Hegen, Hannes (Hrsg.) / Dräger, Lothar (Text) / Hegenbarth, Edith (Zeichnungen) – Digedags am Mississippi, Die (Amerikaserie, Band 2)

Band 1: [„Die Digedags in Amerika“ 4169

Sie sind einer der wenigen Exportartikel, welche den Sprung aus der DDR nach Gesamtdeutschland geschafft haben. Die Digedags. Die Dige-Wer? Schon seit den Fünfzigerjahren bereicherten die drei Kleinwüchsigen aus den |Mosaik|-Comics unter der Schirmherrschaft von Hannes Hegen Monat für Monat die deutsche Comiclandschaft. Zumindest die östliche. Hier im Westen waren die umtriebigen Kerlchen Dig, Dag und Digedag weitgehend unbekannt und auch die Hefte bzw. später Sammelbände kaum bis gar nicht zu bekommen – selbst wenn man als einer der wenigen Wessis um ihre Existenz wusste. Höchstens mit viel Vitamin B und oftmals noch mehr harter West-Mark.

Nach der Wiedervereinigung wurde es still um sie, bis die Digedags 2005 ein kleines Comeback feierten. Alle bisher Serien wurden vom wiederauferstandenen Verlag |Junge Welt| noch einmal komplett neu aufgelegt. Von der Römerserie über Ritter Runkel, Erfinder-, Amerika-, Orient- bis hin zur Weltraumserie kann man nun endlich alle Abenteuer der drei sympathischen Zeitwanderer wieder als Frischware erwerben. Bis dato war man auf private Sammlungsauflösungen, Trödelmärkte u. ä. angewiesen, um fehlende Exemplare in (hoffentlich) akzeptablen Zustand abzugreifen.

Die drei mutmaßlichen Brüder tauchen in verschiedenen Menschheitsepochen auf und erleben dort ihre Abenteuer bzw. begleiten Persönlichkeiten dieser Ära mit Fleiß, Wissen und Witz. Die stets jugendlich wirkenden Digedags altern nicht und ihr markantes Äußeres bleibt weitgehend unverändert – sämtliche leichten Variationen in ihrem Aussehen sind wohl eher der Weiterentwicklung Edith Hegenbarths als Zeichnerin zuzuschreiben. Die Texte legte ihnen Lothar Dräger in den Mund, das heißt: Nein, nicht direkt in den Mund. Bei den Digedags herrscht nämlich weitgehend Sprechblasenfreiheit. An die Untertitelung der Panels hat man sich aber schnell gewöhnt und sie schätzen gelernt.

Wenn ihre „Mission“ erfüllt ist, ziehen sie weiter zur nächsten Baustelle. Dabei sind die entsprechenden Serien unterschiedlich lang. Die Amerikaserie, welche 1979 erstveröffentlicht wurde, ist eine der größten und umfasst 60 Einzelhefte (von 152 bis 211). Diese schafften es, ursprünglich zusammengefasst in insgesamt zehn Sammelbände, bis zur stolzen achten Auflage. Diese erschien noch 1989, kurz vor dem Mauerfall. Die Geschichte der Amerikaserie beginnt in New Orleans 1860, bevor der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, und sie endet in New York vier Jahre später. Bis dahin haben sich die Digedags quer durch den nordamerikanischen Kontinent gewuselt und im Kampf gegen die Sklaverei allerhand erlebt.

_Band 2 – Die Digedags am Mississippi (Mosaik 156 bis 159)_

Das von den Digedags leichtfertig provozierte Schiffsrennen (vgl.: „Die Digedags in Amerika“) zwischen dem Renommierschiff für die Schönen und Reichen „Louisiana“ und der scheinbar unterlegenen, klapprigen „Mississippi Queen“ geht in die zweite Etappe. Tatsächlich hat es Kapitän Joker geschafft, die buchstäblich dicke Konkurrentin hinter sich zu lassen – eine Sandbank wurde dem großen Raddampfer zum Verhängnis, auf welche sie der mit allen Mississippiwassern gewaschene Skipper der „Queen“ gelockt hat. Auf dieser verbringen Kapitän Baxter nebst Crew, Reederin Mrs. Jefferson und ihr Busenfreund Colonel Springfield eine angestrengte und ereignisreiche Nacht. Es gilt, die „Louisiana“ zu leichtern, damit sie freikommt.

Ein Unterfangen, welches nicht unbeobachtet und ohne schicksalshafte Folgen bleibt. Unter den Gegenständen, welche über Bord gehen, befindet sich ein Banjo, das für den Rest der Geschichte bestimmend sein wird. Sklavenjunge Ben fischt es aus den Fluten und kann mit dem grade wieder flottwerdenden Dampfer dem Plantagenaufseher und dessen Hunden mit knapper Not als blinder Passagier entkommen, nicht ahnend, dass das heiß begehrte Instrument mehr ist, als es äußerlich erscheint. Das weiß auch Mrs. Jefferson (noch) nicht; für sie war es im Prinzip nur ein Erbstück ihres verstorbenen Gatten. Doch die geheimnisvolle Klampfe ist zunächst einmal Schnee von morgen. Heute Nacht nutzt man die letzte Chance, den verhassten Proleten-Kahn der Jokers doch noch wieder einzuholen.

Dort hat man sich derweil nicht auf den Lorbeeren ausgeruht, sondern tüchtig Dampf gemacht. Mit dem Effekt, dass auf dem Schiff unserer Working-Class-Heroes der Brennstoff zur Neige geht. Gar nicht dumm, wie die Digedags nun mal sind, wird kurzerhand sämtliche brennbare Einrichtung im Kessel verfeuert. Als man den letzten Holzladepunkt vor dem Zieleinlauf vor Baton Rouge erreicht, geht der „Queen“ doch noch allmählich die Puste aus. Schlimmer noch: An der letzten nicht mal einen Kilometer zurückliegenden Flussbiegung rauscht die nächtens wiederauferstandene „Louisiana“ mit Volldampf ums Eck. Ein Kopf-an-Kopf Rennen der ungleichen Rivalinnen mit anschließendem Fotofinish entwickelt sich. Wer wird im letzten Moment die Nase vorn haben und das Zielband zerteilen? Arbeiterklasse oder Bonzen?

_Eindrücke_

Nachdem bereits im ersten Band die Grundsteine für den 15 Bände dauernden Plot gelegt wurden – u. a. die Vorstellung der Figuren Mrs. Jefferson und Colonel Springfield -, kommt nun weiter Fahrt in die Sache und weitere wichtige Personen betreten die Bühne: der Rest der Joker-Familie, speziell Onkel Jeremias und seine Tochter Jenny. Beide werden während der folgenden Episoden immer wieder wichtige Rollen spielen. Jonathan, seine Frau Jesse, Ted und Grandpa kennt der Leser ja hoffentlich bereits aus dem ersten Band. Zumindest sollte er diesen gelesen haben, denn ohne Kenntnis der Vorgeschichte ist Band 2 nämlich ziemlich witzlos. Das gilt allerdings nur für die 2005er Neuauflage. Diese ist entgegen der ursprünglichen DDR-Originalausgabe anders aufgeteilt; sehr zu ihrem Leidwesen. Und ganz besonders dem der Fans.

Die letzte „alte“ Version von Band 1 enthielt einen sehr großen und wichtigen Teil der Geschichte – nämlich den Ausgang des Rennens – bereits, und (um die Verwirrung zumindest bei den Fans und Sammlern komplett zu machen, bekam er gleich noch ein anderes Cover) der gleichnamige Band 2 von Anno Dunnemals setzte dafür etwas später – auf Onkel Jeremias Farm – auf. Somit wird die Geschichte, welche vorher in den ersten beiden Büchern schlüssig erzählt und plausibel zu einer Zwischenbilanz geführt wurde, nunmehr sogar auf deren drei getreckt. Zu diesem, nennen wir ihn mal: „Mississippi-Komplex“, gehört der seit 2005 eingeschobene Band 3 („Die Digedags bei den Piraten“) ebenfalls. Das rührt daher, weil der reanimierte Verlag |Junge Welt| die enthaltenen |Mosaik|-Heftausgaben in den Sammelbänden von früher sechs (insgesamt 150 Seiten/Band) auf heute vier (je 100 Seiten) reduziert hat.

_Fazit_

Die ganze Neuauflage wirkt ein wenig zerrissen und hat den Beigeschmack der versuchten Gewinnmaximierung, schließlich sind 12,95 € pro Band ja nicht grade ein Discountangebot. Dabei darf man nicht vergessen, dass eingedenk der Reduzierung der Seitenzahl nun nicht mehr zehn, sondern fünfzehn Bände allein der Amerikaserie gekauft werden wollen. Denn eines ist klar: Nur die komplette Serie in Regal und/oder Hirn macht wirklich Sinn. Auch Band 2 ist natürlich wieder liebevoll gezeichnet, knackig getextet und voll mit tugendhaften Lehren, sodass es zumindest von dieser Seite aus wieder nichts bei den Digedags zu bekritteln gibt. Klare Leseempfehlung, allerdings sollte man versuchen, an die Originalausgaben heranzukommen, wann immer es geht.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

„Die Digedags am Mississippi“ – Amerikaserie, Band 2
Enthält die Mosaik-Hefte 156 bis 159
© 1979 und (Neuauflage) 2005 – Buchverlag Junge Welt, Berlin
Herausgeber: Hannes Hegen
Text: Lothar Dräger
Figurinen: Edith Hegenbarth
ISBN: 3-7302-1874-3 (neu)

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Isau, Ralf – Galerie der Lügen, Die

Der bekannte deutsche Autor Ralf Isau bezeichnet seine Bücher selbstbewusst als „Phantagone“, was laut eigener Aussage bedeutet, dass seine Romane verschiedener Genres angehören und nicht immer sicher bestimmt werden kann, welche das sind. Jeder Leser soll selbst entscheiden, wo er die Bücher von Isau einordnet.

Ganz schön mutig, für seine Bücher ein eigenes Genre zu kreieren. Doch wer „Die Galerie der Lügen“ (oder auch ein anderes Werk des Autors aufschlägt), wird sehen, dass dies durchaus seine Berechtigung hat. Es fällt tatsächlich schwer, Isaus Romane einzuordnen, vor allem, wenn sie sich mit komplexen Themen wie in „Die Galerie der Lügen“ beschäftigen.

Die Eingangsszene erinnert an „Sakrileg“ von Dan Brown. Schauplatz ist das Pariser Louvre-Museum, Heimat von berühmten Gemälden wie der Mona Lisa von da Vinci. Es findet ebenfalls ein Einbruch statt, aber es wird nichts gestohlen. Stattdessen sprengt der Täter sich und die antike Statue eines Hermaphroditen in die Luft. Doch das soll nicht der einzige Vorfall bleiben. Genau sieben Tage später verschwindet in der Londoner |Tate Gallery of Modern Art| ein Bild des belgischen Malers René Magritte, „Der unachtsame Schläfer“. Von da an finden weitere Einbrüche im Wochenrhythmus statt, und jedes Mal hinterlässt der Täter einen Gegenstand am Tatort, der mit dem Bild des Schläfers in Verbindung steht.

Schnell hat man eine Verdächtige zur Hand. Die Fingerabdrücke der jungen, rebellischen Journalistin Alex Daniels wurden im Louvre gefunden. Alex, die in ihren Arbeiten die Evolutionstheorie kritisiert und deswegen nicht gerade beliebt ist, bestreitet, am Tatort gewesen zu sein. Zeugen hat sie dafür allerdings keine. Deshalb wird sie vorläufig in Gewahrsam genommen. Die Versicherung |ArtCare|, die alle gestohlenen Kunstwerke betreut hat, schickt Darwin Shaw zu Alex, um den Fall zu lösen. Der Versicherungsdetektiv stößt bei ihrer ersten Begegnung gegen den Dickkopf der jungen Dame, doch im Gegenteil zur Polizei glaubt er, dass Alex etwas weiß. Die beiden freunden sich an und es stellt sich heraus, dass Alex, wenn schon nicht selbst, wenigstens verwandtschaftlich in den Fall verwickelt ist: Das DNS-Profil des Louvre-Täters stimmt fast zur Gänze mit ihrem überein. Das ist eigentlich nur bei eineiigen Zwillingen der Fall, doch Alex ist als Einzelkind bei Adoptiveltern aufgewachsen. Haben ihre Eltern ihr etwas verschwiegen? Und was ist es, das sie Darwin Shaw, der die junge Frau allmählich liebgewinnt, verschweigt?

Ralf Isau präsentiert in seinem 2005 im Hardcover bei |Ehrenwirth| erschienen Roman einen bunten Strauß von Themen. Neben Alex Daniels‘ wissenschaftlichen Ansichten, auf die besonders am Anfang sehr ausführlich eingegangen wird, geht es außerdem um die Interpretation von Kunstwerken und vorrangig um Hermaphroditismus. Plump gesagt versteht man darunter „Zwitter“, also Menschen, deren Geschlecht sich nicht so einfach feststellen lässt. Anders als beispielsweise Jeffrey Eugenides, der mit seinem Roman [„Middlesex“, 916 welcher genau dieses Thema behandelt, einen hohen Bekanntheitsgrad gewonnen hat, wendet sich Isau eher der wissenschaftlichen Seite zu. Dementsprechend sollte man nicht nur dafür, sondern auch für die übrigen genannten Themen ein gesundes Interesse mitbringen.

Gerade der Anfang ist stellenweise etwas informationsüberladen, aber das gibt sich mit der Zeit. Ist erstmal alles erklärt, entwickelt sich eine spannende Handlung; das Buch kommt in Fahrt und punktet durch überraschende Wendungen. Isau schafft es immer wieder, Elemente in die Geschichte einzubringen, die zusätzliche Spannung bringen, wie zum Beispiel die angebliche Verwandtschaft Alex‘ zum Louvre-Täter. Dadurch bekommt der Roman stark thrillerhafte Züge, was ihm definitiv nicht schadet.

Ein weiteres Kennzeichen von „Die Galerie der Lügen“ ist Isaus sorgfältige Arbeit. Die Handlung ist haarklein ausgetüftelt hat. Alles hat einen Grund, alles lässt sich nachvollziehen, und gerade das macht Spaß bei der Lektüre von „Die Galerie der Lügen“: die Transparenz. Diese schlägt sich auch den beschreibenden Teilen des Textes nieder. Sogar die alltäglichsten Dinge werden seziert und in ansprechende literarische Form gebracht. Manchmal grenzt diese Genauigkeit geradezu an Pedantismus, wenn Isau sogar die Fluglinie namentlich erwähnt, mit der Darwin Shaw ins Ausland fliegt.

