweg zwischen Fan-Euphorie und echter Kritikfähigkeit getroffen zu haben – die schleichende Tendenz mancher Metal-Postillen, auch noch den letzten Dreck hochzuloben, ist beim Chaos Magazine zum Glück noch nicht angekommen. Doch ein Umstand trübt das harmonische Bild: Da bekommt Metal Blade die besonders teure Rückseitenanzeige. Komischerweise sind gleichzeitig die meisten der mit einem Kasten als Sondertipp hervorgehobenen CD-Rezensionen ebenfalls Bands mit Metal-Blade-Vertrag – siehe UNEART, NEAERA, BORN FROM PAIN, CATARACT, FRAGMENTS OF UNBECOMING, PRIMORDIAL, FLESHCRAWL, GOD DETHRONED, CANNIBAL CORPSE und AMON AMARTH. Sieht etwas komisch aus, als wenn Interessen vermischt werden – aber das fällt ja bei vielen Metal-Blättern manchmal auf …

Dennoch, das Chaos Magazine ist lesenswert. Denn im Prinzip geht es hier um profunde Infos für Undergroundfreaks, die auch einmal andere Autoren lesen wollen als ewig nur dieselben Gesichter und Zeilen im RockHard, MetalHammer oder Legacy. Zudem sind dem gut gedruckten Heft noch zwei CDs beigelegt – Ausschnitte der aktuellen Scheiben von ARCH ENEMY und NEVERMORE sowie ein Sampler von MDD Records. Nett. So sind die fünf Euro inklusive Porto und Versand sicher nicht falsch investiert – denn wo Chaos draufsteht, ist ganz viel kreative und in Schrift gepresste Extreme-Metal-Energie drin – trotz kleiner Schwächen.

Das Heft erhaltet ihr unter CHAOS MAGAZINE, c/o Frank Schenk, Wormser Str. 40, 72760 Reutlingen, E-Mail: frank.schenk@schwaben.de .

Borsch, Frank – Lebenskrieger, Die (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 1)

Nach drei erfolgreichen sechsbändigen Taschenbuchzyklen aus dem sogenannten „Perryversum“ bringt der Heyne-Verlag momentan einen dreibändigen Zyklus heraus, der inhaltlich ähnlich umfangreich sein soll wie seine Vorgänger. Als Autoren konnte die Perry-Rhodan-Redaktion den PR-Autor und –Redakteur Frank Borsch, den Autor und Übersetzer Andreas Brandhorst sowie den Autor Marc Hillefeld gewinnen; für Letzteren ist es der erste Ausflug in den Rhodan-Kosmos.

Die Geschichte beschäftigt sich mit dem „Sporenschiff“ PAN-THAU-RA, das erstmals in den 1000er-Bänden der Serie auftauchte. Es handelt sich um ein gigantisches Raumschiff, das von höheren Mächten benutzt wurde, um Lebenssporen im Universum zu „sähen“. Die damals beruhigten außerirdischen Loower sind ebenfalls wieder mit von der Partie.

Wem die „größte Science-Fiction-Serie der Welt“ (gemeint ist die Perry-Rhodan-Serie) kein Begriff ist, der findet im Anhang des vorliegenden Romans einen kurzen einführenden Abriss, allerdings sind die Romane auch gut eigenständig lesbar.

Die Handlungszeit ist dicht an der aktuellen angesiedelt, spielt quasi zwischen dem „Sternenozean“- und dem aktuellen „Terranova“-Zyklus. Borsch spult seine Erzählung dreigeteilt ab: Da ist die Loowerin An-Keyt, einfache Soldatin und Zweidenkerin, mit vielen Millionen Artgenossen und Robotern als „Krieger für das Leben“ dabei, das Sporenschiff zu erobern. Dann der terranische Botschafter auf der Hochschwerkraftwelt Oxtorne, durch den man mehr über die Mentalität der Oxtorner allgemein erfährt (so scheinen Gestalten wie Omar Hawk Ausnahmen zu sein) und dessen Missgeschick ihn auf die Fährte der „Trümmerflotte“ bringt. Seine Geschichte geht in die Erzählung um Perry Rhodan über, als die Trümmerflotte den Schiffen der Oxtornischen Heimatflotte nahe kommt und Rhodan als Terranischer Resident versucht, ihre Identität und Absichten herauszufinden und Übergriffe auf Milchstraßenvölker zu verhindern – was angesichts der anscheinend überlegenen Waffensysteme der Fremden eine große Gefahr darstellt.

Die dritte Ebene ist das Vernehmungsprotokoll eines Eisweltbewohners durch einen terranischen Agenten. Im Verlauf dieser Vernehmung erzählt der Junge Yun von der Welt Snowflake über die Geschehnisse, die sich unmittelbar vor der Vernichtung des Planeten durch die Trümmerflotte ereigneten und möglicherweise eine Beziehung zu den Fremden herstellen.

Es ist klar, dass noch einiges an Erzählung nötig ist, um die Geschichte befriedigend zu entwickeln. Borsch spinnt aus den verschiedenen Ebenen nach und nach ein spannendes, zusammenhängendes Netz, in dem die Geschichte über die hervorragenden Charaktere vermittelt wird. Vor allem die Vernehmung Yuns scheint anfangs völlig zusammenhangslos, wie um eine Lücke zu füllen, und uninteressant abgewickelt zu werden, gewinnt aber mit der Zeit an Charme und Inhalt und weckt das größte Interesse. Schließlich avanciert sie sogar zum faszinierendsten Teil des Romans, was sowohl der Person Yun als auch dem rätselhaften Volk der Tring (so der Kunstname der Ureinwohner Snowflakes) zugeschrieben werden kann. Bleibt zu hoffen, dass einige der Rätsel um die Tring noch gelöst werden und das Volk nicht nur nach seiner Einführung durch Borsch im Nirwana des Perryversums verschwindet, wie so viele interessante Völker vor ihm.

Ob Yun selbst weiterhin eine Rolle zugeteilt bekommt, bleibt fraglich, da er zwar in Verbindung mit den Oxtornern steht, allerdings ist es sein Begleiter und Partner Shon Leehan, der mit dem Verschwinden Perry Rhodans zu tun zu haben scheint.

Den Oxtornern verleiht Borsch ein neues Gesicht, das erstmal verdaut werden muss. Nach seiner Version halten sie sich für derart überlegen, dass sie auf ihren Raumschiffen sogar auf Schutzmechanismen wie Medoroboter und Prallfelder (und natürlich Raumanzüge) verzichten. Mit diesem wichtigen Element der Geschichte schafft Borsch Platz für seine Protagonisten – es sei dahingestellt, ob es dem Charakter der Oxtorner entspricht: Sicherlich zwar nicht den bisher Bekannten (zumeist Einzelgänger, Agenten der USO etc.), aber Borsch stellt diese Persönlichkeiten auch als Ausnahme dar. Bleibt abzuwarten, ob sich die oxtornischen Protagonisten dieser Geschichte nicht auch als Ausnahmen erweisen.

Warum führen die Loower in der PAN-THAU-RA ihren „Kampf für das Leben“ mit größter Brutalität, nach dem Motto „erst schießen, nicht fragen“? Borsch zeigt aus der Sicht der einfachen Soldatin An-Keyt, wie sich allmählich Zweifel an ihrem Tun einnisten, erst recht, als man bemerkt, dass sich der Gegner wenig bis gar nicht zu verteidigen in der Lage ist. Hervorragend erzählt Borsch ihre Tragik und ihre Beweggründe und bringt dem Leser neue Fragen, um deren Lösung es in dem Zyklus gehen wird. Trotzdem bleibt die Ebene mit Yun die weitaus faszinierendste, die hoffentlich nicht auf diesen ersten Roman beschränkt bleibt.

Fazit

Was die Rhodan-Serie zum großen Teil ausmacht, nämlich faszinierende Charaktere in kosmischen Geschichten, findet in Borschs Roman eine sehr gute Umsetzung. Der etwas schwache Anfang ist nicht ausschlaggebend für den Lesegenuss. Ein sehr schöner Auftakt für den Zyklus, der im zweiten Band von Andreas Brandhorst mit Sicherheit noch an Qualität gewinnen wird.

Weitere Informationen zu Perry Rhodan gibt es unter http://www.perry-rhodan.net/ oder http://www.perrypedia.de.

Band 2: »Die Trümmersphäre«
Band 3: »Die Quantenfestung«

Riebe, Brigitte – Hüterin der Quelle, Die

Die Autorin Brigitte Riebe, vollständig Dr. Brigitte Leierseder-Riebe, wurde 1953 in München geboren, wo sie auch heute noch als freie Schriftstellerin lebt. Sie ist promovierte Historikerin, war zunächst als Museumspädagogin tätig und hat später lange Jahre als Verlagslektorin gearbeitet, bevor sie selbst begann, Romane zu schreiben. Unter ihrem Pseudonym Lara Stern veröffentliche sie u.a. die Sina-Teufel-Romane, mit denen sie auch bekannt wurde.

„Die Hüterin der Quelle“ erschien im März 2005 und entführt den Leser ins Bamberg des Jahres 1626, in das Jahr, in dem die zweite große Hexenprozesswelle begann. Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Familie des Krippenschnitzers Veit Sternen, der nach dem Tod seiner ersten Frau zusammen mit Sohn Simon und Tochter Selina aus Italien zurückgekehrt ist und Marie, die Tochter des Braumeisters und Ratsherrn Pankraz Haller, geehelicht hat. Doch so sehr sich Marie eine traute Zweisamkeit mit ihrem Mann und glückliche Stunden mit der ganzen Familie gewünscht hat, so bleibt ihr doch die Untreue Veits und die Ablehnung der tauben Selina nicht erspart – genauso wenig wie das Unverständnis ihres Vaters für diese Ehe. Einzig mit Simon gelingt ihr ein recht harmonisches Zusammenleben.

Veit hingegen widmet sich lieber anderen Frauen und seiner Arbeit, denn der Fürstbischof Fuchs von Dornheim persönlich hat ihm und seinem Sohn den Auftrag gegeben, für seine Kirche die schönste und prächtigste Krippe zu schnitzen. Doch ist dieser Herr sehr launisch, und so flüchtet sich der smarte Veit in die Arme der geheimnisvollen Otterfrau Ava, die mit einem Otter, Reka getauft, abseits der Stadt wohnt und sich mit Fischverkäufen übers Wasser hält. Was er dabei vergisst, ist seine abgeschobene Geliebte Agnes Pacher, die Frau des Holzhändlers, die alles andere als geneigt ist, ihren leidenschaftlichen Geliebten gehen zu lassen.

In der Stadt Bamberg beginnt es zu brodeln, und nicht nur familiäre Streitigkeiten oder persönlicher Groll sind die Auslöser. Der Weihbischof Friedrich Förner ist geübt darin, Zweifel zu säen. Zweifel an der Christlichkeit der Bürger, Zweifel an der Sicherheit der rechtschaffenen Einwohner. Hexen, Druten, Teufelspack sind seine auserkorenen Lieblingsthemen und die Menschen hören ihm zu; immer mehr strömen in seine Kirche und Unruhe und Angst beginnen sich auszubreiten. Die Otterfrau und die alte Hümlin stehen auf der Liste. Ava, weil sie geheimes Wissen über Kräuter und Tränke besitzt, die Hümlin, weil ihre Mutter schon als Hexe verbrannt wurde.

