Adrian, Lara – Gefährtin der Schatten (Midnight Breed 5)

Die |Midnight Breed|-Reihe:

Band 1: [Geliebte der Nacht 4775
Band 2: [Gefangene des Blutes 4781
Band 3: [Geschöpf der Finsternis 4902
Band 4: [Gebieterin der Dunkelheit 5298
Band 5: Gefährtin der Schatten
Band 6: Gesandte des Zwielichts

Überall auf der Welt kommt es zu Mordüberfällen auf Gen-Eins-Vampire. Der Orden versucht, dem Mörder auf die Spur zu kommen und ihm Einhalt zu gebieten. Deshalb wird Nikolai, einer der Ordenskrieger, nach Montréal zu dem Gen-Eins-Vampir Sergej Jakut geschickt, der durch Glück einen Mordanschlag überlebt hat, um mehr über den Täter zu erfahren und Jakut zu warnen. Doch Jakut, der sich in seinem im Wald verborgenen Jagdhaus, umringt von seinen Leibwächtern, in Sicherheit wiegt, weist Nikolais Hilfe ab. Er fühlt sich insbesondere von der Stammesgefährtin Renata und ihrer besonderen Gabe beschützt, die er zusammen mit dem kleinen Mädchen Mira, einer kleinen Stammesgefährtin mit einer Sehergabe, bei sich gefangen hält und für seine Zwecke missbraucht.

Als Nikolai die Mission abbrechen und nach Boston zurückkehren will, wird Sergej Jakut allerdings tatsächlich ermordet, und die Schuld an dem Mord wird Nikolai zugeschoben. Jakuts Mörder, sein Sohn Alexej, nimmt Kontakt mit dem korrupten Vampir Fabien auf – einem Mitglied der Agentur -, der nicht nur dafür sorgt, dass Nikolai in der Klinik der Agentur eingesperrt und gefoltert wird, sondern auch das kleine Mädchen Mira mit sich nimmt. Renata, die ihr Leben für die Kleine geben würde, befreit Nikolai aus der Klinik, in der Hoffnung, dass er ihr beim Aufspüren von Mira helfen kann. Während sie versuchen, Mira zu finden und sowohl Alexej als auch Fabien das Handwerk zu legen, entwickeln Renata und Nikolai eine tiefe Leidenschaft füreinander …

_Eindrücke:_

Mittlerweile ist die „Midnight Breed“-Reihe von Lara Adrian mit ihren sechs Bänden schon recht weit fortgeschritten. Wo in den ersten drei Bänden der Reihe jedes Buch im Prinzip seine eigene Geschichte erzählte und es kaum Zusammenhänge gab, baut sich nun seit dem vierten Band eine richtige Story auf, die auch im fünften Band weitergeführt wird. Eine Welle an Mordüberfällen auf die stärksten Vampire, die der ersten Generation, verbreitet sich auf der ganzen Welt. Dahinter steckt ein Vampir namens Dragos, der alle Gen-Eins-Vampire vernichten und eine neue Armee von Gen-Eins-Vampiren für seine Zwecke züchten will. Würde sein Plan aufgehen, würde das den Untergang der Menschheit und der normalen Stammesvampire bedeuten.

Durch die Hintergrundgeschichte wird die Geschichte der Ordenskrieger wesentlich besser. Die Geschichte an sich erhält mehr Hintergründe, wird spannender, und die Leidenschaft, die sich zwischen Nikolai und Renata aufbaut, bildet nicht mehr den absoluten Mittelpunkt der Geschichte. Zwar handelt es sich bei „Gefährtin der Schatten“ eindeutig um Fantasy Romance, aber die Liebesgeschichte wird nun endlich in eine normale, spannende Story eingebaut, statt dass, wie in den ersten paar Bänden, das Thema Liebe und die erotischen Szenen eigentlich den einzigen Inhalt der Geschichte bilden.

Zwar hat sich die Geschichte in dieser Hinsicht deutlich verbessert, aber andererseits bleibt der Verlauf der Story in manchen Bereichen doch wieder gleich. Die Liebesgeschichte zwischen Stammesgefährtin A und Ordensvampir B verfolgt immer dasselbe Muster: der Vampir, um den es geht, wird stets als Sonderling, Einzelgänger, Killer und so weiter bezeichnet, der sich von den anderen angeblich(!) unterscheidet und keine Verwendung für die Liebe hat, da ihn seine Berufung als Ordenskrieger zu sehr einnimmt. Letztendlich werden aber alle Vampire des Ordens genau gleich beschrieben. Zumeist ist auch die eine Stammesgefährtin gleich wie die andere, auch wenn Renata in diesem Fall eine Ausnahme bildet. Jedenfalls geht es dann so weiter, dass beide weder eine Liebesaffäre, geschweige denn eine feste Bindung wollen (dabei fällt des Öfteren das Wort „unmöglich“), aber dennoch fühlen sich beide Parteien innerhalb kürzester Zeit so sehr zu dem anderen hingezogen (in erster Linie natürlich sexuell, dann auch aus Liebe), dass sie letztendlich nach einigen gemeinsamen absolut feurigen Liebesnächten doch eine Blutsverbindung miteinander eingehen. Und dann ist die Geschichte zu Ende und im nächsten Band ist der nächste Vampir dran, bei dem alles wieder von vorne beginnt, bis irgendwann alle Ordensvampire, die eigentlich keine Frauen haben wollten, innerhalb von ein bis zwei Jahren doch noch mit der Frau ihrer Träume ausgestattet sein dürften.

Gerade was die Charaktere und den Verlauf der Liebesgeschichte angehen, hätte ich mir auch noch eine Veränderung gewünscht – dass nicht alles immer wieder dem Klischee des vorherigen Bandes entspricht, sondern auch mal etwas Neues geschieht; dass die beiden auf eine andere Art und Weise als sonst zusammenkommen; dass es auch mal mehr Komplikationen gibt; dass vielleicht auch einmal zwei Vampire um eine Frau kämpfen oder umgekehrt und, und, und … All das würde die „Midnight Breed“-Reihe um einiges interessanter machen.

Was die Charaktere in „Gefährtin der Schatten“ und den restlichen Bänden der Reihe betrifft, gibt es da auch noch ein bisschen mehr zu bemängeln. Dass die Nebencharaktere in der Geschichte recht oberflächlich gehalten sind, will ich dabei mal außer Acht lassen, aber auch die Protagonisten und vor allem die Antagonisten könnten sicherlich ein bisschen mehr Tiefe gebrauchen. Da die meisten Charaktere sehr klischeehaft gestaltet sind und die einzelnen Vampire (und zugehörigen Stammesgefährtinnen) innerhalb eines Bandes abgehandelt werden und danach kaum mehr eine Rolle in der Geschichte spielen, kann man zu keinem der Charaktere wirklich eine Bindung aufbauen, geschweige denn eine wirkliche Sympathie empfinden. Das hätte sicherlich besser funktioniert, wenn beispielsweise die Charaktere der Ordenskrieger sich mehr unterscheiden und vor allem auch in den Folgebänden eine größere Rolle spielen würden, damit man sie auch dann noch besser kennen lernen kann.

Der Schreibstil ist an sich ganz in Ordnung, wenn mich auch zwei Dinge daran gestört haben: einmal die Flüche, die Lara Adrian in all ihre Bücher aus der Reihe einbaut und die nach einer Weile einfach nur noch störend sind, und zudem noch die Ausdrucksweise an der ein oder anderen Stelle. Wenn die Erektion mit einem „stolzen Soldat“ verglichen wird und sie sich „auf seinem Geschlecht pfählt“, dann ist das nicht mehr erotisch, sondern in meinen Augen äußerst unglücklich umschrieben.

Alles in allem ist die ganze Geschichte auch übermäßig kitschig und leidenschaftlich, sodass es an einigen Stellen wirklich übertrieben ist. Wenn ein Ordenskrieger, der bis vor ein paar Tagen mit Liebe noch rein gar nichts am Hut hatte und plötzlich die Frau seiner Träume gefunden hat, seine Gefühle auf absolut klischeehafte Weise zum Ausdruck bringt und jedes Mal, wenn sich die beiden sehen, vor Leidenschaft schier in Flammen aufgehen, dann wirkt das einfach nur überzogen. Ebenso wenn bei den erotischen Szenen die Grenzen des Möglichen meilenweit überschritten werden.

Dennoch hat die Reihe etwas an sich, was „Frau“ dennoch weiter lesen lässt. So kitschig und übertrieben das Ganze auch ist, so oberflächlich und klischeehaft die Charaktere sind und so gleichartig die Liebesgeschichte auch immer wieder abläuft, irgendetwas hat die Reihe einfach, dass man dennoch wissen will, wie es weitergeht. Das liegt, wie ich glaube, einfach am Unterhaltungswert, den die Reihe trotz allem bietet.

_Fazit:_

„Gefährtin der Schatten“ von Lara Adrian hat einige schwerwiegendere und einige weniger herbe Mängel vorzuweisen, angefangen mit der Geschichte, die sich im Prinzip immer wiederholt, bis hin zu den Charakteren, die sich zumeist kaum voneinander unterscheiden. Dennoch hat sich die Reihe ab dem vierten Band gebessert, was auch noch in Band fünf, „Gefährtin der Schatten“, weitergeführt wird, und so kitschig und übertrieben die Geschichte auch ist, so ist dies doch eine unterhaltsame Lektüre für Zwischendurch.

_Die Autorin:_

Zusammen mit ihrem Mann lebt Lara Adrian an der Küste Neuenglands, die von uralten Friedhöfen und dem Atlantik umgeben sind. Schon in ihrer Kindheit entwickelte sie ein Faible für Vampirromane und verschlang Bücher von Bram Stoker und Anne Rice. „Geliebte der Nacht“ war ihr erster eigener Vampirroman.

|Originaltitel: Veil of Midnight
Deutsch von Katrin Kremmler
393 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8185-4|
http://www.egmont-lyx.com

Fritz Leiber – Hexenvolk

Ausgerechnet eine Universität wird zum Stützpunkt eines Hexenclubs, der seine Privilegien mit tödlichen Flüchen zu sichern weiß. Ein junger Professor und seine Frau bekämpfen die Zauberfrauen mit ihren eigenen Mitteln … – Nach über einem halben Jahrhundert wirkt dieser phantastische Klassiker ungemein frisch. Spannend und überzeugend bringt Leiber das Thema in die Gegenwart: Qualitäts-Horror für Leser, die vom Genre mehr als scheinbrünstige Vampirchen fordern. Fritz Leiber – Hexenvolk weiterlesen

Handeland, Lori – Wolfsglut (Geschöpfe der Nacht 3)

Band 1: [„Wolfskuss“ 5012

Ausnahmsweise ist einmal die Frau die Bestie – oder zumindest ein bisschen. In Lori Handelands Romantic-Fantasy-Buch „Wolfsglut“ hütet die junge, hübsche Virologin Dr. Elise Hanover nämlich ein düsteres Geheimnis: Bei Vollmond verwandelt sie sich in einen Werwolf …

Allerdings tut sie gleichzeitig Gutes. In einem streng geheimen Labor der Organisation der „Jägersucher“ forscht sie nach einen Gegenmittel gegen das Virus, das Menschen zu Werwölfen werden lässt. Niemand weiß von ihrer Existenz, doch eines Tages taucht Nic, ihre alte Liebe, die sie vor sieben Jahren Hals über Kopf verlassen hat, wieder bei ihr auf. Er ist FBI-Agent und auf der Suche nach vermissten Personen.

Obwohl sie immer noch Gefühle für einander empfinden verhält sich Elise ihm gegenüber abweisend. Als wenig später Elises Labor in die Luft fliegt, bleibt ihnen allerdings nichts anderes übrig, als zusammen zu arbeiten. Das Labor liegt nämlich abgelegen in einem Waldstück, und als mit einer Silberkugel auf Elise geschossen wird, ist ihr klar, dass jemand weiß, was sie ist und hinter ihr her ist. Gemeinsam mit Nic flieht sie nach Winsconsin, wo Elises Chef ein Rudel von Werwölfen jagt. Doch ihre Verfolger bleiben ihnen auf den Fersen. Nic hat noch immer keine Ahnung, was Elise ist – und der Vollmond nähert sich …

_“Wolfsglut“_ bietet Romantic Fantasy mit viel Gewicht auf „Romantic“ und weniger Gewicht auf „Fantasy“. Dass einmal die Frau das Monster ist, ist eine nette Abwechslung, aber ansonsten ist Handelands Roman nicht unbedingt eine Bereicherung des Genres. Die Werwölfe werden als menschenfressende Monster dargestellt, weitere übernatürliche Wesen findet man kaum in der Geschichte. Einzig ein wenig Indianerzauber kommt noch vor, doch von der Kreatitivität einer Kim Harrison oder Patricia Briggs ist die Autorin weit entfernt.

Trotz der Werwölfe spielt das Buch in einer sehr alltäglichen Welt. Die Handlung selbst bezieht viel Dynamik aus den unausgesprochenen und später ausgelebten Gefühlen zwischen Nic und Elise. Die Jagd nach den Monsterwölfen in Winsconsin und die Verfolger, die es auf das verhinderte Liebespaar abgesehen haben, spielen auch nur eine Nebenrolle. Wirklich spannend ist die Geschichte deshalb nicht. Es gibt zwischendurch Durststrecken, vorhersehbare Ereignisse und so gut wie keine Überraschungen.

Bei den Personen konzentriert sich die Autorin auffällig stark auf Nic und Elise. Sie erzählt zwar nur aus der Ich-Perspektive von letzterer, aber alle anderen Personen spielen nur am Rande eine Rolle. Sämtliche von Elises Jägersucherkollegen werden erwähnt, aber nicht wirklich charakterisiert. Sie bleiben verschwommen und können dadurch nicht viel zur Geschichte beitragen. Elise hingegen wird recht deutlich gezeichnet, vor Allem, was ihre Vergangenheit angeht, aber auch sie hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Dafür mangelt es ihr an Wesenszügen, die sie wirklich von Anderen abhebt.

Das einzige, was die Protagonistin ausmacht, ist ihr dezenter Humor und ihr Erzählstil. Sie wendet sich während der Geschichte immer wieder direkt an den Leser und erklärt auch entsprechend, als ob sie genau wüsste, wer dieses Buch liest. Diese geschickt gewählte Strategie sorgt dafür, dass man sich als Leser mit Elise verbunden fühlt. Ansonsten schreibt Handeland sicher und flüssig, aber nicht besonders originell.

_In der Summe_ ist „Wolfsglut“ daher ein Buch, dass man lesen kann, aber nicht lesen muss. Wer kein Fan von romantischen Liebesgeschichten ist, wird vermutlich wenig Freude an der Geschichte haben.

|Originaltitel: Dark Moon
Aus dem Englischen von Patricia Woitynek
352 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582073|
http://www.egmont-lyx.de
[Website der Autorin]http://www.lorihandeland.com

Köhler, Horst (Horn, Guildo) – Doppel-Ich

Er ist der ‚Meister‘, als solcher ein echter Vorzeige-Hippie, der Retter der Nussecken und des deutschen Schlagers, und vor allem hat er uns alle lieb: Guildo Horn ist aufgrund seines gewöhnungsbedürftigen, nicht gerade konventionellen Erscheinungsbilds eine Person, die unfreiwillig polarisiert, der es aber nie darum gegangen ist, die Meinungen zu spalten oder wegen seines auffälligen Äußeren im Rampenlicht zu stehen. Stattdessen ist Horn vor allem als Mensch in Erscheinung getreten, der mit seinen Meinungen nicht zurückhält, der auch unbequeme Themen anspricht, der sich vor allem nicht verdrehen lässt und mit seinem Idealismus immer mehr Leute von sich überzeugt hat.

Dem gegenüber steht aber auch ein sehr sensibler Mensch, eine zielorientierte Person, die für Werte, Traditionen und den Erhalt der Kultur einsteht, die Moral verteidigt, sich aber auch bemüht, sie adäquat neu zu definieren. Kurzum: Dieser Guildo Horn, der eigentlich Horst Köhler heißt und nicht nur einmal mit dem aktuellen Bundespräsidenten verwechselt wurde, ist ein Eigenbrödler, aber ein sympathischer dazu – und dass er viel zu erzählen hat, ergibt sich aus seinem bunten, bewegten Lebenslauf von selbst.

In „Doppel-Ich“ präsentiert Horn alias Köhler seine zweite, bislang oft zurückgehaltene Identität als Privatmensch. Er berichtet von seinem Beruf – oder besser gesagt seiner Berufung – als soziale Kraft in der Arbeit mit geistig behinderten Menschen, spricht von den vielen Vorurteilen, die auch ihm immer wieder entgegengebracht wurden, und vom Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten. Und wie es seinem Naturell entspricht, bleibt Köhler hierbei sehr gelassen, vermeidet jeglichen Ansatz von Wut und Aggression und formuliert selbst die unliebsamsten Erfahrungen auf positive Art und Weise. Unterdessen beschreibt er wichtige Stationen in seinem Leben, schneidet seine Kindheit an, die Beweggründe für den eingeschlagenen Lebenswandel, kommt immer wieder auf das Minderheiten-Thema zu sprechen, das ihn tagtäglich im Berufsalltag beschäftigt, und orientiert sich erst einmal nicht an der Person, die über das Showbusiness an die Öffentlichkeit getrieben ist und ihn spätestens seit der Grand-Prix-Teilnahme zum Superstar im hiesigen Schlager gemacht hat.