Der Anspruch, alles zu erklären, zeigt sich auch im Schreibstil. Dieser ist eher kühl und distanziert, intellektuell und rational – passend zum Sujet des Buches eben. Und auch wenn man dadurch manchmal das Gefühl hat, die menschliche Seite der Protagonisten könnte etwas zu kurz kommen, so ist trotzdem fraglich, ob dieses Buch besser hätte geschrieben werden können. Der Schreibstil passt wie die Faust aufs Auge. Jeder andere hätte die Ernsthaftigkeit und die Denkanstöße, die Isau im Buch transportiert, sicherlich nicht so gut darstellen können.

Die Charaktere in „Die Galerie der Lügen“ vereinen alles, was bis jetzt gesagt wurde. Sie sind sehr genau ausgearbeitet, aber, ähnlich wie der Schreibstil, öffnen sie sich dem Leser nicht zur Gänze. Gerade Alex, deren gesamtes Leben von schwerwiegenden Geheimnissen belastet wird, gibt sich zugeknöpft. Sie taut mit der Zeit zwar auf, aber der Eindruck der mysteriösen, unnahbaren Frau bleibt. Und gerade das macht sie für den Leser interessant. Die übrigen Charaktere, einmal abgesehen von Darwin Shaw, bleiben durch den distanzierten Schreibstil eher verschlossen. Von ihnen erfährt man kaum mehr als sie durch ihr Auftreten und ihr Gesagtes von sich preisgeben. Das könnte man negativ deuten, aber es hat auch einen entscheidenden Vorteil: In dem Buch, das sowieso schon prall gefüllt ist mit allerlei Informationen, stehen dadurch die beiden oben genannten Personen im Vordergrund und niemand anderer.

„Die Galerie der Lügen“ ist sicherlich keine einfache Bettlektüre. Dazu konzentriert sich Isaus Phantagon zu sehr auf komplexe, anspruchsvoll aufbereitete Themen, für die man, wenn schon kein besonderes Interesse, dann doch wenigstens eine gewisse Aufgeschlossenheit mitbringen sollte. Wer sich auf das Buch einlässt, bekommt im Gegenzug einiges geboten. Isau recherchiert akribisch und weiß das Recherchierte umzusetzen. Er konzentriert sich auf zwei Personen und legt sie anhand seines sezierenden Schreibstils offen. Alles zusammen presst er anschließend in einen sorgfältig abgesteckten Handlungsrahmen, der neben einer thrillerhaften Spannung außerdem manchmal geradezu sachbuchartige Züge und kriminalistische Ermittlungsarbeit aufweist. Ein Phantagon eben, eine gelungene Mischung aus vielen verschiedenen Genres, bei der man stets aufs Neue nach ihren Einflüssen suchen kann.

[Website von Ralf Isau]http://www.isau.de

http://www.bastei-luebbe.de

_Ralf Isau auf |Buchwurm.info|:_

[„Das gespiegelte Herz“ 1807 (Die Chroniken von Mirad 1)
[„Der König im König“ 2399 (Die Chroniken von Mirad 2)
[„Das Wasser von Silmao“ 3014 (Die Chroniken von Mirad 3)
[„Das Jahrhundertkind“ 1357 (Der Kreis der Dämmerung, Teil 1)
[„Der Wahrheitsfinder“ 1502 (Der Kreis der Dämmerung, Teil 2)
[„Der weiße Wanderer“ 1506 (Der Kreis der Dämmerung, Teil 3)
[„Der unsichtbare Freund“ 1535 (Der Kreis der Dämmerung, Teil 4)
[„Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ 1095 (Die Legenden von Phantásien)

McGarry, Terry – Pfade des Lichts

Band 1: [„Zauberin des Lichts“ 2899

Pelufer ist eine kleine Gaunerin. Und sie ist stolz darauf! Immerhin ist sie diejenige, die die Familie – oder das, was von ihr übrig ist – mit ihren geklauten Nahrungsmitteln ernährt, was die ältere, aber brave Elora mit ihrer unbeugsamen Ehrlichkeit nicht von sich behaupten kann. Aber das ist noch nicht alles. Pelufer hat wie ihre beiden Schwestern eine besondere Gabe, die sie streng geheimhalten. Doch als Pelufer eines Tages an der Wasserausgabe zwei Fremden begegnet, gerät ihre Welt plötzlich völlig aus den Fugen …

Louarn wird allmählich misstrauisch. Dass sein Lehrmeister Croy, der ihm das Maurerhandwerk beigebracht hat, eines Tages plötzlich ermordet in seinem Haus lag, war schon schlimm genug. Aber dass Louarn solche Todesfälle auf seiner Wanderung durch Eyden Myr immer wieder begegnen, ist alarmierend. Und wozu wurden all diesen Opfern die Hände abgetrennt und fortgeworfen? Als Louarn herausfindet, dass sämtliche Ermordeten ehemalige Magier waren, beschließt er, die Täter zu stellen …

Dabrena, ehemals eine Hüterin in der Feste der Ennead, lebt noch immer innerhalb des dunklen Fels. Sie versucht, von dort aus Eyden Myr neu aufzubauen, trotz all der Naturkatastrophen und der verschiedenen grassierenden Krankheiten, die seit dem Erlöschen des Lichts das Land verheeren. Um ihre Maßnahmen besser zu koordinieren, will sie eine Beratung abhalten. Doch die übrigen Teilnehmer scheinen daran kein Interesse zu haben. Verlein, die Kämpferin, die einst die Feste erobert hat und jetzt die Küsten Eyden Myrs bewacht, verweigert ihr offen die Unterstützung, Streln, der Sprecher der Insel Khine, verspottet ihre Bemühungen und droht mit Eroberung, und der Oberste der Gelehrten ist erst gar nicht erschienen!

Und als sei das noch nicht genug, verschwinden immer wieder kleine Kinder spurlos. Manche kommen zurück, andere nicht. Und die Rückkehrer erzählen so absonderliche Geschichten, dass niemand ihnen glaubt. Aber was geschieht wirklich mit den verschwundenen Kindern?

Zwar ist „Pfade des Lichts“ die Fortsetzung von „Zauberin des Lichts“, von den Charakteren des ersten Bandes ist allerdings nur noch eine Handvoll übrig. Liath, die Hauptperson des Vorgängers, ist nicht dabei. Die entstandene Lücke füllen die drei Schwestern, allen voran Pelufer.

Pelufer ist ein ungebärdiges Mädchen, stur, frech und schnell wütend, aber auch mutig und mit einem sicheren Instinkt für Gefahren begabt. Um Dinge wie Regeln und Anstand kümmert sie sich nicht im Geringsten, vor allem dann nicht, wenn sie dem praktischen Nutzen widersprechen, und gerät deshalb immer wieder mit Elora aneinander.

Elora trägt als Älteste die Verantwortung für ihre jüngeren Schwestern. Da sie sich als Elternersatz fühlt, versucht sie, alles auf möglichst erwachsene Art zu regeln, was nicht immer funktioniert und gelegentlich auch Pelufers Warninstinkten zuwider läuft.

Caille, die Jüngste, ist noch nicht einmal sechs Jahre alt und spricht nur extrem wenig. Aber sie ist trotzdem ein kluges Mädchen, immer hungrig und außergewöhnlich tierlieb.

Louarn gehört zu denjenigen, die im ersten Band bereits auftauchten, allerdings eher am Rande. Diesmal gehört er zu den Hauptpersonen. Ein stiller, ernsthafter junger Mann, der es nie lange an einem Ort aushält, mit einer Vorliebe für alle möglichen handwerklichen Tätigkeiten und einer tief verwurzelten Furcht vor dem Schlaf. Denn auch er besitzt eine ungewöhnliche Gabe …

Dabrena kam ebenfalls schon früher vor, aus dem lebenslustigen, unbeschwerten jungen Mädchen ist allerdings eine erwachsene Frau geworden, die sich trotz aller Bemühungen um einen Neuanfang nicht von der Vergangenheit und ihren Schuldgefühlen lösen kann und sich mit geradezu manischer Beschützerwut an ihre Tochter Kara klammert.

Die Kinder und auch Louarn sind gut gelungen, auch wenn es nicht ganz einfach ist, sich in letzteren einzulesen; zu verwirrend und bruchstückhaft ist anfangs die Darstellung. Besonders gut aber fand ich die Schilderung einer Nebenfigur: Kazhe, im ersten Band die Leibwächterin des „Schwarzmagiers“ Torrin. Ihre Besäufnisse sind die eindrucksvollsten, die ich je gelesen habe.

Allerdings gibt es hier im Gegensatz zum ersten Band so gut wie keinen Bösewicht. Zwar ist von den Ennead jemand übrig geblieben, um auch in der Fortsetzung noch Unruhe zu stiften, bleibt aber nahezu vollständig im Hintergrund und taucht nur kurz persönlich auf, um Taten und Motive zu erläutern. Eine Charakterentwicklung findet nicht statt.

Die mangelnde Präsenz eines Antagonisten hat das Buch Spannung gekostet. Der Versuch, die Identität des Gegenspielers zu verschleiern und den Leser später mit einer Enthüllung zu überraschen, misslingt, da die Autorin ihre Zurückhaltung nicht konsequent durchgezogen hat. Zu früh ist klar, welchen Weg die Entwicklung nehmen wird. Und als der Gegner schließlich klar ist, ist er zu rasch und zu problemlos überwunden.

Auch andere Konstellationen werden um der Überraschung willen aufgelöst, ohne ihr volles Spannungspotenzial ausgeschöpft zu haben. Das führt dazu, dass die Handlung an diesen Stellen wie geknickt wirkt. Häufige Ortswechsel, teilweise kombiniert mit Zeitsprüngen sowie Wechsel zwischen den einzelnen Handlungssträngen unterstützen diesen Eindruck noch, zumal die Autorin sich nicht die Mühe macht, ihre Sprünge durch ein paar überleitende Sätze abzuschwächen.

Die Ortswechsel bereiten auch deshalb Schwierigkeiten, weil nur die verschiedenen Gegenden Eyden Myrs in der Karte mit Namen versehen sind. Städte, Flüsse und Berge dagegen sind nicht namentlich verzeichnet, so dass der Leser bestenfalls eine ungefähre Vorstellung davon hat, wo sich die Personen befinden und wie es dort aussieht. Zusätzlich erschweren auch die vielen spezifischen Zeit- und Entfernungsangaben, deren Erklärung sich auch diesmal auf der hintersten Seite befinden, das Hineinfinden in die geschilderte Umgebung.

Der Weltentwurf hat sich dafür um ein paar gute Ideen erweitert. Dazu gehören die Gaben der Kinder – wobei nicht klar ist, ob und wie diese mit Erdweisheit zusammenhängen, die Liaths Begleiter Heff besaß -, die unerwarteten Fähigkeiten von Kazhes Schwert, die Welt der Knochenleute, der historische Aspekt und vor allem natürlich die Besonderheiten im Zusammenhang mit Louarn, der dadurch zu einer Schlüsselfigur für den dritten Band werden dürfte. Eine Menge Stoff für den dritten Band mit vielversprechendem Potenzial.

Der zweite Teil hat mir bereits besser gefallen als der erste. Die Charakterzeichnung ist interessanter und besser, trotz des fast völlig fehlenden Gegners, die neuen Ideen sind vielfältiger und zahlreicher, und der Erzählfluss hat viel von den Bewegungen eines bockigen Pferdes verloren. Falls es der Autorin gelingt, ihren Handlungsverlauf inhaltlich und sprachlich noch etwas weniger sprunghaft und kantig zu gestalten, und den gut gelungenen Personen dieses zweiten Bandes einen ebenbürtigen Gegner aufzubauen, ohne sich dabei in Geheimniskrämereien zu Andeutungen zu verzetteln, könnte der dritte Band der beste der Trilogie werden.

_Terry McGarry_ war nach dem College in den verschiedensten Berufen tätig und ist letztlich im Verlagswesen hängengeblieben. Sie verfasste schon seit längerem Kurzgeschichten, ehe sie ihren ersten Roman „Zauberin des Lichts“ schrieb. Die Fortsetzung zu „Zauberin des Lichts“ und „Pfade des Lichts“, „Triade“, ist auf Deutsch noch nicht erschienen.

http://www.eidenmyr.com
http://www.heyne.de

Bernie Chowdhury – Der letzte Tauchgang. Drama im Atlantik

Oktober 1992: Auf dem herbstlichen, schon ziemlich ungemütlichen Nordatlantik schaukelt 110 Kilometer vor der Küste des US-Staates New Jersey das Tauchexpeditionsboot „Seeker“. Es ankert über dem Wrack eines unbekannten deutschen U-Bootes, das hier in der Endphase des II. Weltkriegs torpediert wurde. Die Passagiere der „Seeker“: Sporttaucher und Hobby-Historiker, die unbedingt herausfinden wollen, ob sich womöglich Nazi-Bonze Martin Bormann 1945 wider alle Geschichtsbücher unter Wasser aus dem Staub der Berliner Reichskanzlei machen konnte … Bernie Chowdhury – Der letzte Tauchgang. Drama im Atlantik weiterlesen

Simon Beckett – Kalte Asche

Das geschieht:

Dr. Simon Hunter, forensischer Anthropologe der Universität London, freut sich nach einer anstrengenden Dienstreise auf die Heimreise, als ihn ein Hilfegesuch der Polizei nach Runa, eine kleine Insel der Äußeren Hebriden vor der Nordwestküste Schottlands, führt. Dort wurde in einem verfallenen Cottage eine völlig verbrannte Leiche entdeckt, die Hunter nicht nur untersuchen, sondern auch feststellen soll, ob ein Mord oder nur ein Unfall vorliegt.

Runa ist eine kleine aber fest in sich ruhende Inselgemeinschaft, deren Mitglieder sich sämtlich zu kennen glauben. Konflikte werden intern gelöst, und „denen vom Festland“ steht man geschlossen misstrauisch und ablehnend gegenüber. Das erschwert die Ermittlungen, zumal Hunter mit Sergeant Fraser ein schroffer und dem Alkohol ergebener Polizeibeamter zur Seite gestellt wurde.

Die Leiche entpuppt sich als weiblich, und der Schädel weist deutliche Spuren eines heftigen Schlages auf. Der Tod war folglich gewaltsam. Der Täter oder die Täterin muss sich noch auf der Insel aufhalten, die in den Wochen seit dem Mord nachweislich niemand verlassen hat. Während Fraser dem Fall nicht gewachsen ist, kann sich Hunter auf die Unterstützung des ehemaligen Inspektors Andrew Brody verlassen, der seinen Altersruhesitz auf Runa genommen hat. Der alte Polizist hat seinen Job nicht verlernt. Gemeinsam mit Hunter nimmt er die Schar der Verdächtigen unter die Lupe. Die ist zwar klein, aber schwer zu durchschauen.

