Archiv der Kategorie: Kinder- und Jugendliteratur

Matthew Skelton – Endymion Spring: Die Macht des geheimen Buches

Mainz, 1452:

Zwei Gestalten – eine davon zieht eine schwere Truhe durch den Schnee – erscheinen in einer Winternacht in Mainz. Einer der beiden stellt sich als Johann Fust heraus, der andere als sein Gehilfe. Die beiden sind auf dem Weg zu Johannes Gutenberg, der in seiner kleinen Werkstatt erste Druckversuche der Bibel anfertigt. Johann Fust unterbreitet ihm einen Vorschlag: Er finanziert Johannes Gutenbergs Druckerei, wenn er die Druckerei anschließend ebenfalls benutzen darf.

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Stroud, Jonathan – Spur ins Schattenland, Die

_Die Grenzen von Fantasie und Realität_

Als Charlie mit ihrem Freund Max eine Radtour an den Mühlteich unternimmt, geschieht etwas Schreckliches: Max, der auf einen Baum über dem Mühlteich geklettert ist, fällt ins Wasser und wird von Wesen mit grünen Haaren, die wie Wassernixen, in die Tiefe gezogen. Charlie versucht, ihren Freund zu retten, bekommt aber bald keine Luft mehr und muss aufgeben.

Wegen eines Lungenschadens kommt Charlie ins Krankenhaus. Dort versucht sie ihrer Mutter, ihrem Bruder James und den Ärzten zu erklären, was vorgefallen ist. Da diese ihr ihre Geschichte aber nicht glauben und denken, Charlie hätte wegen des Todes ihres Freundes und des traumatischen Erlebnisses, selbst beinahe zu ertrinken, Halluzinationen, hüllt sich Charlie fortan in Schweigen. Die anderen glauben, Max wäre in dem Mühlteich ertrunken, doch Charlie weiß es besser: Die seltsamen Wassernixen mit den grünen Haaren haben ihren Freund Max in eine andere Welt, ins Schattenland, entführt, und nur Charlie vermag es, ihren Freund zu retten und wieder in die ‚richtige‘ Welt zurückzuholen.

Als sie wieder zu Hause ist, besucht sie nachts in ihren Träumen einen Ort, von dem sie glaubt, dass sich Max dort aufhält. Jede Nacht sucht sie ihn dort, bis sie auf einen jungen Mann namens Kit trifft, der ihr einiges erklärt: Max habe großes Glück, hier sein zu dürfen, und er befinde sich auf einer langen Wanderschaft. Auf der Wanderschaft zur Großen Kirmes, wo er sich dem Großen Tanz anschließen möchte und dadurch komplett in die Welt des Schattenlandes abtauchen und seine ganze Vergangenheit damit vergessen wird.

Doch Charlie gibt nicht auf. Sie versucht, Max zu folgen, was beinahe unmöglich ist, da Max einen immer größeren Vorsprung gewinnt, da er auch tagsüber weiterläuft. Kit versucht ihr auf ihrer Suche zu helfen und gibt ihr den Tipp, auch tagsüber Orte zu besuchen, die Max früher gerne aufgesucht hat. Und tatsächlich: An bestimmten Orten fühlt sie sich Max nahe und kommt ihm immer näher. Doch sie muss sich beeilen, denn die Große Kirmes findet schon bald statt …

Während Charlie verbissen versucht, Max zu finden, machen sich ihre Mutter und ihr Bruder James immer mehr Sorgen um sie. Sie verstehen ihr Verhalten nicht und glauben, dass Charlie nicht wahrhaben will, dass Max tot ist. Als James, der sich besonders um seine kleine Schwester kümmert, dann Charlies Traumtagebuch liest und diese ein immer seltsameres Verhalten an den Tag legt, merkt er, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Und bis er erkennt, was los ist, ist es schon beinahe zu spät …

_In „Die Spur ins Schattenland“_ vermischen sich Realität und Fantasie zusehends. Anfangs wird beides noch stark getrennt und der Leser glaubt, dass Charlie Recht hat und Max wirklich in ein anderes Reich entführt wurde, doch je weiter die Geschichte voranschreitet und sich dem Ende zuneigt, desto mehr beginnt man daran zu zweifeln und glaubt, Charlie hätte sich das aufgrund ihres Traumas vielleicht doch alles nur eingebildet. Sie versucht immer verbissener, Max zu finden und wieder in die richtige Welt zu führen, und dadurch wird dem Leser klar, wie sehr Charlie an ihrem Freund Max doch hängt. Bildet sie sich das also alles nur ein, weil sie die Tatsache, dass ihr Freund Max tot ist, nicht verkraften kann, oder hat Charlie Recht und es gibt wirklich ein Reich namens Schattenland, wohin Max entführt wurde?

Realität und Fantasie verschwimmen nicht nur indirekt, denn während des Verlaufes der Geschichte gelingt es Wesen aus der anderen Welt, in die reale Welt hinüberzusteigen, und zum Ende hin verschwimmen die beiden Wirklichkeiten ganz und gar, sodass Charlie beide Existenzen zugleich durchläuft. Sie sieht beide Ebenen gleichzeitig, für sie sind die beiden eins. Sie wird immer mehr vom Schattenland beeinflusst und wandelt irgendwann nur noch somnambul durch die Gegend.

Ganz verbissen versucht sie, Max zu finden, und gibt nicht auf. Dabei bemüht sie sich anfangs noch, auf ihre Familie und ihr Umfeld einen normalen Eindruck zu machen, was ihr allerdings bald nicht mehr gelingt. Vor allem ihrem Bruder kann sie nichts vormachen, und er versucht, hinter Charlies Geheimnis zu gelangen. Er merkt, wie Charlie immer seltsamer wird, und macht sich zunehmend Sorgen um sie.

Das Buch scheint auf den ersten Blick nichts allzu Besonderes zu erzählen und hat auch von der Handlung her nicht wirklich etwas Spannendes oder Neues zu bieten. Die ganze Geschichte lebt eigentlich ausschließlich von den Charakteren und der Frage, ob Max wirklich in eine andere Welt entführt wurde oder ob Charlie sich das bloß einbildet. Vor allem am Schluss spitzt sich diese Situation zu und der Leser kann nicht mehr genau sagen, wer jetzt gut oder böse, was richtig oder falsch ist.

Die Charaktere sind allesamt sehr glaubwürdig und tiefgründig geraten, vor allem Charlie, die in James‘ Augen seit dem „Tod“ von Max in einer völlig anderen Welt zu leben scheint und sich immer noch seltsamer verhält. Charlies Mutter hingegen scheint nicht recht zu wissen, wie sie mit ihr umgehen soll. Sie hatte schon vor Max‘ Tod kein gutes Verhältnis zu ihrer Tochter und pendelt zwischen Sorge und dem Glauben, dass mit ihrer Tochter alles wieder in Ordnung ist. Eigentlich hat sie ihr eigenes Leben, das sie nicht vernachlässigen will, aber man merkt, dass sie dennoch versucht, für ihre Tochter da zu sein. Zu guter Letzt wäre da noch Kit. Er wirkt sehr freundlich und scheint Charlie helfen zu wollen. Dennoch hat man immer wieder das Gefühl, dass Kit auch irgendetwas im Schilde führt …

Ein paar Handlungsstränge werden angedeutet, jedoch nicht so recht zu einem Ende geführt. Einmal bietet Kit Charlie eine Beere im Schattenland an, die angeblich ihr tiefstes Begehren erfüllen soll. Jedoch wird Charlie kurz davor geweckt und damit aus der Schattenwelt in die Realität gerissen. Die Beere wird danach nie wieder erwähnt. Man erfährt nicht wirklich, warum Kit ihr die Beere anbietet, und fragt sich im Nachhinein, warum die Passage in dem Buch überhaupt vorhanden ist …

Der Schreibstil ist stets in Ich-Form gehalten, und zwar immer abwechselnd aus Charlies Sicht und aus der ihres Bruders James. Man erfährt immer, wie Charlie und andererseits James ein und dieselbe Situation erleben. Das passt sehr gut zur Erzählung, da es sehr wichtig ist, die Situation aus verschiedenen Sichten wahrzunehmen. Erst dadurch verschwimmen die beiden Welten zum Ende hin komplett ineinander und man ist sich nicht sicher, was nun Fantasie und was Wirklichkeit ist. Die ganze Zeit über wird dabei, wie zumeist üblich, in der Vergangenheit erzählt, nur die Tagebucheinträge von Charlie sind im Präsens gehalten.

_Fazit:_ „Die Spur ins Schattenland“ von Jonathan Stroud ist ein gelungenes und angenehm zu lesendes Buch. Es ist tiefgründig und ein wenig nachdenklich. Allerdings hat das Buch mich nicht wirklich zu fesseln vermocht und bietet, was die Story angeht, nicht wirklich viel Bemerkenswertes.

_Jonathan Stroud_ wurde 1970 in Bedford, England geboren. Jetzt wohnt er mit seiner Frau Gina, die Grafikerin und Illustratorin für Kinderbücher ist, und der gemeinsamen Tochter Isabelle in St. Albans. Seid er sieben Jahre alt war, schrieb er eigene Geschichten. Es war schon immer sein Wunsch, Jugend- und Fantasybücher zu verfassen. Nach einem Studium machte er Karriere in einem Verlag und war dort Herausgeber von Sach- und Spielbüchern für Kinder. Danach hat er sich das Schreiben von eigenen Romanen zu seinem Beruf gemacht. Seinen großen Durchbruch schaffte er mit der „Bartimäus“-Trilogie, die von einem sarkastischen, oft schlecht gelaunten Dämon handelt. Danach folgten die Romane „Die Eisfestung“ und „Drachenglut“, die allerdings nicht ganz an den Erfolg von „Bartimäus“ anknüpfen konnten.

|Originaltitel: The Leap
Originalverlag: Random House UK
Aus dem Amerikanischen von Bernadette Ott
Taschenbuch, 320 Seiten
Empfohlen ab 11 Jahren|
http://www.omnisbus-verlag.de

_Jonathan Stroud auf |Buchwurm.info|:_
[„Bartimäus – Das Amulett von Samarkand“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=353
[„Bartimäus – Das Auge des Golem“ 1861 (Lesung)
[„Drachenglut“ 3381
[„Die Eisfestung“ 3513

Seidel, Stefan / Niessen, Susan – kleine Baggerfahrer im Einsatz, Der

In der bereits 2006 gestarteten Bilderbuchreihe „… im Einsatz“ begleiten Zeichner Stefan Seidel und Texterin Susan Niessen die verschiedensten Kinderidole während ihrer alltäglichen Arbeit. Vom Feuerwehrmann bis hin zum Piloten reicht die nunmehr bereits achtteilige Edition, die über den |Coppenrath|-Verlag vertrieben wird und in jeweils sechs doppelseitigen Illustrationen den Tagesablauf im Berufsleben der jeweiligen Person nachzeichnet.

Den Auftakt macht das Buch um den Baggerfahrer, der an dieser Stelle jedoch namenlos bleiben soll. Dies sei gesondert erwähnt, da das Gros der Serie ihren kleinen Helden einen leicht nachvollziehbaren Namen gibt, mit dem sich die Kinder schließlich auch identifizieren können bzw. der einfach nur als weitere Orientierungshilfe dienen soll. So zum Beispiel Bauer Bernd oder Lokführer Ludwig. Aber natürlich ist hier auch die Kreativität des Lektors gefragt, wobei man sich zum Beispiel nach einem bekannten Mike-Krüger-Hit richten könnte.

Wie auch immer, in „Der kleine Baggerfahrer im Einsatz“ beschreiben Seidel und Niessen zunächst einmal die beiden Protagonisten, sprich den Titelhelden und sein Arbeitsgerät, und zeigen einige der Einsatzorte, an denen das Zweigespann beschäftigt ist. Ein Teich wird ausgehoben, ein Lastwagen beladen und natürlich auch die typische Mittagspause im Bauwagen aufgezeigt. In der Nachmittagsschicht werden noch einige Steine aufgeladen, bevor der Bagger dann samt Tieflader an seinen Einsatzort für den nächsten Ort gebracht wird.

Der Aufbau des Buches ist wirklich toll, die Geschichte sowie der Ablauf an den einzelnen Stationen absolut leicht nachvollziehbar. Dabei achtet Seidel in seinen Illustrationen ständig darauf, viele wiedererkennbare Elemente einzufügen, die sich in späteren Lesungen dann immer deutlicher festigen und für das kleine Publikum prägnant haften bleiben. Des Weiteren ist gerade die Bagger-Edition ein sehr gutes Beispiel für die optimale Übersichtlichkeit eines solchen Projekts; die Bilder werden nicht mit Gegenständen überwuchert, die Farbgebung bleibt basisch und avanciert in keinem Teil der Geschichte zur Überforderung für die Kleinsten. Letzteres lässt sich in diesem Fall auch für die Verbindung aus Bild und Text sagen; die Aktionen werden in leichter Sprache wiedergegeben und sind auf Anhieb verständlich, wenngleich man in dieser Reihe auf kein Reimschema zurückgreift. Diesbezüglich waren zwar zunächst Befürchtungen ob der Einprägsamkeit der Story vorhanden, jedoch konnten diese „im Einsatz“ recht bald wieder ausgeräumt werden.

Insgesamt hinterlässt der erste Titel der Serie daher auch einen rundum überzeugenden Eindruck. Sprache, Illustrationen und die vielen netten Ideen wurden harmonisch zusammengefügt, die Darstellungen sind sympathisch und für die ersten Leseerfahrungen im Kleinkindalter bestens geeignet. Da „Der kleine Baggerfahrer im Einsatz“ zudem recht erschwinglich ist, kann man den Titel wirklich uneingeschränkt empfehlen!

http://www.coppenrath.de/

Hennen, Bernhard – Alica und die Dunkle Königin

|Alica reist zum Rittergut ihrer Großeltern und damit mitten hinein in ein Fantasy-Märchen der etwas anderen Art: In dem Gemäuer treibt ein Geisterfalke sein Unwesen und Alica verliebt sich bald in einen jungen Husaren, der ihr im Spiegel erscheint. Und dann taucht auch noch der Heinzelmann Wallerich auf, von Köln in die Eifel strafversetzt, um den Falken mit Magie, modernster Technik und Alicas Hilfe nach ‚Nebenan‘ zu bringen – der Welt der Fabelwesen. Auf dem Rücken der Möwe Schnapper stürzen sich die beiden ins Abenteuer und rufen damit die Dunkle Königin hinter den Spiegeln auf den Plan.|

Bernhard Hennen ist den Fantasy- und Phantastiklesern längst ein Begriff. Nun hatte ich bisher nur Texte für Erwachsene von ihm gelesen und „Alica und die Dunkle Königin“ war mein erstes |Jugend|fantasybuch des Autors. Die Atmosphäre, die den Seiten entströmt, ist märchenhaft, oftmals mit einer gehörigen Prise Humor gewürzt und merklich auf die Zielgruppe ausgerichtet. Besonders jugendliche Leser|innen| werden sicher ihre wahre Freude an dem Titel haben.