Bis Guildo jedoch ins Spiel kommt, hat man schon so einiges über den Menschen erfahren, der mit der nötigen Entschlossenheit, aber auch mit der so seltenen Authentizität an sein Werk gegangen ist. Natürlich verkündet Horn zwischen den Zeilen sehr stolz, dass er sich mit seinem musikalischen Konzept durchgesetzt hat, ohne zwangsläufig im Strom mitschwimmen zu müssen. Zwar blieben ihm weitere Hits versagt, doch alleine dieser Moment, es geschafft zu haben, mit einem ehrlichen Stück Arbeit an die Spitze gekommen zu sein, wird ausgekostet und mit ein wenig Detailverliebtheit weitergegeben – schließlich ist es wahrscheinlich auch der Knackpunkt gewesen, der überhaupt erst dazu führen konnte, dass das Interesse an diesem Menschen gewachsen ist und diese Biografie überhaupt erst realisiert werden konnte.

Doch was will Köhler/Horn uns nun überhaupt mit der ebenfalls alles andere als normal strukturierten Lebensgeschichte sagen? Steckt tatsächlich eine tiefere Intention hinter „Doppel-Ich“? Tja, sie tut’s, doch sie ist ebenso simpel wie effektiv: Es geht einfach darum zu vermitteln, dass man auch als vergleichsweise unauffälliger Durchschnittsbürger zu etwas kommen kann, wenn man sich nicht verdrehen und ummodellieren lässt, sondern einfach nur ehrlich und selbstbewusst sein Ding durchzieht. Mit dieser Lebensweisheit hat Guildo Horn es zu einer der wichtigsten Personen des letzten Jahrzehnts gebracht, sich bis heute immer wieder im Gespräch gehalten und trotz des Erfolgs immer seinen Standpunkt verteidigen können. Das macht den Sympatico nicht bloß zu einem glaubwürdigen Idol oder einem stillen Helden, sondern auch zu einem der angenehmsten Zeitgenossen, die der Buchmarkt im Hinblick auf die derzeit publizierten Biografien zu bieten hat. Denn was könnte lesenswerter sein als das Leben an sich? Gerade wenn es zeigt, dass Randerscheinungen wie geistige Behinderungen keine Barrieren für ein Miteinander mehr sein müssen …

|Gebundenes Buch, Pappband, 192 Seiten
ISBN: 978-3-579-06990-6|
http://www.randomhouse.de/gvh

Ilona Andrews – Die Nacht der Magie (Stadt der Finsternis 1)

Ilona Andrews klingt auf den ersten Blick wie ein ganz gewöhnlicher Autorenname. Tatsächlich verbergen sich dahinter aber zwei Menschen, nämlich ein amerikanisches Ehepaar, das gemeinsam begonnen hat, eine Dark-Fantasy-Reihe mit dem Titel „Stadt der Finsternis“ zu schreiben. Wie fruchtbar eine solche Partnerarbeit sein kann, zeigt der erste Band „Die Nacht der Magie“.

_Kate Daniels_ ist eine Söldnerin, die Magie und Kampfkunst beherrscht. Sie vertreibt magische Wesen aus Atlanta und Umgebung, die von den Wellen Magie, die die Stadt immer wieder heimsuchen, in das Leben der Menschen gespült werden. Diese Arbeit ist nicht besonders einträglich, aber Kate ist ihre eigene Herrin und keinem Arbeitgeber unterworfen.

Ilona Andrews – Die Nacht der Magie (Stadt der Finsternis 1) weiterlesen

RICHELLE MEAD – Blutsschwestern (Vampire Academy 01)

Sie sind zwar keine Zwillinge, aber auf magische Art und Weise miteinander verbunden: Lissa und Rose sind die erwachsenere, etwas freizügigere Version von „Hanni und Nanni“. Sie wohnen im Internat St. Vladimir’s in Montana, wo sie alles Wichtige für ihr zukünftiges Leben in einer düsteren Welt voller Magie und Untoter lernen. Und wie gefährlich das sein kann, lernen sie im ersten Band der „Vampire Academy“-Reihe „Blutsschwestern“ auf brutale Art und Weise.

In Meads Welt gibt es neben normalen Menschen drei weitere „Arten“ von Wesen: Die Moroi, zu denen Lissa gehört, sind lebende Vampire, die zwar Blut brauchen, aber nicht töten; Strogoi sind tote Vampire, die die Moroi jagen und ausrotten wollen und sehr gefährlich sind; und dann gibt es noch die Wächter, zu denen Rose gehören wird, wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen hat. Die Aufgabe der Wächter ist es, auf die Moroi aufzupassen, damit diese den Strogoi nicht zum Opfer fallen.

Normalerweise leben Moroi und Wächter-Novizen im Internat St. Vladimir’s einträchtig nebeneinander her, doch bei Lissa und Rose ist das anders. Sie kennen sich schon sehr lange und sind durch ein magisches Band verbunden, durch das sie die Gefühle der anderen wahrnehmen können. Außerdem kann Rose sich manchmal in Lissas Gedanken hinein versetzen. Ein solches Band ist selten genug und es hilft den beiden, als jemand Anschläge auf Lissa verübt. Ein Unbekannter legt tote Tiere in ihr Zimmer, was sie in Angst und Schrecken versetzt und die wagemutige Rose alarmiert. Irgendjemand scheint es auf Lissas Leben abgesehen zu haben …

„Blutsschwestern“ ist Dark Fantasy mit einem Schuss Romantik, der genau auf die Zielgruppe jugendlicher Leserinnen zugeschnitten ist. Die Intrigen und Liebeleien auf dem Internat nehmen einen wichtigen Platz in der Handlung ein, genau wie das Liebesleben der Protagonistin und Erzählerin Rose. Diese hat damit zu kämpfen, dass sie allgemein einen etwas liederlichen Ruf hat, dass sich ihr guter Freund Mason für sie interessiert und dass sie ihren Privattrainer, den Wächter Dimitri, überaus attraktiv findet. Dimitri scheint Ähnliches für sie zu empfinden, doch er beruft sich stets auf den Altersunterschied von sieben Jahren und seine Position. Das macht das Training der Beiden nicht unbedingt einfach, besonders, da Rose manchmal sehr sturköpfig sein kann.

Daneben hat die Handlung noch einiges Anderes zu bieten: Erlebnisse aus der Vergangenheit der beiden Mädchen, eine verschwundene Lehrerin, Angriffe und Action, Magie und eine historische Gegebenheit, die für die Gegenwart sehr wichtig ist. Richelle Mead mixt in dem Buch sehr viel zusammen. Das tut der Geschichte nicht gerade gut. Es fehlt der Fokus, häufig passiert zu viel auf einmal. Gerade die Handlungselemente, die über den Internatshorizont hinausgehen, verblassen, weil sich sehr viel um das Miteinander der Schüler und Schülerinnen dreht. Das beschreibt die Autorin zwar sehr spannend und anschaulich, aber die Nebenhandlungen lenken davon ab.

Rose Hathaway, die siebzehnjährige Hauptperson, ist als solche keine schlechte Wahl. Sie ist zwar noch nicht ganz ausgereift und wirkt manchmal etwas fahl, aber auf weiten Strecken kann sie überzeugen. Das junge Mädchen ist frech, gewieft und man sollte sich nicht mit ihr anlegen. Sie ist kein braves Mädchen, besitzt aber durchaus anständige Charakterzüge. Ihr Humor und ihre Aggressivität machen sie zu einer kühnen Heldin, die den jugendlichen Leserinnen gefallen wird.

Die Identifikation mit Rose dürfte leicht fallen, da sie aus der Ich-Perspektive erzählt und ihre Gedanken und Gefühle (und manchmal auch die von Lissa) sehr lebendig und authentisch darstellt. Der Schreibstil der Autorin erinnert dabei stellenweise an den, der auch in Frauenromanen mit schlagfertigen Hauptfiguren angewendet wird. Mit ihrem bissigen Witz und der temperamentvollen Wortwahl macht Mead nichts falsch. Das Buch liest sich angenehm und schnell und Rose bekommt durch die Dialoge und Beschreibungen noch mehr Leben eingehaucht.

„Blutsschwestern“ ist ein guter Auftakt für eine Reihe von Vampirbüchern, die auf eine junge Zielgruppe zugeschnitten sind und diese vermutlich auch erreichen werden. Rose ist eine authentische und sympathische Hauptperson, deren Witz und Biss das Buch fast zu einem Vergnügen werden lassen, wäre da nicht die stellenweise etwas verwirrte Handlung. Doch die weiteren Bände von „Vampire Academy“ sollten Richelle Mead die Möglichkeit geben, dieses anfängliche Manko auszubügeln.

Originaltitel: Vampire Academy
Aus dem Englischen von Michaela Link
287 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582011

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Saintcrow, Lilith – Höllenritt (Dante Valentine – Dämonenjägerin 2)

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, dass besagt, dass die Heldinnen in Dark Fantasy-Büchern immer wunderschöne, fast schon elfengleiche Wesen von großer erotischer Ausstrahlung sein müssen. Die amerikanische Autorin Lilith Saintcrow hüpft mit ihrer „Dante Valentine – Dämonenjägerin“-Serie aus der Reihe. Dante ist zwar auch überirdisch schön, doch seit sie im ersten Band mit Luzifer aneinander geraten ist, ist sie Halbdämonin. Ihre rechte Hand ist verkrüppelt, die meisten Menschen finden sie einschüchternd – doch das stört die kämpferische Einzelgängerin nicht wirklich. Dass ihr Geliebter, der Dämon Japhrimel, tot ist, hingegen schon.

_Um sich von ihrer Trauer_ abzulenken, geht Dante ihrem Job als Kopfgeldjägerin nach. Sie geht dabei ständig aufs Ganze und begibt sich in Lebensgefahr. Zusammen mit ihrem Mitarbeiter Jace, ihrem ehemaligen Geliebten, der immer noch etwas für sie empfindet, machen sie im dystopischen Saint City Verbrecher dingfest. Eines Tages wird Dante von ihrer Freundin Gabe gebeten, ihr bei einem Kriminalfall zur Seite zu stehen. Ein brutaler Mörder hat einen Menschen, eine Sexhexe und eine Nekromantin umgebracht. Dante, die in Menschengestalt selbst eine Nekromantin war, soll sich in die Leiche von Christabel Moorcock hinein versetzen. In ihrer neuen halbdämonischen Gestalt hat sie das noch nicht getan und es endet beinahe tödlich für sie, als sie es versucht.

Christabel hat jedoch vor ihrem Tod eine Nachricht hinterlassen, die nach Rigger Hall führt. Rigger Hall war Schule und Waisenhaus für Dante und andere psionische Kinder (Kinder mit magischen Kräften), die dort ausgebildet wurden, aber auch unter ihrem sadistischen Direktor und dessen Methoden leiden mussten. Die Erinnerung an diese Zeit raubt Dante fast die Kraft. Als auch noch ihr Kollege Jace getötet wird, schwört sie Rache – wer auch immer hinter den Morden steckt …

_Im zweiten Band_ der Reihe muss sich die toughe Dante mit ihrer schrecklichen Kindheit auseinandersetzen. Das ist ein sehr geschickter Schachzug. Der Leser lernt sie dadurch besser kennen und Saintcrow macht nicht den Fehler, den Leser durch schwachbrüstige Krimihandlungen, die mehr als Mittel zum Zweck dienen, zu quälen. Die Handlung ist dementsprechend spannend, da sie immer wieder neues aus Dantes düsterer Vergangenheit zu Tage bringt. Mitreißend und actionreich bietet „Höllenritt“ kaum einen Moment der Ruhe. Gepaart mit dem intensiven Einblick in Dantes Gedankenwelt entwickelt sich ein fesselnder, dichter Plot, der den Leser wahrlich auf einen Höllenritt mit nimmt.

Dies geschieht in einer Science-Fiction-Welt, die sich stark von dem unterscheidet, was andere Dark Fantasy zu bieten hat. Alles ist neu in dieser Welt. Es gibt zwar bekannte Städte- und Ländernamen, aber das gesamte Regierungssystem ist ein anderes. Die Welt wird durch Hegemonien beherrscht, es ist die Rede von einem Siebzigtagekrieg, ständig geht es um Psione, also „magiebegabte“ Menschen und andere Übersinnlichkeiten. Es gibt keine Autos, kaum die gewohnte Elektronik. Stattdessen werden Gleiter verwendet, Datbänder, Holovids – Saintcrow hat sich ihre eigene Kulisse gebastelt und weiß durch Detailgenauigkeit und Sorgfalt zu überzeugen. Der Einstieg in diese Welt erfolgt zwar etwas ruppig, aber bereits nach wenigen Seiten hat man sich an sie gewöhnt. Das Glossar am Ende des Buches ist dabei sehr hilfreich, auch wenn es ruhig etwas umfassender hätte sein können. Gerade die alltäglichen Gerätschaften werden dort kaum erwähnt, aber auch in der Geschichte nie wirklich beschrieben.

Andere Kleinigkeiten schlachtet die Autorin dafür umso mehr aus. Sie erzählt aus Dantes Ich-Perspektive und lässt kaum einen Gedanken ihrer Protagonistin aus. Einzelne Situationen beschreibt sie seitenlang, obwohl man sie auch wesentlich kürzer abhandeln könnte. Gerade der Anfang wird dadurch zu einer Qual, doch ist der Einstieg erstmal gelungen, zieht Saintcrow das Tempo an. Ihr Erzählstil wird knapper, sicherer und macht mehr Spaß. Er wird vor allem durch die düsteren, deprimierten Gedanken Dantes und ihren Humor geprägt. Beides lässt ihn unverwechselbar werden.

Das Gleiche gilt für die Protagonistin selbst. Auch sie findet sich in ähnlicher Form in keinem anderen Buch. Während sie im [ersten Band]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5288 der Reihe noch menschlich war, hat sie sich mittlerweile in eine Halbdämonin verwandelt. Das ist eine nette Abwechslung zu all den Vampiren, Hexen und Werwölfen. Abgesehen davon hat sie auch wesentlich mehr Biss. Sie ist eine Kämpferin, sie kann sich selbst verteidigen und sie ist vor Allem emanzipiert. Sie verfällt nicht in eine besinnungslose Schwärmerei für die Reize eines attraktiven Mannes – im Gegenteil. Sie steht mit beiden Beinen im Leben, ohne dabei unweiblich zu wirken. Die Härte, die sie nach außen zeigt, und die innere Zerrissenheit, von der nur der Leser erfährt, erzeugen eine faszinierende Frauenfigur, die man als Leser gerne bei ihren Abenteuern begleitet.

_Was am Ende bleibt_ ist ein unglaublich gut gemachter, spannender, mitreißender Dark Fantasy-Roman. Dass Saintcrows Detailverliebt sie ab und an stolpern lässt, ist ein Manko, das man in Kauf nehmen muss. Allerdings ist es auch diese Kleinteiligkeit, die bewirkt, dass Saintcrows Fantasiewelt vor den Augen des Lesers zum Leben erwacht. „Höllenritt“ ist sogar noch besser als „Teufelsbraut“ und zementiert Saintcrows Platz in den oberen Rängen der Dark Fantasy-Autorinnen.

|Originaltitel: Dead Man Rising
Aus dem Englischen von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
426 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802581953|
http://www.egmont-lyx.de

_Lilith Saintcrow bei |buchwurm.info|:_
[„Teufelsbraut (Dante Valentine – Dämonenjägerin 1)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5288

Andreas Gloge / Volker Sassenberg – Abseits der Wege. Kapitel 6: Erloschen

Der Markt phantastischer Literatur wird bombardiert mit Vampirromanen, Zauberlehrlingen und Zwerg-Elb-Mensch-Abenteuern. Im Zuge der Digitalisierung, Modernisierung und Beschleunigung werden immer mehr Publikationen auch in hörbarer Form auf den Markt geworfen, um auch dem Nichtleser oder Lesefaulen Zugang zu diesen Wundern der Unterhaltungsliteratur zu ermöglichen – da fällt es dem geneigten Leser immer schwerer, etwas zu finden, das den eigenen Ansprüchen genügt. Oft greift man dadurch auf bewährte Themen oder Autoren zurück, wodurch eben Massenproduzenten wie Hohlbein oder Heitz immer größere Marktanteile gewinnen – was glücklicherweise die kleinen Verlage und echten Fans nicht davon abhält, gute und schöpferische Geschichten zu produzieren – die ebenso glücklicherweise auch ihre Anhänger finden. So ist die Fantasywelt von „Abseits der Wege“ eine dieser kleinen feinen Besonderheiten, die sich nur in Hörspielform präsentiert und in einzelnen Kapiteln fortsetzt. Vorliegend Kapitel sechs mit dem Eigentitel „Erloschen“:

Gaston Glück und die königliche Prinzessin Myrell sind mit ihrem diebischen Begleiter Ruttgar weiterhin auf dem Weg nach Norden, um ihr Ziel, die Feuer von Norgond, zu erreichen und sich dort mit anderen Trägern „Schwarzer Pergamente“ zu treffen. Von hier aus soll die Befreiung der Welt organisiert werden, aber ehe es so weit ist, müssen sich die Gefährten durch übermächtige Gegner den Weg bahnen. Seit ihrem Versteck im Aquädurm sind ihre Verfolger verschwunden.

