Kröhnert, Steffen / Medicus, Franziska / Klingholz, Reiner – demografische Lage der Nation, Die

Wollten wir nicht alle schon mal wissen, wie es um unseren Heimatort steht? Steht er kurz vor dem Kollaps oder vor seiner Blüte? Sind unsere Arbeitsplätze sicher und lohnt es sich, hier Kinder zu kriegen?

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung beziehungsweise das Autorenteam Steffen Kröhnert, Franziska Medicus und Reiner Klingholz gibt in „Die demografische Lage der Nation“ Antworten. Wie der Titel schon andeutet, geht es hier etwas trockener zur Sache. Man beschäftigt sich mit einzelnen Bundesländern und ihren prosperierenden oder absterbenden Landkreisen und zeigt interessante Entwicklungen auf in Bezug auf Demografie, Wirtschaft, Integration, Bildung, Ab- und Zuwanderung und Kinderfreundlichkeit. Am Ende jedes Bundeslandkapitels gibt es dann eine Trendtabelle, in der diese Faktoren anhand im Anhang erklärter, empirischer Maßstäbe bewertet und mit einer Trendnote versehen werden. Dadurch ist es möglich, Vergleiche anzustellen, wobei dies schon dadurch erleichtert wird, dass verschiedene Farbabstufungen für verschiedene Notenbereiche benutzt werden. Der Anfang des Buches ist schließlich das Ende des Buches. Statt einer Zusammenfassung der Ergebnisse im letzten Kapitel nimmt man diese vorweg und macht daran zwölf Punkte fest, die auffällig waren. Beispiele dafür sind die fehlenden Frauen im Osten oder natürlich die Überalterung der Gesellschaft.

Der Inhalt des Buches gebärdet sich dabei weit interessanter, als man denkt. Schließlich ist einem als deutscher Staatsbürger der eine oder andere Landstrich bekannt und die umfassenden Informationen, die man in dem Buch darüber bekommen kann, sind sehr interessant. Aufgelockert wird das eigentlich trockene Thema der Demografie durch das Einstreuen kleiner Anekdoten, wie zum Beispiel dem Versagen verschiedener Regierungen in bestimmten Punkten, was man als normaler Bürger vielleicht gar nicht so mitbekommt.

Geschrieben wurde glücklicherweise auf eine unterhaltsame, aber dennoch wissenschaftliche Art. Leichtfüßig und in Alltagssprache, aber nüchtern und wertfrei, dafür ab und an mit einem kleinen Augenzwinkern widmen sich die Autoren „Daten, Fakten, Analysen“, wie das Buchcover verspricht. Mit viel Fachwissen und doch leicht verständlich erklären sie die zahlreichen Tabellen und Schaubilder in vier Farben, die den Inhalt anschaulich und vergleichend darstellen.

Präzise und ohne Ausschweifungen fassen die Autoren ihre Ergebnisse zusammen und bescheren dem Leser dabei einen guten Überblick über die deutsche Lage und inwiefern welche Umstände für den jeweiligen Heimatort gelten. Klare, aber nüchterne Sprache, viele Abbildungen und eine sorgfältige Auswahl in Bezug auf den Inhalt halten das Interesse des Lesers wach. Auf der einen Seite gibt es Fakten, auf der anderen wird auch die eine oder andere lockerere, nicht besonders wissenschaftliche Anekdote zum Besten gegeben. Empfehlenswert für den, der einen guten Überblick über das Thema haben möchte, ohne überfordert zu werden.

Taschenbuch ‏ : ‎ 192 Seiten
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Meißner, Tobias O. – Hiobs Spiel – Frauenmörder

_Handlung:_

Hiob Montag, ein Mann mit seltsamem Namen und großen Ambitionen: neuer Herrscher über das Wiedenfließ werden, in der heutigen Zeit auch Hölle genannt. Um das zu vollbringen, muss er in einem unheiligen Spiel 78 Punkte erringen, indem er Prognostica und Manifestationen des Bösen zerstört. Im ersten Buch des auf 50 Jahre ausgelegten Zyklus bekämpft er Missgeburten aus einem kolumbianischen Irrenhaus, erledigt ein im amerikanischen Stromsystem nistenden Dämon, reist in die Zeit zurück, um einem grauenhaften Familienmord beizuwohnen, und stellt sich in den Weg einer Vampirsekte, die einen Schritt zu weit gegangen ist.

_Schreibstil:_

Um ehrlich zu sein, ist dieser erste Teil einer langen Geschichte eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Das fängt schon im Design des Buches an. Schwarze Balken am Rand, ein schräg geschriebenes Schriftbild oder ständige Ausstreichungen mitten im Satz wirken in einem Buch wie das verstörende Rauschen eines TV-Bildschirms während eines Horrorfilms. Und auch sonst wird mit dem Medium Buch herrlich gespielt, indem Wörter visuell passend dargestellt werden. Auf- und abhüpfende Buchstaben bei einem stark zitternden Sprecher zum Beispiel, oder Versuchungseinflüsterungen, die fast die Hälfte der Seite einnehmen und wie bei der entsprechenden Person auch jegliches Denken an Anderes vernichtet.

Das kleine Warnquadrat auf dem Titel – Warning: explicit lyrics – sollte nicht abschreckend aufgenommen werden. Klar, wer sehr zart besaitet ist, wird mit der zum Glück ausschließlich zweckdienlichen Brutalität garantiert nicht zurecht kommen, doch nie wird die Brutalität eines Stephen King oder Thomas Harris überschritten, weswegen das Quadrat eher der Werbung dienen soll. Trotzdem ist die Brutalität ein wesentlicher Bestandteil des Buches und lässt ein bisschen an David Finchers Film „Sieben“ denken. Da Hiob das Grausame in der Welt bekämpft, wartet man wie in „Sieben“ mit perverser Furcht auf die nächste Entstellung und dessen Umsetzung.

Der ehrgeizige Hiob Montag steht dabei auf dem schwierigen Grat zwischen zynischem Superheld und sympathischem Antiheld. Abgehärtet wie er ist, sind ihm normale Moralvorstellungen fremd, trotzdem sind seine Kämpfe gegen Abnormitäten Kämpfe um die Rettung der Welt, die in einer typischen Superheldenmanier ausgeführt werden. Das macht den Hauptcharakter sehr interessant, wenn er gegen jede normale Handlungsweise die abartigsten Dinge zur Rettung der Menschheit über sich ergehen lässt.

Die einzelnen Episoden im Buch selber sind sehr abwechslungsreich, und wie oben erwähnt, wartet man mit Spannung drauf, welche irren Ideen diesmal auf Hiob warten. Während das erste Kapitel an Krankheit nicht mehr überboten wird und sich der Aufenthalt in Amerika fast schon wieder normal liest, sind trotzdem in jedem Kapiteln Geschichten enthalten, die sich jedes Mal an Abnormität zu überbieten versuchen, obwohl niemals die Geschmacksgrenze für billige Splattereffekte überschritten wird. Auch inhaltlich läuft keine Geschichte nach dem Schema F ab, immer gibt es andere Arten, wie die Geschichte erzählt wird, zum Beispiel mit Wechsel zu Vergangenheit und Zukunft in der Geschichte des Bayrischen Familienmordes oder komplett in der Perspektive der zukünftigen Opfer Hiobs, wie in der Geschichte der Vampirsekte.

Was das Buch von allen anderen Büchern aber auch abhebt, ist die Tatsache, dass es in Deutschland spielt und sich vor allem auch an deutschen Problemen orientiert. Da es hier strenge Waffengesetzte gibt, ist es nur logisch, dass der Protagonist nicht ständig mit einer dicken Knarre rumrennt und sämtliches Böse, das ihm vor die Flinte läuft, mit einem coolen Spruch auf den Lippen abknallt. Nein, hier wird mit allem gekämpft, was einem zur Verfügung steht, sei es mit Verstand oder guten Plänen, wilde Schießereien kommen im ganzen Buch zum Glück nicht vor. Auch wird der Weg zu diesen Ereignissen nicht einfach zum Flug im Privatjet, sondern jedes Mal hart erkämpft. Geld für Flüge muss zusammengeraubt, Reisen in die Vergangenheit müssen über perversen Schamanen erkämpft und Strecken Innerlands per Anhalter zurückgelegt werden.

Ein weiterer Vorteil des Schauplatzes Deutschland ist, dass man sich viel besser in dem Buch zurechtfindet als in den amerikanischen, da einem die Landschaft geläufiger ist und die Anspielungen auf die Kultur nur mit dem Gedächtnis und nicht mit Wikipedia verstanden werden können. Auch läuft man hier nicht Gefahr, einen Wortwitz zu überlesen, weil er unübersetzbar ist.

_Fazit:_

Ein spannendes, originelles und herrlich zu lesendes Buch, das förmlich nach mehr schreit. Was Tobias O. Meißner abgeliefert hat, ist genau das, was ich schon lange gesucht habe, nachdem ich mich nach sämtlichen Klischeeromanen langsam gefragt habe, ob es nicht auch anders geht. Und da in „Hiobs Spiel – Frauenmörder“ trotzdem nicht auf eine einfache, fesselnde Sprache verzichtet wurde, kann man das Ergebnis locker an einem guten Abend durchlesen, wovon ich aber wegen der langen Durststrecke abrate, da bisher nur ein weiterer Band der Reihe erschienen ist und der nächste voraussichtlich erst Ende 2006 erscheinen wird.

http://www.eichborn.de

|Tobias O. Meißner bei |Buchwurm.info|:|

[„Das Paradies der Schwerter“ 2379
[Interview dazu]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=35
[„Die dunkle Quelle“ 1938 (Im Zeichen des Mammuts 1)
[„Die letzten Worte des Wolfs“ 2418 (Im Zeichen des Mammuts 2)

Gregory, Philippa – Schwiegertochter, Die

Ruth und Patrick Cleary sind seit vier Jahren glücklich verheiratet. Sie leben in einer hübschen Wohnung mitten in der Stadt Bristol, Patrick arbeitet erfolgreich bei den Fernsehnachrichten und Ruth ist zufrieden mit ihrem Job beim Radiosender. Da Ruth mit sieben Jahren zur Vollwaise wurde, ist es für sie umso schöner, dass Patrick engen Kontakt zu seinen Eltern pflegt. Regelmäßig stattet Ruth mit ihm ihren Schwiegereltern Elizabeth und Frederick Besuche ab, sogar die Wohnung war ein Geschenk von ihnen.

Bei einem ihrer Besuche eröffnet Frederick dem Paar, dass ein kleines Haus in der Nachbarschaft sehr günstig zum Verkauf steht. Elizabeth unterstützt den Vorschlag, dass Patrick und Ruth ihre Wohnung aufgeben und zu ihnen aufs Land ziehen sollen. Auch Patrick gefällt diese Idee. Passenderweise erhält er zur gleichen Zeit eine Beförderung, die den Kauf finanziell möglich macht. Nur Ruth ist anderer Meinung. Ihr gefällt die bisherige Wohnung, sie fühlt sich in der Stadt besser aufgehoben als auf dem abgeschiedenen Land und der neue Weg zur Arbeit wäre viel zu weit. Patrick und seine Eltern plädieren dafür, dass sie ihren Beruf aufgeben und bald ein Kind bekommen soll. Zwar möchte Ruth grundsätzlich gerne Kinder haben, doch erst in ein paar Jahren. Lieber möchte sie noch eine Weile arbeiten und schließlich ihren Traum vom Reisen verwirklichen – schon lange plante sie mit Patrick nach Boston zu fahren und dort ihr altes Zuhause zu suchen. Es gelingt ihr jedoch nicht, sich gegen die begeisterten Fürsprecher durchzusetzen.

Kurz darauf verliert Ruth, ebenso wie ein paar ihrer Kollegen, ihren Job durch Stellenabbau. Sie arbeitet nur noch freiberuflich, was Patrick zu ihrem Missfallen begrüßt. Genau zu diesem Zeitpunkt wird Ruth ungewollt schwanger. Während Patrick und seine Schwiegereltern außer sich vor Freude sind, wird Ruth immer deprimierter. Ihre alte Wohnung findet schnell Käufer und in der Übergangszeit zieht das Paar zu Elizabeth und Frederick. Zum Leidwesen von Ruth wird ihre Schwiegermutter immer aufdringlicher. Elizabeth übernimmt alle Organisationen und vermittelt der jungen Frau immer mehr das Gefühl, nichts zufrieden stellend zu erledigen. Das ändert sich auch nicht, als Ruth den kleinen Thomas zur Welt bringt. Im Gegenteil – Ruth verfällt in postnatale Depressionen, ist mit ihrem Kind völlig überfordert. Verzweifelt bemüht sie sich, ihre Schwiegermutter auf Abstand zu halten, die immer dominanter wird und Ruth offenbar vertreiben will …

Fünf sind einer zu viel, scheint das Motto des Romans zu sein. Wenn es nach dem Willen der Clearys geht, bilden Elizabeth, Frederick, Patrick und Baby Thomas das perfekte Quartett, in dem sich die Mutter nur wie ein Störenfried ausmacht. Es ist eine Mischung aus Thriller und Psychodrama, eine Geschichte über die Rivalität von Frauen, über Abhängigkeit und falsche Passivität ebenso wie über die erdrückende Überbehütung einer Mutter, was letztlich zu einer Eskalation im Duell beider Seiten führt.

|Keine Schwarz-Weiß-Malerei bei Charakteren|

Eine der Stärken des Romans liegt in der Darstellung von Ruth‘ Charakter, den der Leser nicht auf Anhieb einordnen kann. Im Beruf präsentiert sie sich als starke Frau, die ihren Willen durchsetzt, erfolgreiche Programme gestaltet und den Kollegen ein Vorbild und eine geschätzte Mitarbeiterin ist. Im Privatleben jedoch schaltete sie um auf Zurückhaltung. Patrick und seine Eltern sind die erste Familie, die Ruth haben darf, und sie ist bestrebt, es ihnen so recht wie möglich zu machen, um jeden Anflug von Zwist zu vermeiden. Sie ordnet sich Patrick völlig unter, was dem dominanten Ehemann wiederum nur zu gut ins Konzept passt. Ruth bewundert ihren attraktiven, beruflich höchst erfolgreichen Mann und fühlt sich kaum würdig, seine Ehefrau zu sein.

Auch Patricks Eltern fördern unbewusst dieses Verhalten. Sein Vater Frederick ist ein kerniger Mann mit Autorität, einem einflussreichen Bekanntenkreis und traditionellen Vorstellungen. Elizabeth ist nicht nur eine hervorragende Hausfrau, sondern auch stets top gestylt, hingebungsvolle Mutter und Ehefrau in einem.

