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Kammerer, Iris – Wolf und Adler (Tribun 3)

Band 1: [„Der Tribun“ 3536
Band 2: [„Die Schwerter des Tiberius“ 3539

Als Varus zusammen mit drei Legionen vom Verräter und Vertrauten Arminius vollständig vernichtet wurde, ging ein Klagen durch Rom. Verloren waren nicht nur 18.000 Legionäre (mit Hilfstruppen 25.000) sondern auch die Symbole der drei bis auf den letzten Mann verlorenen Legionen.

Germanicus, ein Römer und Freund des Varus, schwört, den Feind und Verräter zu besiegen und die Wahrzeichen der drei vernichteten Legionen heim ins römische Reich zu bringen. Germanien wird überzogen von der Erhebung neuer Truppen, die aus Einheimischen rekrutiert werden. Viele Stämme haben Rom die Treue geschworen; deren Tribut und Treue wird nun eingefordert.

Für die zivile Bevölkerung wird dieser Krieg schrecklich werden. Die römische Armee kennt nur Verbündete oder Feinde, nur Krieg oder Frieden. Ein Schrecken überfällt Germanien und es beginnt die Jagd nach dem Verräter Arminius.

Die Schlachtfelder werden von den Legionen unter Germanicus aufgesucht. Ein erschreckender Anblick eröffnet sich den Heeren des römischen Reiches und dessen Verbündeten. Die Pferde und Fußsoldaten waten in den Knochen der gefallenen Freunde, Verwandten und Soldaten. Sie betreten Opferhaine, in denen die Soldaten zum Tribut und Wohlgefallen der heimischen Götter blutig geopfert wurden. Zeugnis davon künden die menschlichen Knochen und Schädel, welche die Altäre der Germanen zieren.

Brutal und rücksichtslos entbrennt ein Rachefeldzug der Römer. Dörfer der Germanen werden vollständig vernichtet. Gefangene werden kaum gemacht. Der Hass und die Vergeltung überwiegen.

Im dritten Teil der Trilogie von Iris Kammerer, „Wolf und Adler“, geht es primär um den rücksichtslosen Rachefeldzug des römischen Oberbefehlshabers Germanicus, der ehrgeizig und manchmal entgegen jeglicher Vernunft handelt.

_Die Geschichte_

Gaius Cinna, der ein ganzes Jahr lang Geisel eines cheruskischen Fürsten inmitten von Germanien gewesen ist und nach seiner Rückkehr alle Titel und Vorzüge seines väterlichen Namens verloren hat, findet sich als Werkzeug des Germanicus in einem Rachefeldzug gegen die Aufständischen wieder.

Als erfahrener Unterhändler und ehemals Gefangener in der Provinz Germanien ist dieser mit den Bräuchen, der Kultur und der Taktik des Feindes vertraut. Als Kommandeur einer Einheit von einheimischen Truppen steht er zwischen zwei Welten. Verheiratet mit einer Fürstentochter und Vater ihrer Kinder, beißen ihn Gewissensbisse, welche die Einheit und die Liebe zu seiner Frau auf eine harte Probe stellen.

Einerseits strebt Cinna nach Vergeltung für die Schmach und die Schande, die er in dem Jahr der Gefangenschaft erleiden musste, andererseits erkennt er durch genau dieses Wissen, dass der Krieg gegen die germanischen Stämme nicht zu einem endgültigen Sieg führen kann. Zu groß sind die Verluste der Römer und ihrer Verbündeten. Genauso großes Leid erfahren die Zivilisten im germanischen Reich, deren Söhne entweder auf dem Schlachtfeld zum Ruhme Roms fallen oder gar nicht erst wiederkehren.

Cinna verspricht sich von der Teilnahme des Feldzuges die Chance sein Erbe, seine Titel, ja seines Vaters Besitz wieder antreten zu können, aber ist dies der Mühe und Entsagung wert? Seine Frau, verheiratet mit einem römischen Offizier, aber Tochter eines germanischen Fürsten, setzt ihn unwissentlich unter Druck. Für welche Welt, für welche Zukunft kann er sich entscheiden, ohne seine Pflichten gegenüber Rom und Familie zu verletzen oder gar zu brechen?

_Meine Meinung_

Der dritte und letzte Teil der Trilogie rund um den Offizier Gaius Cinna ist sicherlich eine Steigerung gegenüber dem zweiten. In „Wolf und Adler“ beweist Iris Kammerer sie sehr gekonnt ihr Wissen um die römische Besatzung Germaniens und die Kriege, welche diese Region erschütterten.

War der erste Teil durch Einführung und Entwicklung der Hauptperson getrieben, der zweite durch die Festigung der Handlung, so bildet der dritte Teil einen krönenden Abschluss der Erzählkunst rund um Cinna und seine Familie.

Der Krieg in Germanien und Rachefeldzug des Germanicus brachte viel Leid in die Lande der einheimischen Stämme. Bruder gegen Bruder, Vater gegen Vater – die Zustände in einem fast schon bürgerkriegsähnlichen Szenario sind grausam und für beide Seiten vernichtend; nicht nur auf dem Felde, sondern auch in den Herzen der Menschen, der Bevölkerung – durch Vorurteile und vielleicht Entscheidungen, die nur zum Guten des eigenen Stammes getroffen worden sind, bleiben die Prinzipien und die Ehre auf dem Schlachtfeld. Die Einfachen des Volkes sind die eigentlichen Opfer des Krieges und der Gewalt, genauso wie das persönliche Empfinden und das Gewissen.

Iris Kammerer hat sich nach dem für mich eher enttäuschenden zweiten Teil erzählerisch selbst übertroffen. Die Handlung ist plausibel und mitreißend von der ersten Seite an. Nicht nur Kampf und Gewalt sind Bestandteil der Geschichte, sondern vielmehr tragen die Gespräche zwischen den Protagonisten positiv zum Abschluss der Geschichte bei.

Cinnas Konflikte zwischen Vernunft und Gefühl, zwischen Ehre und Gewissen sind einfühlsam und nachvollziehbar beschrieben und fügen der gesamten Handlung einen wichtigen Aspekt hinzu. Seine Zerrissenheit und seine Motivation, seiner Frau jeglichen Wunsch zu erfüllen, bilden den Handlungsrahmen. Iris Kammerer bezieht sich historisch auf viele konkrete Fakten und bringt uns dazu, darüber nachzudenken, wie weit wir persönlich selbst gehen würden, sollten wir uns in einer ähnlichen Position befinden.

_Fazit_

Ein höchst gelungener Abschluss der Geschichte, die sich über drei Bände erstreckt. Zum Schluss bleiben jedoch einige Fragen offen, und fast wünsche ich mir einen vierten Band um den römischen Offizier Gaius Cinna.

Zwar hat sich die Autorin im zweiten Teil „Die Schwerter des Tiberius“ ein wenig in der Historie verrannt, jedoch hat sie es verstanden, in „Wolf und Adler“ Geschichte und Unterhaltung perfekt zu kombinieren.

Der atmosphärisch dichte Roman lässt wenige Fragen offen, und vor dem geistigen Auge läuft die Handlung ab wie bei einem sehr guten Film. Unterhaltung, Information und das Mitfiebern mit der Hauptperson sind perfekt inszeniert.

|Originalausgabe
Taschenbuch, 560 Seiten|
http://www.heyne.de
http://www.iris-kammerer.de/

Haddon, Mark – wunde Punkt, Der

Die Durchschnittsfamilie aus der Vorstadt war in der Vergangenheit schon so manche gute Story wert. Man denke nur an einen Film wie „American Beauty“, der wie kein anderer die piefige Vorstadtwelt porträtiert. Ähnlich kleinbürgerlich, aber eben dennoch gänzlich anders als die Welt von Lester Burnham sieht das Leben von George Hall aus: Zwei-Kinder-Standardfamilie, Vorstadthaus mit Garten – alles in bester Ordnung.

George Hall ist Rentner, aber diese einschneidende Veränderung birgt für ihn scheinbar keine Probleme. Seine Zeit verbringt er damit, an seinem Gartenhäuschen herumzuwerkeln oder dezenten Jazz zu hören. Das Familienleben läuft in geregelten Bahnen, die Kinder sind aus dem Haus, die Gattin Jean pflegt ein außereheliches Verhältnis, von dem er nichts weiß, und die Homosexualität des Sohnes Jamie wird dezent totgeschwiegen.

Doch alles ändert sich mit dem Tag, an dem George in der Umkleidekabine eines Kaufhauses einen seltsamen Fleck an seiner Hüfte entdeckt. Das muss Krebs sein, denkt er und macht sich gleich darauf Gedanken, wie er am unkompliziertesten von dieser Welt abtreten kann, ohne anderen größere Umstände zu bereiten. Mit der Konsequenz, dass er einen Blackout erleidet.

Doch schon zu Hause ereilt den Rentner der nächste Schock: Tochter Katie will zum zweiten Mal heiraten, und das, obwohl ihre Eltern mit ihrem Auserwählten alles andere als glücklich sind. George bekommt auf den Schreck prompt seinen nächsten Blackout. Während Jean sich in die Vorbereitung der Feierlichkeiten stürzt, beginnt George mehr und mehr an seinem Verstand zu zweifeln. Und auch das Krebsgeschwür an seiner Hüfte macht ihm Kummer, führt es ihm doch die eigene Vergänglichkeit vor Augen und zwingt ihn dazu, sich gedanklich auf den Tod einzustellen. Und warum nimmt sein Hausarzt das alles nicht wirklich ernst?

Sohnemann Jamie hat derweil ganz andere Sorgen. Da hat er nun endlich einen festen Freund, aber kann er den auch mit auf eine Vorstadthochzeit im spießbürgerlichen Peterborough mitnehmen? Der Geliebte nimmt im Angesicht des zögerlichen Verhaltens seines Freundes prompt Reißaus, was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, da nun auch noch die Hochzeit zu platzen droht. Mitten in dem ganzen Trubel steht George allein und machtlos seinem vermeintlichen Krebsgeschwür gegenüber. Aber er resigniert nicht, und so entscheidet er sich für eine Radikalmaßnahme …

Ein wenig erinnern die chaotischen Halls von Mark Haddon an die nicht minder merkwürdigen Lamberts aus Jonathan Franzens [„Korrekturen“. 1233 Beide Familien sind sonderbar und alltäglich zugleich, und beiden Autoren ist gemein, dass sie mit ihren jeweiligen Romanen außerordentlich unterhaltsame Familienporträts entworfen haben.

Jede Figur hat ihre Macken, und doch wirkt jede auf ihre Art ziemlich normal. George, der Rentner, der kein Mann großer Worte ist, der eigentlich ein so bescheidenes Leben führt und nun auf so eigentümliche Art und Weise aus seinen bisherigen Bahnen ausbricht, ist sicherlich die schillerndste Figur der Geschichte. Seine Charakterisierung nimmt schon gewisse verrückte Züge an, bleibt nichtsdestotrotz aber stets sehr liebenswürdig.

Der Rest der Familie hat auch seine Macken, wirkt dabei aber etwas bodenständiger. Sie alle werden von Problemen im Liebesleben geplagt, und in allen Fällen entblättert Haddon wunderbar nachvollziehbar Motive und Gedanken der Protagonisten. Er wechselt immer wieder die Perspektive, spult die Handlung immer wieder aus neuen Blickwinkeln ab und schafft es auf diese Weise sogar, eine gewisse Spannung zu erzeugen.