Stattdessen löst ihre Anwesenheit den Zauber, der das allgegenwärtige Obsidian umfängt, und lässt das Gestein splittern und berstend auf die geplagten Gestalten nieder gehen, die in der obersten Turmkammer Zuflucht gesucht haben. Der Obsidian kann Erinnerungen einschließen – und Gleiches soll nun mit den Eindringlingen geschehen. Doch zum Glück droht noch größeres Unheil und beendet mit seinem Angriff die Obsidiangefahr: Myrell nennt das Wesen |den Bann|, ein gebirgsgroßes Ungetüm, dessen Kiefer gerade den Turm umschließen …

Derweil schlagen sich Gastons ehemalige Begleiter Dungring und Halmir durch den Sumpf, geführt von Tebald Glück, der sein Augenlicht verlor und auf die Augen seiner Begleiter angewiesen ist. Ständig bedroht durch schaurige Kreaturen, suchen sie einen Weg, Gaston und seine Begleiter einzuholen. Doch ihr Weg endet in den Höhlen der Herbstlichen …

Erloschen ist nicht nur der Titel des Kapitels, sondern auch der Zustand einer großen Hoffnung gegen die Verweser. Die Gefahren, mit denen die beiden Wandergruppen konfrontiert werden, sind unmenschlich und werden durch abenteuergeschichtentypische Zufälle überwunden. Dabei bleiben die Probleme der zweiten Gruppe um Tebald etwas bodenständiger, während sich Gaston mit bedrohlichem Obsidian, wolkenkratzenden Bännen und Versammlungen der Faiyen herumschlagen muss. Wie es derzeit um die Lage in der Hauptstadt bestellt ist, bleibt in dieser Folge unbehandelt.

Die musikalische Hintergrundbeleuchtung und der raue Erzähler entwickeln eine kalte und spannende Atmosphäre um Gastons Gruppe, und auch hier ist ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Gruppen zu verzeichnen: Der Marsch durch die Sümpfe wird gut akustisiert, aber diese fiebernde Spannung baut sich dort nicht im selben Maße auf wie bei der anderen Gruppe.

Die Sprecher machen ihre Sache gut, nur Gaston klingt etwas jungenhaft-hibbelig und den Falter Sha’Agrotis versteht man selten. Manchmal gehen einzelne Wörter im Brausen von Flügeln oder Grummeln von Bännen unter; so weiß ich nicht mit Sicherheit zu sagen, ob der Turm (als Ausgangspunkt dieses Kapitels) als „Aquädom“, „Aquäturm“ oder „Aquädurm“ bezeichnet wird und ohne den Hintergrund der ersten fünf Kapitel weiß ich auch nicht, was sich dahinter verbirgt und ob es etwas Wichtiges ist.

So kommen wir zur nächsten Frage: Die Möglichkeit für Neueinsteiger ist hier in Kapitel sechs durchaus gegeben, denn trotz der Kürze des Spiels (immerhin handelt es sich nur um eine CD) wird durch kurze Bemerkungen immer wieder auf Vorangegangenes hingewiesen. Einzelheiten, die hier nicht nochmal ausgebreitet werden, wird man also im Laufe der noch zu erwartenden sechs Kapitel erfahren können, oder, wie in Gestalt des Turmes zu erwarten ist, wenn es sich um Unwichtiges dreht, wird man auf dem Unwissen sitzen bleiben.

Entgegen der Erfahrungen mit den Kapiteln vier und fünf folgt „Erloschen“ einer recht geraden Storyline in zwei Ebenen, die durchweg spannend und unterhaltsam zu hören ist und in dem Erreichen eines Teilerfolges gipfelt, wie es sich für die Halbzeit einer Geschichte gehört. Insgesamt muss allerdings gesagt werden, dass ein Hörspielausschnitt, also ein Kapitel, in der Länge von nur einer CD etwas unbefriedigend ist. Dadurch ist man gezwungen, diese interessante Welt gerade dann, wenn man so richtig in ihr verschwunden ist, wieder zu verlassen. Was bleibt, ist immerhin ein Erfolg für den Produzenten: Das Warten auf den nächsten Teil.

Regie und Produktion: Volker Sassenberg
Label: Star Bugs (Universal)
http://www.folgenreich.de
ISBN-13: 978-3-8291-2238-2
Audio-CD, Spieldauer ca. 62 min

Sprecher:
Erzähler: Heinz Ostermann
Gaston Glück: Timmo Niesner
Dungring: Stefan Krause
Halmir: Hannes Maurer
Myrell: Diana S. Borgwardt
Ruttgar: Engelbert von Nordhausen
Scha’Agrotis: Dirk Müller
Tebald Glück: Jürgen Kluckert
Gajan: Eberhard Prüter
Po: Volker Sassenberg
Lyssandrer: Martina Treger
Introerzählerin: Diana S. Borgwardt

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Ernst, Cristoph (Roman); Jeltsch, Christian (Drehbuch) – TATORT: Strahlende Zukunft

Der TATORT begeistert seit 1970 ein Millionenpublikum, kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mindestens eine Folge entweder in der ARD oder einem der dritten Programme gesendet wird. An solchen Tagen oder bei Gelegenheiten, an denen man keinen Zugriff auf ein Fernsehgerät hat, werden Tatort-Jünger offenbar häufig von Entzugserscheinungen geschüttelt. Der |Emons-Verlag| dealt daher seit Ende September 2009 erfolgreich mit Ersatzdrogen in Form von Buchversionen auf Basis bereits ausgestrahlter Fälle mit besonders beliebten Ermittlern. Die ersten Sechs zum Preis von je 8,95 € sind dabei so erfolgreich gestartet, dass bereits eine zweite Lage für das Frühjahr 2010 fest angekündigt wurde.

_Zur Story_

Sandra Vegener sieht keinen anderen Ausweg: Sie überfährt gezielt den Richter, der sie damals in die Psychatrie steckte und richtet sich danach selbst. Nicht jedoch, ohne der Nachwelt ein Vermächtnis zu hinterlassen. Ein Teil davon ist Hauptkommissarin Inga Lürsen, welche sie damals abwies, da sie sich für die abstrus klingende Geschichte über gefährliche Machenschaften des Mobilfunkbetreibers „2wave“ nicht recht zuständig fühlte. Die renitente Aktivistin machte die Firma unter Anderem für die tödliche Leukämieerkrankung ihrer Tochter verantwortlich und ließ keine Gelegenheit aus, gegen den Provider vorzugehen. Sie behauptete, absichtlich mit Strahlen bombardiert worden zu sein – und landete schlussendlich in der Klapsmühle. Der Fall, der eigentlich ja gar keiner ist, scheint demnach klar: Geisteskranke Amokläuferin.

Allerdings wundert Inga, dass eine Reihe der Beteiligten vom Statsanwalt bis zur Gerichtsmedizinerin simple Routinefragen allzu brüsk abschmettern und versuchen, die Sache möglichst schnell zu den Akten zu legen. Inga vertraut ihrer Intuition und stochert zusammen mit ihrem Kollegen Nils Stedefreund in den alten Geschichten herum und fördert dabei ebenso erschreckende wie erstaunliche Dinge zu Tage. Etwa ein großer Betrag, der von „2wave“ an Vegeners Ehemann Luis floss. Dazu einige brisante Querverbindungen zwischen Gutachter und Staatsanwaltschaft sowie dem Provider – bis hoch zum Bremer Senat. Richtig prekär wird die Lage aber erst, nachdem Vegeners neunzehnjähriger Sohn sich Lürsens Waffe bemächtigen kann und seinen persönlichen Rachfeldzug beginnt. Jetzt bekommen die Geheimniskrämer plötzlich arges Fracksausen.

_Eindrücke_

„Spannend von der ersten bis zur letzten Seite“ ist eine (zu) oft bemühte und abgedroschene Werbe-Platitüde. Hier trifft sie jedoch beinahe wörtlich zu, auch wenn sich nirgendwo derartiges PR-Brustgetrommel findet. Schon der anderthalbseitige Prolog ist spannend erzählt und macht somit neugierig auf die weiteren Geschehnisse auf den folgenden fast 160 Seiten. Die brechen auch mit Rasanz über das beliebte norddeutsche Ermittlerduo Lürsen/Stedefreund herein. Dabei gelingt es Christoph Ernst bei seiner Novellisierung des Drehbuchs von Christian Jeltsch, die Figuren akkurat einzufangen und darzustellen. Mit leichter Übervorteilung von Inga Lürsen, doch das ist zumindest dem kundigen Fernsehzuschauer nicht fremd. Lürsen ist nun einmal generell die Hauptfigur im Bremer Tatort – und beim Fall „Strahlende Zukunft“ (Erstausstrahlung: NDR, 2008) ganz besonders.

Nils Stedefreund ist allerdings keine plumpe Staffage, sondern eine ernst zu nehmende „supporting role“. Kurioserweise spendierte man ihm seitens des Verlags auf dem Cover keinen Vornamen. Das aber nur am Rande. Er hat Dank guter Connections einen wichtigen Beitrag zu leisten und der Leser erhält – anders als im TV – dabei auch noch einen klareren Blick in seine Gefühlswelt sowie seine Motivationen. Für Lürsen gilt dies natürlich ebenso, wenn nicht sogar ausgeprägter. Die Geschichte an sich behandelt, wie fast alle neueren Tatorte, ein aktuelles und, auch dem Wortsinne nach „heißes“ Thema: Elektromagnetische Strahlung. Darum dreht sich – aufgrund des Spannungserhalts nur grob umrissen – diese Schnitzeljagd nämlich hauptsächlich. Der Wettlauf mit dem Todesschützen in spe hält noch so manche Wendung bereit und nichts ist ganz so, wie es anfänglich scheint. Das Ende bleibt überraschend offen und könnte auch als Cliff-Hanger durchgehen.

_Fazit_

Diesen interessanten Fall in Romanform zu gießen war eine sehr gute Wahl. Eine spannend präsentierte Story mit Aktualitätsbezug, undurchsichtigen Figuren, Action und einem ziemlich unvorhersehbaren Final-Twist, das sind die Zutaten, mit welchen dieser Thriller prinzipiell sogar auch ohne das sicherlich verkaufsfördernde Tatort-Label funktionieren würde. Dass Lürsen und Stedefreund sich dann auch noch literarisch wohltransformiert die Ehre geben, wertet die Sache noch weiter auf. Zumindest für treue Fans der Serie, natürlich. Aber: Auch Neueinsteiger mit Appetit auf anständige Krimikost, welche die Figuren nicht aus dem Fernsehen kennen, dürfen gern zu diesem lesenswerten Tatort aus Bremen greifen.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

Christoph Ernst: „Strahlende Zukunft“
Begleitbuch zur gleichnamigen ARD-Serie „Tatort“
Nach einem Drehbuch von Christian Jeltsch
Emons-Verlag, September 2009
ISBN-13: 978-3-89705-666-4
160 Seiten, Broschur

Fallon, Jennifer – Palast der verlorenen Träume, Der (Gezeitenstern-Saga 3)

Band 1: [„Der unsterbliche Prinz“ 4899
Band 2: [„Die Götter von Amyrantha“ 5305

_Arkady hätte es schlechter_ treffen können. Es ist ihr gelungen, mit dem Arzt des Sklavenschiffes, das sie nach Senestra bringt, einen Handel abzuschließen. Das reduziert die Anzahl der Männer, die sie über sich ergehen lassen muss, auf einen. Leider hat es aber, wie sich nur allzu bald herausstellt, auch eine unangenehme Nebenwirkung …

Declan Hawkes hat sich von Stellan Desean dazu überreden lassen, sich auf die Suche nach Arkady zu machen und sie in Sicherheit zu bringen. Keine einfache Aufgabe für jemanden, der eigentlich tot sein sollte und deshalb nur einen Bruchteil seiner Kontakte nutzen kann.

Stellans Aufgabe ist allerdings auch nicht einfacher. Er hat sich bereit erklärt, Prinzessin Nyah von Caelum nach Hause zu bringen. Damit allein ist es aber nicht getan, schließlich hat er es jetzt nicht mehr nur mit zwei Gezeitenfürsten zu tun, sondern gleich mit derer sechs! Und als wäre das alles noch nicht genug, bittet der Canide Warlock, der als Spion der Bruderschaft ebenfalls in Caelum weilt, Stellan um Hilfe: Er will seine Gefährtin und seine Kinder zurück nach Glaeba schaffen …

Cayal hat inzwischen gemerkt, dass Brynden ihm eins ausgewischt hat. Als er jedoch feststellen muss, dass Arkady nicht mehr in Torlenien ist, beschließt er, dass Sterben wichtiger sei und macht sich auf zu Lukys. Der wiederum schickt ihn aus, um weitere Unsterbliche dazu zu überreden, ihnen zu helfen.

_Auch diesmal hat die Autorin_ die Riege der Personen um einige erweitert, hauptsächlich Unsterbliche:

Arryl tauchte zum ersten Mal im ersten Band auf, in Cayals Erzählungen. Jetzt erscheint sie auch persönlich und sie ist mit Abstand die sympathischste Person in diesem ganzen Haufen. Sie ist weniger eigennützig, weniger wankelmütig und weniger gelangweilt. Vielleicht liegt es daran, dass sie und ihre beiden Freundinnen Medwen und Ambria als einzige von allen Unsterblichen etwas Nützliches tun: Sie beschützen die geheime Kolonie der Chamäliden-Arks in den Urwäldern Senestras.

Lyna dagegen ist genauso egoistisch, gelangweilt und gleichgültig wie die meisten anderen Unsterblichen. Die Geliebte Kontravyons hat keine Lust, die Gezeitenflut allein zu verbringen. Da sie Kontravyon immer noch im Eis eingeschlossen glaubt und auf die unsterbliche Sippschaft in Caelum keine Lust hat, ist sie nach Glaeba gekommen.

Bei den Sterblichen wäre eigentlich nur Cedne, der Arzt, zu erwähnen. Der Mann hat ein ernstes Problem mit Frauen, er kann einfach nicht mit ihnen umgehen, ist gehemmt und übernervös. Fast könnte er einem Leid tun, wäre er nicht ein so hochnäsiger und ignoranter Esel!

Insgesamt bleibt die Charakterzeichnung der Neuzugänge diesmal etwas blass. Cedne ist ganz gut getroffen, aber letztlich nur eine Nebenfigur. Arryl ist zwar ganz sympathisch, es fehlt ihr aber noch ein wenig an Tiefe. Vielleicht wird das ja noch … Lyna dagegen ist als Person nur eine weitere in diesem Haufen lästiger Schmeißfliegen, die Caelum und Glaeba bereits besetzt haben, ihr Auftauchen scheint eher dem Handlungsverlauf zu dienen als der Erweiterung des Figurenensembles um einen neuen, unverbrauchten Charakter.

Allerdings scheint sich Lynas Auftauchen hauptsächlich im nächsten Band aus zu wirken. Der vorliegende Band wirkt eher wie eine Atempause, genutzt, um ein paar Inhalte neu aufzustellen. Dazu gehört die Entstehung von Unsterblichen. Die Ewige Flamme ist vor langer Zeit erloschen, trotzdem ist Declan Hawkes ein frisch gebackener Gezeitenfürst, was ohne die Ewige Flamme eigentlich nicht möglich sein sollte. Zwangsläufig machen sich einige Leute vermehrt Gedanken darüber, wie es dazu kommen konnte.
Auch ein zusätzlicher neuer Aspekt der Magie taucht auf, der bisher völlig unerwähnt geblieben, unter einigen Unsterblichen aber offenbar schon seit langer Zeit ein wichtiges Thema ist: der Kristall des Chaos. Elyssa scheint nach diesem Ding zu suchen, sie fragt Warlock danach, stöbert ständig in alten Dokumenten herum und dergleichen mehr. Und Elyssa ist offenbar nicht die einzige, die sich dafür interessiert.

Es dauert allerdings eine Weile, bis dieser Aspekt etwas mehr in den Vordergrund rückt. Zunächst liegt das Hauptaugenmerk auf Arkady und ihrer Reise nach Senestra sowie den Ereignissen dort. Alle anderen Handlungsstränge bleiben vorerst nur Randerscheinungen, bis zu dem Punkt, an dem einige von ihnen sich treffen. Und auch dann dreht sich weiterhin der größte Teil der Handlung um die Ereignisse in Senestra.
Das finde ich ein wenig schade. Denn die Ereignisse in Senestra umfassen eine Menge Nebensächlichkeiten. Zwar basiert ein Großteil des Flairs im ersten Band ebenfalls auf dem, was sich zwischen den Beteilgten abspielt, der dritte Teil des Zyklus‘ kann damit jedoch nicht mithalten, weil es dafür den Charakteren an Intensität fehlt. Arkadys Gekabbel mit Cedne ist stellenweise ganz nett zu lesen, das Beziehungskuddelmuddel zwischen Arkady und Declan oder Arkady und Cayal finde ich jedoch allmählich etwas lästig. Es wäre nett, wenn die Beteiligten sich endlich mal entscheiden könnten. Dass außerdem auch noch eine kleine Liebesgeschichte zwischen Tiji und einem Chamäliden aus dem Dschungel einflochten ist, rückt die fortlaufenden Ereignisse, die eigentlich auch den Spannungsbogen tragen sollten, zu weit in den Hintergrund.

Der eigentlich kniffligere Teil des Geschehens spielt sich noch immer in Glaeba und Caelum ab, wo Warlock Angst um seine Familie hat, Stellan versucht, Nyah zu beschützen, Jaxyn sich auf einen Krieg vorbereitet und Elyssa nach einem Objekt sucht, das höchstwahrscheinlich für die Welt eine immense Gefahr bedeutet. Da diese Details jedoch alle in den Nebensträngen verpackt sind, bleibt die Spannung ebenfalls eher eine Nebensache.