Von Anfang an wagt es das Waisenkind Ruth nicht, dieses Dreiergespann in Frage zu stellen oder gar aufzubegehren. Etwaige Zweifel werden leise, zögerlich und passiv geäußert, ehe Ruth sich der Mehrheit anschließt. Bis zu diesem Punkt genießt sie die Sympathie und das Mitleid des Lesers. Sehr positiv ist jedoch, dass Philippa Gregory sich nicht mit einer Schwarz-Weiß-Darstellung der Charaktere begnügt. Tatsächlich gibt es mehrere Situationen, in denen man Elizabeth zugute halten muss, dass Ruth ihr zu Recht für vieles dankbar ist. Voller Elan übernimmt sie auch unangenehme Aufgaben, ohne Ruth ihren freiwilligen Einsatz vorzuhalten. Sie ist eine Hausfrau mit Leib und Seele, die ihren Männern in vielen Punkten eine Wärme und Geborgenheit bietet, die die junge und recht unerfahrene Ruth nicht vermitteln kann.

Umgekehrt ist Ruth nicht ausschließlich das Opferlamm, dem übel mitgespielt wird. Die ungewollte Schwangerschaft ist zum großen Teil Produkt ihrer Nachlässigkeit und hätte mit etwas Bemühen verhindert werden können. Oftmals ist sie ihrem neugeborenen Sohn nicht gewachsen, bringt ihn sogar mehrmals in Gefahr, so dass einige Kritikpunkte ihrer Schwiegereltern und ihres Mannes sehr gerechtfertigt sind. Mehrere Male reagiert Ruth unverständig auf die Vorwürfe, obwohl sie sich bewusst ist, dass sie ihrem Sohn Thomas alles andere als eine angemessene Mutter ist. Parallel dazu gibt sie manchmal Äußerungen von sich, bei denen ihr klar sein müsste, dass sie bei Patrick oder seinen Eltern Entsetzen hervorrufen und nicht dazu beitragen, ihr Vertrauen in sie zu stärken. Im Gegenteil, in emotionalen Diskussionen über ihre Mutterrolle rutschen ihr Bemerkungen heraus, in denen sie zugibt, dass sie oft nur noch genervt von ihrem Kind ist, einmal gar, dass sie es an manchen Tagen am liebsten aus dem Fenster würfe. Sie erläutert zwar sofort, dass sie diesen Gedanken nicht ernst meint, gießt dadurch aber natürlich unnötig Öl ins Feuer.

Die Autorin kreiert hier keine Heldin, bei der man jeden ihrer Schritte gutheißt, sondern eine durchaus zwiespältige junge Frau, die sich nicht bis ins letzte Detail in ein Raster einordnen lässt. In abgeschwächtem Maß gilt das auch für die restlichen Hauptcharaktere, die trotz ihrer grundsätzlichen Kontraposition zwischendurch immer wieder Verständnis für Ruth durchblicken lassen.

|Spannung bis zum Ende|

Von Anfang bis Ende ist für Spannung gesorgt, so dass der Leser beständig von der Handlung gefesselt ist. Zwar wird bereits auf den ersten Seiten klar, dass es auf einen Zweikampf zwischen Ruth und ihrer Schwiegermutter hinausläuft, aber welche Formen er schließlich annimmt, lässt sich nicht vorausahnen. Die Geschichte durchläuft mehrere Wendungen; sowohl Ruth als auch ihr Mann und dessen Familie greifen zu originellen Methoden, um sich gegeneinander zu verteidigen. Immer wieder bringt Frederick die dank seiner guten juristichen Kontakte als letzte Konsequenz mögliche Entmündigung und Einweisung Ruth ins Spiel, die damit ihren Sohn verlöre. Ärztliche Gutachten zur Untersuchung ihres Gemütszustandes werden angesetzt; bei Ruth wiederum wechseln sich stabile Phasen mit Betäubungsmittelmissbrauch ab. Was als scheinbar kleine Differenz zwischen Mutter und Schwiegertochter begann, wächst sich zu einem Psychokrieg aus, in dem beide Seiten sich gnadenlos bekämpfen und rücksichtslos vorgehen.

Der Leser kann nicht vorhersehen, in welche Richtung die Handlung driftet, denn alles ist denkbar: Wird Ruth ihr Kind durch die Behörden verlieren? Kommt es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung von Mutter und Schwiegertochter? Wechseln Patrick und Frederick die Fronten? Bekommt Ruth von außerhalb Hilfe? All diese Fragen beantworten sich erst nach und nach, lange Zeit ist offen, welchen Ausgang der Roman für die Leser bereithält. Zum schnellen Lesetempo trägt außerdem der glatte Stil der Übersetzung bei. Das Werk beginnt |in medias res|, gleich zu Beginn werden die Fronten offenkundig und die Ereignisse spielen sich in rascher Zeitfolge ab.

|Zu stark konstruierte Ereignisse|

Abzüge gibt es dagegen für die konstruiert wirkende Anhäufung von Geschehnissen. Offenbar hat sich das Schicksal komplett gegen Ruth verschworen, denn alles, was sich in der nächsten Zeit ereignet, spricht gegen sie und für die Pläne ihrer Schwiegermutter. Ausgerechnet als Patrick und seine Eltern den Kauf des kleinen Hauses in Erwägung ziehen, verabschiedet sich mit Ruth‘ Arbeitsstelle eines ihrer Hauptargumente, das gegen den Umzug sprach. Ruth betont, wie gerne sie beim Radiosender arbeitet und dass sich dieser Job unmöglich mit der Entfernung der neuen Wohngegend vereinbaren lässt. Wenige Tage darauf werden Ruth und mehreren Kollegen aus Rationalisierungsgründen die Stellen gekündigt. Lediglich als Freie Mitarbeiterin darf sie weiterhin im kleinen Rahmen beim Sender mitwirken, was natürlich für Patrick kein Argument mehr gegen einen völligen Ausstieg bedeutet.

Genau zu diesem Zeitpunkt lässt Ruth eine Schwangerschaft zu, die sie endgültig ins Abseits der Argumente katapultiert. Zwar ist sie eigenen Kindern nicht abgeneigt, doch für sie steht fest, dass sie erst in einigen Jahren darüber näher nachdenken möchte. Indem sie sich auf Patricks Drängen auf ungeschützten Geschlechtsverkehr einlässt, besiegelt Ruth ihr Schicksal. Die werdende Mutter bemüht sich, das Beste aus ihrer Lage zu machen, doch auch hier ist ihr kein Glück vergönnt. Patrick erweist sich als unzuverlässiger Schwangerschaftsbegleiter; regelmäßige Überstunden hindern ihn, seiner Frau zur Seite zu stehen, die sich in einsamen Stunden mit Fachliteratur auf das große Ereignis vorbereitet. Wenn sie schon ungewollt schwanger geworden ist, will sie wenigstens möglichen Komplikationen so gut es geht entgegenwirken. Aber statt einer natürlichen Geburt erwartet sie ein komplizierter Kaiserschnitt.

Die ohnehin schon unsichere junge Frau wird nachts von Baby Thomas entbunden, erwacht mittags aus der Narkose und ist somit erst einen halben Tag nach der Geburt in der Lage, ihr Kind zu begrüßen. Nicht die Mutter, sondern Patrick und vor allem die herbeigeeilte Elizabeth verbringen die ersten Stunden mit dem Säugling. Als Ruth ihn zu Gesicht bekommt, ist er bereits gewaschen, gepudert und mit einem Strampler gekleidet. Wie es der böse Zufall will, ist auch Thomas von der langen zeitlichen Distanz beeinflusst und verweigert Ruth die Brust. Kein einziges Mal gelingt es Ruth, ihren Sohn zu stillen. Die mit Kindern unerfahrene Mutter nimmt die Abneigung sehr persönlich. Umgekehrt ist Elizabeth rund um die Uhr bereit, sich um den Kleinen zu kümmern und die Mutterrolle zu übernehmen. Eine übertriebene Verkettung misslicher Umstände sorgt dafür, dass Ruth keine Chance hat, ein normales Verhältnis zu ihrem Kind aufzubauen. Stattdessen spielen alle Entwicklungen ihrer Schwiegermutter in die Hände, was in seiner Gesamtheit sehr unrealistische und übertriebene Züge besitzt, die stark an Groschenheftromanmethode erinnern.

|Übertriebene Dramatik|

In die Richtung von Groschenheftromanen geht auch die zeitweilige Dramatik, die zu sehr auf die Spitze getrieben wird. Regelmäßig reden die Charaktere mit sich selber, sprechen bedeutsame Gedanken aus, die dunkel und unheilvoll in der Luft liegen und auf kommende Konflikte hindeuten, aber ganz und gar unrealistisch sind. Fast jedes Kapitel endet mit einem sinnträchtigen Ausspruch, einer Bemerkung, die Elizabeth‘ Ziele verdeutlicht, etwa wenn ein Unbeteiligter den Einsatz der lieben Oma lobt oder Elizabeth in einem ruhigen Moment darüber sinniert, wie sie Thomas noch mehr für sich vereinnahmen kann.

Während es bei den ersten Kapitel noch nicht weiter stört, fällt es mit zunehmender Lesedauer unangenehm auf. Statt subtile Andeutunmgen einzubauen, wird plakativ dargestellt, dass Elizabeth geradezu manisch in ihrem Vorhaben ist und dass jeder Außenstehender nur die aufopfernde Schwiegermutter in ihr sieht. Besonders ärgerlich ist diese reißerische Methode an der Stelle, an der Elizabeth sich spitz bei Ruth erkundigt, weshalb sie neuerdings von der Anrede „Mutter“ zu „Elizabeth“ gewechselt ist. Statt dass der Leser erfährt, wie sich Ruth aus dieser unangenehmen Situation befreit, endet das Kapitel, die Frage, obgleich sie wirklich interessant war, wird nicht wieder aufgegriffen, der Handlungsort somit zu früh verlassen, zum Zweck eines zweifelhaften Pseudo-Cliffhangers.

_Unterm Strich_ bleibt ein spannender, vor allem für Frauen interessanter Roman in einer Mixtur aus Psychodrama und Thriller. Der glatte, schnörkellose Stil sorgt für eine guten Lesbarkeit, ebenso der hohe Spannungsfaktor, der den Leser von Anfang bis Ende fesselt. Schwächen liegen dagegen in der übertriebenen Dramatik und den unrelistisch konstruierten Ereignissen. Kein Highlight, aber ein unterhaltsamer Roman für kurzweilige Stunden.

Schirrmacher, Frank – Minimum. Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft

„Deutschland braucht Kinder!“, predigt die Politik seit einiger Zeit und kürzt auf der anderen Seite alle möglichen Gelder, die junge Familien beim Kinderkriegen unterstützen würden.

Wie dringlich es wirklich ist mit den Kindern, zeigt Frank Schirrmacher in seinem neuen Buch „Minimum“ auf. Der Untertitel ist „Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft“ und er beschreibt in wenigen Worten, womit sich dieses Buch beschäftigt.

Aufgegliedert nach Geschlecht und Alter erklärt Schirrmacher, welche Funktion Männer, Frauen und Kinder in unserer Gesellschaft haben, welche sie hatten und welche sie haben werden. Er erklärt das Zusammenleben der Deutschen, aber nicht in trockener, wissenschaftlicher Art und Weise, sondern recht lebendig mit kleinen Geschichtchen, die seine Aussagen quasi-empirisch belegen, zum Beispiel die Geschichte vom Donner-Pass. Eine Gruppe Menschen versucht im 19. Jahrhundert, die Sierra Nevada im Winter zu durchqueren, was sich aber schwierig gestaltet und einige Opfer fordert. Tagebucheinträge von Mitgliedern des Trecks zeigen auf, wie das Überleben sich damals abspielte und Schirrmacher zieht Schlüsse daraus, die plausibel klingen.

In einem weiteren Kapitel mit der Überschrift „Rollenspiele“ legt er anschaulich dar, wer welche Funktion innerhalb unserer Gesellschaft hat. Allerdings geht es weniger um trockene Themen wie dsa Kinderkriegen oder das Geldverdienen. Überschriften wie „Wer rettet wen?“ oder „Wer vernetzt wenn?“ machen neugierig, denn man kann sich nur schwerlich vorstellen, was sich dahinter verbirgt.

Es spricht für Schirrmacher, dass er es schafft, so ein trockenes Thema wie Demografie dermaßen interessant darzustellen. Mit einer galanten Leichtfüßigkeit streift er einige Aspekte zwar nur am Rand, und seine Methode, seine Thesen mit kleinen Geschichten und Ausschweifungen darzustellen, ist vielleicht nicht besonders wissenschaftlich, aber dafür sehr unterhaltsam, was für einen Laien eine gute Sache ist.

Applaus verdient sein Schreibstil. Das ganze Buch erzählt sehr luftig-locker, wertneutral und unterhaltsam. Schirrmacher schafft den Spagat zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und beinahe schon prosaischer Schreibe mit stellenweise poetisch angehauchter Sprache. Er benutzt viele Quellen und Zitate, die allesamt korrekt im Anhang belegt sind, und trotzdem entstehen dadurch keine Brüche.

In der Summe ist „Minimum“ für den interessierten Laien durchaus empfehlenswert. Der schöne Schreibstil und der anschaulich verpackte Inhalt eröffnen einen guten Einblick in dieses Thema. Das Buch geht allerdings nicht zu tief. Wer wirkliche Informationen möchte, sollte sich an andere Literatur wenden, wer einfach nur etwas Interessantes, Spielerisches sucht, ist hier gut beraten.

http://www.randomhouse.de/blessing

Dark, Jason – John Sinclair – Der Todesnebel (Folge 36)

_Story_

In der Nähe eines kleinen Küstendorfes schwebt ein seltsamer Nebel übers Meer, der vor allem den älteren Bewohnern große Angst einjagt. Der junge Phil muss als Erster erfahren, wie begründet diese Ängste sind, als er nach einer Irrfahrt auf seinem Boot ‚verändert‘ zurückkehrt und beim Aufeinandertreffen mit seiner Familie in London ein Blutbad anrichtet. Gerade noch rechtzeitig kann Sinclair einschreiten und zumindest die Mutter des Jungen retten, wohingegen der erst 13-jährige Phil in der Gestalt eines Mumien-ähnlichen Dämons von Sinclair tödlich verletzt wird.