Der Leser ahnt, dass alles auf einen unvermeidlichen Höhepunkt zuläuft, eine Katastrophe, in der das Chaos seinen Zenit erreicht. Das ganze Buch, der ganze Spannungsverlauf zielt auf diesen einen Moment ab, und so schafft Haddon es mit Leichtigkeit, den Leser bei der Stange zu halten. Man muss einfach wissen, wie es weitergeht, und so entwickelt sich „Der wunde Punkt“ zu ganz unerwarteter Spannungslektüre.

Haddon bedient sich so gesehen einer sehr geschickten Erzählweise. Was auf den ersten Blick wie ein ganz lockerer Unterhaltungsroman wirkt, zeigt bei genauerer Betrachtung ganz andere Qualitäten. Ein spannend aufgebauter Plot wird mit facettenreichen Figurenskizzierungen und unerwartet tiefen Einblicken in die Abgründe der verschiedenen Persönlichkeiten verquickt – und das glaubwürdig und in sich stimmig.

Eine weitere Qualität ist Haddons wunderbarer Erzählton. Ganz leichtfüßig erzählt er seine Geschichte, locker und unverkrampft. Er streut immer wieder Gags ein und bringt den Leser zum Schmunzeln, baut dabei aber im Laufe der Kapitel auch eine gewisse Dramatik auf. „Der wunde Punkt“ ist eine ausgeglichene und toll erzählt Tragikomödie, die voller Leben steckt und dabei das Kunststück vollbringt, gleichermaßen herrlich skurril, unspektakulär normal und voller ehrlicher Ansichten über das Leben zu sein.

Von Anfang bis Ende schafft Haddon ein stimmiges Romangefüge und eine dichte Atmosphäre. Leichtfüßiger Unterhaltungsroman und tiefgründiges Drama in einem: Haddon gelingt damit ein gewisser Balanceakt, der sich ganz nebenbei wunderbar unterhaltsam liest.

Bleibt unterm Strich ein durchweg positiver Eindruck zurück. Mark Haddon hat mit „Der wunde Punkt“ ein herrlich liebenswürdiges und skurriles Familienporträt abgeliefert, das von der ersten bis zur letzten Seite keine Sekunde Langeweile aufkommen lässt. Wer schon Spaß daran hatte, Jonathan Franzens Lamberts in den „Korrekturen“ zu beobachten, und wer britisch angehauchte Tragikomödien mag, für den dürfte „Der wunde Punkt“ absolut lohnenswerte Lektüre sein.

http://www.blessing-verlag.de

Ludwig, Kathrin / Wachholz, Mark – Hofmagier, Der (Das Schwarze Auge: Galotta 1)

_Story_

Im Jahr 975 BF holt Kaiser Reto einen aufstrebenden Weißmagier an seinen Hof: Gaius Cordovan Eslam Galotta soll ihm als sein neuer Hofmagier helfen, das Reich in eine neue, eine goldene Epoche zu führen. Doch der junge Magus muss schnell erfahren, dass er seine beeindruckenden magischen Fähigkeiten nicht nur für seine ungewöhnlichen Forschungen benötigt, sondern auch, um sich im Ränkespiel des Hofes behaupten zu können. Dort bleibt für ihn vor allem die Rolle der Alara Paligan, der Gemahlin von Kronprinz Hal, lange Zeit undurchschaubar.

Als Galotta schließlich von Reto beauftragt wird, ihm eine magische Waffe zu erschaffen, überschlagen sich die Ereignisse: Zunächst sucht er im legendenumrankten Reichsforst nach verborgen lebenden Elfen, deren Wissen ihn bei der Umsetzung seiner Ideen helfen soll. Bald darauf führt ihn seine Forschung sogar auf die lebensfeindliche Insel Maraskan, wo er das erworbene Wissen überprüfen will.

„Der Hofmagier“ ist der erste Teil der Biographie aus dem Leben des G. C. E. Galotta.

_Meine Meinung_

Denkt man an Gaius Cordovan Eslam Galotta, so hat man das Bild des selbsternannten Dämonenkaisers vor Augen: der verbitterte Schwarzmagier und Borbaradianer, kahlköpfig, mit scharlachrot gefärbtem Schädel.

Kathrin Ludwig und Mark Wachholz zeichnen in ihrem Erstlingswerk jedoch ein ganz anderes Bild ihres Protagonisten. „Der Hofmagier“ zeigt Galotta als jungen, langmähnigen Magier, der sich anschickt, zum Convocatus Primus der weißen Gilde gewählt zu werden, das höchste Amt, das diese zu vergeben hat.

Gerade diese Gegensätze bilden einen großen Reiz dieses Buches; es macht Spaß, Stück für Stück den ‚anderen‘ Galotta kennen zu lernen, der allerdings auch schon in jungen Jahren bald die Charakterzüge ausbildet, die ihn später auszeichnen. Sei es sein skrupelloser Umgang mit seinen ‚Versuchstieren‘, den Ikanaria-Schmetterlingen und Kalekken, oder die skrupellose Art, wie er gegen die Elfen im Reichsforst vorgeht.

Ein weiteres spannendes Element des Buches bilden die aventurischen Berühmtheiten, die den Weg Galottas kreuzen. Seien es Kaiser Reto, sein Sohn Hal, Answin von Rabenmund oder Saldor Foslarin, sie alle tragen ihren Teil zur Entwicklung des Protagonisten bei und gerade für Aventurienkenner entsteht so das ein oder andere Aha-Erlebnis.

Aus diesen Persönlichkeiten sticht schließlich eine hervor, die direkt zu Beginn des Buches die eigentliche Schlüsselszene liefert: Nameha ai Tamerlein. Nachdem sich Galotta weigert, ihr Schüler zu werden, schenkt sie ihm eine Prophezeiung, die sein weiteres Leben betrifft und so den Bogen über die Biographie des G. C. E. Galotta spannt. Diese Prophezeiung erfüllt sich nun im weiteren Verlaufe des Buches Stück für Stück, so dass man immer wieder animiert ist, noch einmal zurückzublättern, um sich den genauen Wortlaut anzusehen und dessen genaue Bedeutung zu interpretieren.

Bieten also die Erlebnisse bei Hofe, das Interagieren mit den Mächtigen Aventuriens – allen voran der Prinzgemahlin Alara Paligan – eine sehr spannende und reizvolle Geschichte, so zeigen sich in den Kapiteln im garethischen Reichsforst und auch später auf Maraskan doch einige Längen. Auch wenn die Autoren auf magische Phänomene zu sprechen kommen, wirkt die Beschreibung doch etwas arg an das Regelwerk des Rollenspiels angelehnt; hier setzt man zu sehr auf die exakte Beschreibung von Zaubersprüchen und –gesten, was zuweilen etwas hölzern wirkt. Ein letzter Kritikpunkt sind die Rechtschreibfehler, über die man auffällig oft in diesem Buch stolpert.

_Fazit_

„Der Hofmagier“ ist ein lesenswertes Buch, das für Aventurienkenner eine andere Seite des G. C. E. Galotta aufzeigt, aber auch für DSA-Neulinge eine sehr interessante Geschichte über Aufstieg und Fall eines talentierten Magiers erzählt.

http://www.fanpro.com

Ritchey, Adam – Skybridge

_Stein auf Stein_

Eine Brücke durch den Himmel, die gilt es bei „Skybridge“ zu erbauen und anschließend auch noch in seinen eigenen Besitz zu bringen. In diesem strategischen Konstruktionsspiel stehen sich bis zu vier Spieler gegenüber und schlüpfen innerhalb eines taktischen Wettkampfs in die Rolle von Baumeistern bzw. Turmbauern. Mit insgesamt elf Steinen müssen sie sich auf dem Spielbrett einen individuellen Vorteil verschaffen und schließlich die lukrativsten Gebäude mit Hilfe des Turmdachs einheimsen. Wo andere Spiele jedoch massig Material benötigen, um dieses Konzept umzusetzen, reicht dem französischen |Gigamic| ein Repertoire von 44 Holzbausteinen, die gemeinsam mit dem quadratischen Spielbrett sowie dem Regelwerk das Grundmaterial von „Skybridge“ bilden. Doch so schlicht der Aufbau des Spiels, so kompliziert ist auch das Vorgehen und Taktieren in jeder einzelnen Partie …

_Worum es geht_

Elf Steine bekommt ein jeder Spieler auf die Hand und muss sehen, dass er mit ihnen dazu beiträgt, Türme lukrativer zu gestalten, indem man sie erhöht, zwischendurch eine Brücke zu bauen und schließlich auch noch die beiden eigenen Türme mit dieser Brücke zu verbinden. Dies wäre zumindest der Idealfall, der jedoch in einem Spiel zweier oder mehrerer gleichstarker Gegner kaum umzusetzen ist. Und dennoch: Ziel des Spiels ist es, nach Möglichkeit die höchsten Türme mit seinen Dächern abzuschließen und dabei möglichst auch eine eigene Brücke zu integrieren; Letztere garantiert nämlich doppelte Punktzahlen in der Endabrechnung und ist damit auch der Schlüssel zum Erfolg.

_Spielaufbau_

Vor jeder Partie erhält jeder Spieler die elf Steine seiner Farbe; sollte man indes nur zu zweit spielen, werden jedem Spieler zwei Farben zugeordnet, wohingegen auch im Spiel zu dritt die übrigen Steine noch weitestgehend auf die Mitspieler verteilt werden. Anschließend wird auch schon der Startspieler ausgelost, von dem ausgehend nun reihum jeder Spieler pro Runde jeweils einen Stein aufs Spielbrett setzt. Allerdings gilt es hierbei eine Vielzahl von Regeln zu beachten.

Zu Beginn kann man zum Beispiel noch auf jeden beliebigen der neun Startsockel den ersten Stein platzieren. Doch schon bald wird es knifflig, denn man muss einen neuen Stein immer auf den tiefsten freien Platz setzen und dabei auch noch beachten, dass sich gleichfarbige Steine nicht berühren dürfen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der niedrigste Ort von einer eigenen Farbe bestimmt wird; dann darf man gezwungenermaßen auf den nächst höheren Platz ausweichen. Brücken dürfen dementsprechend auch nur auf zwei exakt gleich hohe, nicht abgeschlossene Türme gebaut werden, sofern die zuvor genannten Regeln dabei erfüllt bleiben. Sobald es jemandem gelingt, eine Brücke zu platzieren, verbindet er mit ihr zwei Türme und verdoppelt damit auch die Punktzahl in der Schlusswertung. Beide Türme werden von ihrem späteren Besitzer komplett gewertet und dies sogar noch mal doppelt, wenn man auf beide Türme einer eigenen Brücke auch ein eigenes Dach baut.

Das Spiel wird nun so lange fortgesetzt, bis entweder alle Steine aufgebraucht sind oder kein weiterer mehr angelegt werden kann. Sollte dies der Fall sein, wird bereits gewertet – normalerweise ist dies bereits nach einer knappen Viertelstunde der Fall.

_Die Wertung_

Nachdem alle Türme gebaut sind und die Bauphase abgeschlossen ist, kommt es zur Schlusswertung, in der jeder Spieler nun genau diejenigen Steine bewerten darf, die sich unmittelbar in der Reihe unter seinem Dach befinden. Jeder quaderförmige große Stein bringt dabei drei Punkte, jeder quadratische Stein zwei und ein Brückenteil einen Punkt. Das Dach ist hingegen wertlos und lediglich Symbol für den Abschluss des Turmbaus. Wer unter einem Dach eine eigene Brücke angebunden hat, darf auch den mit der Brücke verbundenen Turm mitwerten und so die eigene Punktzahl enorm hochtreiben. Gewinner ist schließlich derjenige, der am geschicktesten gebaut und somit die meisten Punkte einkassiert hat.