Dass Runa diverse Geheimnisse birgt, wird sogar dem Fremdling Hunter rasch klar. Dann bricht ein gewaltiger Sturm los, der Runa völlig isoliert und dem Mörder die willkommene Gelegenheit bietet, Spuren zu verwischen und mögliche Zeugen zu beseitigen, zu denen sich zu seinem Schrecken auch David Hunter zählen muss …

Ewig spannend: der ‚unmögliche‘ Mord

Hoch schlugen die Wellen, als Simon Beckett 2006 seinen ersten Krimi um den psychisch angeschlagenen Forensiker David Hunter veröffentlichte. Allzu drastisch beschreibe er, was der Tod mit dem menschlichen Körper anrichte, während der eigentliche Romanplot zu dürftig daherkomme, so der grundsätzliche Tenor der Kritik, von der sich die Leser indes nicht beeindrucken ließen. Ihnen gefiel „Die Chemie des Todes“ als Buch, das bei objektiver Betrachtung weder besser noch schlechter als die meisten zeitgenössischen Thriller war.

„Kalte Asche“ ist das zweite Kapitel in der David-Hunter-Vita, das Beckett wieder als Kriminalgeschichte erzählt. Gegenüber dem Debüt gibt es diverse Veränderungen bzw. Entwicklungen. Dieses Mal steht die Ermittlung im Vordergrund, während Hunters private Probleme (angenehm) ausgeklammert oder nur kurz angerissen werden. „Kalte Asche“ ist ein klassischer „Whodunit?“, der geschickt mit den literarischen Stilmitteln des 21. Jahrhunderts dargeboten wird.

Der Mord auf einer durch das Meer und das Wetter isolierten Insel ist wahrlich kein Einfall, der durch Originalität besticht. Wer Krimis liest, wird sogleich ältere Romane nennen können, die sich dieser Kulisse bedienen. (Der bekannteste ist vermutlich „Ten Little Niggers“/„And Then There Were None“, 1939; dt. „Zehn kleine Negerlein“/„Letztes Weekend“/„Und dann gab’s keines mehr“, von Agatha Christie.) Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Schauplatz ist (scheinbar) überschaubar, die Zahl der Verdächtigen bleibt auf die (kleine) Gruppe der Insulaner beschränkt. Ein guter Autor wird sich hüten, unfair vorzugehen, was bedeutet, dass Leser, die miträtseln möchten, über dieselben Indizien und Hinweise verfügen wie die ermittelnden Beamten und Detektive.

Zu viel des unterhaltsam Schlechten

Was natürlich eine Illusion ist, was wir durchaus wissen. Letztlich erwarten wir, dass uns der Verfasser im großen Finale überrascht und die sorgfältig gelegten Spuren ad absurdum führt. Dieser Erwartung wird Beckett völlig gerecht, bevor er leider dem heutzutage üblichen Hang zum „Last-Minute-Twist“ folgt, d. h. auf den letzten Seiten den eigentlichen Übeltäter ans Licht zerrt, um der bisher erzählten und logisch aufgeklärten Story eine gänzliche neue Deutung aufzupfropfen.

Selbst das übersteht die Geschichte gut, aber Beckett will den Jeffrey-Deaver-Effekt und zieht auf der allerletzten Seite ein weiteres As aus dem Ärmel; er versucht es jedenfalls, denn was hier stattfindet, ist ebenso lächerlich wie billig und verdirbt viel von dem gutem Eindruck, den „Kalte Asche“ bisher hinterließ.

Denn Runa ist ein malerischer und überzeugender Ort für diesen ziemlich abenteuerlich geplotteten Thriller. Einsame Hügel, bestanden mit steinzeitlichen Hügelgräbern, dazwischen Moore, darüber Nebel, Wolken und Regen: Hier ist die Zivilisation sichtlich abwesend, verläuft das Leben nach alten, sogar archaischen Regeln. Die Inselgemeinde ist eine verschworene Gemeinschaft, in der Konflikte freilich gären wie in einem Dampfkochtopf. Nicht selten entweicht der Überdruck explosiv = gewalttätig und straft den Anschein eines gemütlich-trägen Inselalltags Lügen.

Verfluchte Heimat!

Einig ist man allerdings im Schulterschluss gegen alle ‚Fremden‘. Das schließt selbst den Wohltäter Michael Strachan ein, dem man es insgeheim verübelt, dass er über die finanziellen Mittel verfügt, seinem Gutmenschentum zu frönen. Gern würden die Insulaner ohne solche Hilfe auskommen, die sie eher gnädig als freudig oder gar dankbar annehmen.

Sergeant Fraser verkörpert perfekt das ungeliebte „Festland“, dessen Vertreter ohne Rücksicht auf die feinen Strukturen der Runa-Gesellschaft umherpoltern und gern Überlegenheit bzw. Überheblichkeit an den Tag legen. David Hunter versucht es mit ‚Verständnis‘, trägt aber dabei ebenfalls zu dick auf und stößt auf Ablehnung. Wie Fraser begreift Hunter nicht, dass Runa für seine Bewohner gleichermaßen Segen und Fluch ist: kein idyllischer Urlaubsort, sondern harte Realität und ebenso Heimat wie Verbannung.

David Hunter wird durch die Ereignisse auf Runa immerhin erfolgreich von seiner nach wie vor schwierigen privaten Situation abgelenkt. Nur halbwegs hat er den tragischen Verlust von Frau und Kind überwunden. Seine neue Gefährtin ist nach schrecklichen Erlebnissen (s. „Die Chemie des Todes“) selbst mental labil. Die Beziehung ist ohnehin schwierig, und die Spannungen verschärfen sich, weil Hunter von seiner – durchaus obsessiven – Beschäftigung mit meist grausam zu Tode gekommenen Menschen nicht lassen will. Er hat darin seinen Ausgleich gefunden, der ihm hilft, den Verlust der Familie zu kompensieren: Hunter will Antworten auf Fragen, die ohne seinen Einsatz womöglich unbeantwortet blieben.

Liebe zum garstigen Job

Im Vergleich zu „Die Chemie des Todes“ räumt Beckett dem inneren Ringen Hunters deutlich weniger Raum ein. Dem Roman kommt das sehr zu Gute, da der Verfasser die eigentliche Handlung vorantreibt, die sich u. a. um das Phänomen der klassischen Selbstentzündung dreht, für das Beckett eine logische Erklärung vorlegt.

Der Autor hält das Tempo durch, verzettelt sich nicht mehr in den endlosen Selbstzerfleischungen, die Hunters Denken und Handeln im Vorgängerband allzu stark bestimmen. In dieser Hinsicht wirkt Runa katalytisch: Die Insel ist auch für Hunter eine Stätte jenseits seines Alltagslebens, mit dem er sich während seines Aufenthaltes nur sporadisch beschäftigen muss.

Ob Hunter dank des angemerkten (aber hier natürlich verschwiegenen) finalen Knalleffekts noch einmal ermitteln wird, ist unklar – soll unklar wirken, aber in diesem Punkt lässt sich niemand vom Verfasser in die Irre führen. Stattdessen legt Beckett das Fundament für neue private Turbulenzen seines Helden, der mit ziemlicher Sicherheit recht bald seine nächste garstige Leiche unter die Lupe nehmen wird.

Autor

Simon Beckett (geb. 1968) versuchte sich nach Abschluss eines Englischstudiums als Immobilienhändler, lehrte Spanisch und war Schlagzeuger. 1992 wurde er freier Journalist und schrieb für bedeutende britische Zeitungen wie „Times“, „Daily Telegraph“ oder „Observer“. Im Laufe seiner journalistischen Arbeit spezialisierte Beckett sich auf kriminalistische Themen. Als Romanautor trat Beckett zuerst 1994 an die Öffentlichkeit, doch deren breite Aufmerksamkeit fand er erst mit den Romanen um den Forensiker David Hunter (ab 2006). Allerdings wurde Beckett bereits für „Animals“ (1995, dt. „Tiere“) mit einem „Raymond Chandler Society’s Marlowe Award“ für den besten internationalen Kriminalroman ausgezeichnet.

Mit seiner Familie lebt Simon Beckett in Sheffield. Über sein Werk informiert er auf dieser Website. Interessant ist, dass er seine vier zwischen 1994 und 1998 veröffentlichten (und inzwischen auch in Deutschland erschienenen) Romane unerwähnt lässt.

Taschenbuch: 432 Seiten
Originaltitel: Written in Bones (London : Bantam Press 2007)
Übersetzung: Andree Hesse
http://www.rowohlt.de

eBook: 532 KB
http://www.rowohlt.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Sassenberg, Volker – Abseits der Wege. Kapitel 2: Stromabwärts

Der Auftakt war episch, geheimnisvoll und der Beginn eines fantastischen Abenteuers. Acht Monate sind seit der Veröffentlichung von [„Kapitel 1: Unweit“ 3269 des Hörspiels „Abseits der Wege“ vergangen. Ein für eine fortlaufende Hörspielreihe ungewöhnlich langer Zeitraum. In Internetforen wurde bereits hitzig über die neue Serie diskutiert. Zwar war man sich über die technische Qualität einig; die komplexe Handlung, die bereits nach den ersten 80 Minuten mehr Fragen offen ließ als manch andere Serie nach 20 Folgen, wurde jedoch sowohl begeistert aufgenommen als auch bis ins kleinste Detail kritisiert. Häufig genannt: Produzent Volker Sassenberg („Point Whitmark“, „Gabriel Burns“) hätte sich ein wenig von seinen Wurzeln lösen und nicht schon wieder so viele mysteriöse Verwicklungen einbauen sollen, schließlich war sein ureigener Anspruch der einer klassischen Fantasy-Geschichte. Als lange Zeit kein zweiter Teil in Sicht kam, wurden bereits erste Vermutungen laut, die Serie würde nicht fortgeführt werden, vielleicht sogar aufgrund der vielen negativen Äußerungen. Allen Befürchtungen zum Trotz tauchten dann jedoch die ersten Informationen über eine Fortsetzung auf. Und nun, wenige Woche später, geht mit „Kapitel 2: Stromabwärts“ das Abenteuer weiter. Denn ob nun positiv oder negativ, die Erwartungshaltung ist enorm. Und als wäre der lange Zeitraum genutzt worden, um sich einige der Kritiken zu Herzen zu nehmen, ist der zweite Teil von „Abseits der Wege“ linearer und klarer geworden, fällt aber gerade dadurch im Vergleich zu seinem Vorgänger ab.

_Inhalt_

Eingerahmt wird „Kapitel 2“ von einem langen, orchestralen Musikpart, der in die Geschichte einführt und den Hörer schnell in die Fantasywelt eintauchen lässt. Das Dorffest ist vorüber, und schon seit einigen Tagen steht die Gaststätte Tebald Glücks leer, abgesehen von der geheimnisvollen Myrell und dem Purpurnen Prüfer, die nach Tiefenhag gekommen sind, um nach dem Welkenwerk zu suchen. Der Prüfer ist bei der Suche von Faiyen verletzt worden und kämpft um sein Leben. Myrell kann seine Blutungen stoppen, doch damit der Prüfer wieder ganz genesen kann, muss sie ihn zu einem Heiler in eine Stadt bringen. Per Floß über den Silbersee verlassen die beiden das Dorf, doch Tebald, der sie am Steg verabschiedet, weiß, dass zumindest Myrell nicht lange fortbleiben wird. Sie hat nämlich sein Geheimnis gelüftet, dass er zu einer Verbindung gesuchter Männer gehört, die sich verbotener Magie bedienen und möglicherweise für das Welkenwerk verantwortlich sind – zu eben jenen Männern also, die eigentlich der Purpurne Prüfer ausfindig machen wollte. Doch Myrell will dem Prüfer nichts verraten, wenn Tebald sie gänzlich mit seinen Geheimnissen vertraut macht. Während Tebald am Steg dem kleiner werdenden Floß hinterhersieht, wägt er hin- und hergerissen seine Alternativen ab, als er über einen Fischboten eine neue Botschaft zugespielt bekommt. Schnell überfliegt er sie sie und ist sich sicher: Alle Alternativen sind soeben zu einer einzigen zusammengeschmolzen. Überhastet bricht er auf, stromabwärts.

Gaston Glück, einziger Sohn Tebalds, schwelgt währenddessen unweit vom Dorf entfernt in Gedanken, als der Unliche Lyssandrer in Erscheinung tritt. Gaston will Reißaus nehmen, ist der Unliche doch ein Zeichen dafür, dass das Welkenwerk seinen Lauf nimmt. Doch Lyssandrer kann Gaston zum Zuhören bewegen. Der Unliche berichtet ihm, dass sein Vater verschwunden sei und er sich sofort auf den Weg machen solle, um ihn zu verfolgen, nur so könne das Geheimnis, das Vater mit sich trägt, gewahrt werden. Gaston zweifelt an den Worten des Unlichen, macht sich aber sofort zurück zum Dorf auf. Als er in der Gaststube nur einen hastig verfassten Zettel findet, auf dem sein Vater die Worte „Bin nach Flusskreuz“ geschrieben hat, muss Gaston die Wahrheit der Worte Lyssandrers anerkennen. Zusammen mit seinen Freunden Dunring und Halmir und dem Knorpelgnom Po macht er sich auf, um das auf Holzpalisaden erbaute Städtchen an der großen Flussmündung rechtzeitig zu erreichen.

In der Dunkelheit kommen die Freunde endlich in Flusskreuz an. So weit von ihrem Dorf Tiefenhag haben sie sich noch nie entfernt, und so sind sie vom Anblick regelrecht überwältigt. Doch die Stadt scheint in Aufruhr, denn obwohl die Straßen voller Leben sind, ist kein Boot an den Stegen vertäut, als ob niemand den Ort verlassen dürfte. Ohne entdeckt zu werden, legen die vier Gefährten an und durchkreuzen dabei einen Ring aus Laternen, der um die ganze Stadt gezogen ist. Der Knorpelgnom Po, dem die Licht erzeugenden Funkelfliegen zuwider sind, reißt zwei Laternen nieder. Gaston ist zwar verärgert und lässt den Gnom zurück im Boot, während er und seine Freunde die Stadt nach seinem Vater Tebald absuchen, misst aber der Handlung keine Bedeutung bei. So bleibt zunächst unbemerkt, dass Po den Schutzkreis, den diese Laternen dargestellt haben, eingerissen hat und den Weg für das Welkenwerk ebnet, das in Form von Laub nun ungehindert in die Stadt wehen kann.

Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Gaston kann seinen Vater, der den Adressaten der ihm übermittelten Botschaft gefunden und von diesem ein wichtiges Dokument erhalten hat, finden, doch der Hauptmann des Königs, der das ganze Land auf der Suche nach den letzten, im verborgenen arbeitenden Nebelchronisten durchstreift, ist ebenfalls in der Stadt und sucht nach Tebald Glück. Als Gaston mit seinem Vater vor dem Hauptmann fliehen will, manifestiert sich das eingedrungene Laub zu einem Efeu-Lichen, ein Herbststurm, der die Umrisse eines Ungeheuers bildet und Flusskreuz in Schrecken und Chaos versetzt. Der Hauptmann ist nun das deutlich geringere Übel.

