Archiv der Kategorie: Rezensionen

Stackpole, Michael A. – Zum Helden geboren

Unüberwindbar mutet die Bannmauer für jeden an, der zum ersten Mal vor ihr steht. Ein magischer Wall zum Schutz des Imperiums. Denn während das imperiale Reich die alles einnehmende Ordnung verkörpert, ein System, das nach strikt geordneten Bahnen und Regeln verläuft, für deren Einhaltung seine Bewahrer bis in den Tod gehen, fließt hinter der Mauer das ungezügelte Chaos. Wer die Mauer von der imperialen Seite betrachtet, kann nicht anders, als sie als ein Meisterwerk zu bezeichnen, das die Stärke und Einheit des Imperiums symbolisiert. Auf der anderen Seite jedoch, wo das Chaos herrscht, wirkt sie bedrohlich und einengend – als die Umzäunung eines Gefängnisses, dem es zu entkommen gilt.

Viele Dämonen sind an der Mauer gescheitert und umgekommen, als sie versucht haben, diese zu durchdringen. Doch die Chaosmächte geben nicht eher auf, bis sie die Wände der Ordnung eingerissen haben. Immerhin haben sie einen bedeutsamen Vorteil auf ihrer Seite: Ihre wilde, ungeordnete Taktik entspringt einem Geist, in den sich die imperialen Kräfte niemals hineindenken können.

Und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Schwachstelle der Bannmauer überwunden ist. Vraska, ein Brutkind aus den Lenden eines legendären Dämonenfürsten, überlebt den Vorstoß eines Tages. Als erster Dämon betritt er die Welt der Menschen und will sie fürchten lehren für all die Jahre hinter der dem Wall.

_Zum Autor_

Michael A. Stackpole hatte sich mit Romanen für die |Star Wars|- und |Mechwarrior|-Buchreihen einen Namen gemacht, bevor er mit |Düsterer Ruhm| eine eigene Fantasysaga kreierte. Mit „Zum Helden geboren“ legt er ein Einzelwerk vor, das in keiner der früheren Welten spielt, durch die Verknüpfung von düsterer Endzeit mit klassischen |Sword and Sorcery|-Elementen jedoch wie ein Mix aus den bisher bekannten Settings daherkommt. „Zum Helden geboren“ erschien bereits 2002 im |Heyne|-Verlag, fünf Jahre nach der amerikanischen Ausgabe, und ist nun bei |Piper| mit neuem Cover wiederveröffentlicht worden.

_Inhalt_

Lachlan, ein junger Mann, der von allen nur Locke genannt wird, wächst in einem kleinen Ort namens Felsenschnell in der Provinz Garik auf. Zusammen mit seinen zwei Brüdern wird er von seinem Großvater Audin aufgezogen und zum Krieger ausgebildet. Sein Großvater ist hart, doch immer fair und handelt im besten Gewissen, seine Jungs zu starken Persönlichkeiten zu machen. Er soll eines Tages durch die Lande ziehen und die dämonischen Bedrohungen bekämpfen – so, wie es auch Lockes Vater Cardew einst getan hat. Bei einer Mission durch die Chaoslande kam dieser jedoch nie zurück und hinterließ seine Söhne in der Obhut des Großvaters. Obwohl das genaue Verbleiben Cardews bis zum heutigen Tag ungeklärt geblieben ist und niemand genau weiß, welch Schicksal ihm im Chaos zuteil wurde, gehen alle von seinem Tod aus. Bis auf Locke, den, obwohl er seinen Vater nie persönlich kennen gelernt hat, die Hoffnung antreibt, seinen Vater eines Tages doch noch lebend zu finden.

Die Hoffnung, nicht zuletzt aber auch seine List und sein Geschick sind es, die es Locke ermöglichen, einen Wettkampf gegen seine körperlich überlegenen Brüder zu gewinnen. Sein Großvater Audin hat den Wettbewerb veranstaltet, um den Besten von ihnen in seinem Namen in die Hauptstadt Herakopolis zu schicken. Dort veranstaltet der Imperator ein großes Fest, auf dem Locke seine Großmutter Evadne begleiten und Audin vertreten soll.

Der Abschied fällt Locke schwer, doch als er seine Heimat verlassen und sich einer vorbeiziehenden Karawane angeschlossen hat, beginnt er, aus dem Schatten seines Großvaters zu treten und sich all jene Fertigkeiten anzueignen, die ihn Audin nicht lehren konnte. Auf der Karawane lernt er den rauen, aber ehrlichen Roarke kennen, der ihm viel von der Welt und den Dämonen erzählen kann. Und das Chaos ist auf der Reise bereits viel gegenwärtiger, denn einige weitere Gefährten, die schon in den Chaoslanden gekämpft haben, weisen Entstellung auf, die sich in aus der Haut wachsenden Stacheln oder Fangzähnen manifestiert haben. Trotz der offensichtlichen Gefahren, die das Chaos birgt, treibt Locke immer mehr der Wunsch, selbst zur Bannmauer aufzubrechen und auf der anderen Seite nach seinem Vater zu suchen. Zu dem Zeitpunkt weiß er allerdings noch nicht, dass er diesem Wunsch bereits sehr viel näher ist.

Schließlich trifft Locke in der Hauptstadt ein, in der er seine Großmutter besucht und sich mit ihren Bediensteten, vor allem der lebensfrohen Marija, anfreundet. Während diese ihm Stadt zeigt, erfährt Locke, dass ein dem Chaos nahestehender Mann samt seiner Familie grauenvoll ermordet, ausgeweidet und anschließend verspeist worden ist. Zudem erfährt er, dass ein Dämon von einer Gruppe Krieger nach Herakopolis verfolgt worden ist, dort jedoch untertauchen konnte. Das Geflecht zieht sich allmählich zusammen. Doch noch immer ist nicht klar, ob es sich tatsächlich um einen Dämonen handelt, denn die Bannmauer gilt weiterhin für Dämonen als unpassierbar.

Als letztendlich auf dem großen Fest des Imperators mitten im Eröffnungstanz ein bösartiger Zauberer erscheint und das Chaos verbreitet, und kurze Zeit später auch der Dämon auftaucht, ist Locke sich seines Ziels gewiss: Er will in die Chaoslande gehen und dort das Übel an der Wurzel bekämpfen. Nicht nur für sich, nicht nur für seinen Vater, sondern für die ganze Menschheit. Denn er ist zum Helden geboren.

_Bewertung_

„Zum Helden geboren“ fängt verheißungsvoll an. Ein junger Mann, der sich unter seinen älteren Brüdern benachteiligt fühlt, bekommt durch den Sieg eines von seinem Großvater ausgerufenen Wettstreits die Chance, seine Familie auf dem Fest des Imperators zu vertreten und die Welt kennenzulernen. Ebenso wie Locke, jener besagte junge Mann, lernt auch der Leser die Welt Schritt für Schritt kennen. Zunächst nur das Dorf, dann auf der Reise in die Hauptstadt die Verstrickungen um das Chaos, die durch die Geschichten der Karawanen-Reisenden vor dem geistigen Auge Kontur gewinnen, und schließlich die Hauptstadt selbst, die sich als farbenfroher Gegensatz zur Einöde und tristen Kargheit des übrigen Landes präsentiert.

Doch während die Handlung weiter in der Hauptstadt verläuft und sich nur gemächlich, und zwar viel zu gemächlich entfaltet, beginnt die düstere, zunächst gelungen anmutende Fassade der Welt zu bröckeln, die letztendlich doch nur eine leicht abgewandelte Variante des ausgelutschten Gut-gegen-Böse-Schemas in Form von Imperium und Chaos darstellt. Stackpole gelingt es nicht mehr, den Leser mitzureißen, und kann die Erwartungen, die er durch die drohenden Konflikte der ersten Seiten aufbaut, nicht mehr einhalten. Die Geschichte flacht zu einem Einheitsplot ab, der jegliche überraschenden Wendungen verliert und ab dem Fest des Imperators in der Mitte des Romans zielgerichtet auf das bereits zu erahnende Finale zusteuert.

Anstatt die Spannung zu halten, die den Leser durch die Augen des Protagonisten Locke in Form von Geschichten über die Welt jenseits Felsenschnells und dem Chaos an den Roman zu fesseln beginnt, verliert sich der Autor in Nebensächlichkeiten und merkt erst viel zu spät, dass er wieder auf die Haupthandlung zusteuern muss. Während ihm dies nach 250 Seiten bewusst wird, mag der ein oder andere Leser schon abgesprungen sein. Derjenige, der weiterliest, erfährt tatsächlich eine Steigerung. Allerdings nur eine kleine, die keine bewegenden Plotwendungen mehr enthält und ein Ende abliefert, das den Roman entsprechend abschließt, aber nicht befriedigt.

„Zum Helden geboren“ hätte deutlich mehr Potenzial gehabt, denn Stackpole kann allein durch mitreißende Dialoge Stimmung aufbauen. Er braucht keine seitenlangen Landschaftsbeschreibungen, um die Welt entstehen zu lassen. Der schwache Plot lässt jedoch die guten Ansätze verblassen und den Roman im Mittelmaß versinken.

http://www.piper-verlag.de/boulevard/

_Michael A. Stackpole auf |Buchwurm.info|:_

[„Das verlorene Land“ 1036 (Saga der neuen Welt 1)
[„Der Kampf um die alte Welt“ 2238 (Saga der neuen Welt 2
[„Geisterkrieg“ 145 (Mechwarrior Dark Age 1)
[„Der große Kreuzzug“ 748 (Düsterer Ruhm 6)
[„Der Weg des Richters“ 1047
[„Es war einmal ein Held“ 1672
Star Wars Sonderband 34 – X-Wing Rogue Squadron: [„Die Thronerbin“ 3338

Mignon G. Eberhart – Während der Kranke schlief

Im einsamen Haus lauern verfeindete Verwandte auf den Tod des reichen Familienoberhaupts, bis die Anwesenden sich gegenseitig zu dezimieren beginnen. Eine Krankenschwester betätigt sich als Privatdetektivin und kommt des Rätsels Lösung dabei zu nahe … – Atmosphärisch dichter „Whodunit“ mit wirklich allen Elementen dieses Genres, deren Autorin nach vielen falschen Fährten und Rätselraten den Täter aus dem Kreis der sämtlich verdächtigen Figuren herausfiltert.
Mignon G. Eberhart – Während der Kranke schlief weiterlesen

Irvine, Ian – Spiegel der Erinnerung, Der (Die drei Welten 1)

Llian steht kurz davor, das zu erreichen, wofür er die letzten fünfzehn Jahre gelernt und gearbeitet hat: ein Meisterchronist zu werden. Doch seine Variante der |Großen Geschichte der Düsternis| stößt nicht nur auf Begeisterung. Wistan, der Direktor des Kollegiums, zweifelt Llians Beweise zwar nicht öffentlich an, lässt sie aber auf schnellstem Weg in der Versenkung verschwinden und versucht, Llian mundtot zu machen. Als ihm das nicht gelingt, schickt er ihn kurzerhand mit einem halsbrecherischen Auftrag ins Gebirge. Er soll eine junge Frau namens Karan aufspüren und nach Thurkad bringen …

Karan ist zwar noch eine junge Frau, hat aber schon mehr erlebt als manch anderer. Da sie eine alte Schuld zu begleichen hat, lässt sie sich dazu überreden, einem Magister im fernen Süden ein magisches Artefakt, den |Spiegel von Aachan|, zu stehlen. Von diesem Augenblick an hetzen die Schergen des Magisters sie unablässig durch den halben Kontinent. Und nicht nur das: Karan plagt die Gewissheit, dass sie den Spiegel keinesfalls in die falschen Hände geben darf, wenn sie nicht entsetzliches Unheil auf die ganze Welt herabbeschwören will. Aber wem soll sie den Spiegel anvertrauen?

_Charaktere_

Karan ist erstaunlich zäh. Als Empfindsame, das heißt jemand, der alle Empfindungen – auch die anderer – um ein vielfaches stärker wahrnimmt als normale Menschen, scheint sie nicht besonders belastbar. Tatsächlich gab es in ihrer Familie genügend Beispiele für geistige Labilität und Wahnsinn. Andererseits wirkt die hartnäckige Verfolgungsjagd offenbar stabilisierend auf Karan, sie lernt Selbstbeherrschung, und auch ihr Körper wird gestählt. Ohne es zu ahnen oder zu wollen, schleift der Magister Yggur die junge Frau zu einer ernst zu nehmenden Waffe.

Llian ist von Karan so verschieden wie überhaupt nur denkbar. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat er damit verbracht, seine Nase in Bücher zu stecken. All seine Begeisterung gilt Geschichten und Historien, ansonsten ist er nahezu völlig lebensuntauglich, ein schwärmerischer Träumer ohne nennenswerten Bezug zur Realität. Karan zumindest empfindet ihn eher als nutzlos und lästig. Allein seine Stimme scheint sie zu mögen. Die bedeutendste seiner Fähigkeiten dagegen geht nahezu völlig unter: Wenn Llian Karan im Arm hält, kann sie schlafen, ohne zu träumen!

Beide Hauptpersonen sind gut getroffen und angenehmerweise nicht statisch, sondern sie entwickeln sich. Das gilt vor allem für Karan. Überhaupt hat Irvines Charakterzeichnung den Vorzug, dass sie zum einen komplett auf Typen verzichtet – keine Elfen, keine Zwerge oder sonstige Wesen, die festen Definitionen unterliegen und daher nur wenig Variationsmöglichkeiten offen lassen – und zum anderen kein zementiertes Gut und Böse kennt. Selbst Karans Verfolgern, die durchaus ungewöhnlich aussehen und auch ungewöhnliche Fähigkeiten besitzen, hat der Autor menschliche Züge belassen.

_Handlung_

Das wirkt sich auch auf die Handlung aus. Schon im ersten Band, der sich hauptsächlich mit Llians Verbannung und Karans Flucht befasst, deutet sich eine hohe Komplexität an. Gleich der erste Gegner, mit dem die Heldin es zu tun bekommt, zeigt Schwächen wie Sorge, Angst und Schmerz. Da er nicht allein durch pure Machtgier, Bosheit oder irgendeinen Wahn definiert ist, ist der Leser in der Lage, seine Beweggründe zu verstehen und seine Argumentation nachzuvollziehen. Wie im wirklichen Leben ist es so, dass eben nicht immer nur einer Recht hat und alle anderen Unrecht. So sind Karan und Idlis nur deshalb Feinde, weil Karan sich einer Verpflichtung nicht entziehen konnte, die ursprünglich überhaupt nichts mit Yggul und den Seinen zu tun hatte.

Ygguls Beweggründe sind allerdings bisher als einzige etwas detaillierter dargestellt. Sein größter Gegner Mendark sowie die Auftraggeberin des Diebstahls Faelamor sind bisher noch nicht persönlich aufgetaucht. Und Wistan begründet die Verbannung Llians lediglich damit, seine Geschichte bringe das Kollegium in Gefahr. Warum dies der Fall sein sollte, darauf geht er leider noch nicht genauer ein.