Angesiedelt ist die Rahmenhandlung in der Eifel: ein Spuk, der sich um das Herrenhaus Greifenstein rankt, das Alica Bäuers Großeltern gehört und auf das sie geschickt wird. Der Beginn des Romans liest sich beschaulich, eher herkömmlich und mit einer gewissen Antriebsschwäche – aber schon bald entwickelt sich die Handlung in eine spannend-romantische Richtung und nimmt an Tempo zu, denn Alica gerät in eine wahre Welt der Fabelwesen.

Da ist Wallerich, der Heinzelmann, der Alica, die wegen familiärer Probleme bei ihren Großeltern weilt, einen Ring gibt, der es ihr ermöglicht, Märchenfiguren wie Feen und andere Geschöpfe zu sehen. Von Wallerich erfährt sie auch, dass diese für alle unsichtbar sind, die den Glauben an das Wunderbare verloren haben.

Und eben jene Wesen und deren besondere Welt und Eigenarten, die Bernhard Hennen liebevoll in Szene setzt, machen den Reiz dieses Buches aus, seien es Wallerichs „Spionagetechnik“ – natürlich ist wie er sein Computerraum ebenfalls in Heinzelmanngröße (seit Wallerichs Auftauchen steckt Alica mitten in einer „Heinzelmännergeheimdienstoperation“) – oder Schnappers Flugkünste. Jene Möwe, auf deren Rücken sich Wallerich und Alica, die dank des Zauberrings ihre Größe verändern kann und dann ebenfalls auf Wallerich-Maße schrumpft, durch die Lüfte bewegen – hinein in eine Wirklichkeit gewordene Märchenwelt. Alica erfährt von Trollsöldnern, die nicht so leicht in Großstädten wie Köln einzusetzen sind, weil sie dann immer „die halbe Zeit vor dem Fernseher hocken und sich Actionfilme ansehen, weil sie auf Prügeleien und Autocrashs stehen“, begegnet einer waschechten Hexe und hört mit Erstaunen, dass selbst Zauber ein Verfallsdatum haben, weil „normale Gebrauchszauberei“ irgendwann nicht mehr wirksam ist, sich Saucenbinder besser als anderes zum Binden von verschiedenen Zaubern eignet, man die Sprache aller Tier versteht, wenn man die Schwanzspitze einer weißen Schlange isst … und vieles mehr.

Doch richtig phantastisch wird es, als Alica den Zauberspiegel im Bad entdeckt, durch den man nach „Nebenan“ gelangt – was sie dann auch mutig vollbringt. Dort hört sie von der Dunklen Königin, Arduinna Silva, der Göttin der dunklen Wälder und der Jagd – geheimnisvoll und unbarmherzig -, die im Laufe der Jahre zur Dunklen Königin wurde und um die sich die Sage rankt, dass „wer sie erblickt, des Todes ist“.

Alica begegnet „General Lollejan“, dem Oberbefehlshaber aller Kobolde, Soldat „Knochenheiß“, „Buddel“, dem Reithasen, „Kleereißer“, dem Feigling, der, sobald er einen Schuss hört, auf und davon hoppelt und darüber hinaus zu blöd ist, um Erbsen und Hasenköttel zu unterscheiden, Kobolden, die Nussschalen als Sturzhelme tragen und vielen weiteren wundersamen Gestalten. So auch dem Geist der Freifrau Magdalena von Greifenstein, die nicht eher ruhen kann, bis sie Gewissheit darüber hat, warum ihr Verlobter Johannes Reisigendorf von einer Reise nach Cöln nie zu ihr zurückkehrte, und die Alica davor warnt, sich zu sehr zu verlieben, weil es das Leben zerstören kann. Doch genau dieses allumfassende Gefühl befällt Alica, als sie einem „Reiter in stürmischer Nacht“ begegnet – dem Husarenjungen Francois Ibrahim de la Croix, der sich ebenso in sie verliebt, wie sie sich in ihn … Mehr sei an dieser Stelle nicht über den weiteren Verlauf der Handlung verraten!

Die Mixtur von „Alica und die Dunkle Königin“ ist eine geschickte Verknüpfung historischer Ereignisse und Fantasyelemente – selbst die erste Liebe wird hier einmal anders eingebettet – und entführt den Leser auch in eine Handlung im Jahre 1812. Und genau diese Mischung macht den Reiz aus. Es sind die liebevollen ‚Kleinigkeiten‘, die in die Story einfließen und die sie letztendlich zu Leben erwecken; sei es der „Orden der Goldenen Haselnuss“ oder das „Altenheim für irregeleitete Kobolde“, um nur zwei zu nennen.

So viel zum Text des Buches, komme ich zur Aufmachung, die wie immer bei |Ueberreuter| souverän und ansprechend ist, das Papier bestens, Layout und Schriftgröße sehr augenfreundlich sind – einzig das Lektorat ist nicht optimal und hätte etwas sorgfältiger sein dürfen. Besonders negativ ins Auge stachen die „ganz“-Kombinationen, die sich durch den gesamten Text ziehen und auf die ein guter Romantext im Gros verzichten sollte: ganz unverhohlen, ganz verzweifelt, ganz kalte Hände, ganz zufrieden, ganz offensichtlich, ganz übel, ganz frisch … etc pp. Aber auch stilistische Stolpersteine wie „Sie wirkten wirklich ergriffen“, die aber eher die Seltenheit waren.

Das ist aber auch das einzige (kleine) Manko dieses Bandes, der jedem empfohlen werden kann, der Jugendliche zu beschenken hat oder sich selbst ein märchenhaftes Lesevergnügen bereiten will – ein humorvolles, märchenhaftes Fantasyabenteuer für Jung und Alt.

|Titelillustration Jill Baumann
Titelgestaltung von Nele Schütz Design, München
323 Seiten, Hardcover|

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http://www.bernhard-hennen.de

_Bernhard Hennen auf |Buchwurm.info|._
[„Die Elfen“ 2169
[„Die Elfen“ 2962 (Hörbuch)
[„Elfenwinter“ 2185
[„Elfenlicht“ 3505
[„Der Wahrträumer“ 390 (Magus Magellans Gezeitenwelt)

McCaughrean, Geraldine – Weiße Finsternis

Liebe hat viele Gesichter. Zum Beispiel das von Titus Oates, den die vierzehnjährige Symone anhimmelt. Einziger Haken dabei ist, dass Titus Oates schon seit neunzig Jahren tot ist. Das hindert ihn aber nicht daran, Symone in ihrer Fantasie zu begleiten, und er erweist sich als sehr hilfreich, als Symones Leben plötzlich auf den Kopf gestellt wird …

Symone lebt gemeinsam mit ihrer Mutter und Onkel Victor, der eigentlich gar kein Onkel ist, zusammen. Ihr Vater ist gestorben, weshalb Onkel Victor der Familie nicht nur finanziell zur Hand geht, denn es steht nicht besonders gut ums Geld. Ihr Vater hatte Schulden, und diese müssen abgezahlt werden. Umso verwunderlicher ist es, als Victor Symone und ihre Mutter eines Tages mitten in der Schulzeit zu einem Trip nach Paris einlädt.

Ihre Mutter müssen sie leider in England zurücklassen, da diese ihren Pass nicht finden kann, doch Symone ist sich sicher, dass sie auch alleine mit Onkel Victor eine Menge Spaß haben wird. Victor allerdings hat ganz andere Pläne. Er möchte nicht nach Paris, er möchte zum Südpol. Symone ist seit frühester Kindheit Fan von allem, was mit Eis und Schnee zu tun hat. Sie hat Bücher und Filme zu diesem Thema – und ihren unsichtbaren Freund Titus Oates, der einst als Polarforscher die Südpol-Expedition von Robert Scott begleitete.

Titus ist ihr folglich eine große Hilfe, als sie plötzlich mit einer bunt zusammengewürfelten Reisetruppe im ewigen Eis landet, denn Onkel Victor hat diese Reise nicht zu Sightseeingzwecken unternommen. Im Gegenteil wird immer deutlicher, dass er bestimmte Pläne verfolgt. Pläne, die nicht nur Symone in Lebensgefahr bringen …

Geraldine McCaughrean [(„Peter Pan und der rote Pirat“), 3301 die unter anderem schon den Deutschen Jugendliteraturpreis erhalten hat, legt in „Weiße Finsternis“ einen sehr ungewöhnlichen Plot vor. Der Anfang wirkt noch recht banal. Ein Mädchen ist in ihrer Schule eine Außenseiterin, weil sie sich in ihrer Freizeit mit anderen Themen beschäftigt als ihre pubertierenden Freundinnen. Hinzu kommt die familiäre Tragödie, der Tod des Vaters. Erst als Symone und Victor sich in Paris befinden und Victor einige seltsame Verhaltensweisen an den Tag legt, wird klar, dass es hier um mehr geht als eine weitere Teenager-Außenseiter-Geschichte. Dieses Motiv spielt zwar an einigen Stellen mit hinein, mit der Zeit erschließt sich dem Leser aber, worum es wirklich geht in diesem Buch und was Victor plant. Dabei hat der Leser den Vorteil, dass er einige Dinge schneller erkennt als Symone. Diese hat eine sehr gutgläubige Einstellung gegenüber dem väterlichen Freund Victor, was den Zeitpunkt, als sie ihn durchschaut, umso dramatischer werden lässt.

Die Handlung ist spannend und sehr gut ausgedacht. McCaughrean strickt aus originellen Ereignissen eine abenteuerliche, aber trotzdem authentische Geschichte. Diese spielt sich zum Großteil in der Antarktis ab und der Autorin gelingt es auf wunderbare Art und Weise, diesen Schauplatz lebendig werden zu lassen. Mit einfachen Worten lässt sie Schnee und Eis vor dem inneren Auge des Lesers entstehen und schildert die Atmosphäre und die Besonderheiten des Südpols so verständlich und detailliert, dass man sich tatsächlich an Symones Seite wähnt, wenn sie sich durch den Schneesturm kämpft. Gerade die Beschreibungen und die Recherchen beweisen, dass McCaughrean nicht umsonst Preise gewonnen hat.

Daneben präsentiert sie eine sehr ansprechende Hauptperson beziehungsweise eine Hauptperson und die Stimme in ihrem Kopf, die einem seit neunzig Jahren toten Polarforscher gehört. Alleine diese Idee gefällt, die Ausarbeitung verdient richtig viel Lob. Die Schlagabtäusche zwischen Symone und Titus sind wunderbar humorvoll und lockern die Geschichte immer wieder auf. Hinzu kommt, dass Symone ein sympathischer und sehr realistischer Charakter ist. Sie erzählt aus der Ich-Perspektive, und dabei gibt sie sehr viele ihrer Gedanken preis. Dadurch erfährt man sehr viel über sie; beispielhaft seien an dieser Stelle die alterstypischen Gedanken genannt, die sich stets darum drehen, wie sie sich selbst sieht – und das ist nicht besonders positiv. Sie hält sich für tollpatschig & schüchtern, und die Autorin weiß diese Unsicherheit perfekt auszudrücken.

Die Sprache, die Geraldine McCaughrean dabei verwendet, ist jugendgerecht, also ziemlich einfach. Gehobene Ausdrücke kommen höchstens in Anführungszeichen vor, aber trotzdem schreibt die Engländerin unglaublich intensiv, treffsicher und bildhaft. Ihre Metaphern und Vergleiche bezieht sie zumeist auf die Antarktis, doch auch wenn nicht, sind ihre Stilmittel gut verständlich, anschaulich und von seltener Originalität. Nicht umsonst sind die Beschreibungen und die Hauptfigur so sympathisch – bei diesem Schreibstil kein Wunder!

In der Summe ist „Weiße Finsternis“ ein sehr empfehlenswertes Jugendbuch, das auch Erwachsene unterhalten kann. Bei diesem Roman stimmt einfach alles: Hauptperson, Handlung, Schreibstil – alles ist auf die Zielgruppe zugeschnitten, unterfordert diese aber auch nicht. Geraldine McCaughrean sollte auch für dieses Buch mit Preisen überschüttet werden.

http://www.cbj-verlag.de

Siegner, Ingo – Gustav vor, noch ein Tor

Womit beschäftigen sich Erdmännchen eigentlich den lieben langen Tag? Mit Fußballspielen natürlich – jedenfalls im Hannoveraner Zoo! Dort trainieren Gustav und seine beiden Freunde Pauline und Rocky fleißig Fußball. Platz und Zeit haben sie ja, denn der Zoo ist groß und der Erdmännchen-Tag nicht allzu ausgefüllt. Während des Trainings, zu dem auch Max der Marabu und Zora das Flusspferd hinzustoßen, dichten die Tiere sich ihre Fußballlieder und Schlachtrufe, um sich selbst anzufeuern und gute Aktionen zu feiern. Doch plötzlich taucht Kurt der Maulwurf auf und kommentiert das Spiel. Die Tiere sind verwirrt – was versteht ein Maulwurf schon vom Fußball? Mehr als man denkt, denn Kurt und seine Artgenossen buddeln sich gerne ihren Weg in die AWD-Arena, wo sie den Profis zuschauen können – Hannover 96!

Neugierig wie sie sind, begleiten die drei Erdmännchen die Maulwürfe auf ihrem nächsten Ausflug und finden sich zu ihrem Erstaunen plötzlich in einem riesigen Stadion wieder, wo ganz viele Menschen auf den Tribünen sitzen, um dem Spiel zu folgen. Schnell ist die Idee geboren, einmal gegen diese Profis zu spielen. Zur Ehrenrettung behauptet Rocky, dass die Zoo-Tiere viel besser spielten als 96, woraufhin eine Wette abgeschlossen wird. So wetten die Maulwürfe, dass die Tiere nicht ein einziges Tor gegen die Profis schießen. Da es um die Ehre geht, ist der Ehrgeiz der Tiere sogleich geweckt.