Doch dem Weihbischof gegenüber steht fest der Kanzler Kilian Haag und etwas wackliger der Fürstbischof selbst, der allerdings befürchtet, das Wohl des Volkes zu verlieren, wenn er Förner nicht gibt, was dieser verlangt. Doch sieht er die Rettung in dem Jesuitenmönch Adam Thies, der bereits seit Jahren recht erfolgreich gegen den Hexenwahn ankämpft. Aber leider weiß nur sein alter Lehrer Grün, wo der Mönch verweilt, und dieser hat geschworen, es nicht zu verraten. Und auch Marie denkt oft an den Jungen des Nachbarn Thies, der einst ihre große und erste Liebe war.

Während Simon sich auf den Weg in das ferne Italien begibt, um Stoffe für die Krippenfiguren zu besorgen, findet Selina zu einer Bande Straßenkinder, die ebenfalls engere Verbindung zu der Otterfrau hegt. Als sie beobachtet, dass ihr Vater und Ava ein Verhältnis haben, glaubt sie, in dem kleinen Straßenkind Lenchen ihre Halbschwester zu sehen. Wut und Hass bestürmen sie.

Und Förner wettert immer heftiger gegen das Drutenvolk, bis die Wogen überschäumen und Bamberg in den Hexenwahn fällt. Förner will Flammen sehen, die reinigen Kräfte des Feuers sollen die Stadt wieder befreien.

Brigitte Riebe ist mit „Die Hüterin der Quelle“ einmal mehr ein großartiger Roman über die Zeit im Mittelalter gelungen. Nicht die Folter oder die Hinrichtungen selber stellt sie in den Mittelpunkt, stattdessen verfolgt sie die Entwicklung von dem ersten Säen des Aberglaubens bis zum Eskalieren des Horrors. Anhand der Familie Sternen zeichnet sie das wahrscheinlich ganz normale Leben in einer Stadt der damaligen Zeit, lässt den Leser die Hoffnungen und Ängste, Glücksmomente und Albträume erleben, bis das Normale nicht mehr zu halten ist und das Kartenhäuschen mit lautem Getöse einkracht.

Das Band zwischen den Charakteren ist fest und gekonnt gespannt. Jeder hat seine Aufgabe in diesem Schauspiel der Grausamkeit und Tragödie zu leisten, und jeder erfüllt sie mit einer Glaubhaftigkeit, welche die Figuren dem Leser ans Herz wachsen lassen. Marie, die sich verzweifelt ein Kind wünscht, deren Bauch aber flach und hart bleibt. Veit, der seine Frau zwar liebt, aber trotzdem immer wissen möchte, wie die andere denn riecht und wie sich ihre Haut anfühlt. Simon, der es satt hat, im Schatten des Vaters zu stehen und mit Adam endlich seine Freiheit erreicht. Selina, das taube Mädchen, das sich so sehr in einen der Straßenjungen verliebt hat, dass es so gut wie alles für ihn tun würde. Das Mädchen, das ihrem Vater den Betrug mit der Otterfrau und mit Lenchen nicht verzeihen kann, denn noch eine Tochter braucht der Vater doch nicht. Ava, die ihre Freiheit nicht aufgeben möchte, sich aber selbst in ihrem Leben einsperrt. Hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen für Veit und ihren Gefühlen für den zweiten Geliebten Mathis, dem Wilderer. Die Otterfrau genannt, von den Frauen der Stadt gefürchtet, aber immer befragt, wenn es schmerzt oder um die Verhinderung oder das Einsetzen einer Schwangerschaft geht. Und nicht zuletzt Förner, den seine eigenen Dämonen hetzen, die ihn jagen und ihn so wild machen, dass nur Hexen als Ursache des Übels in Frage kommen.

Nachvollziehbar und fast schon verständnisvoll erzählt die Autorin vom Beginn des Desasters, und der Leser empfindet Trauer und Melancholie, als wäre sowieso nichts zu ändern gewesen. Es bedarf keiner ausschweifenden Folterbeschreibungen oder letzten Schwüre auf dem Scheiterhaufen, um das Grauen jener Epoche zu erwecken. Riebe hat gezeigt, dass die Entfaltung des Wahnsinns ein spannendes und ergiebiges Thema für einen Roman erster Güte darstellt. Fazit: Allemal lesenwert!

Homepage der Autorin: http://www.brigitteriebe.de

Kirstein, Rosemary – magische Juwel, Das (Die Expedition der Steuerfrau 1)

Rowan ist eine Steuerfrau. Der Orden der Steuerfrauen hat sich dem Wissen verschrieben, und so ist Rowan seit Beendigung ihrer Ausbildung auf Reisen. Die Entdeckung eines eigenartigen blauen Juwels hat ihre Neugierde geweckt, nun versucht sie, der Herkunft der Steine auf die Spur zu kommen, indem sie andere befragt, die ebenfalls welche gefunden haben. Denn das ist das Besondere an den Steuerfrauen: Jeder steht ihnen Rede und Antwort. Im Austausch beantworten die Steuerfrauen jede Frage, die ihnen gestellt wird, so gut sie können. Und sie sagen immer die Wahrheit.

Diesmal allerdings hat Rowan mit ihren Fragen offenbar in ein Wespennest gestochen! Nicht nur, dass sie mitten in der Nacht von einen Mann mit einem Schwert angegriffen wird, in der Hafenstadt Donner wird ihre Herberge kurz vor Sonnenaufgang von einer Horde Drachenschlüpflinge überfallen und restlos niedergebrannt! In Rowan keimt der Verdacht, dass jemand ihre Nachforschungen unterbinden will. Umso entschlossener ist sie, das Rätsel zu lösen. Dafür verlässt sie sogar den Orden der Steuerfrauen. Denn um sich vor ihren Verfolgern zu verbergen, ist sie gezwungen zu lügen …

Rowan ist eine sehr selbständige und unabhängige Person. Am liebsten reist sie allein. Zu ihrer Ausbildung gehörte auch der Schwertkampf, sodass sie durchaus in der Lage ist, sich gegen die wenigen Personen, die einer Steuerfrau das Gegenteil der üblichen Achtung entgegenbringen, ihrer Haut zu erwehren. Die junge Saumländerin allerdings, die sie im Gasthof nach ihrem Juwelengürtel befragte, hat es ihr irgendwie angetan. Also erlaubt sie ihr, sie zu begleiten. Bald sind die beiden gute Feundinnen. Denn im Grunde ist Rowan eine weichherzige, freundliche Frau. Ihre herausragendsten Eigenschaften jedoch sind ihr rascher Verstand und ihre Wissbegierde.

Bel, die junge Barbarin, die Rowan neuerdings begleitet, ist in erster Linie Kriegerin. Rowans Einstellung zu vielen Dingen kann sie des Öfteren nicht ganz folgen, und gelegentlich nimmt sie sich die Freiheit, ihr den Kopf ein wenig zurechtzurücken. Abgesehen davon ist sie äußerst anpassungsfähig, gleichzeitig klug und fast so neugierig wie Rowan selbst.

Die beiden ergänzen sich wirklich gut. Willam wirkt da ein wenig wie ein Anhängsel. Die beiden Frauen haben den Vierzehnjährigen auf ihrem Weg nach Osten aufgegabelt. Er ist auf der Suche nach einem Magus, der bereit ist, ihn als Lehrling anzunehmen. Bauern- oder Handwerksburschen nehmen die Magi allerdings normalerweise nicht als Lehrlinge an, ganz im Gegensatz zu den Steuerfrauen, die ihr Wissen mit jedem teilen, der sich dafür interessiert. Immerhin hat Willam es bereits geschafft, sich ein wenig Magie selbst beizubringen, dumm ist er also nicht. Er sagt aber auch nicht immer die Wahrheit, wie Rowan und Bel ziemlich schnell bemerken. Im Gegenzug merkt auch Willam, dass mit seinen neuen Reisebegleiterinnen etwas nicht stimmt. Vor allem Rowan kann er nicht ausstehen. Es dauert eine ganze Weile, bis die drei sich zusammenraufen.

Abgesehen von diesen drei Hauptpersonen sind die Magi interessant. Die Magi sind ein recht eigenbrödlerischer Haufen, sie grenzen sich von allen ab, auch untereinander. Ihr Wissen geben sie nur an ihre Lehrlinge weiter. Nach welchen Kriterien genau diese ausgewählt werden, worin das Wissen der Magi genau besteht und was sie damit tun, weiß niemand. Auch nicht die Steuerfrauen! Denn die Magi weigern sich, den Steuerfrauen zu antworten, was zu einer recht gespannten Situation geführt hat. Die Steuerfrauen ihrerseits beantworten nur die Fragen von Leuten, die auch die Fragen der Steuerfrauen beantworten. Das schert die Magi wiederum wenig.

Beim Volk sind sie ebenfalls nicht sehr beliebt. Sie sind in zwei Gruppen gespalten, Rote und Blaue, und überziehen das Land regelmäßig mit Krieg. Damit nicht genug, wechseln einige von ihnen offenbar ständig die Fronten. Einer von ihnen scheint besonders unangenehm zu sein, Abremio, der seine Domäne in Willams Heimat hat. Corvus dagegen scheint zumindest vernünftigen Argumenten zugänglich zu sein. Denn befehlen lassen die Magi sich nicht. Eigentlich …

Kirsteins Helden sind wohltuend durchschnittlich. Keiner von ihnen ist umwerfend schön, außerordentlich begabt oder auf sonst eine Weise hervorragend. Es gibt auch keine Prophezeiung, welche die Handlung oder Charaktere in irgendeine Richtung zwingt. Zur Abwechslung ist es mal ganz angenehm, von Leuten zu lesen, die nicht vom Schicksal in ihre Rolle gepresst wurden, sondern ihre Entscheidungen aus freiem Willen treffen. Bisher geht es auch noch nicht darum, die Welt zu retten; wobei sich die Angelegenheit durchaus noch in diese Richtung entwickeln könnte.

Vorerst will Rowan lediglich etwas herausfinden. Das verleiht dem Ganzen einen Hauch von Detektivgeschichte. Die Fantasyelemente beschränken sich auf die Magie und den kurzen Auftritt der Drachen. Eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Genre fällt daher schwer, was mich persönlich aber nicht störte.

Die Handlung an sich verläuft eher ruhig. Dass jemand Rowan an ihrem Tun hindern will, auch durch Gewaltanwendung, sorgt zwar für ein wenig Action, insgesamt trägt sich das Geschehen aber mehr durch Neugierde als durch Spannung. Der Hauptansatz liegt dabei in dem blauen Juwel, an dem wohl irgendetwas Besonderes sein muss, wenn jemand sich solche Mühe gibt, Rowan auszuschalten. Abgesehen davon will der Leser natürlich auch noch wissen, was mit Janus geschehen ist, wer Slado ist und was die Magi eigentlich die ganze Zeit so treiben … Im Laufe der Geschichte werden allerdings wesentlich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Das mag manch einer als ziemlich unbefriedigend empfinden, zumal das Buch mit seinen gerade mal vierhundert Seiten recht kurz ausgefallen ist. Andererseits ist es nicht in sich abgeschlossen, sondern nur der erste Band eines Zyklus, und in dem Gespräch zwischen Rowan und dem Magus Corvus werden einige Dinge erwähnt, die ziemlich deutlich auf die zunehmende Ausweitung des Geschehens hinweisen.