Währenddessen geht Phils Onkel der Sache auf den Grund und steuert mit einem befreundeten Schiffsmann mitten in den Nebel hinein. Bei ihrer Rückkehr scheint alles normal zu sein, so dass beide sich vor den wartenden Bewohnern noch über die angeblichen finsteren Mächte hinter dem Nebel lustig machen. Doch die beruhigten Leute werden schnell eines Besseren belehrt, als Billy und Gard im Dorf Amok laufen und beim Versuch, den Pfarrer und die religiösen Symbole des Dorfes zu vernichten, ebenfalls nur noch vom herbeigereisten Sinclair aufgehalten werden können. Doch selbst der Geisterjäger weiß keinen Rat, muss aber schnell handeln, denn der Nebel steuert direkt auf das Dörfchen zu, und wie grausam sich sein Kontakt auswirkt, haben mittlerweile viele leibhaftig bezeugen können …

_Meine Meinung_

Die jüngste Veröffentlichung aus der „John Sinclair“-Hörspielserie ist im Hinblick auf die prickelnd gruselige Atmosphäre eines der absoluten Highlights aus dem bisherigen Audio-Katalog des Geisterjägers. Alleine der Handlungsschauplatz birgt schon genügend Potenzial für eine weitere schaurige Geschichte, und dies haben die Sprecher von „Der Todesnebel“ unter der Anleitung von Oliver Döring nicht nur verinnerlicht, sondern diesbezüglich auch einen erstklassigen, würdigen Transfer geleistet.

Zudem verfolgt man in Episode 36 mal wieder einige frische Ansätze, was schon damit beginnt, dass der neue Gegner des Geisterjägers erst einmal unscheinbar und vor allem auch undurchschaubar ist. Sinclair ist sich nicht sicher, wie er die aktuelle Bedrohung definieren soll, denn ihm ist nicht bekannt, ob die dichte Nebeldecke von einer höheren Macht befohlen wird oder ob es sich hier um eine neue, eigenständige teuflische Erscheinung handelt, die alle bislang bekannten Charakteristika der dämonischen Geschöpfe außer Kraft setzt. Lediglich eines ist sicher, und das ist die Gefahr, die inmitten des Nebels lauert. Menschen verändern sich nach direktem Kontakt, und keiner kann sagen, was genau passiert, wenn man von der diesigen Luft festgehalten wird. Sinclair bieten sich auch keine Möglichkeiten, dies herauszufinden, weil alle Betroffenen ihr Verhalten derart krass modifiziert haben, dass ihr wahres Ich zur Unkenntlichkeit entstellt wurde.

Eine harte Nuss für unseren Geisterjäger, und ein unheimlich spannendes Hörspiel für seine Fangemeinde. So lautet schon einmal vorab das Resümee nach dieser wiederum recht langen Erzählung. Der Regisseur scheint wirklich sehr bemüht, die Saga mittels frischer Zutaten lebendig zu halten, ohne dabei auf altbewährte Elemente zu verzichten, und dies ist ihm hier auch fabelhaft gelungen. Abgesehen von den ermittelnden Hauptdarstellern ist in „Der Todesnebel“ nämlich so ziemlich alles neu; die Gegner, Sinclairs Handeln, das der Story bisweilen sogar die Ausstrahlung eines Action-Thrillers verleiht, sowie der recht unkonventionelle Kampf gegen den bedrohlichen Nebel, der innerhalb eines Gotteshauses geplant und durchgeführt wird. Dass dabei auch der ziemlich häufig eingeworfene Humor nicht Fehl am Platze ist, spricht weiterhin für den starken Plot, in dem neben kurzzeitigen Cliffhangern auch stets Platz für einen lockeren, ja sogar witzigen Spruch bleibt. Meist sogar aus dem Munde des Geisterjägers selbst.

Und weil man sich des hohen Potenzials des neuesten Hörspiels absolut bewusst ist, macht man auch schon relativ frühzeitig deutlich, dass diese Geschichte nur der Anfang eines neuen gespenstischen Zeitalters ist, und dass auch die nachfolgenden Hörspiele unmittelbar an die Story von „Der Todesnebel“ anknüpfen werden. Inwieweit dies der Fall sein wird, bleibt abzuwarten, doch um hier Genaueres zu sagen, müsste ich an dieser Stelle schon auf das Ende der aktuellen Geschichte vorgreifen, und das wäre ja nicht fair. Feststeht nur eines: Die Nr. 36 ist eine der abwechslungsreichsten und damit auch besten Folgen von „John Sinclair“ und gehört folgerichtig auch an eine der vordersten Stellen jeder Geisterjäger-Sammlung. Wehe, hier meckert noch einmal jemand über die jüngsten Veröffentlichungen dieser Serie!

http://www.sinclairhoerspiele.de

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Ragan, Anthony / Pramas, Chris / Schwalb, Robert J. / Flack, Kate / Priestley, Rick – Sigmars Erben (Warhammer Fantasy-RPG)

_Allgemein_

Nachdem im „Warhammer-Grundregelwerk“ das Imperium beschrieben wird, das ja eigentlich der zentrale Spielplatz dieses Rollenspieles ist, wurde ein Quellenband mit den Infos über dieses Gebiet von vielen Spielern förmlich herbeigesehnt. Mit „Sigmars Erben“ ist er nun auch endlich erschienen. Die Qualität ist die altbekannte: Hardcover, durchgehend farbig mit tollen Bildern und Grafiken.

Aber kommen wir zum Inhalt. Zunächst erfährt man allgemeine Informationen über das Imperium, sprich die Geographie und die darin lebenden Völker. Dabei wird deutlich tiefer in die Materie eingestiegen als beim Grundregelwerk, so dass man sich hier einen guten Überblick über die Bewohner verschaffen kann.

Darauf folgt eine Abhandlung über die Geschichte des Reiches, bei der alle wichtigen Ereignisse erzählt werden, die zur Entstehung des heutigen Imperiums führten. Dabei haben es die Autoren erreicht, sich so kurz zu fassen, dass es einerseits nicht langweilig wird und andererseits genügend Informationen enthalten sind, um die Fakten in das Rollenspiel einzubeziehen zu können.

Kapitel drei ‚Regierung und Nachbarstaaten‘ hat schon eine eindeutige Überschrift, denn es geht tatsächlich um die Regierenden (Imperator, Kurfürsten, Staatsrat) und das Verhältnis zu den Nachbarstaaten Bretonia, Kislev, Tilea und diversen anderen Regionen.
Als besonders wichtig erachte ich die nächsten beiden Kapitel, die sich mit Recht und Gesetz sowie der Religion des Imperiums befassen. Die Rechtssprechung im Imperium ist zwar relativ verstrickt, doch werden die Grundzüge verständlich und eingehend erläutert.
Bei der Religion wird zuerst kurz auf die verschiedenen Aberglauben der Bevölkerung eingegangen und danach werden die verschiedenen Kulte der Götter Manann, Morr, Myrmidia, Ranald, Shallya, Sigmar, Taal und Rhya, Ulric und Verena ausführlich vorgestellt. Außerdem gibt es auch noch eine Reihe von geringen Göttern, die aber keine wirklich wichtige Aufgabe haben.

Im längsten Kapitel wird dann detailliert auf die Kurpfalzen und deren Bewohner eingegangen. Hier werden die Länder (Averland, Hochland, Middenland, Mootland, Nordland, Ostmark, Ostland, Reikland, Strirland, Talabecland und Whisenland) einmal in geografischer Hinsicht beschrieben sowie deren Bewohner mit ihren Eigenarten und den wichtigen Orten des jeweiligen Landes. Auch eine Übersichtstafel der einzelnen Orte mit Daten wie Größe, Einwohnerzahl, Ressourcen und Militär erweisen sich als sehr hilfreich. Den Abschluss der jeweiligen Beschreibung bilden immer jeweils zwei regional zugeschnittene Abenteuerideen.

Der Quellenband wird dann mit einer Beschreibung von zwei Verbotenen Kulten, dem Abenteuer ‚Missetaten in Bögenhafen‘, einigen neuen Karrieren und einer regeltechnischen Ergänzung (Fertigkeiten und Talente nach Herkunft) zum Abschluss gebracht.

_Mein Eindruck_

„Sigmars Erben“ ist sicherlich der wichtigste Quellenband für das „Warhammer Fantasy-Rollenspiel“. Schließlich werden sich die Gruppen den größten Teil ihrer Abenteurerlaufbahn über im Imperium aufhalten. Alles in allem bekommt man mit dieser Lektüre einen guten Überblick über die Kulturen und das Leben in den verschiedenen Ländern des Imperiums sowie die regionalen Eigenheiten ihrer Bewohner. Der geschichtliche Rückblick ist insofern sehr gelungen, weil solche Dinge mich schon bei manch anderem Rollenspiel ziemlich gelangweilt haben, das Lesen sich hier aber sehr viel interessanter gestaltet. Die Beschreibungen sind allgemein so gehalten, dass sie zwar einen guten Eindruck über das Land, die Regierenden und die Ereignisse verschaffen, den Spielleiter aber nicht in ein enges Korsett zwängen. Dies verschafft dem Spielleiter einerseits Halt, andererseits aber auch die optimale gestalterische Freiheit. Die Texte sind wieder alle sehr lesenswert ausgefallen, ähnlich wie beim „Bestiarium der Alten Welt“, so dass auch hier der Spagat zwischen Lesefreude und Fakten gelungen ist.

_Fazit_

„Sigmars Erben“ ist der wichtigste Quellenband für das „Warhammer Fantasy-Rollenspiel“ und eigentlich für ein richtiges Erleben der Alten Welt unverzichtbar.

[Warhammer Fantasy-Rollenspiel 2444 (Grundregelwerk)
[Warhammer: Das Bestiarium der Alten Welt 2597
http://www.feder-und-schwert.com

Charles P. Crawford – Der Drohbrief

Die drei Freunde Chad, B.G. und Frosch besuchen gemeinsam den Englischkurs von Mr. Patterson. B.G. ist ein vorlauter Anführertyp, der sich in der Schule durchmogelt. Frosch ist ein skurriler Spaßvogel, der alle Dinge als Spiel betrachtet. Chad, ein guter Schüler, ist der Zurückhaltendste und Vernünftigste der drei. Mr. Patterson ist der strengste Lehrer von allen; sein Unterricht ist nicht nur anspruchsvoll, sondern er liebt es auch, böse Witze über seine Schüler zu machen.

Während einer Klassenarbeit beobachtet er, wie B.G. vom deutlich besseren Chad abschreibt. Als Strafe gibt er beiden eine Fünf, was vor allem Chad ärgert. In ihrem Frust über die Schule kommen die Jungen auf die Idee, sich ein paar Streiche einfallen zu lassen, um „das perfekte Verbrechen“ zu üben. Dabei wollen sie keine wirklichen Delikte begehen, nur kleine Mutproben. Sie schleichen sich heimlich ins Kino ein, stehlen eine Flasche Wein, deponieren einen BH auf einer Jagdtrophäe in der Schule. B.G. hat es vor allem auf Mr. Patterson abgesehen. Er deponiert verfaultes Katzenfutter in der Lüftung, so dass Mr. Patterson schließlich den Hausmeister zu Hilfe rufen und die Englischstunde ausfallen lassen muss.

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Hohlbein, Wolfgang / Winkler, Dieter / Oden, Matthias – Wenn Engel fallen (Der Hexer von Salem-RPG)

Der Abenteuerband „Wenn Engel fallen“ setzt sich aus zwei getrennten Parts zusammen. Ersterer ist die brandneue „Hexer“-Kurzgeschichte ‚Der Sturmbringer‘ von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler. Der zweite und namengebende Part ist das Abenteuer ‚Wenn Engel fallen‘ von Matthias Oden.

|Der Sturmbringer|
Robert Craven ist auf der Suche nach seinem verschollenen Sohn Richard. Seine Suche führt ihn nach China, wo er schiffbrüchig und nahe Kiautschou an Land gespült wird. Dort trifft er auf die zwei deutschen Marineangehörigen Vizeadmiral Meyer-Waldeck und Korvettenkapitän Plüschow, die im Besitz von zwei äußerst gefährlichen Amuletten sind …

|Wenn Engel fallen|
Richard Craven und die Charaktere sind mit einem Flugzeugprototyp auf der Reise zwischen Singapur und Australien, als sich dieses verselbstständigt und vor einer geheimnisvollen Insel weitab jeglicher Zivilisation notlandet. Dort finden sie nicht nur einen Furcht einflößenden Ritualplatz, sondern auch ein Dorf mit äußerst merkwürdigen Bewohnern. Und es kommt noch besser, einer der Charaktere trägt etwas in sich, von dem er selber nichts weiß …

_Mein Eindruck_

Die Kurzgeschichte hat ihren Namen wirklich verdient, denn sie ist mit ihren gerade mal fünfzehn Seiten nicht wirklich umfangreich. Dafür halten sich aber Hohlbein und Winkler auch nicht lange mit irgendwelchem Vorgeplänkel auf, sondern starten gleich rasant in eine atmosphärisch sehr dicht gestrickte Geschichte, über die ich natürlich ob ihrer Kürze nicht viel verraten möchte. Nur so viel: Sie lohnt sich für „Hexer“-Fans auf jeden Fall zumal sie im Frühjahr 1925 spielt und eine Art Parallelbezug zum Abenteuer ‚Wenn Engel fallen‘ hat. Denn genau wegen der im Abenteuer beschriebenen Notlandung auf der Insel sucht Robert Craven seinen Sohn, weswegen es ihn wiederum nach China verschlagen hat. Dies ist für den Leser sehr interessant, wird Robert in der Kurzgeschichte doch auch von einigen Visionen geplagt, die dann auch für das spätere Abenteuer von Bedeutung sind bzw. dort vorkommen.

‚Wenn Engel fallen‘ ist ein sehr rasantes und teilweise etwas überdrehtes Abenteuer, was ja aber bei diesem Pulp-Rollenspiel durchaus erwünscht ist. Es ist so gehalten, dass es ohne Probleme von Einsteigern (sowohl Spieler als auch Spielleiter) gespielt werden kann. Das Abenteuer ist gut konzipiert und verfügt über einen interessanten Plot sowie eine abgefahrene Hintergrundgeschichte. Ein wenig könnte diese Geschichte auch auf die Fernsehserie „Lost“ zutreffen, und es würde mich nicht sehr wundern, wenn deren Ende ähnliche Züge aufweisen würde und deren Autoren sich danach als Lovecraft-Fans outen, aber ich schweife ab. Das Abenteuer kann zudem problemlos an das im Grundregelwerk enthaltene ‚Das Erbe der Templer‘ angehängt werden. Sehr gut gefällt mir zudem, dass nicht Richard Craven die Hauptperson ist, sondern einer der Spielercharaktere diese Rolle ausfüllt, was natürlich bewirkt, dass sich die Spieler nicht mehr nur als Richard Cravens Begleiter sehen, was ja auf die Dauer sicherlich auch keinen Spaß macht. Dass man sich als Autor natürlich auch besondere Dinge einfallen lassen muss, um die Spieler aus den großen Schatten der Cravens treten zu lassen, ist klar. Dies bewirkt natürlich, dass die Charaktere wichtige Figuren im Kreis des „Cthulhu-Mythos“ werden, und nicht hauptsächlich Beobachter wie im eigentlichen „Cthulhu-Rollenspiel“ – Pulp halt!