Dasselbe gilt für die Ausarbeitung der Historie, die eine enorme Rolle spielt. Nur ein Ausschnitt dieser Vergangenheit wird genauer beleuchtet, in Llians Geschichte, mit der er den Unwillen Wistans auf sich zieht. Alles andere bleibt äußerst bruchstückhaft, angefangen bei dem Grund für die Ächtung der Zain, zu denen Llian gehört, über die verschiedenen Bündnisse und Gegnerschaften während des Krieges bis hin zu dem geheimnisvollen Spiegel, dessen Bewandtnis bisher keiner kennt. Das macht die ganze Sache stellenweise etwas verwirrend und auch ein klein wenig unbefriedigend.

Letztlich jedoch vergisst der Leser diese kleinen Unannehmlichkeiten recht schnell, denn nachdem die Hauptpersonen eingeführt sind, legt der Autor ein recht hohes Erzähltempo vor. Karan gönnt er kaum eine ruhige Minute, und nachdem Llian sie endlich gefunden hat, geht es ihm natürlich kein Deut besser. Jedes Mal, wenn der Leser glaubt, nun hätten sie ihre Verfolger endlich abgehängt, tauchen diese plötzlich wieder auf. Und jedes Mal entkommen die Flüchtlinge nur knapp. Das Kunststück dabei ist, dass kein einziges Mal der Eindruck von Wiederholung entsteht.

Mitten in Karans und Llians Überlebenskampf bricht das Buch dann auf einmal ab. So abrupt, dass ich mich schon fragte, ob hier ein Verlag wieder mal ein Buch einfach in zwei Teile gehackt hat. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird sich zeigen.

_Das Lektorat_ hatte Rechtschreib- und Satzbaufehler diesmal ziemlich im Griff. Gestolpert bin ich dafür über die Szene im Wirtshaus von Tullin, wo Tee und Würzwein ein wenig durcheinandergeraten sind. Ansonsten las das Buch sich flüssig.

_Alles in allem_ ist „Der Spiegel der Erinnerung“ ein vielversprechender Einstieg in einen Zyklus ohne feste Schemata oder Schwarz-Weiß-Effekte, mit einer umfangreichen Vorgeschichte, die sich noch ein wenig mehr entfalten darf, und einer bewegten, temporeichen Handlung. Wer mal etwas anderes als die übliche High-Fantasy lesen will, hat hier die Chance auf ein wenig Abwechslung.

_Ian Irvine_ ist Doktor für Meeresbiologie und hat einen Großteil des südpazifischen Raums bereist. Die Idee zu seinem Drei-Welten-Zyklus entstand bereits während des Studiums. Die damals entstandenen Karten und Skizzen dienten später als Basis für die Ausarbeitung, die inzwischen zwei Tetralogien umfasst und noch weiter ausgebaut werden soll. Abgesehen davon hat Ian Irvine den Öko-Thriller „Human Rites“ geschrieben sowie den Zyklus |Runcible Jones|. „Der Spiegel der Erinnerung“ ist das erste seiner Bücher, das auf Deutsch erschienen ist. Der zweite Band mit dem Titel „Das magische Relikt“ ist ab August dieses Jahres erhältlich.

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Eckert, Renate – Hungrige Schatten

Renate Eckert weiß, wovon sie schreibt. Genau wie die Protagonistin in ihrem ersten Buch, arbeitete auch sie lange Zeit als Journalistin. Sie kennt sich also aus mit den inneren Strukturen einer Redaktion.

Diese sind es, die der Journalistin Anne Michels das Leben schwer machen. Ihr Vorgesetzter mobbt sie, und das lastet schwer auf der jungen Frau. Sie ist neu in der beschaulichen Stadt Burgstadt, und bis auf Angie, eine Arbeitskollegin, und Phil, einen Kollegen, der heimlich in sie verliebt ist, hat sie noch nicht viel Anschluss gefunden.

Das ändert sich, als sie für die bevorstehende Oberbürgermeisterwahl die Kandidaten interviewen soll. Matthias Reininger, der charismatische Anwalt, ist ihr bereits bei einer Ordensverleihung für verdiente Kommunalpolitiker aufgefallen. Als sie ihn in seinem teuren Haus besucht, zeigt sich, dass sie ihm auch aufgefallen ist. Er spinnt sie ein mit seiner Aufmerksamkeit. Doch schnell zeigt sich, dass mit seiner Zuwendung eine dunkle Seite einhergeht. Er ist dominant, manchmal geradezu sadistisch. Anne ist trotzdem verrückt nach ihm und merkt erst viel zu spät, worauf sie sich da eingelassen hat …

Im Vordergrund der Geschichte steht Anne, die als Neue in der Redaktion viel einstecken muss. Für sie bedeutet der Job eine gute Gelegenheit, um sich von ihrer Vergangenheit freizustrampeln, die von der Autorin gut ausgearbeitet wurde. Anne hat auch eigene Charakterzüge, aber die sind größtenteils schwammig dargestellt, so dass es schwerfällt, sich mit der Protagonistin zu identifizieren.

Im Großen und Ganzen bleibt die junge Journalistin dem Leser verschlossen. Der Grund dafür ist der altbackene Schreibstil von Eckert. Sie benutzt einen gehobenen Wortschatz und bemüht sich um Abwechlsungsreichtum bei der Wortwahl. Dennoch klingen viele ihrer Formulierungen gestelzt und künstlich. Das Vokabular, auf das sie zurückgreift, ist stellenweise zu erhaben, und sie schafft es nur selten, wirkliche Emotionen zu erzeugen.

Dieser Schreibstil hat weitreichende Folgen. Die Grundidee, auf der Eckert ihre Geschichte aufbaut, ist nicht unbedingt schlecht. Eine junge, vielleicht etwas naive und vor allem einsame Frau gerät in die Fänge eines charismatischen, aber verdorbenen Mannes. Daraus ließe sich ohne Probleme das stricken, was auf dem Buchdeckel angegeben ist: ein Psychothriller.

Leider verbaut sich die Autorin mit dem Schreibstil diese Möglichkeit. Durch die Verschlossenheit und Künstlichkeit kann kaum Spannung aufgebaut werden. Selbst der Kriminalfall, den Annes Kollege Phil verfolgt, kann kaum punkten. Er steht nicht im Vordergrund und verläuft mehr oder weniger im Sande, weil aufgrund des Schreibstils einfach keine Spannung aufkommen möchte.

Ähnlich ist es mit der verhängnisvollen Verbindungen zwischen Anne und Matthias. Hier fehlt es an psychologischer Tiefe, obwohl die einzelnen Stufen dieses Handlungsstrangs gut aufgebaut sind. Letztendlich ist es wieder Eckerts Schreibstil, der die Spannung blockiert. So gewandt er auch erscheinen mag, verhindert er doch, dass das Buch in die Tiefe gehen kann.

Hinzu kommen die vielen Nichtnotwendigkeiten, zu denen abgeschweift wird. Was in manch anderen Büchern für Vielschichtigkeit und Erzähldichte sorgt, wirkt in diesem Fall überflüssig. Auch das lässt sich wieder auf den Schreibstil zurückführen, der es nicht schafft, solche Abschweifungen in den Erzählfluss zu betten.

Wie man sieht, ist bei „Hungrige Schatten“ der Schreibstil der springende und wunde Punkt. Handwerklich kann man sich nicht über ihn beschweren. Eckert kann schreiben und sie greift auf einen großen Wortschatz zurück. In diesem sind leider sehr viele gestelzte Ausdrücke und Formulieren enthalten, die schuld daran sind, dass es dem Buch an Lebendigkeit fehlt. Das wirkt sich negativ auf Handlung und Personen aus. Besonders dem Plot fehlt es an Spannung und Emotionen, auch wenn er auf einer passablen Grundidee fußt.

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Kusnezow, Sergej – Hülle des Schmetterlings, Die

Bereits die Widmung von Sergej Kusnezows Buch „Die Hülle des Schmetterlings“ macht neugierig: |“Dieses Buch wollte ich zwei Freunden widmen. Beide haben sich geweigert es zu lesen und darauf bestanden, in keiner Weise damit in Verbindung gebracht zu werden.“| Was für ein Buch muss das sein, wenn Leute nicht damit in Verbindung gebracht werden? Der Verlag selbst sieht es als |“Das russische Gegenstück zu Thomas Harris‘ ‚Schweigen der Lämmer'“|, und damit hat er gar nicht mal so unrecht.

Ein Serienkiller hält die russische Hauptstadt Moskau in Atem. Schon seit Monaten foltert und tötet er Frauen zwischen 15 und 40, und die Polizei hat keine einzige Spur. Xenia, die junge Chefredakteurin einer mäßig erfolgreichen Internetseite, hat eine zündende Idee. Zusammen mit ihrem Kollegen Alexej und ihrer besten Freundin Olga ruft sie eine Website ins Leben, auf der alle Informationen zu dem Serienkiller zusammengetragen werden. Daneben werden Expertenmeinungen veröffentlicht und in einem Forum können die Besucher der Seite über die Morde diskutieren.

Ihr Plan geht auf. Die kontroverse Internetseite erlangt schnell Ruhm und Xenia wird zu einer kleinen Berühmtheit. Eines Tages meldet sich ein Fremder, der sich „alien“ nennt, über ICQ bei ihr. Xenia geht auf seine Gespräche ein und hört auch nicht auf, als der Fremde sie „kleine Schwester“ nennt und zu selbstverletzenden Aktionen zwingt. Ehe sie es sich versehen hat, steckt sie tief in einem Strudel aus roher Gewalt und blindem Gehorsam …

Sergej Kusnezow hat mit großer erzählerischer Beweglichkeit ein sehr düsteres Buch über die Abgründe im Menschen geschrieben. Diese Menschen arbeitet Kusnezow als originellen Charaktere sehr gut aus und versieht sie mit ganz eigenen Charakterzügen und einer detailreichen Vergangenheit. Auffällig ist, dass er auf positive Emotionen beinahe gänzlich verzichtet. So gut wie alle Protagonisten, allen voran natürlich der Serienkiller, zeigen nur ihre dunkle Seite, was dem Buch eine besondere Stimmung verleiht. An dieser Stelle sei besonders die Andersartigkeit der Charaktere betont. Xenia ist zum Beispiel Fan von BDSM-Spielchen, was ja nicht gerade alltäglich ist. Dadurch wird das Buch zusätzlich interessant und erlaubt einen Blick in Welten, die der normale Leser so nicht kennt.

Dieser Blick wird durch die unterschiedlichen Perspektiven ermöglicht. Der russische Autor legt hierbei eine große Kreativität an den Tag. Der Serienkiller berichtet sehr anschaulich, ohne zu viel von sich preiszugeben, aus der Ich-Perspektive. Neben Erinnerungen und aktuellen Ereignissen flicht er außerdem sehr poetische Kapitel ein. In einem schildert er zum Beispiel ausführlich, wieso jede Jahreszeit eine gute Jahreszeit zum Töten ist und greift dabei auf viele bildhafte Beschreibungen zurück. In anderen berichtet er in Form eines reimlosen Gedichtes davon, wie er seine einzelnen Opfer umgebracht hat. Kusnezow schafft es dabei, auf geniale Art und Weise die brutalen Details mit einer blumigen Sprache und der Liebe des Tötens, die der Killer verspürt, zu verbinden.

Die anderen Perspektiven wechseln dagegen munter durch. Zumeist schreibt er aus der dritten Person, manchmal aber auch aus der ersten, was die Gedanken und Gefühle des jeweiligen Ich-Erzählers besonders intensiv und oft beklemmend wirken lässt. Oft greift er aber auch auf eine völlig andere, unbekannte Art von Perspektive zurück, die „Du-Perspektive“. Eine Du-Perspektive setzt natürlich voraus, dass es einen Ich-Erzähler gibt, der das Du anspricht. Der Ich-Erzähler ist in diesem Fall der Serienkiller, auch wenn er sich in den Kapiteln mit der Du-Anrede, die zumeist an Xenia gerichtet ist, zurückhält. Er erzählt den Tagesablauf der Protagonisten so, als ob er sie gerade dabei beobachtet und sehr genau über ihre Gepflogenheiten Bescheid weiß. Das sorgt für Gänsehaut. Der teils verspielte, teils gruselige Ton, den Kuszenow dabei anschlägt, gibt dem Leser das Gefühl, dass der Serienkiller Macht über alle Personen in dieser Geschichte hat.

Auch wenn der Autor sich sehr stark auf seine Personen konzentriert – viele Kapitel handeln einzig von deren Gedanken und Gefühlen -, vernachlässigt er nicht die Handlung. Er schweift zwar oft ab und bietet dem Leser eine große Fülle an Informationen, aber diese lenken nicht unangenehm ab, sondern sorgen für eine hohe Erzähldichte. Die Handlung kommt zwar langsam in Gang, aber sie schreitet zügig fort und findet ihren Höhepunkt in einem überraschenden, offenen Ende. Oft gehen solche Experimente schief, doch Kusnezow gelingt es, seinen originellen Abschluss sauber über die Bühne zu bringen.

Was „Die Hülle des Schmetterlings“ neben den scharf gezeichneten Personen und dem Spiel mit den Perspektiven auszeichnet, ist der Schreibstil. Dieser ist rhetorisch bemerkenswert geschickt. Kusnezow benutzt viele Reihungen und Metaphern, Bilder und Vergleiche. Manche davon ziehen sich durch das ganze Buch; die Erwähnung eines schwarzen Kokons, zum Beispiel, auf den auch der deutsche Titel des Buchs anspielt. Der Autor hält mit diesem vielfältigen Schreibstil das ganze Buch zusammen und hebt sich wohltuend von anderen Thriller-Autoren ab.

„Die Hülle des Schmetterlings“ von Sergej Kusnezow ist ein selten guter Thriller. Eine spannende Handlung und tolle, düstere Charaktere verbunden mit einem virtuosen Schreibstil – und das in einem Genre, das nicht unbedingt für seine literarische Qualität bekannt ist. Der Vergleich mit Thomas Harris hinkt trotzdem. Aber es ist Harris, der gegen Kusnezows Kreativität nicht ankommt.

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Fred Saberhagen – Die Geständnisse des Grafen Dracula

Das geschieht:

Er lebt zwar nicht mehr, aber das ist für ihn kein Grund, sich mit übler Nachrede abzufinden: Graf Dracula, stolzer Kriegerfürst aus Transsylvanien und im 15. Jahrhundert zum Vampir mutiert, ärgert sich hoch im 20. Jahrhundert noch immer über ein altes Buch, das als Titel seinen Namen trägt und schildert, wie er im Jahre 1891 angeblich sein düsteres Schloss verließ, um England zu terrorisieren und dort unschuldigen Bürgern meist weiblichen Geschlechts das Blut auszusaugen.