Ein Lichtblick sind Declans Schwierigkeiten mit der Tatsache, dass er jetzt ein Gezeitenfürst ist. Die Versuchung, die das Eintauchen in die Gezeiten bedeutet, ist sehr gut herausgearbeitet, ebenso die Probleme, die das Auftauchen mit sich bringen. Drollig finde ich auch die Szene mit dem Versuch des Priesters, einen Exorzismus durchzuführen. So ganz raus reißen können diese Aspekte es aber auch nicht mehr. Alles in allem ist der dritte Teil des |Gezeitenstern-Zyklus| eine eher durchwachsene Angelegenheit.

_Immerhin verspricht_ die Tatsache, dass Elyssa nicht als einzige nach dem geheimnisvollen Kristall sucht, wieder mehr Turbulenzen für den nächsten Band. Und immerhin hat Cayal sich endlich mal gefragt, warum Lukys eigentlich so extreme Anstrengungen auf sich nimmt, nur um ihm beim Sterben zu helfen! Auch werde ich irgendwie das Gefühl nicht los, dass mit diesem Agenten der Bruderschaft, dem Warlock berichtet, etwas nicht stimmt. Und dass Lukys Declan nicht so ganz die Wahrheit gesagt hat.

_Jennifer Fallon_ stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter Anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nach zu hängen: Unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Ihre erste Veröffentlichung war die |Dämonenkind|-Trilogie. Außerdem stammen die Trilogie |Second Sons| sowie |Die Chroniken von Hythria| aus ihrer Feder. Der vierte Band der |Gezeitenstern-Saga| ist in Australien bereits unter dem Titel „The Chaos Crystal“ erhältlich, ein Erscheinungstermin für die deutsche Übersetzung steht noch nicht fest. Die Autorin schreibt derweil an ihrem nächsten Zyklus |Rift Runners|.

|Broschiert: 574 Seiten
ISBN-13: 978-3802582448|
Originaltitel: |The Palace of impossible Dreams|
Deutsch von Katrin Kremmler, René Satzer
http://www.jenniferfallon.com/
http://www.egmont-lyx.de/

_Mehr von Jennifer Fallon auf |Buchwurm.info|:_

[„Kind der Magie“ 1328 (Dämonenkind Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (Dämonenkind Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (Dämonenkind Band 3)
[„Erbin des Throns“ 2877 (Die Chroniken von Hythria 1)
[„Ritter des Throns“ 3327 (Die Chroniken von Hythria 2)
[„Herrscher des Throns“ 3878 (Die Chroniken von Hythria 3)

MacConnell, Michael – Killer

Michael MacConnell ist eigentlich Australier, aber das hindert ihn nicht daran, seine Thriller in Amerika, genauer gesagt in der Gegend um Boston, spielen zu lassen. „Killer“ ist der erste Roman mit der FBI-Agentin Sarah Reilly in der Hauptrolle, weitere sollen folgen.

_Sarah Reilly_ ist FBI-Agentin und versucht in einem Undercovereinsatz einem Serienkiller das Handwerk zu legen. Doch etwas kommt ihr dazwischen. Bevor sie den Verdächtigen festnehmen kann, wird er ihr von mehreren Männern abgejagt, nachdem diese sie mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt haben. Verdutzt schaut sie der Gruppe Männer hinterher und erfährt am nächsten Tag, dass ihr Verdächtiger bei einem Lagerhallenbrand ums Leben gekommen ist. Wer waren die Anderen, die sie unschädlich gemacht und den Killer mitgenommen haben?

Gleichzeitig treibt ein Serienkiller in New Hampshire sein Unwesen, der schon seit Jahren unerkannt aktiv ist. Er kopiert die Vorgehensweise anderer Killer, so dass ihm die meisten Taten nicht zugeschrieben werden können. Nur einer ist ihm auf die Schliche gekommen: Harry Reilly, Sarahs Vater und eine FBI-Legende. Seit seiner Pensionierung sammelt er im Geheimen Informationen über den skrupellosen Mörder. Als der spürt, wie Harry ihm immer näher kommt, beschließt er, zu anderen Mitteln zu greifen: Er inszeniert eine Katastrophe, während der er Harry entführt. Nun liegt es an Sarah, ihn zu finden und zu befreien, doch der gewiefte Killer macht es ihr nicht einfach …

_“Killer“_ ist ein Buch voller Überraschungen. Es beginnt zwar nicht ruhig, sondern mitten in Aktion, aber erinnert dabei noch an einen konventionellen Thriller. Erst später, wenn der Autor ohne Skrupel die sympathischsten Figuren ins Jenseits schickt, wird dem Leser klar, dass er bei Michael MacConnell auf alles gefasst sein sollte. Dadurch wird die Geschichte spannend und die Wendungen sind nicht überraschend, sondern vielmehr schockierend. Sie lassen sich selten vorhersehen und sind durch große Brutalität geprägt. Der Autor schlachtet sie allerdings nicht aus. Die Beschreibungen sind nicht zu blutig, sondern nüchtern. Doch obwohl diese Ereignisse auf weiten Strecken für Spannung sorgen, kehrt sich dieser Effekt am Ende um. Der Schluss ist konzipiert wie ein großes Finale, doch leider ist er ein wenig zu viel des Guten. Zu viele Gegenspieler an einem Ort, zu viele Wendungen und zu viel Action. Nach einem mehr als viel versprechenden Anfang schwächelt „Killer“ am Ende beträchtlich.

Die Figuren erfüllen ihren Zweck, heben sich aber nicht wirklich von Charakteren ähnlicher Bücher ab. Sarah ist ein Workaholic und lässt seit dem Tod ihrer Mutter niemanden mehr an sich heran. Ihr Kollege Drew hingegen liebt sie immer noch, nachdem die beiden eine kurze Affäre hatten. Ihr Vater stellt den etwas brummigen FBI-Veteranen dar, der den Tod seiner Frau ebenfalls nicht verwunden hat und sich deshalb in den Alkohol flüchtet. Auch wenn sie nicht wirklich interessant sind, sind die Protagonisten gelungen. MacConnell versteht es, sie eher düster zu zeichnen, wodurch sie authentisch wirken und gut in eine Geschichte passen, die von perversen Serienkillern dominiert wird.

Der Schreibstil ist entsprechend ruhig und unaufgeregt. Der Autor findet stets gute Worte, um Gefühle, Situationen und das Drumherum zu beschreiben. Dadurch, dass er ab und an die Erzählperspektive wechselt, wird das Buch abwechslungsreich. Trotzdem fehlt ihm eine gewisse Originalität im Schreibstil, um zusätzlich punkten zu können.

_“Killer“ ist ein Buch_, dessen große Stärke in der actionreichen, spannenden Handlung liegt. Die Figuren ergänzen diese gut, aber insgesamt fehlt es Michael MacConnell noch an Profil, um sich von seinen Kollegen abzuheben. Für einen Debütroman ist „Killer“ jedoch sehr gelungen.

|Originaltitel: Maelstrom
Aus dem australischen Englisch von Sabine Rissmann
409 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3404162826|
http://www.luebbe.de

Brown, Dan – verlorene Symbol, Das

Die Existenz der Freimaurer mitsamt allen Legenden, Mythen und Verschwörungstheorien bildet den Grundstein für das neueste Buch von Dan Brown: „Das verlorene Symbol“ (The Lost Symbol).

Thema des Romans ist diesmal keine kontroverse These um Verschwörungen innerhalb des Vatikans, doch geht es um eine ebenso faszinierende Gruppierung, deren primäre Symbole der Winkel und ein Zirkel sind. Die Freimaurer, deren fünf Grundideale Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität darstellen, sind international in vielen „Logen“ tätig. Rituale, Losungen und natürlich auch Symbole bilden unter der Verschwiegenheitserklärung, die jedes Logenmitglied bindet, einen stabilen Grundsatz für Diskussionen. Ziel der Freimaurerei sind die fünf Ideale, die sie im Alltag und im Umgang mit anderen Menschen leben sollen. Die Humanität, die Würde des Menschen, steht über allem anderen.

Durch einschlägige Literatur und offizielle Dokumente ist dem Außenstehenden einiges bekannt, doch wie immer, wenn der Mensch Vermutungen anstellt und ihm etwas fremd vorkommt, entwickeln sich dramatische Vermutungen, die stets zwischen Dichtung und Wahrheit genug Aufmerksamkeit erhalten, um unterhaltsamen Stoff für Film und Buch zu liefern.

_Inhalt_

Robert Langdon, Professor für Kunstgeschichte mit dem Fachgebiet Symbologie an der Harvard-Universität, beginnt seinen Sonntag wie immer. Früh morgens zieht er im Schwimmbad der Uni seine fünfzig Bahnen, und beim Mahlen seiner Sumatra-Kaffeebohnen fällt ihm auf, dass sein Anrufbeantworter blinkt und somit das Hinterlassen einer Nachricht signalisiert.

Der Anrufer ist der persönliche Assistent seines alten Freundes und Mentors Peter Solomon, ein reicher und einflussreicher Mann, der, ebenso intellektuell wie Langdon selbst, nach Wahrheiten in der Wissenschaft fahndet. Zudem, das ist kein Geheimnis, ist er einer der im Rang der höchsten Freimaurer. Robert Langdon wird in aller Dringlichkeit gebeten, persönlich nach Washington zu kommen, um einen Vortrag über die freimaurerische Geschichte der Stadt zu halten.

Als Langdon mit Solomons Privatjet in Washington ankommt und den Treffpunkt aufsucht, erlebt er an diesem Tage die zweite Überraschung, denn der Saal ist leer, keine Stühle, kein Publikum – hat sich Peter Solomon einen Streich erlaubt?

Als er Solomons Privatnummer wählt, nimmt ein Unbekannter den Anruf an und erklärt, dass er Langdon genau da haben wollte, wie er es geplant hat, als plötzlich aus der Rotunde des Capitols ein heller Schrei ertönt.

Mehrere Touristen halten sich verängstigt in der Mitte der Rotunde auf, ein Junge weint, und als Langdon sich nähert und einen Blick auf den Boden wirft, wird ihm sofort klar, was die Aufregung verursacht! Auf dem Boden, auf einem Zettelspieß gesteckt, sieht er eine Hand, die den Zeigefinger und den Daumen zur Decke streckt. Langdon blickt auf einen goldenen Ring, und mit Schrecken erkennt er, dass es sich um Peter Solomons Hand handelt.

Als die CIA als dritte Partei in das Geschehen eintritt, ist die Verwirrung komplett. Ein Wahnsinniger namens Mal’akh (hebräisch für Engel) will das Geheimnis der Freimaurer für sich, die unendlichen Mysterien, die Aufschluss und Erklärung für alle Fragen geben, die die Menschheit je beschäftigt haben. Er wäre damit ähnlich wie Gott allmächtig und allwissend.

Langdon, der zwischen den Fronten steht und nur der Schwester seines Mentors und Freundes, Katherine Solomon, vertrauen kann, bleiben nur zwölf Stunden Zeit, um die alten Geheimnisse der Freimaurer und ihre Rätsel zu lösen. Auf der Suche nach dem verlorenen Symbol betritt Langdon Tempel, Kammern und Gebäude, die unmittelbar Wirkungsstätte der Freimaurer sind, und weiß dabei nicht mehr, was er glauben und wem er noch vertrauen soll …

_Kritik_

„Das verlorene Symbol“ von Dan Brown ist wie „Sakrileg“ und „Illuminati“ eine wilde Schnitzeljagd; diesmal schickt der Autor seinen Professor für Symbolik allerdings nicht durch europäische Schauplätze, sondern hat als Bühne Washington D.C. ausgewählt, ein Stück amerikanischer Geschichte und, wie sich herausstellt, auch die Vergangenheit und Gegenwart der Freimaurer-Logen.

Wirklich beachtlich und bewundernswert ist, dass es der Autor schafft, das Genre der Mystik mit all seinen Geheimnissen, Verschwörungen, Legenden und natürlich auch Symbolen wieder zum Leben zu erwecken. So mancher Leser wird nach oder sogar schon bei der Lektüre selbst anfangen zu recherchieren, um Parallelen und Fakten über die Geheimnisse der Freimaurer und ihre Logen zu ergründen. Das ist genau der Schwachpunkt des Buches. Zwar entschlüsselt Langdon das eine oder andere Rätsel, doch die Geschichte der Freimaurerei bleibt unerwähnt. Wie immer man dies auch interpretieren mag, wenigstens drückt Dan Brown den Freimaurern keinen Stempel auf und steckt sie damit willkürlich eine Schublade.

Dan Browns Tradition, Symbole ins Spiel zu bringen, die uns immer wieder begegnen, aber nicht weiter auffallen, ist spannend ausgeführt. Man könnte fast sagen: Mit den Augen Langdons erfahren wir Geschichte und Architektur aus einer ganz anderen Perspektive. Und wie auch in den Romanen zuvor hat das Touristikbüro von Washington die Chance erkannt und bietet spezielle Ausflüge zu den Schauplätzen des Romans „Das verlorene Symbol“ an. Das Marketing der Buchverlage wird sich freudig die Hände reiben.

Allerdings ist das Niveau des vorliegenden Romans deutlich gefallen. Browns Stil ist flapsiger und wirkt gelangweilter als in den vorherigen Bestsellern, nur das Tempo der Geschichte ist wie immer atemberaubend hoch und kurzweilig.

Viel abwechslungsreicher, dadurch aber zugleich störend im Aufbau der Handlung sind sowohl die immer wiederkehrenden Zeitsprünge als auch die wechselnden Perspektiven der Protagonisten. Da es etliche Erzählperspektiven gibt und dann jeweils die eine oder andere Akteur aus und von der Vergangenheit erzählt, ergibt das addiert schon mal die eine oder andere Verwirrung.

Die Protagonisten sind ähnlich konzipiert wie in den Romanen zuvor. Robert Langdon hat sich nicht viel weiterentwickelt, das eine oder andere persönliche Detail erfährt man, aber sein Wirken und Handeln stützt sich primär auf die Entschlüsslung alter Botschaften und Symbole, die wie Brotkrumen durch die Stadt gestreut sind. An seiner Seite wie immer eine selbstbewusste, attraktive Frau, die als Assistentin für den diesmal wirklich verwirrten Professor alle Hände voll zu tun hat.

„Das verlorene Symbol“ ist ein solider, durchaus spannender Roman, der gerade Neulinge, die das erste Mal zu Dan Brown greifen, begeistern wird. Inhaltlich ist er viel schwächer als die beiden anderen Romane, die in Europa spielen. Nun gut, die Leser aus den USA werden das Buch mit ganz anderen Augen lesen, da die Schauplätze quasi gerade um die Ecken liegen, dagegen wird der hiesige Fan von Langdon jenseits des Ozeans inhaltliche Spannung, Dramatik und nicht zuletzt die mystische Spannung vermissen.

_Fazit_

Der Roman wird keine so großen Wellen schlagen wie „Sakrileg“, zu wenig weiß man über die Freimaurer und deren offenen und verborgenen Botschaften, und sie sind nicht wirklich spektakulär, wenn man ohnehin gern Verschwörungen nachgeht.

Brown weiß schon, dass er mit seinem „Da Vinci Code“ viel Staub aufgewirbelt hat und sich noch immer viele Leute fragen, ob das Bild der Kirche und Jesu nicht wahrlich ein anderes ist. Daher schmunzelt man gleich zu Beginn, wenn sich Langdon dafür entschuldigt, dass er mit der Interpretation des Heiligen Grals und seiner Erben in manchen Augen einen Skandal geleistet hat. „Das war nie meine Absicht“, erklärt Langdon dazu, oder sagen wir doch besser: Dan Brown.

Das Ende des Romans ist ernüchternd, und man fragt sich bei aller Enttäuschung, was sich der Autor dabei gedacht hat. Wortspiele sind ja nun nichts Neues, aber so viel esoterisches Gehabe war dann doch etwas zu viel des Guten. „Das verlorene Symbol“ kann ich letztlich nur bedingt empfehlen. Es wird aber einige unterhaltsame Lesestunden bereiten und vielleicht noch ein paar Stunden Recherchen nach sich ziehen. Hoffentlich muss man nicht wieder fünf Jahre warten, bevor Langdon uns erneut symbolisch die Augen öffnet, diesmal wieder in alter Form.

|Originaltitel: The Lost Symbol
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt und entschlüsselt vom Bonner Kreis
765 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-7857-2388-3|
http://www.luebbe.de
http://www.dan-brown.de

_Dan Brown auf |Buchwurm.info|:_

[„Illuminati“ 2106 (illustrierte Ausgabe)
[„Sakrileg – Director’s Cut“ 2361
[„Meteor“ 155
[„Diabolus“ 1064
[„Diabolus“ 1115 (Hörbuch)

Nielsen, Maiken – siebte Werk, Das

1982 suchte eine Cholera-Epidemie von ungekannter Stärke Hamburg heim. Über 8600 Menschen mussten sterben, weil in der Handelsstadt katastrophale hygienische Bedingungen herrschen. Immerhin wurden nach dem großen Sterben die dringlichsten Sanierungen vorgenommen, damit man die Geißel kein weiteres Mal würde ertragen müssen.

_Inhalt_

Kurz vor Ausbruch der Seuche: Die junge Liliane Winterberg ist erleichtert, dass die lange Reise von London nach Hause nun endlich vorbei ist. Nicht, dass Lili nicht gern ihrem verwitweten Bruder dort bei seinen Geschäften geholfen hatte, doch es ist so schön, wieder in den Schoß der Familie zurückzukehren.

Aber apropos: Wo ist die eigentlich? Warum holt sie niemand ab? Halb ärgerlich, halb besorgt macht Lili sich auf den Heimweg. Zu Hause sorgt sie fast für einen Herzinfarkt bei ihren Eltern, die just an diesem Morgen vor ihrer Haustür ein ermordetes Mädchen gefunden hatten, das fast genau wie Lili aussah.