_Fazit_
Dieser erste Abenteuerband für das „Der Hexer von Salem“-Rollenspiel ist zwar mit seinen 43 Seiten etwas dünn ausgefallen, ist aber mit 9,95 € auch nicht gerade teuer. Daher sprechen sowohl die Hohlbein’sche Kurzgeschichte als auch das rasante Abenteuer ganz klar für eine Kaufempfehlung.

http://www.pegasus.de/cthulhu.html
http://www.cthuloide-welten.de/
[Grundregelwerk – Der Hexer von Salem 2660

Hyung, Min-Woo – Priest – Band 11

[Band 1 1704
[Band 2 1705
[Band 3 1707
[Band 4 1709
[Band 5 1720
[Band 6 2515
[Band 7 2516
[Band 8 2575
[Band 9 2618
[Band 10 2701

_Story_

Mit letzter Kraft und großer Mühe hat Ivan Isaacs den Kampf gegen Acmode überlebt, ist jedoch noch immer schwer von dem ungleichen Gefecht angeschlagen. Dennoch begibt er sich auf die Flucht vor den Marshalls, die weiterhin nach seinem Leben trachten. Obwohl sich Isaacs seiner Überlegenheit bewusst ist, weicht er ihnen aus und stößt dabei auf die junge Lizzy, die ebenfalls vom grauenvollen Zombie-Virus befallen ist. Doch diese Begegnung nimmt für die Dame kein glückliches Ende; Ivan will sich ihrer nicht annehmen und gerät außer sich, als sie einen Vergleich mit seiner geopferten Gefährtin Gena bemüht. Erschüttert von der Reaktion ihrer Ikone entzieht sich Lizzy der scheinbaren Obhut des kompromisslosen Rächers und gerät dabei in den Einfluss einer Bande von Banditen, die ebenfalls schon reichlich Erfahrung mit dem Virus hat.

Währenddessen sendet der Vatikan einen Geheimbund aus, der alsbald mit den Marshalls aufeinander trifft. Es ist der St.-Vertinez-Orden, eine mächtige Gemeinschaft, die einzig und allein für Temozarelas Rückkehr verantwortlich zeichnet. Schon bald müssen Coburn und seine Mannen schmerzlich erfahren, mit welch grauenvollen Gegnern sie es hierbei zu tun haben …

_Meine Meinung_

Die „Priest“-Reihe geht in die finale Phase, jedoch nicht ohne kurz vor Ende noch einmal mächtig Verwirrung zu stiften. Zum einen werden wieder einige bedeutsame Charaktere in die Story integriert, und zum anderen überraschen die bekannten Personen durch unerwartete, überraschende Handlungen, die den Plot mit einem Mal wieder völlig umkrempeln.

Die mysteriöseste Tat ist dabei sicherlich das Einschreiten von Temozarela und seiner Gefolgschaft, denen allein Ivan sein Leben und seine Freiheit zu verdanken hat. Sie haben ihn vor der Sklavschaft des Belial und dem Tod im Kampf gegen Acmode bewahrt und so ihre grundsätzlichen Motive scheinbar verworfen. Aber auf wessen Seite stehen sie nun?

Die Transparenz der Motivationen der einzelnen Charaktere ist im elften Band quasi nicht gegeben, was dazu führt, dass man zwischenzeitlich gar nicht mehr weiß, was nun tatsächlich Realität, Vergangenheit, Zukunft oder was auch immer ist. Selbst der Einzelkämpfer Isaacs bleibt ein Mysterium, begründet durch seine seltsame Zusammenkunft mit Lizzy, welche wiederum hasserfüllt aus dieser Begnegung hervorgeht und Rache für all die unschuldigen Opfer dieses diabolischen Glaubenskrieges schwört. Und dabei muss sie auch noch gegen das brutale Virus ankämpfen, das sich langsam aber sicher in ihrem Organismus breit macht. Isaacs hätte hier auch eine Chance zu einem Bündnis ergreifen können, um sich ihrer Rache anzuschließen, doch er wählt den einsamen Weg, weil er nach all den Enttäuschungen keine Nähe mehr ertragen kann – besonders nicht, wenn Gena mit ins Spiel kommt.

Nehmen wir als anderes Beispiel die Marshalls; sie sind grob gesehen gar nicht an der Geschichte beteiligt, sieht man mal von ihren Gefechten mit den Zombies ab; erst als einer von ihnen die harten Methoden der Kirche von St. Vertinez kennen lernt, werden sie in die Sache mit hineingezogen, sind sich der Tragweite all dessen aber gar nicht bewusst. Auch ihnen wird demnächst noch eine ganz andere Rolle zukommen, doch bleibt die Motivation hinter ihrem Handeln erst einmal völlig unklar.

Und so kann man trotz des vergleichsweise knappen Umfangs noch zahlreiche weitere Unklarheiten nennen, die das eh schon komplexe Gerüst noch einmal gewaltig sprengen und daher auch nicht gerade zum besseren Verständnis beitragen. Nach Abschluss der Nr. 11 herrscht so etwas wie eine „Alles ist möglich“-Stimmung vor, die ja grundsätzlich gar nicht verkehrt ist, würde es einen deutlichen roten Faden geben, der die Sache zusammenhält. Aber alleine schon durch die vielen Sprünge und Neuvorstellungen ist es kaum möglich, diesen auch als solchen zu erkennen, selbst wenn er in groben Zügen vorhanden sein mag.

Konstant geblieben ist lediglich die Action, denn davon gibt es auch in diesem Comic mehr als ausreichend. Vom blutigen Pfad ist Autor Min-Woo Hyung indes ein wenig abgekommen, so dass „Priest 11“ nicht ganz so brutal wie seine beiden Vorgänger ausgefallen ist. Eine begrüßenswerte Entwicklung, denn irgendwie drohte die rohe Gewalt ein wenig zu entgleisen.

Ansonsten ist der Gesamteindruck dieses Mal ein wenig zwiegespalten, weil der Aufbau des Buches arg konfus ist und es dem Leser kaum ermöglicht, sich adäquat am Geschehen zu orientieren. Dies kann zwar von der nach wie vor erstklassigen Erzähl-Atmosphäre (erschaffen durch den eigenwilligen Zeichenstil des Autors) weitestgehend gerade gebügelt werden, ist aber trotzdem ein elementarer Kritikpunkt. Beim nächsten Mal bitte wieder etwas stringenter, Mr. Hyung!

http://www.tokyopop.de

Parsons, Tony – Erzähl mir nichts von Wundern

Tony Parsons zählt neben Nick Hornby zu den wichtigsten Vertretern populärer Gegenwartsliteratur. Seine Karriere startete er als Musikkritiker. In „Erzähl mir nichts von Wundern“ zeigt er jedoch, dass er weitaus mehr kann als über Musik zu schreiben. Hier zeigt er eine so weibliche und gefühlvolle Seite, dass man fast meinen könnte, dass sich eine Frau hinter diesem Namen verbergen müsste. „Erzähl mir nichts von Wundern“ stieg auf Anhieb in die englischen Bestsellerlisten ein und eroberte dort Platz 1 – und das sicher nicht unverdient.

Cat, Jessica und das Nesthäkchen Megan sind noch Kinder, als ihre Mutter Olivia Jewell die Familie verlässt, um Karriere zu machen. Von einem Tag auf den anderen ist die Mutter aus dem Leben der drei Mädchen verschwunden und die drei werden fortan mehr oder minder gut von ihrem Vater und wechselnden Au-pair-Mädchen versorgt. Doch insgeheim ist es die älteste Tochter Cat, die nicht nur eine stetig wachsende Wut ihrer Mutter gegenüber hegt, sondern die auch stets für ihre Schwestern da ist und sich sogar selbst das Kochen beibringt, damit es nicht immer nur Fertiggerichte und Tiefkühlkost gibt.

Auch wenn man es kaum für möglich halten möchte, so meistern die drei Mädchen ihre Kindheit und Jugend doch beachtlich und wachsen zu selbstbewussten und hübschen Frauen heran. Cat allerdings hat die Nase gestrichen voll vom Familienleben, sie lebt ihr eigenes Leben, arbeitet in einem angesagten Restaurant und ist froh über ihren Freund, der seine Sterilisation bereits hinter sich hat. Jessica ist das genaue Gegenteil: Nachdem sie mit 16 ein Kind abtreiben musste, versucht sie nun verzweifelt, schwanger zu werden, bevor ihre biologische Uhr allzu laut zu ticken beginnt. Ihr liebender Ehemann Paulo unterstützt sie in diesem Vorhaben, auch wenn es bedeutet, dass er mit seiner Frau nur noch Sex nach der „Eieruhr“ hat und nach Hause zu eilen hat, wenn der Eisprung erfolgt ist. Der große Kinderwunsch Jessicas belastet die Ehe, doch Paulo liebt seine Frau über alles und will kein noch so großes Problem zwischen sie treten lassen.

Megan ist derweil im letzten Jahr Ärztin im Praktikum und steht ihrer Approbation näher denn je, als sie feststellen muss, dass sie schwanger ist. Nachdem sie ihren Langzeitfreund Will mit der Hand auf dem Po einer anderen Frau erwischt hat und dieser seine Schuld sogar eingesteht und seine Untreue darauf schiebt, dass er als Mann seinen Samen nun einmal weit streuen müsse, hat Megan einen One-Night-Stand mit dem australischen Tauchlehrer Kirk, von dem sie auch gleich schwanger wird.

„Erzähl mir nichts von Wundern“ erzählt die Geschichte von drei erwachsenen Frauen, die versuchen, ihre Kindheitstraumata abzulegen und eine eigene Familie zu gründen und vor allem, ihr Glück im Leben zu finden. Doch auf dem Weg dahin sind noch einige Hürden zu nehmen, außerdem hat Tony Parsons genug Irrwege eingebaut, die die drei Frauen zu meistern haben, am Ende aber ist es wohl der Leser, der am traurigsten ist, weil er nämlich Abschied nehmen muss von drei beachtlichen Frauen, mit denen man im Laufe der Erzählung Freundschaft geschlossen hat.

Tony Parsons erzählt uns hier von Wundern, auch wenn er im Buchtitel zum Gegenteil auffordert. In dieser Geschichte lernen wir die drei Schwestern Cat, Jessica und Megan Jewell kennen, die nach dem Auszug ihrer Mutter schon früh auf sich alleine angewiesen sind und dadurch zu einem eingeschworenen Team werden. Auch im Erwachsenenalter stehen die drei jungen Frauen sich nahe wie wohl wenige Geschwister, sie treffen sich regelmäßig und teilen all ihre Sorgen.

In seiner Charakterzeichnung beweist Tony Parsons ein beachtliches Fingerspitzengefühl; hier überzeugt er auf ganzer Linie und kreiert drei Charaktere, in die man sich beim Lesen stets einfühlen kann:

Cat ist die älteste der drei Geschwister, die bereits im zarten Alter von nur elf Jahren das Leben der drei Mädchen in die Hand nimmt, als Jessica noch sieben ist und Megan ein Kleinkind von nur drei Jahren. Cat wird schneller reif und erwachsen, als ihr lieb ist, allerdings entwickelt sie auch einen tiefen Hass auf ihre egoistische Mutter, die alleine ihr eigenes Wohl im Sinn hatte, als sie ihren Mann und die drei gemeinsamen Kinder sitzen gelassen hat. Im Erwachsenenalter ist Cat zwar eine glückliche und erfolgreiche Frau, der allein ihre Freiheit wichtig ist, doch tief in sich bemerkt Cat mit der Zeit, dass sie doch noch nicht alles hat zum Glück. Sie ist überzeugt davon, den richtigen Mann fürs Leben gefunden zu haben und sieht es als Bonus, dass dieser bereits seine Familienplanung abgeschlossen hat. Doch es braucht lange, bis Cat sich eingesteht, dass Freiheit ihr nicht das Wichtigste ist.

Jessica ist in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Cat, sie wirkt deutlich sensibler und unselbständiger als ihre große Schwester. Nachdem Cat in der gemeinsamen Kindheit immer für Jessica gesorgt hat, steht ihr nun ihr Mann Paulo zur Seite, der sie abgöttisch liebt und alles für seine Frau tun würde. Das erste richtige Unglück, das über Jessica einbricht, ist die ungewollte Kinderlosigkeit. Sie kennt ihren Zyklus in- und auswendig, sie misst ihre Temperatur und bestimmt gewissenhaft ihren Eisprung, um dann sogleich ihren Mann zu sich zu bestellen, um mit ihm Sex zu haben und um im Anschluss daran still liegen zu bleiben. Am Ende versuchen sie es mit künstlicher Befruchtung, bis Jessica plötzlich merkt, dass sie für diese Prozedur keine Kraft mehr hat. Sie gibt ihren großen Kinderwunsch auf, obwohl sie weiß, dass auch Paulo sich so sehr ein Baby wünscht.

Megan ist der Überflieger der drei Mädchen; sie geht ihren Weg und ist bislang problemlos durch ihr Studium und auch die weitere Zeit ihrer Arztausbildung gegangen. Megan möchte die Welt verändern und verbessern, sie möchte sich Zeit nehmen für ihre Patienten, auch wenn ihnen eigentlich nur fünf Minuten zugestanden werden sollten, doch dann macht Megan ihren ersten Fehler: Sie wird schwanger und das zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Als Megan beschließt, das Kind abzutreiben, sind es Jessica und Cat, die sie in die Klinik begleiten und ihr beistehen. Noch wissen die drei jungen Frauen allerdings nicht, wie sehr dieses Erlebnis ihr Leben verändern wird.

Tony Parsons zeichnet drei völlig unterschiedliche Charaktere, doch im Grunde genommen haben alle drei Frauen den gleichen Wunsch, sie haben in ihrer Kindheit Ähnliches durchgemacht und sind nun auf der Suche nach ihrer eigenen Familie. Diese drei authentischen Charaktere sind es, die den Reiz des Buches ausmachen. Cat, Jessica und Megan werden bei der Lektüre zu guten Freundinnen, wir stehen ihnen in allen Lebenslagen bei, wir kennen ihre Gefühle in- und auswendig und wir trauern bei allen Rückschlägen mit ihnen mit. Tony Parsons schafft es, drei Frauenfiguren zu erschaffen, die jede für sich zu überzeugen weiß und die jede für sich für einen anderen Typ Frau steht, sodass die meisten Leserinnen hier Anknüpfungspunkte finden werden. In allen Situationen bleiben die Frauen glaubwürdig, auch wenn Parsons sich zugegebenermaßen an manchen Stellen doch einiger Klischees bedient. Auch ist das Buch sicherlich nicht frei von Kitsch – insbesondere wenn man an das Buchende denkt -, doch sieht man Parsons dies alles nach, weil er uns einen so gefühlvollen Einblick in das Leben der drei Jewel-Frauen ermöglicht und uns dabei selbst zum Nachdenken animiert, dass man über derlei Nebensächlichkeiten gerne hinwegsieht.