Was ein gewisser Bram Stoker einst an Aussagen von Zeitzeugen wie Abraham Van Helsing, Jonathan Harker, Mina Murray, Lucy Westenra oder John Seward zusammentrug, ist nach Draculas Ansicht eine Sammlung schamloser Verdrehungen, Missverständnisse und Fehlinterpretationen. Eines Nachts im Jahre 1975 entführt er Arthur Harker, einen Nachfahren Jonathans, und seine Gattin: Endlich will Dracula die wahre Geschichte erzählen. Fred Saberhagen – Die Geständnisse des Grafen Dracula weiterlesen

Paprotta, Astrid – Feuertod

Die in Frankfurt lebende Autorin Astrid Paprotta ist bislang vor allem durch ihre Krimis mit der Kommissarin Ina Henkel bekannt geworden. In ihrem neuen Buch „Feuertod“ führt sie zwei neue Ermittler ein: Hauptkommissar Niklas und den ihm zugeteilten LKA-Beamten Potofski.

Bei ihrem ersten gemeinsamen Fall müssen sie die grausame Ermordung von vier Menschen aufklären. Die Anwältin Ellen Rupp verbrennt zusammen mit ihrem jungen Liebhaber in ihrer Wohnung. Das Gleiche gilt für Michael Brecht. Auch er wird in seiner ausgebrannten Wohnung entdeckt. Der Einzige, der die Verbindung zwischen Rupp und Brecht herstellen kann, ist Moritz Blume.

Er arbeitete als eine Art Privatdetektiv für Ellen Rupp, die eine raubeinige Wirtschaftsanwältin war. Nebenbei engagierte sich die Frau für die Bürgerinitiative „Sichere Stadt“, was ihr einen Platz im Stadtparlament verschaffte. Gegenden wie die, in der Blume wohnt, waren ihr ein Dorn im Auge, weil dort die Armen und Arbeitslosen wohnen und das Stadtbild verschandeln. Blume ermittelt auf eigene Faust, doch als er zu viel herausfindet, stirbt auch er – bei einem Wohnungsbrand.

Blume war der Polizei einige Schritte voraus, doch Niklas und Potofski, beide ein bisschen behäbig, kommen allmählich einer Geschichte auf die Spur, die schon viele Jahre zurückliegt. Doch kann sie wirklich der Grund für die Morde sein?

Was Paprotta von anderen Kriminalautoren abhebt, sind ihr bemerkenswerter Schreibstil und ihre originellen Personen. Diese beiden Dinge stehen beinahe mehr im Vordergrund als der eigentliche Kriminalfall. Anders als erwartet, führt das aber nicht zu Problemen, sondern zu einem auffällig guten Krimi.

Neben den Ermittlern Niklas und Potofski stehen mehrere andere Perspektiven im Vordergrund, die von den Morden betroffen sind. Neben Blume sind dies das Paar Westheim und der Friseur Czerny. Czerny hat seinen Salon in der Stoltzestraße, die einen schlechten Ruf hat, und Blume ist sein Nachbar und so etwas wie ein Freund. Dadurch erfährt er vieles über die Morde und bewertet die Frisuren der einzelnen Toten mit Kennerblick.

Paprottas Perspektiven sind wunderbar gestaltet. Es gibt nur wenige objektive Beschreibungen. Zumeist scheinen die gedruckten Worte direkt aus den Köpfen der Perspektiven zu kommen. Das hängt mit dem Schreibstil zusammen, der sehr alltäglich gehalten ist. Paprotta benutzt Alltagssprache, die sich auch im Satzbau widerspiegelt. Oft verbindet sie mehrere Hauptsätze mit Kommas, anstatt Nebensätze zu bilden. Trotzdem liest sich das Resultat frisch und flüssig und erinnert an einigen Stellen an den so genannten „stream of consciousness“. Diese Erzählweise definiert sich dadurch, dass sie ungefiltert aus dem Kopf der Person erzählt, was diese gerade sieht, erlebt und denkt. Dadurch entsteht ein rundes, kompaktes Bild der Situationen mit einer sehr subjektiven Färbung. Der beiläufige, trockene Humor, den die Autorin einwebt, und die sarkastischen Bemerkungen von Niklas, bevorzugt über seinen neuen Kollegen, sorgen dafür, dass eine angenehme Frische in den flüssigen Schreibstil einzieht.

Wer so sehr aus dem Kopf seiner Personen berichtet, muss diese auch dementsprechend ausarbeiten. Das gelingt der studierten Psychologin geradezu perfekt. Ihre Charaktere sind sehr eigen, haben gut ausgearbeitete Wesenszüge und einen Haufen interessanter Gedanken. Letztere sind sehr authentisch, genau wie die Dialoge, die stark von Alltagssprache gefärbt sind.

Insgesamt schafft es die Autorin, eine ganz eigene Erzählmagie zu entwickeln. Perspektiven wie die von Czerny, der mit den Morden nicht wirklich etwas zu tun hat, lassen die Handlung an manchen Stellen abschweifen. Trotzdem kehrt die Autorin immer wieder dorthin zurück. Es ist erwähnenswert, dass die beiden Ermittler Niklas und Potofski gar nicht so sehr im Vordergrund stehen. Ihre Aufgabe ist es, den Schuldigen zu finden, und nicht, ihre Gedankenwelt dem Leser zu präsentieren. Das ist auf der einen Seite geschickt, weil dadurch keine Trockenheit aufgrund zäher Polizeiarbeit entstehen kann. Auf der anderen Seite werden Fans des eher klassischen Kriminalromans ein Problem mit „Feuertod“ haben.

Wer allerdings nicht davor zurückschreckt, einen Kriminalroman mit einem kräftigen Schuss Belletristik zu lesen, der ist mit „Feuertod“ gut beraten. Astrid Paprotta schafft es, dem Genre Kriminalroman ein paar ganz eigene Töne zu entlocken. Das Buch ist interessant, abwechslungsreich und wird von einem sehr guten Schreibstil und originellen Charakteren erfolgreich getragen.

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Litwinenko, Marina / Goldfarb, Alexander – Tod eines Dissidenten. Warum Alexander Litwinenko sterben musste

Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA hat sich unsere damalig scheinbar mehr oder weniger friedliche Welt dramatisch und drastisch verändert. Der Terrorismus zeigte ein für uns bis dato völlig unbekanntes Gesicht und bewies, dass jede Nation angreifbar und verletzbar ist.

Die Geheimdienste in aller Welt bekamen von ihren Regierungen mehr Freiheiten zugesagt und sind aufgefordert, den Terror mit aller Macht zu unterwandern und zu zerstören. Nicht nur seit der CIA-Affäre um geheime Gefängnisse, Folterungen und Tötungen hat man das Gefühl, der Kalte Krieg trete wieder ans Tageslicht. Terrormeldungen gehen wöchentlich um die Welt; Anschläge auf zivile Einrichtungen in London und Madrid erschreckten uns ebenso wie die geführten Kriege im Irak und Afghanistan und ihre Folgeerscheinungen.

Im Zeitalter der hochtechnisierten Kommunikationsmöglichkeiten haben es die Geheimdienste schwerer und zugleich oftmals durch deren Manipulation leichter. Die Medien sind überall und berichten uns aus allen Perspektiven und kommunikativen Filtern über die (Un-)Wahrheiten der Regierungen, die Maßnahmen von Politik und Militär.

Doch auch die Meinungs- und Pressefreiheit wird selbst in demokratischen Staaten gesetzlich eingeschränkt und staatlich stärker kontrolliert.
Journalisten und ehemalige Geheimdienstmitarbeiter stehen, sofern sie nicht der inneren Ordnung und Meinung des Staates konform reagieren und berichten, persönlichen und existenziellen Gefahren gegenüber. Es wird eingeschüchtert, bedroht, intrigiert und in wenigen bekannt gewordenen Fällen ist die letzte Alternative die gezielte Tötung des Kritikers.

Die (Geheim-)Dienste der Staaten greifen nicht immer zu legalen Mitteln in ihrem Feldzug gegen den Terror, aber wer kontrolliert sie in der letzten politischen Instanz? Wer gibt für gezielte Entführungen, Folterungen und Mordaufträge den Befehl? Wer übernimmt die Verantwortung in einem sogenannten Rechtsstaat, der die Grundrechte der Menschen vertreten soll? Wer umgeht und wie umgeht man die Gesetze, um die Bevölkerung, die Zivilisation zu beschützen, auch wenn man in Gefahr gerät, sich auf illegalem Terrain bewegen zu müssen?

Der Terror, so ist uns klargeworden, hat ganz verschiedene Gesichter und nicht nur die Freiheitskämpfer, die einer bestimmten Ideologie folgen und für andere nur als Terroristen gelten, handeln kriminell und menschenrechtsverachtend. In den letzten Jahren gab es gerade in Russland unter der Regentschaft des Präsidenten Wladimir Putin merkwürdige Situationen. Zum einen wurden die Tschetschenen als Terroristen verurteilt und ein zweiter Krieg begann, zum anderen hatten die westlichen Staaten das deutliche Gefühl, dass Russland sich entgegen der gewünschten und versprochenen Reformen zweifelhaft verhielt.

Zuerst klang die Meldung im vergangenen November völlig absurd. Auf einen russischen, ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter sollte ein Giftanschlag in einer Londoner Sushi-Bar verübt worden sein. Alexander (genannt Sascha) Litwinenko verstarb an den Folgen dieser Vergiftung am 23. November des Jahres 2006 auf schreckliche Art und Weise. Das Gift war eine Miniatur-Atombombe – Polonium-210 – radioaktiv, unsichtbar, geschmacklos, farblos, aber vielleicht der tödlichste und grausamste uns bekannte Stoff.

Seine Witwe Marina Litwinenko und sein Freund Alex Goldfarb stellen in dem Buch „Tod eines Dissidenten“ die Person Alexander „Sascha“ Litwinenkos vor, der unerschütterlich seinem Glauben, seiner Moral und seinem Gewissen entschlossen folgte.

_Die Story_

Alexander (Sascha) Litwinenkos eigentliche Familie war die russische Armee. Erzogen wurde Sascha bei seinem Großvater. Der leibliche Vater diente bis zu seiner Entlassung selbst bei dem russischen Militär. Als dieser entlassen wurde, war Sascha 17 Jahre alt und konnte sich mit den neuen Verhältnissen innerhalb der Familie nicht abfinden. Sascha fühlte sich immer wie ein Außenseiter und trat mit 18 Jahren selbst in den Armeedienst ein.

Der Militärdienst gefiel Sascha Litwinenko, denn hier gab es feste Regeln und er war von jeher ein ausgezeichneter Teamplayer. Innerhalb der Militärzeit wurde der junge Mann von dem berüchtigten Geheimdienst KGB rekrutiert. Von nun an war die „kontora“, die Firma, seine Gegenwart und Zukunft. Von der dunklen Vergangenheit des KGB, vom Gulag und den Abermillionen Opfern erfuhr er erst viel später in den Neunzigerjahren, als erste Berichte darüber in den nationalen und internationalen Medien auftauchten. Aus dem KGB wurde dann die spätere Nachfolgeorganisation FSB.

Anfangs arbeitete Sascha für die Wirtschaftssicherheit und schließlich für das Antiterrorzentrum. Sein Hauptaufgabengebiet wurde die Bekämpfung des organisierten Verbrechens und die Aufgabenbereiche gegen Attentate, Entführungen und Korruption bei der Polizei.

Sascha arbeitete in der operativen Aufklärung. Er legte geheime Akten über Mafiosi an und überwachte deren Privatleben. Er tauchte in ihr Netzwerk ein, mitsamt den Kontakten zu politischen Institutionen und Geschäften. Für die offiziellen Ermittler waren Saschas Kenntnisse unersetzlich. Er arbeitete still und effektiv hinter den Kulissen, rekrutierte Agenten und organisierte deren Einsätze.

Sascha ging förmlich auf in seiner gefährlichen Arbeit und hatte eine hohe moralische Grundvorstellung und Überzeugung von seiner Tätigkeit als Agent.

1993 lernte er durch Freunde seine später Ehefrau Marina Litwinenko kennen, während seine erste Ehe im Begriff war zu scheitern. Marina Litwinenko wurde nicht nur seine Ehefrau, sondern auch der Mittelpunkt seines Lebens. Schon im gleichen Jahr wurde Marina schwanger und gebar ihren einzigen Sohn Tolik. Sascha trennte seine oftmals gefährliche Tätigkeit streng von seinem Privatleben und teilte seine Erlebnisse nicht oft mit seiner Frau. Sie gab ihm die nötige Kraft, Außerordentliches zu leisten und aus der Beziehung Kraft zu schöpfen.

Im ersten Tschetschenienkrieg (1994-1996) wurden die Agenten des FSB zu Kampfeinsätzen befohlen; auch Sascha war an mehreren Kampfeinsätzen beteiligt. Später wurde Sascha kritischer in seiner Tätigkeit als verdeckter Ermittler und Agent des Geheimdienstes. Auf der innerpolitischen Bühne versuchte man immer wieder, den Geheimdienst für ganz individuelle Ideen und Geschäfte zu nutzen, und das geschah oftmals illegal und überhaupt nicht mit den Gesetzen im Einklang.

Im Jahr 1998 fand eine legendäre Pressekonferenz in Moskau statt, in der Alexander Litwinenko zusammen mit Michail Trepaschkin und zwei maskierten Agenten die Führung des Geheimdienstes FSB für die Anstiftung zum gezielten Mord am damaligen Sekretär des Staatsicherheitsrats, Boris Beresowski, verantwortlich machte – ein bisher noch nie dagewesenes Ereignis und in den Augen der geheimdienstlichen Behörde eine verräterische Tat.

Ein Jahr später wurde Sascha das erste Mal verhaftet und wenig später in dem Verfahren freigesprochen, doch noch im Gerichtssaal wurden ihm ein zweites Mal verschiedene Sachverhalte vorgeworfen, was zu seiner zweiten Verhaftung führte, aus der er im Jahre 2000 entlassen wurde. Den Worten Alexander Litwinenkos nach wurden die Anschuldigen konstruiert und bei der Haftentlassung wurde ihm die Auflage erteilt, die Russische Föderation nicht zu verlassen. Er fühlte sich und seine Familie jedoch unmittelbar durch den FSB bedroht, und so blieb ihm nur die einzige Möglichkeit, im gleichen Jahr illegal nach London auszureisen.

Mit seiner Frau und seinen Sohn erreichte Alexander Litwinenko am 1. November 2000 die Hauptstadt von England und beantragte sofort politisches Asyl, das ihm und seiner Familie schließlich auch im Mai 2001 offiziell gewährt wurde. In England befasste sich Litwinenko weiterhin mit der innerpolitischen Situation, dem Krieg in Tschetschenien und der Rolle des staatlichen russischen Geheimdienstes. Er schrieb verschiedene Bücher über diese Thematik und finanzierte sein Leben durch die enge Freundschaft mit Boris Beresowski, der ebenfalls nach Großbritannien ausgewandert war.