_Umsetzung_

Wie schon der erste Teil überzeugt auch „Kapitel 2: Stromabwärts“ technisch auf ganzer Linie. Die Produktion ist auf höchstem Niveau und hat, obwohl das visuelle Element fehlt, Kinoqualität. Die orchestrale Musik umrahmt die Folge und wird mehrere Minuten ausgespielt, ohne hastig ausgeblendet zu werden. Zwischendurch dient sie dann zur Untermalung, drängt sich er aber nie in den Vordergrund, sondern verstärkt vielmehr die einzelnen Szenen. In gleicher Weise verhält es sich mit den Soundeffekten, die nicht übermäßig stark eingesetzt werden, nur dann, wenn es der Stimmung zuträglich ist. Das leise Plätschern des Wassers, das Knarren des Holzes und das Pfeifen des Windes lassen durch die Boxen hindurch das Bild der Landschaft und der auf Palisaden errichten Flussstadt entstehen. Die Sprecher gehören allesamt der ersten Liga an und schaffen es, ihre Stimmen gekonnt einzusetzen, so dass man sich die Figuren plastisch und mit ihren Ecken und Kanten vorstellen kann. Jürgen Kluckert als Tebald Glück, der mehr verbirgt, als er offenbart, Timmo Niesner als Gaston, der überzeugend den jugendlichen, ins Abenteuer hineingeschlitterten Helden spielt (ein Vergleich zu Frodo, den er ebenfalls im Deutschen spricht, ist aber stets unumgänglich) und Knorpelgnom Po, den Volker Sassenberg persönlich gibt und dabei hörbar Spaß hat, sind nur einige Beispiele. Heinz Ostermann, der mit seiner Stimme kraftvoll durch das Hörspiel führt und aufgrund seiner vieler Passagen als außenstehender Erzähler die Geschichte mit der nötigen epischen Distanz herüberbringt, so als handle es sich um die wahre Erzählung einer lange zurückliegenden Geschichte, hält schließlich „Abseits der Wege“ gekonnt zusammen.

_Bewertung_

Auch das zweite Kapitel von „Abseits der Wege“ ist ein gelungenes Fantasy-Hörspiel geworden. Im Gegensatz zum ersten Teil ist die Handlung deutlich weniger komplex und spielt sich weitgehend in der Stadt Flusskreuz ab. Dadurch verliert der mystische Hauch, den die Serie am Anfang umgeben hat, etwas an Kraft, denn gerade das Geheimnisvolle hat den Reiz ausgemacht. Die Kritik, der Auftakt wäre viel zu verworren gewesen, mag berechtigt sein, doch im Vergleich zu „Stromabwärts“, wo vieles klarer wirkt und bereits erste Geheimnisse hinsichtlich der Bedeutung der Nebelchronisten oder auch des Welkenwerks offenbart werden, hat die Geschichte deutlich stärker begonnen. Was nicht heißt, dass „Stromabwärts“ nicht mehr überzeugen könne, denn weiterhin bleibt noch vieles im Verborgenen; vor allem die Rolle Gastons, der im Debüt in Berührung mit einem Splitter vom Welkenwerk gekommen ist, wird sich erst in den kommenden Folgen festigen. Der Pfad, der von den Gefährten eingeschlagen werden muss (und den Volker Sassenberg und sein Team für ihre Geschichte wählen), erscheint jedoch nun etwas klarer.

Unterm Strich weiß „Abseits der Wege“ zu gefallen, und das nicht nur durch seine technische Qualität. Die Handlung ist logisch gestrickt und fast alle zu Beginn eingeführten Figuren werden konsequent weiterentwickelt. Zudem laufen keine Elfen, Zwerge und zauberschleudernden Magier durch die Welt, von denen man wahrhaftig genug gehört, gelesen und gesehen hat. Stattdessen stehen Menschen und ihre Verschwörungen im Zentrum, mit den Unlichen und Faiyen haben aber auch fantastische Geschöpfe ihren Platz. Es bleibt also interessant und spannend, und obwohl schon auf hohem Niveau, ist das Potenzial der Serie noch längst nicht ausgereizt. Immerhin sollen noch zehn weitere Episoden folgen, bis „Abseits der Wege“ abgeschlossen ist.

_Die Sprecher_

Heinz Ostermann
Timmo Niesner
Stefan Krause
Hannes Maurer
Jürgen Kluckert
Martina Treger
Volker Carsten Sassenberg
Engelbert von Nordhausen
Bernd Vollbrecht
Heinz-Werner Krähkamp
Tim Moeseritz
Mario von Jaschroff
Helga Uthmann

http://www.abseitsderwege.info
http://www.abseits-der-wege.net
http://www.dg-literatur.de
http://www.karussell.de

[„Kapitel 3: Wehrlos“ 5389

Delaney, Joseph – Spook 3 – Das Geheimnis des Geisterjägers

Mit „Spook – Das Geheimnis des Geisterjägers“ legt Joseph Delaney nun den dritten Band seiner „Spook“-Reihe vor, mit deren ersten beiden Teilen er sich schmeichelnde Worte redlich verdient hat. „Spook“ erzählt von den Abenteuern des jungen Thomas Ward, der als siebter Sohn eines siebten Sohnes mit besonderen Gaben gesegnet ist und deshalb eine Ausbildung zum Geisterjäger absolviert.

Bereits in den ersten beiden Teilen [„Der Schüler des Geisterjägers“ 2303 und „Der Fluch des Geisterjägers“ hat Tom erfolgreich seinen Mut bewiesen, wenn es darum ging, bösartige Hexen und skrupellose Boggarts zu bannen. In „Das Geheimnis des Geisterjägers“ zieht Tom mit seinem Lehrmeister, dem alten Spook, nach Anglezarke, in das Winterquartier des Geisterjägers.

Tom wäre zwar lieber im beschaulichen Chipenden geblieben als in das düstere und unwirtliche Anglezarke zu ziehen, aber ihm bleibt logischerweise keine andere Wahl. Der Spook hingegen hat triftige Gründe für einen Ortswechsel. In Anglezarke sind die Winter lang und dunkel und in dieser Zeit treiben sich dort so allerlei unheimliche Kreaturen herum, die das Volk in Angst und Schrecken versetzen. Für den Spook und seinen Lehrling gibt es also eine Menge Arbeit.

Dass Tom sich nicht so recht wohlfühlt in Anglezarke, verwundert nicht. Im Keller des Hauses hocken jede Menge gebannte Boggarts und gefährliche Hexen in ihren Gruben. Doch das ist nicht das einzige Problem, dem sich Tom stellen muss. Eines Tages taucht ein eigenartiger Mann auf, dessen Erscheinen nun auch beim alten Spook Sorgenfalten verursacht. Es offenbart sich ein Geheimnis aus der Vergangenheit des Spooks, das dieser lieber für sich behalten hätte, und ehe Tom sich versieht, steckt er auch schon mittendrin in einer schier ausweglosen Situation …

Schon mit den beiden Vorgängerromanen hat Joseph Delaney bewiesen, dass er spannende und schaurige Geschichten zu erzählen vermag. Der dritte Teil der „Spook“-Reihe steht dem in nichts nach. Für Spannung ist wieder einmal zur Genüge gesorgt, und was Tom alles erlebt, dürfte zumindest der anvisierten Zielgruppe doch einen gehörigen Schauer über den Rücken jagen. Auch wenn die Gruselszenen es teilweise durchaus in sich haben, ist die „Spook“-Reihe vor allem auch durch Delaneys einfach gehaltenen Erzählstil in erster Linie für (nicht zu zart besaitete) Kinder und Jugendliche gedacht.

Doch auch als Erwachsener kommt man bei „Spook“ auf seine Kosten. Die drei „Spook“-Bände sind ein spannendes und kurzweiliges Lesevergnügen, das nicht nur wegen der optisch herausragenden Aufmachung aus der Masse anderer Fantasy-Jugendbücher hervorsticht.

Zum einen wären da die interessanten Figuren, die der Leser durch alle drei Bände begleiten darf. Tom als Hauptfigur muss sich immer wieder seinen Ängsten stellen und lernen, was die Arbeit des Spooks bedeutet, nämlich nicht nur die Konfrontation mit den Mächten der Dunkelheit, sondern auch die Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Er hat einen gut geschulten Lehrmeister mit reichlich Lebenserfahrung an seiner Seite, der aber auch stets von der Aura seiner geheimnisvollen Vergangenheit umweht wird. Genau die steht dann auch im Mittelpunkt des dritten „Spook“-Bandes, nachdem Delaney bereits im Vorgängerband diverse Andeutungen eingestreut und die Neugier des Lesers angestachelt hat.

Doch es sind nicht nur die beiden Titelhelden, die zu überzeugen wissen. Delaney baut für ein Jugendbuch überraschend ambivalente Figuren ein. Nicht nur der alte Spook hat seine schwache Seite, die sich vor allem in seinem Verhältnis zu der Lamia-Hexe Meg widerspiegelt, die er sanfter behandelt, als es einer Hexe ihres Kalibers eigentlich gebührt. Tom weiß oft nicht, was er vom alten Spook halten soll, und so ist das Vertrauen in seinen Meister nicht zu jeder Zeit völlig uneingeschränkt.

Auch Alice, die junge Hexe, die Tom schon aus so mancher brenzliger Situation geholfen hat, ist eine interessante Figur, die Schlechtes wie Gutes in sich vereint. Der Spook traut ihr nicht über den Weg, und auch als Leser hegt man hin und wieder Zweifel an ihrer Loyalität. Und doch hat Alice viele gute Charakterzüge vorzuweisen. Nicht minder interessant ist Toms Mutter, deren geheimnisvolle Vergangenheit im Vorgängerband eine Rolle spielte. Auch in diesem Teil steht sie ihrem Sohn wieder mit Ratschlägen und Vorausahnungen zur Seite. Sie ist eine Figur, die irgendwie über den Dingen zu stehen scheint.

Delaney treibt mit jedem Teil der Reihe auch die Figurenentwicklung ein Stückchen voran. Tom wird allmählich reifer, und diesmal sind es vor allem die Geschehnisse rund um seine eigene Familie, die ihn erwachsener werden lassen.

Die Geschichte verläuft auch diesmal wieder außerordentlich spannend. Spätestens mit [„Der Fluch des Geisterjägers“ 3535 hat Delaney bewiesen, was er an Spannung aus seinem Plot herauskitzeln kann, und das zeigt er auch diesmal wieder konsequent. „Das Geheimnis des Geisterjägers“ ist von vorne bis hinten spannend erzählt, mit einem stetig aufwärts strebenden Spannungsbogen. Der Plot ist straff und temporeich, Spannungsabfälle sucht man vergebens.

„Spook“ macht also auch mit dem dritten Band noch immer Spaß. Ein herrlich-schauriger Lesegenuss, der sich auch mit fortschreitender Seitenzahl nicht totläuft. „Das Geheimnis des Geisterjägers“ ist übrigens noch nicht das Ende der Reihe. In England ist im Juli der vierte Teil „The Spook’s Battle“ erschienen, der sich am Ende dieses Buches schon andeutet. In „Spook“ steckt noch genug Potenzial, die Geschichte weiterzuerzählen, und so kann man sich schon auf die Fortsetzung freuen.

Bleibt unterm Strich also festzuhalten, dass „Spook – Das Geheimnis des Geisterjägers“ die Erwartungen voll erfüllt. Eine spannende Geschichte mit dezentem Gruselfaktor und interessanten Figuren. Ich warte gespannt auf den nächsten Teil.

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Harrison, M. John – Nova

_Mr. Anti-Mainstream._

M. John Harrison ist keiner, der sich den Konventionen verschrieben hat oder auf Stereotypen herumreitet, egal ob man seine Fantasy-Werke betrachtet (z. B. den |Virconium|-Zyklus) oder seine Science-Fiction-Storys. Von seinen acht Sci-Fi-Romanen haben es allerdings nur vier zu einer deutschen Übersetzung geschafft: „Idealisten der Hölle“ (1971), „Die Centauri-Maschine“ (1974), „Licht“ (2002) und jetzt auch „Nova“.

_Rauchende Köpfe._

Es ist jedenfalls erfrischend, welche Bandbreite |Heyne| mittlerweile an Science-Fiction anbietet; da gibt es die bildgewaltige Popcorn-SciFi („Mardock“ von To Ubukata) oder technikarme Gesellschaftssatire ([„Sternensturm“ 4043 von Adam Roberts) und plötzlich prügelt M. John Harrison den Leser mit dieser knüppelharten Hardcore-Keule vom Lesesessel. Das Seltsame daran: Alle harten Science-Fiction-Elemente von „Nova“ bewegen sich irgendwie im Hintergrund, sind Statisten und agieren aus dem Off. Normalerweise tauchen Science-Fiction-Geschichten ein in die Welt, die sie erschaffen haben; das Futuristische eines Sci-Fi-Romans ist fast immer eine Hauptfigur, die erschöpfend ausgeleuchtet wird. Oh, auch in „Nova“ ist das Futuristische eine Hauptfigur, aber sie wird niemals erschöpfend ausgeleuchtet, sie ist eine Figur, die ständig präsent bleibt, die jede andere Figur beeinflusst, aber nie wird dem Leser ein erhellender Blick in ihr Inneres gewährt, und das ist oft ein ziemlich faszinierendes Erlebnis.

Worum geht es denn nun in „Nova“? Es geht um eine Gruppe Menschen, die in „Saudade“ leben, einer Stadt auf einem unbenannten Planeten, gezeigt in einer unbenannten Zeit. Das Besondere an dieser Stadt ist, dass die „Ereignis-Aureole“ in sie eingeschlagen ist, ein rätselhaftes Gebiet unbekannter Physik, in dem keine der uns bekannten Gesetze gelten. Es gibt in Saudade so genannte „Entradistas“, die sich auf wagemutige Expeditionen in die Aureole begeben.

Vic Serotonin ist einer von ihnen. Seine Gründe sind profan: Er verdient sich sein Geld damit, Touristen in die Aureole zu führen und so genannte „Artefakte“ mit in die heimische Realität zu bringen, um sie illegal zu verkaufen. Artefakte sind Gegenstände oder Lebewesen, die eine völlig andere Gestalt annehmen, wenn sie die Aureole verlassen. Dabei sollte Serotonin es besser wissen. Sein Freund Emil Bonaventura hat von diesen Expeditionen irreparable Schäden davongetragen, er ist geistig verwirrt, kann nicht mehr träumen und sein Körper wird förmlich zerfressen von Geschwüren und seltsamen Blutkrankheiten; es ist, als ob sich Bonaventuras Fleisch nicht mehr an die Regeln halten würde.