_Meine Meinung_

Nach den ersten Spielrunden zu zweit war ich zunächst ein wenig skeptisch, weil sich mir nicht erschließen wollte, mit welchen Taktiken man an besten an das Spiel herangeht. Weil man manchmal dazu verdammt ist, seinen Stein an genau eine Stelle zu setzen, hat man aber auch selten Gelegenheit, im Voraus großartig zu planen und muss sich Runde für Runde an die Gegebenheiten des Spielfelds anpassen. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Partie „Skybridge“ sich bereits mit den ersten Spielzügen entscheiden und man später kaum noch reagieren kann. Ist bereits ein Stein falsch gesetzt, bedeutet das meistens schon das frühe Aus im Kampf um den Sieg. Genau hier sehe ich dann auch den Schwachpunkt von „Skybridge“; es ist zwar erstrebenswert, im Spiel keine Fehler zu machen, aber man sollte doch Gelegenheit bekommen, eine kleine Unachtsamkeit wieder ausbügeln zu können. Dies wiederum ist beim Turmbauspiel von |Gigamic| kaum noch möglich, es sei denn, die Gegner machen ebenso schwere Fehler und führen unbewusst eine ausgleichende Gerechtigkeit herbei – was aber wiederum eher selten der Fall sein wird, wenn man bereits die ersten Voraussetzungen für einen Erfolg erfüllt hat.

Andererseits, und damit wären wir eigentlich vorwiegend beim Spiel mit der maximalen Spielerzahl, kann eine Partie auch verdammt spannend werden, vor allem, wenn die Brücken erst recht spät ins Spiel kommen. Stets ist man dann bemüht, den jeweils nächsten Spieler in der Reihe am Platzieren des Brückensteins zu hindern, der eventuell schon so etwas wie eine Vorentscheidung herbeirufen könnte – es sei denn, die Gegner spielen destruktiv und setzen sofort eines ihrer Dächer auf die Brücke. Der 4-Spieler-Modus bietet dementsprechend auch den größten Reiz von „Skybridge“, weil hier kleinere Fehler nicht sofort und unausgleichbar bestraft werden. Es kann nämlich konträr dazu schon richtig frustrierend sein, wenn man bereits nach wenigen Runden (zum Beispiel zu zweit) weiß, dass man eigentlich schon verloren hat und jeder weitere Spielzug eigentlich sinnlos ist.

Die Idee hinter dem Spiel gefällt abseits der Kritik ganz gut, scheint nur nicht bis ins letzte Detail durchdacht. „Skybridge“ macht Spaß, wenn das Spielerniveau auf ungefähr einem Level ist, wird jedoch schnell langweilig, wenn man die Erfahrung machen muss, dass man schon lange vor Ende des Spiels keine Chance mehr hat. In diesem Fall muss man zwar nie lange ausharren, aber wirklich motivierend ist nach einiger Zeit selbst diese Aussicht nicht mehr. Dass „Skybridge“ dennoch ab und zu auf den Tisch kommen wird, hat das Spiel der Beharrlichkeit zu verdanken, die bei der Analyse sinnvoller Spielmechanismen aufgebracht wurde. Hierbei wurden nämlich des Öfteren einige spannende Wettkämpfe ausgetragen, die irgendwann stetig Lust auf mehr machten.

Das endgültige Fazit ist deshalb auch leicht zwiegespalten: Einerseits gibt es einige deutliche Mängel, was die Konzeption des Spiels betrifft, andererseits kann der Turm- und Brückenbau auch bis zum letzten Spielzug spannend sein und auch eine Menge Spaß machen. Ich empfehle daher, bei nächster Gelegenheit mal einen Selbsttest durchzuführen und später zu entscheiden, ob „Skybridge“ etwas fürs heimische Spielregal sein könnte.

Ein letztes Wort noch zum Spielmaterial: In Sachen Optik, Stabilität und Handling sind die Steine sicherlich Referenzklasse; und dennoch ergaben sich einige Schwierigkeiten, weil in höheren Etagen leichte Unebenheiten festzustellen waren. So wusste man letztendlich nicht genau, ob eine Brücke trotz Schieflage legitim gebaut werden darf oder ob es tatsächliche eine Höhendifferenz zwischen den hierfür benutzten zwei Türmen gibt. Und das ist auch so eine Sache, die bestätigt, dass manche Details nicht konsequent ausgearbeitet wurden.

http://www.proludo.de/
[Gigamic]http://www.gigamic.com/result__tag.php?tag=skybridge

Cathala, Bruno / Maublanc, Ludovic – Kleopatra und die Baumeister

_Vorgeschichte_

Kleopatra hat einen Preis für den schönsten Palast ausgesetzt und lockt zahlreiche Baumeister nach Alexandria. Derjenige, der das schönste Modell entwirft, soll in Reichtum baden und die volle Gunst der ägyptischen Königin genießen. Dieser Anspruch entlockt den ansässigen Baumeistern den größten Ehrgeiz; in einer erbitterten Fehde wetteifern sie darum, als der Beste ihrer Art anerkannt zu werden. Dabei ist jedes Mittel recht: nächtliche Orgien, verbotene Rituale und sogar Kontakte zur Unterwelt werden den Baumeistern nachgesagt. Als schließlich auch noch Hieroglyphen und Amulette auftauchen, die dem Krokodil-Gott Sobek geweiht sind, scheint der Skandal perfekt.

Gelingt es den Baumeistern, die Schmach über ihren Ruf auszumerzen und einen unter ihnen auszumachen, der als Bester seines Faches den verdienten Ruhm erlangt? Oder wird die gesamte Gilde in den Mägen der gefürchteten Krokodile landen? Bei so viel Korruption und derart lukrativen Aussichten kann nämlich kaum jemand widerstehen …

_Kleopatra – die neue Zugkraft von |Days of Wonder|?_

Auf der letzten Spielmesse in Essen dominierten auf der großen Ausstellungsfläche zwei brandneue Titel aus dem Verlagsprogramm; zum einen das heiß ersehnte, jedoch nur in einer Rohfassung spielbare Tabletop „Battlelore“, und zum anderen das frischeste Familienstrategiespiel „Kleopatra und die Baumeister“. Während sich die beiden Spiele inhaltlich noch sehr weitläufig voneinander unterscheiden, hatten sie gerade letzten Oktober in Essen eines gemeinsam: Beide waren sie unheimliche Publikumsmagneten und auf den Spieltischen stets ausgebucht. Drei Tage lang habe ich beharrlich versucht, zumindest einmal einen aktiven Überblick über das Spielprinzip des Pyramidenspiels zu erhaschen, doch leider vergeblich. Es scheint also so, als ob |Days of Wonder| neben (im wahrsten Sinne des Wortes) zugkräftigen Titeln wie [„Zug um Zug“ 3128 mal wieder ein echtes Saisonhighlight aufgenommen haben, das – so durfte ich nun endlich auch selber feststellen – jeglichen Zuspruch auch völlig verdient hat.

_Worum es geht_

Kleopatra ruft ihre Baumeister zum Wettbewerb auf und fordert einen kompletten Neubau ihres Palastes. Insgesamt fünf Artefakte, bestehend aus unterschiedlichen Bauelementen, müssen angebracht werden, um die Königin zufrieden zu stellen. Allerdings ist Eile angesagt, denn die Konkurrenz schläft nicht und sammelt ebenfalls wichtige Talente, die schließlich auch für den Sieg ausschlaggebend sind. Sobald nämlich der Rahmen des Palastes mit sämtlichen Verzierungen, der Sphinx und zu guter Letzt dem Königinnenthron erbaut wurde, zählt nur noch der gesammelte Reichtum. Wer nämlich mit der Zeit die meisten Talente angesammelt hat, wird am Ende zum Sieger erklärt. Es sei denn, er ist das schwarze Schaf unter den korrupten Baumeistern. Derjenige nämlich, der im Laufe der Bauphase die meisten Korruptionsmarker entrichtet hat, wird von der Königin verstoßen und den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen.

_Spielmaterial_

Wie gehabt, wird auch bei „Kleopatra und die Baumeister“ sowohl quantitativ als auch ganz besonders qualitativ ordentlich geklotzt. Die Schachtel ist randvoll gefüllt mit Karten, Bauteilen und Markern. Dies setzt sich wie folgt zusammen:

• Spielplan ‚Der Garten des Palastes‘
• Spielplan ‚Der Platz der Sphinx‘
• 12 Mosaike der Götter
• 9 Säulenwände
• 6 Sphinxe
• 2 Türrahmen
• 2 Obelisken
• 1 Thron & 1 Sockel
• 10 Anubis-Statuen
• 1 Kleopatra-Figur
• 75 Ressourcenkarten
• 25 Korruptions-Ressourcenkarten
• 5 Korruptionspyramiden
• 11 Charakterkarten korrupter Personen
• 89 Korruptionsamulette
• 15 Händler vom Nil
• 108 Talente zu unterschiedlichen Werten
• 1 Altar des Hohepriesters
• 5 Würfel

In Sachen Materialqualität sind |Days of Wonder| derzeit wirklich marktführend. Wo an anderer Stelle empfindliche Plastikminiaturen und leicht biegsamer Pappkarton verwendet werden, setzt der französischstämmige Verlag auf robuste und dennoch sehr schön designierte Spielmittel, die neben den Vorzügen hinsichtlich der Spielbarkeit auch optisch einiges zu bieten haben. „Kleopatra und die Baumeister“ ist in dieser Entwicklung bis dato die Spitze des Eisbergs; tolle Bauelemente, wunderschöne Karten und generell sehr authentisch gestaltetes Material. Wer auf inhaltlichen, systematischen Bombast steht, wird hier zweifelsohne sehr gut bedient!

_Die Vorbereitung_

Entsprechend der Menge des Spielmaterials dauert es eine Weile, bis das Spielfeld komplett aufgebaut ist. Vor der ersten Runde ist man zudem damit beschäftigt, die vielen Pappteile aus den Stanzbögen zu lösen.

Bei „Kleopatra und die Baumeister“ wird die Schachtel ins Spiel integriert. Auch hier wird Wert auf Authentizität gelegt, was man spätestens dann bemerkt, wenn man den Boden der Verpackung umdreht, darauf den Garten platziert und das Gesamtbild mit all den Verzierungen auf dem Karton auf sich wirken lässt. Hat man dies erledigt, platziert man das zweite Spielfeld mit dem Platz der Sphinx vor das Spielfeld auf dem Tichboden und setzt davor den Altar des Hohepriesters.

Um das Spielfeld herum wird schließlich das gesamte Ergänzungsmaterial gelegt, sprich die Talente, Korruptionsamulette, die fünf Würfel und auch die Bauelemente. Die Mosaiken der Götter werden anschließend gemischt und ebenfalls an den Rand der Spielfläche gelegt. Sobald sie später zum Einsatz kommen, ist der aktive Spieler gezwungen, sich von diesem Nachziehstapel das oberste Mosaik zu nehmen, ganz gleich, ob andere vorteilhafter sind. Als Letztes wird nun die Kleopatra-Figur auf das Startfeld am Platz der Sphinx aufgestellt. Sobald ein kompletter Teil des Palastes gebaut wurde, zieht sie schließlich eines der insgesamt fünf Felder vorwärts.

Nun werden die einzelnen Spieler mit Material bestückt. Jeder erhält die beiden Anubis-Statuen sowie die Händler vom Nil in seiner Farbe, eine Korruptionspyramide und fünf Talente. Dann muss nur noch der Kartenstapel gemischt werden. Alle Karten werden in genau zwei gleichwertige Haufen unterteilt, einer offen und einer verdeckt abgelegt. Anschließend werden sie genau so miteinander vermischt, das heißt, offene und verdeckte Karten ergeben genau einen Stapel. Die drei obersten Karten werden nun neben diesen Gesamtstapel gelegt, egal ob verdeckt oder offen. Nach dieser umfassenden Vorbereitung kann es nun endlich vorwärts gehen.