Zusammen mit einem amerikanischen Historiker russischer Herkunft verfasste Litwinenko das Buch „Blowing up Russia: Terror from within“ („Der FSB sprengt Russland in die Luft“). Hierin übten die Autoren scharfe Kritik an der russischen Regierung und dem Geheimdienst.

Laut der Theorie und den Vermutungen Litwinenkos behauptete dieser, dass die Sprengstoffanschläge von 1999 auf Wohnhäuser in Moskau nicht auf terroristische Akte von tschetschenischen Rebellen zurückzuführen seien, sondern direkt auf das Konto des Geheimdienstes gingen, der gezielt diese Anschläge ausführte, um einen zweiten Tschetschenienkrieg entfesseln zu können. Der Befehl für diese Attentate solle direkt von Präsident Putin gekommen sein ,der ebenfalls als Leutnant beim KGB diente. Es gab in Russland noch eine ganze Reihe von Menschen, die die gleiche These aufgestellt haben und mit Litwinenko einer Meinung waren.

Mysteriöserweise kamen viele Mitglieder dieses Gremiums ums Leben. Eine weitere These ist, dass die Geiselnahme im Moskauer Theater ebenso eine Aktion des Geheimdienstes FSB gewesen sein solle und die Terroristen zwar wirklich tschetschenischer Abstammung waren, aber bei der Erstürmung des Theaters, obwohl schon kampfunfähig, durch Einheiten der FSB exekutiert wurden. Aus welchem Grund?

Im Oktober 2006 wurde die auch international bekannte Journalistin Anna Politkowskaja kaltblütig durch Killer in Russland erschossen. Bekannt wurde sie durch ihre Kritik an der russischen Regierung und ihrer Kriegsführung in Tschetschenien. Litwinenko sollte Kontakt mit ihr gehabt und Unterlagen bekommen haben, die den russischen Geheimdienst arg diskreditieren.

Am 1. November ließ sich Litwinenko mit Vergiftungserscheinungen in ein Londoner Krankenhaus einweisen. Sein Zustand verschlechterte sich rasend, und schließlich verstarb er an den Folgen dieser Vergiftung. Wenige Stunden vor seinem Tod erklärte Litwinenko in einem Interview mit der |Times|, dass er vom Kreml zum Schweigen gebracht wurde, und gab Putin die Schuld an seinem Tod.

_Kritik_

Ich habe den Fall und das Schicksal Alexander Litwinenkos im letzten wie auch in diesem Jahr intensiv in den verschiedenen Medien verfolgt. Die russische Politik ist für uns Europäer sicherlich nicht transparent genug; zum einen werden in den Medien die innenpolitischen Probleme dieses großen Landes nur angerissen und nicht wirklich gut genug erklärt, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, zum anderen gab und gibt es sicherlich Themen, die zum Zeitpunkt für uns interessanter sind und waren.

Die Meinungs- und Pressefreiheit ist in Russland mehr als nur stark eingeschränkt. Es ist kein Geheimnis, dass Kritiker der Regierung getötet worden sind oder merkwürdigen Unfällen zum Opfer fielen. Es gab eine ganze Reihe von Opfern, die zuvor offen Kritik am Regime geübt hatten: Journalisten, Geschäftsleute, Abgeordnete und sogar Veteranen des Tschetschenienkrieges – und immer führte die Spur zum russischen Geheimdienst FSB.

Das Buch „Tod eines Dissidenten“ wird sicherlich niemals auf den russischen Literaturlisten erscheinen und nur über Umwege das Land erreichen. Litwinenkos Frau Marina und sein Freund Alex Goldfarb führen den waffenlosen Kampf gegen das Regime in Russland mit friedlichen Mitteln für Sascha weiter.

Die Geschichte des Ex-Agenten, der aufgrund seiner moralischen Vorstellungen ins Exil gehen musste und zu einem der schärfsten Putin-Kritiker wurde, war ungemein spannend und interessant zu lesen. Leben und Schicksal des jungen Mannes werden detailreich geschildert, und nicht nur das. Vielmehr wird die innen- und außenpolitische Lage Russlands analysiert, denn ohne diese Rückblicke könnten wir den mit Saschas Werdegang verbundenen Verschwörungstheorien nicht folgen. Russlands Strategie in den beiden Kriegen in Tschetschenien ist ebenso ein wichtiges Thema wie die Korruption und die illegalen Aktionen des Geheimdienstes FSB, auch die Machtergreifung und die Entwicklung Putins spielen eine sehr große und nicht zu unterschätzende Rolle.

In „Tod eines Dissidenten“ kommt uns Alexander Litwinenko nicht wie ein Phantast vor oder jemand, der aus seiner Publicity Kapital schlagen wollte. Seine Theorien konnte er zwar abschließend nicht beweisen, aber sie werfen doch interessante Fragen auf. Allein die Attentate auf die Moskauer Wohnhäuser erfordern eine Logistik, eine Organisation, die für tschetschenische Terroristen einfach zu durchdacht und überlegt ist. Außerdem widersprach sich der Geheimdienst in seinen offiziellen Statements zu sehr, um noch glaubhaft zu wirken. Zeugen verschwinden entweder spurlos oder fallen Unfällen zum Opfer, Journalisten werden eingeschüchtert und Agenten zu verschiedenen Aktionen erpresst.

Natürlich stellt dieses Buch nur eine einseitige Berichtserstattung dar, und ich glaube auch nicht, dass Litwinenko in seiner Tätigkeit als Agent der FSB nur auf Seiten des Gesetzes stand, doch wirken seine Theorien im Ganzen glaubhaft und stimmig, zumal es auffallend ruhig um die offiziellen Ermittlung der im Buch erklärten Theorien geworden ist. Auch nur ein Zufall?

Nach der Lektüre von „Tod eines Dissidenten“ stellen sich Fragen, auf die sich schwerlich Antworten finden lassen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn es gibt keine handfesten Beweise für die Thesen, die der Ex-Agent aufgestellt hat, nur Indizien und viel zu viele Tote in seinem unmittelbaren Umfeld – es bleiben nur Theorien übrig, aber die sind schon Grund genug, um hinter den Spiegel schauen zu wollen.

Wer hatte Interesse am Tod des Ex-Geheimdienstlers? War es ein Racheakt von Kriminellen oder steckte doch der Geheimdienst hinter seinem Tod? Was wusste Litwinenko über den Tod der bekannten Journalistin und wo sind ihre und seine Dokumente geblieben bzw. die Erklärungen von Zeugen, die beweisen sollten, dass der Geheimdienst hinter den Anschlägen auf die Moskauer Wohnhäuser steckt und noch Drahtzieher und Vollstrecker bei verschiedenen Morden gewesen sein soll?

Sehr gefallen hat mir im Übrigen der Aufbau bzw. die Gliederung des Buches, angefangen bei der Ausbildung und dem Aufstieg der Person Litwinenkos, bis hin zu seinen Gewissensbissen und der Entscheidung, offen Kritik gegenüber Putin und seiner Regierung zu üben. Weder ist das Buch langweilig, noch verrennen sich die beiden Autoren in Widersprüche.

Wie bei allen Verschwörungstheorien bleibt die eigentliche Wahrheit jedoch im Dunkeln und eine Frage des Betrachtungswinkels. Doch auch hier kann es nur die Zeit zeigen und vielleicht der Mut einzelner Menschen, um letztlich und schließlich die Wahrheit zu finden, wie immer diese auch aussehen mag.

_Fazit_

Für Freunde von Verschwörungstheorien in Geheimdienstkreisen ist das Buch „Tod eines Dissidenten“ sehr zu empfehlen. Nicht überzeichnet oder unlogisch, nicht spektakulär oder widersprüchlich, sondern ernüchternd und Fragen aufwerfend. Das Buch bzw. die Aussagen darin kritisieren die russische Regierung und nicht das Volk im Gesamten, es ist kein Spiegelbild der Denk- und Lebensweise einer ganzen Bevölkerung, und das war für die Botschaft des Buches existenziell wichtig.

Wer das Schicksal von Alexander Litwinenko in der Presse verfolgt hat, wird das Buch schwerlich aus der Hand legen und in seinen Alltag zurückkehren können. Der aufmerksame Leser wird sich mit der Thematik auseinandersetzen und manches vielleicht noch kritischer sehen und hinterfragen, was Alexander Litwinenko sicherlich erfreut hätte.

_Die Autoren_

Marina Litwinenko begegnete ihrem späteren Ehemann erstmals 1993 an ihrem 31. Geburtstag. 2000 wurde der Familie politisches Asyl in Großbritannien gewährt und 2006 die britische Staatsbürgerschaft zuerkannt. Marina Litwinenko und ihr zwölfjähriger Sohn leben in London.

Alex Goldfarb, regimekritischer Naturwissenschaftler, verließ Russland in den siebziger Jahren. Er arbeitete an der Columbia University, beendete seine wissenschaftliche Laufbahn jedoch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 und leitete zusammen mit George Soros humanitäre Initiativen in Russland. Er lernte Alexander Litwinenko in den neunziger Jahren kennen, und sie wurden enge Freunde, als Goldfarb den Ex-Spion und seine Familie 2000 auf der dramatischen Flucht nach England begleitete. Später arbeitete er mit Litwinenko an dessen Memoiren und politischen Artikeln. Goldfarb ist verantwortlicher Leiter der von Boris Beresowski gegründeten International Foundation for Civil Liberties, einer Dachorganisation für Menschenrechtsaktivisten.

http://www.hoffmann-und-campe.de

Juan Gimenez – Die Vierte Macht – Band 1: Supramental

Story

Zwischen Terra und der Konföderation Krommion herrscht seit 162 Jahren ein erbitterter Krieg, der fernab der beiden Reiche auf dem Planeten Nebula Alpha ausgetragen wird. Nun scheinen die Krommioner jedoch eine Lösung gefunden haben, um den Konflikt siegreich zu beenden. Ihre berühmtesten Wissenschaftler haben eine Geheimwaffe entwickelt, die auf den supramentalen Kräften vier auserwählter, besonderer Frauen beruhen soll. Rücksichtslos lässt man die Damen entführen und schickt sie in eine Testmission, die jedoch nur Exether Mega überlebt.

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Patricia Cornwell – Brandherd [Kay Scarpetta 9]

Ein Brandstifter entfacht wahre Höllenfeuer. In der Asche finden sich Leichen, die nur die geniale Gerichtsmedizinerin Kay Scarpetta identifizieren kann. Sie erkennt, dass hier eine Serienmörderin, mit der sie vor Jahren schon einmal zu tun hatte, wieder aktiv geworden ist, erkennt deren perfiden Racheplan aber beinahe zu spät … – Der 9. Band der erfolgreichen Scarpetta-Serie bietet erneut spannende Thriller-Unterhaltung mit bizarren Morden und Forensik-Exotik, leidet aber unter allzu dick aufgetragenen, predigtähnlich die Handlung ins Stocken bringenden Seifenoper-Elementen. Patricia Cornwell – Brandherd [Kay Scarpetta 9] weiterlesen

Åsa (Asa) Larsson- Weiße Nacht

Åsa Larsson gehört zu den neueren Krimihoffnungen Schwedens. Ihr Debütroman „Sonnensturm“ wurde als bestes Krimidebüt 2003 prämiert. Der Nachfolgeroman „Weiße Nacht“ wurde ein Jahr später als Krimi des Jahres ausgezeichnet. Bevor in diesem Monat mit „Der Schwarze Steg“ Larssons dritter Roman auf Deutsch erscheint, hat |Hörbuch Hamburg| noch die Hörbuchfassung zu „Weiße Nacht“ nachgeschoben.

Larssons Krimis spielen im äußersten Norden Schwedens, unweit von Kiruna. Eine verschlafene Gegend, die nun allmählich vom Tourismus entdeckt wird. Hier wird in der Mittsommernacht die umstrittene Pastorin Mildred Nilsson tot in ihrer Kirche aufgefunden.

Über einen Mangel an Verdächtigen kann die Polizei sich nicht beklagen. Mildred Nilsson hat sich durch ihr Engagement weit aus dem Fenster gelehnt. Frauen haben bei ihr Rat gesucht, bevor sie ihre Männer verlassen haben. Der ortsansässigen Jagdgemeinschaft hat Nilsson Paroli geboten und auch die männlichen Kollegen waren nicht gerade glücklich über die Art, wie Mildred Nilsson ihre Männerdomäne auf den Kopf gestellt hat. Kurzum, der halbe Ort könnte ein Motiv haben. Und so schleppen sich die Ermittlungen schwerfällig dahin, bis die Kriminalbeamtin Anna Maria Mella Order bekommt, den Fall noch einmal aufzurollen.

Zur gleichen Zeit hält sich Rebecka Martinsson zufällig in der Gegend auf. Sie ist Juristin in einer Stockholmer Kanzlei, die derzeit im Auftrag eben jener Kirche arbeitet, in der Mildred Nilsson ermordet aufgefunden wurde. Rebecka stammt aus der Gegend, war nach den Ereignissen in „Sonnensturm“, aber bislang nicht wieder zurückgekehrt. Rebecka hat gewisse Schwierigkeiten, sich wieder mit dem Alltag zu arrangieren. Zu sehr lasten noch die damaligen Ereignisse auf ihrer Seele. Und so nutzt sie die Tage in der ehemaligen Heimat, um ein wenig aus ihrem Stockholmer Alltag herauszukommen und zu sich selbst zu finden.

Unversehens wird sie dabei in den Fall Mildred Nilsson hineingezogen. Im Safe der Pastorin findet sie einen Haufen Drohbriefe, die sie an Anna Maria Mella weiterleitet. Sie spürt das feindselige Klima im Ort und den aufgestauten Hass. Dennoch hat sie keine Vorstellung davon, wie gefährlich die Situation wirklich werden kann, bis sie dem Mörder von Mildred Nilsson zu Nahe kommt …

Åsa Larsson legt ihren Krimi mit viel Feingefühl an. Sie kennt die Gegebenheiten des Ortes, den Charakter der Menschen dort. So vermittelt sie dem Leser ein Gefühl für das Leben in Kiruna, für die Weite der Landschaft und die unerträgliche Helligkeit der Mittsommernächte. Larsson stammt selbst aus Kiruna und hat wie ihre Protagonistin Rebecka Martinsson jahrelang als Juristin gearbeitet. Sie selbst steht also sehr nah an der Handlung ihres Romans. Sie weiß, wovon sie schreibt ,und so hat man als Leser bzw. Hörer auch permanent das Gefühl, den Figuren ganz nah zu sein.

Es ist auch diese Nähe, aus der die Krimihandlung ihre Spannung zieht. Larsson beobachtet still und leise und präsentiert damit dem Betrachter einen Verdächtigen nach dem anderen. Motive gibt es in Hülle und Fülle, und in diesem dichten Geflecht der Figuren und Beziehungen lauert gut versteckt der wahre Täter. Larsson offenbart die Gefühlswelt ihrer Figuren und entblößt damit auch die gesellschaftlichen Strukturen ihrer alten Heimat. Voller Stolz sind die Menschen dort, aber auch sehr verwundbar, wie es scheint und so trägt jeder der Einheimischen sein Paket verletzter Gefühle und gekränkten Stolzes mit sich umher.