Tony Parsons schreibt über Frauen, über unerfüllte Kinderwünsche, über Abtreibung, künstliche Befruchtung, Beziehungsprobleme und den Wunsch nach einem kleinen bisschen Glück, und jedes Thema schildert er eindrucksvoll und einfühlsam. Es ist erstaunlich, wie glaubwürdig er die Probleme, Wünsche und Gedanken seiner drei weiblichen Protagonistinnen schildern kann, da könnten sich durchaus einige Autorinnen eine Scheibe abschneiden.

„Erzähl mir nichts von Wundern“ ist ein wundervoller Roman über das Leben, über die Liebe, über die Familie und über geheime Sehnsüchte, es ist ein Buch, das zum Träumen einlädt, zum Nachdenken anregt und für wohlige Stimmung beim Lesen sorgt. Als ich das Buch am Ende zuklappte, hatte ich einen Kloß im Hals und feuchte Augen, weil „Erzähl mir nichts von Wundern“ mich so gefangen genommen hat, dieses Buch hat mich in eine andere Welt entführt und mir ganz erstaunliche Frauen vorgestellt, die versuchen, ihren Weg zu gehen. Leider dürfen wir als Leser nur einen Teil des Weges mit ihnen gehen, aber auch dies ist ein wirklicher Gewinn!

http://www.piper.de

Finn, Thomas – Greifenopfer, Das (Das Schwarze Auge; Hörbuch 3)

_Story_

Während die Stadt Lowangen noch immer an den Folgen des verlorenen Krieges gegen die Orks leidet, kehrt einer ihrer bekanntesten Söhne nach langer Abstinenz zurück in ihren Schoß und gibt vor, dort das Erbe seines Vaters anzutreten. Doch der lange Zeit verschollene und bereits tot geglaubte Greifwin hegt in Wirklichkeit ganz andere Pläne. Beruhend auf einer Vision seines Gottes Phex sucht er den magischen Sternenstaub, dessen Aufenthaltsort von den vier Gemälden, auf denen die Jahreszeiten in Lowangen portraitiert sind, geheim gehalten wird.

Der Erste, der die unehrenhaften Beweggründe des Rückkehrers durchleuchtet, ist der berüchtigte Magister Elcarna von der Akademie der Verformung. Er kann nicht glauben, dass es sich bei der plötzlich aufgetauchten Person tatsächlich um Greifwin Svellbach handelt, und setzt seine Schülerin, die Halbelfin Maya, auf den Burschen an.

Und Elcarna hat allen Grund zur Besorgnis, denn Greifwin ist inzwischen bereits aktiv geworden und hat einzelne Bilder der Lowanger Jahreszeiten in seinen Besitz gebracht. Tatsächlich treffen Maya und ihr alter Freund Greifwin aufeinander und geraten dabei in einen folgeschweren Konflikt. Doch die Halbelfin registriert recht schnell, dass Greifwin keine bösen Ziele verfolgt, und stürzt sich an seiner Seite mitten in ein Abenteuer …

_Meine Meinung_

Mit „Das Greifenopfer“ wagt der |Horchposten|-Verlag einen großen Schritt nach vorne, denn mit dem dritten Teil der Hörbücher aus der DSA-Reihe ist der Umfang der vertonten Geschichte um ein Vielfaches gewachsen. Waren es bei „Der Göttergleiche“ noch eine bzw. beim ebenfalls von Thomas Finn geschriebenen „Das Auge des Morgens“ zwei CDs, wurde die aktuelle Erzählung über ganze sechs Silberlinge verteilt und wird dazu auch noch von zwei Sprechern dargeboten. Neben dem bereits bekannten Axel Ludwig kommt nun noch die sehr flexible weibliche Stimme von Sabine Brandauer hinzu, die nebst den musikalischen Einlagen für willkommene Abwechslung sorgt. So bewegt sich die gesamte Darbietung auch ein wenig von den klassischen Mustern des Hörbuchs hinfort und bekommt durch den recht häufigen Wechsel einen sehr lebendigen Charakter, der mir persönlich auch auf Anhieb lieber ist als die ‚gewöhnliche‘ Erzählung.

Entgegen der überwiegend negativen Meinungen hat man für dieses Hörbuch auch die genau richtige Geschichte ausgewählt. Angefangen beim Humor über die rätselhaften Ereignisse um das Verhalten des ‚Diebs‘ Greifwin bis hin zum großen Abenteuer, das der zurückgekehrte Jüngling gemeinsam mit der Halbelfin Maya besteht, wird hier Spannung pur geboten, zumal die Geschichte sich beinahe permanent in andere Richtungen entwickelt und trotz der stets hohen Transparenz kaum durchschaubar ist. Die Charaktere sind dabei teils nicht neu; Greifwin zum Beispiel kennen wir schon aus anderen Erzählungen von Thomas Finn, und sein Charakter wird in „Das Greifenopfer“ auch konsequent weiterentwickelt. Warum also kritische Worte für diese Story?

Nun, Angriffsfläche bietet „Das Greifenopfer“ eigentlich nur beim etwas behäbigen Anfang, an dem die Handlung nicht so richtig in die Gänge kommen will. Kurze Startschwierigkeiten ergeben sich vor allem daraus, dass zu Beginn keine klare Linie gefahren und erst nach einigem Geplänkel deutlich wird, wohin sich das Ganze bewegen wird. Dann aber, ungefähr zur Mitte der ersten CD, steigert sich das Ganze in gehörigem Tempo, weil man mit den Eigenschaften und Motivationen der Hauptdarsteller vertraut ist, erste Sympathien entwickelt hat und dabei lernt, mit den ‚Richtigen‘ mitzufiebern.

Die Umsetzung ist allerdings auch wirklich klasse; jegliche Befürchtung, das Ganze wäre aufgrund der Steigerung des Gesamtumfangs zu langatmig geraten, wird durch die vielen kleinen Details der Handlung ausgeschlagen. Alleine mit der Analyse der verschiedenen Charaktere kann man ganze Episoden verbringen, da sich (besonders auf Greifwin bezogen) mit jedem Schritt der Gesamteindruck wandelt und man lernen muss, die daraus resultierenden Situationen einzuschätzen. So zum Beispiel beim Diebstahl der Gemälde, der ja nicht aus purer Willkür geschieht.

Im hinteren Drittel nimmt der Plot dann noch ein weiteres Mal an Fahrt auf; die Geschehnisse überschlagen sich und das Team Ludwig/Brandauer läuft zur Hochform auf, so dass die 450 Minuten wie im Flug vergehen. Dies kann man übrigens auch der tollen Erzählatmosphäre anlasten, denn bei „Das Greifenopfer“ wird man zu keiner Sekunde in das alte Hörbuch-Dilemma verfallen, dass man nach kurzem gedanklichen Aussetzer ein ganzes Kapitel von Neuem starten muss. Die beiden Stimmen fesseln einen an die Boxen und die Effekte tun ihr Übriges dazu, mit dem Resultat des besten bisherigen Hörbuchs aus dieser Serie.

Während ich dies schreibe, liegt auch schon die nächste „Das Schwarze Auge“-Vertonung auf dem Schreibtisch bereit; der |Horchposten|-Verlag hat Blut geleckt, sicher auch beflügelt durch die gute Arbeit bei der Umsetzung der drei bis dato eingespielten Hörbücher. Allerdings hat man die Messlatte mit „Das Greifenopfer“ schon sehr hoch abgesteckt, weshalb es nicht gerade leicht ist, den Leser/Hörer/Rollenspiel-Fanatiker ein weiteres Mal so gekonnt aus der Reserve zu locken wie im hier rezensierten Beispiel. Aber weil sich die Macher bis dato mit jeder neuen Folge weiter haben steigern können, habe ich diesbezüglich keine Bedenken. Hört also nicht auf die unbegründete Kritik an anderer Stelle, sondern verschafft euch selber einen passenden Eindruck von diesem fabelhaften Ohrenschmaus.

http://www.horchposten-verlag.de/

Ahrens, Ingo / Cisco, Michael / Heller, Frank / Kröger, Peer / Oden, Matthias / Schütte, Steffen / W – Expeditionen – Ins Herz der Finsternis (Cthulhu-RPG)

_Allgemein_

„Expeditionen – Ins Herz der Finsternis“ ist ein Abenteuerband, der sich mit Expeditionen in noch unerforschte und fremdartige Regionen in den 1920ern und 1890ern befasst. Hierbei sind nicht nur fünf Abenteuerszenarien enthalten, sondern zudem auch noch genauere Regeln und Tipps zu Expeditionen im Allgemeinen. Wie gesagt, spielen die Abenteuer alle in unwirtlichen Gegenden der Welt, als da wären:

|Ewiges Eis|
Die Charaktere brechen zu einer Rettungsmission nach Grönland auf, um das verschollene deutsche Luftschiff ‚Windhund‘ zu finden. Natürlich wäre das an sich ja viel zu einfach, doch auch die deutsche Armee und eine Geheimgesellschaft haben ihre Finger im Spiel. Außerdem wird die Expedition im ewigen Eis bereits erwartet …

|Herz der Finsternis|
Hier geht’s ab nach Belgisch-Kongo, um mit einer Forschungsexpedition den legendären Mokele Mbembe, eine saurierähnliche Kreatur, zu finden, die im schwarzafrikanischen Urwald wohnen soll. Doch der Schrecken, der durch die belgischen Besatzer in den Kongo gebracht wurde, streckt seine Arme bis zur Abenteurergruppe aus.

|Curso Cannibale|
Wer träumt nicht davon, einen schwerreichen Onkel zu haben und eines Tages dessen Vermögen zu erben? Einer der Charaktere hat ein solches Glück, denn sein angeheirateter Großonkel Foster Daniels, ein schwerreicher Magnat, ist kürzlich verstorben. Doch ohne Fleiß keinen Preis, denn er ist nur einer von zwei in Frage kommenden Erben und muss sich in einem Wettstreit mit dem anderen möglichen Erben messen. Kurz vor seinem Tode hat Daniels nämlich verfügt, dass die beiden ein Wettrennen durch den brasilianischen Urwald machen sollen und nur der Gewinner das Erbe antreten darf.

|Die vergessene Stadt|
In den Anden wird die legendäre Stadt Paititi entdeckt. Von den Entdeckern ist aber seitdem nichts mehr zu hören: Sie gelten als verschollen. Also werden die Charaktere nach Peru geschickt, um nach dem Rechten zu sehen. Sie finden auch Teile der Expedition, doch gehen in Paititi merkwürdige Dinge vor.

|Die letzte Ruhe der Minna B|
Das Frachtschiff Minna B verschwindet vor der Küste Norwegens spurlos. Es wird nur ein Überlebender gefunden, und zwar in einem Bergdorf in Neuguinea! Also werden die Charaktere in die deutsche Kolonie geschickt, um dem mysteriösen Vorgang auf den Grund zu gehen.

_Mein Eindruck_

Wer kennt sie nicht, die „Indiana Jones“- oder „Tarzan“- Filme? Wilde und noch unerforschte Gebiete der Welt, mit angeblich menschenfressenden Eingeboren, fremdartiger Vegetation und vielen wilden Tieren. Wer in seiner „Cthulhu“-Runde genau das nachspielen möchte, wird mit dem Abenteuerband „Expeditionen – Ins Herz der Finsternis“ perfekt bedient. Neben den fünf sehr stimmungsvollen Abenteuern kann vor allem wieder das ganze Paket voll überzeugen.

Da wären zum einen ein sehr interessanter Essay samt Regelteil, der eine sehr hilfreiche Einleitung für den Leser bildet und über dieses Buch hinaus sehr brauchbar für die Planung von weiteren Abenteuern sein wird. Die hier neu vorgestellten Regeln, die sich hauptsächlich um den Verbrauch von Proviant und Ausrüstung sowie um die Moral bei Expeditionen dreht, wirken zu Beginn noch etwas schwer verständlich, werden aber anhand eines Beispieles sehr gut erläutert und erweisen sich als sehr praktisch und sinnvoll.

Desweiteren mag der Band wieder durch seine geschichtliche und geographische Recherche zu überzeugen. So wird zum Beispiel im Abenteuer ‚Herz der Finsternis‘ ein kurzer, aber sehr interessanter Überblick über die Geschichte von Belgisch-Kongo geboten. Zur Geschichte von Belgisch-Kongo und Zusatzmaterial zu diesem Abenteuer wird übrigens auch auf der |Pegasus|-Hompage ein Text von Ingo Ahrens als PDF-Datei zum kostenlosen [Download]http://www.pegasus.de/fileadmin/__downloads/cthulhu/Herz__der__Finsternis__Redux.pdf angeboten.

Die Abenteuer an sich sind äußerst stimmungsvoll und atmosphärisch ausgefallen. Gut gefällt mir zudem, dass diese nicht immer zwangsläufig auf den „Cthulhu-Mythos“ zurückzuführen sind, was die Sache zusätzlich spannend und abwechslungsreich macht. Eine „altgediente“ Runde wird sich dabei wohl sehr wundern, wenn ausnahmsweise mal kein Großer Alter oder Kultisten hinter dem Grauen stecken. Die Abenteuer eignen sich für alle Erfahrungsstufen (sowohl bei Spielern als auch bei den Charakteren), doch sollte der Spielleiter schon etwas Erfahrung mitbringen, da ein großer Teil der Abenteuer natürlich aus Reisen besteht und dabei die Gefahr relativ groß ist, dass Langeweile aufkommt oder beim Überspringen der Reisepassagen die Atmosphäre leidet.

Die Aufmachung ist wieder einmal nur als erstklassig zu bezeichnen und weiß erneut durch ein schönes Cover und Unmengen von Bildern zu gefallen. Und auch für Lesespaß seitens des Spielleiters ist gesorgt, denn die Abenteuer sind sehr lesenswert und interessant geschrieben. Toll sind auch die „Spieltestberichte“, die teilweise am Ende der Abenteuer auftauchen und über die Ereignisse und Lösungsansätze seitens der Spieler der Testrunden informieren und so den Spielleiter schon auf einige alternative Ideen seiner Spieler vorbereiten können.

_Fazit_

Durchgehend gelungener und stimmungsvoller Abenteuerband, der nicht nur fünf tolle Abenteuer enthält, sondern auch mit intelligenten neuen Regeln zu überzeugen weiß. Wer mit seiner „Cthulhu“-Runde in exotischen Gefilden spielen möchte, dem kann ich diesen Abenteuerband nur wärmstens ans Herz (der Finsternis) legen.

http://www.pegasus.de/cthulhu.html
http://www.cthuloide-welten.de/

[„Cthulhu Spieler-Handbuch“ 1744
[„Cthulhu Spielleiter-Handbuch“ 2016

Carroll, Steven – Kunst des Lokomotivführens, Die

Was hier dem Titel nach eher wie Fachlektüre für angehende Lokomotivführer klingt, ist in Wirklichkeit ein Roman, der sich um Dinge wie Liebe, Lebensträume und enttäuschte Hoffnungen dreht. Natürlich spielt auch die Kunst des Lokomotivführens eine Rolle – anders wäre der gleichnamige Titel schließlich kaum zu rechtfertigen – Lektüre für „Trainspotter“ und Modeleisenbahnfetischisten ist „Die Kunst des Lokomotivführens“ aber dennoch nicht.