Nun sind diese Ausflüge nicht nur gefährlich, sie sind verboten. Lens Aschemann ist Fahnder der so genannten Gebietskripo. Schon lange hat er Vic Serotonin im Auge, und er beginnt ihm auf den Zahn zu fühlen; ob er etwas wisse, fragt er ihn, über die Menschen, die sich im Café Surf aus dem Nichts zu materialisieren scheinen, die eine wilde Nacht verbringen, um sich dann wieder in Luft aufzulösen.

Als ob das nicht genug wäre, sitzt Vic noch eine aufdringliche Touristin im Nacken, die von ihm verlangt, dass er unbedingt mit ihr in die Aureole gehen soll. Solche Kleinigkeiten wie Polizeibeschattung interessieren sie dabei nicht. Und um dem Übel den letzten Schliff zu geben, entpuppt sich Vics letztes verkauftes Artefakt als eine „Tochter“, als ein Code also, der seinen Besitzer befällt und ihn in etwas völlig Unbekanntes verwandelt. Deswegen sitzt ihm nicht nur Gebietsfahnder Aschemann im Genick, sondern auch die Leibgarde seines letzten Kunden …

_Irrfahrt durch Weirdo-City._

Man betrachtet also Vic Serotonin, den Gebietsfahnder Aschemann und all die anderen Figuren auf ihrem bizarren Trip durch diese bizarre Zukunft. Bizarr ist nämlich das Zauberwort: Bei der Lektüre hat man oft das Gefühl, nur die Hälfte zu verstehen, es ist, als ob man einen Film in fremder Sprache betrachtet, dessen Bilder spannend genug sind, dass man ihn unbedingt zu Ende sehen möchte.

Das ist auch das Verstörende an „Nova“, das Anstrengende und das Faszinierende: Direkte Infos gibt es kaum, nirgends finden sich erklärende Zwischenbemerkungen des Erzählers, der den Leser des 21. Jahrhunderts an der Hand nimmt, um ihn in das fremde Universum einzuführen. Nein, der Leser muss sich selbst in dieser Zukunft zurechtfinden, muss die futuristische Sprache ohne Hilfe entschlüsseln, denn „Nova“ scheint nicht für uns geschrieben worden zu sein, sondern für die Menschen der Zeit, in der der Roman spielt. Beispiel gefällig? Bitteschön:

|“[…] das Tank-Proteom schwappte wie warme Spucke: Kaskaden von Autokatalyse in einem Substrat aus vierzigtausend Molekülarten, um alle zwanzig Minuten auszuschwemmen, was die Chemie nicht eliminieren konnte.“|

Alles klar? Und das bereits auf Seite 18. Aber keine Bange, an den Absurditätenfaktor von John Clutes [„Sternentanz“ 380 kommt Nova noch lange nicht heran, es gibt da schon noch die eine oder andere Begebenheit, an der sich auch ein Leser aus unserer Zeit festhalten kann.

Aber die Faszination der Sprache hält nicht den ganzen Roman durch an, irgendwann drängt sich einem nämlich der Eindruck auf, dass solche Sätze wie die obigen nichts weiter als Imponiergehabe sind. Man wird nie erfahren, was ein Codejokey so tut, wer die SED ist, und so weiter. Das alles würde nicht stören, wenn einem die Story suggerierte, dass es wenigstens der Autor weiß. Aber da bin ich mir gar nicht so sicher. Oh, natürlich will ich nicht behaupten, dass Harrison nur schicke Science-Fiction-Worthülsen abfeuert, aber manchmal sieht es schon so aus, als ob gar zu kräftiges Begriffsgepolter davon ablenken soll, dass dann doch nicht soo viel Substanz dahintersteckt …

Auch die sinnverschleiernden Schachtelsätze erhärten obigen Eindruck, die „Satzgirlanden“, wie Wolf Schneider sie bezeichnen würde, der Sittenwächter über deutsche Sprachästhetik. Auch hier wird ein Beispiel erhellen, was ich meine:

|“Elektromagnetisch desorientiert und immer noch auf Instruktionen wartend, fand sich das SED der Gebietskripo – bestehend aus Codejokeys, Waffenexperten und einer menschlichen Pilotin, die mit einem DBH-Einsatzvehikel verdrahtet war – mit munteren dreißig Knoten quer zur Längsachse ins Ereignisgebiet treiben.“|

Quizfrage: Wie oft musste dieser Satz gelesen werden, um herauszufinden, worum es da eigentlich geht? Dass das „SED der Gebietskripo“ noch immer „auf Instruktionen wartet“ und dabei „ins Ereignisgebiet treibt“, „mit munteren dreißig Knoten“ und „quer zur Längsachse“? Solche potthässlichen Satzmonster vergewaltigen alle Verständlichkeit, und das kann sich so abgefahrener Stoff wie „Nova“ gleich fünfmal nicht leisten.

Das Finale ist ein drittes Indiz dafür, dass „Nova“ ein Roman ist, der mit erzähltechnischen Bizeps-Prothesen seine mageren Plot-Muskeln aufplustern will: Zwar findet jede Figur zu einem stimmigen Schlusspunkt, aber irgendwie scheint alles etwas in der Luft zu hängen; als hätte Harrison beschlossen, hier und jetzt einen Schnitt zu setzen, weil es seiner Meinung nach jetzt so weit sein müsste. Entscheidende Informationen über die Aureole bleiben außerdem ungelüftet, sodass man am Ende von „Nova“ das Gefühl hat, weniger über das Storyuniversum zu wissen als vorher.

Nun ja. Trotzdem ist „Nova“ ein abgefahrener Trip, in den man als Freund harter Science-Fiction ruhigen Gewissens einmal reinlesen kann. Man sollte allerdings darauf vorbereitet sein, dass die wachsende Erwartungshaltung enttäuscht werden wird, dass man zwar eine abgefahrene Bilderschau erleben darf, aber nicht auf eine weltbildverrückende Vision hoffen sollte, wie sie ein Greg Egan zustande bringt. Um sich den schalen Geschmack einer Stargate-Vergiftung aus dem Mund zu spülen, taugt „Nova“ aber allemal. Kann man haben, muss man aber nicht.

http://www.heyne.de

_M. John Harrison auf |Buchwurm.info|:_

[„Licht“ 907
[„Die Centauri-Maschine“ 2851

Stefánsson, Jón Hallur – Eiskalte Stille

Als der Architekt Björn Einarsson mit schweren Kopfverletzungen in der Nähe seines Sommerhauses gefunden wird, ahnt Valdimar Eggertsson von der Kriminalpolizei Reykjavik noch nicht, mit was für einem verzwickten Fall er es zu tun hat. Einarsson ist nachts zuvor Hals über Kopf nach einem Anruf in Richtung Sommerhaus aufgebrochen, wo ihn sein Sohn Marteinn am anderen Morgen leblos auffindet.

Marteinn ahnt, warum sein Vater ins Sommerhaus der Familie gefahren ist, und vermutet einen Zusammenhang zu der Affäre, die Einarsson mit seiner jungen Mitarbeiterin Sunneva pflegt. Wenig später macht Marteinn eine weitere grausame Entdeckung: Im Schlafzimmer des Sommerhauses liegt Sunnevas Leiche. Um seinen Vater und vor allem auch seine Familie zu schützen, schafft Marteinn die Leiche aus dem Weg, ohne zu ahnen, welch folgenschweren Fehler er damit begeht.

Valdimar Eggertsson steht in diesem Fall vor einem Rätsel. Was im Sommerhaus geschehen ist, lässt sich nicht rekonstruieren, und das Auffinden von Sunnevas Leiche in einem entfernten Waldstück stiftet weitere Verwirrung. Eggertsson ahnt, dass er über den Architekten noch längst nicht alles weiß und dass auch Personen aus seinem Umfeld offenbar etwas zu verbergen haben. Da wäre nicht zuletzt Marteinn, der sich zunehmend verdächtig verhält und ganz offensichtlich mehr weiß, als er zugibt …

Jón Hallur Stefánsson rückt in seinem Debütroman die Figuren in den Mittelpunkt des Geschehens und liefert damit einen Krimi ab, der sich zum größten Teil auf rein psychologischer Ebene abspielt. Ganz in Ruhe beobachtet Stefánsson seine Protagonisten, lässt ihre Persönlichkeiten auf den Leser wirken, so dass man bei der Lektüre schon fast vergisst, dass man es mit einem Krimi zu tun hat.

In gewissem Maße ist das einer der Vorzüge von „Eiskalte Stille“. Der Leser bekommt das Gefühl, ganz nah am Geschehen zu sein, ganz tief in die Seelen der Figuren zu blicken, und folgt dadurch gespannt dem Plot. Der Plot selbst funktioniert ein Stück weit wie ein Puzzle. Jede Figur liefert eine neue Sichtweise, eine neue Facette der Geschichte, ohne dass das große Ganze sich offenbart. Der Fall bleibt bis zum Schluss spannend, da der Leser nicht weiß, was wirklich in der Nacht von Sunnevas Tod und Einarssons schwerer Verletzung passiert ist.

Am Ende bleibt Stefánsson somit noch Raum für einen Knalleffekt, der im ersten Moment vielleicht etwas überzogen scheint, weil man nicht damit rechnet, sich aber im weiteren Verlauf dann doch aus der Handlung heraus erklärt. So gelingt Stefánsson ein überraschender Schluss, der obendrein in einem rasanten Showdown inszeniert wird. Dessen Tempo und Actionreichtum stehen zwar in einem ziemlichen Kontrast zum Rest des Romans, dennoch schafft Stefánsson es so, die Spannungskurve noch einmal steil nach oben zu ziehen.

Die psychologische Herangehensweise an den Plot, das Konzentrieren auf die Figuren, ist aber ein sicherlich schwieriges Unterfangen. Der Roman erreicht dadurch eine Komplexität, in welcher der Leser sich erst einmal zurechtfinden muss. Es tauchen viele Figuren auf, die erst einmal im Geiste sortiert werden müssen. Stefánsson springt von einer Figur zur nächsten und meint es dabei manchmal fast schon zu gut.

Aufwändig skizziert er seine Figuren und legt seine Charaktere wunderbar ambivalent an, aber so kann er eben auch nicht mit letzter Konsequenz die Ermittlungen im Fall Einarsson/Sunneva voranbringen. Valdimar Eggertson verschwindet zwischenzeitlich völlig aus dem Blickfeld des Lesers und man ist drauf und dran zu vergessen, dass hier ja in einem Mordfall ermittelt wird. Und so erscheint die Aufklärung dann auch ein bisschen holprig. Alles geht sehr schnell und man ist als Leser etwas verwundert, dass Valdimar mit den sich überschlagenden Ereignissen noch Schritt halten kann.

Doch dafür kann sich der Leser eben an den sehr ambivalent dargestellten Figuren erfreuen. Stefánsson verzichtet auf klischeehafte Gut- und Böseschattierungen und zeigt jede Figur mit ihren dunklen Seiten. Da wäre Marteinn, der Sunnevas Leiche beiseite schafft, um damit die Aufklärung eines Mordes zu verhindern. Dann wäre da Valdimar, dem schon mal die Hand ausrutscht, wenn er rot sieht. Oder Hallgrímur, Marteinns Freund, der auch nach Jahren noch immer das Gefühl hat, Marteinn nicht ebenbürtig zu sein und in dessen Schuld zu stehen, obwohl diese längst abgetragen ist. Bei Stefánsson ist keine Figur ohne Makel.

Jeder Figur schreibt Stefánsson eine interessante Geschichte auf den Leib. Immer wieder schweift er vom eigentlichen Plot ab und blickt in die Vergangenheit, in Kindheit und Jugend seiner Protagonisten, und macht sie damit begreiflicher. Das Buch gewinnt dadurch eindeutig an Tiefe. Die vielen kleinen Geschichten, die innerhalb dieses Krimis erzählt werden, sind ein Gewinn für das Gesamtwerk, auch wenn sie immer einen gewissen Balanceakt darstellen. Stefánsson entwirft recht akkurate psychologische Profile seiner Protagonisten und ausgefeilte Facetten einer Geschichte, die mit jedem Kapitel verzwickter und undurchdringlicher zu werden scheint. Und so bereitet er die Bühne für den Showdown, in dem er den Leser mit dem unerwarteten Ausgang der Geschichte konfrontiert.

Bleibt unterm Strich ein insgesamt positiver Eindruck zurück. „Eiskalte Stille“ ist kein Krimi von der Stange, sondern ein ausgefeiltes und feinsinniges psychologisches Kammerspiel mit interessanten Figuren. Wie ein Puzzle setzt Stefánsson ein Bild zusammen, das am Ende dann doch ganz anders aussieht, als man vermutet hätte. Spannend und mit ambivalenten Figuren kommt Jón Hallur Stefánssons Debütroman daher. Ein leiser Krimi, der erst zum Ende hin eine schnellere Gangart einlegt, aber dennoch keine Langeweile schürt. Freunde fein komponierter, psychologischer Krimis können hier getrost zugreifen.

http://www.ullsteinbuchverlage.de/listtb/

Schwindt, Peter – Gwydion 03 – König Arturs Verrat

Band 1: [„Der Weg nach Camelot“ 2556
Band 2: [„Die Macht des Grals“ 3509

_Story_

Nachdem sich die Prophezeiung um Gwyns undurchsichtige Herkunft erfüllt hat und dem einstigen Schweinehirten gewahr wird, dass er in Wirklichkeit der Nachkomme des letzten Gralshüters ist, wird dem unscheinbaren Knappen Lancelots erst bewusst, welche Verantwortung auf ihm lastet. Doch auch mit diesem Hintergedanken scheint Gwyn am Schicksal Camelots kaum mehr etwas ändern zu können.

Das Attentat auf Sir Kay, Arturs engsten Vertrauten, hat die Harmonie ein für allemal zerstört, zumal es sich bei Kays Mörder augenscheinlich um seinen Sohn Rowan handelt. Gwyn und Lancelot begeben sich alsbald auf die Suche nach dem verschollenen Jungen und landen in der finsteren Festung Chumleigh. Bereit, die Geheimnisse der Burg endgültig zu lüften, treffen sie auf den grausamen Herrscher Sir Gore.