Dabei erscheinen viele Denkweisen eher konservativ. Die strikte Verteilung der geschlechterspezifischen Rollen demonstriert Larsson vor allem anhand des Verhaltens der Kirchenmänner, die Mildreds Stelle „um des Gemeindefriedens Willen“ auf keinen Fall wieder mit einer Frau besetzen wollen, und auch anhand der rein männlichen Jagdgemeinschaft, die sich nicht von einer Frau wie Mildred Nilsson Vorschriften machen lassen wollte. Die Rollenverteilung ist eben eher klassisch, und wenn eine Feministin daherkommt, um daran zu rütteln, läuft sie halt ins offene Messer. Und so schwingt in Larssons Roman eben am Rande auch eine unterschwellige Gesellschaftskritik mit.

Die Hauptfigur von Larssons Romanen ist stets Rebecka Martinsson, die gleichermaßen sympathisch wie interessant wirkt. Sie ist eine gebrochene Persönlichkeit, die die Geschehnisse des ersten Larsson-Romans noch immer nicht verdaut hat, die darum kämpfen muss, ihren Alltag zu bewältigen und nicht unter der Last ihrer Emotionen zusammenzubrechen. Sie gerät eher unbeabsichtigt in die Mordermittlungen, ermittelt nicht im eigentlichen Sinne und arbeitet auch nur bei der Übergabe der Drohbriefe aus dem Safe der Pastorin mit Anna Maria Mella zusammen. Sie beobachtet viel mehr im Stillen, und als sie daraus ihre Schlüsse zieht, ist es schon fast zu spät für sie. Auch Anna Maria Mella ist eine Figur, die Sympathien auf sich zieht. Nach der Babypause gerade in den Dienst zurückgekehrt, soll sie sich noch einmal den ins Stocken geratenen Fall Mildred Nilsson vornehmen und kommt dabei der Lösung näher, als es die Kollegen jemals waren.

„Weiße Nacht“ ist ein Krimi mit einer sehr subtilen Spannung. Er ist nicht temporeich inszeniert und verzichtet auf Effekthascherei. Keine wilden Verfolgungsjagden, kein nervenaufreibendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Mörder, keine unappetitlichen Schilderungen des Tathergangs für den letzten Thrill. Dennoch schafft Åsa Larsson eine dichte Atmosphäre, aber es ist eben eher das Figurengeflecht, das Spannungsfeld der aufgeheizten Kleinstadtidylle rund um das Mordopfer, aus dem „Weiße Nacht“ seine Spannung bezieht. Dadurch ist der Roman eine intensive Lese- bzw. Hörerfahrung. Es ist eben auch die Kunst, sich in die Figuren einzufühlen, ihr Seelenleben zu offenbaren, hinter die Fassade des wohlgeordneten, anständigen Alltagslebens zu schauen und den Leser/Hörer so ganz intensiv und nah an das Geschehen zu rücken, was Åsa Larssons Qualitäten ausmacht. Und so darf man sicherlich gespannt sein, was Rebecka Martinsson in Zukunft noch so alles in Kiruna erleben wird.

Die Hörbuchfassung von |Hörbuch Hamburg| ist in jedem Fall als gelungen zu bezeichnen. Schauspielerin Nina Petri liest den Roman vor und macht ihre Sache dabei ausgesprochen gut. Ihr Erzählfluss und ihre Intonation passen gut zur intensiven Figurenbetrachtung Åsa Larssons und transportieren auf diese Weise die Stimmung des Romans zum Zuhörer. Die 384 Minuten des Hörbuchs vergehen wie im Flug und man taucht tief in die Geschichte, die Stimmung und den Ort ein.

Bleibt also unterm Strich ein sehr positiver Eindruck zurück. Wer Krimis mit subtiler Spannung, einer intensiven Atmosphäre und interessant skizzierten und sehr menschlich wirkenden Figuren mag, der sollte sich den Namen Åsa Larsson merken. Ihre Krimis haben in jedem Fall ihre Daseinsberechtigung, und man darf sicherlich gespannt sein, wie es mit Rebecka Martinsson weitergeht. Wer Schweden-Krimis à la Camilla Läckberg [(„Die Eisprinzessin schläft“) 3209 mag, der wird auch an Åsa Larsson seine Freude haben und dem sei „Weiße Nacht“ ausdrücklich ans Herz gelegt.

http://www.HoerbucHHamburg.de
|Die gebundene Ausgabe erschien im Juni 2006 bei C. Bertelsmann.|

Shocker, Dan – Unheimliche, Der (Larry Brent, Band 34)

Das Buch enthält die beiden Larry-Brent-Romane „Die Lady mit den Totenaugen“ und „Der Unheimliche aus dem Sarkophag“, die erstmals in der Reihe Silber-Grusel-Krimi als Band 67 und 68 erschienen sind.

_Die Lady mit den Totenaugen_

Eigentlich sind Larry Brent und Iwan Kunaritschew, ihres Zeichens PSA-Agenten im Dienste der Menschheit, auf dem Weg in den Urlaub, als ihnen eine Frau über den Weg stolpert, der man die Augen entnommen hat. Als die Frau am nächsten Tag aus der Klinik verschwindet, wittern die Agenten einen neuen Fall und setzen ihren Chef, David Gallun, von den Geschehnissen in Schottland in Kenntnis. Die Spur führt zunächst zu einem nahegelegenen Sanatorium, welches Lord Billerbroke in seinem Schloss untergebracht hat. Larry gibt sich als Scotland-Yard-Beamter aus. Tatsächlich scheint der Lord ein grausiges Geheimnis zu hüten.

Was hat es beispielsweise mit dem seltsamen Meteor zu tun, der letzte Nacht unweit des Schlosses niederging? Gibt es Parallelen zu dem Himmelskörper, der vor fünfzig Jahren fast an der derselben Stelle herabstürzte?

Und wer ist der Wahnsinnige, der unschuldigen Menschen die Augen herausschält?

_Der Unheimliche aus dem Sarkophag_

In Paris wird die Mumie des verstoßenen Hohepriesters Ak-Hom wiedererweckt. Ak-Hom diente zu Lebzeiten dem Dämonengott Orus und hat mit seiner Hilfe den Tod überwunden. Nun ist er auf der Suche nach seiner Geliebten Nafri, deren Mumie ebenfalls in Paris aufbewahrt wird. Auf dem Weg zu seiner einstigen Liebe hinterlässt Ak-Hom eine Spur aus bestialisch zugerichteten Leichen. Mit jedem weiteren Opfer verwandelt sich der ehemalige Hohepriester mehr und mehr selbst in den Dämonengott.

Können Larry Brent und Morna Ulbrandson den Unheimlichen aufhalten?

Der erste Roman lebt von einer bedrückenden Atmosphäre, die zum großen Teil dadurch erzeugt wird, dass der Roman viel in der Nacht und dazu an sehr unheimlichen Orten spielt. Eine einsame Gegend mitten in Schottland und ein Schloss, welches zugleich als Sanatorium für psychisch Kranke gilt. Hier hat Dan Shocker einen dramaturgischen Geniestreich getan, als er zwei typische Schauplätze des Genres verknüpfte.

Die Tatsache, dass jungen Menschen, vorzugsweise Frauen, die Augen aus dem Kopf geschält werden, ist mit verantwortlich für den Gruseleffekt, denn fast ebenso gravierend wie die Angst vor dem Tod ist die Angst vor dem Verlust des Augenlichts. Allerdings wird nicht schlüssig erklärt, weshalb die Täter ihre Opfer laufen bzw. überhaupt am Leben lassen und damit die Gefahr der Entdeckung in Kauf nehmen. Auch die beiden Meteoritenabstürze, welche sich in 50-jährigem Abstand ereigneten, werden nur unzureichend erklärt. Davon abgesehen, zieht einen die Geschichte unweigerlich in ihren Bann und endet in einem dramatischen Finale, das noch einmal alle Register des Grauens zieht.

Der zweite Roman beginnt mit einer stimmungsvollen Szene aus dem alten Ägypten, bevor sich die Handlung, für den Leser unerwartet, in das Paris der Gegenwart verlagert. Lebende, mordende Mumien sind ein beliebter Stoff für klassische Gruselgeschichten. Dan Shocker fügt diesem Topoi eine gehörige Portion Brutalität hinzu und kreiert einen Grusel-Krimi, der auf magisch-dämonischen Ursachen basiert und keine pseudowissenschaftliche Erklärung heranzieht. Die Erschaffung eines Klons der Pharaonentocher Nafri ist eine Nebenhandlung, welche Leser und Ermittler in die Irre führen soll und daher den Faktor Zufall arg strapaziert.

Der Roman bietet dennoch sehr spannende und kurzweilige Unterhaltung, was vor allem an der lebendigen Sprache des Autors und der Überarbeitung durch das hervorragende Lektorat liegt, welches die bisweilen stark antiquierten Texte um so manche Stilblüte erleichtert. Sehr gut herausgearbeitet wurde auch die geistige Abhängigkeit einer Kunststudentin, welche die Mumie in einem geerbten Haus entdeckt und zum Leben erweckt. Während alle Menschen in ihrer Umgebung die Mumie als das wahrnehmen, was sie wirklich ist, nämlich ein ausgetrockneter Leichnam, sieht sie nur einen attraktiven Mann. Das verleiht der Szenerie etwas Morbides und Nekrophiles, ohne dabei die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten.

Abgerundet wird der Band durch die Illustrationen von Pat Hachfeld, der sein Können abermals eindrucksvoll unter Beweis stellt. Besonders die „Lady mit den Totenaugen“ stellt das Original-Cover von Lonati, auf welches der Verlag mit gutem Grund verzichtete, mühelos in den Schatten.

_Fazit:_ Klassische Grusel-Romane aus der Feder Dan Shockers, die – auch wenn es abgedroschen klingt – nichts für schwache Nerven sind.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Horst Hoffmann – Dorlog (Titan-Sternenabenteuer 28)

_Story_

Eine Flotte der Cadschiden hat kurz vor der Landung auf der Erde einen verheerenden Unfall. Das Schiff ihres Anführers Dorlog explodiert kilometerweit über der Oberfläche und fordert mehrere Opfer. Der verletzte cadschidische Emoreb schlägt sich indes zu einer gläubigen Farmer-Familie durch und erholt sich von den Folgen der Katastrophe. Doch Dorlog verliert sein Ziel nicht aus den Augen – und hinterlässt innerhalb der Familie, die ihn gepflegt hat, ein Bild des Grauens.

Unterdessen reist die Besatzung der |Titan| unter der Leitung von Vanessa Modesta nach Cadschid, um mehr über die neueste Technik des Volkes zu erfahren. Bei ihrer Ankunft bietet sich ihnen jedoch ein furchtbarer Anblick. Die Cadschiden stehen im Krieg, auf der einen Seite die ’normale‘ Unterzahl, auf der anderen Seite die Emotionsrebellen, die alles daransetzen, die verlorenen Gefühle wiederzuerlangen. Ihre Hoffnung beruht auf Dorlog, der vor kurzem zur Erde entsandt wurde, um die Menschheit mit der neuesten Technik völlig ihrer Gefühle zu berauben. Und während die Crew der |Titan| auf Cadschid noch ums nackte Überleben kämpft, droht der Erdbevölkerung ein Leben als seelenlose Zombies – es sei denn, es geschieht noch ein Wunder.

_Persönlicher Eindruck_

Innerhalb dieser Reihe muss man mal ganz deutlich eine Lanze für Horst Hoffmann brechen. Sowohl sprachlich als auch inhaltlich gehören seine Beiträge zu den „Titan-Sternenabenteuern“ zu den Highlights der Serie, so auch die aktuelle Episode „Dorlog“, die sich ein ganzes Stück weit vom Social-Fiction-Background der letzten Romane löst und die |Titan| wieder dorthin führt, wo sie Science-Fiction-Fans seit beinahe zwei Jahren wieder gerne sehen würden, nämlich auf Abenteuerreisen durchs Weltall. Hoffmann setzt weder auf Pseudo-Erotik noch auf belanglose, überstrapazierte Liebschaften und schon gar nicht auf eigenartigen Humor, wie ihn Kollege Parzzival unlängst immer wieder überflüssigerweise bemühte. Stattdessen steht in seinem neuen Roman die Action wieder im Vordergrund, und dies auch sehr, sehr ausgeprägt.

Bereits auf den ersten Seiten macht der Autor unmissverständlich klar, dass es in „Dorlog“ nicht zimperlich zugehen wird. Der kompromisslose Überfall des obersten Emotionsrebellen und Titelgebers auf die unschuldigen Familienmitglieder ist ziemlich heftig und will erst mal verarbeitet werden. Brutal schlachtet sich Dorlog durch ein rückständiges Dorf streng religiöser Ländler und kreiert so ein erstes Bild von der bevorstehenden, neuen Bedrohung. Ähnlich verhält es sich auch auf dem von Krieg gezeichneten Heimatplaneten des auf Eroberungszug befindlichen Emorebs; Cadschid ist stark verwüstet, der Bürgerkrieg zeigt deutliche Spuren und entzweit das ursprüngliche Volk des Planeten. Das Warten auf den Lariod, den einzig wahren Beschützer und Heilsbringer, scheint den meisten überflüssig und zu distanziert. Die Cadschiden nehmen stattdessen selber das Heft in die Hand und hoffen auf ihre Eskorte auf der Erde, die ihnen einen Überschuss an Gefühlen auftreiben soll, koste es, was es wolle.

So spitzt sich die Lage an beiden Orten zu, bis einige völlig überraschende Wendungen den Plot völlig auf den Kopf stellen. Dorlog wird von der Familie, die er brutale dezimiert hat, aufgrund der religiösen Überzeugung verschont und erfährt somit die wahre Liebe. Er hat das Gefühl entdeckt, nach dem die Cadschiden seit Ewigkeiten gesucht haben, und ist überzeugt, dass er damit seinen Planeten retten und den Krieg beenden kann. Doch Dorlog wird von seinen Kollegen mittlerweile für tot erklärt, nachdem sein letztes Lebenszeichen in weiter Ferne liegt. Sein Stellvertreter Ormagor schwingt sich auf, das zu beenden, wofür die Abgesandten auf die Erde gekommen sind. Und da Ormagor ein regelrechter Fanatiker ist, sind ihm alle Mittel recht. Ohne dass die Welt es erahnt, ist sie in größter Gefahr.

Es ist auf jeden Fall mal angenehm, über die Dauer eines gesamten Romans von der Affäre zwischen Shalyn Shan und Monja sowie allen damit verbundenen Peinlichkeiten verschont zu bleiben. Zwar fragt man sich, warum der in „Krakentanz“ gesponnene Plot nun jäh unterbrochen wird und man plötzlich zwei völlig neue Stränge eröffnet, ohne den vorherigen abgeschlossen zu haben, doch nach den ständigen inhaltlichen Wiederholungen der letzten Ausgaben der „Titan-Sternenabenteuer“ sind diese erfrischenden Umschwünge überaus willkommen und führen die Serie endgültig aus der Misere heraus.