_Ein Spielzug_

Das Spiel wird im Grunde genommen nur an zwei Orten ausgetragen, nämlich auf dem Markt und im Steinbruch. In jedem Spielzug muss sich der Spieler entscheiden, wo er nun aktiv wird, und ist sogar verpflichtet, eine Aktion auszuführen.
Fällt die Entscheidung auf den Markt, geht man wie folgt vor:

Zunächst wählt er einen der drei Marktstände und nimmt alle dort befindlichen Karten auf die Hand. Zu Beginn des Spiels befindet sich dort jeweils eine Karte, doch sobald man an einem Marktstand nachgezogen hat, wird jeder einzelne um eine Karte erweitert. Es ist also möglich, dass zu einem späteren Zeitpunkt recht viele Karten in einer solchen Aktion verfügbar sind, was jedoch nicht dringend von Vorteil sein muss. Wichtig ist nämlich, dass man nur maximal zehn Karten zur gleichen Zeit besitzen darf. Wird diese Zahl überschritten, muss man seine Kartenhand wieder auf das Höchstlimit reduzieren und ein Korruptionsamulett in seine Pyramide werfen, oder aber man behält alle gewünschten Karten und zahlt für jede überschüssige eines dieser Amulette.
Wurde nun ein Marktstand geleert und anschließend alle wieder aufgefüllt, ist der Zug bereits zu Ende.

Im Steinbruch kann der Spieler indes Bauelemente des Palastes erwerben und sie anschließend auch sofort anbringen. Hierzu benötigt er individuell verschiedene Ressourcenkarten bzw. Händler vom Nil, denen eine Jokerfunktion zukommt, und legt sie nach dem Kauf auf den Ablagestapel am Markt. Das erworbene Element wird nun an die vorhergesehene Stelle angebaut. Taktieren kann man dabei mit den einzelnen Säulenwänden. Sie bringen zwar anfangs nur wenige Talente ein, erbringen aber noch Zusatzpunkte, wenn sie an ein bereits angelegtes Mosaikstück angrenzen. Lukrativ wird es, wenn man gleich mehrere Elemente erwirbt und anbaut: dann werden nämlich noch weitere Bonustalente vergeben, nämlich zwei für ein zweites Bauteil und gleich fünf für ein drittes Element.

Sollte ein angelegtes Bauelement das letzte seiner Art sein, ist ein Hauptteil des Palastbaus abgeschlossen, und Kleopatra wird ein Feld weiter vorgesetzt. Eine besondere Regel gilt für den Bau der Mosaikstücke; der aktive Spieler ist verpflichtet, das obere Mosaikteil vom Stapel zu verwenden, wenn er ein solches bauen möchte. Wenn es ihm dabei gelingt, mit diesem Moaik ein Feld so einzugrenzen, dass dort kein weiteres Mosaik mehr eingesetzt werden kann, darf er eine Anubis-Statue auf die freie Fläche des Palastgartens setzen und dort ein Heiligtum errichten. Dies ist besonders für das Ende des Spiels wichtig, denn für jedes freie Feld eines Heiligtums darf man später wieder ein Korruptionsamulett aus seiner Pyramide entfernen.

Zum Abschluss des Steinbruchbesuchs wird schließlich noch mit allen fünf Würfeln gewürfelt. Jeder Würfel, der das Symbol des Hohepriesters anzeigt, wird sofort auf den Altar des Hohepriesters gelegt. Wenn dann im Laufe des Spiels irgendwann alle Würfel dort gelandet sind, muss ein Opfer dargebracht werden. Jeder Spieler nimmt nun verdeckt eine von ihm bestimmte Anzahl von Talenten in die geschlossene Faust. Gleichzeitig werden nun alle Angebote aufgedeckt und miteinander verglichen. Jeder Spieler verliert sofort die eingesetzten Talente, jedoch wird derjenige mit dem höchsten Einsatz auch wieder belohnt; er darf nämlich gleich drei Korruptionsamulette abgeben. Die Spieler auf den nachfolgenden Rängen müssen hingegen je nach Gebot eines oder mehrere Amulette in ihre Pyramide zahlen. Die Würfel werden daraufhin wieder ‚befreit‘ und ab der nächsten Runde erneut verwendet.

_Ende des Spiels_

Wenn alle Bauelemente an den Palast angebracht wurden und Kleopatra auf ihrem Weg zum Thron bis zum Ende vorangeschritten ist, endet das Spiel. Nun wird als Erster derjenige mit den meisten Korruptionsamuletten ausfindig gemacht. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Amuletten erhält man für jede Korruptions-Charakter- und –Ressourcenkarte, die sich noch im eigenen Besitz befindet, ein zusätzliches Amulett. Unabhängig von der Anzahl seiner Talente wird der korrupteste Spieler sofort disqualifiziert, weil Kleopatra mit solchen Schergen nichts zu tun haben möchte. Erst anschließend werden die Talente miteinander verglichen und dadurch auch der Sieger ermittelt.

_Meine Meinung_

Was soll ich sagen: Die beiden Spieldesigner Bruno Cathala und Ludovic Maublanc haben wirklich jeden Aspekt bedacht, der das Spiel zum einen taktisch und strategiebetont erscheinen lässt, andererseits aber auch vollkommen familientauglich macht. „Kleopatra und die Baumeister“ ist nämlich recht leicht zu verstehen und auf den ersten Blick gar nicht mal so komplex, in Anbetracht der vielen Zugalternativen und all der Dinge, die man bei der langfristigen Planung berücksichtigen muss, aber dennoch recht anspruchsvoll. Blind sammeln und bauen ist zum Beispiel nicht die siegbringende Strategie, weil man auch immer die Korruptionsamulette vor Augen haben muss, die einem beim sicher geglaubten Sieg noch das Genick brechen können.

Doch all das Taktieren beginnt schon beim ‚Einkauf‘ auf dem Markt. Soll man einfach den großen Haufen nehmen und dabei auch eventuelle Schäden in Kauf nehmen, oder doch lieber geduldig Schritt für Schritt die benötigten Ressourcen aufgreifen? Lohnt es sich, einen korrupten Charakter aufzunehmen? Oder riskiert man lieber doch nicht zu viel?

Im Steinbruch sieht es im Grunde genommen ähnlich aus: Man kann sicherlich sofort die tollsten Dinge bauen, aber es lohnt sich ebenso, abzuwarten und möglicherweise doppelt oder gar dreifach zuzuschlagen. Dies geht zwar meist mit dem Einsatz von Korruptionsamuletten einher, lohnt aber bei entsprechender Risikobereitschaft bei der Vergabe von Talenten ungemein.

Natürlich ist auch der Faktor Glück nicht zu unterschätzen, denn schließlich hängt viel davon ab, wie der Markt bestückt ist, wenn man selber am Zuge ist. Möglicherweise hat der Vordermann einem schon die am meisten erforderlichen Karten weggeschnappt, was sich partiell gleich verheerend auswirken kann. Spart man zum Beispiel auf das letzte Teil eines spezifischen Bauteils und muss dann realisieren, dass jemand anders schneller ist, kann das schon ziemlich ärgerlich sein. Aber es sind ja schließlich auch solche Momente, die Spiele wie dieses beleben.

Das Schöne ist indes, dass jede Partie komplett anders verlaufen kann, weil es unheimlich viele mögliche Strategien gibt und man genau abwägen muss, wie viel Risiko man spielen kann bzw. wann besser Vorsicht geboten ist. Man geht nämlich häufig erst mal vom Irrglauben aus, dass lediglich die Talente entscheiden, und rennt dann ins offene Messer wegen einer zu großen Zahl Korruptionsamulette. Übervorsichtig zu sein, bringt hingegen auch nichts, denn so wird man nie sonderlich viele Talente ergattern. Der Langzeitspaß ist jedenfalls gesichert, zumal eine Partie in rund einer Dreiviertelstunde gespielt sein kann und man „Kleopatra und die Baumeister“ somit sowohl als Vorspeise als auch als Hauptgang servieren kann. Für meinen Geschmack hat der Verlag mal wieder genau den Nerv des Publikums und im Speziellen natürlich meinen eigenen getroffen und ein in jeglicher Hinsicht großartiges Spiel in den Vertrieb genommen. Unter all den Neuheiten der Spiel ’06 gehört dieser Titel jedenfalls ganz sicher zu den Schmuckstücken und wird dementsprechend ohne jedwede Einschränkung empfohlen.

http://www.cleopatragame.com/

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Kammerer, Iris – Schwerter des Tiberius, Die (Tribun 2)

Band 1: [„Der Tribun“ 3536

Bei der Schlacht zwischen Römern und Germanen im Teutoburger Wald in der Nähe von Kalkriese im Osnabrücker Umland gehen die Archäologen und Geschichtsforscher derzeit davon aus, dass bis zu 25.000 Menschen allein auf römischer Seite ihr Leben lassen mussten.

Drei ganze Legionen des römischen Senators und Statthalters wurden vernichtet, und die römische Besatzung zog sich nach dieser Niederlage zurück. Cäsar Augustus war bestürzt über diese Niederlage und verlangte umgehende Aufklärung und Stabilisierung der Grenzen nach Germanien. Höchste Priorität hatte auch die Ergreifung des germanischen Offiziers und Verräters Arminius, der in den Hilfstruppen der Legionen diente. Ein Fürstensohn der Cherusker, der sich der römischen Herrschaft unterworfen hatte und perfekt militärisch ausgebildet wurde.

Dieser Arminius einigte mit falschen Versprechen einige wichtige Stämme in Germanien und lockte Varus, der ihm vertraute, mitsamt seinen Legionen in eine tödliche Falle, aus der es kein Entkommen gab.

Augustus war es ein Gräuel und eine Schande, seine Truppen zurückziehen zu müssen und die Gefallenen auf dem Schlachtfeld zu wissen. Er ist nicht gewillt, die Provinz Germanien ihrem Schicksal zu überlassen und beauftragt seinen Oberbefehlshaber damit, den Verräter Arminius zu fangen und dem Volk und Senat von Rom zu übergeben.

_Die Geschichte_

In „Die Schwerter des Tiberius“, dem zweiten Teil der historischen |Tribun|-Trilogie von Iris Kammerer, bilden genau diese theoretischen Pläne des Kaisers die Grundlage des Romans.

„Die Schwerter des Tiberius“ knüpft logisch genau in der Handlung dort an, wo „Der Tribun“ endete. Ein Jahr war der ehemals römische Tribun Gaius Cinna die Geisel eines germanischen Fürsten. Als die Situation sich zuspitzte und Cinna Gefahr lief, Arminius ausgeliefert zu werden, setzten sich seine Bewacher für ihn ein und retteten ihm somit das Leben. In den letzten Monaten der Gefangenschaft wurde Gaius Cinna mehr Freund als Geisel, mehr Lehrer und Verbündeter. Als die Situation zwischen den uneinigen Stämmen eskalierte, nutzte Cinna zusammen mit Sunja, der Tochter des germanischen Fürsten, die Chance und flüchtete zu den weit entfernten Vorposten der römischen Legionen.