Wer ist die junge Frau, woher kam sie, und wer hat sie getötet? Und wie – das ist wohl das Rätselhafteste – ist sie in den Besitz der Taschenuhr gelangt, die Liliane in London entwendet worden ist?

Lili würde sich gern näher mit dieser mysteriösen Geschichte beschäftigen, doch ihre Konzentration wird empfindlich gestört durch ihr viel zu lautes Herzklopfen, wenn der junge Journalist Rurik Robertson in der Nähe ist. Wie es scheint, erwidert er ihr Interesse … aber kann sie sich dessen ganz sicher sein? Schließlich meiden die meisten Menschen sie, da sie als Bestatterstochter in dem Ruf steht, Unglück zu bringen. Außerdem gibt es eine ganze Menge anderer Mädchen, welche die Ansicht teilen, dass Rurik ganz hinreißend ist.

Auch um das Geschäft macht Lili sich Sorgen: Es ist eine Katastrophe, dass ihr Vater vorübergehend eingesperrt wird, weil man ihn des Mordes an der unbekannten Toten verdächtigt, doch auch ohne diese Komplikation kämpft das Unternehmen ums Überleben. Zwar war Herr Winterberg der erste, der einen umfassenden Service angeboten hatte, doch inzwischen gibt es Nachahmer, die den Bestatter mittels massiver Werbung aus dem Geschäft zu drängen versuchen.

In der Person einer jungen Frau aus dem übel beleumdeten Gängeviertel findet Liliane zufällig eine Spur in dem Mordfall, der ihr Leben so einschneidend verändert hat. Doch ehe sie mit Recherchen loslegen kann, warnt ihr Nachbar, der Arzt Christian Buchner, sie vor einer neuen Gefahr: Die Cholera hat Einzug in Hamburg gehalten und verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Die Behandlung ist unzureichend, da man sich nicht einmal über die Art der Ansteckung einig ist. Angst vor Ketzereiverdacht lässt die Bewohner der Handelsstadt zögern, das neu erbaute Krematorium in Betrieb zu nehmen, was der Seuche als Einziges Einhalt gebieten könnte. Und in all dem Elend und dem Sterben vergisst Liliane ganz, dass ihr vielleicht auch von anderer Seite tödliche Gefahr droht.

_Kritik_

Mit der Familie des Bestatters Winterberg hat Maiken Nielsen einen interessanten Mikrokosmos geschaffen. Durch das abergläubische Unbehagen, das ihr Gewerbe bei ihren Mitmenschen auslöst, rücken die Familienmitglieder eng zusammen, und wie Lilis kleine Geschwister mit der Abneigung umgehen, ist rührend dargestellt. Auch der Arzt, der in der Kaufmannsstadt weniger gilt, als man annehmen möchte, muss auf eigene Art damit umgehen. Ob dem wirklich so war, ob diesen beiden Berufsgruppen tatsächlich auf diese Weise begegnet wurde, weiß ich nicht. Die Charaktere sind jedoch ordentlich herausgearbeitet und glaubwürdig.

Der Kriminalfall ist besonders verwickelt. Kaum eine Spur lässt sich finden, und man weiß meist nicht einmal im Ansatz, wie er einzuordnen ist: Handelt es sich um die Mordserie eines Wahnsinnigen? Geht es um politische Prinzipien, oder ist das Ganze doch privater Natur?

Bis zum Finale werden die Windungen enger, die Hinweise verwirrender. Es ist schwer, sie richtig einzuordnen, und wer das vor der Auflösung schafft, muss über jede Menge Scharfsinn verfügen.

_Fazit_

Maiken Nielsen besitzt einen sicheren, flüssigen Stil, der die Lektüre von „Das siebte Werk“ zu einem Vergnügen macht. Zwar ist dieser Roman keine große Literatur, aber er ist rundherum angenehme Unterhaltung.

|Taschenbuch: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3499249433|

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De Camp, L. Sprague / Carter, Lin / Nyberg, Björn – Conan der Schwertkämpfer

_Das geschieht:_

Sieben Geschichten schildern Episoden aus den Jugendjahren des Barbaren Conan, der sein Glück als Söldner, Pirat oder Dieb versucht und meist nur blutige Wunden und böse Erfahrungen erntet, was ihn aber nie davon abhält, sich umgehend in neue Abenteuer zu stürzen:

– |L. Sprague de Camp: Vorwort|, S. 13-22

– |Lin Carter/L. Sprague de Camp: Legion der Toten (Legions of the Dead)|, S. 23-54: Conan schließt sich im nördlichen Königreich Hyperborea einem verzweifelten Stammesfürsten an, der seine Tochter aus der Festung einer Hexenkönigin befreien will …

– |Björn Nyberg/L. Sprague de Camp: Das Volk des Gipfels (People of the Summit)|, S. 55-76: Als Söldner im Heer des Königs von Turan flüchtet Conan nach einem fatal geendeten Einsatz in die berüchtigten Nebelberge, wo er vom Regen in die Traufe, d. h. wieder einmal in den Bann unheimlicher Mächte gerät …

– |Lin Carter/L. Sprague de Camp: Schatten in der Finsternis (Shadows in the Dark)|, S. 77-118: In Begleitung eines Diebes und eines Zauberers will General Conan den Herrscher von Khoraja aus der Gefangenschaft befreien …

– |Lin Carter/L. Sprague de Camp: Der Stern von Khorala (The Star of Khorala)|, S. 119-160: Eigentlich will Conan der schönen Königin von Ophir für einen guten Finderlohn einen kostbaren Ring zurückgeben, doch er gerät stattdessen in eine Palastintrige …

– |Lin Carter/L. Sprague de Camp: Das Juwel im Turm (The Gem in the Tower)|, S. 161-198: Conan ist unter den Besatzungsmitgliedern eines Piratenschiffs, die in den Schwarzen Königreichen den Turm eines Zauberers plündern wollen, der sich solcher Eindringliche auf schreckliche Weise zu erwehren weiß …

– |Lin Carter/L. Sprague de Camp: Die Elfenbeingöttin (The Ivory Goddess)|, S. 199-232: Im Königreich Punt versucht Conan, abergläubische Gottesanbeter um ihren Tempelschatz zu betrügen, was auf gänzlich unerwartete Weise spektakulär scheitert …

– |Lin Carter/L. Sprague de Camp: Blutmond (Moon of Blood), S. 233-284|: In Aquilonien kämpft Conan gegen wilde Pikten und ihren Hexenmeister und entdeckt dabei den Verrat eines hohen Vorgesetzten …

_Hartes Leben ohne Atempausen_

Das Menschenleben währte nicht lange in vergangenen Zeiten. Wind und Wetter, Hitze oder Kälte, Krankheit und Hunger – die Palette verkürzender Faktoren war breit, und abgerundet wurde sie durch die Allgegenwart zwischenmenschlicher Gewalt. Dennoch konnten sich unsere Vorfahren noch glücklich schätzen, nicht im hyborischen Zeitalter gelebt zu haben. Vor zwölf Jahrtausenden, so postuliert Robert E. Howard (1906-1936), war diese Erde schon einmal dicht bevölkert. Archaische Königreiche erstreckten sich über Kontinente, deren Umrisse die heutige Gestalt schon erahnen ließen. Im Alltag ging es rau zu, und zu den eingangs genannten Lebensenden addierte sich der Tod durch schwarze Magie, menschenfressende Ungeheuer und geduldsarme Gottheiten.

Durch diese bunte, aber gefährliche Welt zieht unermüdlich Conan, der Barbar. Geboren im schon damals schneekalten Norden, hielt es ihn nicht im heimatlichen Cimmerien, das er ein „langweiliges Land“ nennt. Lieber verdingt und versucht sich Conan auf der Suche nach Wein, Weib und klingender Münze als Söldner, Pirat oder sogar Dieb, was gleichzeitig seine ausgeprägte Abenteuerlust stillt. Weil er es in der Regel an Diplomatie fehlen lässt, muss sich Conan darüber hinaus oftmals aus dem Staub machen, weil er die gelangweilte Gattin eines Adligen beglückt oder einen vernagelten Kommandanten verprügelt hat. Auf diese Weise bleibt er stets in Bewegung.

_Chronik mit vermutlich interessanten Lücken_

Ein solches Leben bietet den idealen Stoff für Geschichtenerzähler. Robert E. Howard hat die Conan-Saga nie als geschlossene Chronologie konzipiert. Er schilderte ereignisreiche Höhepunkte im Leben seines Helden, wobei er in der Zeit nach Belieben vor- oder zurücksprang. Bewusst ließ Howard große Lücken, in die er nach Bedarf weitere Abenteuer einbetten konnte.

Daraus wurde nichts, da Howard im Alter von nur 30 Jahren Selbstmord beging. Doch andere Autoren profitierten vom skizzenhaften Konzept. Conan wurde viele Jahre nach Howards Tod wieder populär – so populär, das die vorhandenen Geschichten den Hunger eines gierigen Publikums nicht stillen konnten. Dieser Klientel nahmen sich Schriftsteller wie Lyon Sprague de Camp, Lin Carter und Björn Nyberg an, zu denen sich nach dem Erfolg des „Conan“-Films von 1980 viele weitere Autoren gesellten.

„Conan der Schwertkämpfer“ ergänzt die zwölf Bände der sogenannten „Lancer-Reihe“, die zwischen 1966 und 1977 erschienen und in der originale Howard-Storys, ’nach Entwürfen‘ Howards vollendete Storys sowie neue Storys von de Camp, Carter und Nyberg sich zur „Saga of Conan“ mischten, die das Leben des Cimmerers vom Jungbarbaren bis zum (weiterhin kampfstarken) Greis umfasst. Den Einleitungen der sieben „Schwertkämpfer“-Erzählungen lässt sich entnehmen, wo diese zeitlich in die Saga einzupassen sind.

_Variationen einer bekannten Melodie_

„Conan der Schwertkämpfer“ bietet seinen Lesern, was sie erwarten und wünschen: Hau-Drauf-Fantasy des Kalibers „sword & sorcery“. Die hyborische Welt erleben wir aus dem Conanschen Blickwinkel, und der ist ausdrücklich ein schlichter, aber gleichzeitig unverdorbener Zeitgenosse. Von der grauen Realität, die den politischen und wirtschaftlichen Alltag auch in grauer Vorzeit beherrschte, ist in diesen Geschichten höchstens ansatzweise die Rede. Aufregende Höhepunkte bestimmen das Geschehen, und Conan ist das verbindende Element.

Über den Tellerrand seines jeweiligen Umfeldes blickt er nur selten. Conan weiß, was er meint wissen zu müssen, und das genügt ihm. Politik bedeutet Intrigen, Geldgier, Verrat, und deshalb hält sich ein Mann, der zwar Barbar ist, sich aber trotzdem (oder gerade deswegen?) einem ungeschriebenen Ehrenkodex verpflichtet sieht, lieber an der Peripherie der Macht auf.

Die simple, aber wirkungsvolle Dramaturgie der „heroic fantasy“ lässt ihn allerdings genau dort erst recht in Bedrängnis geraten. In unseren sieben Geschichten gerät Conan immer wieder in die Fänge der verhassten Magie. Da er buchstäblich mit offenem Visier zu kämpfen pflegt, ist er der intelligenten Hinterlist solcher Hexenmeister unterlegen. Das macht Conan wütend, und wenn das geschieht, mutiert er zu einer Art Urzeit-Hulk, der sich mit solch berserkerhafter Wucht in die Schlacht stürzt, bis der Schädel noch des mächtigsten Zauberers über den Boden rollt.

_Conan: Helm auf – Feind: Kopf ab_

Jede Story mündet in einen entsprechenden Höhepunkt. Conan killt Hexer, Zombies, mörderische Riesenaffen, steinhäutige Riesenvampire, Verräter und andere Unholde, dazu wilde Tiere aller Arten und Größen. Das wird mit Tempo und Schwung dargeboten, wirkt auf die Dauer aber ein wenig eintönig, was ein bekanntes Problem solcher Pastiches ist, die dem Original möglichst nahekommen wollen und es dabei nur imitieren.

Diesen Vorwurf muss man auch dem Autoren-Trio machen, das für „Conan der Schwertkämpfer“ verantwortlich zeichnet. Es leistet ‚Dienst nach Vorschrift‘ und liefert aktionsreiche Routine-Fantasy. Das zeichnet die Gesamtheit der Conan-Romane und Story-Sammelbände – an die 100 sind es inzwischen! – im Guten wie im Schlechten aus. Sie sind zwar farbenfroh, leiden aber bei näherer Betrachtung unter einem steifen Pinselstrich.

_Die Autoren_

Lyon Sprague de Camp wurde am 27 November 1907 in New York City geboren. Der studierte Ingenieur veröffentlichte seine erste Kurzgeschichte erschien im September 1937 in |Astounding Science Fiction|. In den nächsten sechs Jahrzehnten entstanden Storys und Romane, die immer wieder de Camps Sinn für echten Humor belegten. Seine Aktivitäten beschränkten sich nicht auf die Phantastik. De Camp interessierte sich für Geschichte, Technik oder Mythologie und verfasste populärwissenschaftliche Sachbücher. 1978 wurde de Camp mit einem „Nebula Award“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Nach einem langen, bis zuletzt aktiven und produktiven Leben starb Lyon Sprague de Camp wenige Tage vor seinem 93. Geburtstag am 6. November 2000.

Linwood Vrooman Carter wurde am 9. Juni 1930 in St. Petersburg (US-Staat Florida) geboren. Nach seinem Einsatz im Korea-Krieg studierte er an der Columbia University und arbeitete anderthalb Jahrzehnte für diverse Agenturen und Verlage. 1965 debütierte Carter mit „The Wizard of Lemuria“ im Phantastik-Genre. Er wurde Vollzeit-Schriftsteller, veröffentlichte zahlreiche Romane sowie Kurzgeschichten und machte sich als Herausgeber von Fantasy-Kollektionen einen Namen. Der „heroischen Fantasy“ galt Carters ganze Liebe. Er schrieb im Stil von Edgar Rice Burroughs oder Robert E. Howard. Letzterem verhalf er zur literarischen Auferstehung, indem er mit Lyon Sprague de Camp und Björn Nyberg Howards Conan-Storys sammelte, ordnete und Lücken mit eigenen Geschichten und Romanen füllte. Selbst nahm Carter, von Alkoholismus und Krebs gezeichnet, am 7. Februar 1988 ein frühes Ende.

Björn Emil Nyberg (geb. am 11. September 1929) ist ein schwedischer (Fan-)Autor, der schon in den 1950er Jahren mit L. S. de Camp einige Fragmente nachgelassener Conan-Geschichten vollendete. Darüber hinaus ist Nyberg, der heute in Frankreich lebt, als Schriftsteller nicht hervorgetreten.

_Impressum_

Originaltitel: Conan the Swordsman (New York : Bantam Books 1978)
Übersetzung: Lore Strassl
Deutsche Erstausgabe: Mai 1982 (Wilhelm Heyne Verlag/Heyne Fantasy 06/3895
284 Seiten
ISBN 10: 3-453-30818-2

Neuausgabe: November 1988 (Wilhelm Heyne Verlag/Heyne Fantasy 06/3895)
284 Seiten
ISBN 13: 978-3-453-30818-3
http://www.heyne.de

_Mehr Conan auf |Buchwurm.info|:_

[„Conan 1: Die Tochter des Frostriesen und andere Geschichten“ 2840
[„Conan 2: Der Gott in der Kugel und andere Geschichten“ 3156
[„Conan 3: Der Elefantenturm und andere Geschichten“ 4028
[„Conan 4: Die Halle der Toten und andere Geschichten“ 4044
[„Conan 5: Die Juwelen von Gwahlur & Die Tochter von Midora“ 4428
[„Conan und die Straße der Könige“ 5846

Fink, Torsten – Erwählte, Die (Die Tochter des Magiers 3)

Band 1: [„Die Diebin“ 5775
Band 2: [„Die Gefährtin“ 5950

_Nach der Beinahekatastrophe_ am Ende des vorhergehenden Bandes sind Tasil und Maru nach Ulbai geflohen. Die Stadt wird inzwischen von Numur belagert und Tasil verdient sich mit Schmuggel wenn schon keine goldene, dann zumindest eine silberne Nase. Doch die Obrigkeit ist bereits auf ihn aufmerksam geworden. Zu Tasils Überraschung wird er jedoch nicht in den Kerker gesteckt, sondern mit einer besonderen Mission betraut: Er soll als Unterhändler mit Numur einen Friedensvertrag aushandeln. Das ist eine Aufgabe ganz nach Tasils Geschmack.

Maru dagegen hat ganz andere Sorgen. Sie weiß inzwischen, was der Daimon Utukku vorhat, und ist fest entschlossen, seinen Plan zu vereiteln. Außerdem will sie endlich wissen, wer ihre Eltern waren. Tasils Intrigenspiel kann sie sich letztlich aber doch nicht ganz entziehen.

_Die Charaktere, die_ hauptsächlich im Zusammenhang mit politischen Intrigen und Tasils Vabanquespielen auftauchen, sind diesmal etwas blass ausgefallen:

Numur ist inzwischen tatsächlich völlig wahnsinnig geworden. Das ist schade, denn damit fällt er als eigenständiger Charakter komplett aus, zumal die Entwicklung seines Wahnes zu schwach ausgearbeitet ist. Numur ist eben doch nur eine Nebenfigur.