Hoffmann vollzieht einen gewagten, aber durchweg gelungenen ‚Back to the Roots‘-Schritt, der zwar hier und dort etwas weniger glaubwürdig erscheint (so kauft man der durch Dorlogs Attentate verwitweten Jessi keinesfalls ab, dass sie dem Cadschide seine Taten verzeiht), aufgrund der prima dargestellten Action und dem deutlich angehobenen Sprachniveau jedoch problemlos zum besten „Titan“-Gehversuch seit langer Zeit avanciert. „Dorlog“ bringt endlich wieder die |Titan| ins Spiel und führt das beliebte Schiff nach längerer Abstinenz wieder durch die Sternenreiche. Hoffen wir einfach mal, dass die hier getätigten Ansätze den alten, fast schon vergessenen Rahmen wieder kitten und auch künftig endlich wieder klassische Science-Fiction geboten wird. Nr. 28 ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung!

Taschenbuch ‏ : ‎ 158 Seiten
http://www.BLITZ-Verlag.de

Frost, Scott – Risk. Du sollst mich fürchten

Scott Frost ist bislang eher für seine Drehbücher für Serien wie „Akte X“ oder „Twin Peaks“ bekannt gewesen. Mit „Risk. Du sollst mich fürchten“ soll sich das ändern. Der Psychothriller ist Frosts erstes Buch und wurde sogar für den |Edgar Award| als bestes Thrillerdebüt nominiert.

Der Fall, mit dem Lieutenant Alex Delillo sich beschäftigt, beginnt recht harmlos mit dem Mord an einem Blumenhändler. Als sie einen vorbestraften Mitarbeiter des Geschäfts überprüfen wollen, fliegt dessen Haus in die Luft und Alex‘ Partner Dave Traver wird lebensgefährlich verletzt.

Schon bald zeigt sich, dass der Täter zu noch weit grausameren Taten fähig ist. Immer wieder greift er auf selbst gebastelte Bomben zurück und schon bald kristallisiert sich sein Ziel heraus: Er möchte eine Bombe auf der jährlichen Rosenparade in Pasadena zünden. Für Alex und ihren neuen Kollegen Dylan Harrison, Experte für Sprengstoffe, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Alex ist davon ganz besonders betroffen, denn der Täter hat ihre Tochter Lacy entführt und droht damit, sie umzubringen, wenn nicht alles nach seinem Plan läuft …

Die Handlung, die Frost in seinem Buch anbietet, ist nicht unbedingt das Nonplusultra. Der Bombenleger, der sich inszeniert und die Welt in die Luft sprengen möchte, ist ein bisschen abgeschmackt. Trotzdem schafft der Autor es, immer wieder unkonventionelle Ereignisse in seinen Plot einzubinden. Er verfolgt also nicht immer das übliche Schema, kann uns aber auch nicht völlig vom Gefühl des bereits Dagewesenen befreien.

Auch wenn das Thema nicht neu ist, so kann man sich über den Aufbau des Buches nicht beklagen. Man merkt Frost seine Vergangenheit als Drehbuchautor an. Schlag auf Schlag passieren die Morde und werden meist actionreich dargestellt. Für Ausschweifungen bleibt wenig Platz. Einzig Alex gönnt sich ab und an ein paar Zeilen, um über das schwierige Verhältnis zu ihrer Tochter zu philosophieren oder ihre eigene Vergangenheit zu beleuchten.

Diese Passagen tragen dazu bei, dass der Thriller trotz seiner actionreichen und teilweise hightechlastigen Handlung viel menschliche Wärme in sich trägt. Die Ich-Perspektive, aus der Alex erzählt, ist dem Autor sehr gut gelungen. Alex ist eine schlagfertige, im Beruf kompetente Frau, die an ihrer Unfähigkeit als Mutter zu knabbern hat. Das Verhältnis zu ihrer Tochter Lacy ist sehr schlecht. Sie weiß nur wenig über deren Leben und wird mit dieser Tatsache immer wieder konfrontiert. Frost schafft es, Alex‘ Verzweiflung, Reue und Angst im Verlauf des Buches sehr gut darzustellen. Dabei vernachlässigt er nicht, die Geschichte mit sarkastischen, teils selbstironischen Bemerkungen aufzulockern.

Auch die anderen Charaktere sind sehr vielschichtig gezeichnet, wenn auch nicht immer so interessant wie Alex. Frost setzt weniger auf wirkliche Originalität als auf gute Handarbeit. Seine Personen sind dementsprechend gut ausgearbeitet, wirken aber alltäglich.

Alex‘ Ich-Perspektive bestimmt das Buch weitgehend. Sie wird von einem klaren, sauberen Schreibstil gestützt, der bis auf die humorvollen Bemerkungen kaum Besonderheiten in Form von rhetorischen Stilmitteln besitzt. Da Frost aber sehr dicht und flüssig schreibt, ist das nicht weiter negativ. Weiterer positiver Nebeneffekt der Wahl der Ich-Perspektive ist die Homogenität in der Handlung. Scott Frost verzichtet auf weitere Perspektiven. Alles wird aus der Sicht von Alex Delillo erzählt. Dadurch gibt es nur einen Erzählstrang in der Geschichte und keine unnötigen Nebenhandlungen, die vom Kriminalfall ablenken. Eintönigkeit kommt trotzdem nicht auf. Alex Delillo ist aufgrund ihres Berufs und ihrer Sorge um ihre Tochter immer nah am Hauptgeschehen. Und auch, wenn die Handlung nicht immer zieht, so ist sie doch gut dargestellt und wird von einer sympathischen Protagonistin erzählt.

Scott Frost ist nicht der hellste Stern am Thrillerhimmel, aber er muss sich mit seinem Debüt „Risk“ auch nicht in einem schwarzen Loch verstecken. Der souveräne Thriller kann vielleicht nicht unbedingt mit dem schon oft durchgekauten, aufmerksamkeitsüchtigen Serienkiller punkten, aber dafür ist Protagonistin Alex Delillo eine sehr sympathische Frau. Der Aufbau des Buches ist spannend und die Ereignisse passieren Schlag auf Schlag. Insgesamt ist Scott Frost ein lesenswertes Buch gelungen.

http://www.knaur.de
http://www.droemer-knaur.de/trailer/risk__trailer.html
http://www.droemer.de/thriller/risk-test/

Schröter, Andreas (Hg.) – Honigfalter

_Autoren:_

Sibylle Zimmermann
Achim Wagner
Malte König
Dietmar Hübner
Michaela Grollegg
Angelika Brox
Bettina Jungblut
Christoph Schwarzenböck
Michael Metzner
Lutz Schafstädt
Ingrid Fohlmeister
Gudula Goering
Werner Anthon
Annemarie Nikolaus
Sibylle Luithlen
Silvia Konstantinou
Ingeborg Restat
Birgit Erwin
Anant Kumar
Ulrich Meurer
Anne Zeisig
Evelyn Sperber
Marion Schäfer
Fran Henz
Iris ter Haar
Barbara Jung

Mit „Honigfalter“ hat der |Schreiblust|-Verlag von Andreas Schröter 2003 seine erste große Anthologie herausgegeben, die immer noch zu den meistverkauften Büchern des Verlags gehört. 26 Autorinnen und Autoren haben sich mit dem zeitlosen Thema „Liebe“ auseinandergesetzt, welches laut Klappentext zu Kurzgeschichten führte, die jenseits von Kitsch und Schwülstigkeiten liegen. Eine Vorgabe, die freilich nicht jede Story erfüllt. Die Beiträge „Paris“ und „Hochwasser“ wurden nicht nur sehr gefühlvoll erzählt, sondern sind auch stark angereichert mit verträumten, ein wenig schnulzigen Liebesbekundungen.

Doch originell sind sie alle, die Geschichten um Liebesglück und Liebesschmerz. Und so, wie in vielen Kriminal-, Science-Fiction- und Fantasy-Romanen eine Liebesgeschichte vorkommt, spielen einige der Storys in dem vorliegenden Buch in eben jenen Genres. „Der einsame Fels“ beispielsweise ist eine Science-Fiction-Geschichte, in der es um eine bedingungslose Liebe zu einem vollkommen fremdartigen Wesen geht. Auch „Anders“ bewegt sich vor einem futuristischen Hintergrund.

Zwei historische Liebesgeschichten schrieben Ingrid Fohlmeister und Fran Henz mit ihren Storys „Bluthochzeit“ und „Träume“. Beide wurden nicht nur flüssig und anschaulich verfasst, sondern zeugen auch von einem hervorragenden Fachwissen und guter Recherche. Die erstgenannte Geschichte handelt dabei von einem bekannten Freibeuter namens Störtebeker.

Eine sehr fantasievolle Episode steuerte Marion Schäfer mit „Casanova Clothing Trade Mark“ bei, welche aus einer vollkommen unerwarteten Sichtweise geschildert wurde. Sehr humorvoll ist dagegen Malte Königs Geschichte „Hannos erster Kuss“, der sich sehr einfühlsam mit den Tücken des Erwachsenwerdens auseinandersetzt. Aber auch die dunkle Seite der Liebe wird nicht unter den Tisch gekehrt und kommt in der Erzählung „Als die Farben Trauer trugen“ von Silvia Konstantinou zur Sprache.

Dass jedem Leser jede Geschichte gleich gut gefällt, kann nicht erwartet werden, aber es sind mit Sicherheit für jeden Leser einige Beiträge enthalten, mit denen er sich identifizieren kann.

Das Cover wirkt aufgrund seiner einfachen Gestaltung ein wenig bieder, und auch auf Illustrationen muss der Leser verzichten, obwohl sie gerade diesem Band gut zu Gesichte stünden. Dafür wurde bereits diese erste Anthologie mit stabilem Karton broschiert und auf hochwertigem Papier gedruckt.

_Fazit:_ Eine abwechslungsreiche Reise durch die Welt der Liebe mit originellen Beiträgen, die nur selten in die kitschigen Gefilde abdriften. Ein Buch, das sein Geld ebenso wert ist wie die Zeit, die der Leser für die Lektüre investieren muss.

http://www.schreib-lust.de

_Florian Hilleberg_

Garfield, Richard – Magic: The Gathering – Blick in die Zukunft – Themendeck »Schicksalszündung«

_Schicksalhafte Zukunftsvisionen_

Irgendwie hat man sich in den ersten drei Themendecks der jüngsten „Magic: The Gathering“-Erweiterung gefragt, welche Bedeutung der Faktor Zukunft nun tatsächlich hat. Zweifelsohne sind hier und dort einige zeitverschobene Karten eingesetzt worden, und auch die Fähigkeit ‚Hellsicht‘ fällt hierbei auf, aber den eigentlichen Zweck, nämlich tatsächlich sicher vorausschauend zu agieren, der wurde noch in keinem Deck explizit offenbart.

An diesem Zustand soll „Schicksalszündung“ nun gehörig was ändern; das vierte und letzte Set aus „Blick in die Zukunft“ ist fast ausschließlich auf besagte ‚Hellsicht‘-Eigenschaft ausgelegt und basiert in erster Linie auf einem sehr kontrolliert ausgelegten Spiel, welches darauf abzielt, sich eine gute Übersicht über die eigene Bibliothek sowie die des Gegners zu verschaffen und hierdurch das Schicksal des Spiels weitestgehend zu lenken. Allerdings hat dies sowohl Vor- als auch Nachteile …

_Karteninhalt_

Länder:
• 14x Insel
• 11x Gebirge

Kreaturen:
• 2x Weiser aus Egyptir (common)
• 2x Vedalken-Äthermagier (common)
• 1 Dandän (zeitverschoben)
• 3x Blindes Traumwesen (common)
• 2x Avior-Augur (common)
• 3x Kryptischer Ringelwurm (uncommon)
• 1x Magus der Zukunft (rare)
• 2x Glutroter Augur (common)
• 2x Stachelgeißler (common)
• 1x Uthden-Troll (zeitverschoben)
• 2x Zackenbewehrter Schocker (uncommon)
• 1x Boldwyr-Einschüchterer (uncommon)

Andere:
• 2x Mystische Spekulationen (uncommon)
• 2x Vensers Zerstreuung (common)
• 1x Voraussehen (common)
• 1x Gefrorener Äther (uncommon)
• 1x Mark des Gestaltwandlers (rare)
• 2x Ins Mystische abdrehen (uncommon)
• 1x Tödliche Anziehung (common)
• 2x Rätselhaftes Gewitter (common)
• 1x Shivanischer Meteor (uncommon)

_So spielt man das Deck_

Ziel des Spiels mit dem „Schicksalszündung“-Themendeck ist vorrangig die Manipulation der unterschiedlichen Bibliotheken, was natürlich bedeutet, dass man versucht, im eigenen Nachziehstapel die besten Karten möglichst schnell nach oben zu bringen bzw. die stärksten Kreaturen und Zauber des Gegners ans Ende zu verbannen. Mit Karten wie ‚Mystische Spekulation‘, ‚Rätselhaftes Gewitter‘ und ‚Kryptischer Ringelwurm‘ darf man nun die obersten Karten der Bibliothek aufdecken, sich Passendes zurechtlegen und unbrauchbare Karten ans Ende der Reihe versetzen. So gelangen die wertvollsten Kreaturen und furchtbar effektive Zauber wie ‚Shivanischer Meteor‘ (13! Schadenspunkte) relativ zügig ins Spiel und müssen nicht hinter der Schwemme an Ländern zurückstecken. In dieser Beziehung ist auch der ‚Magus der Zukunft‘ ein wichtiges Element, weil er die Möglichkeit eröffnet, die oberste Karte der Bibliothek direkt zu spielen. Und sollte der Magus schlussendlich doch nicht so schnell wie gewünscht an die Oberfläche kommen, spielt man halt einfach den ‚Vedalken-Äthermagier‘, mit dessen Hilfe man einen Zauberer direkt und gezielt aus dem Nachziehstapel entnehmen kann.