Da ihnen zur Zoo-Elf noch ein paar Mitstreiter fehlen, schreiben die Tiere flugs einen Rundbrief an ihre Zoo-Gefährten. Schon am nächsten Tag melden sich der Marabu, das Flusspferd, die Giraffe, der Orang-Utan, der Strauß, die Schildkröte und das Faultier zum Duell an. Doch noch immer fehlt ein Mitspieler, weswegen die Erdmännchen zum Dschungelpalast laufen und mit der Elefantendame Califa sprechen. Eigentlich war die Elefantendame ja fürs Tor angedacht, doch Califa will lieber Stürmerin sein, worauf die Erdmännchen aber auch gerne eingehen, als sie Califa das erste Mal spielen sehen. Fortan ist der Zooalltag streng durchgeplant, die Tiere machen Ausdauertraining und üben sich in Pässen und Torschüssen, um sich auf den großen Tag vorzubereiten, der dann auch schneller da ist, als die Erdmännchen vorher gedacht hätten …

Der Autor und Zeichner Ingo Siegner wurde in Hannover geboren, wuchs in Großburgwedel auf, lebt und arbeitet heutzutage aber in der niedersächsischen Hauptstadt, wo offensichtlich der regelmäßige Zoobesuch zu seinen liebsten Hobbys zählt. So tragen seine Romanfiguren dann auch die gleichen Namen wie die tatsächlichen Tiere im Hannoveraner Zoo. Elefantendame Califa beispielsweise gehört zu den Jungelefanten, die nach 30-jähriger Wartezeit im Zoo Hannover geboren wurden. Auch die Schauplätze, an denen die Tiere ihre Technik und Ausdauer optimieren, kennt der kundige Zoobesucher, sodass man sich wieder an diesen zauberhaften Ort versetzt fühlt. Für Hannoveraner also ein echter Lesegenuss.

Aber auch die Geschichte überzeugt: Schon auf der ersten Seite schließt man Freundschaft mit den sportlichen drei Erdmännchen, die den mutigen Plan fassen, gegen echte Fußball-Profis zu spielen. Jedes Tier hat seine Eigenarten, die wir im Laufe der Geschichte immer besser kennen lernen; so beliebt das Faultier selbstverständlich zwischendurch einzuschlafen, während Califa ganz undamenhaft den Fußballrasen als Toilette missbraucht, weil das eigentliche Klo für ihren Umfang zu winzig ist. Dass der Orang-Utan mit seinen langen Armen und seinen guten Reaktionen später das Tor hüten muss, wundert dann nicht mehr weiter. Und die Tiere lassen sich nicht unterkriegen, auch wenn die erste Ausdauereinheit mehr schmerzt als vorher angenommen. Doch die Tiere erhalten kompetente Hilfe in Kurt dem Maulwurf, der durch seine regelmäßigen Besuche in der Arena ein echter Fußballkenner ist und den Tieren folglich ihre Strategie unterbreitet und sie in der Spielpause coacht. Das Wichtigste ist und bleibt den Tieren aber immer noch der Spaß an der Freud, weswegen sie sich oft genug lieber damit vergnügen, neue Fußballlieder zu erdichten.

„Gustav vor, noch ein Tor“ ist vor allem optisch eine Pracht, denn jede Seite wird dominiert von hübschen Farbzeichnungen der Tiere in ihren Spielsituationen; da sehen wir das Faultier gemütlich auf dem Fußball schlummern, während das Flusspferd den Ball lieber mit der Schnauze fängt als mit den Beinen, der Maulwurf legt sich an einer Tafel die Taktik für das Spiel zurecht und der Orang-Utan beißt kräftig beim Dauerlauf in seine Wegzehrung, die selbstverständlich in einer leckeren Banane besteht. Auch das Layout ist positiv hervorzuheben; neben der kindgerecht großen Schrift wird es durch die Bilder immer wieder aufgelockert, so sind die Textblöcke oftmals durch kleinere Bilder unterbrochen, sodass meist nicht allzu viel durchgehender Text zu lesen ist.

Das Buch ist wirklich allerliebst und für jeden Hannover-Fan – ob jung oder alt – ein absolutes Muss. Wer sich dann noch für den Zoo oder für Fußball interessiert, sollte die knapp 13 € für dieses hübsche Buch investieren und sich von Ingo Siegner in den Hannoveraner Zoo entführen lassen, um dort Bekanntschaft zu machen mit den Erdmännchen und ihren sportiven Mitstreitern.

http://www.leuenhagen-paris.de/

Ellis Kaut – Meister Eder und sein Pumuckl

Der erste Pumuckl-Band umfasst folgende Geschichten:

„Spuk in der Wekstatt“:

Der Meister Eder ist ein freundlicher älterer Herr, der seit vielen Jahren eine Schreinerwerkstatt führt. Bei den Kunden ist er für seine sorgfältige Arbeit und seine Gutmütigkeit beliebt. Ab und zu trifft er sich mit befreundeten Handwerkskollegen auf einen Stammtisch, ansonsten lebt er zurückgezogen und recht einsam. Eines Tages fällt Meister Eder auf, dass ständig Gegenstände verschwinden oder herunterfallen, obwohl er sich nicht erinnern kann, dass er sie auch nur berührt hätte. Er schiebt die Vorfälle auf seine Vergesslichkeit – bis er an einem Leimtopf einen Kobold entdeckt. Der kleine Kerl mit dem roten Wuschelkopf heißt Pumuckl und spukt seit einiger Zeit in der Werkstatt herum. Bisher war er unsichtbar, doch wenn ein Kobold an etwas hängen- oder klebenbleibt, wird er zwangsläufig sichtbar. Außerdem muss er bei dem Menschen bleiben, der ihn gesehen hat. Für Meister Eder beginnt eine aufregende Zeit mit seinem neuen Gefährten, der natürlich jede Menge Unsinn anstellt …

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David M. Cornish – Monster Blood Tattoo 1: Der Findling

Handlung

Rosamund ist ein Waisenjunge, ein Findling, und lebt in „Madam Operas außerordentlicher Marineanstalt für Findelkinder“ in der Stadt Brandenbrass. Dort wird er zwar wegen seines Mädchennamens oft gehänselt, aber eigentlich fühlt er sich im Findlingsheim ganz wohl. Doch er hat einen großen Traum: Er möchte ein Monsterjäger werden, denn die Monster bedrohen die Menschen überall. Am liebsten wäre er ein Essigfahrer auf einem großen Kriegsschiff. Ab und an kommen Anwerber in die Marineanstalt, um sich Jugendliche für verschiedene Arbeiten auszusuchen. Doch Rosamund wird nicht vom Anwerber der Marina ausgesucht. Er soll Laternenanzünder werden! Dies gefällt ihm natürlich gar nicht, doch als er auf der Reise zu seinem Arbeitsplatz von einem ruchlosen Flussschiffer entführt wird und kurz danach im Gefolge der Monsterjägerin Europa reist, merkt er, dass Monster zu töten doch nicht so prima ist, wie er es sich vorgestellt hat.

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Pullman, Philip – Bernstein-Teleskop, Das (His Dark Materials 3)

Band 1: „Der Goldene Kompass“
Band 2: „Das Magische Messer“

Fast doppelt so dick wie der zweite Teil kommt Philip Pullmans „Das Bernstein-Teleskop“ daher, das die Trilogie „His Dark Materials“ um das Mädchen Lyra und den Jungen Will abschließt. Am Ende von „Das Magische Messer“ wird Lyra entführt, Will begegnet währenddessen seinem Vater kurz vor dessen Tod, den er die ganze Zeit über gesucht hat. Immerhin kann dieser ihm noch einiges über das Messer, das durch alle Welten hindurchschneiden kann, berichten, denn Will, der nun der offizielle Träger dieses Messers ist, hat jetzt eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, die über die Zukunft aller Welten bestimmen wird.

Will und Lyra sind nur zwei Figuren im Spiel der Mächte, doch zwei bedeutsame, um die sich beide Seiten in dem bevorstehenden Kampf reißen. Es ist ein Kampf zwischen der Kirche und allen Abtrünnigen, die sich gegen die Intrigen und Machenschaften der Oberhäupter auflehnen. Und neben Will und Lyra, die sich bereits für den Kampf gegen die Kirche entschieden haben, müssen sich auch alle anderen Bewohner der zahlreichen Welten entscheiden, wo sie sich positionieren. Die Gypter, Bären, Hexen und Engel, die sich schließlich um die Kinder versammeln, wählen die Seite des Widerstands, müssen sich jedoch einem starken Feind stellen, denn ihnen steht kein Geringerer als der Allmächtige selbst gegenüber – bedrohend auf einem schwebenden Wolkenberg, der einer mobilen Festung gleicht und scheinbar durch nichts aufgehalten werden kann.

_Inhalt_

Während Will den Tod seines Vaters noch zu verarbeiten versucht, bekommt er unerwarteten Besuch. Mit Balthamos und Baruch erscheinen ihm zwei Engel, die ihn davon zu überzeugen versuchen, Lord Asriel aufzusuchen. Denn als Träger des Magischen Messers, eines Werkzeugs und einer Waffe, der kein Gegner gewappnet ist, könnte er über Sieg und Niederlage im bevorstehenden Krieg entscheiden. Doch Will ist nicht bereit, alles hinter sich zu lassen. Seine Reise durch die Welten hat ihn eng mit Lyra verbunden, und als er bemerkt, dass sie spurlos verschwunden ist, kann ihn niemand davon abbringen, sie als Erstes zu suchen.

Da die Engel ihm trotz ihrer Erfahrung und Weisheit unterlegen sind – schließlich haben sie keinerlei physischen Körper mehr -, willigen sie ein, als er ihnen einen Vorschlag unterbreitet: Will ist bereit, sich zu Lord Asriels Festung zu begeben, wenn die beiden Engel ihm dafür zuvor dabei helfen, Lyra zu finden und sie wieder in Sicherheit zu bringen. Sofort erkunden die Engel die Umgebung und können das Mädchen nach einiger Zeit tatsächlich ausmachen. Mrs. Coulter, Lyras eigene Mutter, hat das Mädchen entführt und hält es mit einem Schlaftrank in einer verlassenen Höhle fest. Richtig, keinem schmucken Palast oder einer gepanzerten Festung, denn die einst so starke und mächtige Frau versteckt sich und ihre Tochter nicht nur vor Lyras Freunden, sondern auch der Kirche, welche die Prophezeiung, Lyra könnte die nächste Eva sein, verhindern und das Mädchen töten will. Dafür sprechen sie sogar einen von ihnen von allen Sünden frei, die er auf sich laden wird, denn er soll in ihrem Namen das Mädchen ermorden. Will muss sich also beeilen, will er Lyra rechtzeitig aus den Fängen Mrs. Coulters befreien, bevor es möglicherweise andere vor ihm tun, die hinter ihr her sind.

Was in Lyra derweil vorgeht, erfährt der Leser am Ende eines jeden Kapitels in kurzen Abschnitten, welche die Gedankenwelt des Mädchens beschreiben. Über ihre Träume gelingt es Lyra, Kontakt zu ihrem alten Freund Roger aufzunehmen, der, da er bereits in „Der Goldene Kompass“ starb, im Reich der Toten anzutreffen ist. Ihre geistige Verbindung ist jedoch so stark, dass sie sich über diese Schranken hinaus miteinander verständigen können und sowohl Lyra als auch Roger einiges über den jeweils anderen erfähren. Nicht zuletzt wird durch dieses mentale Gespräch auch der Grundstein für einen neuen Handlungsstrang gelegt, da nach Lyras Befreiung aus ihrem ungewollten Schlaf der Kontakt zu Roger zwar abbricht, sie aber weiß, wo sie ihn finden kann.

Durch Kursivschrift vom üblichen Text abgegrenzt, verlaufen Lyras Gedanken über mehrere Abschnitte, aber jeweils nur für wenige Zeilen. Mitten im Satz wird der Text unterbrochen und dann am Ende des nächsten Kapitels wieder aufgenommen. Neben der rein erzähltechnischen Besonderheit, ein Kapitel gewissermaßen über mehrere andere zu verteilen und dadurch einen zweiten Spannungsbogen aufzubauen, wird durch diese Anordnung der zeitliche Ablauf der einzelnen Handlungen nachvollziehbarer. Denn während die Realzeit normal verläuft, sprechen Lyra und Roger innerhalb ihrer Traum- bzw. Todeswelt nur einige Sätze. Schließlich geht dieses Gespräch etwa zu dem Zeitpunkt zu Ende, als Lyra (in der Realwelt) aus ihrem Schlaf befreit und dadurch in die Wirklichkeit zurückgeholt wird. Jetzt heißt es handeln, denn durch die Befreiungsaktion ist kostbare Zeit verloren gegangen, die Wills und Lyras Feinde genutzt haben, um den Schlag gegen Lord Asriel vorzubereiten. Der Allmächtige hat bereits seine besten Kämpfer ausgesandt, nun will er selbst eingreifen.

_Bewertung_

Philip Pullman bleibt seinem Stil treu. Statt auf altbewährte Fantasy-Klischees zu setzen, präsentiert er auch in „Das Bernstein-Teleskop“ ein Universum, das fremdartig und faszinierend, aber doch zugleich vertraut wirkt. Neben den bereits aus den ersten Büchern bekannten Welten gesellen sich neue hinzu, lassen sich jedoch, da immer öfter von der einen in die andere Welt gewechselt wird, nur noch schwer voneinander unterscheiden. Gut, wenn sich der Leser in solchen Momenten zumindest an die lieb gewonnen Charaktere klammern kann, die allesamt ihre Rolle in dem weltenumspannenden Komplott zu finden versuchen. Da begegnet man dem Panzerbären Iorek, der Wissenschaftlerin Mary Malone und der Hexe Serafina Pekkala. Und natürlich einer Vielzahl neuer Figuren, etwa den beiden Engelsgestalten Balthamos und Baruch, die Will auf seiner Reise treue und wichtige Gefährten werden. Etwas später stoßen die Gallivespier Chevalier Tialys und Lady Salmakia hinzu, kleinen Wesen, die dank ihrer geringen Größe Verwirrung bei den Feinden stiften können, oder auch die fremdartig wirkenden Mulefa, die sich ihre Krallen zunutze machen und große, runden Samen als fahrbare Räder benutzen. Zudem sind sie etwas ganz Besonderes, denn sie haben sich mit dem Staub, einer Substanz, deren Geheimnis bisher noch nicht gelüftet werden konnte, arrangiert und leben gewissermaßen mit diesem in Symbiose.