Die Geschichte spielt Anfang der fünfziger Jahre in einem Vorort von Melbourne. Es ist ein warmer Sommerabend, an dem George Bedser Nachbarn und Freunde in sein Haus einlädt. Anlass ist die Verlobung seiner Tochter Patsy. Auch Vic, Rita und ihr Sohn Michael machen sich auf zum Haus der Bedsers. Vic ist Lokomotivführer. Noch fährt er nur Güterzüge, aber er träumt vom „Big Wheel“, den großen Personenzügen, die nur die besten Lokführer fahren dürfen. Eine der Ikonen des „Big Wheel“ ist Paddy Ryan, Vics Lehrmeister, der zum Zeitpunkt, als Vic mit Frau und Sohn zur Party im Haus der Bedsers geht, gerade einen vollbesetzten Personenzug nach Sydney fährt.

Während Paddy den Zug geschmeidig über die Schienen nach Sydney gleiten lässt, taucht am Ende der Straße, ganz in der Nähe des Hauses der Bedsers, ein dunkler Wagen auf. Der Fahrer ist Patsys heimlicher Geliebter Jimmy, der Patsy ein letztes Mal sehen will, bevor er das Land verlässt. Als er endlich seinen Mut zusammenrafft und das Haus betritt, ist die Party bereits in vollem Gange. Etwa zeitgleich überfährt Lokomotivführer Paddy gerade zum zweiten Mal ein Haltesignal und steuert auf eine unausweichlich erscheinende Katastrophe zu. Doch Paddy ist nicht der Einzige, dessen Leben sich in dieser Nacht auf entscheidende Weise verändert …

Der Australier Steven Carroll legt mit „Die Kunst des Lokomotivführens“ bereits seinen vierten Roman vor, mit dem ihm in seiner Heimat der Durchbruch gelang. Das Buch bekam jede Menge guter Kritik und wurde für die wichtigsten Literaturpreise des Landes nominiert.

„Die Kunst des Lokomotivführens“ ist im Grunde eine Momentaufnahme. Die reine Handlung beschränkt sich im Wesentlichen auf einen einzigen Abend. Vic geht mit Frau und Sohn zur Party der Bedsers und der Großteil der Geschichte passiert auf dem Weg dorthin und während bzw. nach der Party. Carroll skizziert also keine weit gefasste Handlung, die die Entwicklung der Charaktere widerspiegelt, sondern zeigt im Augenblick einer Momentaufnahmen einen markanten Lebensausschnitt, der für alle Beteiligten auf die eine oder andere Art einen Einschnitt darstellt.

Immer wieder schlüpft Carroll dabei in die Köpfe seiner Protagonisten, skizziert ihre Gedanken, lässt auf Vergangenes zurückblicken und schaut hier und da auch mal in die Zukunft. Die Figuren sind damit der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Carroll stellt Verknüpfungen zwischen den Figuren dar, demonstriert, wie sich Schicksale überkreuzen und eine unbewusste Handlung eine Kette von Ereignissen hinter sich herziehen kann.

Carroll zeigt, wie die Ereignisse zusammenhängen, wie eine Sache eine andere bedingt und wie kleine Aktionen des einen das Leben des anderen verändern können. Was die Lektüre dabei faszinierend macht, sind die Portraits der Figuren, die Carroll abliefert. Obwohl der Leser die Figuren nur einen Augenblick lang begleitet, erfährt er dennoch sehr viel über sie. Carroll lässt den Leser tief in die Abgründe der unterschiedlichen Persönlichkeiten blicken. Er skizziert die entscheidenden Momente der verschiedenen Lebensläufe nach und lässt die Figuren damit sehr plastisch vor dem Auge des Lesers zum Leben erwachen.

Die Figuren machen den Roman aus, und es ist schon faszinierend, wie ein Roman, der augenscheinlich so wenig Handlung aufweist, dennoch auf eine gewisse Art auch zu fesseln weiß. Der Leser ahnt (bzw. weiß durch die Lektüre des Klappentextes), dass für die Figuren einschneidende Veränderungen ins Haus stehen. Man wartet gespannt ab, wie das Schicksal seinen Lauf nimmt.

Was Carroll mit seinem Roman sehr menschlich und lebensecht inszeniert, wirkt wie ein Ausschnitt Lebensalltag. Er packt all die Emotionen und Gedanken, welche die Menschen tagein, tagaus beschäftigen, in seinen Roman. Was Carrolls Protagonisten beschäftigt, sind Liebe und Verlust, die großen Lebensträume und Hoffnungen, die irgendwann enttäuscht werden. Carroll zeigt, wie zerbrechlich Glück sein kann und wie sehr der Verlauf des Lebensweges von einem einzigen Augenblick abhängen kann. Auf diese Weise entwickelt der Roman mit zunehmender Seitenzahl eine beachtliche Tiefe.

Carroll packt einerseits sehr viel Leben in seinen Roman, hat aber andererseits ein sehr stilles und leisetretendes Werk abgeliefert. Die schicksalhaften Wendungen der Nacht kommen auf leisen Sohlen herangeschlichen, ohne mit einem Paukenschlag alles auf den Kopf zu stellen. Auch sprachlich ist „Die Kunst des Lokomotivführens“ eher ein Buch der leisen Töne. Carroll formuliert einfach und ohne viel Effekthascherei – schlicht, aber nichtsdestotrotz mit einem gewissen Einfühlungsvermögen.

Wer Charakterstudien und Momentaufnahmen allerdings wenig abgewinnen kann, dem wird auch das Buch wenig Freunde machen. Auf der Handlungsebene passiert halt ausgesprochen wenig, Carroll bringt den Leser dazu, mehr auf zwischenmenschliche Beziehungen zu achten, auf Persönlichkeiten und die Schicksalhaftigkeit des Augenblicks. Wer dafür kein Auge hat, der wird sich vermutlich langweilen.

Bleibt unterm Strich festzuhalten, dass „Die Kunst des Lokomotivführens“ ein leiser Roman ist, der zunächst ganz unspektakulär daherkommt, aber in seinen Beobachtungen tief in die Charaktere eintaucht. Wem tiefgründig skizzierte Figuren wichtig sind, der wird dem Buch mit Sicherheit viel abgewinnen können. „Die Kunst des Lokomotivführens“ ist ein Roman, der zunächst ganz gemächlich in Fahrt kommt, sich mit zunehmender Seitenzahl aber stetig gewaltiger entfaltet und erst zum Ende hin die Kraft entblößt, die in ihm schlummert.

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Jules Verne – In 80 Tagen um die Welt (Europa-Originale 1)

_Besetzung_

Lord Fogg – Hans Daniel
Passepartout – Joachim Wolff
Detektiv Fix – Werner Cartano
Mr Stuart – Andreas von der Meden
Mr Sullivan – Peter Kirchberger
Mr Ralph – Wolfgang Kaven
Kellner – Christian Mey
Elefantenführer – K. Das Gupta
Aonda – Karin Lieneweg
Proctor – Fritz Piper
Schaffner/Indien – Volker Bogdan
Schaffner/Amerika – Johann Schramm
Sprecher – Lutz Mackensy

_Story_

Phileas Fogg ist Mitglied in einem berühmten Londoner Gentlemen-Club, dessen Mitglieder jeweils große Stücke auf sich halten. So auch Fogg, der mit seiner Behauptung, es sei möglich, in 80 Tagen um die Welt zu reisen, für Aufruhr sorgt. Die einen halten dies für schlichtweg nicht durchführbar, die anderen halten Fogg für einen Aufschneider, der als Außenseiter lediglich ins Gerede kommen will.

Um den Lord auf die Probe zu stellen, fordert man den Beweis – und das lässt sich Phileas nicht zweimal sagen. Gemeinsam mit seinem Angestellten Passepartout bricht er mit den verschiedensten Verkehrsmitteln auf und landet alsbald im gefährlichen Indien, wo er bereits schwere Prüfungen bestehen wird. Ihm gelingt es dabei, die einheimische Aonda vor dem Opfertod zu bewahren und behält sie als Gefährtin für die weitere Reise bei sich.

Stets dicht gefolgt vom unscheinbaren Detektiv Fix bahnt sich Fogg einen beschwerlichen Weg nach Amerika und ist kurz vor dem Ablegen in die britische Heimat immer noch innerhalb seines Zeitplans unterwegs. Doch dann verpasst er sein Anschlussschiff nach Liverpool und gerät nach all den Gefahren ein weiteres Mal in die Bredouille. Nur noch unkonventionelle Mittel können dem optimistischen Fogg und seinem Team nun weiterhelfen, die auf 20.000 britische Pfund dotierte Wette zu gewinnen.

_Meine Meinung_

Mit „In 80 Tagen um die Welt“ begann im letzten Jahr eine ganz besondere Serie aus dem Hause |Europa|. Das populäre Hörspiel-Label hat einige ausgewählte Geschichten aus der fernen Vergangenheit – wir sprechen hier über einen Zeitraum, der die gesamten Siebziger umfasst – erneut hervorgekramt und dabei ausschließlich vertonte Klassiker der Weltliteratur verwendet. Die dabei entstandene Sammlung hat es bislang auf 30 Folgen gebracht, und immer noch ist ein Ende der Neuveröffentlichungen der alten Originale nicht in Sicht. Gut so.

Und besser als mit diesem weltberühmten Stück aus der Feder von Jules Verne hätte man das Ganze auch nicht einleiten können, schließlich wird hier schon wiedergegeben, worum es prinzipiell in allen Episoden dieser Reihe geht. Ganz oberflächlich betrachtet sind es Dinge wie Spaß, Spannung, Emotionen und Dramaturgie, die bis hin zur Tragödie reicht. Von Tragik kann aber bei „In 80 Tagen um die Welt“ nicht die Rede sein, denn hierbei handelt es sich zweifelsohne um eine der humorvollsten, kurzweiligsten, aber inhaltlich auch bekanntesten Storys der gesamten Reihe. Bereits mehrfach verfilmt, zuletzt noch mit Martial-Arts-Ikone Jackie Chan, aber auch schon mit dem ehemaligen James Bond, Pierce Brosnan, hat sich der Plot in den letzten Jahren eigentlich in jeder Generation manifestiert, weshalb man auch große Erwartungen an das gleichnamige Hörspiel haben darf.

Diese werden dann auch größtenteils erfüllt, sieht man mal davon ab, dass es sich trotz der verhältnismäßig langen Spielzeit um eine recht knappe Adaption des umfassenderen Inhalts handelt. Schade ist nämlich, dass man auf lediglich zwei Stationen der 80-tägigen Reise Lord Foggs konzentrierter eingeht und somit auch vieles vernachlässigt, was in den Filmen bzw. in der literarischen Originalvorlage für das bunte Gesamtbild gesorgt hat. Der Spannung tut das zwar Gott sei Dank keinen Abbruch, aber erwähnt werden sollte es schon.

Andererseits musste man bei der Vorbereitung des Hörspiels ganz andere Gesichtspunkte berücksichtigen. Schließlich sollte das Ganze schon recht kompakt sein und auf einen Höhepunkt hinauslaufen, und dieser ist in beiden Fällen das Ende der Reise, bei dem das Einhalten der Frist bis zuletzt auf der Kippe steht. Darauf läuft die von Regisseurin Heikedine Körtling inszenierte Erzählung dann auch hinaus; die Momente vor dem Ende des 80. Tags, die Intrigen, die Fix bis zum Schluss spinnt, die Spannung innerhalb des Clubs – das sind die wesentlichen Fakten, die im Hörspiel bedient werden, und eben nicht die große Reise an sich. Dass dabei der Humor nicht selten im Vordergrund steht, ist der Fortentwicklung der Handlung zudem noch sehr zuträglich, was man vor allem dem glänzend agierenden Hauptdarsteller, gespielt von Hans Daniel, sowie dem stets unsicheren Passepartout, gesprochen von Joachim Wolff, zu verdanken hat. Sie alleine erfüllen das bereits zigfach abgehandelte Epos mit neuem Leben und sorgen dafür, dass der Auftakt dieser neuen Reihe alter Originale vollends geglückt ist. Auch nach genau 30 Jahren hat dieses Hörspiel noch keinen Staub angesetzt und bietet nach wie vor kurzweilige Unterhaltung für sämtliche Altersklassen.

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Arthur, Robert – Die drei ??? und der seltsame Wecker

Die mittlerweile rund 130 Bände umfassende ???-Reihe groß vorzustellen, erübrigt sich eigentlich, denn fast jeder Jugendliche bis hin zum Enddreißiger (die ganz besonders) dürfte mit den drei Junior-Detektiven Justus, Peter und Bob, genannt: „Die drei Fragezeichen“ aus dem fiktiven Kaff Rocky Beach bei Los Angeles irgendwie, irgendwann und irgendwo schon mal in Kontakt gekommen sein. Sei es in Buchform oder aber der hierzulande wesentlich erfolgreicheren Hörspielserie von |EUROPA|, welche den aktuellen Buchveröffentlichungen derzeit etwas hinterher hinkt. Der „Seltsame Wecker“ aus dem Jahre 1968 führt uns ganz weit zurück in eine längst vergangene Ära, hin zu den Anfängen des Trios. Aus der Feder des Schöpfers selbst stammt jener 4. Fall.

_Zur Serie_

In den USA wurden die „Three Investigators“ nach 56 Bänden eingestellt, in good ol‘ Tschörmanie leben sie dank motivierter Autoren weiter. Ende offen. Die Bücher haben fast alle ein Format von 128 bis 130 Seiten, mit wenigen Ausnahmen, und erscheinen seit jeher bei |Franckh-Kosmos|. Während die alten Originalausgaben zum Teil richtig was wert sind, bekommt man die (lizensierten Reprint-)Taschenbuchausgaben bereits für moderate 6 Euro. Neuerscheinungen kosten 7,95 Euro und sind grundsätzlich Hardcover.

Alfred Hitchcock wird oft fälschlich als Autor oder zumindest als Herausgeber angegeben, dabei hat er nur insofern mit der Serie zu tun, als dass er Ende der Sechzigerjahre seinen zugkräftigen Namen für die von Robert Arthur ersonnenen Geschichten spendierte. Gegen Lizenzgebühren versteht sich. Im Laufe der Reihe verschwanden seine – früher obligatorischen – Gastauftritte als Mentor (und Moderator) der drei Schnüffelnasen immer mehr und schließlich komplett.