Aber auch ein anderer Konkurrent trifft überraschend auf Chumleigh ein: Mordred scheint Gwyn und seinen Gefährten bereits einen Schritt voraus und in seiner Machtgier nun endlich am Ziel angelangt zu sein. Während der König auf Camelot dem Wahn verfällt, müssen seine treu ergebenen Ritter auf Chumleigh um ihr Leben bangen. Diesmal nämlich kennt Mordred keine Gnade …

_Persönlicher Eindruck_

Zeichnete sich in den vorangegangenen beiden Bänden bereits eine dezente Distanzierung bezüglich der klassischen Artus-Sage ab, vollzieht Peter Schwindt im dritten Teil seiner „Gwydion“-Reihe nun einen recht radikalen Schnitt, der das gesamte Bild der britischen Legende komplett verändert. Deutlicher als je zuvor sticht die Eigenständigkeit des Autors in „König Arturs Verrat“ hervor, belegt durch mutige Wendungen, überraschend extreme Charakterzeichnungen und eine durchweg alternative Improvisation des traditionellen Sagenstoffs.

Dabei weicht der dritte Band inhaltlich kaum von den eingeschlagenen Pfaden ab: Gwyn erfährt an Lancelots Seite stetig mehr über das Schicksal seiner Herkunft und wird sich zum ersten Mal bewusst, welche Last tatsächlich auf seinen Schultern liegt. Es ist seine Bestimmung, den Kelch zu finden und Camelot als vermeintlich letzter Gralshüter vor dem Untergang zu bewahren. Jedoch muss Gwyn erst einmal für klare Verhältnisse am Hofe des Königs sorgen.

Ränke und Intrigen überschatten die einstige Heimat der Tafelrunde, und immer deutlicher zeichnen sich auch vereinzelte Methoden des höfischen Verrats ab, die den künftigen Gralshüter von seinem eigentlichen Lebensweg abhalten. Erschreckend ist dabei vor allem die Darstellung des Königs. Artur ist dem Suff verfallen, kaum mehr imstande, sein Land zu führen und den Thron zu verteidigen. Der Mord an Sir Kay hat das Fass zum Überlaufen gebracht und den höchsten Regenten Camelots in eine tiefe Krise gestürzt, die letztendlich breitere Bahnen einnimmt, als die Protagonisten vorab befürchtet hatten. Blind für die verräterischen Interaktionen ihrer Vorgesetzten, stürzen sie in Chumleighs Übel, laufen dem heimtückischen Mordred fast ins offene Messer und ahnen noch nichts von der großen Enttäuschung, die ihnen infolge eines diebischen Deals des Königs widerfahren soll.

An dieser Stelle kommt nämlich der Titel des Romans zum Tragen; Schwindt eröffnet einige erstaunlich finstere Facetten um den viel besungenen König und zerstört in „König Arturs Verrat“ das idealistische Erscheinungsbild des einst so mächtigen Königs. Im Zuge dessen verdüstert sich auch die allgemeine Erzählatmosphäre. Niederträchtige Figuren intrigieren gegen die Sympathieträger, die Handlung gewinnt in allen Strängen an Brisanz, und bedingt durch die Unstetigkeit der sich wandelnden Hauptdarsteller hat der Autor an vielen entscheidenden Eckpunkten häufig gleich mehrfach die Überraschung auf seiner Seite.

Letzten Endes ist „König Arturs Verrat“ daher auch mit Abstand die spannendste Geschichte dieser Reihe, gleichsam aber auch ganz klar jener Roman, dem es aufgrund der vielen Erzählstationen sicherlich am wenigsten an Abwechslung mangelt. Unser Titelheld kämpft gegen den Mörder Kays, rüstet insgeheim gegen den König, sieht sich Mordred mit einem Mal schutzlos ausgeliefert und gerät alsbald in die Verlegenheit, an der Seite von Prinzessin Aileen abseits der Blutlinie das Thronerbe anzutreten. Doch auch hier lauert schließlich – wie in Band drei so häufig – der Verrat …

Denjenigen, die schon die ersten beiden Teile verschlungen haben, muss man wohl nichts mehr über die tolle Alternativversion der Artus-Sage erzählen. Dennoch sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt, dass Schwindt gerade in dieser dritten Episode sehr mutige Wege beschreitet, die im Rahmen des viel zitierten Literaturklassikers mit entsprechender Aufmerksamkeit gewürdigt gehören. Nicht nur an das jugendliche Publikum ergeht hier eine ganz klare Empfehlung!

http://www.ravensburger.de/

Coulter, Cathrine – Angst

Catherine Coulter ist schon lange als Autorin aktiv und hat viele Bücher und Serien aus dem Genre der Romantik verfasst. Ihre Werke sind also eher im Bereich der Literatur für Frauen wiederzufinden. Der Durchbruch gelang Catherine Coulter aber mit ihren Psycho-Thrillern und Krimis rund um das FBI-Ehepaar Dillon Savich und Lacey Sherlock, die souverän die Handlung bestreiten. Mit „Angst“ ist ein weiterer Roman aus dieser Reihe bei |Heyne| erschienen.

_Die Geschichte_

Ruth Warnecki, eine junge FBI-Agentin, hat ein recht exotisches und abenteuerliches Hobby – wenn sie nicht gerade für die Bundesbehörde ermittelt, geht sie auf Schatzsuche. Durch Zufall kam sie nun in den Besitz einer alten Karte, die der Schlüssel zu einem Goldschatz aus dem amerikanischen Bürgerkrieg sein soll. Doch Ruth ist skeptisch und vorsichtig und geht niemals unvorbereitet ein Wagnis ein.

Doch diese Suche unterscheidet sich von den anderen: In einem großen Höhlensystem – Winkel’s Cave in Virginia – verliert sie aus nicht zu erklärenden Gründen ihre Orientierung. Voller Panik und am Rande einer Hysterie, verirrt sie sich immer mehr in dem labyrinthenen Höhlenkomplex …

Zeitgleich sehen sich die FBI-Agenten Dillon Savich und Lacey Sherlock einer ganz anderen, aber genauso beängstigten Situation gegenüber. Ein entfernter Bekannter wurde entführt, das Motiv der beiden Kidnapper bleibt im Unklaren für die Ermittler. Merkwürdig ist nur, dass die Entführer scheinbar eine persönliche Rechnung mit Savich zu begleichen haben.

Bei dem Befreiungsversuch eskaliert die Situation, und das ermittelnde Ehepaar entgeht bei einer Explosion nur knapp dem Tod. Wenig später stellen sie fest, dass das Gangsterpärchen Moses und Grace ihr Opfer getötet und auf einem nahegelegenen Friedhof verscharrt hat. Sie kommen zu spät, werden verhöhnt und die gegenseitige Jagd hat begonnen.

Inzwischen wird Ruth Warnecki vom Sheriff Dixon Noble aus Maestro, eine kleine Ortschaft mitten im Wald von Virginia, praktisch vor seiner Haustür bewusstlos aufgefunden. Dixon nimmt sich der jungen Agentin an, pflegt sie, so gut er es vermag. Als Ruth ihr Bewusstsein wiedererlangt, ist sie körperlich zwar gesund, aber sie kann sich weder an die Ereignisse innerhalb des Höhlensystems erinnern, noch weiß sie überhaupt, wer sie eigentlich ist.

Wenig später wird in einer Nacht ein Mordanschlag auf die orientierungslose Frau verübt, den sie aber mit Hilfe des Sheriffs abwehren kann. Bei einer wilden Verfolgungsjagd werden die beiden Attentäter durch einen Unfall getötet.

Wer hat ein Interesse daran, die Agentin umzubringen, und warum? In dem kleinen Ort begegnet man der jungen Frau mit Vorsicht und Skepsis, und bei den Ermittlungen kommen die ersten Widersprüche zu Tage. In der Stadt, wird Ruth schnell klar, geht irgendetwas vor sich, aber noch kann sie es außer einem wagen Gefühl nicht deuten.

Dillon Savich und seine Frau, die inzwischen auch Ruth vermissen, werden durch die Meldung des Sheriffs aufmerksam und finden wenig später den Weg zu Ruth. Durch diese Begegnung wird ihre Amnesie aufgehoben, doch noch immer ist nicht geklärt, wer ihren Tod wollte und was in dem Höhlensystem geschehen ist.

Als Ruth zusammen mit Sheriff Dixon und ihren beiden Freunden die unheimliche Höhle betritt, um endgültig ihrer Angst entgegenzutreten, finden die vier die Leiche einer jungen Studentin, die an der nahegelegen Musikhochschule studiert hat …

Wer hatte Interesse daran, diese junge Frau zu ermorden, und warum ist Ruth im Gegensatz zu ihr in dem Höhlensystem mit dem Leben davongekommen – ein Zufall oder Absicht? Auch das mörderische Pärchen Moses und Grace terrorisiert mit Telefonaten Savich und Sherlock, die wiederum auf ihre Art die Konfrontation suchen müssen, um zu erfahren, was in der Vergangenheit vorgefallen ist …

_Kritik_

Dass Catherine Coulter ihre schriftstellerischen Ambitionen zumeist im Genre des Liebesromans verwirklicht, kann man nach der Lektüre zunächst kaum glauben. „Angst“ ist nämlich ein lesenswerter, interessanter Thriller, der zwei Handlungsstränge parallel erzählt. Allerdings ist die persönliche Geschichte der Agentin Ruth Warnecki primär dichter dargestellt und wirkt auch viel abwechslungsreicher. Mancher Verdacht, den der Leser hier hegen könnte, verflüchtigt sich schnell, und oftmals verwundert die Entwicklung der Handlung – für Überraschungen ist hier also gesorgt.

Allein der Auftakt der Geschichte mit der spannenden Suche nach einem Goldschatz aus dem amerikanischen Bürgerkrieg war für einen Thriller ein ungemein gelungener Einfall, um sogleich das Interesse zu wecken. Die Geschichte entwickelt sich unaufhaltsam weiter, und mit jedem kleinen Detail vervollständigt sich diese und hebt die Spannung. Für die bodenständigen Realisten unter uns, die in Thrillern nach Authentizität suchen, wirkt dieser Roman dabei trotz aller Verwicklungen durchaus glaubhaft und nachvollziehbar.

Ein allerdings auffälliger Kritikpunkt ist der doch spürbar schwächere Plot um das FBI-Ehepaar. Hier wird dem Leser das Motiv der Rache vorenthalten, das Moses und Grace antreibt. Ihre Figuren bleiben fast schon unbeleuchtet auf der erzählerischen Strecke; selbst beim Endspurt blieben für mich noch diverse Fragen offen, und leider gab es auch keinen Hinweis darauf, ob die Motivation der Verbrecher in den früheren Romanen zu finden sein könnte. Aus diesem Handlungsstrang hätte man viel mehr machen können, denn die bösartige aber intelligente Vorgehensweise von Moses und Grace lässt der Spannung ungeheuer viel Raum, um sich entfalten zu können. Leider hat hier die Autorin zu Gunsten von Ruth Warnecki entschieden.

Die Charaktere der Hauptpersonen sind für mich recht untypisch aufgeschlüsselt. Die eigentlichen „Bösen“ sind vielschichtiger und lebensnaher beschrieben als die „guten“ Polizisten, die fast über keine Schwächen verfügen, sondern immer klar und selbstsicher, ehrenvoll und überlegen auftreten.

Die Spannung entwickelt sich potenziell und hangelt sich an den sparsam dosierten Momenten von Actioneinlagen entlang. Catherine Coulter versteht sich darauf, dem Leser (fast) ohne großes Blutvergießen einen spannenden Roman zu präsentieren.

_Fazit_

Catherine Coulter hat mit „Angst“ durchaus bewiesen, dass sie neben ihren Romanzen auch das gegensätzliche Genre des Thrillers talentiert bedienen kann. Schwächen sind, wie schon erwähnt, in den charakterlichen Lücken der Protagonisten zu finden sowie bei einigen offenen Punkten in der Vergangenheit des kleinen Ortes, in dem der größere Teil der Handlung stattfindet. Diese ungeklärten Punkte legen die Vermutung nahe, dass man die Figuren an der Seite von Savich und Sherlock in weiteren Romanen antreffen wird.

„Angst“ kann man ruhig unabhängig von den Vorgängertiteln lesen, doch empfehle, bei Interesse die Romane chronologisch anzugehen, um die bei der Einzellektüre verbleibenden Schwachpunkte in „Angst“ auszubessern.

_Die Autorin_

Catherine Coulter ist eine seit langem bekannte Autorin, die neben ihren romantischen Liebesromanen ihren schriftstellerischen Durchbruch mit ihren Thrillern krönen konnte. Ihre Romane findet man oftmals in amerikanischen Bestsellerlisten wie denen der |New York Times| wieder. Catherine Coulter lebt zusammen mit ihrem Mann in Nordkalifornien. Weitere Romane mit den Charakteren Savich und Sherlock sind in Vorbereitung.

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Stuart Kaminsky – CSI New York: Der Tote ohne Gesicht

Das geschieht:

Zwei Fälle fordern die Aufmerksamkeit des CSI-Teams New York um Mac Taylor in diesem besonders eisigen Februar. Im Aufzug eines vornehmen Appartementhauses liegt mit einer Kugel in der Brust die Leiche des Werbetexters Charles Lutnikov. Weder der Pförtner noch die Mitbewohner haben etwas gehört und gesehen. Blutspuren deuten darauf hin, dass der Verstorbene sich in der Wohnung der prominenten Krimi-Autorin Louisa Cormier schreibt aufgehalten hat. Sie weiß etwas, das Taylor und seine Kollegin Aiden Burn gern erfahren würden.

Fall Nr. 2 wirbelt mehr Staub auf. Alberta Spanio, einer wichtigen Kronzeugin, wurde in dem Hotelzimmer, das ihr bis zur Verhandlung als Versteck diente, ein Messer in den Hals gestoßen. Weil der Mann, der ihre Aussage fürchten musste, der gefürchtete Mafiaboss Anthony Marco ist, liegt der Verdacht nahe, dass dieser Spanios Tod angeordnet hat. Stuart Kaminsky – CSI New York: Der Tote ohne Gesicht weiterlesen

Schacht, Andrea – Sünde aber gebiert den Tod, Die

Teil 1: [„Der dunkle Spiegel“ 369
Teil 2: [„Das Werk der Teufelin“ 1764

_Die Geschichte:_

Köln, Weihnachten im Jahr 1376: Im Benediktinerkloster wird während der Christmesse ein Säugling gefunden. Dieser trägt ein Feuermal im Gesicht. Pater Ivo bringt das Kind zu den Beginen am Eigelstein, wo sich Almut darum kümmern soll.

Kurz darauf versuchen drei Männer in den Beginenkonvent einzubrechen; schnell wird Almut klar, dass sie es auf den Säugling abgesehen hatten. Doch wer sie beauftragte, bleibt im Dunkeln. Derweil findet sie heraus, dass eine junge Frau mit ihrem Baby im Gasthaus gewohnt und sich mit dem Prior des Klosters getroffen hat. In den Windeln des Babys findet die Begine ein Schreiben, das an einen unbekannten Helfer gerichtet ist. Wer ist dieser ominöse Helfer?