Im Grunde ist dieser Band nicht mehr als die Einleitung. Entgegen meiner Befürchtung lag das diesmal aber nicht am Verlag. Am Ende des Buches sieht der Leser sich durchaus interessanten Aussichten gegenüber. Kirsteins Ideen haben noch eine Menge Potenzial für weiteren Ausbau, ihre Charaktere sind sympatisch. Die Mischung aus Fantasy und „Schnüffelei“ war so ausgewogen, dass ich das Ganze als angenehme Abwechslung empfand. Als mitreißend oder fesselnd kann man die Geschichte nicht bezeichnen, gerade im Vergleich beispielsweise zu Clemens‘ Hexenzyklus, den ich unmittelbar davor zu Ende gelesen hatte. Interessant fand ich sie trotzdem; bisher mag der Zyklus nicht zu den absoluten Rennern gehören, aber man kann ihn durchaus mit Gewinn lesen.

Rosemary Kirstein ist Amerikanerin und hat schon in den unterschiedlichsten Berufen gearbeitet. Außerdem ist sie in der Folk-Szene aktiv, spielt Gitarre und singt. Die einzelnen Bände ihres Zyklus |Die Expedition der Steuerfrau| sind mit teilweise erstaunlichem zeitlichem Abstand entstanden. Außer „Das magische Juwel“ ist auf Deutsch bisher nur „Das Geheimnis des Saumländers“ erschienen. Das Erscheinen des dritten Bandes „Der verschwiegene Steuermann“ ist für Mai dieses Jahres geplant, für den vierten Band gibt es noch keine Angaben.

Band 2: [„Das Geheimnis des Saumländers“ 2200

Ruiz Zafón, Carlos – Schatten des Windes, Der

Joschka Fischer ist nicht unbedingt derjenige, den man fragen würde, welches Buch man lesen sollte. Der ehemalige Außenminister mag für vieles bekannt sein, aber sicherlich nicht unbedingt wegen seiner Literaturtipps. Dennoch ist es schon ein wenig ermutigend und ansteckend, wenn man im Klappentext zu „Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafón seine Empfehlung liest: |“Sie werden alles liegen lassen und die Nacht durch lesen!“| Das entpuppte sich zumindest in meinem Fall als Empfehlung prophetischen Charakters, denn gerade im letzten Drittel des Buches war ich doch sehr geneigt, der Müdigkeit mittels erhöhter Espressoration den Garaus zu machen, um das Buch so schnell wie möglich zu Ende zu bringen. Da hat es sich doch mal gelohnt, Herrn Fischer zu glauben …

„Der Schatten des Windes“ ist auf den ersten Blick ein recht unspektakuläres Buch. Die Handlung klingt nach gehobener Belletristik für die intellektuelle Oberschicht und weniger nach einem Roman zum Verschlingen. Die Geschichte spielt zur Zeit Francos in Barcelona. Der junge Daniel Sempere besucht zusammen mit seinem Vater, dem Buchhändler, den geheimnisvollen „Friedhof der Vergessenen Bücher“. Noch ahnt Daniel nicht, wie sehr dieser Besuch sein weiteres Leben verändern wird. Von all den Büchern, die dort in den Regalen ihr trostloses, staubiges Dasein fristen, darf Daniel sich eins aussuchen. Er entscheidet sich für „Der Schatten des Windes“ von einem Autor namens Julián Carax.

Daniel ist fasziniert von dem Roman und liest ihn wieder und wieder. Weil er gerne mehr von Julián Carax lesen würde, macht Daniel sich mit Hilfe seines Vater auf die Suche nach Carax‘ literarischen Spuren. Doch keiner weiß so recht, wo Carax lebt und ob er nicht schon längst tot ist. Daniel gerät in den Bann dieser sonderbaren Figur und trägt hier und da immer neue Bruchstücke einer faszinierenden Biographie zusammen.

Daniels Suche nach der mysteriösen Gestalt Julián Carax entwickelt sich immer mehr zu einem Spiel, dessen Regeln der Junge nicht zu durchschauen vermag. Merkwürdige Personen tauchen auf, legen falsche Fährten, versuchen zu vertuschen und stoßen gar Drohungen aus. Daniels Leben entwickelt sich dabei zunehmend analog zu „Der Schatten des Windes“, und ehe er sich versieht, steckt er schon mittendrin in der Handlung seines Lieblingsromans – im Kern einer Geschichte, die einem Strudel gleich ihre Protagonisten einem düsteren, furchtbaren Schicksal entgegentreibt …

Es stimmt schon, die Handlung mutet etwas sonderbar an, wenn man zum ersten Mal mit dem Klappentext konfrontiert wird. Ein Roman über einen Roman. Dass es dabei spannend zugeht und das Buch den Leser zum Ende hin so sehr in Beschlag nimmt, dass er sich kaum von den Seiten zu lösen vermag, möchte man auf den ersten Blick kaum glauben. Aber genau so ist es. Ruiz Zafón versteht es, den Leser auf eine Reise mitzunehmen, ihn aus seinem Alltag zu entführen und mitten in einen Plot zu ziehen, von dem der Leser absolut nicht ahnt, in welche Richtung er sich entwickeln mag.

Mit „Der Schatten des Windes“ ergeht es dem Leser genau so, wie es Daniel bei der Lektüre von Carax‘ Roman ergeht: |“Je weiter ich in der Lektüre kam, desto mehr erinnerte mich die Erzählweise an eine dieser russischen Puppen, die immer weitere und kleinere Abbilder ihrer selbst in sich bergen. […] Unter dem gelben Licht der Tischlampe tauchte ich in eine Welt von Bildern und Gefühlen, wie ich sie nie zuvor kennen gelernt hatte. […] Seite um Seite ließ ich mich vom Zauber der Geschichte und ihrer Welt einhüllen …“| (S. 12/13)

Auch Ruiz Zafóns Erzählweise erinnert an eine russische Puppe. Schicht um Schicht offenbart er dem Leser weitere Facetten seiner Geschichte, die sich mit jedem Kapitel weiter verschachtelt und den Leser gefangen nimmt. Seine Geschichte spielt sich dabei auf zwei Ebenen ab. Zum einen wird Daniels Suche nach Julián Carax beschrieben, zum anderen erhält der Leser immer wieder neue Einblicke, wie Carax‘ Leben seinerzeit verlaufen ist. Beide Erzählebenen laufen nebeneinander her und werden mit der Zeit immer mehr zu einem Ganzen verknüpft.

Ruiz Zafóns Verknüpfung der beiden Erzählebenen gelingt dabei ausgesprochen gut. Er schafft es, zwischen beiden Ebenen eine tiefe Bindung herzustellen, klärt die Zusammenhänge schlüssig auf und lässt es dabei nicht an dramatischen Überschneidungen mangeln.

„Der Schatten des Windes“ ist ein Roman, der sich diverser Zutaten bedient und gerade auch durch seine ausgewogene Mischung zu glänzen weiß. Ein bisschen Hommage an die Literatur, eine ordentliche Prise Liebesgeschichte, ein wenig politische Brisanz, die der zeitliche Kontext der Herrschaft Francos in sich birgt, ein guter Schuss Kriminalgeschichte, abgeschmeckt mit einem Hauch klassischem Schauerroman. Das mag nach einem heillosen Mischmasch klingen, ist in der Ausführung aber dann doch angenehm ausbalanciert. Gerade auch aufgrund dieser vielfältigen Zutaten dürfte Ruiz Zafón eine recht breite Leserschaft ansprechen. Irgendwo findet hier jeder genau die Komponente, die er besonders schätzt.

Zu einem besonderen Genuss wird „Der Schatten des Windes“ auch aufgrund Ruiz Zafóns sprachlichen Geschicks. Der Mann versteht es, mit Worten umzugehen, bedient sich einer sehr lebhaften und bilderreichen Sprache und sorgt so dafür, dass sich der Leser in den Roman und die Figuren richtiggehend hineinfühlen kann. „Der Schatten des Windes“ ist wahres Kopfkino und ein Hochgenuss für jeden, der die Gabe besitzt, in einem Roman sprichwörtlich zu versinken.

Ruiz Zafón versteht sich nicht nur auf plastische Bilder, sondern auch auf eine ausgefeilte Figurenzeichnung. Seine Figuren sind vielgestaltig und wirken, obwohl sie tendenziell eher plakativ schwarzweiß gezeichnet sind, nicht eindimensional. Man bekommt einen sehr plastischen Eindruck der Handelnden, wobei mir besonders eine Figur ans Herz gewachsen ist: der vom mittellosen Bettler zum „bibliophilen Berater“ von Sempere Senior aufgestiegene Fermín. Eine Figur mit großem Herzen, überragender Intelligenz und einem losen Mundwerk, das ihm so manchen Ärger einhandelt, aber den Leser immer wieder zum Schmunzeln bringt. Ruiz Zafón schafft Figuren, die man schnell in sein Herz schließt und an die man gerne zurückdenkt.

Ruiz Zafón fein geschliffene Ausdrucksweise thront über all dem und rundet die Raffiniertheit des Romans gelungen ab. Ein wenig poetisch wirkt sein Satzbau manchmal, geradezu melodisch und melancholisch. Das Barcelona, das Ruiz Zafón vor dem Auge des Leser skizziert, hat feine Nuancen, wird aber von vielen düsteren Tönen bestimmt. Die Zeit Francos hinterlässt einen bedrückenden Eindruck, dem der Autor mit dem Charme und Witz einer Figur wie Fermín einen schönen Gegenpol entgegenstellt.

So ziemlich alle Emotionen spiegeln sich in den Zeilen wider, und wenn Ruiz Zafón dann zum großen Finale ansetzt, darf auch schon mal die eine oder andere Träne weggeblinzelt werden. „Der Schatten des Windes“ ist ein Roman, der auf wunderbare Art und Weise nicht nur Gefühle beschreibt, sondern auch weckt. Dem einen mag das ein wenig kitschig erscheinen, den anderen reißt es dafür richtig mit. Wer sich noch vorbehaltlos auf eine Geschichte einlassen kann, wer einer Geschichte voller Phantasie, Melancholie, Witz und Dramatik offen gegenübersteht, der wird seine Freude an diesem Buch haben und für den könnte die Lektüre ein wahrer Hochgenuss sein.

Und, um zum Ende hin noch einmal Daniel Sempere höchstselbst zu Wort kommen zu lassen: |“Einmal hörte ich einen Stammkunden in der Buchhandlung meines Vaters sagen, wenige Dinge prägen einen Leser so sehr wie das erste Buch, das sich wirklich einen Weg zu seinem Herzen bahne. Diese ersten Seiten, das Echo dieser Worte, die wir zurückgelassen glauben, begleiten uns ein Leben lang und meißeln in unserer Erinnerung einen Palast, zu dem wir früher oder später zurückkehren werden, egal, wie viele Bücher wir lesen, wie viele Welten wir entdecken, wie viel wir lernen oder vergessen.“| In meinem Fall ist dieser Platz zwar schon belegt, aber „Der Schatten des Windes“ kommt immerhin schon recht nah daran …

Hennen, Bernhard – Elfenwinter

Bernhard Hennen hat sich mit der Fortsetzung zu seinem Erfolgsroman „Die Elfen“ nicht viel Zeit gelassen. Gerade einmal ein Jahr und zwei Monate hat es gedauert, bis er die Geschichte aus dem Elfenland nun mit einem weiteren Abenteuer weiterführt, und dieses Mal hat der Autor, der seit Beginn der Neunzigerjahre aktiv ist und auch schon vereinzelte Erzählungen und Abenteuer zu „Das schwarze Auge“ sowie Romane in „Magus Magellans Gezeitenwelt“ verfasste, die gesamte Arbeit im Alleingang erledigt. Ohne die Schützenhilfe seines vorherigen Schriftsteller-Partners James Sullivan hat Hennen mit „Elfenwinter“ eine recht düstere Fortsetzung kreiert, die jedoch nur an gewissen Eckpunkten etwas mit dem Vorgängerband gemeinsam hat. Die drei Hauptcharaktere aus „Die Elfen“ sind in diesem Buch nur noch Randgestalten, von denen der Mensch Mandred noch die wichtigste Rolle übernimmt; schließlich ist sein Sohn nun eine der Heldenfiguren. Ansonsten kann die Erzählung aber komplett für sich alleine stehen, weil die Handlungsebenen teilweise völlig verschieden sind und auch die Konflikte von einem ganz anderen Ausmaß sind bzw. in ganz anderer Form ausgetragen werden. „Elfenwinter“ erzählt nämlich in erster Linie von einem ziemlich brutalen Krieg gegen die Armee der Trolle und ist nur noch zweitrangig ein Abenteuer. Doch Fans des ersten Bandes brauchen sich deswegen noch lange keine Sorgen zu machen, denn „Elfenwinter“ ist sogar noch spannender als die erste Geschichte dieser Reihe und trotz der erneut umfangreichen Darstellungen auch ein ganzes Stück gradliniger als „Die Elfen“.