Doch nach seiner Rückkehr muss sich Cinna im römischen Heer völlig neu behaupten. Er wurde in seiner Abwesenheit für tot erklärt, sein Vater, der dem Kaiser nicht unbedingt die Treue geschworen hat, starb und hinterließ keinen Erben. Somit konnte Cinna keinen Titel, keinen Besitz und keinen ehrbaren Namen direkt in Anspruch nehmen, da der Besitz seines Vaters nach dessen Tode automatisch auf den Kaiser überging.

Mittellos und ehrlos, zudem noch in den römischen Augen mit einer Barbarin verheiratet, ist er ganz allein auf die Gnade des römischen Oberbefehlshaber Tiberius angewiesen. Tiberius zwingt Cinna, ihm als Unterhändler zu dienen, denn alleine mit seinem Wissen um die Kultur und die Denk- und Lebensweise der Germanen ist dieser dem römischen Heer eine große Hilfe.

_Meine Meinung_

Im zweiten Roman von Iris Kammerer steht der römische Offizier wieder im Mittelpunkt der Handlung und stellt die logische Verbindung zu „Der Tribun“ her. Zweifellos überzeugt „Die Schwerter des Tiberius“ mit seiner auf Fakten beruhenden Erzählung von den Vergeltungsplänen der Römer. Wie auch schon im ersten Teil, muss man Iris Kammerers Gespür für die historische Genauigkeit Respekt schulden. Schauplätze und Regionen, Städte und Kultur, Militär und Leben der damaligen Bevölkerung, egal ob es nun die Römer oder die Germanen sind – all diese Details wurden perfekt in die Handlungsstränge mit aufgenommen und dem Leser verständlich erklärt.

Die Spannung allerdings hat spürbar im Gegensatz zum ersten Teil nachgelassen. Die Handlungsorte wechseln meiner Meinung nach zu stark, so dass die Einzelschicksale der Charaktere nicht vollständig zur Geltung kommen. Iris Kammerer hat es sicherlich nur gut gemeint, aber oftmals hatte ich den Eindruck, sie verrenne sich in viel zu viel geschichtlichen Details und in der Politik der damaligen Zeit. Ein Spannungsbogen, der sich langsam entwickelt, war für mich in diesem Roman leider nicht erkennbar.

Das Familienleben und die Schwierigkeiten mit der daraus resultierenden Situation sind ein immer wiederkehrendes Thema in diesem zweiten Band. Hier hätte es gut getan, sich wesentlich mehr für den Schauplatz der politischen Lage zu entscheiden als sich mit Familienfehden und Streitigkeiten zu befassen. Besondere und positive Aufmerksamkeit wurde den Pläne des Tiberius gewidmet; diese Gespräche zwischen den römischen Offizieren und dem Oberbefehlshaber in Germanien selbst waren höchst interessant und spannend erzählt.

Sicherlich ist die Geschichte des Volkshelden Arminius literarisch schon öfter ausgearbeitet worden, sei es nun in Form eines Romans oder in geschichtlichen Abhandlungen. Und meistens wurde die Person des Befreiers Arminius als durchweg positiv geschildert. Iris Kammerer ist es gelungen, die Persönlichkeit des Arminius zwar historisch belegt korrekt zu beschreiben, doch verzichtet sie auf das genreübliche Klischee von Gut und Böse in der Studie der Charaktere. Ein Jeder muss sich ein eigenes Urteil über diesen Cherusker-Fürsten bilden; für den einen eine Art von Freiheitsheld, der das germanische Volk vom Joch der römischen Tyrannei befreit hat, für den anderen ist er wohl nur ein meineidiger Verräter, der keinem Volk wohl wirklich uneigennützig gedient hat, sondern nur seinem persönlichen Ehrgeiz. Und genau diese Charakterstudien bilden die absoluten Pluspunkte in diesem Band.

_Fazit_

Seien wir gespannt auf den dritten und letzten Teil der Trilogie. Der erste Roman von Iris Kammerer, „Der Tribun“, war insgesamt spannender und überzeugte mich mehr. „Die Schwerter des Tiberius“ ist sicherlich kein schlechter Roman, kein uninteressanter Nachfolger einer erfolgreichen Geschichte, obwohl ich häufiger den Eindruck hatte, die Autorin verrenne sich und finde den roten Faden nicht wieder. Historisch ungemein sauber und fesselnd geschrieben, ist der zweite Band also durchaus zu empfehlen und macht neugierig darauf, wie es weitergeht, nicht nur mit der Figur des Gaius Cinna, sondern auch mit seinem Widersacher und Erzfeind Arminius.

Originalausgabe
Taschenbuch, ca. 560 Seiten
http://www.heyne.de
http://www.iris-kammerer.de/

James Lee Burke – Weißes Leuchten [Dave Robicheaux 5]

In einem US-Südstaaten-Nest gerät eine zwielichtige Geschwisterschar ins Visier der Mafia. Ein Polizist gerät in ein altes, gut abgehangenes Geheimnis um Mord, Wahnsinn, Rache und Schuld, das ihn mit in den Strudel des Verderbens zu ziehen droht … – Der fünfte Fall von Dave Robicheaux ist erneut ein Meisterwerk des modernen Thrillers. So wichtig wie der gut konstruierte Plot ist die Louisiana-Hitze, die Leidenschaften kochen und altes Unrecht reifen lässt, bis die Eiterblase platzt: uneingeschränkte Leseempfehlung.
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Merlau, Günter – Caine – Collin Drake und die Bruderschaft (Folge 3)

Folge 1: [„Das Amulett von Kyan’Kor“ 2050
Folge 2: [„Todesengel“ 2569

_Story_

Caine liegt nach den jüngsten Ereignissen erschöpft und benommen in einem Motel und erlebt dort noch einmal die Ereignisse, die ihn in diesen Dämmerzustand befördert haben. Irgendwo zwischen Realität und Vergangenheit erinnert er sich an seine Kindheit und die Ereignisse, die ihn zum Serienkiller haben werden lassen. Schließlich durchlebt er den Tag des Anschlags auf den Senator, den darauf folgenden Prozess und auch den Weg zur Hinrichtung. Doch dann ist der Traum zu Ende: In seiner momentane Umgebung trifft er auf die verwegene und doch zerbrechliche Linda Watkins. Ein kurzes Abtasten, eine außergewöhnliche Erfahrung und eine daraus resultierende Ekstase: Mit einem Mal ist Caine wieder zurück in der Gegenwart – und diese ist gewohnt finster und dreckig.

_Meine Meinung_

Meine Güte, jetzt gehen |Lausch| aber zum Äußersten über. Der junge Hörspielverlag veröffentlicht dieser Tage gleich im Doppelpack neue Folgen der ersten Serie |Caine| und überschreitet damit in vielerlei Hinsicht sämtliche Grenzen des guten Geschmacks. Nicht nur, dass die Geschichte immer komplexer und das Tempo gleichzeitig immer deutlicher angezogen wird; auch was die Dialoge betrifft, widersetzt sich der dritte Teil der Serie jeglicher Moral und Vernunft und offenbart ein regelrechtes Feuerwerk der Vulgärsprache.

Obwohl man natürlich geteilter Meinung sein kann, ob dies jetzt dringend nötig war, sind die modernen sprachlichen Mittel ein wichtiger Aspekt, der diese neue Folge zum bisherigen Höhepunkt der Reihe gestaltet. Regisseur Günter Merlau orientiert sich immer mehr am schmutzigen Hollywood-Slang und macht |Caine| zu einem audiocineastischen Happening sondergleichen, sozusagen das einzig wahre Pendant zum prestigereichen Actionkino aus Amerikas größter Filmschmiede.

Was das mit der Sprache zu tun hat? Nun, hier wird die Zunge der Straße benutzt, ungeschminkt, hart und ehrlich. Klischeehaft? Vielleicht! Überzogen? Ganz bestimmt sogar. Aber unnötig auf keinen Fall, denn |Caine| erschiene nie so authentisch und glaubwürdig, würde man die Geschichte an den entsprechenden Stellen limitieren. Und da die Zielgruppe zum größten Teil nicht jugendlich sein dürfte, geht das auch völlig in Ordnung – auch wenn verbissene Moralhüter da anderer Ansicht sein mögen.

Bei allen moralischen Bedenken könnte man indes der Meinung sein, dass „Collin Drake und die Bruderschaft“ ohne die daraus resultierenden Effekte ziemlich einsilbig wäre. Aber auch hier muss gesagt werden: Klar, die Effekte (vor allem die auditiven) sind ein enorm wichtiger Bestandteil des Hörspiels – man höre nur mal die tollen soundtechnischen Untermalungen in den Übergängen – aber die Handlung selber würde auch ohne die opulente Untermalung absolut brillant erscheinen.

Man mag fast von einem Geniestreich sprechen, wenn man das in „Collin Drake und die Bruderschaft“ dargelegte inhaltliche Puzzle betrachtet. Schlichtweg genial, wie Merlau hier Vergangenheit, Realität, Zukunft und Rahmenhandlung miteinander verschmelzen lässt, dabei aber auch ständig die Hauptgeschichte weiter voranbringt. Jeder Schritt zurück ist auch von großer Bedeutung für die Zukunft Caines, was sich allerdings erst hinterher herausstellen soll. Dann nämlich, wenn Caines derzeitige Lage, die Hintergründe zum Schlächter von Kartaan und die zusätzlichen Plots um Kilkenny, Jeffries und Co. in ihrer Symbiose langsam zusammenwachsen, wird einem erst klar, wie viele offene Feuer der Regisseur gelegt hat und welchen Umfang die gesamte Story tatsächlich haben wird.

Und genau in diesem Moment ist man auch dankbar dafür, dass eine weitere Auflösung der hiesigen Ereignisse nicht lange auf sich warten lässt. Folge 4 erscheint nämlich zeitgleich und für den Herbst sind bereits zwei weitere Fortsetzungen anvisiert. Auch wenn dies jetzt eine gewagte Behauptung sein mag, aber trotz der gewöhnungsbedürftigen Sprache und der teils ungewöhnlichen Inhalte ist diese Serie das derzeit wohl beste Vorzeigeobjekt des modernen Hörspiels: rasant, frech und vielschichtig. Wer in diesem Genre mitreden will, darf auch den neuen Teil auf keinen Fall verpassen!

http://www.stevencaine.de/
http://www.merlausch.de/

Donzowa, Darja – Nichts wäscht weißer als der Tod

Sie ist reich, hat einen gutaussehenden Mann, ist kränklich und hat jede Menge Allergien. Sie ist eine graue Maus und mit sechsunddreißig nicht mehr im besten Alter. Die Protagonistin von Darja Donzowas Krimi „Nichts wäscht weißer als der Tod“ erinnert nicht umsonst an eine kleine verwöhnte Prinzessin, doch als sie erfährt, dass ihr Mann sie betrügt, beschließt Tanja, einen Schlussstrich zu ziehen.

Doch statt zu sterben, wird sie von der barmherzigen Schilddrüsenchirurgin Katja aufgesammelt, die in einer chaotischen Familie mit vielen Tieren lebt und ein großes Herz hat. Wenig später ist Tanja, die noch nie in ihrem behüteten Leben einen Putzlappen oder einen Kochlöffel in der Hand gehalten hat, die Haushälterin der Familie. Sie tritt natürlich von einem Fettnäpfchen ins andere. Sie vergisst die Hunde auszuführen, verkocht das Essen und kann nicht mit dem Geld umgehen.