So bunt und farbenfroh, so originell und einfallsreich Pullman auch in „Das Bernstein-Teleskop“ erneut mit seiner Geschichte und den Lebewesen zu überzeugen weiß, der ganz große Wurf gelingt dem Autor in seinem Abschlussband leider nicht. Denn allein schon die Dicke des Buches (im Vergleich zu den ersten beiden Bänden) zeigt: Pullman braucht viel Platz, um die Handlung in die gewünschte Bahn zu lenken und zu einem würdigen Ende zu bringen, so dass die Leichtigkeit der früheren Bände darunter leidet. Die vielen Nebenereignisse, die noch untergebracht werden sollen, die vielen Charaktere, die bereits eingeführt wurden, ihre Geschichte aber noch nicht beenden konnten, und vor allem der komplette Rahmen um die kirchlichen Machenschaften, der dem Autor als Zielscheibe für seine gesellschaftspolitische Kritik dient, überfrachten den Roman dermaßen, dass er die Qualität seiner Vorgänger nicht mehr erreichen kann. Der Autor hat sich trotz aller literarischen Qualitäten übernommen.

Bot „Der Goldene Kompass“ vor allem eine homogene Abenteuergeschichte und weitete „Das Magische Messer“ diese zu einer spannenden Verknüpfung mehrerer Welten aus, die sich gegenseitig beeinflussten, so fährt Pullman nun alle Geschütze auf und verstrickt sich in noch mehr Welten, noch mehr schicksalhaften Begegnungen und einem überbordenden Kirchen-Konflikt, der die Handlung entscheidend prägt, sich jedoch zugleich als ihr schwächstes Glied herausstellt.

Weniger wäre hier mehr gewesen, doch muss man Pullman zugestehen, dass sich diese Entwicklung bereits ins „Das Magische Messer“ abgezeichnet hatte und danach kaum mehr umzukehren war. So versucht er die losen Fäden zusammenzuführen, schafft dies jedoch nicht in der erhofften und den ersten beiden Bänden angemessenen Weise. Sieht man über die Komplexität, die vor allem jugendliche Leser überfordern könnte, und die Darstellung der Kirche, die hier nicht mehr nur im Hintergrund agiert, sondern offen zutage tritt, ab, ist und bleibt der Roman ein Werk, das so manch anderes in den Schatten stellt. Sich an neuen Wegen zu probieren und keine 08/15-Geschichte zu schreiben, muss dem Autor hoch angerechnet werden, auch wenn dies bisweilen zu einigen erzähltechnischen Problemen führt.

Lesenswert ist „Das Bernstein-Teleskop“ aber allemal, nicht zuletzt, weil „His Dark Materials“ hier sein Finale findet, das dann doch wieder zufriedenstellen kann. Obwohl am Ende die richtige Seite gewinnt, gibt es aber kein richtiges Happy End, so viel sei verraten. Was bei Harry Potter (etwa im Tod des Zaubererlehrlings) schlichtweg fehl am Platz wäre, macht in dieser Trilogie jedoch durchaus Sinn und verleiht dem Roman zum Schluss, aller Längen und schwer verdaulichen Passagen zum Trotz, eine würdige Note, die dem Buch allerdings schon früher gutgetan hätte.

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|Siehe ergänzend dazu auch:|
[„Graf Karlstein“ 3374
[„Ich war eine Ratte“ 3880

Sage, Angie – Septimus Heap – Physic

Mit „Physic“ legt Angie Sage den mittlerweile dritten Band ihrer „Septimus Heap“-Reihe vor. Septimus Heap, der als siebter Sohn eines siebten Sohnes ein ganz besonderes magisches Potenzial aufweist, hat in den beiden vorangegangenen Bänden [„Magyk“ 1856 und „Flyte“ bereits so manches haarsträubende Abenteuer bestehen müssen. In „Physic“ muss er sich einer ganz neuen Gefahr stellen, die ihn tief in die Vergangenheit der Burg befördert.

Alles beginnt damit, dass Silas Heap, der Vater von Septimus, ohne es zu ahnen den versiegelten Geist der grausamen Königin Etheldredda befreit. Etheldredda regierte die Burg vor 500 Jahren und sie ist besessen davon, die Macht in der Burg wieder an sich zu reißen und dann, dank der Wunder der Alchemie, ewig zu leben und zu regieren. Ehe Septimus sich versieht, wird er auch schon Teil der finsteren Pläne Etheldreddas. Durch einen Spiegel wird Septimus 500 Jahre in die Vergangenheit befördert, um dem Alchemisten Marcellus Pye als Lehrling zur Hand zu gehen – beim Brauen eines Tranks, der ewiges Leben verheißt.

Septimus ist gleichermaßen verstört wie fasziniert. Die Alchemie hält spannende Aufgaben für ihn bereit, wenngleich ihm vieles sonderbar erscheint. Die Verwandlung von Metall in Gold, die Formel für ewiges Leben, all das übersteigt seinen Horizont. Sein Interesse ist eher von pragmatischerem Denken geleitet. Ihn interessieren vor allem das Herstellen von Gegengiften und das Brauen von Heiltränken. Das wäre ihm auch in seinem alten Leben von Nutzen, wo eine eigenartige Seuche die Burgbewohner dahinrafft.

Trotz all der nützlichen Dinge, die Septimus bei Marcellus Pye lernt, will er eigentlich nur eines: zurück in sein altes Leben, zurück in die Gegenwart. Doch Marcellus hält den jungen Lehrling in der Vergangenheit gefangen. Nur der Weg durch die Türen der Zeit könnte Septimus zurückbringen, aber den Schlüssel dazu trägt Marcellus stets an einer Kette um den Hals.

Derweil lassen auch Septimus‘ Freunde in der Gegenwart nichts unversucht, um Septimus zurückzuholen. Prinzessin Jenna, Septimus‘ Bruder Nicko und der Drache Feuerspei suchen nach einem Weg, durch den Spiegel zu Septimus zu gelangen. Sie schaffen es schließlich, doch wie soll es weitergehen? Wie sollen sie gemeinsam wieder heimkehren? Dazu bräuchten sie immer noch den Schlüssel für die Türen der Zeit …

Der Plot an sich klingt zunächst vielversprechend. Statt mit simpler Magie darf Septimus hier mit Alchemie hantieren. Er beschäftigt sich mit der Heilkunst, und so erhält seine Arbeit als Lehrling einen etwas wissenschaftlicheren Anstrich, der dennoch seine Schattenseite hat: die dunklen Geheimnisse der Alchemie.

Das klingt eigentlich sehr spannungsverheißend, bleibt dann aber doch etwas unspektakulär. Bei Marcellus muss Septimus dessen sagenumwobenen Almanach mit fertigstellen und geht ihm beim Brauen verschiedener Tränke zur Hand. Obwohl Septimus ja im Grunde das Opfer einer Entführung ist, wird er von Marcellus nicht schlecht behandelt. Im Grunde geht es ihm gut und er lernt eine Menge Dinge, die er bei seiner eigentlichen Lehrmeisterin, der außergewöhnlichen Zauberin Marcia Overstrand, niemals lernen könnte.

Und so verlaufen der Ereignisse nach Septimus‘ Entführung in die Vergangenheit auch eher unspektakulär. Septimus arbeitet für Marcellus, während Jenna mit ihren Freunden einen Weg sucht, Septimus zu befreien. Dazu bedient sie sich des Drachens Feuerspei, den sie auf Septimus‘ Fährte ansetzt. Auch dieses Unterfangen verläuft an sich nicht sonderlich aufregend, und so kommt der Spannungsbogen erst richtig in Fahrt, als Jenna durch einen anderen Spiegel ebenfalls 500 Jahre in die Vergangenheit reist und dort auf Septimus trifft.

Für Jenna bedeutet die Reise in die Vergangenheit eine wirkliche Gefahr. Etheldredda, die bereits ihre eigenen Kinder ermordet hat, schickt sich an, auch die junge Prinzessin zu meucheln, denn schließlich könnte eine Thronfolgerin ihrem Streben nach ewiger Macht im Wege stehen. Doch um an diesen spannenden Punkt der Handlung zu gelangen, muss man erst einmal 300 Seiten hinter sich bringen, die höchstens eine Handvoll kleinerer Spannungsmomente bereithalten. Erst auf den letzten gut 150 Seiten kommt der Spannungsbogen richtig auf Touren und die Geschichte beginnt, den Leser zu fesseln.

Die Flucht der Kinder vor der bösen Königin Etheldredda und ihre Versuche, zurück in die Gegenwart zu gelangen, sind der interessanteste Aspekt der Geschichte. Die übrigen Momente bleiben oft etwas farblos dagegen. Gerade mit Blick auf die Figuren leistet Angie Sage sich auch einige Schwächen, die vor allem auch dadurch zutage treten, dass der Plot diesmal insgesamt etwas spannungsärmer verläuft. Septimus wirkt in seiner Rolle als Entführungsopfer etwas blass. Er wurde zwar in eine Zeit gebracht, in der er sich nicht wohlfühlt, und er vermisst seine Freunde, aber emotional ist das auch schon so ziemlich alles, was sein Charakter offenbart.

Ähnlich sieht es mit den übrigen Figuren aus. Sonderlich weiterentwickelt haben sie sich seit dem letzten Band [„Flyte“ 3057 nicht, und ihr Seelenleben bleibt etwas zu eindimensional, als dass man wirklich mit ihnen fiebern könnte. Die einzige interessante neue Figur ist das junge Händlermädchen Snorri Snorrelssen, das mit einer Katze umherreist, die sich des Nachts in einen Panther verwandelt, und eher zufällig in das Abenteuer von Jenna, Nicko und Feuerspei hineingezogen wird. Ihre Rolle am Ende ist eine ganz seltsam diffuse, die dazu beiträgt, dass das Finale etwas eigenartig konstruiert wirkt. Wie schon im letzten Band, bleibt auch hier so manches offen. Sage hält sich also potenziellen Erzählstoff für einen vierten Band warm.

Was die ersten beiden Bände der Reihe so sympathisch macht, ist die Vielzahl fantasievoller Einfälle, mit denen Sage ihren Plot garniert. Sie entwirft interessante Kreaturen und würzt die Geschichte mit einer humorvollen Note. Mit dem dritten Band beginnen diese Stilmittel sich allmählich etwas abzunutzen. Die Gags wiederholen sich im Grunde – man kann halt nicht endlos schmunzeln über die Gefräßigkeit des Drachen und die Größe seiner „Häufchen“.

Neue interessante Kreaturen gibt es auch kaum. Die interessanteste wäre schon Snorris Katze/Panther, ansonsten hat Sage in dieser Beziehung nicht mehr viel zu bieten. Das sind wiederum zwei Aspekte, die den Unterhaltungswert des Romans schmälern. Man merkt, dass der Geschichte mit dem dritten Band so langsam die Puste auszugehen droht.

Der Plot verliert an Dynamik und die Figuren bleiben blass – das ist der Eindruck, der sich mit zunehmender Seitenzahl aufdrängt. Waren „Magyk“ und „Flyte“ noch angenehm fantasievoll, farbenprächtig und unterhaltsam erzählt, so bleibt „Physic“ doch recht deutlich hinter den Qualitäten der ersten beiden „Septimus Heap“-Romane zurück.

Bleiben unterm Strich also vor allem enttäuschte Erwartungen zurück, eine Geschichte, die viel Potenzial verschenkt und deren Figuren mit der Zeit zunehmend verblassen. „Septimus Heap“ ist nicht mehr das schöne, unterhaltsame Lesevergnügen für Jung und Alt, das die ersten beiden Bände versprochen haben. Die Geschichte ist abgeflacht und spannungsarm und die Figuren werden zunehmend uninteressant. Schade eigentlich, denn der Beginn der Reihe war Sage noch wirklich gut gelungen.

[Website zum Buch]http://www.septimus-heap.de/
[Hanser-Verlag]http://www.hanser-verlag.de/
[Reihe Hanser im dtv]http://www.dtvjunior.de/dtvjunior.cfm?bereich=RH

Chipman, Sissel – Ravenhill – Das Vermächtnis der Elfen

Elfen oder in Tolkiens Vokabular Elben gibt es als Fabelwesen in fast jeder Mythologie. Die Autoren beschreiben die Elfen als feingliedrige, zerbrechliche und schöne Geschöpfe, die nahezu unsterblich sind. Geheimnisvolle Ausstrahlung und magische Fähigkeiten werden diesen Wesen immer zugesprochen.

Sie lieben den Frieden und leben meist im Einklang mit der Natur; in verschiedenen Romanen und Erzählungen der Moderne besteht eine Erzfeindschaft mit den unterirdisch existierenden Zwergen, die immer rauflustig und aggressiv wirken. Aber auch diese Fantasy-Elfen können im Kampf gefährliche, außerordentlich gute Kämpfer stellen.

Bekannte und immer wiederkehrende Details wie diese finden sich auch im Jugendroman „Ravenhill – Das Vermächtnis der Elfen“ der norwegischen Autorin Sissel Chapman, der nun im |Arena|-Verlag erschienen ist.

_Inhalt_

Ravenhill. Das Land wird bedeckt von einer bedrückenden Kälte. Schnee und Eis liegen wie ein Grabtuch über dem Land und machen es zu einer Insel, eingeschlossen durch das treibende Eis auf dem Fjord. Völlig isoliert und verzweifelt stehen die Menschen vor der Wahl, zu sterben oder aber in die Tiefen des Rabenberges hinabzusteigen, um dort ein Artefakt zu suchen und dem Land Licht und Leben zurückzugeben.

In den Tiefen dieses Berges soll es einen Sonnenstein geben, den die Dunkelelfen in die Finsternis gestoßen haben. Nur ein Feuermeister mit besonderen Gaben kann diesen Stein bergen und aktivieren. Der junge Jarlssohn Bendik erkennt aber, dass Lilja die Königstocher der Feuermeister ist. Doch das junge Mädchen hat eigene Probleme und ist auf der Flucht vor Männern, die sie mitsamt ihrem vor kurzem verstorbenen Vater opfern wollen.

Unter dem Eindruck dieser unruhigen Vorkommnisse flüchten Bendik und Lilja in die Wildnis. Doch auch hier besteht Lebensgefahr, denn die Dunkelelfen lauern ihnen auf und entführen das Mädchen. Aber Bendik, zwischen Verzweiflung und Mut zerrissen, lässt sich nicht ohne Weiteres abschütteln und folgt Lilja und den Elfen hinab in die Dunkelheit des Rabenberges. Dort trifft er auch einen jungen Drachen namens Skimre, der ihm helfen wird, denn er weiß um die Gefahren, die sich ihm vielleicht entgegenstellen könnten: Riesen, Trolle, Zwerge und nicht zuletzt die Dunkelelfen selbst. Trotz aller Gefahren sieht Bendik ein, dass die letzte Chance darin besteht, den Sonnenstein wiederzubeschaffen, um das Land retten zu können …

_Kritik_

Die norwegische Autorin Sissel Chipman bedient sich reichlich bei Figurenzeichnungen von Autorenkollegen, selbst ein Drache als Begleiter spielt auch hier wieder eine tragende Rolle. Von nordischen Märchen inspiriert, hält sie sich jedoch gerne an die Sagen aus ihrer Region. Vieles erkennt man wieder, wenn man sich ein wenig auskennt in den nordischen Legenden.