Und auch sein Priester Mahas nimmt keine so zentrale Stellung mehr ein wie im ersten Band, so dass auch dieser Intrigant fast völlig weg fällt.
Gleichzeitig baut der Autor auch die neuen Charaktere der Gegenseite nur so weit aus, wie es für die Entwicklung des Plotts erforderlich ist. Das führt zwar zu einem äußerst effizienten Usurpator, gleichzeitig bleiben die Personen aber zu flach, um sich vom Klischee des ehrgeizigen Thronräubers oder des schmeichlerischen Höflings abzuheben.

Ganz anders dagegen Marus Freund Temu: Der Gelehrte und Schreiber sitzt völlig allein in einem großen Gebäude, das man vielleicht als Registratur oder Aktenarchiv bezeichnen könnte. Ein liebenswerter, hilfsbereiter, aber sehr ablenkbarer und weitschweifiger Mann, der angesichts einer alten Steuerliste in helles Entzücken geraten kann und gleichzeitig nicht den geringsten Sinn dafür hat, warum jemand sich für ein Mittel zur Dämonenbekämpfung interessieren sollte.

So zeigt sich schon in der Charakterzeichnung, dass Tasil bei Weitem nicht mehr so stark im Mittelpunkt steht, wie das noch im ersten Band des Zyklus‘ der Fall war. Statt dessen richtet sich das Augenmerk mehr auf Maru, die immer mehr Eigeninitiative entwickelt und sich immer mehr von Tasil abnabelt.

Das hat auch der Handlung gut getan, die dadurch nicht zu einem reinen Abklatsch des ersten Bandes geraten ist. Vielmehr hat Torsten Fink hier Marus eigene Bemühungen geschickt mit ihrer Rolle in Tasils Vorhaben verbunden und dadurch beide Handlungsteile zu einer Einheit ohne Ecken und Kanten zusammen gefügt. Gewürzt wurde das Ganze durch das überraschende Zuschlagen des Usurpators, der sich bei Weitem nicht so leicht von Tasil beeinflussen und lenken lässt, wie das bei Numur und seinem Bruder noch der Fall war. Dadurch nimmt nicht nur die Entwicklung von Tasils Plänen Fahrt auf. Die Unruhe, die sich in Folge des Anschlags in der Stadt ausbreitet, bringt auch Maru in immer größere Gefahr. Der Showdown hält dann auch noch eine Überraschung bereit.

Das Mehr hinsichtlich der Handlung ging auf Kosten des örtlichen Hintergrundes. Ulbai ist eben eine Stadt wie andere auch, nichts, was man detailliert beschreiben müsste. Immerhin aber hat der Autor durchaus ein paar Worte für die Stimmung innerhalb der Stadtmauern übrig: Den Hunger, das Sumpffieber, vor allem aber die Gerüchteküche im Zusammenhang mit dem Umsturz, die Unsicherheit, Nervosität und Angst der Menschen, die Entstehung eines Mobs, all das ist trotz der relativ knappen und prosaischen Erzählweise gut heraus gearbeitet.

_Insgesamt_ eine runde Sache, was dazu führt, dass ich nach der Lektüre der letzten Seite doch etwas verwirrt die Stirn runzelte. Denn so gekonnt der Erzähler die Zusammenhänge um Tasil und Utukku letztlich auflöst, so kalt lässt er den Leser in der Frage nach Marus Herkunft in der Luft hängen. Und dann brechen Maru und Temu am Ende auch noch zu einer Reise auf, um Marus Vater zu suchen.
Dieser Schluss schreit derart laut nach einer Fortsetzung, dass ich mich erst einmal auf die Suche nach einem vierten Band gemacht habe – ohne Ergebnis. Falls Torsten Fink die Absicht hat, diesen Faden noch weiter zu spinnen, steht zumindest noch kein Erscheinungstermin für dieses neue Buch fest. Dem Leser bleibt also wohl nichts anderes übrig, als sich mit diesem etwas unbefriedigenden Ende erst einmal abzufinden und zu hoffen, dass irgendwann vielleicht doch noch etwas nachkommt.

_Torsten Fink_ war Journalist und Texter unter Anderem für literarisches Kabarett, ehe er 2008 sein erstes Buch „Die Insel der Dämonen“ veröffentlichte. Er lebt und arbeitet in Mainz.

|Taschenbuch: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3442266333|

Bandini, Ditte & Giovanni – Vampirbuch, Das

_Unterhaltsam & informativ: von Vampyren, Goths & Nachtgelichter_

Der Vampir: Er ist ein Wanderer zwischen Grenzen und Welten, zwischen Tod und Leben, Tag und Nacht, Ordnung und Chaos, zwischen Körper und Geist. Er ist zudem ein überaus sinnlicher und attraktiver Verführer. Die zwei Autoren spüren dem Grenzgänger nach, verfolgen seine Wandlung im Lauf der Zeiten bis hin zum modernen Psi-Vamp.

_Die Autoren_

Ditte Bandini, geboren 1956, studierte Völkerkunde, Religionsgeschichte und Indologie. Sie arbeitet an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie als freie Schriftstellerin und Übersetzerin.

Giovanni Bandini, geboren 1951, studierte Indologie, Vergleichende Religionswissenschaft und Indische Kunstgeschichte. Er unterrichtete an der Uni Heidelberg und arbeitet seit 1987 als freier Übersetzer.

_Inhalte_

|Literarische Vampire|

Zunächst spüren die zwei Autoren dem Ursprung der Gestalt des Vampirs in der Literatur nach: Woher kommt dieses imaginäre Wesen und welche Eigenschaften begleiten es, fragen sie. 1872 wurde die Novelle [„Carmilla der Vampir“ 993 von John Sheridan Le Fanu veröffentlicht. Die Geschichte schildert eine Vampirin, die es auf junge Frauen abgesehen hat, um deren Blut zu sagen. Die lesbischen Untertöne sind unübersehbar – lecker!

Ganz anders hingegen der eigentliche Vampirroman [„Dracula“, 3489 den Bram Stoker 25 Jahre später 1897 veröffentlichte: Alle sexuellen Untertöne sind unterdrückt und man muss schon zwischen den Zeilen lesen – was die Autoren akribisch tun -, um auf Erotik zu stoßen. Wie sich herausstellt, ist die Verfilmung von Francis Ford Coppola noch die zutreffendste, die sich am engsten an die Vorlage hält: Drei verführerische junge Damen nehmen Jonathan Harker in die Mangel, und ihr Herr, Lord Dracula, spaziert am hellichten Tag – entgegen der Meinung so manchen Schreiberlings – durch London, um Jonathans Verlobter Mina nachzustellen.

Stoker beruft sich auf transsilvanische Ursprünge Draculas, denn dort habe es Fürsten gleichen Namens gegeben. Dumm nur, dass es dort im 15. Jahrhundert zwar Draculs und Draculeas gab, aber keinen einzigen, der als Blutsauger angesehen worden wäre. Es gab nur den berühmten Pfähler Vlad Tepes, der in Rumänien offenbar immer noch als Nationalheld gilt, weil er gegen die Türken kämpfte.

|Sogenannte Vampire|

Die Reihe historischer Vampirgestalten wird um diejenigen Serienmörder erweitert, die von der Sensationspresse so genannt wurden – Haarmann, Kürten usw. – sowie um jene Killer, die von sich selbst behaupteten, Blut getrunken zu haben. Der interessanteste Fall ist zweifellos der des 1980 geborenen Amerikaners Rod Ferrell, der in Kentucky eine Gruppe Anhänger um sich scharte, um „Vampire: The Masquerade“ zu spielen und ein Ehepaar zum Tode zu befördern. Ein recht aufschluss- und kenntnisreicher Exkurs in die Spieleszene gehört zur Darstellung dieses bizarren Falles.

|Was ist ein Vampir?|

Natürlich ist eine der wesentlichen Kernfragen des Themas, was überhaupt einen Vampir ausmacht und wer auf welche Weise dazu werden kann. Der Volksglaube an Vampire scheint aus dem Balkan zu stammen und dort gibt es jede Menge Attribute für Vampire. Unter Zigeunern gibt es sogar den Glauben an Zwillingssöhne, die Dhampire genannt werden und echte Vampire sehen können. (Auch dazu gibt es einen Roman, den ich mal in den USA gesehen habe.)

Von dieser Basis ausgehend, bewegt sich die Darstellung zurück zu den kuriosen Attributen, die im Laufe der Menschheitsgeschichte Vampiren zugeschrieben wurden. Dabei räumen die Autoren mit so manchen Irrtümern und Fehldarstellungen auf, die sich besonders im Internet finden. Da beide Indienforscher (Indologen) sind, machen sie an einer Stelle klar, dass Gandharvas keine „blutgierigen indischen Geister sind, die Frauen im Schlaf missbrauchen und dann ihr Blut saugen“, sondern ganz im Gegenteil halbgöttliche, himmlische Wesen, die im Gefolge des Gottes Indra existieren und schön singen. Unterm Strich: Ein Vampir ist stets ein lebender Toter, der umgeht, der aber nicht notwendigerweise Blut trinkt.

|Die Magie des Blutes|

Blut ist ein ganz besonderer Stoff, das wussten schon die ollen Germanen, die sich damit einen Krafttrunk aus Wein und Met mixten. Blut übertrug Krankheiten, aber nach altem Volksglauben auch Seelen, was auch an der Blutsbrüderschaft abzulesen ist. Dem Blut bestimmter Personen, wie etwa Heiliger in Italien, wurden wunderbare Eigenschaften zugeschrieben. So war es noch bis Mitte des 19. Jahrhundert in Deutschland Brauch, einen öffentlich Hingerichteten um sein Blut zu erleichtern, um dieses heilenden Zwecken zuzuführen.

Eine solche Szene der Massenhysterie beschreibt ein Göttinger Medizinstudent im Jahr 1859: „Als der Kopf der Giftmischerin vom Rumpf getrennt war und die Blutfontäne wohl anderthalb Fuß emporsprang, durchbrach das Volk das von Hannover’schen Schützen gebildete Karree, stürzte sich auf das Schafott und setzte sich in den Besitz des Blutes der Hingerichteten, es auffangend und weiße Tücher darin eintauchend. Es war geradezu ein grauenvoller Eindruck. Auf meine entsetzte Frage wurde mir geantwortet, dass dieses Blut zur Heilung der Fallsucht verwendet werde.“ (Seite 83)

|Die Macht der Nacht|

Die Nacht spielt stets eine besondere Rolle in allen Vampirgeschichten, aber auch für heutige Gothic-Anhänger: Geborgenheit, Stille, Sterne und allerlei geheimnisvolle Kreaturen bietet dieser Zeitraum. Besonders die zwei Dämmerungen und die zwei Stunden um Mitternacht werden als magisch angesehen. Unter den Kreaturen gilt das Interesse besonders den Fledermäusen und den Werwölfen. Nicht von ungefähr verwandeln sich moderne Vampire seit Bram Stokers Klassiker in Fledermäuse und umgekehrt. Doch der Gestaltwandel wurde nicht von den Vampiren erfunden, sondern von den Lykanthropen der Antike, den Werwölfen. Es ist bemerkenswert, dass der Glaube an Tiermenschen überall verbreitet ist, der an Vampire aber nicht.

|Ghule und anderes Nachtgelichter|

Eine der absonderlichsten Gestalten im Umfeld der Vampirologie sind die Nach(t)zehrer, welche ebenso wie ihren bekannteren Vettern aus dem Grab steigen, weil’s da so grausig ist, und sich über ihre armen Anverwandten hermachen. Man kann ihnen nur mit rabiaten Methoden beikommen, ebenso wie den Ghulen, die keine Leichenfresser sind, wie man bei Lovecraft meinen könnte, sondern lediglich orientalische böse Geister aus Tausendundeiner Nacht.

|Schutzzauber und Abwehr|

Zu allen Zeiten wollte man sich der Vampire, Werwölfe, Nachzehrer und anderen Wiedergänger erwehren. Wie jeder aus Roman Polanskis harmloser Komödie „Tanz der Vampire“ weiß, spielen dabei Knoblauch, Spiegel, jede Menge Kreuze, Wasser und viele Schwellen mehr eine wichtige Rolle. Aus Rumänien und Südrussland, wo man sich mit so was auskennt, sind aber auch viel einfallsreichere Methoden aufgezeichnet geworden. Übrigens kommen solche Abwehrmaßnahmen nicht bloß in grauer Vorzeit, sondern auch im 19. und 20. Jahrhundert zum Einsatz, z. B. in Danzig und dem von Günter Grass beschriebenen Kaschubien. Ein besonders ängstlicher Pole erstickte sogar einmal an einer Knoblauchzehe – nachts …

|Moderne Vampire|

Seit Anne Rice in ihrem Bestseller [„Interview mit einem/dem Vampir“ 68 den Typus des Gentleman-Vampirs erfand, schlagen die Wellen der weiblichen wie männlichen Phantasie hohe Wellen. Jeder dichtet dem erotischen Vampir eine aufs persönliche Triebprofil zugeschneiderte Persönlichkeit zu. Und natürlich gibt es auch jede Menge Vampirinnen, die es auf das andre Geschlecht abgesehen haben. In jedem Fall ist der Biss schöner als Sex.

Aber es gibt, wie in vielen deutschen Foren gefunden, auch Abarten, die nur eingebildeten Oralverkehr aufweisen: Energie- und Psi-Vampire etwa saugen kein Blut, sondern die Seelenenergie, die Lebenskraft, wo auch immer sie sitzen mag. Es sind sozusagen New-Age-Vampire, und dementsprechend esoterisch sind ihre Zirkel und Attribute. Gegenüber den Blutsaugern sind sie allerdings für gestandene Vampirfans nur Weicheier.

|Vorletztes Kapitel: Vampyre und Goths|

In den USA soll es mehr als 10.000 Vampyre geben – man dies liest dies mit doppeltem Erstaunen. So viele? Und warum mit y? Die Unterscheidung zwischen Vampyren und Vampiren hat ein amerikanischer Zahntechniker in den 1990er Jahren eingeführt. Demnach bezeichnen Vampyre echte Bluttrinker der neuen Mode und Vampire auch vegetarische und Energie- bzw. Psi-Vampire. Die Vampyre verstehen sich demnach als harte Kerle – und Ladys! – die einer strengen Ordnung, die ebenfalls der Zahntechniker erfand, gehorchen und sie für ihre Zwecke angepasst haben: der Codex der sieben Regeln, pardon: „Empfehlungen“. Da die Übergänge zwischen den Gruppen oder „Covens“ fließend sind, kann es beim Ordo Strigoi VII schon mal zu religiös angehauchten Ritualen kommen. Kein Wunder, dass die [„Church of Satan“ 117 solche Rituale unterstützt.

Die Schnittmenge zwischen Vampyren und Goths ist durchaus vorhanden. Doch während unter Vampyren auch Spender ihr Blut geben und Vampyre dieses lecken, haben die meisten Goths – man nannte sie früher „Gruftis“ – nichts damit zu tun. Sie sehen nur so ähnlich aus: ganz in Schwarz, Weiß oder Dunkelrot, häufig mit Kontaktlinsen, mit Piercings an allen erdenklichen Körperstellen und natürlich mit hohen, schweren Stiefeln. Lisbeth Salander aus Stieg Larssons Millennium-Trilogie ist ein wandelnder Goth, aber ganz bestimmt kein Vampyr.

Das letzte Kapitel sucht eine psychologische Begründung für die Attraktivität der Wiedergänger und Blutsauger. Unsterblichkeit, ewige Jugend, der Tod als Übergang in eine Beständigkeit, die man in der hektischen modernen Welt nicht mehr findet – das sind nur die zentralen Motive. Dass Goths auch eine Gruppenzugehörigkeit bieten und ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln, ist sicherlich ein weiteres. Goths verraten in ihrem Code manchmal mehr, als eine Mutter über ihr Kind jemals wissen wird.

|Die Anhänge|

In keinem seriösen Sachbuch darf ein Bibliographie der Quellen und der weiterführenden Literatur fehlen. Hinzu kommen hier auch ein Register, ein Bildnachweis, eine Danksagung und als Schmankerl eine historische Karte des gesamten Balkans zwischen Wien und Konstantinopel, wobei natürlich Transsilvanien im Mittelpunkt steht.

_Mein Eindruck_

Wer dachte, Anne Rice hätte wissenschaftlichen Anspruch auf das Porträt des Vampirs, wie wir ihn kennen, mag zwar in den USA auf eine solche Meinung stoßen, doch dieses Buch zertrümmert diesen Irrtum mit allen der Kulturwissenschaft zur Verfügung stehenden Mitteln. Der Vampir existiert schon sehr viel länger als Anne Rice. Zwar wird heute ständig Vlad Tepes, der Pfähler aus dem 15. Jahrhundert, für das Vorbild des Dracula gehalten, den seinerseits Bram Stoker erfunden hat. Doch auch mit diesem Aberglauben räumen die beiden Wissenschaftler gründlich auf. Sie haben ja die Quellen studiert.

Der eigentliche Vampir stammt nicht aus den Büchern, sondern aus dem Volksglauben, besonders in südosteuropäischen Regionen bis nach Südrussland. Er ist ein Wiedergänger, ein Rückkehrer aus dem Grab, doch er trinkt kein Blut, sondern erwürgt seine Opfer. Diesem düsteren und brutalen Urbild wollen die modernen Vampirjünger lieber nicht huldigen, obwohl sie sich manchmal selbst als Hexen bezeichnen.

Hexen und Vampire, so berichtet das Buch mehrmals, weisen eine erstaunlich Ähnlichkeit auf. Beide huldigen der Nacht und ihren Göttern, beide überwinden die Grenzen der sterblichen Menschen, etwa den Tod, und beide verbünden sich mit der Natur und Mächten, um wiederum Diener an sich zu binden. Dass beide heutzutage hocherotisch aktiv sind, versteht sich von selbst, spielt doch das Ausleben der tiefsten Sehnsüchte und Phantasien eine wichtige Rolle in der modernen Jugend- und Subkultur. Diese Subkultur trifft sich in Klubs, aber öfter noch in Chatrooms und auf geheimen Webseiten.