Eine kopflose Frauenleiche, die in der Kirche gefunden wird, verkompliziert die Ermittlungen, die Almut und Pater Ivo sowie ihre Freunde in Angriff nehmen. Und dann findet Pater Ivo den Kopf: Die Frau ist die Mutter des Babys und die Geliebte des Ritters, der sich seit einigen Tagen im Kloster aufhält, um – wie er sagt – seine vergangenen Sünden zu büßen. Inwieweit hat dieser Mann seine Hände im Spiel?

Brenzlig wird die Lage, als der Prior Pater Ivo im Keller des Klosters anketten und misshandeln lässt, angeblich weil er sündhaften Umgang mit den Beginen hegt. Was aber, wenn die junge Mutter beim Prior war und dieser in die mysteriöse Angelegenheit verwickelt ist? Almut nimmt die Forschungen alleine auf und bringt sich selbst mal wieder in Gefahr …

_Meine Meinung:_

Die Geschichte um Almut und Ivo geht in die dritte Runde, und ich muss gestehen, dass ich auch dieses Buch in wenigen Stunden ausgelesen hatte. Ich habe festgestellt, dass sich der Schreibstil der Autorin zwar nicht gravierend verbessert hat, allerdings sind mir die Figuren des Romans inzwischen so vertraut geworden, dass ich einfach extrem neugierig bin, wie es mit ihrem Leben weitergeht. Schaffen es Almut und Pater Ivo endlich, sich ihre Liebe einzugestehen? Hat ihre Liebe überhaupt eine Chance? Der neue Kriminalfall versackte dabei für mich fast zur Hintergrundgeschichte, wobei das natürlich genau anders herum sein sollte. Sei’s drum, mir war die Weiterentwicklung der Beziehung zwischen den beiden Protagonisten wichtiger. Da noch kein Ende der Serie in Sicht ist, werden diese Fragen natürlich immer noch nicht beantwortet, allerdings kommen die Gefühle verbal immer deutlicher zum Ausdruck, wenn auch aus Sicht der außenstehenden Nebencharaktere.

Zum Schreibstil sei angemerkt, dass Frau Schacht solides Handwerk abliefert, allerdings nur ganz, ganz wenige Stilraffinessen zu verzeichnen sind. Sie schreibt lebendig, unterhaltsam und sehr gut verständlich. Im letzten Teil hatte sie Zitate von Sirach verwendet, jetzt bedient sie sich des Heiligen Jakobus, um spritzige Diskussionen zwischen den Liebenden zu erzeugen. Manchmal etwas zu dick aufgetragen, meistens aber amüsant. Außerdem sammelt sie neue Freunde des „Paares“. Nun ist eine Köchin namens Franziska, die später den Wirt heiratet, hinzugekommen, während aber auch mein geliebter Meister Krudener sowie die taubstumme Trine ihre Auftritte haben dürfen. Ja, an die Figuren gewöhnt man sich schnell. Und auch sonst gibt es nicht viel zu meckern: Die Kriminalgeschichte ist spannend aufgebaut, die Auflösung plausibel, die Hintergründe nachvollziehbar.

_Fazit:_ Ein solider, guter Kriminalroman, dessen größtes Plus die Charaktere sind. Allerdings sollte man die beiden Vorgängerromane (s. o.) zuerst gelesen haben!

_Die Autorin:_ Andrea Schacht wurde 1956 geboren. Sie arbeitete als Wirtschaftsingenieurin in der Industrie und als Unternehmensberaterin. Sie lebt heute als freie Autorin mit ihrem Mann in Bad Godersberg.

http://www.andrea-schacht.de
http://www.blanvalet.de

Ihre Bücher:

|Die Ringtrilogie|
Der Siegelring (2003)
Der Bernsteinring (2004)
Der Lilienring (2004)

|Die Begine-Almut-Romane|
[Der dunkle Spiegel 369 (2003)
[Das Werk der Teufelin 1764 (2004)
Die Sünde aber gebiert den Tod (2005)
Die elfte Jungfrau (August 2007)

|Weitere Romane|
Rheines Gold (2005)
Die Lauscherin im Beichtstuhl (2006)
Kreuzblume (Februar 2007)

Ennis, Garth / Robertson, Darick – The Boys 1 – Spielverderber

_Story_

Wee Hughie ist für einen kurzen Moment der glücklichste Mann der Welt. Endlich hat er seine große Liebe gefunden, als plötzlich ein Superheld mit überdimensionaler Geschwindigkeit vorbeischwirrt und Hughies Herzdame versehentlich in Stücke reißt. Dieses Ereignis ruft Leute wie Billy Butcher auf den Plan, einen hinterhältigen CIA-Agenten, der mit seiner Stammtruppe |The Boys| des Öfteren dafür sorgt, dass derlei Kollateralschäden entsprechend gesühnt werden.

Butcher verpflichtet den jüngst betroffenen Hughie und nutzt dessen mangelndes Selbstbewusstsein, um ihn für seinen neuen Job zu manipulieren. Dieses Mal soll ein Team von rotznäsigen, jugendlichen Superhelden namens Teenage Kix dran glauben und mit einem Attentat bestraft werden. Hughie ist sich mit einem Mal unschlüssig, ob er sich weiter an dieser Verschwörung beteiligen möchte, sieht aber keine andere Perspektive. Zu spät wird ihm bewusst, dass er besser auf seine innere Stimme gehört hätte …

_Persönlicher Eindruck_

Tarantino-Fans aufgepasst, hier kommt der Comic-Stoff, dessen derbe Marschrichtung euer Lieblingsregisseur wohl maßgeblich beeinflusst haben dürfte. Zwar ist „The Boys“-Autor Garth Ennis kein Greenhorn mehr im illustrierten Business, allerdings verweist er in Sachen Atmosphäre, Aufbau und schonungsloser Gewalt sicherlich nicht unbewusst auf die kultige Hollywood-Ikone. Die Aufschrift ‚Nur für harte Jungs‘ gilt daher auch völlig zu Recht, da Ennis bewusst Tabus bricht und gegen die herkömmliche Moral des Action-Genres quasi auf jeder Seite verstößt. Doch dies ist lediglich ein Aspekt, der „The Boys“ zu einer recht interessanten Angelegenheit macht.

Inhaltlich ist das Ganze indes eine Art brutale Persiflage auf den Superhelden-Kosmos. Ennis wählt die Arroganz in Spandex als sein erklärtes Feindbild und entscheidet sich in der Darstellung der vermeintlichen Gesetzeshüter für ein eher anrüchiges Gesamtbild. Diejenigen, die in „The Boys“ mit den altbekannten Superkräften ausgestattet sind, avancieren nach und nach zu lächerlichen Figuren, deren Scheinmoral lediglich im Rahmen ihres glänzenden Äußeren verdeckt bleibt. In Wahrheit jedoch nutzen sie ihre Stellung, um sich zu bereichern, sei es durch Merchandise oder im Extremfall auch an neuen Anwärtern ihres Standes, deren Aufnahmeprüfung in oraler Befriedigung der etablierten ‚Helden‘ besteht.

Unterdessen ist das Team, das unter dem Namen ‚The Boys‘ firmiert, keinen Deut besser, kämpft aber dennoch für das, was vom Gesetz übrig geblieben ist – wenn auch mit unlauteren Mitteln. Attacken auf die Spandex-Gattung sind an der Tagesordnung und offensichtlich legitim, Morde an Machos, Rassisten und eben jenen maskierten Superhelden erlaubt, und wenn es sein muss, fliegen hierbei auch einige Körperteile und Innereien durchs Bild. Tarantino lässt grüßen.

Allerdings wird die Geschichte in keinerlei Hinsicht geschmacklos oder platt. Die teils oberflächlichen Dialoge mögen zwar derartiges verheißen, runden jedoch letzten Endes lediglich das Gesamtbild dieses stimmigen, düsteren und definitiv unmoralischen Kleinods ab. Der Autor liefert dabei jedoch nicht bloß Bilder von Gewalt und Schrecken, sondern bearbeitet innerhalb dieser aggressiven Inszenierung auch emotionale Inhalte. So müssen sich Hughie und Starlight mit persönlichen Schicksalen herumschlagen und ihr rosarotes Weltbild den Erwartungen ihrer neuen Teams anpassen. Während Hughie nicht einmal eine Chance hat, sich großartig zu widersetzen, lässt Starlight alles über sich ergehen, um zum legendären Kreis der Seven zu hören. Und so schließt sich der Kreis der ersten Episode mit einem nicht zu verachtenden Teil psychischer Gewalt, dies jedoch gekonnt und mitunter auf hohem Niveau.

Ein einheitliches Resümee fällt mir abschließend gar nicht mal so leicht, da der Kontrast zwischen Atmosphäre, Brutalität und geschickter Inszenierung teilweise sehr krass ist. Zweifelsohne ist „The Boys“ nicht gerade Kost für jedermann, speziell wenn man Gewalt in Comics grundsätzlich ablehnt. Persönlich kann ich jedoch bestätigen, dass sich die Erforschung dieses recht unkonventionellen Neulings lohnt, zumal die angesprochene Härte nicht die Basis der Storyline ist, wenn auch ein bedeutendes Element. Was aber nun mal Fakt ist und auch festgehalten werden soll, ist die Tatsache, dass Tarantino-Fans hier echte Feinkost aufspüren können. Und mal ehrlich: Wer mag Großmeister Quentin nicht?

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Viehl, S. L. – Stardoc – Die Flucht (Band 3)

Band 1: [„Die Seuche“ 2883
Band 2: [„Der Klon“ 3607

_Story_

Auf ihrer Flucht vor der Vereinten Liga der Welten und ihrem Vater Joseph Grey Viel erleidet Dr. Cherijo Torin einen weiteren, verheerenden Rückschlag. Ihr Geliebter Duncan Reever verrät sie an das Volk der Hsktskt, welches sie kurz zuvor noch zur Hilfe gerufen hatte, und bringt Cherijo unter die brutale Knute der Sklaverei. Doch die unbändige Doktorin lässt sich weder von Reevers Hinterlist, noch von den aggressiven Umgangsformen der emotionslosen Echsen unterkriegen. In kürzester Zeit verschafft sie sich in ihrer Position als Ärztin Respekt und Anerkennung und behandelt auf der Krankenstation eines Asteroiden Freund und Feind.

Aber ihre widerspenstige Art ist bei den Hsktskt nicht gerne gesehen, so dass immer wieder Konflikte mit Aufsehern und dem Stammesfürsten TssVar entstehen, unter dessen Regentschaft Cherijo ein ständiges Auf und Ab, begleitet von unbarmherzigen Foltermethoden und tagelanger Isolation, erleidet. Mit letzter Kraft bäumt sich Chrerijo aber beständig gegen die fürchterlichen Umstände der Sklaverei auf, stets bemüht, im Dschungel von Verschwörungen und verräterischen Intrigen einen Weg zur Flucht zu finden …

_Persönlicher Eindruck_

Meine persönliche Beziehung zur außergewöhnlichen Science-Fiction-Saga von S. L. Viehl ist höchst ambivalent. Bereits die ersten Bände verlangten mir Geduld und erzwungene Beharrlichkeit ab, entlohnten jedoch schlussendlich mit zwei spannenden, bemerkenswerten Geschichten, vor allem aber mit einer fabelhaft in Szene gesetzten Protagonistin, deren ungewöhnliches Erscheinungsbild innerhalb des Genres einige revolutionäre Züge offenbarte. Mit „Die Flucht“ steht nun der vorerst letzte Band von „Stardoc“ ins Haus, und schon wieder beobachtet man die typischen Schwierigkeiten, mit denen die Serie bereits in den vorangegangenen zwei Romanen aufwartete.

Zwar ist die Hintergrundgeschichte dieses Mal ebenso geläufig wie die tragenden Persönlichkeiten, und ebenso steckt man bereits nach wenigen Seiten mitten in der Action drin, doch irgendwie bleibt der Inhalt trotz stringenten Fortschritts über weite Strecken sperrig und enttäuschend eindimensional. Problematisch erweist sich in diesem Sinne die nach und nach unglaubwürdigere Inszenierung von Cherijo Torin, die mittlerweile derart viele tödliche Gefahren unbeschadet überstehen konnte, dass man die neuen Bedrohungen gar nicht mehr als solche empfindet. In „Die Flucht“ wird die Hauptfigur gefoltert, gebrandmarkt, angeschossen, in gewaltsame Krawalle verwickelt, hungernd in einen Müllschacht gesteckt, und so weiter, und so fort – doch jedes Mal wieder entflieht sie der Gefahr mit neuem Mut, hält alsbald Strategien zur Eindämmung der unmenschlichen Zustände und der Verbesserung der Lage der versklavten Mitleidenden bereit und trotzt ihren Käschern zudem auch noch mit vorlautem Mundwerk und unbedachten Forderungen.

Dies mögen alles Trademarks sein, die auch schon die ersten beiden Bücher zierten, jedoch wurden sie dort noch in einem realistischer anmutenden Zusammenhang eingefügt. Nun aber übersteigt Viehl selbst im Rahmen der Möglichkeiten einer Science-Fiction-Story bisweilen die Grenzen der Authentizität, was die Geschichte über manche Strecken zu einem recht vorhersehbaren Ereignis macht. Die zwischenzeitlichen Wendungen wie der stets lauernde Verrat von Seiten Cherijos Freunden können dieser Entwicklung zwar immer wieder Einhalt gebieten, doch da jedes Unterkapitel zumindest mit einem kleinen Happy End für die unverwundbare terranische Ärztin abschließt, verliert die Erzählung an manch entscheidendem Punkt ein Stück weit Spannung und fällt folgerichtig auch ein ganzes Stück gegenüber ihren Vorgängern ab.

Was die Action sowie die Aneinanderreihung von Niederträchtigkeiten und Gemeinheiten betrifft, ist „Die Flucht“ indes der Höhepunkt der Serie. Viehl forciert eine recht aggressive Handlung und bemüht sich um eine schonungslose Demonstration all dessen, was gemeinhin als verachtenswert empfunden werden darf. Dies bleibt jedoch leider bis auf Weiteres die einzig markante Stärke des dritten Teils von „Stardoc“, wohingegen die Handlung inhaltlich leider in vielen Punkten verflacht.

Allerdings besteht dennoch Hoffnung auf Besserung; vier weitere Bände liegen seit geraumer Zeit in der Warteschleife und sollen den Plot Expertenmeinungen zufolge auf lange Sicht wieder richten können. Verlassen wir uns darauf ebenso wie auf die Tatsache, dass „Die Flucht“ der einzige Schwachpunkt dieser Reihe bleibt. Es wäre nämlich ziemlich schade, wenn die brillanten Figuren im Zuge mangelnder, herausfordernder Ideen mit einem Mal untergehen müssten …

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Interview mit Stephan R. Bellem

Anlässlich seines ersten Romans „Tharador – Die Chroniken des Paladins“ habe ich mich mit dem Heidelberger Fantasyautor Stephan R. Bellem in der Heidelberger Altstadt zu einem Kaffee getroffen und zu seinem Roman befragt. Das Interview verlief sehr lang und amüsant, doch lest selbst:

Martin Schneider:
Hi Stephan, stell dich den Lesern doch mal kurz vor.