Chipmans Geschöpfe sind nicht unbedingt ehrenvolle, immer friedliche und schöne Wesen, gerade die Elfen sind nicht unbedingt märchengerecht. Auch die Gefahren, die sich unseren Helden in den Weg stellen, sind nicht von Pappe, doch die Autorin versteht es, Grausamkeiten in ihrer Geschichte geschickt zu umschreiben. Sofern es in der Handlung zu heftigen Auseinandersetzungen kommt, blendet sie diese Details kurzerhand aus.

In ihrer eigenen phantastischen Welt geht es primär um die Erfahrungen und die persönliche Charakterentwicklungen ihrer Hauptpersonen Bendik und des Drachen Skimre. Auf ihrem beschwerlichen Weg lernen die beiden jeweils die andere Spezies kennen und lieben, befreien sich von Vorurteilen und lernen, gemeinsam Hand in Hand zu arbeiten. Mit wirklich wenigen Beschreibungen gelingt es Chipman, dabei eine geheimnisvolle, mystische Atmosphäre zu erschaffen. Besonders jugendlichen Lesern wird das Abenteuer vor dieser phantastischen Kulisse gefallen, gerade weil der Drache im Verlauf der Handlung immer mehr an Wichtigkeit gewinnt.

_Fazit_

„Ravenhill – Das Vermächtnis der Elfen“ ist vor allem für Jugendliche geschrieben. Die Handlung ist nicht unbedingt vielschichtig, sondern erklärt einfach und knapp, was dem erwachsenen Leser ein wenig lückenhaft erscheinen mag. Wer sich mit der nordischen Sagenwelt ein wenig auskennt, wird diesen Roman aber ebenso zu schätzen wissen, denn aus diesem Kulturkreis wird einiges vermittelt. „Ravenhill“ ist ein frischer Roman, der mehrheitlich für die junge Leserschaft verfasst wurde; besonders für Kinder und Jugendliche, die sich mit der Welt der Fantasy gerade anfreunden, ist dieses Werk ein wahrer Schatz.

_Die Autorin_

Sissel Chipman, geboren 1965, wuchs auf der norwegischen Insel Notteroy auf. Bevor sie für vier Jahre nach Kanada auswanderte, arbeitete sie mit Pferden. Heute ist sie verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren Töchtern wieder in Norwegen.

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Pullman, Philip – Magische Messer, Das (His Dark Materials 2)

Band 1: [„Der Goldene Kompass“ 4268

Der Mittelteil einer als Trilogie angelegten Romanreihe hat meist einen entscheidenden Nachteil: Er kann nicht an die Qualität des ersten und meist auch nicht an das Finale im dritten Teil heranreichen. Während im ersten Buch die Welt und die Charaktere vorgestellt werden und der Leser, sofern er Gefallen an der Handlung und dem Schreibstil des Autors findet, den noch kommenden Ereignissen entgegenfiebert, läuft im letzten Buch die ganze Geschichte ihrem Höhepunkt entgegen. Alle Elemente, die bisher eingeflossen sind, werden zusammengeführt und ermöglichen es erst, die Trilogie als Ganzes zu betrachten. Der zweite Teil steht immer dazwischen, denn er muss die Charaktere weiterentwickeln, den Plot vorantreiben und auf die ein oder andere Weise überraschen, damit der Leser des ersten Buches die Faszination nicht verliert. Er muss aber auch auf den Abschlussband vorbereiten, die Fährten auslegen und alle Fäden weiterspinnen, damit sie am Ende zusammenlaufen können.

Was dem Mittelteil also mangelt, sind meist ein fehlender Beginn und ein fehlender Abschluss, denn er bildet in der Regel nur eine Brücke zwischen denjenigen Büchern, welche die Trilogie letztendlich prägen. Dass dies Philip Pullman in „Das Magische Messer“ nicht passiert ist, lässt sich darauf zurückführen, dass er trotz Berücksichtigung der erzähltechnisch notwendigen, zuvor benannten Elemente mit einigen Traditionen bricht und es schafft, die Geschichte um Lyra aus „Der Goldene Kompass“ zwar fortzuführen, aber mit Will eine völlig neue Hauptfigur hinzufügt, die sich nahtlos in die Handlung einreiht, sie zugleich jedoch um im wahrsten Sinne des Wortes neue Welten erweitert.

_Inhalt_

Der zwölfjährige Will, der aus unserer Welt entstammt, wächst bei seiner Mutter auf. Seinen Vater hat er nie kennengelernt, da dieser vor zwölf Jahren auf einer Reise in den hohen Norden verschwunden ist. Dass trotz der langen Zeit noch kein Gras über die Angelegenheit gewachsen ist, muss der aufgeweckte Junge in dem Augenblick feststellen, als er bemerkt, dass Männer ihn und seine Mutter verfolgen. Um herauszufinden, was sie von ihnen wollen, bittet Will seine ehemalige Klavierlehrerin, auf seine Mutter aufzupassen, um dann alleine ins Haus zurückzukehren und nach Unterlagen zu suchen, hinter denen die Verfolger her sein könnten. In genau diesem Moment brechen die Männer bereits ins Haus ein, doch Will ist schneller, findet Dokumente über seinen Vater und flieht. Ein Verfolger, der ihm in die Quere kommt, kann ihn nicht mehr festhalten, im Gegenteil, er stolpert, fällt die Treppe hinunter und bricht sich das Genick. Will, der es nach draußen schafft, hetzt durch die mittlerweile dunklen Straßen, reist nach Oxford und stößt dann auf ein Tor in eine andere Welt, durch das er, immer noch auf der Flucht, kopfüber tritt – in der Hoffnung, sich dort verstecken zu können.

Will landet in einer fremden Stadt, die seinem Oxford auf den ersten Moment gleicht, dann aber doch anders ist. Alle Hotels, Cafés und Häuser sind verlassen, keine Menschenseele ist zu sehen. Als er sich in einem Hotel niederlässt, entdeckt er jedoch noch eine weiter Person: ein kleines Mädchen, das es ebenfalls in diese Stadt verschlagen hat. Ihr Name ist Lyra, eben jene Lyra, die in „Der Goldene Kompass“ über eine Brücke gegangen ist, um ihrem Vater Lord Asriel zu folgen. Doch im Nebel hat sie seine Spur und verloren und ist schließlich ebenfalls an diesem Ort gelandet. Obwohl Lyra und Will aus verschiedenen Welten stammen (jeweils einem anderen England) und sich in einer dritten Welt gefunden haben, tun sie sich zusammen. Denn Lyra sieht – nach Befragung des Alethiometers – in Will einen Verbündeten, der ihr bei ihrer Suche nach ihrem Vater helfen kann. Will hingegen hofft ebenfalls, auf Lyras Hilfe zurückgreifen zu können. So begeben sie sich durch den noch immer offenen Durchgang zurück in Wills Welt, um Fragen auf ihre Antworten zu erhalten.

Während Will im Museum mehr über die Expedition seines Vaters in Erfahrung bringt, trifft Lyra mit der Wissenschaftlerin Dr. Malone eine wichtige Verbündete. Denn diese forscht mit hochmoderner Technik nach dunkler Materie und damit, wie Lyra durch ihr Alethiometer herausbekommt, nach jenem Stoff, den Lyra in ihrer Welt als Staub kennen gelernt hat. Die Kirche und einflussreiche Politiker wollen hier wie dort der Erforschung dieses Stoffes Einhalt gebieten und verurteilen Männer wie Lord Asriel als Ketzer bzw. verhindern im Fall von Mrs. Malone die weitere Finanzierung ihres Projekts. Die Probleme, vor denen Lyra und Will, wie er schließlich erkennen muss, stehen, gehen weit über jene Welt hinaus, aus der sie stammen, und verknüpfen die tausenden von Welten, die es noch dazwischen gibt. Und auch ihre Gegner – die Männer, die Will verfolgt haben sowie die Oblationsbehörde samt der hinterlistigen Mrs. Coulter, keiner Geringeren als Lyras Mutter – haben das Ausmaß erkannt und beschränken ihre Suche auf die beiden Kinder nicht mehr nur auf ihre eigene Welt.

Neben der Haupthandlung erzählt Pullman die Geschichte einiger Figuren weiter, die in „Der Goldene Kompass“ bereits ihr Debüt gegeben haben und sich nun der Suche nach Lyra verschreiben. An erster Stelle steht die Hexe Serafina Pekkala, die den Umbruch der Welt, ausgelöst von der Überbrückung der Welten, bei ihren Flügen auf dem Besen am eigenen Leib erfährt und schließlich auf einer Ratsversammlung der Hexen dafür plädiert, sich gemeinsam gegen die Kirche und ihre dunklen Machenschaften zu stellen und Lyra zu unterstützen, auch wenn man nicht weiß, wohin es das Mädchen verschlagen hat. Tapfer schlägt sich auch der Aeronaut Lee Scoresby auf die Seite der Widerständler und stellt Nachforschungen an, um die Suche zu beschleunigen und wertvolle Hinweise zu finden, die für einen bevorstehenden Krieg eingesetzt werden können. Denn diesen, da sind sich alle sicher, wird es früher oder später geben, und er wird nicht nur in einer, sondern gleich mehreren Welten ausgetragen werden.

_Bewertung_

Philip Pullman legt mit „Das Magische Messer“ einen zweiten Teil vor, der sich bewusst von der noch stark märchenhaften Stimmung in „Der Goldene Kompass“ löst. Statt die altbewährte Mixtur des ersten Bandes – altbewährt im Sinne von gelungen, denn das Konzept seines Romans war innovativ und neuartig – zu wiederholen, greift Pullman mit der neuen Figur Will und den neuen Welten Stränge auf, welche die Geschichte (auch die des ersten Bandes) in einem völligen neuen Licht erstrahlen lassen. Statt sich auf die Perspektive einer kleinen Heldin zu konzentrieren, wie es im ersten Buch noch zweifellos sinnvoll gewesen ist, um die Welt mit den Augen Lyras zu entdecken, geht Pullman nun um einiges vielschichtiger vor, wechselt ständig zwischen Figuren und Schauplätzen hin und her und verhilft den zu Beginn noch lose, später immer enger verwobenen Handlungssträngen zu noch mehr Rasanz. Da heißt es: mitgedacht, um der Geschichte noch folgen zu können. Dennoch bleibt „Das Magische Messer“ immer verständlich und logisch, es wird lediglich um einiges komplexer. Dies ist aber klar als Vorteil zu sehen, da die gesamte Trilogie dadurch an Qualität gewinnt.

Die vielen Anspielungen, die im ersten Buch etwa die Kirche oder technische Gerätschaften betreffen, gewinnen an Bedeutung und werden stärker ins Zentrum der Geschichte gerückt. Dadurch, dass ein Großteil in unserer gegenwärtigen Welt spielt (bzw. Ende der Neunziger, als das Buch erschienen ist), werden die gesellschaftskritischen Elemente natürlich noch offensichtlicher. Auf der anderen Seite treten die fantastischen Elemente scheinbar in den Hintergrund, was jedoch angesichts neuer Parteien, etwa der Engel oder der Geister, die es auf die Seele von Erwachsenen abgesehen habe, so nicht ganz zutrifft. Pullman hütet sich jedoch, diese als Besonderheit herauszustellen, sondern pflegt sie dermaßen geschickt ein, dass sie als Teil einer der dargestellten Welten wahrgenommen und als gegeben akzeptiert werden. Die Fantastik spielt also nur scheinbar eine untergeordnete Rolle, vielmehr ist sie eingebettet in einen Rahmen, der aus dem üblichen Schema der Fantasy-Literatur ausbricht.

Die Verknüpfung mehrerer Welten und Personen, die über die Grenzen hinaus miteinander in Verbindung treten, ist es, was „Das Magische Messer“ zu einem spannenden und überaus interessanten zweiten Teil macht. Die Erwartungshaltung, die beim Lesen von „Der Goldene Kompass“ auf die Fortsetzung entstanden ist, war eine andere, und so kann es durchaus vorkommen, von der völlig neuen Erzählweise zunächst enttäuscht zu werden. Wer sich darauf jedoch einlässt und sich nicht an die mythische Alternativ-Welt aus dem ersten Teil klammert, wird durch eine Erzählung belohnt, die hinter ihrer einfachen Sprache ein durchaus anspruchsvolles Geflecht ineinander verwobener Handlungsstränge, Anspielungen und plastischer Charaktere bietet.

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[„Graf Karlstein“ 3374
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Tamora Pierce – Im Zeichen der Löwin – Die Entscheidung

Tamora Pierce gehört zu den Namen überhaupt in der Kinder- und Jugend-Fantasy. Ihr Zyklus um Alanna von Trebond, die sich als Junge verkleidet an den Königshof schlich, um sich als Ritter ausbilden zu lassen, ist weltbekannt. Mit der Reihe „Im Zeichen der Löwin“ macht sie da weiter, wo sie mit Alanna aufgehört hat: Ein junges Mädchen muss sich in der Männerdomäne der Ritter beweisen.

Allerdings hat Keladry von Mindelan, genannt Kel, es wesentlich einfacher als Alanna, der bislang einzige weibliche Ritter im Königreich. Mittlerweile ist es Mädchen per Gesetz erlaubt, die harte Ausbildung zum Ritter zu machen, doch bislang traute sich noch niemand. Kel möchte die Erste sein, doch bald stellt die Zehnjährige fest, dass das bei weitem nicht so einfach ist, wie sie es sich vorgestellt hat.

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Hawking, Lucy & Stephen – geheime Schlüssel zum Universum, Der

Das Weltall, unendliche Weiten – kaum etwas fasziniert so sehr wie der Kosmos, doch kaum etwas ist schwieriger zu begreifen als die Physik, die sich dort abspielt. Im Weltall sind schwarze Löcher verborgen, wir sehen Sterne am Nachthimmel, die bereits lange ihr Leben ausgehaucht haben und doch trotzdem noch für uns leuchten, und wir entdecken immer noch neue Physik. Das Weltall birgt für die Menschen noch so viele Geheimnisse, dass es kaum wundert, dass sich selbst der Nicht-Physiker dafür interessiert, was jenseits unserer Erde zu finden ist und was sich außerhalb unserer Galaxie abspielt. Und auch Kinder fragen schon früh nach den Sternen am Himmel. Dass man ihnen einfache Antworten geben kann, das beweisen Lucy und Stephen Hawking in ihrem neuesten Gemeinschaftswerk.