Sie versagt auch beinahe, als Katja sie anruft und bittet, bei einem gewissen Kostja eine Dokumentenmappe zu holen und zu einem Treffpunkt zu bringen. Dort wartet Katja mit einem dicken Kriminellen auf sie, doch die Mappe enthält nicht die gewünschten Dokumente. Der dicke Kriminelle, der Katja entführt und mit Handschellen an sich gefesselt hat, setzt Tanja ein Ultimatum. Wenn sie in zwei Wochen die Dokumente nicht aufgetrieben hat, muss Katja sterben. Tanja springt über ihren Schatten und beginnt Nachforschungen anzustellen. Sie findet heraus, dass Kostja ermordet wurde, doch eine seiner Geliebten hat ihre Handtasche in seiner Wohnung vergessen. Hat sie den erfolglosen Schauspieler umgebracht? Tanja fragt sich von Haustür zu Haustür durch und immer wieder tauchen neue Namen auf – und Leichen …

Darja Donzowa schuf mit dem ersten Buch der Tanja-Reihe einen lockeren Alltagskrimi, der durch seine Bodenständigkeit, Spannung und Selbstironie gefällt.

Tanja, von Natur aus eher ängstlich, verzichtet auf übertriebene Actioneinlagen und begnügt sich damit, sich als Polizistin auszugeben und alle möglichen Leute, die mit der Entführung und dem Mord an Kostja in Zusammenhang stehen, zu befragen. Doch anstatt einen Verdächtigen zu finden, kommen immer mehr Leute dazu, die Tanja ihre Lebensgeschichte erzählen und irgendwie Dreck am Stecken haben, aber dann doch wieder nicht so viel, dass sie die Täter sein könnten.

Genau das ist der Knackpunkt der Geschichte. Ein paar Lebensgeschichten sind ja ganz lustig und bringen frischen Wind in den Roman. Wenn jedoch alle zehn Seiten eine neue Geschichte erzählt wird, zieht es das Buch unnötig in die Länge, und Längen bedeuten Spannungsverlust. „Nichts wäscht weißer als der Tod“ beginnt spannend, lässt dann aber nach. Gegen Ende scheint der Fall gelöst, doch aufgrund widriger Umstände entkommt der Täter erneut und Tanja muss nach ihm suchen. Dieses doppelte Ende quetscht dem Roman das letzte bisschen Luft aus den Lungen, das er noch hatte.

Dass man das Buch trotzdem nicht aus der Hand legt, ist Schuld der sympathischen Protagonistin Tanja. Sie ist eine ganz normale Frau, deren Leben lange fremdbestimmt war, doch nun nimmt sie alles selbst in die Hand. Am Anfang hat sie dabei sehr zu kämpfen, doch es ist sehr interessant, wie sie lernt, all die kleinen Angelegenheiten des Alltags zu meistern. Die junge Dame hat beileibe keine Superkräfte, aber ihre Standhaftigkeit und Frechheit helfen ihr, ihren Weg zu verfolgen. Der Weg, der sie von einem kleinen Mädchen zu einer erwachsenen Frau reifen lässt.

Donzowa stattet ihre Protagonistin mit einem sicheren Auge fürs Detail mit authentischen Charakterzügen und einer interessanten Geschichte aus. Einer der prägnantesten Charakterzüge der jungen Russin ist ihre Selbstironie, die sich vor allem in dem Ich-Schreibstil niederschlägt. Immer wieder hat sie ein Witzchen auf den Lippen und redet von sich nicht gerade besonders ernsthaft. Dadurch macht es sehr viel Spaß, ihrem Leben zu folgen.

Auch die meisten anderen Charaktere nehmen sich nicht sonderlich ernst. Besonders die Familie um Katja, bestehend aus dem erwachsenen Sohn Serjosha, seiner Freundin Julia und dem zehnjährigen Kira sowie der gefürchteten (Ex-)Schwiegermutter Viktoria im weiteren Verlauf, weiß immer wieder zu entzücken. Im Haus geht es sehr chaotisch, aber immer liebenswert zu und es ist kein Wunder, dass sich Tanja sofort dort wohlfühlt.

Wohlfühlcharakter hat auch Donzowas Schreibstil. Wenn eine so quirlige, humorvolle Protagonistin in der Ich-Perspektive aus ihrem Leben erzählt, kann es ja nur gut werden. Ohne übertriebenen Ballast, dafür aber mit Witz und treffenden Beschreibungen tänzeln die Wörter durch das Buch, dessen Aufbau nicht immer Spannung garantiert. Unterhaltung ist auf jeden Fall geboten, denn Donzowas Schreibstil ist unverwechselbar leichtfüßig.

„Nichts wäscht weißer als der Tod“ ist noch nicht der große Wurf, aber Darja Donzowas sympathische Protagonistin und ihr lässiger Schreibstil zeigen, wo es lang geht. Und nicht umsonst wurde die Reihe um Tanja mit [„Spiele niemals mit dem Tod“ 3391 fortgesetzt.

http://www.aufbauverlag.de/

Pürner, Stefan – Geklont – 12 verblüffende Kurzgeschichten, die Sie früher oder später erleben werden

Sind wir nicht alle geklont? Nun, noch nicht, doch hätte irgendeiner von uns, sagen wir mal vor 50 Jahren, sich erträumt, dass wir heute ins All fliegen, mobil telefonieren, im Internet surfen oder Musik auf MP3-Format komprimieren können? Genau dieser Frage ist der Autor Stefan Pürner nachgegangen, der Rechtsanwalt ist und viele juristische Fachveröffentlichungen publiziert hat. Ferner hat er in den Siebzigern Lyrik und Prosa verfasst, aber auch Journalistisches wie Konzertkritiken.

In zwölf Kurzgeschichten zeigt der Autor auf, was auf uns alle zukommt, wenn das Klonen irgendwann einmal alltäglich ist. Dabei ist es verblüffend, wie sehr die Geschichten aus dem Leben gegriffen sind. Was wäre z. B., wenn die Frau/der Mann, die/den ihr liebt, mehrfach existiert? Heute gehen wir ja davon aus, dass wir alle einzigartig sind, aber in einer Welt, in der das Klonen zum Alltag gehört, ist das eben nicht der Fall. Und so steht der Protagonist in der Kurzgeschichte vor dem Dilemma, sich für oder gegen seine Liebe zu entscheiden. Und wie schwer das jedem von uns fallen würde, braucht man hier nicht näher zu erläutern. Ein weiteres klassisches Beispiel ist die DNA-Analyse, bei der man (heute) noch fast hundertprozentig den Täter/die Täterin stellen kann. Doch was ist, wenn der Täter geklont ist? Dann könnte jeder der Klone der/die Täter/in sein! Und wenn wir schon beim Thema sind: Was passiert, wenn jemand stirbt und in seinem Testament verfügt, dass sein Klon etwas erbt? Ist der Klon, der fast zu hundert Prozent mit dem Verstorbenen identisch ist, höher gestellt als die leiblichen Kinder?

Allein in den drei von mir aufgeführten Beispielen kann man erkennen, was da alles auf uns zukommt, wenn es irgendwann einmal so weit sein sollte. Aber es gibt auch amüsante Fantastereien! Eine ist z. B. Pearl Babe (bei der eindeutig Janis Joplin Patin gestanden hat), die ihre beste Zeit schon hinter sich hat, aber als Klon feucht-fröhlich durch die Weltgeschichte tingelt und fleißig CDs verkauft. Stellt euch in dem Zusammenhang vor, alle Tribute-Bands heutzutage würden in derselben Besetzung die Bühnen erklimmen wie die einstigen Stars vor zwanzig oder dreißig Jahren. Sprich, Jim Morrison hätte sich nicht ins Grab gesoffen, Bon Scott wäre nie an seinem eigenen Erbrochenen erstickt und Kurt Cobain hatte keine Patronen in seinem Gewehr gehabt. Nun ja, nicht ganz, denn die Hauptprotagonisten würden immer noch unter der Erde verweilen, als Klon jedoch ihren zweiten, dritten oder vierten Frühling erleben. So, als ob nie was geschehen wäre. Und wenn wir schon gerade beim Thema sind: Wie wäre es denn, wenn man ein Künstlerhirn auf eine CD brennen und mit dieser, wie bei einer Software üblich, arbeiten könnte? Nur was ist, und da liegt der Hase im Pfeffer, wenn der Künstler, wie im wahren Leben, rumzickt und mit seinem Nutzer nicht kooperieren möchte? Nein, wir reden hier nicht vom x-ten Windowsupdate, sondern bildlich gesprochen von einem menschlichen Gehirn, das auf einer gebrannten CD weiterlebt. Spannend wäre es schon zu wissen, wie die BEATLES klingen würden, wenn sie nach ihrem letzten Album „Let It Be“ weitere Alben aufgenommen hätten. Doch wollen wir das?

Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Dem Autor ist es gelungen, Denkanstöße zu geben, über die mann/frau nächtelang diskutieren kann. Und, mal Hand aufs Herz: Wer kann das heutzutage in der digitalisierten Welt von sich behaupten, wo wirklich jede Information Tag und Nacht abrufbar und nahezu alles entmystifiziert ist?

http://www.celero-verlag.com/

Hardebusch, Christoph – Schlacht der Trolle, Die

_Handlung_

Die Trolle stecken wieder einmal in der Klemme. Doch droht ihnen dieses Mal keine Gefahr von den Zwergen oder den Priestern des Albus Sunas, sondern von ihrer eigenen Rasse: Anda hat sich verändert und tötet nun jeden Troll, der sich ihr nicht anschließt. Außerdem vernichtet die Trollin auch Menschendörfer und hinterlässt dort nur Tod und Terror.

So machen sich Pard und der Rest seines Stammes auf den Weg zu Sten, um von diesem Hilfe zu erhalten. Dieser hingegen ist mittlerweile Bojar von Dabran und kümmert sich zusammen mit seiner Vicinia um seine Grafschaft. Doch Vicinia wird von ihrer Schwester Ionna, der Herrscherin über die freien Wlachaken, an den Hof des Masriden Gyula Bekessar nach Turduj gesandt, um mit diesem Bündnisverhandlungen zu führen. Begleitet wird sie dabei von Stens Schwester Flores. Doch die Mission erweist sich schwerer als erwartet, denn eine unvorhergesehene Invasion lässt die Stadt zu einem gefährlichen Gefängnis werden.

_Der Autor_

Christoph Hardebusch, geboren 1974 in Lüdenscheid, studierte Anglistik und Medienwissenschaften in Marburg und arbeitete anschließend als Texter bei einer Werbeagentur. Sein Interesse an Fantasy und Geschichte führte ihn schließlich zum Schreiben. Außerdem ist er ein begeisterter Rollenspieler. Seit dem großen Erfolg seines Debüts „Die Trolle“ ist er als freischaffender Autor tätig. Christoph Hardebusch lebt mit seiner Frau in Heidelberg. Mit seinem Debütroman [„Die Trolle“ 2408 landete er einen großen Erfolg: monatelang auf der Bestsellerliste mit bislang über 80.0000 verkauften Exemplaren.

_Mein Eindruck_

Nachdem beim Ende von „Die Trolle“ schon der Grundstein für eine Fortsetzung gelegt worden war, stellte sich die spannende Frage, ob es Hardebusch möglich sein würde, seinen Überraschungserfolg zu bestätigen oder gar zu übertreffen. Kurz gesagt: Er hat es geschafft, dem Roman mit „Die Schlacht der Trolle“ eine würdige Fortsetzung zu folgen zu lassen.

Schon sein erstes Buch funktionierte auf zwei verschiedenen Ebenen, nämlich einerseits den Erlebnissen der Trolle und andererseits der Politik in Wlachkis, die er gekonnt miteinander verknüpfte. Während die politische Ebene einfach weiterzuführen ist, ergab sich bei den Trollen ein Problem: Der Anführer der Trolle Druan war ja schon an Menschen gewöhnt, und mit seinem besonnenen Charakter wären die meisten Reibungspunkte und somit auch die Spannung bei einer Fortsetzung weitestgehend verloren gegangen.