Seit Frühjahr 2005 ist die Lizenz zudem endgültig ausgelaufen und die drei Fragezeichen erscheinen seither ganz ohne den Hitchcock-Namenszug und ohne sein Konterfei. Da sich die Serie seit Jahren quasi fest in deutscher (Autoren-)Hand befindet, ist das Fehlen Hitchcocks und „seiner“ oft verschmitzten Kommentare und Zwischenbemerkungen kein Beinbruch – zu den Klassikern der Serie gehören sie aber untrennbar – zumal die jüngere Lesergeneration eh nicht viel mit dem einstigen Kult-Regisseur verbindet.

_Zur Story_

Bekanntlich betreibt Justus‘ Onkel Titus den wohl bekanntesten Trödelladen (böse Zungen nennen das „Gebrauchtwaren-Center T. Jonas“ auch respektlos: „Schrottplatz“) der Westküste und kauft so ziemlich jeden kuriosen Tand auf, der ihm angeboten wird. Diesmal findet sich dabei eine seltsame Uhr, die Justus‘ Interesse weckt. Eingestöpselt und auf „Wecken“ gestellt, gellt ein fürchterlicher Schrei durch Mark und Bein. Klar, dass so ein außergewöhnliches Gerät seine Neugier buchstäblich weckt und nach genauerer Untersuchung schreit. Da die drei Fragezeichen im Moment sowieso grade keinen Klienten haben, kommt so ein „spezialgelagerter Sonderfall“ sehr gelegen, um mental nicht einzurosten.

Über eine Gravur lässt sich auch recht schnell der Uhrmacher herausfinden, der dem Wecker das Schreien beibrachte. Es stellt sich heraus, dass diese Arbeit nicht die einzige Anfertigung für einen gewissen Mr. Clock gewesen ist. Dieser war offensichtlich ein Experte für Schreie in Hörspielen, als es noch kaum TV-Sendungen gab. Jener Schrei ist einer seiner eigenen, sehr berühmten aus dieser Zeit. Zudem ist er leidlich bekannt mit Alfred Hitchcock, der den dreien auch den Hinweis auf seine Identität gibt. Bert Clock jedoch scheint seit einiger Zeit verschwunden zu sein, er hinterließ seine ratlose, bei ihm im Haus wohnende Haushälterfamilie Smith, einen Raum voller schreiender Uhren und dazu noch eine höchst rätselhafte Botschaft.

Mr Clock muss ein seltsamer Vogel sein, denn seltsamerweise kennt Familie Smith ihn nicht unter seinem richtigen Namen, sondern als „Mr. Hadley“. Darüber hinaus hat man den Familienvater vor drei Monaten in den Knast geworfen, da in Clocks/Hadleys Haus drei gestohlene Gemälde gefunden wurden und die Indizien gegen Ralph Smith sprachen, der als Versicherungsvertreter in den fraglichen Häusern gewesen ist, die später beklaut wurden. Dieser allerdings beteuert seine Unschuld. Komischerweise verschwand gleich nach Auffinden der Bilder Mr Clock. Nicht ganz spurlos, denn die Fragezeichen wollen Rätselbotschaften und Wecker entschlüsseln und damit sogar eventuell Smith‘ Unschuld beweisen. Dabei entdecken sie, dass es noch weitere verschwundene Bilder gibt und dass sie nicht die Einzigen auf der Jagd danach sind.

_Eindruck_

Der bereits 1969 verstorbene Autor Robert Arthur ist gleichzeitig der wirkliche Erfinder der drei Detektive. Zeitlich ist der Fall direkt hinter „Gespensterschloss“, „Flüsternde Mumie“ und „Fluch des Rubins“ einzuordnen – demnach also Band 4; wiewohl es bei den Büchern keine feste Nummerierung gibt. Auf die vorgenannten Geschichten wird stellenweise Bezug genommen, jedoch nur ganz kurz, sodass man die Bücher nicht gelesen haben muss, um den „Wecker“ zu verstehen. In diesem Band präsentiert Arthur auch erstmals einen der hartnäckigsten Gegenspieler im ???-Universum überhaupt: Messieur Victor Hugenay, den Gentleman-Kunstdieb aus Fronkreisch. Er und sein ünvergleischlischer Akzent werden den drei Junior-Schnüfflern im Laufe der Serie noch häufiger unangenehm aufstoßen.

Darüber hinaus enthält der „Seltsame Wecker“ auch sonst alle Elemente, welche die Serie weltweit zurecht so groß und beliebt gemacht haben. Insbesondere die Rätselsprüche, die (wie so oft) den Schlüssel zum Ermittlungserfolg darstellen, haben es in sich und laden zum Mitraten ein. Geschickt und weitgehend verlustfrei hat Übersetzerin Leonore Puschert die Rätselaufgaben vom Amerikanischen ins Deutsche transportiert. Das Buch ist in leicht verständlicher, zielgruppenfreundlicher Sprache verfasst (Kinder und Jugendliche 10+), doch manche Ausdrücke wirken – zumindest in den Auflagen von 1973 bis 1984 – etwas antiquiert und heute eher ungebräuchlich. Das tut der guten, spannend erzählten Geschichte jedoch in keiner Weise Abbruch. Wer’s moderner mag, greift zu den überarbeiteten Taschenbuch-Versionen, etwa von |dtv junior| und anderen.

_Fazit_

Zu Recht ein Meilenstein der Reihe, denn nicht nur ist es eines der allerersten, sondern gleichwohl eines der letzten Werke des Masterminds Robert Arthur vor seinem überraschenden Tod 1969. Mystery, Spannung, knackige Rätsel und ein guter Schuss Action sind die Zutaten, aus denen diese Vorzeigestory zusammengesetzt ist. Sie weiß auch nach fast 50 Jahren immer noch zu fesseln und eignet sich auch ganz hervorragend zum Einstieg in die Serie.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
OT: „Alfred Hitchcock and The Three Investigators in the mystery of the screaming Clock“
Erzählt von Robert Arthur
Random House / New York, 1968
Franckh’sche Verlagshandlung / Stuttgart, 1973
Übersetzung: Leonore Puschert
Umschlaggestaltung: Aiga Rasch
ISBN: 3-4400-5213-3 (132 Seiten Hardcover Originalausgabe)
ISBN: 3-4237-0168-4 (125 Seiten dtv Junior Taschenbuch)

Koushun Takami – Battle Royale

Um die Kampfbereitschaft der Jugend zu testen, müssen sich Schüler gegenseitig umbringen. … – „Japans Antwort auf ‚Der Herr der Fliegen‘“, dröhnt die Werbung, dieses Mal nicht gänzlich die Tatsachen verdrehend; in der Tat geht es darum, wie sich ‚zivilisierte‘ Menschen in einer lebensbedrohlichen Krise verhalten. Die möglichen Reaktionen werden durchgespielt, das Ergebnis ist ein spannendes und grimmiges Werk, das seine Leser ungemütlich distanzeng ans Geschehen bindet.
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Charlie Fletcher – Stoneheart – Die Suche (Band 1)

Stell dir vor, du machst einen Schulausflug in ein Londoner Museum. Es ist ein regnerischer Tag und du bist zwölf Jahre alt, schüchtern und deine Mitschüler hänseln dich. Stell dir vor, du wirst durch eine Intrige von deinem Lehrer in die Ecke gestellt, und nachdem du aus Wut eine Statue beschädigt hast, bist du plötzlich nicht mehr in dem London, das du kennst, sondern in einem, in dem man von lebendig gewordenen Wasserspeiern verfolgt wird.

Es klingt unglaublich, aber tatsächlich passiert das dem nicht gerade heldenhaften George, der seit dem Tod seines Vater seinen Platz in der Welt noch nicht wieder gefunden hat. Und nun steckt er plötzlich in diesem Albtraum fest. Hinter ihm ein steinerner Flugsaurier und neben ihm lauter Londoner im Feierabendverkehr, die komischweise nicht das sehen können, was er sieht. Dabei ist die Gefahr des Wasserspeiers für ihn gerade sehr real.

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Salvatore, R. A. (Exzerpt) / Dabb, Andrew (Autor) / Seeley, Tim (Zeichner) – Exil (Forgotten Realms – Die Saga vom Dunkelelf 2)

Band 1: [„Heimatland“ 2498

_Story_

Zehn Jahre sind ins Land gezogen, seit Drizzt Do’Urden seiner Heimat Menzobarranzan den Rücken gekehrt hat. Zehn Jahre, in denen er an der Seite seiner befreundeten Pantherin zum gefährlichsten Kämpfer des Unterreichs aufgestiegen ist und als die größte Bedrohung seines alten Hauses empfunden wird.

Herrin Malice lässt daher auch weiterhin keine Ruhe, bis ihr Sohn endgültig getötet und der Fortbestand des Hauses Do’urden gesichert wurde, doch ihre Suche nach dem gewieften Drizzt scheint aussichtslos. Mit Hilfe der Spinnenkönigin, um deren Gunst sie nach wie vor buhlt, kreiert sie in einem teuflischen Zauber die Reinkarnation von Drizzt’s Vater, dem ermordeten Waffenmeister Zaknafein, und entsendet diesen auf die tödliche Jagd nach seinem abtrünnigen Sohn.

Doch Drizzt ist seinen Häschern stets eine Spur voraus und findet vorzeitig Unterschlupf beim Volk der Gnome, das ihn trotz einer alten Fehde bereitwillig empfängt. Aber auch dort findet er nur kurze Zeit Ruhe, denn als die Kunde von der Bedrohung durch die Dunkelelfen in die Stadt gelangt, muss der dritte Sohn des Hauses Do’Urden erneut fliehen. Zusammen mit seinem neuen Verbündeten Belwar sucht er nach Schutz in den Höhlen des Unterreiches, wo die neue Gemeinschaft auf den verzauberten Peck stößt, der in die Gestalt eines Hakenschrecken verwandelt wurde und sich den Gefährten anschließt.

Obwohl sich Drizzt unter seinen neuen Freunden so wohl wie nie zuvor fühlt, ist er sich bewusst, dass er der Rache seiner ehemaligen Herrin und Mutter nicht entfliehen kann und sich früher oder später der von ihr ausgehenden Bedrohung stellen muss. Allerdings wusste der junge Dunkelelf bis dahin nicht, was genau ihn die ganze Zeit über verfolgt hat …

_Meine Meinung_

Diese Graphic Novel kurz und bündig mit einem Wort zusammenzufassen, würde wohl auf Superlative wie ‚atemberaubend‘ oder ‚umwerfend‘ hinauslaufen.

Ähnlich wie schon im ersten Teil der illustrierten Adaption von R. A. Salvatores legendärer Saga um die Völker der Dunkelelfen, ist auch der mittlere Part der Trilogie ein echter Festschmaus in Sachen bebilderter Fantasy und besticht einmal mehr durch eine mitreißende, wahrlich sagenhafte Atmosphäre.
Dabei geht Salvatore in seinem zweiten Band sogar noch einen Schritt weiter, was die Kompromisslosigkeit seiner Protagonisten betrifft, und hat in „Exil“ eine ziemlich brutale, mitunter auch schwer verdauliche Handlung entworfen, die an Spannung jedoch kaum noch übertreffbar scheint.

Buch- und Filmadaptionen sind im Comic-Bereich ja bekanntermaßen meist schwierige Fälle, weil es einfach nicht gelingen will, die Stimmung der jeweiligen Vorlage in den Zeichnungen und vergleichsweise kürzeren Texten einzufangen. Bei „Die Saga vom Dunkelelf“ aus der Welt “Vergessene Reiche“ ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall. Die düstere Stimmung ist teils noch bedrohlicher als das Original und jagt einem gleich mehrfach wohlige Schauer über den Rücken. Auch die Charaktere werden von Zeichner Tim Seeley sehr eigenständig in Szene gesetzt und lassen eine deutlich eigene Note erkennen, die sich zwar an Salvatores Skript hält, vom Stempel des Zeichners aber deutlich mitgeprägt wird. Eine wichtige Angelegenheit, die als eines von vielen Puzzleteilen beweist, dass die Comic-Variante weit mehr ist als eine zeichnerische Nacherzählung des Fantasy-Klassikers.

Doch zum Inhalt des zweiten Buches: Im Mittelpunkt steht noch deutlicher als zuvor der Konflikt zwischen Drizzt und seiner Familie, oder besser gesagt der fürchterlichen Inkarnation, die den Jungen einst verbittert aufgezogen, dann aber die Kontrolle über seine Emotionen verloren hat. Nach mehr als zehn Jahren im Exil hat der immer noch junge Dunkelelf mit seiner Vergangenheit abgeschlossen und sucht nach einem Leben in Frieden. Die Angst vor der Verfolgung durch seine verhassten Angehörigen lastet jedoch immer noch sehr stark auf seinen Schultern, weshalb er sein Schicksal in die Hände des damals noch gegnerischen Volks der Gnome in Blindgenstein legt.

Dort findet er Zuflucht, Unterstützung und Bestätigung, erfährt jedoch auch dieselben biederen Hindernisse, die ihm zum ewig Flüchtigen haben werden lassen. Er gehört einem miserablen, bösen Volk an, einer Sippe, der man nicht über den Weg trauen kann, und die für ihre Ziele über die Leichen eines jeden Einzelnen gehen würde, und genau dies kann man in Blindgenstein nicht akzeptieren. Schon wieder ist sein Leben geprägt vom ständigen Weglaufen, von der Flucht vor einem häufig unsichtbaren, doch nur allzu bekannten Feind, der dazu noch aus demselben Fleisch und Blut wie er selber ist.

Die Tragödie setzt sich fort, über bittere Kämpfe, gefährliche Pfade und unsichere Abenteuer bis hin zur gefürchteten Konfrontation, der Drizzt schließlich nicht mehr ausweichen kann. Doch der bevorstehende Kampf richtet sich gegen einen Geliebten, den einzigen Dunkelelfen, der Drizzt je seine Gunst erwiesen hat, und letztendlich auch die einzige Figur, gegen die er das Schwert nicht erheben möchte – obwohl er dies zum Überleben einfach tun muss.

R. A. Salvatore hat mit dieser Serie sein Meisterstück abgeliefert und dementsprechend auch reichlich Anerkennung für „Die Saga vom Dunkelelf“ bekommen. Gleiches wäre den Machern des gleichnamigen Comics auch zu wünschen, denn ein sphärisch so dichtes, gleichzeitig böses und euphorisches und bis zum Schluss unberechenbares Epos hat die Comic-Welt selten erlebt. Die Geschichte von Drizzt Do’urden und seinem bösartigen Volk ist an Dramaturgie kaum noch zu übertreffen, bietet aber zur gleichen Zeit auch genügend Action-Kost, um genreübergreifend das berechtigte Interesse zu wecken. Für mich persönlich ist „Exil“ als zweiter Teil dieser Reihe die beste und wohl kaum noch zu übertreffende Episode aus der übergeordneten Reihe „Vergessene Reiche“. Meine Empfehlung daher: Sofort zuschlagen, am besten im Paket mit der ab Oktober veröffentlichten Hörspiel-Trilogie aus dem Hause |Lausch|, die fast exakt an die Comic-Vorlage angelehnt ist.

http://www.paninicomics.de

Harrison, M. John – Centauri-Maschine, Die

In ferner Zukunft hat die Menschheit bei ihrer Expansion in das All viel Schuld auf sich geladen und eine Spur der Zerstörung hinterlassen. So wurde die Rasse der Centaurier nahezu vollständig ausgerottet. Die Ursachen und Motive sind weitgehend vergessen, die zerstörte Heimatwelt der Centaurier ist die einzige Erinnerung an diese Zeit.