_Schwein gehabt_

Auf der Suche nach seinem entlaufenen Schwein Freddy krabbelt der kleine George in den nachbarlichen Garten, auch wenn ihm seine Eltern dies strengstens verboten haben. Aber das ist nicht das Einzige, was sie ihm verbieten. George darf keinen Computer besitzen und die Familie kommt auch ohne Fernseher aus, denn all diese technischen Neuerungen sind der Anfang vom Ende unserer Erde – so glauben zumindest Georges Eltern. Dass er deswegen in der Schule gehänselt wird und seine Schulkameraden über die merkwürdigen Pausenbrote lachen, das ahnen Georges Eltern wahrscheinlich nicht. Doch an diesem einen Abend muss er sich ihnen einfach widersetzen, denn Freddy ist sein einziger richtiger Freund, und wenn es in Nachbars Garten nun wirklich gefährlich ist, dann muss er sein geliebtes Schwein eben retten.

Langsam geht er auf das Nachbarhaus zu, dessen Eingangstüre geöffnet steht. George schleicht sich ins fremde Haus und folgt den Spuren seines Schweins, das er in der Küche findet, wo es eine gefährlich aussehende dunkelrote Flüssigkeit trinkt. George glaubt sofort an eine Falle und vermutet Gift in der Schüssel, doch das Mädchen, das neben Freddy steht, lacht ihn nur aus, denn es war lediglich Johannisbeersaft. Das fremde Mädchen, das sich als Annie vorstellt, kommt George etwas komisch vor, doch noch hat er nicht ihren Vater Eric kennengelernt, der Physiker ist und den leistungsstärksten und erstaunlichsten Computer der ganzen Welt besitzt, nämlich Cosmos. Cosmos ist allerdings kein gewöhnlicher Rechner, denn Cosmos eröffnet den Mitgliedern einer geheimen Gemeinschaft die unendlichen Weiten des Weltalls. So lernt George an diesem Abend viel über den Kosmos.

Am nächsten Tag verplappert er sich aus Versehen in der Schule und verrät seinem verhassten Lehrer Dr. Reeper, dass sein Nachbar über einen gar wunderlichen Computer verfügt. Reeper wird gleich auffallend interessiert und führt offensichtlich etwas im Schilde. Noch weiß George allerdings nicht, dass Cosmos nicht nur Filme über das Weltall zeigen kann, sondern er kann seine Nutzer direkt dorthin versetzen. Bei seinem ersten Ausflug zu den fernen Planeten, die er per Komet bereist, merkt George allerdings schnell, dass diese Ausflüge sehr gefährlich sein können. Nur mit Mühe und Not kann er sich mit Annie zusammen wieder in das nachbarliche Wohnzimmer retten. Es gibt allerdings noch viel gefährlichere Abenteuer zu überstehen, bei denen Dr. Reeper seine schmutzigen Finger im Spiel hat …

_Logbuch des Kosmos_

Mit Unterstützung ihres Vaters, des berühmten Kosmologen Stephen Hawking, hat Lucy Hawking ein fantastisches Kinderbuch geschrieben, das, in kindgerechten Worten geschrieben und in eine wunderbare Geschichte verpackt, die Grundlagen der Astrophysik erläutert. Gemeinsam mit George lernt der Leser viel über unser Planetensystem, wir erfahren, welche Planeten zu unserem Sonnensystem gehören, dass Pluto zum Zwergplaneten degradiert wurde, damit aber nicht alleine dasteht, denn zum Sonnensystem zählen noch zwei weitere Zwergplaneten. Wir reisen zusammen mit George und Annie auf einem Kometen zu den beiden Riesenplaneten Jupiter und Saturn und erfahren ganz nebenbei die wichtigsten Informationen über die beiden Planeten und ihre Monde.

Immer wieder sind zwischendurch Infotafeln abgedruckt, welche die physikalischen Hintergründe derjenigen Dinge erklären, die George und Annie gerade erleben. Wenn sie beispielsweise auf einem Kometen an unseren Planeten vorbeirauschen, sind Informationen über die Planeten und das Sonnensystem abgedruckt. Aber auch Grundlagen wie das Licht und seine Geschwindigkeit, das Teilchenmodell, Aufbau der Materie und der Unterschied zwischen Masse und Gewicht werden so einfach und verständlich eingeführt, dass ich mir sicher bin, dass ein Schüler ab etwa 12 Jahren diesen Ausführungen folgen kann. Während das Buch zunächst mit recht einfachen Fakten beginnt, steigert sich das Niveau gen Ende, wenn auch schwarze Löcher, weiße Zwerge, Supernovae oder Neutronensterne thematisiert werden. Selbstverständlich sind viele Dinge vereinfacht dargestellt, aber trotzdem werden dabei keine physikalischen Fakten verdreht.

Ganz nebenbei thematisieren die beiden Hawkings auch die Frage nach Leben jenseits der Erde, sie erzählen von den Exoplaneten und von der Entdeckung von Gliese 581c, der eventuell über Wasser verfügt. Dank Georges umweltbewussten Eltern geht es auch um die Frage, ob man lieber nach einem Exoplaneten suchen soll, der ebenfalls bewohnbar ist, oder ob es nicht sinnvoller ist, die Erde zu schützen und bewohnbar zu halten. Auf diese Frage gibt es zwar keine eindeutige Antwort, aber auch George erfasst schnell, wo der Kern des Problems verborgen liegt.

_Prächtiges Universum_

Optisch ist das Buch ein Hochgenuss. Entfernt man den bunt bedruckten Schutzumschlag, so zeigt sich ein ebenfalls bedruckter Bucheinband, der das gleiche Motiv wie der Umschlag trägt. Die Schrift ist kindgerecht groß und mit angenehmem Zeilenabstand gedruckt. Die Infotafeln, die zwischendurch die wesentliche Physik erläutern, sind zwar in Schwarzweiß gehalten, dennoch sind sie optisch so nett gestaltet, dass der Leser sich sofort neugierig in das Studium der Infotafeln vertieft. Aber was wäre ein Buch über den Kosmos ohne die faszinierenden Bilder, die uns dank Raumsonden oder Teleskopen inzwischen zur Verfügung stehen? So sind auch hier an vier Stellen jeweils vier Blätter Hochglanzpapier eingefügt, die in bestechenden Farben die faszinierendsten Aufnahmen aus dem Weltall zeigen. Wir sehen die Planeten und ihre Monde, das Zentrum der Milchstraße, Kometen oder auch die Andromeda-Galaxie. Jedes Bild ist mit einer informativen Bildlegende versehen, sodass man immer genau weiß, was auf dem Bild zu sehen ist.

Aber nicht nur die Physik und die optische Gestaltung sind überaus gelungen. Die Rahmengeschichte, die Lucy Hawking erzählt, ist nicht minder spannend und ergreifend. Wir lernen den sympathischen George kennen, mit dem wir gleich mitfühlen, wenn er von seinen Mitschülern tyrannisiert wird. Als er dann in die faszinierende Welt seiner Nachbarn eintauchen und seine eigenen Eltern vergessen kann, ist er glücklich und bemerkt zum ersten Mal, dass er frappierende Wissenslücken hat, die ihm vorher nie bewusst gewesen sind. Doch kaum haben Annie und Eric ihn mit den ersten Informationen über das Universum gefüttert, ist Georges Ehrgeiz geweckt; er will mehr darüber wissen und meldet sich später sogar zu einem Wissenschaftswettbewerb an, bei dem er einen Vortrag über das Weltall halten will.

Doch da ist auch noch Dr. Reeper, der dem Leser (und nicht nur ihm) von Anfang an unsympathisch ist. Reeper führt etwas im Schilde, das ist sofort klar, doch welch perfiden Plan er wirklich schmiedet, das wird erst im Laufe der Geschichte deutlich. Dass er es auf Cosmos und Eric abgesehen hat, kann man sich denken, doch reicht es ihm nicht, Cosmos für sich zu gewinnen, nein, er will Eric vernichten und loswerden. Auch George ahnt nicht, welch schreckliche Pläne sein Lehrer hat, doch wenn Reeper Eric immer näher kommt, wittert man sogleich die Gefahr, die zu einem richtig gelungenen Spannungsbogen führt. Obwohl dies ja „nur“ ein Kinder- oder Jugendbuch ist, muss ich doch gestehen, dass die beiden Hawkings mich von der ersten Seite an mitgerissen haben und die Geschichte auch für den erwachsenen Leser so spannend wird, dass man das Buch erst dann aus der Hand legen kann, wenn man sich von George verabschieden muss, weil das Buch zu Ende ist.

_Zwei kleine Weltraumreisende erobern das Universum_

Auch die Figurenzeichnung ist lobend hervorzuheben, denn mit George und Annie präsentieren uns die Hawkings zwei neugierige Kinder, die dem Geheimnis des Universums auf die Spur kommen möchten. George hat alleine schon dank seines niedlichen Schweines Freddy von Anfang an einen Sympathiebonus, aber auch Annie mit ihrer blühenden Fantasie, die erst von sich behauptet, eine Waise zu sein und später dann aber meint, ihre Mutter würde als Tänzerin in Moskau arbeiten (was sie natürlich nicht tut), wächst einem schnell ans Herz. Wie es im Zuge der Emanzipation nicht weiter verwundert, ist hier Annie diejenige, die mehr über Physik weiß als George, dem sein Unwissen aber bald so peinlich wird, dass er alles daransetzt, so schnell und so viel wie möglich dazuzulernen. Beide Protagonisten sind hervorragende Identifikationsfiguren für den jugendlichen Leser, aber auch ich konnte mich wunderbar in die Geschichte hineinversetzen.

Selbst der sensible Supercomputer Cosmos wird einem regelrecht sympathisch, wenn er vor sich hinsingt oder dem ekelhaften Lehrer Reeper nicht verraten will, was denn nun der geheime Schlüssel ins Universum ist. Cosmos erhält so menschliche Züge, dass man am Ende auch um sein Leben fürchtet. Doch auch der Gegenpart ist wunderbar besetzt mit Dr. Reeper, der keinen freundlichen Charakterzug erhält, Georges verhasste Mitschüler zu seinen Gehilfen macht und ihnen aufträgt, Cosmos zu entwenden. Natürlich sind alle Figuren etwas überspitzt dargestellt, aber in Anbetracht des geringen Buchumfangs von nur 263 Seiten ist es absolut erstaunlich, wie gut wir die einzelnen Charaktere überhaupt kennenlernen.

_Lob auf ganzer Linie_

Insgesamt ist „Der geheime Schlüssel zum Universum“ für mich ein ganz großer Wurf und schon jetzt ein Geschenktipp für Weihnachten, denn Lucy und Stephen Hawking schaffen es in kindgerechter und verständlicher Weise, dem Leser die Grundzüge des Universums zu erklären, und das auf so unterhaltsame und spannende Weise, dass man kaum merkt, dass man nebenbei auch etwas lernt. Die Rahmengeschichte überzeugt so sehr, dass sie selbst den erwachsenen Leser fesseln kann und auch die Charaktere überzeugen auf ganzer Linie. Einzig der Preis von knapp 17 € schmerzt ein wenig in Anbetracht der Tatsache, dass man das Buch in knapp drei Stunden bereits durchgelesen hat, doch auch davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn dieses Buch ist etwas für die ganze Familie. Unbedingte Empfehlung!

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|Ergänzend dazu:|
[„Die kürzeste Geschichte der Zeit“ 3119

Rosenboom, Hilke – Teeprinzessin, Die

|Reisen ist besonders schön, wenn man nicht weiß, wohin es geht. Aber am allerschönsten ist es, wenn man nicht mehr weiß, woher man kommt.| Lao Tse

Mit diesen Worten beginnt Hilke Rosenbooms zweiter Jugendroman „Die Teeprinzessin“, und welche Worte könnten die Traumwelt, die Rosenboom uns eröffnet, besser beschreiben als die obigen? Wir werden in das 19. Jahrhundert versetzt und reisen gemeinsam mit der Protagonistin von Deutschland über Indien und China in die USA und schließlich wieder zurück nach Deutschland. Einmal rund um die Welt geht es, ständig weht uns ein leichter Duft kostbaren Darjeelingtees um die Nase und immer jagen wir der großen Liebe hinterher. Fast hört es sich an wie ein Märchen, und genau das ist es auch.

_Es war einmal ein hübsches Mädchen …_

Elisabeth Henningson, von allen nur Betty genannt, ist vierzehneinhalb Jahre alt, als wir sie kennenlernen. Ihr Vater ist Silberschmied in Emden, doch das Geschäft läuft schlecht, weil sich niemand mehr die schimmernden Kostbarkeiten leisten kann. Trotzdem wird Betty auch an dem Morgen eines ganz besonderen Tages um fünf Uhr in der Früh durch das Klappern der Silberhämmer geweckt. Eigentlich hasst Betty diese frühe Ruhestörung, doch an diesem Morgen hat sie sich mit ihrem Jugendfreund Anton verabredet, um vor Sonnenaufgang Fotografien von ihr zu machen. Als sie bei Anton im Teehandelshaus ankommt, ist dieser jedoch so aufgeregt und abgelenkt, dass die Fotos in weite Ferne gerückt sind. Antons Vater empfängt einen geheimnisvollen Gast, der ihm von Tee aus Darjeeling erzählt. Davon hat Antons Vater noch nie gehört, hat er sich doch auf feinen Chinatee spezialisiert. Bettys und Antons Neugierde ist jedenfalls so stark, dass sie sich auf den Lagerboden schleichen, um dem Gespräch zwischen Antons Vater und dem mysteriösen Fremden zu lauschen. In einem unbedachten Moment rutscht Betty allerdings vom Boden und fällt dem Fremden – John Francis Jocelyn – direkt in die Arme.

Dies ist wohl der Moment, der sowohl Antons wie auch Bettys Leben vollkommen verändern wird, denn Betty hat vor ihrem Sturz ihre Haarspange verloren, die Anton hektisch zu suchen beginnt. Um besser sehen zu können, zündet er eine Kerze an, vergisst jedoch, diese wieder zu löschen. Später am Tag brennt das ganze Teehandelshaus nieder und Anton wird zur Strafe zu einer Ausbildung nach Hamburg geschickt. Betty hat derweil Hausarrest und ahnt noch gar nicht, dass ihr Freund bereits die Stadt verlassen hat. Aber auch Betty muss Emden bald verlassen, denn der Wandergeselle ihres Vaters beginnt ihr nachzustellen, und da ihr Vater unheilbar krank ist, sieht er keine andere Möglichkeit, als sie zu einer Familie nach Hamburg zu schicken, damit Betty dort als Haustochter lebt.