Doch durch Druans Tod und Pards Beförderung zum neuen Anführer ändert sich die Situation grundlegend, ist dieser doch als eher hitzköpfig und brutal bekannt. Diesem stellt der Autor nun Druans Schüler Kerr an die Seite, der dieses Mal den Part des wissbegierigen und „gemäßigten“ Trolles einnimmt. Durch diesen Schachzug schafft es Hardebusch, die Beziehung zwischen den Menschen und den Trollen wieder interessant zu machen, zumal Andas Überfälle auf Menschendörfer zusätzliche Spannungen erzeugen. Durch die Figur Kerr wird dem Leser wieder einmal wunderbar der Spiegel für die Merkwürdigkeiten des menschlichen Lebens vorgehalten, denn der neugierige Troll kommentiert äußerst witzig die Gewohnheiten der Menschen.

Den Großteil des Buches nehmen aber wie im ersten Band die Konflikte zwischen den Menschen, oder genauer zwischen Wlachaken oder Masriden, ein. Hier wird durch einige sehr interessante Wendungen wieder richtig Spannung aufgebaut, und so fesselt der Roman den Leser wirklich von der ersten bis zur letzten Seite. Großen Anteil daran hat auch, dass eigentlich alle liebenswürdigen Charaktere auftauchen, die auch „Die Trolle“ bereichert haben, auch wenn sie wie etwa der Dyrier Sargan nun eine gänzlich andere Stellung haben. Zudem hat sich der im ersten Teil doch etwas eindimensionale Troll Pard zu einer wirklich interessanten Persönlichkeit entwickelt.

Die verschiedenen Beziehungen der Charaktere sind äußerst amüsant gestaltet und sorgen immer wider für Lacher. Besonders ist Hardebusch in diesem Fall die Beziehung zwischen der manchmal etwas bärbeißigen Flores und dem Masriden Tamar Bekesar gelungen, auch wenn er hier auf das klassische „Romeo und Julia“-Muster zurückgreift.

Sehr zum Realismus seines Romans trägt auch bei, dass er sich nicht scheut, auch mal einige seiner Figuren sterben zu lassen; Druan ist hier nur ein Beispiel dafür. Auch die neu eingeführten Charaktere sind Hardebusch sehr gut gelungen, denn egal ob es der Masride Tamar Bekesar oder die Trolle Kerr, Turk und Keru sind, sie sind alle interessant gestaltet und bereichern den Figurenfundus ungemein.

Der Roman liest sich sehr gut, woran Hardebuschs Schreibstil selbstverständlich einen großen Anteil hat. Die Beschreibungen der Umwelt und der Figuren sind genau richtig abgestimmt, um dem Leser ein gutes Bild zu verschaffen, ohne ihn aber dabei zu langweilen. Ebenso tragen aber die vielen nebeneinander herlaufenden Handlungen dazu bei, denn bei jedem neuen Kapitel erfolgt ein Sprung zu einem der vier Haupthandlungsstränge, was das Lesen ungemein beschleunigt, denn man will ja immer wissen, was im anderen Handlungsstrang passiert ist.

Die teilweise etwas düstere Stimmung wird immer wieder von lustigen Szenen aufgelockert. So folgt einer düsteren Schlachtenszene meist eine Stelle, die den Leser wieder zum Schmunzeln bringt. Hier stimmt einfach die Mischung. Auch die mystische Ebene wird wieder angesprochen, und zwar durch die Veränderung von Anda. Hierdurch wird nicht nur neues Konfliktmaterial aufgebaut, sondern man bekommt einen Einblick in die Mythologie der Menschen in Wlachkis sowie in die Geschichte der Trolle, was dem Ganzen eine gewisse Tiefe verleiht. Auch die Reaktion der Zwerge auf die durch Anda drohende Gefahr gefällt mir sehr gut.

Dieses Mal ist der Roman meiner Meinung nach richtig abgeschlossen, so dass eigentlich nichts direkt auf eine Fortsetzung hinweist. Das heißt natürlich nicht, dass die Trolle damit ein für alle mal abgeschlossen sind. Das Ende hat mich als Leser sehr befriedigt aus der Geschichte entlassen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich trotzdem über eine Fortsetzung freuen würde.

_Fazit_

„Die Schlacht der Trolle“ ist eine äußerst gelungene Fortsetzung, in der sich Christoph Hardebusch noch einmal deutlich gesteigert hat. Der Roman ist ein extrem kurzweiliges Fantasyvergnügen, ich für meinen Teil habe ihn in kurzer Zeit verschlungen. In dieser Form muss sich Hardebusch nicht hinter den anderen Autoren dieser Romangattung verstecken, wie Markus Heitz („Die Zwerge“), Stan Nicholls („Die Orks“) oder Bernhard Hennen („Die Elfen).

Für Liebhaber der klassischen Fantasyliteratur und vor allem für die Fans des ersten Teils ist „Die Schlacht der Trolle“ ein absolutes Muss!

|Siehe ergänzend dazu:|
[„Die Trolle“ 2408
[Interview mit Christoph Hardebusch]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=65
[Teaser und Lesprobe zu „Die Trolle“]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=62
[Releaseparty: Die Schlacht der Trolle]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=75

http://www.heyne.de
http://www.hardebusch.net/

Ed McBain – Selbstmord kommt vor dem Fall

McBain Selbstmord Cover 1989 kleinDas geschieht:

Frühling in Isola. Für die Männer vom 87. Polizeirevier beginnt er alltäglich, d. h. hässlich: Ein Pechvogel von Vertreter wird durch eine Gasexplosion in Stücke gerissen. In den Trümmern der verwüsteten Wohnung findet man zwei weitere Leichen: Der junge Tommy und die noch jüngere Irene haben offenbar den Gashahn aufgedreht; ein Abschiedsbrief, der ihre unmögliche Liebe beklagt, wird gefunden.

Routine also für Steve Carella und Cotton Hawes, die mit dem Fall betraut werden. Doch die erfahrenen Beamten stoßen bei ihren Nachforschungen auf seltsame Widersprüche. So schildern die Familien ihre Verstorbenen keineswegs als lebensmüde Zeitgenossen. Im Gegenteil: Irene schöpfte gerade neuen Lebensmut, nachdem sie sich entschlossen hatte, den ungeliebten Gatten Michael Thayer für besagten Tommy zu verlassen. Dieser wird wiederum von seinem jüngeren Bruder Amos als Ausbund schierer Lebensfreude geschildert. Ed McBain – Selbstmord kommt vor dem Fall weiterlesen

Bennett, Joe – Ganz einfach blöffen … Akustik-Gitarre

Es gibt wohl keinen Bereich in der Musiklehre, der auf so viele Lern- und Anleitungsbücher zurückgreifen kann wie die Sparte Gitarrenmusik. Fachliteratur gibt es in diesem Sektor dementsprechend auch in Massen, begonnen bei den Ergüssen des beliebten Musiklehrers Peter Bursch bis hin zu den vielen Büchern, die von aktuellen, derzeit populären Gitarrenheroen verfasst wurden. Joe Bennett hingegen lässt sich in keine dieser Schubladen einordnen. Er ist seit 15 Jahren anerkannter und mit Auszeichnung studierter Gitarrenlehrer und zudem Session-Gitarrist, bislang aber kein Bekannter auf dem internationalen Musikmarkt. Daran soll sich nun mit seinen Büchern aus der Reihe „Ganz einfach blöffen …“ etwas ändern; hier unterweist Bennett seine Schüler in einem knappen Crash-Kurs in den Feinheiten des jeweiligen Instruments und zeigt Tricks und Kniffe auf, mit Hilfe derer man sich in Windeseile nach außen hin als Profi beweisen kann.

Nachdem er in seinem [ersten Werk 3231 einen Blick auf die Theorie geworfen hat, geht der ehemalige Student des London College Of Music in „Ganz einfach blöffen … Akustik-Gitarre“ auf die Anfänge der klassischen Gitarrenmusik ein und belebt nicht nur ihren Stellenwert, sondern verhilft den interessierten Lesern auch in kurzen Übungen zu einem umfangreichen, praktischen Basiswissen an der stromlosen Sechssaitigen.

Der Aufbau des Buches ist dabei erneut die große Stärke: Bennett geht zunächst intensiv auf die Geschichte der akustischen Gitarre ein und wirft einen Blick auf die sechs wichtigsten Protagonisten auf diesem Instrument. Nebst anerkannten Größen wie Paul Simon und Bob Dylan kommen hier auch Leute wie Chet Atkins und Django Reinhardt zum Zuge und holen sich in der historischen Einordnung ihre wohlverdiente Reputation ab.

Anschließend werden die elementarsten Griffe und Riffs sowie verschiedene Rhythmusfolgen erklärt und in kleine Fingerübungen integriert. Bennett gibt inzwischen immer wieder wertvolle Tipps und offenbart schließlich die perfekte Anleitung zum Bluffen. Nach getaner Arbeit und einigen bewährten Riffs wird es zum Ende hin dann noch einmal heiter, wenn auf der letzten Seite einige Witze zur akustischen Gitarre in die Runde geworfen werden. Da sage doch mal einer, Musikpraxis sei dröge …

Mal ganz plump gesagt: Dieses Buch ist eine super Sache! Joe Bennett legt keinen Wert auf strikte Notenlehre und überflüssige Paukerei, sondern steigt sofort mit grundsätzlichen Dingen ein. Der historische Überblick gehört ebenso dazu wie die Nennung derjenigen Personen, welche die Szene mit ihrem Spiel geprägt haben – schließlich haben sie auch einen prägenden Einfluss auf dieses literarische Werk hinterlassen.

Die anschließenden Griffübungen sind ebenfalls komplett anders aufgebaut. Im Grunde genommen ist es zwar in erster Linie geschickte Trickserei, doch das Resultat zeigt, wie effektiv der Aufbau der Fingerübungen ist. Schneller als man glaubt, kann man die ersten Stücke von Folk-Rock-Legenden wie Bob Dylan und Paul Simon nachspielen, und auch Arrangements, die von Jimmy Page bzw. Led Zeppelin beeinflusst sind, sollten nach nicht allzu langer Zeit kein Problem mehr sein. Ein Crash-Kurs eben, der mehr aus einem herauskitzelt, als man zu Beginn von einem solchen erwarten darf.

Bennett fährt mit seiner gerade etablierten Vorgehensweise auch in seinem zweiten Buch sehr, sehr gut. „Ganz einfach Blöffen … Akustik-Gitarre“ ist ein sehr leicht verdauliches, für jedermann geeignetes und in seiner Effizienz vorbildliches Lehrbuch, das selbst den totalen Gitarren-Laien schnell für das Instrument begeistern sollte. Was bleibt daher auch anderes, als eine uneingeschränkte Empfehlung auszusprechen – leichter wird man sich nämlich garantiert nicht in die Materie einarbeiten können!

http://www.bosworth.de

Mark Wood – Kaleidoscope Classic

_Tetris für Fortgeschrittene_

In einer Box mit 18 Tetris-artigen, insgesamt vierfarbigen Steinen präsentiert das |Dr. Wood Challenge Center| einige der größten Puzzle-Herausforderungen, die derzeit auf dem Markt erhältlich sind. In „Kaleidoscope Classic“, quasi dem Starter-Set für ein Puzzlespiel mit unzähligen Varianten, gilt es für einen oder mehrere Spieler, ein Quadrat innerhalb der besagten Box zu formen und dabei auch noch die farblichen Vorgaben zu erfüllen. 101 verschiedene Aufgaben sind im Regelwerk enthalten, und ein Tausendfaches hiervon wartet noch darauf, entdeckt zu werden. Die Möglichkeiten scheinen also tatsächlich schier unbegrenzt, und dennoch wird man bereits sehr schnell an seine Grenzen stoßen – denn so einfach, wie man glaubt, ist selbst nach kurzer Einführungsphase keines der späteren Rätsel mehr. Doch je hartnäckiger und entnervter man an den Puzzles arbeitet, desto größer wird das Suchtpotenzial von „Kaleidoscope Classic“. Denn merke: Aufgeben gilt nicht!