_Story_

Als Herrscherin der unsterblichen Lande ist die Elfenkönigin Emerelle nicht überall sonderlich beliebt. Die Anführerin des Volkes der Elfen ist in Vergangenheit vor allem deswegen in Ungnade gefallen, weil sie die mächtigen Vertreter ihrer Zunft übervorteilt hat, um so auch ihren eigenen Rang nicht zu gefährden. Damit einher sind schließlich aber auch einige Anschläge gegangen, denen die Königin jedes Mal nur knapp entrinnen konnte.

Aus diesem Grund versucht Ollowain, der Befehlshaber der königlichen Leibwache, seine Vorgesetzte auch von ihrem Vorhaben abzuhalten, persönlich das Fest der Lichter zu besuchen. Ollowain ist sich sicher, dass einer der Elfenfürsten die Mordanschläge geplant hatte und nun eine weitere Chance sieht, sich der Königin endgültig zu entledigen. Doch ihre Starrsinnigkeit siegt, und Emerelle besucht als Ehrengast des große Volksfest, jedoch nicht ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen seitens ihres Beschützerstabs. Ollowain hat nämlich in der jungen Bogenschützin Silwyna eine weitere Verbündete gefunden, die für den Schutz Emerelles sorgen soll. Trotzdem aber fällt die Königin einem weiteren Attentat zum Opfer und erliegt ihren Wunden.

Für die Trolle, die seit geraumer Zeit auf den Sturz der Königin und eine erneute Gelegenheit zum Angriff warten, scheint nun der Zeitpunkt der Rache gekommen zu sein, um an den Elfen, die ihnen ihr Land geraubt haben, Vergeltung zu üben. Und auch die rebellischen Elfenfürsten fühlen sich stärker als je zuvor und bejubeln die Machtergreifung. Doch ihr Jubel ist nur von kurzer Dauer, denn nach genauerer Untersuchung stellen sich die Toten als Doppelgänger der anvisierten Opfer heraus, und noch in der gleichen Nacht begibt man sich auf die Jagd auf die verschwundene Elfenkönigin und ihren Stab.

Diese hingegen sind ins Land der Menschen geflüchtet und erhoffen sich Zuflucht bei Mandreds Sohn Alfadas, der seine gesamte Jugend im Reich der Elfen verbracht hat. Alfadas ist zwar nicht begeistert von der Ankunft seiner ‚Gäste‘, nimmt diese jedoch trotzdem bei sich auf. Besonders das Erscheinen seiner ehemaligen Geliebten Silwyna ist ihm ein Dorn im Auge, zumal Alfadas mittlerweile eine Familie gegründet und die Liebschaften der Vergangenheit vollkommen verdrängt hat. Silwynas Rückkehr bringt ihn aber erneut in einen Herzenskonflikt, der im Laufe der Zeit immer schwerwiegender wird.

Auf Geheiß seines Königs Horsa wird Alfadas schließlich komplett von seiner Vergangenheit eingeholt: Er soll gemeinsam mit den Elfen in deren Welt zurückkehren, um dort die aufständigen Trolle zu bekämpfen und den Frieden zu sichern. Doch mit der Abreise seines Herres bringt er auch die Welt der Menschen in Gefahr, denn diese sieht sich plötzlich mittendrin in einem Machtkampf, der selbst vor unschuldigen Leben keinen Halt macht und den Krieg über die Grenzen hinaus bis in das einst friedliche Land Alfadas‘ bringt.

_Meine Meinung_

Bevor ich mit diesem Buch begonnen hatte, dachte ich eigentlich, dass hier die Geschichte von Mandred und seinen beiden Freunden aus dem Land der Elfen fortgesetzt wird, und irgendwie habe ich auf das Auftreten der bereits bekannten Helden auch im Laufe des ersten Viertels der Handlung noch irgendwie gehofft. Andererseits ist die Erzählung in diesem Fall auch um einiges härter und definitiv grausamer als der Plot von „Die Elfen“, und somit waren auch gänzlich andere Charaktere vonnöten. Nuramon und Farodin, die Elfen aus dem ersten Buch, waren dann doch etwas zu melancholisch, als dass sie die geeigneten Personen für den Kampf gegen die Trolle gewesen wären, und daher eignen sich neue Charaktere wie Ollowain und Alfadas sicherlich besser. Und dennoch hat man irgendwie den Eindruck, als wäre die Geschichte um die beiden ‚alten‘ Elfen noch nicht zu Ende erzählt, aber dies kann ja eventuell im geplanten dritten Band „Elfenlicht“ noch geschehen.

Losgelöst von diesen Gedanken war es aber dieses Mal trotzdem nicht ganz so leicht, einen sofortigen Zugang zur Handlung zu bekommen. Das mag einerseits sicherlich an der eigenen Erwartungshaltung gelegen haben, andererseits aber auch daran, dass Hennen bei „Elfenwinter“ auch unumgänglich mehr Zeit benötigte, um die passende Rahmenhandlung auzubauen und die Situation in ihrer Gesamtheit vorzustelllen. Wenn man nun also nach einhundert Seiten immer noch glaubt, man ist nicht richtig ‚drin‘, dann ist das keinesfalls ungewöhnlich, sondern einfach nur ein Nebeneffekt von Hennens detailreichen Schilderungen, die auch dieses Mal trotz ihrer zwischenzeitlichen Langwierigkeit ganz klar zu den Stärken des Krefelder Autors zu zählen sind. In diesem Fall erweitert Hennen den Facettenreichtum jedoch noch um weitere Nuancen. Es sind nicht nur die Charakterzeichnungen und Landschaftsmalereien, die hier sehr umfangreich zelebriert werden, sondern vor allem auch die Schilderungen der Kriegsszenarien mit all ihrer Grausamkeit – angefangen bei der grundlegenden Schlachtthematik bis hin zu den abscheulichen Riten der Trolle. Hier sind dann auch einige Parallelen zu seinen Frühwerken im Bereich des Rollenspiel-Epos [„Das Schwarze Auge“ 2110 zu erkennen, bei denen die Kampfszenen ja ebenfalls eine wesentliche Rolle übernahmen.

Auf der anderen Seite hat „Elfenwinter“ ein wenig von der Eigenwilligkeit seines Vorgängers eingebüßt. Bemühte sich Hennen zusammen mit seinem Co-Autor James Sullivan in „Die Elfen“ noch darum, dem Genre durch vollkommen neue Elemente eine Frischzellenkur zu verpassen, ist das neue Buch im Grunde genommen ein recht gewöhnlicher Fantasy-Roman, der sich allerdings durch eine fabelhafte Handlung von der breiten Konkurrenz abhebt. Was halt nur fehlt, sind weitere neue Elemente, wie sie im Vorgänger zum Beispiel durch die Zeitsprünge gegeben waren. Stattdessen setzt der Autor so manches Mal auf Klischees wie etwa bei der seltsamen Beziehung zwischen Alfadas und der mysteriösen Silwyna, die aber wegen ihrer stets gelungenen Umsetzung trotz allem prima zur Erzählung passen. Lediglich die Einbeziehung einer Schamanin darf als neuer, frischer Aspekt gewertet werden, den Hennen ebenfalls sehr gut umsetzt.

Zum Schluss habe ich dann aber doch noch einen Kritikpunkt anzubringen, der sich vornehmlich auf den Titel des Buches bezieht. Natürlich war bereits der Name des ersten Buches aufgrund von Erfolgsepen wie „Die Orks“ und „Die Zwerge“ kalkuliert, passte aber auch zur Handlung, weil es eben ausschließlich um das Volk der Elfen ging. Dieses Mal stehen die Elfen aber nicht mehr einzig und alleine im Mittelpunkt; vielmehr geht es hier um den Kampf zwischen Gut und Böse, bei dem die Elfen zwar auch keine unwichtige Rolle spielen, andererseits aber auch keine höhere Position einnehmen als die Trolle oder die Menschen. Würde man also den Namen eines dieser Völker auf dem Cover finden, wäre das ebenfalls gerecht. Aber gut, es sei dem Verlag gegönnt, dass er auf dem bewährten Erfolgsrezept aufbaut, auch wenn die Handlung kein direkter Nachfolger zur Story von „Die Elfen“ ist.

Es bleibt nun abzuwarten, ob Hennen wie geplant seine Elfenromane zur Trilogie ausweitet. Angesichts des erneut superben neuen Buches wäre dies jedenfalls äußerst wünschenswert, denn es gibt nur wenige Romane von dieser Länge, bei denen man das Buch niemals aus der Hand legen möchte. Es ist jedenfalls nicht gewöhnlich, dass man plötzlich aufsieht, 400 Seiten am Stück gelesen und die Zeit dabei völlig außer Acht gelassen hat. Solche Begebenheiten zeichnen echte Klassiker dieses Genres erst aus, und diesbezüglich erfüllt der zweite Elfenroman wirklich alle Kriterien. Zudem ist es nicht dringend erforderlich, den ersten Roman bereits zu kennen – es ist höchstens hilfreich -, gerade weil sich die grundlegende Thematik in eine andere Richtung bewegt.

Bessere Voraussetzungen könnte ich mir persönlich dann auch gar nicht mehr vorstellen, um einen solchen Roman zu empfehlen. Bernhard Hennen weiß erneut zu begeistern und hat das Genre mit einem weiteren Meisterwerk beglückt. Kaum ein Autor vermag es, eine spannende Handlung so umfassend darzustellen, ohne die Geschichte dabei zu bremsen, wie es der Schöpfer von „Elfenwinter“ schafft. Und aus diesem Grunde sollten sich Fans jeglicher Fantasy-Sub-Genres auch mit diesem Buch beschäftigen, denn hier trifft man alle Facetten in gebündelter Form an.

http://www.bernhard-hennen.de/

Deaver, Jeffery – Tod eines Pornostars

Am Time Square in New York detoniert in einem heruntergekommenen Pornokino eine Bombe. Das „Schwert Jesu“, eine Gruppe religiöser Fanatiker, bekennt sich zu dem Anschlag. Zufällig am Ort des Geschehens ist die junge Nancy Drew, genannt Rune. Als schlecht bezahlte und nicht ernst genommene Produktionsassistentin und Mädchen für alles verfolgt sie mühsam ihren Traum von einer eigenen Karriere als Regisseurin von Dokumentarfilmen. Das Attentat gibt ihr eine Idee ein: Rune will einen Blick auf die moderne Sexindustrie werfen.