Schweren Herzens begibt Betty sich also nach Hamburg, ahnt aber noch nicht, dass sie dort nicht als Haustochter leben wird, sondern als einfaches Hausmädchen schwere Arbeit zu verrichten hat. Betty ist verzweifelt, sie vermisst ihren Vater und Anton, fühlt sich im Stich gelassen und träumt immer noch von dem geheimnisvollen Fremden, der Tee in Darjeeling anbaut. Einige Zeit dauert es noch, einige Hindernisse sind zu überwinden, schwierige Situationen zu überstehen, bevor Betty die Gelegenheit hat, als Junge verkleidet gen Osten zu reisen, um dort mit Tee zu handeln. Eigentlich ist China ihr Ziel, doch als ihre wahre Identität unterwegs enthüllt wird, setzt der Kapitän sie kurzerhand in Kalkutta ab. Nachdem der erste Schreck überwunden ist, begibt sich Betty nach Darjeeling und auf die Suche nach John Francis Jocelyn.

_Bunte Bilder und Wohlgerüche_

Hilke Rosenboom entführt uns in eine faszinierende Welt. Zu Beginn befinden wir uns noch in deutschen Landen und lernen die Protagonisten in Emden kennen, doch später werden wir uns gemeinsam mit Betty auf eine weite und abenteuerliche Reise begeben. Zunächst nimmt sich Rosenboom viel Zeit, um ihre Geschichte und ihre Charaktere zu entwickeln. In schillernden Farben beschreibt sie Bettys Leben in der Silberschmiede und ihre Vorliebe für Tee. Dieser ist allerdings so kostbar geworden, dass sie daheim keinen mehr trinken darf. Umso besser gefallen ihr die Besuche bei Anton im Teehandelshaus, wo sie zumindest die Wohlgerüche des teuren chinesischen Tees erschnuppern darf. Anton hat dafür allerdings nicht viel übrig, er würde viel lieber Fotograf werden, doch dafür hat sein Vater nur leider gar kein Verständnis.

Betty ist erst vierzehn Jahre jung, doch träumt sie bereits von der großen, weiten Welt. Als sie John Francis Jocelyn von Darjeeling sprechen hört und den ungewohnten Duft des neuartigen Tees in die Nase bekommt, träumt sie sich bereits nach Darjeeling, das für sie zum Inbegriff des Teeparadieses wird. Bevor sie diesen Träumen allerdings nachgeben kann, bricht zunächst ihre kleine, heile Welt zusammen. Anton wird fortgeschickt und sie hat Hausarrest, weil sie ebenfalls schuld am Brand im Handelshaus gewesen ist.

_Eine kleine Prinzessin_

Im Mittelpunkt der gesamten Erzählung steht Betty Henningson, die viele Abenteuer zu überstehen hat. Besonders groß ist ihre Not, als sie bei der Hamburger Familie in einem ungemütlichen Kellerverschlag hausen und schwere Hausarbeit erledigen muss. Erst später erfährt sie, dass es eine Verwechselung gegeben hat und sie bei der falschen Familie gelandet ist, doch zu diesem Zeitpunkt hat sie bereits ihre Fühler ausgestreckt nach einer Familie in Hamburg, die mit Tee handelt. Mit viel Liebe zum Detail entwickelt Hilke Rosenboom ihre Hauptfigur. Obwohl ihr Roman aus Sicht eines neutralen Beobachters geschrieben ist, verlassen wir Betty in keiner Szene, wir fühlen mit ihr, wir kennen ihre Gedanken, Wünsche und Träume und wissen von Anfang an, dass ihr Herz am Tee und schließlich auch an John Francis Jocelyn hängt, der für sie den köstlichen Darjeeling verkörpert. Später sind es schließlich Antons Liebe zur Fotografie und zu einem gewissen Fotografen, die es Betty ermöglichen, ihren Teeträumen hinterherzureisen.

Im Laufe der Geschichte wird Betty nicht nur zwei Jahre älter, sondern auch viel erwachsener und reifer. Sie muss alleine in der Fremde zurechtkommen und später den Tod ihres Vaters verkraften, doch Betty lässt sich nicht unterkriegen. So wird sie zur perfekten Identifikationsfigur, da sie die Träume wahr werden lässt, die so manches Mädchen hegen mag.

Verglichen mit Betty wird allen anderen Figuren sehr wenig Platz eingeräumt. Selbst Anton, der zunächst ihre große Liebe zu sein scheint, wird schnell zu einer Nebenfigur degradiert, die zudem immer mehr Schwächen zeigt und dadurch einige Minuspunkte zu verbuchen hat. Auch John Francis Jocelyn bleibt leider ziemlich im Dunkeln. Später trifft Betty ihn zwar wieder und wir lernen ihn als eine Art indischen Teebaron kennen, doch sein Charakter entfaltet sich nicht voll. Schade, aber einzig Betty gewinnt so richtig an Profil.

_In achtzig Tagen um die Welt_

Die Schauplätze dagegen sind gut gewählt. Auch wenn Emden zunächst etwas bieder scheinen mag, so verlassen wir die kleine Stadt im Norden doch bald und begeben uns zumindest erst einmal nach Hamburg. Später führt uns die Reise dann einmal rund um den Globus. Im Gepäck hat Betty eine kostbare Lieferung an Darjeelingtee, den sie eigentlich gerne nach Hamburg transportieren möchte, doch auf ihrer Reise hat sie mindestens so viele missliche Abenteuer zu überstehen wie Phileas Fogg in Jules Vernes [Erfolgsroman. 944 Unterwegs geht alles schief, was nur schiefgehen kann, was zugegebenermaßen die Geduld des Lesers mitunter etwas überstrapaziert. Betty macht Bekanntschaft mit chinesischen Gefängnissen, mit der Teemafia und einigen üblen Gesellen. Wie aber schon bei Jules Verne, so fügt sich hier am Ende alles zusammen. Das mutet schon ein wenig unrealistisch an, auf der anderen Seite schildert Hilke Rosenboom ein traumhaftes Märchen, das sich an den jugendlichen Leser richtet, sodass man ihr diese Realitätsferne verzeihen mag.

Um noch einmal auf das Zitat zurückzukommen: Als Betty sich auf das Schiff gen Osten begibt, meint sie zwar zu wissen, wohin ihre Reise sie bringen mag, allerdings kommt dann alles anders, als sie denkt. Als sie dann erst einmal in Darjeeling angekommen ist, weiß sie sofort, dass dies ihre Heimat ist; dort findet sie genau das, was sie sich immer erträumt hat und sie befindet sich im schönsten Teeparadies, das sie sich je ausgemalt hat. Dieses „Nachhause-Finden“ schildert Hilke Rosenboom sehr überzeugend.

_Stilblüten_

Hilke Rosenbooms Sprache ist ausgesprochen blumig und ausschmückend und passt damit perfekt zu der geschilderten Geschichte, denn auch diese ist märchenhaft. Kaum ein winziges Detail entgeht Rosenbooms Aufmerksamkeit, und sie schafft es fast, uns beim Lesen den Teeduft in die Nase zu zaubern, doch in ihrem Überschwang der Gefühle passieren ihr nebenbei auch einige Patzer, die bei genauer Lektüre auffallen. So lernen wir eine Dame kennen, die ‚in Gewänder gewandet‘ ist oder entdecken Sätze, in denen sich (offensichtlich ungewollte) Wortdoppelungen finden. Wenn es einem auffällt, stört es den Lesefluss doch ein wenig, aber wenn man so richtig in der Tiefe des Buches versinkt, mag man auch oftmals über diese Kleinigkeiten hinweglesen.

_Unter dem Strich_

Insgesamt gefiel mir „Die Teeprinzessin“ ausgesprochen gut, auch wenn das Buch sich offenkundig eher an jugendliche Leser richtet, da die Geschichte doch ein wenig eindimensional gestrickt ist. Schon von Anfang an ist klar, dass es ein Happy-End für Betty geben wird; so ist es dann schließlich auch keine große Überraschung, als sich auf ihrer abenteuerlichen Reise doch alles zum Guten wendet. Auch die Charakterzeichnung, die sich einzig auf Betty beschränkt, trübt ein wenig den Gesamteindruck, dennoch macht es Spaß, in die faszinierende Welt, die Rosenboom uns schildert, einzutauchen. Besonders gut haben mir die exotischen Schauplätze gefallen, in die Betty und John Francis Jocelyn sich hervorragend einfügen.

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Susan Gates – Dusk. Jagd in der Dämmerung

Curtis ist ein ziemlicher Versager. Er ist Alkoholiker, lebt von seiner Familie getrennt und droht demnächst wegen schlampiger Arbeitsweise seinen x-ten Job zu verlieren. Da sowieso schon alles egal zu sein scheint, verschafft der nachlässige Laborassistent sich aus purem Trotz Zugang zu einem Raum, der ihm eigentlich streng verboten ist. Aber ehe ihn jemand dort erwischen kann, führt seine eigene Unachtsamkeit zu einem Großbrand …

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Babendererde, Antje – verborgene Seite des Mondes, Die

_Einst bevölkerten_ sie den amerikanischen Kontinent, bevor die Europäer kamen: die Indianer. Es gibt sie auch heute noch, aber von Wild-West-Romantik ist wenig zu spüren. Die wenigsten leben noch in Tipis und in Einklang mit der Natur. Meistens sind sie kaum von den europäischen Amerikanern zu unterscheiden, unter denen sie nicht nur damals, sondern auch noch heute zu leiden haben.

Die Jugendbuchautorin Antje Babendererde zeigt in ihrem Buch „Die verborgene Seite des Mondes“, wie die Indianer heute leben. Im Mittelpunkt steht Julia, die zur Hälfte Deutsche und zur Hälfte Indianerin ist. Als ihr Vater John stirbt, bricht eine Welt für sie zusammen, denn im Gegenteil zu ihrer Mutter war ihr Vater stets für sie da und hat sie an seinen indianischen Wurzeln teilhaben lassen. Daraus hat sie sich ein idealistisches Bild aufgebaut, doch als sie nach seinem Tod endlich ihre Familie in Amerika kennenlernt, wird dieses schnell zerstört. Ihre bereits alten Großeltern erhalten eine verfallene Ranch in der Wüste von Nevada aufrecht, obwohl die Repressalien der amerikanischen Regierung dies fast unmöglich machen. Ada, Julias Großmutter, ist eine bekannte Freiheitskämpferin, doch privat ist sie eine ruppige Person, die Julias Mutter Hanna die Schuld daran gibt, dass John die Ranch im Stich gelassen und ihr nach Deutschland gefolgt ist. Deswegen trifft Julia auch erst mit fünfzehn Jahren zum ersten Mal ihre Großeltern.

Auf der Ranch herrschen eine Menge Spannungen. Mit der Zeit merkt Julia, dass ihr Vater ihr lange nicht alles erzählt hat, was mit seiner Vergangenheit zu tun hat. In ihre Trauer mischen sich Wut und Unverständnis. Sie fühlt sich nicht sonderlich wohl auf der Ranch, doch als sie den stillen Simon kennenlernt, ändert sich das. Simon, ein Einzelgänger, der sich wegen seines Sprachfehlers schämt, gibt sich anfangs eher abweisend, doch es gelingt Julia, ihm näherzukommen. Sehr nahe, um ganz ehrlich zu sein. So nahe, dass es die beiden in ungeahnte Gefahr bringt …

_Von Jugendbüchern_ ist man eine Menge gewohnt. Viele dieser ‚Werke‘ sind kitschiger Herzschmerz vor einer kaugummirosafarbenen Kulisse. Nicht so der vorliegende Roman von Antje Babendererde. Die Autorin widmet sich einem ernsten Thema: der Unterdrückung der amerikanischen Ureinwohner durch die amerikanische Regierung. Allerdings wird sie dabei nicht zu politisch. Sie lässt immer wieder interessante Informationen einfließen, beschreibt im Allgemeinen aber mehr den Alltag von zähen Kämpfern wie Julias Großeltern. Sie malt ein farbiges, sehr detailreiches Bild vom Ranchleben und übergeht dabei nichts. Sie erzählt von indianischen Kindern, die behindert zur Welt kommen, weil sie in einem atomverseuchten Gebiet geboren werden. Sie erzählt von Drogensucht und Alkoholismus, der Hoffnungslosigkeit, den schlimmen Zuständen, jungen Müttern, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder behandeln sollen – und sie erzählt eine wunderschöne Liebesgeschichte zwischen zwei Teenagern, die beide ihr Päckchen zu tragen haben.

Julia ist ein nettes, manchmal etwas naives Mädchen. Sie hat in ihrem bisherigen Leben nur wenig Leid gesehen und der Tod ihres Vaters bedeutet einen starken Einschnitt für sie. Die Reise nach Amerika öffnet ihr die Augen und lässt sie wachsen. Babendererde hat Julia nicht besonders originell gestaltet, aber das sollte man ihr verzeihen, denn dafür ist das Mädchen sehr sympathisch und unglaublich lebendig. Sie ist das nette Mädchen von nebenan, das die Autorin als nachdenklich und überhaupt nicht oberflächlich darstellt. Ihre Ausarbeitung ist bewundernswert gelungen.

Gleiches gilt für den siebzehnjährigen Simon, der sich mit Julia die Erzählperspektive des Buchs teilt. Im Gegensatz zu ihr ist er in Armut und unter sehr harten Umständen aufgewachsen. An ihm zeigt sich, wie sich eine solche Vergangenheit auf das Verhalten und auch auf die Psyche niederschlägt. Simon denkt selten an sich selbst und ist menschenscheu. Seine Stotterei isoliert ihn noch mehr von anderen Menschen und die Tiere sind seine einzigen Freunde – bis Julia kommt. Sie hilft dem Jungen mit ihrer unbekümmerten Art, und Babendererde stellt sehr anschaulich und mit viel Gefühl dar, wie er sich verändert. Die Stille und die Trauer, die in ihm stecken, werden unglaublich stark dargestellt, sind stellenweise sogar poetisch angehaucht.