Doch tief unter der Oberfläche des toten Planeten entdeckt man in einem Bunker eine „Maschine“ der Centaurier. Bei dieser scheint es sich um eine Waffe unglaublicher Schlagkraft zu handeln. Alle rätseln, warum die Centaurier sie nicht eingesetzt haben, doch schon bald streiten sich vier Machtblöcke um die Maschine: Die Israelische Weltregierung (IWG) vertreten durch Generalin Alice Gaw, die Vereinigung Arabischer Sozialistischer Republiken (UASR) durch Colonel Gadaffi ben Barka, ein gewisser Grishkin von der religiösen Sekte der so genannten „Öffner“ und der Drogenkönig Veronica.

Nicht hinter der Maschine ist man jedoch her, vielmehr hinter Raumcaptain John Truck. Truck ist mütterlicherseits ein halber Centaurier, der letzte bekannte lebende Mischling. Ohne seine centaurischen Gene kann man die Maschine nicht aktivieren.

Doch Truck möchte sich nicht vor den Karren irgendeiner Ideologie spannen lassen und verweigert sich. Auf der Flucht durch heruntergekommene und abgelegene Lokalitäten werden seine Freunde nach und nach getötet, es gelingt ihm jedoch, die Maschine an sich zu bringen.

„Die Centauri-Maschine“ von M. John Harrison (* 1945, Nordengland) ist einer der umstrittensten Romane der Siebzigerjahre, damals wie heute schlug dem Roman viel Unmut und Feindseligkeit entgegen. Seine Aufnahme in die Reihe der Meisterwerke der Science-Fiction verdankt er somit wohl auch eher der negativen Resonanz, mit keiner Auszeichnung kann er sich schmücken.

Einer der Gründe für die vor allem in den Siebzigern ablehnende Haltung war sicher, dass der Konflikt zwischen Israelis und Arabern, aber auch der Holocaust (Ausrottung der Centaurier) in die Zukunft verlagert wurden. Die klischeehafte Zeichnung der Figuren trug ebenfalls dazu bei: Gadaffi ben Barka ist das Paradebild des bösen Arabers mit blitzend weißen Zähnen und einem schwarzen, verotteten, den er bei jedem fiesen Grinsen zeigt. Eine ganze Flut von rassistischen Vorurteilen und Klischees muss auch Alice Gaw über sich ergehen lassen, eine hässliche Frau, die den amerikanischen Kapitalismus verkörpert.

Dass es geradezu lächerlich ist, Kommunismus und Islam in dieser Form miteinander zu vereinen, sollte klar sein. Denn Harrison überzeichnet bewusst, weist mehrfach darauf hin, dass weder IWG noch UASR überhaupt noch wissen, warum sie sich bekämpfen. Auch ist an Alice Gaw nicht viel Jüdisches, außer einer an den israelischen General Mosche Dajan erinnernden Augenklappe. Sie steht für eine autoritäre, kapitalistische Demokratie und maßt sich an, die IWG als Wächter der Freiheit und Demokratie der ganzen Galaxis zu sehen. Ben Barka ist ein pragmatischer Kommunist stalinistischer Prägung extremster ideologischer Härte, allerdings fehlt jeglicher arabischer Fundamentalismus, während Grishkin die zur Karikatur gewordene Rolle der Religion repräsentiert. Die Öffner haben operativ eingearbeitete Plastikfenster im Körper, um ihr Innerstes zu offenbaren, und halten die Centauri-Maschine für ein Behältnis des göttlichen Geistes, mit dem sie Kontakt zu Gott aufnehmen können. Dabei verkommen sie jedoch zur Freakshow. Der kriminelle Drogenbaron Veronica steht für das organisierte Verbrechen, das von den Machtblöcken geduldet und oft instrumentalisiert wird, aber weitgehend nach seinen eigenen Gesetzen lebt.

John Truck wirkt in diesem Chaos verloren und weniger als durchschnittlich, er sieht sich selbst als „Loser“ an, ein Lebensgefühl, das der Roman sehr deutlich ausstrahlt. Zerstörte Gegenden, Ruinen, verkommene Raumhäfen – Harrison offenbart als einer der ersten Science-Fiction-Autoren eine sehr pessimistische und nihilistische Einstellung, die sich erst viel später in den Achtzigerjahren in Cyberpunk-Romanen widerspiegelte.

Anspruchsvoll ist Harrisons Ausflug in die literarische Dekadenz; er setzt dieser verkommenen Welt eine sphärische, übermäßig ästhetisierte Raumstation voller avantgardistischer Randexistenzen gegenüber. Auf seiner Flucht findet sich Truck in dieser unwirklichen Welt voller ekrü getönter Wände, Hokusai-Drucken unglaublicher Feinheit und ätherisch ingwerfarbenen Porzellankrügen wieder. Zusätzlich haben diese Dekadents goldene Raumschiffe, die mit überlegener Technologie und einem intergalaktischen Antrieb ausgestattet sind. Doch leider wissen sie sich dieser nicht zu bedienen, ihr Geheimnis ging mit dem Tod des letzten gestrandeten Aliens verloren. Man konnte nicht ausreichend mit ihm kommunizieren. Mit dem sinnigerweise |Driftwood of Decadence| genannten goldenen Raumschiff zieht Truck los, doch auch dieses letzte Überbleibsel verlorenen Wissens wird zu Klump geschossen. Hier kontrastieren Hedonismus und Luxus mit den vorherrschenden trostlosen Manifestationen des ökonomischen und sozialen Verfalls.

Dieser Verlust der Erinnerung zeichnet auch den Genozid an den Centauriern und andere Konflikte aus: Nur noch rauchende Trümmer und Schlacke erinnern daran, dass etwas geschehen ist. Sinn und Zweck, Ursachen und Gründe sind schon lange hinter Ideologien zurückgetreten. Interessanterweise präsentiert Harrison auch ein entvölkertes, zerstörtes Deutschland auf der Erde, das bar jeglichen Lebens ist und gemieden wird. Warum dies geschehen ist, wird jedoch genauso wenig beantwortet wie der Massenmord an den Centauriern. Genozid und Dekadenz werden als Ausgeburten der menschlichen Natur dargestellt, unausweichlich und eine Tatsache, deren Gräuel wir nicht rational erklären können. Angesichts dieser Tendenzen kann man bereits erahnen, wie dieser Roman enden wird.

_Fazit:_

Ein nachdenklich machender Roman, der jedoch schwer zu lesen ist, gerade wegen der symbolhaften und zweidimensionalen, unrealistischen, klischeehaften Charaktere und der starken Bezüge zur Politik und Situation der Mittsiebzigerjahre. Auch aus heutiger Sicht irritiert diese Projektion realweltlicher Verhältnisse im Roman. Andererseits geht Harrison in positiver Weise über die Grenzen einfach zu konsumierender Science-Fiction und Unterhaltung hinaus.

Der negative, nüchterne Nihilismus des Romans karikiert unsere reale Welt und zeigt ihre Schwächen und die alarmierende Sinnlosigkeit historischer Grausamkeiten. Eine unglaublich dichte Atmosphäre nimmt den Leser dieses Romans gefangen, allerdings ist diese Welt so frustrierend und einseitig negativ, dass man davon erdrückt wird. Der weitgehend zusammenhanglose Plot ist wahrhaft apokalyptisch. Beeindruckend und anspruchsvoll zu lesen, konnte mir dieser Roman dennoch nicht gefallen. Er ist einfach zu dekadent und hoffnungslos, oft zu simplifizierend und von einer ausschließlich negativen Weltsicht geprägt. Wie anders kann man einen Roman nennen, in dessen Epilog über John Truck zu lesen ist: |“Man muss aber ebenso zugeben, dass er das Leben zwar unerfreulich, den Tod aber noch weit unerfreulicher fand. Er verabscheute das Morden und das absichtliche Peinigen, er verabscheute Heuchelei und Frömmelei und die wohlfeilen Lippenbekenntnisse der Ideologen, wenn es um die Linderung menschlichen Elends ging – aber ihm fehlten die Mittel, diesen Abscheu zu artikulieren. Diese redlichste Unredlichkeit kam nur in Bärbeißigkeit, Prahlerei und der dauernden Suche nach kurzzeitigem Vergessen zum Ausdruck.“|

Ein Meisterwerk, das man nur schwerlich lieben kann und dessen Aussage fragwürdig ist. Die Übersetzung vom Hendrik P. und Marianne Linckens hingegen ist ausgezeichnet und wird der Atmosphäre des Romans und dem Stil des Autors mehr als gerecht.

|Mit einem Vorwort von Adam Roberts|

Homepage von M. John Harrison:
http://www.mjohnharrison.com/

http://www.heyne.de

Ergänzend: Unsere [Rezension 907 zum zuletzt bei |Heyne| erschienenen SF-Roman „Licht“.

Bionda, Alisha / Kleugden, Jörg – Schattenkelch, Der (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 5)

Band 1: [„Der ewig dunkle Traum“ 1899
Band 2: [„Kuss der Verdammnis“ 1900
Band 3: [„Die Kinder der fünften Sonne“ 1949
Band 4: [„Blutopfer“ 1977

Antediluvian, Dilaras Förderer und Erzfeind, wurde am Ende von „Blutopfer“ recht spektakulär der Garaus gemacht. Das mag nun bei einer Romanserie (gerade einer mit vielen Rückblenden) nicht unbedingt viel heißen, doch zumindest ist Antediluvian für den Moment von der Bildfläche verschwunden. Das gibt dem Autorenteam Alisha Bionda und Jörg Kleudgen ausreichend Möglichkeiten, neue Charaktere und Handlungsstränge zu entwickeln. Und es gelingt ihnen mit Leichtigkeit, der Serie um die Vampirin Dilara neue Impulse zu geben!

Der Titel des fünften Bandes lässt es schon vermuten: In „Der Schattenkelch“ geht es um nichts Geringeres als die Gralssuche. Calvin, der bisher als Charakter hinter der schillernden Dilara zurückstehen musste, bekommt nun seine eigene Geschichte und seine eigenen Geheimnisse. Denn als die beiden sich kennen lernten, hatte er ihr lange nicht alles über sich erzählt. Tatsächlich hat sich seine Familie nämlich der Suche nach dem Gral verschrieben und Calvin, der sich von seinem Vater losgesagt hatte, wird nun von seiner Vergangenheit eingeholt. Denn auch Luna Sangue, der neue „Player“ in der „Schattenchronik“ ist scharf auf den Kelch; verspricht er doch den Vampiren tatsächliche Unsterblichkeit und Unverwundbarkeit.

Und so werden in gewohnter Manier Vergangenheit und Gegenwart verwoben: Während nämlich im heutigen London Dilara und Calvin versuchen, die Spur des Schattenkelchs aufzunehmen, erinnert sich Dilara, dass sie es schon vor fast hundert Jahren mit dem Gral zu tun hatte: Damals nämlich wurde sie, kurz vor Ausbruch des I. Weltkriegs, in Frankreich zu einer Séance mit illustrem Klientel geladen. Doch das Medium, eine gewisse Geneviève Zaeppfel, wird entführt, um ihr durch Folter den Aufhaltsort des Grals zu entlocken. Dass der Name der Dame gerade Geneviève ist, ist sicherlich kein Zufall, und so ist zu erwarten, dass wir in zukünftigen Bänden noch einiges von ihr sehen (und vor allem lesen) werden.

Auch in Band fünf der Serie sind noch keine Ermüdungserscheinungen zu erkennen. Im Gegenteil: Die Autoren nutzen Antediluvians furiosen Abgang dazu, die Handlung in eine neue Richtung zu wenden und den Schwerpunkt auf bisher vernachlässigte Charaktere zu lenken. So ist natürlich Dilara wie gewohnt die Protagonistin des Romans (schließlich hält sie, auch durch die Rückblende, die verschiedenen Handlungsstränge zusammen), doch sind vor allem die bisherigen Nebencharaktere Calvin, Guardian und Mick die Stars des Romans.

Alle drei bekommen ihre eigenen Geheimnisse, die es in den nächsten Bänden zu lüften gilt. Warum und wodurch is Calvin der Schlüssel in der Gralssuche? Was ist Guardians Masterplan? Und vor allem, was ist Micks düsteres Geheimnis? Der Cop scheint kein Vampir zu sein, und doch ist er auch kein Mensch. Auf welche Seite wird er sich schließlich stellen? Alles Fragen, die sich der Leser stellt, während er nervös an seiner Lippe kaut. Und alles Fragen, die die Autoren sicher genüsslich ausbreiten, aber nicht sofort beantworten werden!

Wie immer, gibt es auch in „Der Schattenkelch“ wunderbare und lebendige Schauplätze. Diesmal ist Frankreich an der Reihe und besonders die Rückblenden atmen die Atmosphäre der Zeit: Da gibt es geheimnisvolle Séancen, waberndes Ektoplasma, fliegende (und brennende) Zeppeline, Dreidecker, Zigeuner und Priester, die geheime Bibliotheken bewachen. „Die Schattenchronik“ ist international, global – eine Art Reiseführer für vampirbesessene Leseratten. Und wie immer schaffen es die gut recherchierten Schauplätze, die Handlung zu unterstützen anstatt vordergründig auf den Effekt aus zu sein. Auch die französischen Schauplätze der heutigen Zeit, St. Michel und Les Saintes-Maries-de-la-Mer, sind farbenprächtig und lebendig – und machen darüber hinaus sofort Lust auf Urlaub.

Die Handlung zieht also Kreise: Von der Jagd nach der Schattenchronik (die auch hier nicht ganz vergessen wird) zur Jagd nach dem Schattenkelch. Von der Jagd nach Calvins Vergangenheit zur Jagd nach Luna. Jeder jagt nach irgendetwas in dieser Romanserie und das macht wohl das hohe Tempo der Romane aus. Ständig passiert etwas Neues, sodass der Leser schon aufmerksam mitdenken muss, um am Ball zu bleiben. Doch das eigene Tüfteln und Kombinieren erhöht ja nur den Spaß an der Lektüre. Und der ist ohnehin schon hoch!

http://www.blitz-verlag.de/