Die Pornoqueen Shelly Lowe ist durchaus angetan von diesem Projekt. Seit jeher sieht sie sich als ernsthafte Schauspielerin, die sogar Theaterstücke schreibt. Da Shelly in der Tat einen Kopf auf den Schultern trägt, weiß sie viel zu erzählen über die düsteren Abgründe einer Menschen verachtenden Szene – zu viel offensichtlich, denn eine zweite Bombe bringt sie kurz darauf zum Schweigen.

Rune hätte es beinahe ebenfalls erwischt. Sie macht die Bekanntschaft des Bombenexperten Alex Healey, der schnell auch privat Gefallen an ihr findet. Allerdings wird die aufblühende Beziehung auf harte Belastungsproben gestellt. Rune betätigt sich für ihren Film als Privatermittlerin, benimmt sich dabei wie eine Elefantin im Porzellanladen und bringt sich überdies in Lebensgefahr: Hinter den Anschlägen stecken keine wirrköpfigen Tugendbolde, sondern kühl kalkulierende, verbrecherische Geschäftsleute, denen es ausschließlich um Geld geht. Eine neugierige Schnüfflerin schätzen sie überhaupt nicht. Während weitere Bomben explodieren, setzt sich ein Killer auf Runes Spur. Sie kann ihm entwischen, aber ihre Glückssträhne wird nicht ewig halten …

Ein früher, in Deutschland bisher nicht veröffentlichter Thriller von Jeffery Deaver: Das weckt Erwartungen, ist doch dieser Schriftsteller hierzulande mit seinen Romanen um den querschnittsgelähmten Meisterdetektiv Lincoln Rhyme und seine Assistentin Amanda Sachs ein großer Wurf gelungen. Auch „Tod eines Pornostars“ gehört zu einer Serie, besser gesagt zu einer Trilogie um die junge Punkfrau Rune. Besonders erfolgreich scheint sie nicht gewesen zu sein, sonst hätte sie Autor Deaver nicht abgebrochen. Erst sein derzeitiger Ruhm lässt auch Rune wieder auftauchen.

Was wir hier lesen, würde ohne das Gütesiegel „Deaver“ in der Tat nur mäßiges Aufsehen erregen. Das liegt zum einen daran, dass „Tod eines Pornostars“ in einer versunkenen Epoche spielt. Erstaunlich, in welche geistige Entfernung 1990 bereits gerutscht ist. Rune zieht mit einer bleischweren Videokamera durch die Straßen, vor allem ist das Handy als Massenartikel noch unbekannt. Dies bedingt einige auf Telefonmangel basierende Spannungsszenen, die so heute einfach nicht mehr funktionieren.

Zum „period piece“ – zum „historischen“ Kriminalroman – reicht es freilich nicht. Philip Marlowe ohne Handy und Notebook – das irritiert uns kaum. Doch Runes New York ist noch nicht „exotisch“ genug gealtert. Dazu kommt der mäßig spannende Plot. Ein Bombenleger sät Angst und Schrecken, während ihm ein wortkarger Polizist und eine flippige Amateurdetektivin auf die Spur kommen. Die Konstellation ist bekannt, viel weiß Deaver nicht daraus zu machen. Schlimmer noch: Wiederum bekommt er seinen Hang zu Doppel- und Dreifach-Final-Überraschungen nicht in den Griff. Der übliche irre Bomber wird gefasst, aber er ist gar nicht der einzige Schuldige. Aus Hut Nr. 2 springen nun tatsächlich die ad acta gelegten irren Fundamentalisten. Und als das abgehakt ist, taucht aus der Versenkung noch eine ganz besondere Bekannte auf. Nein, in dieser Häufung wirkt das einfach nur aufdringlich.

Dann ist da der Hintergrund des cineastischen Rotlicht-Milieus. Deaver versucht den Spagat zwischen politisch korrekter moralischer Entrüstung und vorsichtiger Toleranz: Porno verdammt er nicht grundsätzlich, aber trotzdem gibt es nur Täter oder Opfer. Die Materie ist zweifellos komplex und objektiv schwierig zu thematisieren, doch Deaver verharrt etwas zu deutlich auf der Ebene des ebenso faszinierten wie angewiderten Beobachters.

Für einen männlichen Schriftsteller bedeutet es zweifellos eine Herausforderung, eine weibliche Hauptfigur zu schaffen. Andererseits geht er damit ein Risiko ein, zumal ein guter Teil der Schaffenskraft in den Versuch fließt, eine möglichst überzeugende Heldin zu kreieren. Deaver hat sich Mühe gegeben, doch Rune will trotzdem nur bedingt Gestalt annehmen. Sie wurde außerdem von der Zeit überrollt und noch nicht wieder freigegeben: Ein „Punk“ von 1990 wirkt anderthalb Jahrzehnte später lächerlich. Weitere zehn Jahre später mag sich das im Zuge eines Revivals ändern.

Sprengstoffexperte Healey wirkt wie Lincoln Rhyme, als der noch laufen konnte. Als Cowboy in der Wildnis von New York stilisiert ihn Deaver – auch so ein Klischee, das nicht mehr richtig funktioniert. Wesentlich mehr Glück hat der Verfasser mit den Nebenfiguren. Sobald die Handlung im maroden Studio von Runes chaotischen Chefs spielt, kommt sogar echter Humor auf. Der ist auch bitter nötig, denn im bösen Sexfilm-Studio finden wir nur rücksichtslose Ausbeuter hinter und Koks schniefende, vom Schicksal gebeutelte Sklaven vor der Kamera.

Ganz und gar nicht gelungen sind fatalerweise die zahlreichen Schurken dieses Krimispiels. Deaver setzt sie aus dem Baukasten für verrückte Serienmörder und religiöse Spinner zusammen. Immerhin wirken sie weder genial noch charismatisch, was mit der Realität übereinstimmt, was der Verfasser in diesem Fall sehr wahrscheinlich unfreiwillig geschafft hat.

Fazit: Eine mäßig spannende Ausgrabung, die sogar für den Deaver-Fan höchstens ein Kann aber ganz sicher kein Muss darstellt.

Jeffrey Thomas – MonstroCity

Die amorphe Allesstadt.

Jeffrey Thomas ist ein impulsiver Schreiber, einer, der seine Geschichten aus der Feder fließen lässt, ohne sich mit großmächtiger Szenenarchitektur aufzuhalten; Kunst ist etwas Spontanes, sagt er, und ein Verbrechen wäre es, dem frischen Moment der Schöpfung durch Planung das Blut abzuschnüren. Dementsprechend ist die Kurzgeschichte sein Revier, inspiriert durch die Werke von Barker und Lovecraft schreibt er sich durch sein 1980 erschaffenes Universum, das mit jeder neuen Geschichte wächst: Punktown. Es ist eine Stadt auf einem fremden Planeten, sie ist keinen Regeln unterworfen, es gibt keine Karte, auf der man ihrem Verlauf folgen könnte, keine Chronologie, die ihre Geschichte nachzeichnete, in Punktown kann alles geschehen, es ist der Ort, an dem Thomas seine Ängste auslebt, sein persönliches Oz, sein morbides Wunderland, Punktown ist die amorphe Allesstadt.

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Anthony O’Neill – Der Hüter der Finsternis

Im schottischen Edinburgh geht ein Gewalttäter um, der Lebende wie Tote in Stücke reißt. Ein verbitterter Gelehrter und ein Totengräber kommen einer Geheimgesellschaft auf die Spur, die gute Kontakte zum Höllenfürsten Luzifer unterhält – … Mystery wird hier mit dem Historienkrimi gekreuzt; entstanden ist ein unterhaltsamer und durchaus anspruchsvoll konstruierter Roman, der zu den Glanzstücken seiner Gattung gehört.
Anthony O’Neill – Der Hüter der Finsternis weiterlesen

Kerr, Philip – Coup, Der

Auf dem Rücken des vorliegenden Buches wirbt der |Rowohlt|-Verlag damit, dass sein Autor Philip Kerr „die intelligentesten Thriller seit Jahren“ schreibt. Sicherlich handelt es sich hierbei um einen verkaufsträchtigen Ausspruch, der allerdings die Messlatte für den „Coup“ sehr hoch hängt, sodass Kerr wohl zwangsläufig daran scheitern muss. In der Tat hat Kerr mit „Newtons Schatten“ einen außergewöhnlich spannenden und interessanten Krimi mit dichter Atmosphäre veröffentlicht, wodurch er sich deutlich von seiner Konkurrenz abgehoben hat, doch schafft er dies auch mit seinem aktuellen Thriller, der in der heutigen Zeit spielt, stellenweise den Zeigefinger erhebt und sich teils auch sehr kritisch mit der aktuellen Finanzwelt auseinander setzt, in der die reichsten Männer der Forbes-Liste mächtiger sind, als sie vielleicht sein sollten? Schauen wir uns dies genauer an …

Zunächst lernen wir die Köchin Eve Merlini kennen, die ihren Ehemann Brad in ihrem gemeinsamen Restaurant inflagranti mit einer Kellnerin erwischt. Eve sieht rot und droht ihrem untreuen Mann und seiner Liebsten mit lebenden Krebsen, bis die Polizei erscheint und dem Ehestreit ein Ende setzen will, doch Eve kann nicht nur hervorragend kochen, sondern besitzt darüber hinaus den schwarzen Gürtel und überwindet die auftauchenden Polizisten mit ihren Karatekünsten im Handumdrehen. Dieser kleine Vorfall kostet sie nicht nur ihre Ehe, sie landet außerdem für einige Monate im Gefängnis. Doch genau dieser Umstand wird ihr Leben in Zukunft verändern. Denn in den Schlagzeilen entdeckt der Multimillionär Bob Clarenco Eve und möchte sie für seine ganz eigenen Zwecke einsetzen.

Clarenco lädt Eve zu einem Abendessen in ein sündhaft teures Restaurant ein und erklärt ihr, dass ihn dies verglichen mit seinem Vermögen nicht mehr kosteten würde als Eve eine Pizza vom Bringdienst. Doch Bob Clarenco hat Eve noch mehr anzubieten: Nachdem die Aktien seines Unternehmens drastisch gefallen sind und er außerdem bei einer kostspieligen Scheidung viel Geld verloren hat, steht Clarenco nur noch mit einem Bruchteil seines Vermögens da und hat sich bereits einen Plan zurechtgelegt, mit welchem er sein Konto wieder aufstocken möchte. Hierfür benötigt er allerdings eine toughe und fähige Köchin, die sein zusammengestelltes Team zu perfekten Catering-Angestellten ausbilden kann. Eve lässt sich nicht lange bitten, denn das Schmerzensgeld für die beiden Polizisten musste sie mit ihrem Anteil am Restaurant bezahlen, sodass sie das von Clarenco angebotene Geld dringend zum Leben braucht.

In harter Arbeit lernt Eve die anderen Mitarbeiter als Köche und Kellner an, um mit ihnen bei Multimilliardär Cal Wallenberg eingesetzt zu werden, der einmal pro Jahr zwanzig andere Multimilliardäre auf sein Anwesen einlädt, um mit ihnen ein Luxuswochenende zu verbringen.