Sehr positiv fand ich, dass alle diese Gruppen wie etwa Goths und Vampyre sauber abgegrenzt und bestimmt werden. Das ist zwar die Grundaufgabe eines Wissenschaftlers, aber man findet die Methode leider allzu selten angewandt. Aus der anfänglichen Verwirrung kann so ein sortiertes Panorama von Subkulturen entstehen. Allerdings warnen die Autoren selbst, dass die Übergänge zwischen den Subkulturen und Gruppen fließend sind, z. B. zwischen Vampiren, Goths und der BDSM-Szene (BDSM: Bondage, Domination, Sado, Maso).

In jedem Fall wird aber mit dem von der Sensationspresse offenbar geschürten Irrglauben aufgeräumt, diese „Vampyre“ und „Goths“ seien allesamt gemeingefährlich, weil sie Tabus brechen, gewalttätig seien und überhaupt antisozial eingestellt, also jugendgefährdend. Wenn man sich dann aber ihre Statuten ansieht, wirken sie geradezu bieder. Auch sie unterstützen das Leitprinzip von Sex, der „sane, safe and consensual“, also „(geistig) gesund, sicher und einverständlich“ sein soll. Was mehr kann man sich wünschen?

|Die Abbildungen|

Die zahlreichen Illustrationen lockern das Buch ganz erheblich auf und machen es zu einem richtigen Lesebuch, das auch dem Auge etwas bietet. Die Abbildungen umfassen einerseits Vierfarbtafeln, die beidseitig auf Hochglanzpapier bedruckt sind. Dies ist richtig teuer und dürfte für den hohen Preis verantwortlich sein. Einige dieser Darstellungen sind geschmackvoll und hochkünstlerisch, andere eher ironisch zu verstehen.

Zum anderen gibt es eine Vielzahl von Schwarzweißreproduktionen aus historischen Quellen, die das hohe Alter des Themas Vampire, Wiedergänger, Werwölfe etc. belegen. Leider weist keine der Illustrationen eine Bildunterschrift auf, so dass man mitunter lange im Verzeichnis der Bildnachweise suchen muss.

Um die blutige Natur des Themas augenfällig zu machen, finden sich auf zahllosen Seite blutrote, allerdings viel zu helle Spritzer. Dies unterstreicht die grundsätzlich humorvolle Distanz der Autoren zu ihrem Thema. Hier geht es nicht oberlehrerhaft teutsch zu, sondern eher leichtfüßig italienisch. Lediglich das Titelbild weicht von diesem Stil ab. Aber der zähnefletschende Dämon dürfte wohl eher auf das Konto des Marketing gehen als auf das der Autoren.

_Unterm Strich_

„Das Vampirbuch“ ist eine ideale Einführung in den Irrgarten des Vampirglaubens: kenntnisreich, wissenschaftlich-methodisch vorgehend, voller Belege, abgrenzend und bestimmend, aber dennoch umfassend. Dieser Teil wird besonders durch die Quellen und die zahlreichen Abbildungen aus der Historie und der Neuzeit belegt und illustriert. Zum Glück geht es dabei nicht so bierernst wie im Deutschunterricht zu, sondern eher spielerisch. Allerdings wird auch mit etlichen Fehlinformationen aufgeräumt, wie es sich gehört.

Gleichzeitig zu dieser populärwissenschaftlichen Untersuchung des Phänomens betrachtet das Buch die aktuellen kulturellen Folgen des Vampirglaubens, dem inzwischen zahllose junge Menschen mehr oder weniger ernsthaft anhängen. Entweder weil sie darüber gelesen haben, aber mehr noch, weil sie in einem entsprechenden Rollenspiel damit in Berührung gekommen sind und mehr oder Genaueres über die kryptischen Details wissen wollen.

Warum die katholische Kirche nicht schon längst mit einem Xbox-Rollenspiel zum Leben Jesu gegengesteuert hat, ist verwunderlich – oder nur eine Frage der Zeit. Für eine Dornenkrone müssen die Spieler dann wahrscheinlich 50 Euro berappen. Die zahlreichen Vierfarbtafeln illustrieren diesen zweiten Aspekt des Buches mit modernen Darstellungen von mehr oder weniger attraktiven Vampirmädels sowie Dracula-Porträts. Auch unter diesen Motiven ist zu bemerken, dass der Übergang zwischen mythologischen zu esoterischen und Subkultur-Motiven fließend ist. Hauptsache, die Darstellung entspricht nicht dem Bilderkanon einer bestimmten Glaubensrichtung oder Kirche.

Ich habe das Buch mit Interesse und Genuss gelesen, denn es ist nicht nur informativ, sondern auf seine ironische Art auch unterhaltsam. Wer mehr zum Thema wissen willen, kann entweder die seriöse Quellenliteratur konsultieren oder die zahlreichen in den Quellen angegebenen Weblinks abklappern (die wahrscheinlich wesentlich unterhaltsamer sind).

|219 Seiten
ISBN-13: 978-3-423-24702-3|
http://www.dtv.de

Fink, Torsten – Gefährtin, Die (Die Tochter des Magiers 2)

Band 1: [„Die Diebin“ 5775

_Tasil und Maru_ sind aus Serkesch entkommen und das mit einer nicht zu verachtenden Beute, die Tasil schließlich irgendwo versteckt. Und schon sind sie auf dem Weg zum nächsten Coup: In den Sümpfen von Awi soll eine gewaltige Seeschlange einen goldenen Tempel bewachen. Es dauert jedoch nicht lange, da werden Tasil und Maru von den Ereignissen in Serkesch eingeholt …

_Der Ortswechsel bringt_ eine Menge neuer Charaktere mit sich.

Die Ältesten Taiwe und Skeda sind, wie man es von Ältesten erwartet, alte Männer. Der örtliche Priester Hana jedoch ist ein junger Mann mit wenig Charakter, der unter der Fuchtel seiner Frau steht und vor allem Taiwe nicht leiden kann. Taiwe ist jemand, der stets versucht, die Wurzel eines Problems zu ergründen und es so möglichst ganz auszureißen. Hana dagegen neigt dazu immer den einfachsten Weg zu gehen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ihn das langfristig in noch größere Schwierigkeiten bringen könnte; schon allein deshalb gerät er mit Taiwe ständig aneinander. Da er meistens den Kürzeren zieht, kommt auch noch eine gehörige Portion Trotz dazu.

Dann wäre da noch die Kräuterfrau Wika, eine scharfsinnige Alte, die sofort erkennt, dass Maru Magierblut in den Adern hat, und generell so ziemlich die einzige zu sein scheint, die die Wahrheit hinter dem Vordergründigen sieht. Schade nur, dass keiner auf sie hört. Aber immerhin gibt sie Maru eine Menge zum Nachdenken.

Abgesehen von den Dorfbewohnern, Tasil und Maru finden sich in diesem Sumpfloch auch noch ein bunter Haufen Söldner, die von dem Krieg zwischen dem neuen Fürsten von Serkesch und dem Khaidan, dem obersten Herrscher, gehört haben und nun überlegen, wem sie ihre Dienste anbieten sollen.

_Insgesamt finde ich_ die Charakterzeichnung nicht ganz so gelungen wie im ersten Band. Obwohl mir Wika ziemlich sympathisch ist, ist sie doch ein wenig im Klischee der alten weisen Frau verhaftet, was auch für die Söldner gilt, in deren Trupp vom schweigsamen Hinterwäldler über das Großmaul und den leichtsinnigen Jungspund bis hin zum durchtriebenen Schurken alles vorhanden ist. Das Umkippen der Stimmung zwischen den Männern, als diese sich dem Schatz nähern, ist jedoch gut gemacht, auch wenn ich als Frau sie am liebsten alle der Reihe nach geohrfeigt hätte! Und Taiwe und Hana sind ebenfalls gut, wenn auch nicht mit echter Tiefe gezeichnet.

Die Landschaft ist ein echtes Kontrastprogramm zur Wüste um Serkesch:

Nicht nur von unten ist es es nass, sondern auch von oben. Es regnet quasi ununterbrochen mehr oder weniger stark. Alles tropft, alles trieft, nichts als Matsch und Schlamm überall, selbst auf den Inseln. Dementsprechend skurril verläuft auch das Duell auf dem Dorfplatz, bei dem die Kontrahenten mehr aneinander vorbei schlittern als gegeneinander zu kämpfen. Dazu kommt noch ein einziger Urwald aus Schilf und Wasserpflanzen, in dem es keinen einzigen direkten Weg irgendwohin gibt, und das schwarze Wasser eines Stromes, das man nicht trinken kann.

Mit dieser ausgesprochen plastischen Darstellung der Örtlichkeit kann die Handlung nicht ganz mithalten. Auch diesmal versucht Tasil aus der Situation Gewinn zu schlagen. Da ihm bewusst ist, dass die Dörfler das Geheimnis um den Goldenen Tempel freiwillig nicht herausrücken werden, macht er sich die Bedrohung durch die Seeschlange zu Nutze. Dabei geht er genauso skrupellos vor wie bereits in Serkesch, versucht, Taiwe zu bestechen, beschwatzt die Söldner, die Seeschlange zu töten und dergleichen mehr.

Allerdings hat Tasil es hier mit weit weniger gefährlichen Männern zu tun als in Serkesch, was vielleicht auch der Grund ist, warum Torsten Fink noch einmal Numur und dessen Berater und obersten Priester Mahas ins Spiel bringt. Tatsächlich verleiht das der Handlung einiges an zusätzlicher Würze, Tasils Jonglieren zwischen den Parteien, die den ersten Band belebten, fallen hier aber weg, da Numur keinen ebenbürtigen Gegner hat, den Tasil ihm entgegensetzen könnte.

Daneben läuft weiterhin der Faden, der sich vorwiegend mit Maru beschäftigt. Allmählich stellt sich heraus, dass sie Dinge tun kann, die eigentlich unmöglich sein sollten, was Tasil zwar bemerkt, dem er aber nur mäßig Beachtung schenkt, schließlich geht es ihm hauptsächlich um das Gold des Tempels. Dafür schenkt der Daimon Utukku Maru weitaus mehr Aufmerksamkeit, als ihr lieb ist. Was der Wassergeist jedoch genau im Schilde führt, das hebt sich der Autor für den nächsten Band auf.

_So ist dieser Teil_ des Zyklus‘ zwar nett zu lesen, bleibt aber doch etwas hinter seinem Vorgänger zurück. Hauptsächlich ist Maru damit beschäftigt, ständig im Dorf herum zu rennen und für Tasil Informationen zu sammeln. Spannung kommt aber kaum auf; der Versuch, durch eine religiöse Zeremonie, die zu einem bestimmten Zeitpunkt statt finden muss, so etwas wie Zeitdruck aufzubauen, scheitert, da er nicht konsequent genug durchgezogen ist. Selbst der Showdown kann nicht wirklich mitreißen, da die Hauptfigur Maru mittendrin bewusstlos wird und das Ende gar nicht selbst mitbekommt.

Auch bleiben einige Handlungsfäden zu lose in der Luft hängen. Zum Beispiel frage ich mich, was Hanas Frau eigentlich antreibt. Ständig tuschelt sie mit ihrem Mann, aber der Leser erfährt weder, was sie ihm zu sagen hat, noch, worum es ihr geht. Letztlich ist sie für die Handlung nicht entscheidend, aber warum wird ihre Rolle dann so betont? Und was um alles in der Welt bewegt Numur dazu, eine riesige Statue seines Vaters mit in die Sümpfe zu schleppen? Biredhs Erklärung empfinde ich da nicht als ausreichend, es sei denn, Numur wäre verrückt geworden, aber so wirkt er eigentlich nicht.

Bleibt also zu hoffen, dass der letzte Band noch einmal ein paar schwerwiegendere Komplikationen zu bieten hat. Zusammen mit den vielversprechenden (weil geheimen) Absichten Utukkus und den Antworten auf die noch offenen Fragen um Maru könnte das Finale der Trilogie dann durchaus noch einmal zur Hochform finden.

_Torsten Fink_ war Journalist und Texter unter Anderem für literarisches Kabarett, ehe er 2008 sein erstes Buch „Die Insel der Dämonen“ veröffentlichte. Er lebt und arbeitet in Mainz. Mit „Die Diebin“ veröffentlichte er den ersten Band seines dreiteiligen Zyklus‘ |Die Tochter des Magiers|, dessen letzter Teil unter dem Titel „Die Erwählte“ ebenfalls bereits erschienen ist.

|Taschenbuch: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3442266326|
http://www.blanvalet-verlag.de

Eileen Wilks – Verlockende Gefahr (Wolf Shadow 1)

Mit dem Aufkommen von Dark Fantasy – Büchern mit einem guten Schuss Romantik hat sich der |Lyx-Verlag| als eine verlässliche Quelle für Fans dieses Genres etabliert. Mit „Wolf Shadow: Verlockende Gefahr“ startet eine neue Reihe von Eileen Wilks, die einmal mehr Werwölfe in den Mittelpunkt rückt.

Allerdings nennen sie sich in diesem Fall Lupi und werden weniger als blutrünstige Monster als vielmehr als intelligente, verführerische Muskelmänner dargestellt. Menschen und Wölfe leben vielleicht nicht reibungslos nebeneinander, aber eine amerikanische Bürgerrechtsbewegung setzt alles daran, die Unterdrückung der Lupi abzuschaffen.

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Holt, Ian / Stoker, Dacre – Dracula – Die Wiederkehr

Am 18. Mai 1897 veröffentlichte der irische Schriftsteller Bram Stoker seinen Roman [„Dracula“ 3489 und schuf damit eine postmoderne Figur, die auch heute noch in vielen Romane, Filmen und auch Bühnenstücken vertreten ist.

Stokers Erfolg mit „Dracula“ blieb zu seinen Lebzeiten aus. Zwar schuf er mit der Figur des Grafen Dracula den ersten Vampir in der Literaturgeschichte, der sein Profil in unzähligen weiteren Romanen und Verfilmungen zur Verfügung stellte, doch gab es keine offizielle Fortsetzung des Romans oder ein Aufgreifen seiner Figuren um Dracula, Mina und Jonathan Harker sowie Prof. van Helsing und Arthur Holmwood. Stattdessen gibt es noch immer einige rechtliche Auseinandersetzungen mit der Familie Stoker und diversen Verlegern und Produzenten.

„Dracula“ ist ein Schauerroman, aber ebenso ein Reise- oder Liebesroman in Tagebuchform. Der Erzähler ist nicht nur eine Person, die Perspektive wechselt, und so erhält der Roman „Dracula“ dokumentarische Züge.

In „Dracula“ steht die Figur des in Gottes Ungnade gefallenen Grafen im Vordergrund. Aber Dracula selbst kommt nicht zu Wort. Konzipiert wurde dieser von Stoker als das „Böse“ in Person, obwohl es Ansätze gibt, die andeuten, dass er eher eine tragische Gestalt sein könnte (was in der Verfilmung von Francis Ford Coppola gut zum Ausdruck kommt). Seine Liebe und Leidenschaft die er für Mina empfindet, ist zugleich seine Rettung und seine Vernichtung. Was Dracula empfindet, welche Motive er hat und warum er sich von Gott verraten fühlt, konnte der Leser nur zwischen den Zeilen interpretieren. Von Generation zu Generation wurde er als das Monster beschrieben, die, süchtig nach Blut der Menschen, deren Leben nimmt. „Dracula“ ist eine tragische Gestalt, und die Geschichte um ihn, so hatte man immer das Gefühl, ist noch nicht zu Ende erzählt.

_Inhalt_

London 1912 – Es ist 25 Jahre her, seit Dracula von Professor van Helsing zusammen mit Lord Arthur Holmwood, Jonathan Harker, dem Arzt Jack Seward und dem Texaner Quincey P. Morris in einem dramatischen Kampf vernichtet wurde. Doch die Ereignisse auf Draculas Burg haben sichtbare und unsichtbare Spuren bei den Streitern hinterlassen, auch bei Mina Harker, der die Leidenschaft und Liebe Draculas viel abverlangt hat.

Selbst Mina und Jonathans Sohn Quincey hat zu kämpfen mit der Vergangenheit seiner Eltern. Sein Verhältnis zu seinem Vater Jonathan ist zerrüttet, denn Quincey möchte den Wunsch seines Vaters, ebenfalls eine juristische Laufbahn einzuschlagen, ignorieren. Quincey hat die Universität von Sorbonne verlassen, um all seine Energie für seine Karriere als Schauspieler am Theater aufzuwenden.

Mina und Jonathen Harker haben die Ereignisse nicht abschütteln oder verarbeiten können. Ihre Ehe ist seit Jahren zerrüttet, Minas Ehemann sucht im Alkohol das Vergessen und geht seiner Frau möglichst aus dem Weg. Nach über 25 Jahren hat sich das äußere Erscheinungsbild von Mina nicht verändert; seit den dramatischen Tagen ist Mina körperlich nicht gealtert. Durch die Bluttaufe mit Dracula hat sich ihr Körper verändert – es scheint so, als wäre ihr Leben für die Ewigkeit bestimmt. Noch immer steht ihr Verlangen, ihre Leidenschaft, die sie früher für den Grafen entwickelt hat, im Widerspruch zu ihren Gefühlen für ihren Ehemann.