Stephan R. Bellem:
Ich wurde jetzt im September gerade 26, die 30 naht mit großen Schritten. Ich studiere neben dem Schreiben Soziologie, mag Hunde und Filme. Und Essen. Man sieht es mir noch nicht an, aber ich esse wahnsinnig gern. „Tharador“ ist mein erster Roman und ich hoffe, noch eine ganze Menge mehr zu veröffentlichen. Ausführlichere Infos gibt es dann auf meiner Homepage www.srbellem.de/ Ach so, habe gerade eine neue Band für mich entdeckt: 30 SECONDS TO MARS.
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Stephan R. Bellem – Tharador (Die Chroniken des Paladins 1)

Handlung

Tharador Suldras ist Kommandant der Stadtgarde von Surdan. Doch er wird von ständig wiederkehrenden Albträumen geplagt, die ihn immer mehr dazu bringen, in den Norden gehen zu wollen. Also desertiert er zusammen mit seinem Freund Queldan und macht sich auf über das Gebirge in Richtung Norden. Dort treffen die beiden den Zwergenprinzen Khalldeg, der zur Gruppe der Berserkerzwerge gehört.

Währenddessen hat der Magier Tarvin Xandor alle anderen Magier in Surdan getötet und hilft den Orks und deren Häuptling Ul’goth mit seiner schwarzen Magie dabei, die Mauern von Surdan zu erstürmen und die Stadt einzunehmen. Xandors Plan sieht vor, die Orks weiter gen Süden zu schicken, und die anderen Städte in einen Krieg zu verwickeln, um von seinen Plänen. das mächtige Zauberbuch Karand zu finden, abzulenken. Doch Ul’goth will nicht weiter in den Krieg ziehen, sondern sich mit seinem Stamm in Surdan niederlassen.

Stephan R. Bellem – Tharador (Die Chroniken des Paladins 1) weiterlesen

Mina, Denise – Hintermann, Der

Täglich drei harte Eier, Grapefruit und schwarzer Kaffee, und schon wird man pro Woche drei Kilo leichter. Klingt verlockend, diese Eierdiät, die Paddy Meehan, die Protagonistin in Denise Minas Buch „Der Hintermann“ seit einiger Zeit ausprobiert, um die überschüssigen Pfunde loszuwerden.

Bei der Diät ist Paddy leider so erfolgreich wie bei ihrer Arbeit als Mädchen für alles in der Zeitungsredaktion der „Scottish Daily News“ im Glasgow der achtziger Jahre. Eigentlich möchte sie Journalistin werden, aber ihre Beschäftigung besteht hauptsächlich darin, dem Chefredakteur Bier aus dem nahen Pub zu holen. Doch das junge Mädchen bekommt seine Chance, als der dreijährige Brian Wilcox brutal ermordet an einer Eisenbahnlinie gefunden wird. Als Verdächtige ermittelt man zwei Elfjährige. Einer von ihnen ist der Cousin von Paddys Verlobtem Sean, wie sie ihrer Kollegin Heather anvertraut. Heather, eine hübsche Studentin mit Ambitionen, nutzt diese Tatsache aus und bringt eine reißerische Story über die heruntergekommene Familie des Verdächtigen.

Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen für Paddy. Ihre streng katholische Familie einschließlich ihres Verlobten ist fest davon überzeugt, dass sie den Artikel geschrieben hat. Paddy, von allen Menschen, die sie liebt, alleine gelassen, beschließt zu beweisen, dass dieser brutale Mord nicht von zwei Elfjährigen begangen worden sein kann. Bei ihrer Recherche stößt sie auf einen Fall von Kindsmord, der bereits acht Jahre zurückliegt und ein ähnliches Muster wie der Brian-Cox-Fall aufweist. Damals hatte man den Stiefvater des toten Jungen verurteilt, obwohl er standhaft behauptet hatte, unschuldig zu sein. Paddy fühlt, dass hier etwas nicht stimmt. Sie begibt sich auf die Spurensuche und befragt die Mutter des vor acht Jahren ermordeten Kindes. Bald stellt sich heraus, dass ihr gewisse Personen bei beiden Fällen begegnen. und sie beginnt, Parallelen zu ziehen. Doch da wird Heather, deren Namen Paddy bei ihren „Ermittlungen“ benutzt, ermordet aufgefunden. Als Paddy erkennt, dass sie das eigentliche Opfer gewesen wäre, wird ihr klar, was für Dreck sie mit ihrer Suche aufgewühlt hat …

„Der Hintermann“ ist eines dieser Bücher, die erst nach einer Aufwärmphase richtig gut werden. Der Anfang jedenfalls lädt eher dazu ein, den Thriller wieder aus der Hand zu legen. Denise Mina hält sich mit Hintergrundinformationen munter zurück. Sie wirft den Leser direkt ins Geschehen, und das ist in einem Buch, das vor zwanzig Jahren in einem Land spielt, dessen Verhältnisse nicht jeder kennt, nicht unbedingt der Königsweg. Die strikten Regeln des Katholizismus und die Feindschaft mit den Protestanten ist gerade für jemanden, der nicht mit den Sitten Schottlands vertraut ist, anfangs schwer verständlich. Mina fügt kaum Erklärungen an, das meiste muss sich der Leser selbst zusammenreimen.

Es ist hilfreich, dass die Hauptperson Paddy Meehan den Katholizismus in Frage stellt. Dadurch werden immerhin einige Dinge klar, auch wenn das eher beiläufig geschieht. Anfangs fällt es schwer, Zugang zu dem pummeligen, stets etwas melancholischen Mädchen zu finden, doch mit der Zeit wächst Paddy dem Leser ans Herz. Frei nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ befreit sie sich mit dem Erscheinen des Zeitungsartikels von sämtlichen Fesseln, die sie vorher gehalten haben. Ihre Familie ignoriert sie als Reaktion auf den Artikel, ihr Verlobter möchte nichts mehr von ihr wissen. Paddy hat nichts zu verlieren und wirft sich deshalb mit vollem Elan ins Leben. Das verändert sie nachhaltig und rückt ihre Zukunftsvorstellungen zurecht. Das Mädchen entwickelt im Verlauf der Geschichte ein neues Selbstvertrauen, so dass sich der einst konturlose Teenager immer mehr zu einer selbstbewussten Persönlichkeit wandelt.

Ähnliches gilt für die Geschichte, die Mina erzählt. Sie beginnt holprig und irgendwie konventionell – ein Mord passiert, eine Außenseiterin kommt der wahren Lösung auf die Spur -, doch mit der Zeit kommt eine sehr angenehme Atmosphäre auf, die zu der grauen Stimmung im trüben Glasgow passt. Trotzdem hängt das Buch bis zur Mitte ein wenig durch. Es passiert zu wenig Spannendes und Paddys Ermittlungen machen kaum Fortschritte. Wirklich rasant wird es nie, aber gegen Ende folgen die Ereignisse immerhin so dicht aufeinander, dass es nicht langweilig wird.

Der Erzählstil passt zu der gedrückten Stimmung, die im Buch vorherrscht und auf weiten Strecken auch Paddy anhängt. Einfach, auf das Vokabular eines jungen Mädchens abgestimmt, erzählt Mina aus Paddys Perspektive. Aufgrund des Anspruchs ihres Schreibstils ist „Der Hintermann“ dennoch nicht wie ein Jugendbuch geschrieben. Auffällig ist die Art der Autorin, auch unwichtig erscheinenden Kleinigkeiten Raum zu geben, so dass die Geschichte an vielen Stellen sehr ausgefeilt wirkt, was ihr nur zugute kommt.

Der Schreibstil kann allerdings nicht über die anfänglichen Probleme hinwegtäuschen. „Der Hintermann“ von Denise Mina hat durchaus seine Momente, doch vor allem der schwerfällige Start und die fehlenden zündenden Ereignisse in der Mitte machen es manchmal schwierig, das Buch weiterzulesen.

http://www.knaur.de

_Denise Mina auf |Buchwurm.info|:_
[„Refugium“ 928

Vaughan, Brian K. / Harris, Tony – Ex Machina 2: Zeichen

_Story_

Mitchell Hundred ist eine außergewöhnliche Person. Infolge eines radioaktiven Unfalls hat er Kräfte erlangt, die ihm eine direkte Kommunikation mit Maschinen erlauben, was ihm am 11. September 2001 ermöglichte, die zweite Maschine vor dem Einschlag in den Südturm des World Trade Centers aufzuhalten. Seitdem ist Hundred in New York eine Ikone, ein Superheld, der für den Posten einer Führungspersönlichkeit prädestiniert scheint.

Gesagt, getan: Hundred wird bei den Wahlen zum Bürgermeister ernannt und sieht sich daraufhin mit einem innenpolitischen Scherbenhaufen konfrontiert. Doch während die akuten Probleme wie die Reformierung des Schulsystems sich geradezu aufdrängen, beschäftigt sich Mitchell mit einem nach wie vor umstrittenen Gesetzesentwurf. Er möchte in seiner Stadt die Ehe zwischen homosexuellen Partnern ermöglichen und gilt infolge dessen wiederum als umstritten und planlos.

Allerdings plagen den Bürgermeister derzeit noch andere Sorgen: Eine übernatürliche Erscheinung hat die U-Bahn-Stationen in eine Leichenhalle umfunktioniert, zu deren Opfer auch Verbündete aus Mitchells NSA-Vergangenheit als Superheld gehören. Während der führende Politiker New Yorks im Vordergrund Imagepflege betreibt und dennoch für die Homo-Ehe plädiert, entwickelt sich im Verborgenen eine neue Bedrohung, die unmittelbar mit Hundreds Person in Verbindung steht. Doch was genau verbirgt sich in New Yorks Untergrund?

_Persönlicher Eindruck_

Brian K. Vaughan ist dieser Tage ein Garant für erstklassige und intelligente Comic-Kunst. Bereits mit seiner Glanzserie [„Y: The Last Man“ 4179 konnte sich der aufstrebende Autor in die erste Liga hocharbeiten und wurde folgerichtig für dieses Werk auch mit dem prestigeträchtigen |Eisner Award| ausgezeichnet. Nun legt Vaughan mit einem weiteren Soon-to-be-classic nach, der Geschichte um einen ungewöhnlichen Superhelden, für dessen geniale Darstellung und Präsentation der Ideengeber sogleich einen weiteren Award überreicht bekam. Keine Frage also: Das hier ist Stoff, den man sich nicht entgehen lassen sollte!

Während der erste Band von „Ex Machina“ Mitchell Hundreds Aufstieg zum Superhelden und den darauf folgenden Weg in die Innenpolitik dokumentierte, bewegt sich Vaughan nun ein wenig vom bloßen Action-Abenteuer fort und fügt zunehmend politische und mystische Themen in die Handlung ein. „Zeichen“ beinhaltet zwei parallel verlaufende Stränge, die beide ziemlich direkt mit der Hauptperson verknüpft sind, zunächst aber gar nicht aufeinander zulaufen wollen. In einzelnen Zeitsprüngen wird Mitchells Superhelden-Vergangenheit noch einmal aufgearbeitet und in diesem Sinne die speziellen Verbindungen zu seinem ehemaligen Kollegen Jackson, der ihm bereits nach den Terroranschlägen des 11. September kritisch gegenüberstand.

Inzwischen wurden die zerstückelten Leichen von dessen Ehefrau und Tochter in den U-Bahn-Stationen aufgefunden, ebenso die Innereien ihres Hundes, an deren Fundort die Ermittler ein merkwürdiges Zeichen entdecken. Jedoch scheint sich der Protagonist zunächst nicht für diese seltsamen Ereignisse zu interessieren. Er ist bestrebt, seiner Rolle als liberaler Bürgermeister und Mittelsmann zwischen Staat und Bürgern gerecht zu werden, geht indes jedoch ungeachtet seiner Wege. Dementsprechend mutet es seltsam an, dass er sich an scheinbaren Belanglosigkeiten wie der Homo-Ehe aufhält, während seine Stadt von einem neuen Akt des Terrors heimgesucht wird. Dabei steht die Mordserie unzweifelhaft mit der Person Hundreds in Zusammenhang, was die Lage noch verschärft.

Aber erstaunlicherweise lässt sich Vaughan nicht von den Erwartungen, die der Plot immer vehementer hervorruft, beunruhigen. Souverän trennt er die beiden Stränge und fügt sie mit einem kaum erwarteten Knall plötzlich doch noch zusammen. Dies ermöglicht ihm, bei den einzelnen Handlungsabschnitten noch deutlicher in die Tiefe zu gehen und die Detailfülle und Hintergründe ganzheitlich in die Story einzubringen. Die konträren Stimmungen, ausgelöst durch die widersprüchlichen Bilder des harmoniebedürftigen Bürgermeisters und der krassen Leichendarstellungen in den U-Bahn-Schächten, bekommen somit noch mehr Spielraum und sind schließlich das wichtigste belebende Element der gesamten Handlung. Darüber hinaus erweist sich der Autor im zweiten Teil von „Ex Machina“ ein weiteres Mal als außerordentlicher Profi der illustrierten Inszenierung.

Vaughan hat eine wirklich perfekte Geschichte mit unkonventionellen Inhalten gefüllt, anhand von Kontrasten den Spannungslevel hochgekurbelt und letztendlich einen regelrechten Mythos erschaffen, der im Prinzip lediglich auf einer ganz normalen, wenn auch intelligent kombinierten Action-Story fußt. Meine Hochachtung für diese unheimlich dichte Verknüpfung von Mystery, Action und unterschwelliger, provokanter Gesellschaftskritik. Spätestens mit dieser hierzulande frisch eröffneten Reihe hat sich Brian K. Vaughan international zu einer echten Hausnummer entwickelt!

http://www.paninicomics.de/ex-machina-s10447.html

John Meaney – Tristopolis

In einer fernen Zukunft gewinnt die Menschheit ihre Energie aus den Knochen der Toten. Kriminelle Elemente haben es auf die Leichen besonders ‚energ(et)ischer‘ Zeitgenossen abgesehen, was eine kleine Gruppe von Polizisten zu verhindern sucht … – Nicht originelle aber einfallsreich variierte Mischung aus Science Fiction, Mystery & Thriller, die sich ein wenig zu offensichtlich diverser phantastischer Vorlagen aus Literatur und Film bedient: gern gelesen & genossen aber auch bald vergessen. John Meaney – Tristopolis weiterlesen