Nachdem zwanzig der reichsten Männer der Welt bei Wallenberg eingetroffen sind, verleben die Milliardäre zunächst einige angenehme Stunden und schmieden ehrgeizige Zukunftspläne, bevor die Caterer zunächst das Security Team ausschalten und anschließend die Milliardäre narkotisieren. Im Internet veröffentlichen sie ihre Forderungen für die Freilassung der Geiseln und schalten eine Webcam, auf der eine gefesselte Geisel zu sehen ist. Die Caterer drohen mit der Erschießung der Milliardäre, wenn ihre Forderungen bis zum nächsten Tage nicht erfüllt werden. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt …

Philip Kerr erzählt in „Der Coup“ die Geschichte einer Geiselnahme, die zu Beginn recht geradlinig wirkt und kaum genug Stoff für einen Roman herzugeben scheint, doch im Verlauf der Erzählung müssen wir unser Bild revidieren. Die präsentierte Geiselnahme ist alles andere als alltäglich, zumal die Caterer eigentlich nicht vorhaben, irgendwelche Milliardäre zu ermorden, auch ihre zunächst vorgebrachten Forderungen inklusive des Schuldenerlasses für die Dritte Welt sind reine Tarnung, hinter allem steckt viel mehr, was Bob Clarenco selbst seinem Team erst spät offenbart. So kann Philip Kerr mit seiner Geschichte durchaus überraschen und unterhalten, zumal er uns ganz nebenbei einige sehr interessante und lehrreiche Dinge über die Börse und den Handel mit Optionsscheinen erklärt.

Auch die Erzählweise ist kurzweilig und versteht es, die Leser mitzureißen. Kerr hält seine Kapitel kurz und passt auch seinen Schreibstil der rasanten Geschichte an. Hier bekommen wir (leider) keine ausgefeilte Sprache zu lesen wie noch in „Newtons Schatten“, Kerr reitet vielmehr auf der aktuellen Erfolgswelle mit und orientiert sich dabei an Autoren wie Brown oder Crichton, die ebenfalls auf die vergängliche aber packende Literatur setzen. In diese Kerbe schlägt auch Philip Kerr, was ich persönlich etwas schade finde, da er bereits bewiesen hat, dass sein Repertoire durchaus mehr hergibt.

Leider überzeugen die Charaktere nicht vollends, die Figuren erscheinen vielmehr klischeehaft und wenig authentisch. Allen voran ist hier Eve Merlini zu nennen, die wir gleich zu Beginn als schlagkräftige Meisterköchin und betrogene Ehefrau kennen lernen, die in ihrer Vergangenheit als Kommandantin einer Gruppe von Panzerspähwagen mit den amerikanischen Soldaten in Kuwait einmarschiert ist. Auch bei der Schilderung der Biografien unserer Milliardäre scheint es mit Kerrs Phantasie etwas durchgegangen zu sein, hier reiht sich eine sensationelle Geschichte an die andere.

Äußerst reizvoll dagegen ist die Sympathieverteilung in „Der Coup“: Stets begleiten wir Eve, Bob Clarenco und ihr Team bei ihren Taten und sind Zeuge ihres Vorhabens, sodass wir mit ihnen mehr mitfühlen als mit den schwerreichen Geiseln, die zu ihrem Vermögen nicht nur durch legale Geschäfte gelangt und stattdessen rücksichtslos und egoistisch allein auf ihren Vorteil aus sind. So kommt es, dass wir den Geiselnehmern Erfolg wünschen, obwohl dies unserem Gefühl für Recht und Gerechtigkeit durchaus widerspricht. Philip Kerr übt hier Kritik an den Machenschaften der Finanzwelt und macht deutlich, wie mächtig ein Multimilliardär durch seinen großen Reichtum eigentlich ist. Hier werden dem Leser die Augen geöffnet, sodass wir manches nun vielleicht unter einem anderen Blickwinkel betrachten.

Die große Schwäche von Kerrs aktuellem Thriller liegt jedoch in seinem großen Finale, in dem sich die Ereignisse förmlich überschlagen und dem Leser unnötig viele Wendungen zugemutet werden, die die Erzählung schließlich vollkommen unrealistisch machen. Mit seinen Zaubertricks, die Kerr auf der Zielgerade aus dem Hut zaubert, überfrachtet er seinen Roman, ohne die Spannung dabei weiter zu steigern. Viele Situationen sowie die gezeichneten Charaktere wirken wie für eine Hollywoodproduktion geschrieben, die Figuren werden nicht mit Leben gefüllt und die inhaltlichen Wendungen am Ende erscheinen etwas lieblos; hier hätte Kerr lieber konsequent seine Linie durchziehen sollen.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass „Der Coup“ eine durchaus unterhaltsame Lektüre bietet, die schnell und flüssig durchgelesen ist und mit einigen angenehmen Überraschungen dienen kann. Doch hat Philip Kerr bereits bewiesen, dass er tatsächlich intelligentere Thriller zu schreiben in der Lage ist, sodass er mit seinem aktuellen Buch nicht ganz überzeugen kann. In Ansätzen ist die erzählte Geschichte gelungen und auch recht innovativ, doch sollte ein Autor die Geduld seiner Leser nicht überstrapazieren, wie Kerr dies mit seinem überfrachteten Finale getan hat. So reicht es leider nur zu einem mittleren Gesamteindruck, obwohl man aus der Idee sicherlich mehr hätte machen können.

Laurie R. King – Die Insel der flüsternden Stimmen

Die psychisch kranke Rae zieht sich auf eine einsame Insel zurück, um dort ein altes Haus wiederaufzubauen. In den Trümmern entdeckt sie Spuren, die auf ein hässliches Familiengeheimnis hindeuten, während in der Nacht Schritte und Stimmen hörbar sind … – Als Mischung aus Mystery und Thriller kann dieser Roman lange die spannende Balance halten. Dann kommt der Moment der Aufklärung, der die Geschichte ins Routinierte kippen lässt: trotzdem ein rundum spannendes Werk!
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Rutherfurd, Edward – Prinzen von Irland, Die (Die große Dublin-Saga, Band 1)

Wer einmal für ein paar Tage die idyllische Natur der irischen Landschaft erlebt hat (und dabei ausnahmsweise auch mal Glück mit dem Wetter hatte), der wird in diesem Land höchstwahrscheinlich sein Herz gelassen haben. Die immergrünen Wiesen, die einfache Lebensart des irischen Volkes und natürlich die Spezialitäten der irischen Braukunst, all das wird man für ewig in Erinnerung behalten, mit dem Wunsch, eines Tages wieder hierhin zurückkehren zu wollen.

Nein, das sind nicht die einleitenden Worte zu einem Reiseführer über die ‚grüne Insel‘, sondern kurz zusammengefasst die Eindrücke, die dieses wunderschöne Land bei mir hinterlassen hat. Doch Irland hat auch eine umfassende Historie, die nicht weniger spannend ist als die Geschichte Englands, oftmals aber hinten anstehen muss, wenn es darum geht, die Entwicklung des Lebens auf den benachbarten Inseln zu schildern.

Edward Rutherford hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, die Geschichte dieses Landes einmal komplett neu aufzurollen und vor einiger Zeit damit begonnen, die Entstehung der Republik seit dem 5. Jahrhundert zu dokumentieren. Wichtig war ihm hierbei, dass er keine reine Dokumentation verfasst, sondern stattdessen einen fiktiven Roman, in dem man die wichtigsten Eckpunkte der irischen Geschichte wiederfinden kann, der aber gleichzeitig aufgrund seiner durchgängigen Spannung nicht die Funktion eines Berichtes erfüllen soll. Das Ergebnis seiner Arbeit trägt den Titel „Die Prinzen von Irland“ und ist der Anfang einer zweiteiligen Saga, in der Rutherford ganze sechzehn Jahrhunderte irischer Geschichte näher beleuchtet, angefangen beim keltischen Krieger Conall, der 430 n. Chr. die Macht der Druiden herausforderte, bis hin zur Jetztzeit.

_Story_

Im 5. Jahrhundert ist Dubh Linn (»dunkler Teich«) kaum mehr als eine Furt im Marschland mit einer Wassermühle und ein paar Bauernhöfen. Hier herrscht Fergus, der Viehhändler und Clanhäuptling. Er achtet die keltische Tradition, bis er miterleben muss, dass deren Hüter, die Druiden, seiner Tochter Deirdre und seinem Schwiegersohn ein übermenschliches Opfer abverlangen. Erst am Ende seines langen Lebens wird Fergus Zeuge, wie die Macht der Druiden gebrochen wird: Der ebenso charismatische wie gerissene Patrick, ein früherer Sklave, bekehrt immer mehr Menschen zum Christentum, auch Deirdres Sohn.

Nach der Invasion der Wikinger wird Dublin 841 eine bedeutende Hafenstadt. Fergus‘ Nachfahren müssen zwischen den Besatzern und den alteingesessenen Familien lavieren, um ihren Besitz in stürmischen Zeiten zu wahren. Nur zögernd schließen sie sich dem großen irischen Fürsten Brian Boru an, der die Wikinger 1014 in der dramatischen Schlacht von Clontarf endgültig besiegt. Aber Dublins Unabhängigkeit ist schon bald aufs Neue gefährdet: Die englischen Tudorkönige haben die Bedeutung der Stadt an der Liffey-Mündung erkannt und versuchen sie zu erobern.

_Meine Meinung_

Rutherford bewegt sich auf gefährlichem Terrain, indem er die Geschichte von Irland, oder besser gesagt von Dublin und Umgebung anhand eines Romans erzählt; schließlich muss der Autor fast ein komplettes Jahrtausend abdecken, und damit geht auch einher, dass mehrere Generationen die Hauptrollen in der Geschichte einnehmen. Hierbei besteht dann die Gefahr, dass das Buch doch eher zu einem unterhaltsamen Bericht avanciert und die Spannung, welche die irische Geschichte ja durch ihre vielen Fehden und Konflikte liefert, am Ende völlig untergeht.

Doch Rutherford hat die Aufgabe geschickt gelöst. Ausgehend von der Verteidigung der keltischen Kultur gegen die Druiden durch Fergus erzählt der Autor die breite Historie am Beispiel einer Familie, deren Werdegang eng mit der Geschichte Dublins verknüpft ist. Das Schicksal der heutigen Hauptstadt ist auch ihr Schicksal, und dadurch findet Rutherford auch immer wieder Ansatzpunkte, um die Nachfahren von Fergus, dessen Tochter Deirde usw. sowohl in die Rahmenhandlung als auch in die momentane politische Situation einzubeziehen.

Der Autor orientiert sich beim Aufbau der Geschichte aber auch sehr eng an den umfassenden Konfliktpunkten der irischen Vergangenheit und lässt eigentlich keine Details aus. Der Kampf gegen die Wikinger und gegen die Besatzng der Engländer wird ebenso eingeflochten wie der Konflikt mit dem Vatikan, und dies trotz des fiktiven Erzählstrangs, der wegen dieser vorgegebenen Linie keinesfalls an Spannung verliert. Einzig und alleine die Überleitungen zwischen den verschiedenen Epochen ruckeln manchmal, und so manche Verbindung zwischen den direkten und indirekten Erben von Dubh Linns Clanführer Fergus erscheint doch recht seltsam und kommt dann auch meistens eher zufällig zustande. Diese Aufgabe war aber mitunter auch die schwerste, denn es scheint beinahe unmöglich, die Entwicklung des Landes an einem einzigen Familienstamm festzumachen, und deswegen waren solche Zufälle wohl auch von Nöten.

Das Buch endet schließlich im 16. Jahrhundert an dem Punkt, als die Aufstände gegen die feindlichen Engländer voll im Gange sind, und auch wenn das Buch bis hierhin schon ganze 650 Seiten zählt, kann man dennoch nicht genug von Rutherfords Darstellungen bekommen. Er hat es wirklich wunderbar arrangiert, die faszinierende Geschichte der kleinen Inselrepublik erneut zum Leben zu erwecken. Im Gegensatz zu manch anderer historischen Aufarbeitung wirkt der Inhalt von „Die Prinzen von Irland“ trotz des enormen Zeitraums, der hier beleuchtet wird, unheimlich erfrischend, zumal die dramatischen Wesenszüge der eingeführten Charaktere im Zusammenhang mit der Entstehung der heutigen Republik einen repräsentativen Wert für die Schilderung der jeweiligen Epoche haben.