Die Autorin zeigt mit ihrer tragischen Geschichte auch die dunklen Seiten des Lebens auf. Sie begeht allerdings nicht den Fehler, sich auf die Liebesbeziehung der beiden Protagonisten zu verlassen, sondern baut zudem einige kurze Handlungsstränge ein. Diese sorgen für ein gewisses Maß an Spannung, sind aber nicht überladen, sondern sehr sorgfältig dosiert. Sie bringen Bewegung in die Geschichte und runden das Buch ab, das in einer klaren, gut lesbaren Sprache verfasst ist. Babendererde verzichtet auf rhetorischen Schnickschnack und bleibt oft sehr nüchtern, beobachtend. Sie geht allerdings auch stark auf die Gefühle und Gedanken der Protagonisten ein und verwendet an diesen Stellen häufig eine etwas poetischere Sprache. Gerade Simon denkt immer wieder in Metaphern, was sehr gut zu seiner nachdenklichen Persönlichkeit passt.

_In der Summe_ ist Antje Babendererde ein unglaublich atmosphärisches und schön erzähltes Buch gelungen. Sie verklärt das heutige, harte Leben der Indianer nicht, lässt aber Platz für Gefühle. Neben der romantischen Seite des Buches beschreibt sie aber auch den Freiheitskampf von Ada und ihrem Volk, ohne darüber zu urteilen. Somit ist „Die verborgene Seite des Mondes“ mehr als ein kitschiger Mädchenroman. Dafür ist die Geschichte zu seriös, zu tiefgehend und vor allem zu interessant. Es kommt schließlich nicht jedes junge Mädchen in den Genuss, wie Julia nach Amerika zu fliegen und auf einer echten Ranch zu leben.

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Delaney, Joseph – Spook 3 – Das Geheimnis des Geisterjägers

Mit „Spook – Das Geheimnis des Geisterjägers“ legt Joseph Delaney nun den dritten Band seiner „Spook“-Reihe vor, mit deren ersten beiden Teilen er sich schmeichelnde Worte redlich verdient hat. „Spook“ erzählt von den Abenteuern des jungen Thomas Ward, der als siebter Sohn eines siebten Sohnes mit besonderen Gaben gesegnet ist und deshalb eine Ausbildung zum Geisterjäger absolviert.

Bereits in den ersten beiden Teilen [„Der Schüler des Geisterjägers“ 2303 und „Der Fluch des Geisterjägers“ hat Tom erfolgreich seinen Mut bewiesen, wenn es darum ging, bösartige Hexen und skrupellose Boggarts zu bannen. In „Das Geheimnis des Geisterjägers“ zieht Tom mit seinem Lehrmeister, dem alten Spook, nach Anglezarke, in das Winterquartier des Geisterjägers.

Tom wäre zwar lieber im beschaulichen Chipenden geblieben als in das düstere und unwirtliche Anglezarke zu ziehen, aber ihm bleibt logischerweise keine andere Wahl. Der Spook hingegen hat triftige Gründe für einen Ortswechsel. In Anglezarke sind die Winter lang und dunkel und in dieser Zeit treiben sich dort so allerlei unheimliche Kreaturen herum, die das Volk in Angst und Schrecken versetzen. Für den Spook und seinen Lehrling gibt es also eine Menge Arbeit.

Dass Tom sich nicht so recht wohlfühlt in Anglezarke, verwundert nicht. Im Keller des Hauses hocken jede Menge gebannte Boggarts und gefährliche Hexen in ihren Gruben. Doch das ist nicht das einzige Problem, dem sich Tom stellen muss. Eines Tages taucht ein eigenartiger Mann auf, dessen Erscheinen nun auch beim alten Spook Sorgenfalten verursacht. Es offenbart sich ein Geheimnis aus der Vergangenheit des Spooks, das dieser lieber für sich behalten hätte, und ehe Tom sich versieht, steckt er auch schon mittendrin in einer schier ausweglosen Situation …

Schon mit den beiden Vorgängerromanen hat Joseph Delaney bewiesen, dass er spannende und schaurige Geschichten zu erzählen vermag. Der dritte Teil der „Spook“-Reihe steht dem in nichts nach. Für Spannung ist wieder einmal zur Genüge gesorgt, und was Tom alles erlebt, dürfte zumindest der anvisierten Zielgruppe doch einen gehörigen Schauer über den Rücken jagen. Auch wenn die Gruselszenen es teilweise durchaus in sich haben, ist die „Spook“-Reihe vor allem auch durch Delaneys einfach gehaltenen Erzählstil in erster Linie für (nicht zu zart besaitete) Kinder und Jugendliche gedacht.

Doch auch als Erwachsener kommt man bei „Spook“ auf seine Kosten. Die drei „Spook“-Bände sind ein spannendes und kurzweiliges Lesevergnügen, das nicht nur wegen der optisch herausragenden Aufmachung aus der Masse anderer Fantasy-Jugendbücher hervorsticht.

Zum einen wären da die interessanten Figuren, die der Leser durch alle drei Bände begleiten darf. Tom als Hauptfigur muss sich immer wieder seinen Ängsten stellen und lernen, was die Arbeit des Spooks bedeutet, nämlich nicht nur die Konfrontation mit den Mächten der Dunkelheit, sondern auch die Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Er hat einen gut geschulten Lehrmeister mit reichlich Lebenserfahrung an seiner Seite, der aber auch stets von der Aura seiner geheimnisvollen Vergangenheit umweht wird. Genau die steht dann auch im Mittelpunkt des dritten „Spook“-Bandes, nachdem Delaney bereits im Vorgängerband diverse Andeutungen eingestreut und die Neugier des Lesers angestachelt hat.

Doch es sind nicht nur die beiden Titelhelden, die zu überzeugen wissen. Delaney baut für ein Jugendbuch überraschend ambivalente Figuren ein. Nicht nur der alte Spook hat seine schwache Seite, die sich vor allem in seinem Verhältnis zu der Lamia-Hexe Meg widerspiegelt, die er sanfter behandelt, als es einer Hexe ihres Kalibers eigentlich gebührt. Tom weiß oft nicht, was er vom alten Spook halten soll, und so ist das Vertrauen in seinen Meister nicht zu jeder Zeit völlig uneingeschränkt.

Auch Alice, die junge Hexe, die Tom schon aus so mancher brenzliger Situation geholfen hat, ist eine interessante Figur, die Schlechtes wie Gutes in sich vereint. Der Spook traut ihr nicht über den Weg, und auch als Leser hegt man hin und wieder Zweifel an ihrer Loyalität. Und doch hat Alice viele gute Charakterzüge vorzuweisen. Nicht minder interessant ist Toms Mutter, deren geheimnisvolle Vergangenheit im Vorgängerband eine Rolle spielte. Auch in diesem Teil steht sie ihrem Sohn wieder mit Ratschlägen und Vorausahnungen zur Seite. Sie ist eine Figur, die irgendwie über den Dingen zu stehen scheint.

Delaney treibt mit jedem Teil der Reihe auch die Figurenentwicklung ein Stückchen voran. Tom wird allmählich reifer, und diesmal sind es vor allem die Geschehnisse rund um seine eigene Familie, die ihn erwachsener werden lassen.

Die Geschichte verläuft auch diesmal wieder außerordentlich spannend. Spätestens mit [„Der Fluch des Geisterjägers“ 3535 hat Delaney bewiesen, was er an Spannung aus seinem Plot herauskitzeln kann, und das zeigt er auch diesmal wieder konsequent. „Das Geheimnis des Geisterjägers“ ist von vorne bis hinten spannend erzählt, mit einem stetig aufwärts strebenden Spannungsbogen. Der Plot ist straff und temporeich, Spannungsabfälle sucht man vergebens.

„Spook“ macht also auch mit dem dritten Band noch immer Spaß. Ein herrlich-schauriger Lesegenuss, der sich auch mit fortschreitender Seitenzahl nicht totläuft. „Das Geheimnis des Geisterjägers“ ist übrigens noch nicht das Ende der Reihe. In England ist im Juli der vierte Teil „The Spook’s Battle“ erschienen, der sich am Ende dieses Buches schon andeutet. In „Spook“ steckt noch genug Potenzial, die Geschichte weiterzuerzählen, und so kann man sich schon auf die Fortsetzung freuen.

Bleibt unterm Strich also festzuhalten, dass „Spook – Das Geheimnis des Geisterjägers“ die Erwartungen voll erfüllt. Eine spannende Geschichte mit dezentem Gruselfaktor und interessanten Figuren. Ich warte gespannt auf den nächsten Teil.

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Schwindt, Peter – Gwydion 03 – König Arturs Verrat

Band 1: [„Der Weg nach Camelot“ 2556
Band 2: [„Die Macht des Grals“ 3509

_Story_

Nachdem sich die Prophezeiung um Gwyns undurchsichtige Herkunft erfüllt hat und dem einstigen Schweinehirten gewahr wird, dass er in Wirklichkeit der Nachkomme des letzten Gralshüters ist, wird dem unscheinbaren Knappen Lancelots erst bewusst, welche Verantwortung auf ihm lastet. Doch auch mit diesem Hintergedanken scheint Gwyn am Schicksal Camelots kaum mehr etwas ändern zu können.

Das Attentat auf Sir Kay, Arturs engsten Vertrauten, hat die Harmonie ein für allemal zerstört, zumal es sich bei Kays Mörder augenscheinlich um seinen Sohn Rowan handelt. Gwyn und Lancelot begeben sich alsbald auf die Suche nach dem verschollenen Jungen und landen in der finsteren Festung Chumleigh. Bereit, die Geheimnisse der Burg endgültig zu lüften, treffen sie auf den grausamen Herrscher Sir Gore.

Aber auch ein anderer Konkurrent trifft überraschend auf Chumleigh ein: Mordred scheint Gwyn und seinen Gefährten bereits einen Schritt voraus und in seiner Machtgier nun endlich am Ziel angelangt zu sein. Während der König auf Camelot dem Wahn verfällt, müssen seine treu ergebenen Ritter auf Chumleigh um ihr Leben bangen. Diesmal nämlich kennt Mordred keine Gnade …

_Persönlicher Eindruck_

Zeichnete sich in den vorangegangenen beiden Bänden bereits eine dezente Distanzierung bezüglich der klassischen Artus-Sage ab, vollzieht Peter Schwindt im dritten Teil seiner „Gwydion“-Reihe nun einen recht radikalen Schnitt, der das gesamte Bild der britischen Legende komplett verändert. Deutlicher als je zuvor sticht die Eigenständigkeit des Autors in „König Arturs Verrat“ hervor, belegt durch mutige Wendungen, überraschend extreme Charakterzeichnungen und eine durchweg alternative Improvisation des traditionellen Sagenstoffs.

Dabei weicht der dritte Band inhaltlich kaum von den eingeschlagenen Pfaden ab: Gwyn erfährt an Lancelots Seite stetig mehr über das Schicksal seiner Herkunft und wird sich zum ersten Mal bewusst, welche Last tatsächlich auf seinen Schultern liegt. Es ist seine Bestimmung, den Kelch zu finden und Camelot als vermeintlich letzter Gralshüter vor dem Untergang zu bewahren. Jedoch muss Gwyn erst einmal für klare Verhältnisse am Hofe des Königs sorgen.

Ränke und Intrigen überschatten die einstige Heimat der Tafelrunde, und immer deutlicher zeichnen sich auch vereinzelte Methoden des höfischen Verrats ab, die den künftigen Gralshüter von seinem eigentlichen Lebensweg abhalten. Erschreckend ist dabei vor allem die Darstellung des Königs. Artur ist dem Suff verfallen, kaum mehr imstande, sein Land zu führen und den Thron zu verteidigen. Der Mord an Sir Kay hat das Fass zum Überlaufen gebracht und den höchsten Regenten Camelots in eine tiefe Krise gestürzt, die letztendlich breitere Bahnen einnimmt, als die Protagonisten vorab befürchtet hatten. Blind für die verräterischen Interaktionen ihrer Vorgesetzten, stürzen sie in Chumleighs Übel, laufen dem heimtückischen Mordred fast ins offene Messer und ahnen noch nichts von der großen Enttäuschung, die ihnen infolge eines diebischen Deals des Königs widerfahren soll.

An dieser Stelle kommt nämlich der Titel des Romans zum Tragen; Schwindt eröffnet einige erstaunlich finstere Facetten um den viel besungenen König und zerstört in „König Arturs Verrat“ das idealistische Erscheinungsbild des einst so mächtigen Königs. Im Zuge dessen verdüstert sich auch die allgemeine Erzählatmosphäre. Niederträchtige Figuren intrigieren gegen die Sympathieträger, die Handlung gewinnt in allen Strängen an Brisanz, und bedingt durch die Unstetigkeit der sich wandelnden Hauptdarsteller hat der Autor an vielen entscheidenden Eckpunkten häufig gleich mehrfach die Überraschung auf seiner Seite.

Letzten Endes ist „König Arturs Verrat“ daher auch mit Abstand die spannendste Geschichte dieser Reihe, gleichsam aber auch ganz klar jener Roman, dem es aufgrund der vielen Erzählstationen sicherlich am wenigsten an Abwechslung mangelt. Unser Titelheld kämpft gegen den Mörder Kays, rüstet insgeheim gegen den König, sieht sich Mordred mit einem Mal schutzlos ausgeliefert und gerät alsbald in die Verlegenheit, an der Seite von Prinzessin Aileen abseits der Blutlinie das Thronerbe anzutreten. Doch auch hier lauert schließlich – wie in Band drei so häufig – der Verrat …

Denjenigen, die schon die ersten beiden Teile verschlungen haben, muss man wohl nichts mehr über die tolle Alternativversion der Artus-Sage erzählen. Dennoch sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt, dass Schwindt gerade in dieser dritten Episode sehr mutige Wege beschreitet, die im Rahmen des viel zitierten Literaturklassikers mit entsprechender Aufmerksamkeit gewürdigt gehören. Nicht nur an das jugendliche Publikum ergeht hier eine ganz klare Empfehlung!

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Jonas Torsten Krüger – Der Racheengel von Venedig

Die italienische Stadt Venedig ist ein beliebtes Touristenziel. Das ist nicht weiter verwunderlich. Immerhin gibt es eine Menge Kunst und Kultur in der Stadt, die auf Stelzen steht. Zu viel Kunst, wenn es nach der vierzehnjährigen Bea geht. Sie kann ihrer Heimatstadt nichts abgewinnen, schon alleine deswegen nicht, weil ihre verwitwete Mutter als Beauftragte für die Kirchenkunst Venedigs viel zu wenig Zeit für ihre Tochter hat. Doch das junge Mädchen weiß sich abzulenken. Wie sich das in einer Stadt gehört, in der das Boot das Auto ersetzt, ist sie gerne auf und im Wasser. Außerdem ist sie begeisterte Naturschützerin – und Hobbydetektivin!

Jonas Torsten Krüger – Der Racheengel von Venedig weiterlesen