Insofern sollte man also darauf bedacht sein, die Geschicke beider Bibliotheken möglichst zügig unter seine Kontrolle zu bringen und das Nachziehen neuer Karten entschieden zu lenken. Der Gegner bekommt so selten die Gelegenheit, seine stärkeren Werte auszuspielen, weil sie auf eigenes Drängen hin wieder weichen müssen, während man selbst langsam aber sicher einen kontinuierlich wachsenden Angriffswall aufbaut, mit dem man auch in schwereren Schlachten eine Chance hat. Problematisch sind diesbezüglich lediglich die minder ausgeprägten Offensivwerte. Es ist zwar positiv hervorzuheben, dass die Manakosten bei fast allen Kreaturen ziemlich gering sind, doch bekommt man als Gegenwert kaum effektive Angriffspower, um die vorab herbeigeführte Kontrolle auch in eine kontrollierte Offensive umsetzen zu können. Sollte man beispielsweise gegen das diesbezüglich stark besetzte „Zukunftsschock“-Deck spielen, liegen die Chancen wohl eher im Nullbereich, da man sich irgendwann auch mithilfe der Hellsicht nicht mehr gegen die richtig starken Kreaturen erwehren kann. Eine schnelle Vormachtstellung herauszuspielen, ist schließlich die eine Sache – sie auch gewinnbringend zu nutzen, die andere, wesentlich schwerere …

_Fazit_

„Schicksalszündung“ mag dasjenige Deck in der „Blick in die Zukunft“-Serie sein, welches am homogensten abgestimmt ist und bei dem die einzelnen Karten auf ihren Effekt bezogen am stärksten harmonieren, doch weil der Karteninhalt bestenfalls mäßig ist und weder Zauber noch Kreaturen großen Schaden beim Gegner hervorrufen können, kommt meist mitten im Spiel die befürchtete Kehrtwende, die trotz des anfangs eindeutig kontrollierten Spiels nicht mehr abgewendet werden kann. Erschwerend hinzu kommt die übermäßig hohe Anzahl der Standardländer, die aufgrund der vergleichsweise geringen Kosten für das Tappen der Karten eher unlogisch scheint und besser der einen oder anderen mächtigeren Kreatur gewichen wäre.

So eignet sich die Zusammenstellung letztendlich ausschließlich für das experimentierfreudige Publikum, welches sich etwas intensiver mit Fähigkeiten wie ‚Hellsicht‘ oder ‚Schicksal besiegeln‘ auseinandersetzen bzw. den Umgang mit diesen genauer erproben möchte. Sollte die Motivation des Spiels indes sein, mit aller Kraft um den Sieg zu spielen – und dies ist schließlich die einzig logische Herangehensweise an „Magic: The Gathering“ – dann sieht es mit der „Schicksalszündung“ ziemlich mau, um nicht zu sagen mies aus. Meines Erachtens ist dieses zukunftsorientierte Set jedenfalls das schwächste der aktuellen Erweiterung!

http://www.magicthegathering.de/
http://www.universal-cards.com
http://www.wizards.com/

|Siehe ergänzend dazu:|

[Magic: The Gathering 9. Edition – Schnelleinstieg 3335
[Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Armee der Gerechtigkeit« 3337
[Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Schon wieder tot« 3370
[Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Luftige Höhen« 3591
[Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Welt in Flammen« 3592
[Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck »Remasuri-Entwicklung« 3371
[Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck »Kreuzritter der Hoffnung« 3372
[Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck »Pelzige Pilzwesen« 3667
[Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck »Realitätsbruch« 3670
[Magic: The Gathering – Weltenchaos – Themendeck »Endloser Marsch« 3731
[Magic: The Gathering – Weltenchaos – Themendeck »Verwirrtes Hirn« 3734
[Magic: The Gathering – Weltenchaos – Themendeck »Ixidors Vermächtnis« 3741
[Magic: The Gathering – Weltenchaos – Themendeck »Rituale der Wiedergeburt« 3746
[Magic: The Gathering – Blick in die Zukunft – Themendeck »Rebellenvereinigung« 3748
[Magic: The Gathering – Blick in die Zukunft – Themendeck »Ausgesetztes Urteil« 3800

[Magic: The Gathering – Zeitspirale-Zyklus Band 1 3720
[Outlaw 1864 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 1)
[Der Ketzer 2645 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 2)
[Die Hüterin 3207 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 3)
[Die Monde von Mirrodin 2937 (Magic: The Gathering – Mirrodin #1)

Novik, Naomi – Drachenbrut (Die Feuerreiter Seiner Majestät 1)

Drachen gehören seit jeher zum Standardrepertoire der Fantasyliteratur. Uralt, weise, mächtig und tödlich, Hüter von Horten voller magischer Schätze, wohlwollend oder blutrünstig, und stets faszinierend. Die amerikanische Autorin Naomi Novik (* 1973) jedoch macht Drachen zu intelligenten, sprechenden und treuen Verbündeten der Menschen, und versetzt sie in die Zeit der Napoleonischen Kriege. Als „Die Feuerreiter Seiner Majestät“ sichert das Luftkorps gemeinsam mit der Royal Navy die englische Luft- und Seeüberlegenheit im Ärmelkanal und verhindert so die Invasion durch Napoleons Truppen.

Dem englischen Kapitän Will Laurence ist das Kriegsglück hold: Es gelingt ihm, eine französische Fregatte zu kapern, deren Besatzung sich trotz hoffnungsloser Lage verbissen zur Wehr setzt. Der Grund ist ihre seltene und wertvolle Fracht: ein Drachenei, das kurz vor dem Schlupf steht. Dies bringt Laurence in arge Nöte, denn ein Drache muss nach seiner Geburt sofort gebunden und angeschirrt werden. Doch das bedeutet, einen seiner Offiziere an das Luftkorps zu verlieren. So wichtig und unverzichtbar Drachen für die Sicherheit Englands auch sind, ist der Dienst im Luftkorps wenig geachtet und eine wahre Lebensaufgabe, weshalb kein Gentleman sich um diese zweifelhafte Ehre reißt. Doch der kleine Drache schlüpft noch auf dem Schiff, und er erwählt Laurence …

Dies bedeutet für Laurence den Verzicht auf eine glänzende Zukunft in der Marine, ebenso den Verlust seiner Verlobten. Sein Vater zeigt sich ebenfalls ungehalten. Doch findet er in dem von ihm |Temeraire| (die |HMS Temeraire| deckte Lord Nelsons |Victory| in der Schlacht von Trafalgar) getauften Drachen einen wundersamen und intelligenten Gefährten, weit mehr als ein nützliches Tier, zu dem er bald tiefe Zuneigung und Liebe empfindet. Gemeinsam mit Temeraire wird er vom britischen Luftkorps zum Drachenreiter ausgebildet, der viel zu früh seine ersten Luftkämpfe mit französischen Drachen bestehen muss. Auch wenn Temeraire nicht ganz das Kampfgewicht der größten britischen Drachen erreicht, ist er etwas ganz Besonderes, denn er ist ein chinesischer Drache vorerst unbestimmter Art – wie sich später herausstellt, ein Geschenk des chinesischen Kaiser an Napoleon persönlich. Temeraire kann seine Fähigkeiten bald eindrucksvoll zur Schau stellen, denn Verrat und Intrige führen zu einer gefährlichen Situation: Die Invasion Britanniens droht, und es ist an Lord Nelson und den Feuerreitern Seiner Majestät, diese Bedrohung abzuwenden.

_Ein Offizier und Gentleman und sein edler Drache_

Naomi Novik setzt zwei Schwerpunkte in „Drachenbrut“: Die Beziehung zwischen Temeraire und Will Laurence sowie die soziale Sonderstellung des Luftkorps in der konservativen britischen Gesellschaft nehmen den Großteil des Romans ein, Luftkämpfe in der Art früher Jagdflieger als „Helden der Lüfte“ finden sich erst gegen Ende des Romans. Trotz der oft heftigen Kämpfe wird die Brutalität des Krieges weitgehend ausgeblendet, Bodenangriffe feuerspeiender Drachen findet man nicht, stets kämpfen sie gegen andere Drachen, während ihre Besatzungen den anderen Drachen zu entern versuchen und ihn beziehungsweise seinen Kapitän mit vorgehaltener Pistole zur Aufgabe zwingen.

Will Laurence ist ein echtes Musterbeispiel eines britischen Offiziers. Treu und pflichtbewusst, mutig und tapfer sowie mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitsempfinden versehen, ist er der geborene Held. Sein Drachen steht ihm da kaum nach: Temeraire gehört zu den intelligentesten Drachen überhaupt, zudem zeichnet er sich durch grenzenlose, uneingeschränkte und rührende Liebe und Treue zu Laurence aus. Diese Beziehung ähnelt der zwischen Flipper, Lassie und ihren menschlichen Partnern, hat aber auch aufgrund der Sprachfähigkeit und Intelligenz Temeraires durchaus etwas von einer perfekten Ehe/Partnerschaft, welche den Reitern meist aufgrund des intensiven Pflege- und Zuwendungsbedarfs ihrer gigantischen Schützlinge verwehrt ist.

Diese Mischung erscheint merkwürdig, aber Temeraire und Laurence sind zweifellos eines der liebenswertesten und faszinierendsten Gespanne, über das ich je gelesen habe. Interessant ist auch die Stellung der Drachenreiter in der britischen Gesellschaft: Sie werden als Sonderlinge betrachtet, der enge Umgang mit einem Tier wird vom Adel sehr skeptisch gesehen, was des öfteren Laurence‘ Groll erregt. Untereinander pflegen die Drachenreiter einen lockereren Umgangston als in der Marine, dennoch gibt es auch bei ihnen – und bei ihren Drachen – feste Hierarchien und recht komplexe Umgangsformen und Etikette, die dem Roman einen Hauch von Stil und Klasse eines vergangenen Zeitalters verleiht.

_Große Drachen, kleine Drachen_

Eine ausführliche Drachenkunde darf in diesem ersten Band der Tetralogie um die Feuerreiter Seiner Majestät natürlich nicht fehlen. So haben die Briten mit den mächtigen Königskupfer-Drachen zwar die größten Drachen, mit entsprechender Tonnage (sie werden entsprechend in der Art von Linienschiffen im dichtesten Getümmel eingesetzt), aber es fehlt ihnen an feuerspeienden Drachen, wie sie die Franzosen oder Spanier zum Beispiel mit dem Flamme-de-Gloire besitzen. Das britische Luftkorps dagegen kann mit den Langflüglern auftrumpfen, schnellen und säurespeienden Drachen mittlerer Größe, die gewöhnlich auf weibliche Reiterinnen bestehen – der Grund, warum es im Luftkorps auch Pilotinnen gibt, was Laurence aufs Tiefste verwundert, denn das gefährliche Drachenreiten ist in seinen Augen alles andere als „Lady-like“.

Temeraire selbst ist ein nicht genau klassifizierbarer Sonderfall; er besitzt mehr Krallen an den Klauen als europäische Drachen und ist somit ein chinesischer Drache, dessen besondere Fähigkeiten vorerst verborgen bleiben. Neben ungewöhnlich hoher Intelligenz und Sprachbegabung ist er auch ein exzellenter Flieger und kann in der Luft auf der Stelle stehen, was sonst nur kleineren Sturzflüglern (eine Art Sturzkampfbomber) vorbehalten ist. Kleinere Graulinge und Winchester-Drachen werden meistens zu Kurierflügen eingesetzt; viele französische Drachen sind gewöhnlich nachtaktiv und deshalb gegenüber Lichtblitzen empfindlich.

_Die Helden der Lüfte_

Eine gehörige Suspension of Disbelief ist bei der etwas arg romantisierenden Kriegsführung mit Drachen nötig: Die Drachen fliegen in Formationen am Himmel, und obwohl es „Bomber“ gibt, liegt Naomi Noviks Augenmerk ausschließlich auf den Luftkämpfen zwischen Drachen und ihren Besatzungen. Die Drachen selbst sind recht empfindlich – ein Scharfschütze kann einen Drachen mit einem gezielten Schuss auf Entfernung töten, deshalb tragen sie eine Art Kettenpanzerung, aber einer Kanonenkugel kann kein Drache widerstehen. Auf direkte und wohl eher brutale Beschreibungen der Wirkung eines feuerspeienden Drachen auf Schiffe oder eines Säureregens auf ungeschützte Soldaten am Boden lässt sich Naomi Novik nicht ein; der Tod eines Drachen ist auch die absolute Ausnahme, mehr als schwer verwundet und unter Tränen wieder gesundgepflegt wird hier kein Drache. Sehr verwunderlich ist auch, warum diese oft hochintelligenten Geschöpfe so sehr die Nähe des Menschen suchen und in seinen Kriegen auf verschiedenen Seiten kämpfen. Die Treue eines Drachen zu seinem Reiter, und in den meisten Fällen umgekehrt ebenso, ist absolut.

_Fazit:_

Laurence und Temeraire sind einfach faszinierend. Ich hätte nicht erwartet, dass eine wie beschrieben etwas schwer zu verdauende Verbindung der Kriege des napoleonischen Zeitalters mit Drachen mich so fesseln könnte. Die Faszination des Romans entsteht aus der Verbindung von Stil und Klasse britischer Offiziere mit einem absolut faszinierenden gefährlichen und überaus fähigen Schoßtierchen, womit ich Temeraire keinesfalls gerecht werde. Meine einzigen Kritikpunkte sind die recht braven Verharmlosungen und Verniedlichungen kriegerischer Auseinandersetzungen sowie die Frage, ob die Faszination, einen Drachen als Freund und Gefährten zu haben, auf Dauer unterhalten kann. Naomi Novik bedient hier gezielt Träume nach einem faszinierenden (Tier-)Gefährten. Als historisch exakt würde ich diese Saga, wie so oft behauptet wird, auch nicht bezeichnen, bereits im ersten Band weicht Novik, abgesehen von den Drachen, erheblich von historischen Tatsachen ab, insbesondere bei der Schlacht von Trafalgar.

„Drachenbrut“ hat mir trotz dieser Kritikpunkte ausgezeichnet gefallen; das ungewöhnliche Szenario ist ungemein reizvoll, voller ungewöhnlicher und interessanter Charaktere, die mir oft ein wenig zu perfekt und liebenswert erschienen. Ein Subplot über einen Kapitän, der seinen Drachen nur aufgrund seiner Herkunft bekam und ihn schlecht behandelt, zielt in die andere Richtung und drückt auf die Tränendrüse des Lesers.

Auch Regisseur Peter Jackson („Der Herr der Ringe“, „King Kong“) ist bekennender Fan von Temeraire: Seine Produktionsfirma hat die Rechte erworben, er selbst bezeichnet die Verfilmung als groß angelegtes Projekt – „groß“ lässt aus seinem Munde einiges erwarten! Eine angemessene Darstellung der innigen Beziehung zwischen Temeraire und Laurence dürfte sich als große Herausforderung erweisen.

In der Folge wird sich die Serie schnell in Richtung eines noch exotischeren Handlungsorts bewegen: China. Der chinesische Kaiser ist nicht allzu glücklich darüber, dass sein wertvolles Geschenk in die Hände eines gewöhnlichen britischen Marineoffiziers gefallen ist …

Offizielle Homepage der Autorin:
http://www.temeraire.org/

Deutsche Fanseite:
http://www.temeraire.de/

Website des Verlags:
http://www.cbj-verlag.de

deWitt, Carl A. – Krone von Lytar, Die

Seit Jahrhunderten lebt das Dorf Lytara in Frieden. Die wenigen Schwerter, die die Menschen besitzen, sind eingemottet. Denn einst brachte das Volk der Lytarer Angst und Schrecken über die Welt, bis die Götter in ihrem Zorn die Stadt Lytar dem Erdboden gleichmachten und ihre Bewohner nahezu ausrotteten.