Nach der eigentlichen Erzählung legt der Autor in einem Nachwort dar, inwieweit Familiennamen, Orte und historische Ereignisse mit den tatsächlich Begebenheiten in Einklang zu bringen sind bzw. welche Darstellungen im Laufe der Geschichte frei erfunden sind. Auch wenn der Roman schon vorher abgeschlossen wird, sollte man diese wenigen Seiten auf jeden Fall noch durchlesen, denn erst danach darf man sich selber als „Experten“ im Hinblick auf die Geschichte der Insel bezeichnen.

Edward Rutherford hat mit „Die Prinzen von Irland“ ein mitreißendes Epos verfasst, dem es weder an Fakten noch an Dramaturgie mangelt. Selbst diejenigen, die glauben, alles über die Geschichte des Landes zu wissen, werden hier mit Sicherheit noch Wissenswertes entdecken, das ihnen bis dato nicht bekannt war. In erster Linie handelt es sich bei diesem Buch um einen spannenden Episoden-Roman, an dem man sicherlich auch Gefallen finden wird, wenn die Liebe zu Irland noch nicht so weit fortgeschritten ist.

Wer allerdings ohnehin schon der ‚grünen Insel‘ verfallen ist und sich auch nicht vor der Lektüre eines recht langen Romans scheut, wird keine Ausrede finden können, um sich diesem Buch zu verweigern. Für diese Zielgruppe ist „Die Prinzen von Irland“ Pflichtlektüre, und die Übrigen sollten sich kurz ins Gedächtnis rufen, dass bislang alle Bücher von Rutherford internationale Bestseller sind bzw. waren, und das aus gutem Grund. Fesselnder und lebendiger als in diesem wunderschön aufgemachten ersten Teil der Saga kann man Geschichte jedenfalls kaum darstellen.

Aaron Elkins – Yahi. Wald der Toten [Gideon Oliver 2]

In einem Urwald des US-Staates Washington wird die Leiche eines Wanderers gefunden. Tatwaffe scheint ein jahrtausendealter Speer zu sein. Wer könnte ihn mit übermenschlicher Kraft geschleudert haben? Als weitere Opfer auftauchen, bittet das FBI den Anthropologen Professor Oliver um Hilfe … – Der zweite Roman der Gideon-Oliver-Reihe stellt eine Mischung aus Krimi- und Science-Thriller dar, wobei die Wissenschaft auch im Dienst einer Botschaft steht, die sich aus der belasteten Kolonialgeschichte Nordamerikas speist: Mit manchmal zu deutlich erhobenem Zeigefinger erzählt der Autor eine oft eher interessante als spannende Geschichte. Aaron Elkins – Yahi. Wald der Toten [Gideon Oliver 2] weiterlesen

StirnhirnhinterZimmer

All jenen geneigten Lesern, die sich nun verwundert fragen, was dieses StirnhirnhinterZimmer sein mag, möchte ich anfangs ein paar einleitende Zeilen aus der gleichnamigen Präsentation in den Weiten des Netzes an die Hand geben:

|“Das StirnhirnhinterZimmer ist eine regelmäßige Lesereihe, die sich der phantastischen Literatur in ihren verschiedenen Ausprägungen widmet. Im Zentrum der Veranstaltung stehen Fantasy, Science Fiction, Märchen, Unheimliches und Groteske gleichberechtigt nebeneinander, um an jedem zweiten Donnerstag des Monats unter einem bestimmten Thema zum Vortrag gebracht zu werden.(…)“

„Ein Raum jenseits der tristen Korridore des Alltags. Ein Raum voller Fabelwesen, furchtsamer Weltraumpioniere, machttrunkener Dämonenfürsten (…) Ein Raum der Phantastik in all ihren Spielarten, präsentiert und imaginiert von drei jungen Berliner Autoren.“|

http://www.stirnhirnhinterzimmer.de

Bei meinem letzten Berlinbesuch kam ich nun endlich in den Genuss einer Visite im StirnhirnhinterZimmer, in dem sich die drei Berliner Autoren _Markolf Hoffmann_, _Christian von Aster_ und _Boris Koch_ das erste Stelldichein des Jahres 2006 gaben. In überschwänglicher Vorfreude kamen wir viel zu früh an der Z-Bar (Bergstraße 2, Berlin-Mitte) an. Nach kurzer Wartezeit, die wir uns mit einem kleinen Gaumenschmeichler vertrieben, öffneten dann auch gegen 20:30 die Tore des StirnhirnhinterZimmers, welches an diesem Abend bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Getreu dem Abendmotto „Hinab ins Dunkle“ kamen die drei Protagonisten und Gastgeber polternd und fluchend aus den dunklen Kellergewölben der Z-Bar, in denen sie nach eigenen Angaben die letzten Tage des Schaffens verbrachten. Markolf Hoffmannn eröffnete den Abend mit seiner Geschichte „Ego Shooter“, in der er sich in die trostlose und verwinkelte Welt eines solchen Computerspiels versetzte und dem Auditorium einige interessante Gedanken des bedauernswerten Protagonisten offenbarte, der bar jeder Erinnerung an sein früheres Leben erwacht und sich in einer todbringenden Umgebung wiederfindet. Schon bald wurde klar, dass er dieses Labyrinth am liebsten wieder verließe, in das ihn der menschliche Spieler, einer Marionette gleich, eingesperrt hatte. Christian von Aster konterte mit dem „Schattenbastard“ und Boris Koch eröffnete den Gästen tiefe Einblicke in den „Keller“, der einem trauernden Witwer zur Zuflucht und seinem Sohn zu einem Ort unbeschreiblichen Grauens wurde. Von Aster ließ den ersten Teil dieses schaurigen Abends mit seinen „Schrankaffen“ ausklingen, einer Kriminalgeschichte, in der sich ein englischer Kleinkrimineller mit den Machenschaften eines irren Wissenschaftlers konfrontiert sieht, die ihn in ein moralisches Dilemma stürzen.

In der nun folgenden kurzen Pause ergab sich die Möglichkeit, mit den Autoren ein kleines Schwätzchen zu halten, sich mit neuen Getränken zu versorgen oder einfach nur das soeben Gehörte sacken zu lassen.

Den zweiten Teil des Abends eröffnete Koch mit zwei neuen |urban legends|, „Jäger mit Promille“ und „Die Waffen einer Frau“. In „Jäger mit Promille“ berichtete er von den grotesken Versuchen eines alkoholisierten Waidmanns, sich eines unliebsamen Nagers zu entledigen. Die Stimmung im Saal war ausgesprochen heiter und ausgelassen, so dass auch die folgenden Geschichten, die sich eher der Groteske zuwandten, als dass sie wirklich schauriger Natur waren, beim Auditorium auf freudige Zustimmung trafen. Als nächstes geleitete Boris Koch uns in das literarische B-Movie „Giftangriff aus dem All“, in dem bösartige Aliens die Menschheit mittels vergammelter Imbissspeisen zu vernichten drohen. Markolf Hoffmann gab seinen „Brandbrief“ zum Besten und eröffnete den Zuhörern Einblicke in die obskuren Folgen eines Partyflirts. Christian von Aster erläuterte den Anwesenden die Vorteile einer Zwangssiamesierung mit seinem „Informationsblatt der Überlingen-Stiftung“ und schloss den Abend mit einer gelungenen Darbietung von „Sexuelle Identität: Krise, Konsequenz und Kompromiss“ in deren Verlauf er der Zuhörerschaft anhand einiger archetypischer Beispiele die sexuelle Psyche des Menschen erklärte. Zu guter Letzt wurde noch das Thema des nächsten StirnhirnhinterZimmers bestimmt, wobei sich Boris Koch eigenmächtig der Meinung des Auditoriums bediente. Am 09.02.2006 heißt es dann „Schweinekalt“.

Und so entließen die drei Gastgeber ihre Gäste dann aus den Fängen des StirnhirnhinterZimmers und wünschten uns noch einen angenehmen Abend. Natürlich standen sie auch noch für Gespräche, Anregungen und Feedback zur Verfügung und erfreuten sich ebenso des gelungenen Abends wie ihr Publikum.

Wer Spaß an experimentierfreudiger, junger Literatur hat und einen Besuch in Berlin einrichten kann, dem sei das StirnhirnhinterZimmer wärmstens ans Herz gelegt. Der frische Vortragsstil der drei Autoren wie auch ihr Ideenreichtum lassen einen Abend in ihrer Obhut zu einem ganz besonderen Ereignis werden. Und auch, wenn die Bestuhlung eigentlich nur ca. 30 Leute vorsieht, so lassen sich sicherlich noch einige Stühle organisieren, wenn der eine oder andere Gast mehr an die Tore des StirnhirnhinterZimmers klopft. Wenn ich euer Interesse geweckt habe und ihr mehr über das StirnhirnhinterZimmer und seine Gastgeber erfahren wollt, dann schaut doch einfach mal auf der [Website]http://www.stirnhirnhinterzimmer.de vorbei.

|© Foto: Nadja Ritter|

Stewart, Paul / Riddel, Chris / Niederfahrenhorst, Volker – Twig – Fluch über Sanktaphrax (Die Klippenland-Chroniken IV)

Buch I: [Twig im Dunkelwald 1936
Buch II: [Twig bei den Himmelspiraten 1999
Buch III: [Twig im Auge des Sturms 2101

Im vierten Teil der „Klippenland-Chroniken“ wird die Geschichte des Himmelspiraten Twig nicht chronologisch fortgesetzt. Stattdessen dient diese Episode dazu, die Vorgeschichte der bisherigen Erzählung und damit die Story von Twigs Vater, dem legendären Quintinius Verginix, aufzurollen. Der eigentliche Titelheld spielt daher hier auch nur eine untergeordnete Rolle, was vielen Fans der Serie zunächst Bedenken aufgab, die aber getrost ausgeräumt werden können, denn auch „Fluch über Sanktaphrax“ ist ein echter Twig, nur eben mit anderen Hauptfiguren.

_Story_

Linius Pallitax ist der allerhöchste Akademiker von Sanktaphrax und daher auch entsprechend geachtet. Als er eines Tages einen Gehilfen sucht, nutzt der junge Quint die Gunst der Stunde und bekommt tatsächlich die Anstellung als Lehrling. Zusammen mit Maris, der Tochter seines neuen Vorgesetzten, besucht er die Schule und erledigt die alltäglichen Aufgaben, die der Akademiker ihm aufträgt.

Währenddessen macht der höchste Akademiker von Sanktaphrax im Labyrinth eines wachsenden Felsens eine unglaubliche Entdeckung, von der er seiner Tochter und derem Geliebten jedoch erst nichts erzählt. Doch sein auffälliges Verhalten entgeht den beiden nicht. Quint begleitet den Wissenschaftler schließlich Nacht für Nacht, bis Linius eines Tages fast in diesem geheimnisvollen Felsen ums Leben kommt.

Quint wird erst dann richtig bewusst, dass sich hinter diesem Labyrinth ein Geheimnis verbirgt, von dem Linius von Anfang an wusste. Aber nun handelt er auf eigene Faust und erforscht gemeinsam mit Maris den rätselhaften Ort. Doch beide ahnen noch nicht, in welche Gefahr sie sich dabei begeben.