Auch die anderen Kämpfer tragen ihre schicksalhafte Vergangenheit wie eine erdrückende Last mit sich. Jack Seward ist drogensüchtig, Arthur Holmwood ist ‚tot‘, er hat seinen früheren Namen ausradiert und lebt still und zurückgezogen in Trauer um seine Verlobte Lucy, der er einen Pflock durchs Herz geschlagen hat. Ihre Schreie in der Gruft hört er in stillen, dunklen Nächten noch allzu laut.

Als Quincey Harker den irischen Schriftsteller Bram Stoker am Theater kennenlernt, der seinen Roman „Dracula“ als Bühnenstück inszeniert, ist er fasziniert von der Geschichte des blutrünstigen Grafen. Beim Lesen des Romans fällt dem jungen Mann aber sofort auf, dass hier die Geschichte seiner Eltern erzählt wird. Eine Geschichte, die er zum allerersten Mal erfährt. Schockiert und wütend geht Quincey auf die Suche nach der Wahrheit.

Inzwischen wurde Jack Seward, der frühere Arzt und Schüler van Helsings, tot aufgefunden. Augenscheinlich wurde er von einer Kutsche überrollt, doch die Polizei bleibt skeptisch, denn Seward ist mit dem Schwert in der Hand ins Jenseits gewandert. Es bleibt nicht der einzige mysteriöse Tod, denn nur wenige Tage später entdeckt ein kleiner Junge den gepfählten Körper Jonathen Harkers mitten auf dem Piccadilly Circus. Die Indizien und Spuren weisen logischerweise auf Mord hin und die Witwe Mina Harker muss sich den unbequemen Fragen der Polizei stellen.

Quincey vertraut sich am Theater dem weltgewandten Schauspieler Basarab an, der schnell für den naiven Mann zu einer Vaterfigur wird. Trost und Verständnis, aber auch Stärke und Leidenschaft zeigt der charismatische Mann nicht nur auf der Bühne, sondern behandelt Quincey in genau der Weise, die er so schmerzlich an seinem Vater vermisst hat.

Mina glaubt nicht an Zufälle. Sie kombiniert in wenigen gedanklichen Schritten, dass sich hier ein grausames Muster offenbart. Kann es sein, dass ihr Graf Dracula den Kampf vor knapp einem Vierteljahrhundert überlebt hat, er seinen Tod vortäuschen konnte und sich nun an blutig an den Männern rächt, die ihn töten wollten? Oder gibt es andere Vampire, die den Tod ihres Meisters vergelten und die Nachfolge des Blutgrafen antreten wollen? Als Mina den früheren Lord Holmwood kontaktiert und auch van Helsing wieder in London auftaucht, wird jedem schnell klar, dass die Vergangenheit noch lange nicht zur Ruhe gekommen ist und das Verlangen nach Blut und Rache sich grausamer denn je zeigt …

_Kritik_

„Dracula – Die Wiederkehr“ von Dacre Stoker, einem Urgroßneffen Bram Stokers, und dem Drehbuchautor und Stoker-Forscher Ian Holt ist die offizielle Fortsetzung des 1897 erschienen Romans „Dracula“ und ein Garant für spannende Unterhaltung.

In diesem Roman spielen alle tragischen überlebenden Protagonisten aus dem bekannten ersten Teil eine tragende Rolle. Doch der Kreis schließt sich letztlich um die Aussage „Blut ist Leben“. Das Autorenduo hat großartige Arbeit geleistet und thematisch dort angesetzt, wo der erste Teil endete. Dass dazwischen eine zeitliche Lücke von 25 Jahren klafft, ist dabei uninteressant, vielmehr war es wichtig für die Figuren, sich mit dem erlebten Grauen auseinanderzusetzen und vielleicht auch an diesem Versuch zu scheitern. Verlust und Trauer, so negativ und ungerecht uns die auch vorkommen mag, sind immer auch die Chance zur Entwicklung, mit einer Botschaft, die der Leser in diesem Fall erst am Ende verstehen wird.

„Dracula – Die Wiederkehr“ – der Titel sagt eigentlich schon alles – ist ein gutes Stück vorhersehbar, aber dies mindert keinesfalls die Spannung. Zu sehr packend sind die Protagonisten in den Szenen beschrieben, als dass man aufhören könnte weiterzulesen. Es gibt mehrere kleinere Nebenhandlungen und Orte, und es tauchen andere Personen der Dunkelheit auf, deren Motive erst gegen Ende hin nachvollziehbar werden.

Die Perspektive ändert sich mit den Protagonisten, was die Handlung wie eine abgefeuerte Pistolenkugel vorantreibt, bis sie schließlich in einem spektakulären Ende ihr Ziel trifft. Die Autoren haben das Werk „Dracula“ sehr genau studiert und sich anhand der vorgegebenen Quellen und Recherchen Stokers die Mühe gemacht, in ihrem Roman den Stil Stokers nachzuempfinden.

Die Geschichte wird als Fortsetzung vielen Lesern gefallen, genauso aber auch Filmfans, die „Dracula“ aus der erfolgreichen und gelungenen Verfilmung von Francis Ford Coppola kennen. Diese Verfilmung kam dem Roman von Stoker inhaltlich am nächsten, und man erkennt im zweiten Teil durchaus Elemente, die einen Aha-Effekt auslösen.

Die Essenz Draculas kommt hier vom literarischen Standpunkt aus gesehen zu ihrer gänzlichen Entfaltung. In Stokers Werk war Dracula ein verlorener Charakter, ein kultivierter und gebildeter Edelmann, der nur geleitet wird von seinen Überlebensinstinkten und seiner Bösartigkeit. Jedenfalls ist das die Perspektive aus der Sicht seiner Gegner, wie zum Beispiel Harker oder van Helsing. In „Dracula – Die Wiederkehr“ kommt der (un)tote Graf selbst zu Wort; zwar wird er von der Außenwelt noch immer als Monster angesehen, aber aus dem Blickwinkels Draculas offenbart sich dem Leser ein ganz anderer Charakter mit hohen Moralvorstellungen und einer gewissen Verantwortung gegenüber anderen.

Wie schon in „Dracula“ nimmt Mina eine Schlüsselrolle ein. Ähnlich wie Dracula lebt sie zwischen den Welten, genauer gesagt zwischen Stolz und Vorurteil, Verstand oder Gefühl. Ihr Schicksal ist unausweichlich mit dem Draculas verbunden.

„The Un-Dead“, so der Titel im Original, lässt natürlich schnell den logischen Schluss zu, dass „Dracula“ noch immer präsent ist, und einzelne Szenen sind sehr vorhersehbar. Doch konzentrieren sich die beiden Autoren auf die Handlungen und die Schicksale der Protagonisten, und tatsächlich finden auch hier Kämpfe und Auseinandersetzungen unter den einstmaligen Streitern statt, die vorher noch in stiller Eintracht Dracula bekämpften. Für Überraschungen ist also gesorgt, so vorhersehbar auch manches bleibt.

Für blutige Szenen und Kämpfe ist gesorgt, und der Leser wird hier auch mitverfolgen können, dass Vampire zwar untot, aber nicht unsterblich sind. Dacre Stoker und Ian Holt halten sich größtenteils an die Stokersche Vampirmythologie und erfinden keine Vampire mit neuen und sagenhaften Eigenschaften.

_Fazit_

„Dracula – Die Wiederkehr“ ist ein absolut spannender und abwechslungsreicher Schauerroman mit vielen Horrorelementen. Mit viel Gespür fürs Detail wurde hier verstaubten und totgesagten Charakteren wieder Leben eingehaucht und viel Raum und Zeit gewährt, um Draculas Geschichte zum Abschluss zu bringen.

„Dracula“ bleibt eine jener literarischen Figuren, die man fast endlos auf verschiedene Art und Weise interpretieren kann, doch in dem vorliegenden Roman entpuppt sich diese als eine Gestalt, die auch für kommende Bücher und Verfilmungen neue Seiten aufzeigt und definiert. Dracula ist eben über Generation hinweg eine Trendfigur, der man sich nur schwerlich entziehen kann.

Am Ende des Romans kommen die beiden Autoren noch zu Wort und erklären ihre Motive dafür, Dracula zu reanimieren und die Legende weiterzuerzählen. Der Leser sollte sich ruhig Zeit dafür nehmen, denn auch dieser Part ist wichtig und aufschlussreich.

Spannend, abwechslungsreich, voller Tempo, zugleich mit Gefühl und Leidenschaft bewegt sich Dracula mit dieser Geschichte in unsere Zeit und wird wieder einmal viele Leser überzeugen.

„Dracula – Die Wiederkehr“ ist eine brillante Fortsetzung und für sich genommen ein spannender Roman, der lange in Erinnerung bleiben wird, denn Bram Stoker wurde hier ein Denkmal gesetzt.

_Die Autoren_

Als Urgroßneffe von Bram Stoker, dem ursprünglichen Verfasser von „Dracula“ (1897), trug sich der Kanadier Dacre Stoker bereits seit einiger Zeit mit dem Gedanken, eine Fortsetzung dieses Klassikers der Horrorliteratur zu schreiben. In dem Drehbuchautor und Stoker-Forscher Ian Holt fand er schließlich den idealen Co-Autor. Auf der Grundlage von Originalmaterial aus dem Nachlass Bram Stokers entstand „Dracula – Die Wiederkehr“ als Fortführung der Geschichte, die im ursprünglichen Roman erzählt wird.

|Originaltitel: Dracula: The Un-Dead
Ins Deutsche übertragen von Hannes Riffel
592 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-8025-8220-2|
http://www.egmont-lyx.de

Schweikert, Ulrike – Lycana. Die Erben der Nacht 2

Band 1: [„Nosferas. Die Erben der Nacht“ 5084

Im ersten Band von Ulrike Schweikerts Jugendbuchreihe um „Die Erben der Nacht“ schickte die Autorin die Nachkommen der sechs europäischen Vampirclans zu den Nosferas nach Rom, um dort das Jahr in der Vampirakademie zu verbringen. Diese war ins Leben gerufen worden, um die Animosität zwischen den verschiedenen Familien zu überwinden und die Erben an den unterschiedlichen Stärken der Clans teilhaben zu lassen. In Rom zum Beispiel lernten sie, wie man am besten religiösen Symbolen widersteht ohne in Flammen aufzugehen – sicherlich eine nützliche Fähigkeit für einen Vampir.

_In der Fortsetzung_ „Lycana“ geht die Reise nun nach Irland. Alisa aus Hamburg, Franz Leopold aus Wien, Luciano aus Rom und all die anderen jungen Vampire reisen nach Dunluce, auf die Burg der Lycana. Gerade die hochnäsigen und auf Schau bedachten Dracas aus Wien rümpfen die Nase über die einfachen Verhältnisse auf Dunluce. Nicht nur gibt es in Irland nichts als Gras und Schafe, auch gehen die Lycana mit ihren vampirischen Servienten recht freundschaftlich um, was den Dracas sauer aufstößt, die es bevorzugen, ihre Diener bei jeder Gelegenheit herum zu kommandieren. Alisa jedoch ist begeistert von Irland, nicht nur ist sie gespannt auf das Land und darauf, was sie bei den Lycana wohl lernen wird. Auch freut sie sich auf ein Wiedersehen mit Ivy-Maire und ihrem Wolf Seymour, mit denen sie sich in Rom schnell angefreundet hatte.

Die Lycana haben die einzigartige Gabe, Tiere zu sich zu rufen und sie zu ihren Zwecken zu gebrauchen – zum Beispiel um Nachrichten zu überbringen. Und als I-Tüpfelchen sind sie sogar in der Lage, sich in verschiedenste Tiere zu verwandeln, also in Wölfe, Fledermäuse oder gar Falken, sollte ihnen der Sinn danach stehen. Es ist nun die Aufgabe der Erben, diese Fähigkeit ebenfalls zu erlangen, wobei sich einige besser anstellen als andere. Alisa und Franz Leopold begreifen das Prinzip recht schnell, Luciano hingegen plagt sich mit einigen Schwierigkeiten herum – und als er es dann endlich schafft, sich in einen Wolf zu verwandeln, ist dieser recht struppig und erstmal überhaupt nicht eindrucksvoll.

Die Lernerfolge der Erben werden jedoch jäh unterbrochen, als sich herausstellt, dass die Vampire von Unbekannten verfolgt werden. Um die Jungen in Sicherheit zu bringen, jagt der Anführer der Lycana, Donnchadh, mit ihnen über die gesamte Inseln, um sich schließlich auf Aughnanure zu verschanzen. Allerdings droht den Vampiren nicht nur Gefahr von dieser Seite, denn gleichzeitig schwelt der alte Konflikt zwischen den Lycana und den ebenfalls in Irland ansässigen Werwölfen wieder auf. Es droht zum offenen Krieg zu kommen und zu allem Überfluss bedient sich ein skrupelloser Werwolf auch noch eines kleinen Grüppchens Menschen, um seine Ziele zu erreichen.

_Das alles ist viel_ Stoff für einen Roman, doch Ulrike Schweikert setzt sich niemals unter Druck. Statt dessen lässt sie sich für ihre umfangreiche Geschichte mit ihrem zahlreichen Personal über 500 Seite Zeit. Dabei lebt das Buch über weite Strecken nicht nur von den lebendig beschriebenen Charakteren, sondern auch von der peniblen Recherche der Autorin, der es gelingt, Irland mit all seiner Schönheit und Mystik vor dem geistigen Auge des Lesers erstehen zu lassen. Hatte sie sich in [„Nosferas“ 5084 noch auf die Hochkultur gestützt, auf Bücher, Musik und Theater, so konzentriert sie sich in „Lycana“ statt dessen auf die Landschaft, auf Schlösser und Ruinen und auf alte keltische Mythen und Geschichten. So mutet dieser Band stellenweise etwas esoterisch an, beispielsweise wenn von „magischen Orten“ die Rede ist, an denen Kraftadern zusammenlaufen, die sich die jungen Vampire zunutze machen sollen. Doch schließlich handelt es sich bei „Lycana“ um einen Fantasyroman, und wo wenn nicht in Irland bieten sich solche Passagen an.

Wie schon im Vorgänger konzentriert sich Schweikert auf einige Hauptfiguren, nämlich Alisa, Franz Leopold, Luciano und Ivy-Maire und beleuchtet deren wachsende Freundschaft. Nun gibt es zwar auch die ersten Flirts und sogar einen ersten Kuss, doch ist Schweikert weitsichtig genug, ausreichend Konfliktpotenzial einzustreuen, um die Beziehungen zwischen den Charakteren auch noch in den folgenden Bänden spannend gestalten zu können.

Ebenfalls großen Raum innerhalb der Handlung nimmt eine wachsende Xenophobie ein. Schon in „Nosferas“ wurde der Gegensatz zwischen reinen und unreinen Vampiren skizziert. Jene, die wie die Erben als Vampire geboren wurden, sehen sich denen, die per Biss dazu gemacht wurden, als überlegen an und so werden diese Vampire als Servienten oder „Schatten“ gehalten. Gerade die Standes bewussten Wiener Dracas sehen in ihren Servienten keine gleichwertigen Vampire, Franz Leopold spricht sogar einmal fast wörtlich von unwertem Leben. In Irland jedoch sind sie vollwertige Mitglieder des Clans, dürfen Entscheidungen treffen und über ihr eigenes Leben bestimmen. Und tatsächlich mutet diese Unterteilung in Kasten seltsam an, sind es doch eigentlich die gebissenen Vampire, die mehr evolutionäre Vorteile aus ihrem neuen Dasein ziehen. Sie altern nicht (wohingegen die reinen Vampire einem Alterungsprozess unterworfen sind) und können unter Umständen sogar am Tag agieren (für reine Vampire offenbar unmöglich). Es bleibt abzuwarten, ob sich die Servienten auch in Zukunft damit zufrieden geben werden, als Diener ihr Dasein zu fristen.

Unbedingt erwähnt werden sollte, dass auch Bram Stoker und Oscar Wilde wieder auftauchen. Diesmal bekommen die beiden sogar ihren eigenen Handlungsstrang, zu dessen Höhepunkt Stoker ein weiteres Mal auf Ivy trifft. Sein Interesse an allem Übernatürlichen – und besonders an Vampiren – ist bereits geweckt und er hat im Verlauf der Handlung mehrmals die Gelegenheit, einen Blick auf die Blutsauger zu erhaschen. Schließlich sollte er langsam anfangen, Inspiration für seinen großen Vampirroman [„Dracula“ 210 zu suchen!

_Im Nachwort_ erläutert Schweikert ihre Prämisse für „Die Erben der Nacht“ so: |“Mir ist es wichtig, kurze Einblicke in die Historie des Landes, die Politik, Kunst und den Stand der Wissenschaften mit ihren damals neuen Erfindungen zu geben, sei es nun die Medizin, die Architektur oder die Technik neuer Maschinen.“| Ohnen Zweifel ist Schweikert dieses Vorhaben mehr als gelungen. Mit „Lycana“ hat sie einen astreinen Schmöker vorgelegt, der nicht nur Fantasy-Fans sondern auch Liebhaber historischer Geschichten und Abenteuerromane glücklich machen dürfte. „Die Erben der Nacht“ ist All-Age-Fantasy, die für wirklich jeden Leserkreis etwas zu bieten hat!

|542 Seiten, kartoniert
empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-570-30479-2|
http://www.cbj-verlag.de

Liebe Besucher meiner Internetseite,

Mehr von Ulrike Schweikert auf |Buchwurm.info|:

[„Nosferas. Die Erben der Nacht 1“ 5084
[„Der Duft des Blutes“ 4858
[„Die Seele der Nacht“ 1232 (Die Legenden von Phantásien)