Doch eines Tages wird Lytara unerwartet von fremden Soldaten überfallen. Belior, der Herrscher eines fernen Reiches, giert nach der alten Macht und Magie Lytars, der die Nachfahren jenes Volkes längst abgeschworen haben: der Krone Lytars. Aber wie sollen sich die Lytarer gegen die feindliche Übermacht wehren, wenn nicht mit Hilfe der uralten magischen Artefakte, die noch immer im Wald verborgen liegen? Und wie sollen sie diese benutzen, ohne erneut all die Übel heraufzubeschwören, die sich um keinen Preis wiederholen dürfen?

Auf der Suche nach Antworten machen Garret, Tarlon, Elyra und und Argor sich auf den Weg in den Wald von Lytar. Ein gefährliches Unterfangen, denn ihnen droht nicht nur die Entdeckung durch die Soldaten Beliors, in dem verdorbenen Wald streifen auch unzählige Monster umher …

Ein wenig merkt man Carl deWitts Roman die Vorliebe des Autors für Rollenspiele an. Das zeigt sich bereits an der Zusammensetzung der Gruppe:

Garret ist ein hervorragender Bogenschütze. Wie könnte es auch anders sein, wo sein Vater doch der Bogenmacher des Dorfes ist. Abgesehen davon ist er ein begabter Fährtenleser und sehr gut im Verstecken und Davonlaufen. Was keineswegs heißen soll, dass er feige wäre, im Gegenteil. Sein angeborener Sturkopf lässt ihn auch noch im Weglaufen einen Weg finden, sein Ziel trotzdem zu erreichen. Und seine nahezu unentwegt gute Laune stützt massiv die Moral der anderen.

Denn vor allem Argor neigt gelegentlich zu Missmut und Schwarzseherei. Vielleicht liegt es daran, dass er ein Zwerg ist. Auf jeden Fall hat er eine unüberwindbare Abneigung gegen Magie, die ihn gelegentlich mit dem aufgeschlosseneren Garret in Konflikt bringt. Andererseits ist Argor vor allem eines: treu. Und so folgt er seinen Freunden, wenn auch mit wenig Begeisterung, auf einen Maultierrücken, durch die Luft, ja selbst ins Wasser!

Tarlon ist – sehr vereinfacht ausgedrückt – Holzfäller, und schwingt seine Axt mit bemerkenswerter Präzision, nicht nur gegen Bäume. Im Gegensatz zu Elyra ist er der Meinung, dass die Krone Lytars in Beliors Händen keinesfalls Frieden für Lytara bedeuten würde! Er ist der schweigsame Denker der Gruppe, der hauptsächlich mit Beobachten und Zuhören beschäftigt ist.

Elyra ist der widersprüchlichste Charakter. Sie ist eine Halbelfe und als Findelkind bei der Sera Tylane, der Heilerin des Dorfes aufgewachsen. Tod und Schmerzen, die so plötzlich über ihre stille Heimat hereingebrochen sind, haben sie zutiefst entsetzt, sodass sie am liebsten die Krone Lytars den Angreifern überlassen würde, um das alles schnellstmöglich zu beenden. Das hält sie aber nicht davon ab, mit stählerner Entschlossenheit eigenhändig einen Attentäter umzubringen. Elyra handelt ganz aus dem Bauch heraus und verlässt sich dabei völlig auf die Führung durch Mytral, die Göttin, der sie dienen möchte.

Im Großen und Ganzen also ein recht gängiger Charakterentwurf. Immerhin sind die Figuren nicht steif oder hölzern geraten, wenn auch die Szene, in der Elyra sich von Argor und Knorre verabschiedet, ehe sie in den Keller des Staudammes hinuntersteigen, vielleicht ein wenig übertrieben wirkt. Die Personen als solche sind recht sympatisch, nicht nur aufgrund ihrer Eigenheiten, sondern auch durch die Tatsache, dass es unter ihnen keinen echten Anführer gibt. Die Gruppe agiert als Ganzes und ergänzt sich.

Und auch die Nebenfiguren besitzen alle ein paar Eigenheiten, die sie sehr menschlich und damit echt wirken lassen.

Die Handlung dagegen würde ich nicht als typisch für Rollenspiele bezeichnen. Die Suche bedeutet in diesem Fall keine Reise durch die halbe Welt zu irgendeinem Orakel oder Weisen oder Zauberer. Hier bedeutet Suche das Graben in Ruinen, in der Vergangenheit. Die Protagonisten brechen also nicht auf und sind monatelang unterwegs, vielmehr handelt es sich um mehrere kurze Expeditionen in die nähere Umgebung, von denen sie immer wieder in ihr Dorf zurückkehren. Die Handlung bleibt also stets mit dem Ursprungsort verknüpft.

Die Antworten sind allerdings noch sehr bruchstückhaft. Und vorerst bleibt auch die Bedrohung durch die fremden Invasoren noch eher im Hintergrund. Trotz einiger Abenteuer im Verdorbenen Wald – wie dem Kampf mit wilden Hunden, gefräßigen Insekten und ähnlichem – bleibt die Spannung die meiste Zeit auf eher mittlerem Niveau. Die einzelnen Hindernisse werden ein wenig zu glatt und problemlos abgefertigt. Erst gegen Ende zieht der Autor den Spannungsbogen etwas straffer an.

Etwas mehr Ausarbeitung hätte auch die Überlieferung der Lytarer vertragen. Zweimal werden die jungen Leute in den Wald geschickt, um bestimmte Orte zu suchen: den schlafenden Mann und den Turm eines Magiers. Aber niemand erklärt den Freunden, woher das Wissen um diese Orte kommt, zumal die Bibliothek abgebrannt ist! Das Gleiche gilt für die geheime Kammer im Keller des Wirtshauses. Das ist alles noch ein wenig schwammig geraten.

Gut gefallen hat mir die Idee, alles von einem Geschichtenerzähler berichten zu lassen. Die gelegentlichen Einwürfe des Zuhörers waren so eingearbeitet, dass sie nicht störten, und ein paar zarte Andeutungen lassen vermuten, dass auch diese Rahmenhandlung noch von Bedeutung sein wird. Sie macht neugierig …

Überrascht hat mich der Schluss, wo Elyra vom Frieden singt, als wäre die endgültige Schlacht schon geschlagen. Dabei sitzt Belior noch immer in seinem Königreich, und es ist unwahrscheinlich, dass er nach den Ereignissen dieses Buches plötzlich von seiner Suche nach der Krone ablassen wird. Das Ende schreit geradezu nach einer Fortsetzung, wie auch die diversen Andeutungen und unbeantworteten Fragen! Und auch, wenn die Autoreninfo lediglich von einem „weiteren Titel in Arbeit“ spricht, dürfte es sich dabei ziemlich sicher um einen zweiten Band zur „Krone von Lytar“ handeln.

Der Leser kann also getrost davon ausgehen, dass dieses Buch erst der allmähliche Auftakt zu einer größeren Sache war. Immerhin sind der Bösewicht und seine Schergen bisher nur mäßig in Aktion getreten. Die Fortsetzung darf dann, was die Abenteuer angeht, gern noch ein wenig verwickelter werden, und was die Vergangenheit angeht, noch ein wenig fundierter.

Carl A. deWitt ist ein Pseudonym. Der Autor ist gelernter Flugzeugmechaniker mit einem nachfolgenden Studium der Elektrotechnik und Informatik. Tagsüber arbeitet er als Systemprogrammierer, abends restauriert er mit Begeisterung Autos und Motorräder, und nachts schreibt er. „Die Krone von Lytar“ ist sein erster Roman.

Taschenbuch 640 Seiten
ISBN-13: 978-3-939-67404-7

http://www.fredeboldundfischer.de/

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Busiek, Kurt / Anderson, Brent Eric – Astro City 1: Der gefallene Engel

Eine goldene Regel aus dem Universum der Superhelden lautet: Keine Superhelden ohne Superschurken. Diese Regel gilt auch für „Astro City“, Kurt Busieks Comic-Spielwiese bei |Wildstorm/DC|. Die gefeierte Serie, früher bei |Speed|, wird heute bei |Panini| fortgesetzt. Im Mai erschien „Der gefallene Engel“, eine Geschichte über einen Superschurken der etwas anderen Sorte.

Alles beginnt damit, dass der Häftling Carl Donewicz aus dem Gefängnis entlassen wird. Nach Jahren des Eingesperrtseins tauscht er seine orangefarbene Sträflingskluft gegen einen Anzug und ist wieder ein freier Mann. Allerdings ist Donewicz kein gewöhnlicher Knacki, sondern ein Superschurke. Seine Haut glänzt, sie ist aus kugelsicherem Stahl und macht ihn nahezu unverwundbar. Früher nannte man ihn Steel-Jacketed Man, oder nur kurz: Steeljack. Nun macht er sich auf den Weg zum Kiefer Square, einem heruntergekommenen Viertel von Astro City, wohin sich redliche Bürger in der Nacht besser nicht verirren.

Donewicz ist hier aufgewachsen. Man kennt ihn, ein kleiner Verbrecher, der bis ganz nach oben wollte und doch irgendwo auf dem Weg dorthin abgestürzt ist. Solche wie Donewicz gibt es in Kiefer Square viele. Aber der entlassene Häftling, der früher Steeljack war, hat etwas gelernt. Er möchte um jeden Preis gut sein, so wie die Superhelden, die engelsgleich am Himmel ihre Kreise ziehen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Legale Arbeit zu finden als Ex-Knacki, ist schwierig, die Vergangenheit lastet schwer auf Donewicz, Selbstzweifel und Schuldgefühle plagen ihn.

Im Kern ist „Der gefallene Engel“ weniger Handlung als Portrait. Sicher, einen Plot gibt es auch, er ist solide und macht Spaß, doch wirklich stark machen diese Geschichte die herzlichen Momentaufnahmen eines Gefallenen, der wieder auf die Beine kommen möchte. Wer hätte gedacht, dass man auf einer Superhelden-Story auch solch sensible Töne spielen kann?

http://www.paninicomics.de/?s=Wildstorm

Tandefelt, Henrik – Lauf, Helin, lauf!

„Nicht noch ein skandinavischer Krimiautor!“ möchte man zunächst stöhnen, wenn man den Namen des in Helsinki geborenen Henrik Tandefelt liest. Obwohl in Finnland geboren, spielt sein Krimi „Lauf, Helin, lauf!“ in Schweden, genauer gesagt in Småland. Der Fotograf Josef Friedmann und das Ehepaar Lindström befinden sich gerade dort, weil das Ehepaar ein Ferienhaus gekauft hat, das renoviert werden muss.

Eines Tages findet man im Kanal der Kleinstadt Ekemåla eine stark verweste Leiche in einem Abwasserkanal. Zur gleichen Zeit meldet der Lehrer und Bekannte der Lindströms, Arvid Lönnholm, dass eine seiner Schülerinnen verschwunden ist. Die Kurdin Helin ist seit dem Türkeiurlaub mit ihrer Mutter weder in der Schule noch in ihrer Wohnung gesehen worden. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Leiche im Kanal und Helin?

Lindström, der sich für die Renovierungsarbeiten Urlaub genommen hat, wird von seinem Chef gebeten, der örtlichen Polizei zur Seite zu stehen. Bereits kurze Zeit später meldet sich ein Albaner, der behauptet, der Mörder der unidentifizierbaren Toten zu sein. Angeblich handelt es sich dabei um die Jahrmarktswahrsagerin Serafina, die der Albaner in den Kanal geschubst haben möchte, weil sie seinen Heiratsantrag nicht angenommen hat.

Die örtliche Polizei glaubt, dass der Mann der Täter ist, auch wenn er bei einem Unfall stirbt, bevor er ordentlich verhört worden ist. Die Ermittlungen werden eingestellt, doch Lindström, seine Frau Ingbritt und Josef Friedmann wollen das nicht glauben. Auf eigene Faust gehen sie der Sache nach …

Die Handlung an und für sich ist weder wirklich aufregend noch wirklich neu. Doch die Art und Weise, wie die vielen verschiedenen Erzählstränge verflochten sind, ist geradezu faszinierend.

Tandefelt legt der Geschichte eine hohe Erzähldichte zugrunde, die mit detaillierten, aber nicht ausschweifenden Situationsbeschreibungen und Dialogen aufwartet. Der Finne schreibt bildhaft, meist mit wenig Emotionen, dafür aber mit einem guten Auge für kleine Besonderheiten. Der dezent eingesetzte trockene Humor sorgt immer wieder für Glanzpunkte in der sehr authentischen Erzählung mit einer starken Konzentration auf Dialoge beziehungsweise innere Monologe.

Josef Friedmanns ist die einzige Perspektive, die in der ersten Person erzählt. Er gefällt durch seine sehr persönliche Art, seine Selbstironie und die Neigung, sich selbst nicht immer ganz ernst zu nehmen. Die anderen erzählen in der dritten Person. Dass Tandefelt die Perspektiven zumeist ohne Absätze ineinanderfließen lässt, ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Gleiches gilt für die verkürzten Sätze, die Josef benutzt und die manchmal etwas holprig klingen. Die Wahl des Präsens als Erzähltempo ist auch nicht immer ganz unkompliziert, doch aufgrund Tandefelts Selbstsicherheit, seiner cleveren Wortwahl und der atmosphärischen Dichte kann man darüber hinwegschauen.

Worüber man keineswegs hinwegsehen sollte, ist die Handlung. Die unterschiedlichen Fälle sind gut miteinander vereinbart und laufen am Ende alle zusammen. Die Zusammenführung funktioniert reibungslos und sorgt für ordentlich Spannung. Der Leser, der die unterschiedlichen Perspektiven kennt, weiß mehr als die Figuren. Er durchblickt dadurch viel schneller das Geflecht aus Zufällen und Geheimnissen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist Helins Perspektive. Sie verläuft gegenläufig zum Rest des Buches und erzeugt durch das abweichende Erzähltempus – die Vergangenheit – starke Spannung. Wieso erzählt Helin im Perfekt? Ist ihr etwas passiert? Tandefelt lässt den Leser lange im Ungewissen über die wahren Umstände, und das gefällt.

Am Schluss bleibt noch eine Frage: Gibt es für Henrik Tandefelt eine Möglichkeit, dem „Nicht noch ein skandinavischer Krimiautor!“-Ausruf zu entkommen? Ja, die gibt es, denn „Lauf, Helin, lauf!“ hat bis auf die Kulisse und die hohe Qualität nicht besonders viel mit dem üblichen Schwedenklischee zu tun. Das, was die |Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln| in einer Kritik als „ironisch-amüsanten Stil“ beschreibt, sorgt für wohltuende Frische. Von der gängigen skandinavischen Schwermut merkt man wenig in Tandefelts Krimi. Stattdessen verlässt er sich auf eine atmosphärische Erzähldichte, die kunstvolle Anordnung der verschiedenen Handlungsstränge und das geschickte Erzeugen von Spannung.

http://www.dtv.de