_Meine Meinung_

Anfangs habe ich mich gefragt, warum man die Auflösung von Quintinius‘ Vergangenheit erst im vierten Teil abhandelt und die einzelnen Episoden nicht der Reihe nach veröffentlicht hat, was für die eigentliche Geschichte natürlich unerheblich ist. Doch nun habe ich verstanden, dass dieses Vorgehen durchaus sinnvoll ist, denn ansonsten hätte man der Handlung in den ersten beiden Teilen der Reihe schon vorab die Spannung genommen, schließlich war es ja zu Beginn ein Geheimnis, dass der berühmte Himmelspirat Twigs Vater ist. Insofern ist „Twig – Fluch über Sanktaphrax“ dann auch eine komplett unabhängige Story, bei der die Vertautheit mit den einzelnen Charakteren natürlich enorm hilfreich ist. So weiß man zum Beispiel im Voraus, dass Quintinius ein ausgesprochener Sturkopf ist und kennt auch den weiteren Werdegang von Twig, der hier aber wirklich nur eine Rolle am Rande einnimmt. Entscheidend ist dieses Wissen aber natürlich nicht.

Überraschenderweise ist die eigentliche Erzählung – mal wieder vorgetragen vom genialen Volker Niederfahrenhorst – jedoch (zumindest meiner Ansicht nach) die spannendste der gesamten Reihe. Es gilt, mehrere Geheimnisse zu lüften, gleichzeitig aber auch wieder komplett neue Figuren anzunehmen und zu entdecken, was nach der Etablierung der bisherigen Charaktere wieder ganz erfrischend wirkt. Mit Maris und Linius integriert Autor Paul Stewart hier zwei sehr sympathische neue Figuren in die Geschichte, von denen man später (bzw. früher …) nie wieder etwas gehört hat (oder trügt mich mein Gedächtnis?). Doch auch die Trollin Welma Dornhold und der feindliche Raubgließer sind neu, ebenso wie die vielen Schauplätze des Geschehens. Die wachsenden Felsen zum Beispiel wurden bislang nur kurz erwähnt, und auch von der großen Bibliothek in Sanktaphrax war bislang nie die Rede. Und so wird man noch viel mehr Begebenheiten und Eigenschaften aufzählen können, die man bis dato nicht kannte, wenn man die Erzählung zum ersten Mal anhört, was ich persönlich sehr positiv finde, weil dem Autor so durchgehend ein gewisser Überraschungseffekt gelingt und die Story sich nicht selber durch Wiederholungen in eine Sackgasse navigiert.

Bei meiner Recherche habe ich festgestellt, dass die vierte Folge von Twig-Fans recht zwiespältig aufgenommen wird, und das fast ausschließlich, weil die eigentliche Hauptfigur zur Nebensache degradiert wurde. Doch „Twig – Fluch über Sanktaphrax“ ist weitaus besser als der heraufbeschworene Ruf und verdient daher auch auf jeden Fall eine Chance. Mir hat die Geschichte mal wieder sehr gut gefallen und bezüglich der Spannung ist sie sogar der Höhepunkt der bisherige „Klippenland-Chroniken“. Der wesentliche Unterschied besteht eben nur einzig und allein darin, dass Twig in seiner Heldenrolle durch seinen Vater Quint ersetzt wird. Das war’s auch schon.

Nancy Kilpatrick – Todessehnsucht

Ein Vampir tut sich mit einer Prostituierten zusammen, um einen mysteriösen Finsterling zu bekämpfen. Während dies mit den üblichen Schwierigkeiten – gegnerische Übermacht, Todesfallen, hinterhältige Mordattacken etc. – einhergeht, kommen sich Nosferatu und Frau näher, was der Autorin die Gelegenheit zur schmalzvollen Schilderung ‚gotischer‘ Sexkapaden gibt. Die leicht gegen den Gruselstrich gebürstete Figurenzeichnung hebt den routiniert geschriebenen Roman ein (kleines) Stück über den Genre-Durchschnitt.
Nancy Kilpatrick – Todessehnsucht weiterlesen

Clemens, James – Buch der Entscheidung, Das (Alasea / Banned and the Banished 5)

[Das Buch des Feuers 969
[Das Buch des Sturms 996
[Das Buch der Rache 1007
[Das Buch der Prophezeiung 1775

Die Expeditionen, die im vierten Band ausgezogen waren, um die Wehrtore des Greifen, des Basilisken und des Mantikor zu zerstören, haben ihre Aufträge erfüllt. Allerdings nicht, ohne einen hohen Preis zu bezahlen! Die El’ven haben ihre Königin und ihre Heimat in den Wolken verloren. Das Volk ist versprengt, und Merik kann nur einen Teil der Windschiffe wieder um sich versammeln. Der Kampf gegen den Greifen hat Mikelas und Krals Leben gefordert. Ferndals und Mogwieds Körper wurden zu einem gemeinsamen zusammengeschmolzen, den sie sich nun teilen müssen. Am schlimmsten jedoch hat es Elenas Bruder Joach getroffen. Er wurde nicht nur von Greschym seiner Jugend beraubt, er hat auch Kesla verloren, in die er sich verliebt hatte.

Nun bereiten sich die Verbündeten auf den Endkampf mit dem „schwarzen Herzen“ vor. Im nächsten Frühjahr wollen sie angreifen. Da platzt ein kleiner, blasser Mann im Narrenkostüm in eine Beratung und erklärt, dass sie nur noch einen Monat Zeit haben!

Dazu kommt eine Hiobsbotschaft von Merik: Ein Windschiff ist abgestürzt, und Kast und Saag’wan haben im Rumpf Eier aus Schwarzstein entdeckt! Daraufhin setzt geschäftiges Treiben ein. Die Strategen planen den Angriff auf Schwarzhall, Saag’wan und die Gelehrten A’loatals versuchen, das Geheimnis des Eis zu lösen. Sie beschließen, es zu öffnen. Ein folgenschwerer Fehler …

Währenddessen sind Elena, Er’ril, Joach, Merrik und Ni’lahn im Hof versammelt und beobachten, wie Ni’lahns Sohn Rodricko für seinen Baum das Erweckunslied singt. Gleichzeitig ist Greschym am Mondsee, einem magischen Ort, damit beschäftigt, seinen Knochenstab mit Elementarmagie aufzuladen.
Zwischen beiden Ereignissen entsteht eine Energiebrücke, die sämtliche Anwesenden außer Rodricko aus dem Garten zum Mondsee katapultiert, mit verheerender Wirkung für den See und seine Umgebung. Die Si’lura, die in diesem Teil der Wälder leben, sind darüber äußerst aufgebracht und nehmen die Gefährten gefangen …

Tol’chuk ist derweil mit Ferndal, Mogwied, Mama Freda und El’ven Kapitän Jerrick auf dem Weg in seine Heimat, um den geheilten Herzstein zurückzubringen. Bei ihrer Ankunft müssen sie feststellen, dass einer der Oger-Stämme unter einem unheilvollen Einfluss zu stehen scheint …

Und zu allem Übel ist die Zwergenarmee, die eigentlich auf dem Landweg nach Schwarzhall marschieren sollte, aus irgendeinem Grund nicht mehr aufzufinden. Als Tyrus sie endlich entdeckt, trifft ihn fast der Schlag!

Im letzten Band seines „Hexenzyklus“ kommt Clemens noch einmal richtig auf Touren. Schon den gesamten Zyklus über standen seine Protagonisten unter Druck. Den hat der Autor im letzten Band nochmal um eine Stufe erhöht, indem er der Gruppe kaum noch Zeit lässt und sie so zu überstürztem Handeln zwingt. Abgesehen davon müssen die Verbündeten sich jeden Fußbreit hart erkämpfen. Immer wieder zwingen unvorhergesehene Ereignisse dazu, in eine andere Richtung auszuweichen. Kaum ist eine Schwierigkeit überwunden, kommt schon die nächste daher!

Das zähe Ringen um jeden Zentimeter Boden wird in diesem Band für den Leser besonders hautnah. Clemens erlaubt seinen Charakteren so viele Gefühlsäußerungen wie nie zuvor. Besonders Elena bricht unter ihrer Angst und der Last der Verantwortung fast zusammen. Zudem hat er im Laufe der Ereignisse eine Menge Pärchen zueinander finden lassen: allen voran natürlich Elena und Er’ril sowie Cassa Dar und Jaston, Saag’wan und Kast, Merrik und Ni’lahn, Mama Freda und Jerrick …

Jetzt, wo es ums Ganze geht, konfrontiert der Autor seine Leser gnadenlos mit der Sorge dieser Personen um den/die jeweiligen Geliebten, mit Angst, Verlust und Schmerz. Auch die ständigen Hinweise auf Verwüstung und Zerstörung, die Ausführungen, die mit Schwarzhall und dem Krater in Wintershorst zusammenhängen, Svesa’kofas Mitteilung an Elena, das alles dient dazu, die Stimmung immer düsterer und unheilschwangerer zu gestalten. Außerdem droht noch immer Verrat aus den eigenen Reihen!

Trotz der vielen Stolpersteine und Umwege bleibt der vage Eindruck eines Hindernisrennens, der dem Vorgängerband anhaftete, aus. Das mag daran liegen, dass der Aufbau bei diesem letzten Bandes wesentlich komplexer geraten ist als beim vierten. Die verschiedenen Handlungsstänge laufen nicht einfach parallel zueinander, sondern es teilen sich Fasern ab, um sich mit anderen Strängen zu verbinden, oder es treffen sich Stränge, um fortan gemeinsam zu verlaufen, wobei die Bündelung zum Ende hin natürlich stetig zunimmt. Zudem ist Clemens wieder zu seiner Gewohnheit zurückgekehrt, Handlungsstränge immer gerade an den heikelsten Stellen zu unterbrechen.

Zusätzlich zu dem Aufwand, den die Zusammenführung aller Fäden bedeutet, hat Clemens auch noch einige neue Ideen in seine Erzählung einfließen lassen, darunter der Nexus und der Stein-Magus. Das Auftauchen des Letzteren wirkte ein wenig aufgesetzt, so als käme er überhaupt nur deshalb vor, weil er für die weitere Entwicklung unabdingbar ist. Eine oder zwei Erwähnungen am Rand zu einem früheren Zeitpunkt hätten die Begegnung etwas natürlicher wirken lassen.

Was mich überrascht hat, war, dass das „schwarze Herz“ die Information, die es von Mogwied erhalten hat, offenbar nicht einmal versucht hat zu nutzen. Hier ist ein Fadenende einfach verschütt gegangen.
Die Kurve, die die Diskrepanz zwischen Geschichte und Rahmen überbrückt, hat Clemens recht elegant genommen. Nur verstehe ich nicht: Warum ist die Geheimhaltung von Elenas Geschichte noch wichtig, wenn der Hexenstern am verlöschen ist und damit die Gleichheit der Menschen ohnehin aufgehoben wird?
Ein paar kleine Wermutstropfen, die im Hinblick auf die Gesamtheit des Zyklus aber nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.

Abschließend bleibt zu sagen, dass |Banned and the Bannished| zum Spannendsten gehörte, was ich in den letzten zwölf Monaten gelesen habe. Manches war für meinen Geschmack dann doch etwas zu abstoßend oder blutig, abgesehen davon jedoch ist es eine gute und fantasievolle Geschichte, die von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Für jeden, der weniger zart besaitet ist als ich und viel für Action übrig hat, nur zu empfehlen!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Canada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Kalifornien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause kam im Juli 2005 der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ heraus. Die deutsche Übersetzung erschien im September unter dem Titel [„Schattenritter“. 1794 Derzeit schreibt der Autor am zweiten Band dieses Zyklus, dessen Veröffentlichung unter dem Titel „Hinterland“ für dieses Jahr geplant ist.

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