_Das Spielmaterial_

Die 18 verschiedenförmigen Steine, die dieses Spiel beinhaltet, sind genau so aufgebaut, dass sie von der einen Seite ein Schachbrett mit roten und schwarzen Feldern ergeben. Auf der Rückseite indes befinden sich neben den 32 schwarzen Flächen jeweils 16 gelbe und blaue Quadrate, so dass man vorab bereits erahnen kann, wo der Knackpunkt bei der Lösung der meisten Rätsel liegt. Qualitativ ist das Material indes sehr hochwertig, aber auch spielpraktisch wohl durchdacht. Der einzige Kritikpunkt besteht darin, dass es schon einmal Probleme bereitet, Randstücke in ein bestehendes Puzzle einzufügen, weil der Raum hierfür recht eng ist, doch eigentlich ist selbst dies kaum nennenswert.

_Das System_

101 Herausforderungen warten auf den interessierten Legespiel-Meister, und zum großen Teil wird man hierbei wirklich aufs Äußerste gefordert. Nach einem kurzen Schnupperkurs durch sechs gängige Challenges, in denen man sich noch mit den Varianten und vor allem mit den Steinen vertraut machen kann, gerät man Schritt für Schritt an anspruchsvollere Aufgaben, die vor allem durch den vermehrten Einbezug von blauen und gelben Flächen im Schwierigkeitsgrad oft das Maximum fordern. Nur um mal ein Beispiel zu nennen: Ich habe gestern Abend mit einer Challenge begonnen, bis tief in die Nacht experimentiert und bis jetzt noch nicht die Lösung gefunden. Harte Nüsse sind also definitiv genügend vorhanden.

Doch wie funktioniert’s genau? Nun, als Erstes schaut man sich natürlich die Originalvorlage im Begleitheft an und versucht, sich die Steine schon einmal ungefähr zurechtzulegen. Wichtig ist hierbei, dass man den größten Teil zuerst anbringt, weil er sich später sonst kaum mehr einfügen lässt. Anschließend sollte man zunächst die blauen und gelben Flächen versorgen, weil sie in ihrer Anzahl geringfügiger vertreten sind und man somit später nicht mehr die benötigten Formen finden wird. Doch alleine dies stellt schon ein Problem dar, denn gleichzeitig muss man schauen, dass sich die verbleibenden Baustücke noch in die Lücken einschieben lassen, was einen nicht selten zur Verzweiflung treibt – denn auch wenn es für manche Puzzle unglaublich viele Lösungen gibt, will man keine treffende für die aktuelle Problemstellung finden. Spielzeiten von fünf Minuten sind daher ebenso üblich wie tagelanges Kniffeln.

_Regeln für das Spiel zu zweit_

Man kann „Kaleidoscope Classic“ auch mit zwei und noch mehr Spielern spielen, wobei es sich dann um einen echten Wettstreit um Punkte und erst zweitrangig um die Lösung eine Puzzlefalls handelt. Hierzu sind mehrere Vorlagen in der Spielpackung enthalten, die man nun als Unterlage in die Box platziert. Anschließend wählt nun jeder Spieler abwechselnd Spielsteine aus dem Vorrat, mit denen er nachfolgend zur Tat schreiten wird. Derjenige, der den sogenannten Zauberstab, den größten Stein im Spiel, gewählt hat, beginnt nun damit, einen seiner Bausteine in das Muster einzugeben, wobei es sich aufgrund der Größe natürlich empfiehlt, den Zauberstab auch als erstes Objekt abzulegen. In den Flächen auf der Vorlage sind nun Punkte abgebildet, die man sich auf einem separaten Block notiert und für die spätere Wertung verwendet. Reihum versucht nun jeder Spieler, möglichst viele seiner Formen in das Quadrat einzufügen, denn am Ende bekommt man auch wieder Punktabzüge für die Klötze, die nicht mehr in eine Lücke hineingepasst haben, und zwar genau zwei Punkte für jede Fläche eines nicht verwendeten Steins.

Zum Schluss wird dann abgerechnet. Jeder subtrahiert von seinen erzielten Punkten den Wert der Steine, die er nicht mehr anbringen konnte, und notiert nun seine Gesamtpunktzahl. Derjenige mit dem höchsten Abschlusswert gewinnt das Spiel.

_Meine Meinung_

Legespiele wie dieses sind immer wieder faszinierend. Einfache Mittel, ein simples Spielprinzip und dennoch ein enorm langfristiger Spielspaß, der sich auch durch die zwischendurch aufkeimende Frustration nicht beeinträchtigen lässt. Schön ist natürlich auch, dass sich „Kaleidoscope Classic“ zu jeder Zeit und insbesondere auch alleine spielen lässt. Man kann sich in kurzen Pausen mit vergleichsweise leichteren Aufgaben befassen oder mit etwas (bzw. unendlicher) Geduld an den harten Brocken knabbern und darüber hinaus die schmucke Packung auch super verstauen und entsprechend an allen möglichen Plätzen zum Vorschein bringen. Ob im Zug, Auto, Flugzeug oder im Wartezimmer beim Arzt: Als sinnvoller Zeitvertreib zwecks Gedächtnistraining ist dieses Spiel unentbehrlich. Und wenn man sich dann doch einmal entschließt, einen kleinen Wettbewerb auszuführen, sucht man sich einen Spielpartner und misst sich mit ihm im Kaleidoscope-Tetris.

Wahnsinn ist allerdings, wie viele Möglichkeiten das Spiel bietet. 101 Challenges hören sich nach einem Appetithappen für einen knappen Monat an, doch nachdem ich nun auch schon Erfahrungen mit bislang unlösbaren Puzzles gemacht habe, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass man über viele Monate hinaus versuchen, fachsimpeln und legen wird, bis man überhaupt nur einen kleinen Teil der vielen Aufgaben bewältigt hat.

Damit erfüllt „Kaleidoscope Classic“ auch sämtliche Anforderungen, die ein anspruchsvolleres Legespiel erfüllen muss: lang anhaltender Spielspaß, eine sehr breite Palette an verschiedenen Aufgaben (in verschiedenen Schwierigkeitsgraden) und ein sehr kompaktes, sofort verständliches Spielsystem. Ich persönlich habe mich selten mit einem derartigen Spiel so amüsiert wie nun mit „Kaleidoscope Classic“. Wohl wissend, dass ich bei meiner aktuellen Kaleidoskop-Prüfung nicht mehr so recht vorankomme und dennoch unheimlich scharf darauf bin, des Rätsels Lösung auf die Spur zu kommen, kann ich diesen Titel auch ohne jegliche Einschränkung weiterempfehlen.

http://www.thekaleidoscopeclassic.com/
http://www.proludo.de

Kammerer, Iris – Tribun, Der (Tribun 1)

Das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald, südwestlich von Detmold, erinnert an den Cheruskerfürsten Arminius und die legendäre Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Chr., wo Arminius/Hermann viele germanische Stämme vereinigte und drei Legionen des römischen Senators Publius Quinctilius Varus vollständig vernichtete.

Germanien wurde von dem römischen Erobern nie vollständig besetzt. In verschiedenen Feldzügen wurde dennoch so mancher Stammesfürst unterworfen oder beugte sich freiwillig der militärischen römischen Macht, doch untereinander waren sie einander niemals einig.

Arminius konnte die Römer nur besiegen, weil er aufgrund seiner Erziehung ein römischer Bürger und Tribun wurde, also ein hoher Offizier, der die Schwachstellen, die Taktik und das persönliche Vertrauen von Varus kannte und nutzte. Dieser Freiheitsheld führte ein Doppelleben, und schließlich führte genau das zu seinem unausweichlichen Schicksal.

„Der Tribun“ von Iris Kammerer widmet sich diesem Thema und den Leben und Kämpfen der Römer in Germanien.

_Die Geschichte_

Germanien, 9 n. Chr. Der adlige, junge römische Tribun Gaius Cinna ist zusammen mit drei Legionen des römischen Senators und Statthalters Varus in Germanien stationiert. Es herrscht kein Frieden in dieser von Rom weit entfernten Provinz. Immer wieder gibt es Unruhen und kleinere Aufstände, die von der römischen Besatzung mit brutaler Härte beendet werden. Aber auch die verschiedenen Stämme in Germanien sind sich, wie es sich den Römern darstellt, nicht einig.

Doch es gibt Gerüchte um einen möglichen Aufstand unter den germanischen Stämmen, die für die römische Besatzung und deren Familien eine Gefahr darstellen.

Tribun Gaius Cinna bekommt von seinen Vorgesetzen die Order, den Statthalter Varus aufzusuchen, um ihn vor der drohenden Gefahr zu warnen. Doch es ist bereits zu spät; auch die Germanen haben Spione unter den römischen Hilfstruppen. Cinna wird verraten und findet sich schwer verletzt als Geisel eines cheruskischen Fürsten wieder.

Inzwischen werden die drei Legionen des Varus vom römisch erzogenen und militärisch ausgebildeten Arminius vollständig vernichtet und Cinna bleibt allein gelassen und wahrscheinlich von seiner Familie für tot gehalten auf sich selbst gestellt zurück.

Die Situation für Cinna erscheint ausweglos; seiner Würde und Ehre beraubt, fristet er von nun an ein Sklavendasein. Trotzdem wird er von der Familie des Cheruskischen Fürsten menschlich, beinahe schon nett behandelt. Vor allem die junge Tochter Sunja weckt seine Aufmerksamkeit, und trotz aller Vorbehalte und Vorurteile verlieben sie sich ineinander.

Mit der Zeit lernt der sehr eingebildete und hochnäsige Cinna das Leben, das Denken und Handeln des germanischen Stammes kennen, der doch unter den Römern nur als ungebildetes Barbarenvolk gilt. Langsam erwachen Sympathien in ihm, und er findet Freunde und Anteilnahme in der Gefangenschaft.

Doch als Arminius die Auslieferung von Cinna verlangt, um ihn zu verhören und ggf. ihren Göttern zu opfern, spitzt sich die Situation weiter zu. Er begreift, dass der germanische Aufstand einen wahren Flächenbrand auslösen könnte, dass es weitere Übergriffe auf die römische Besatzung geben könnte und vielleicht auch auf das inzwischen befriedete Gallien.

Die einzige Lösung liegt in der Flucht, aber Cinna kennt das Gebiet nicht, und der nächste römische Vorposten ist aufgrund der Lage nicht bekannt …

_Kritik_

„Der Tribun“ ist unheimlich gut recherchiert. Basierend auf erforschten geschichtlichen Fakten, spiegelt der Roman das Leben und Wirken der Römer und Germanen in der Zeit 9 n. Chr. wider. Auch die schwierige politische Lage der teilweise verfeindeten germanischen Stämme wird dem historisch interessierten Leser glaubhaft und korrekt erklärt.

Mit viel Liebe zum Detail entwickelt sich die Geschichte um den Tribun, der ein Sklave wurde. Mitfühlend und spannend wird seine Gefangenschaft erzählt; aus dem ehemals adligen und arroganten römischen Befehlshaber wird ein offener und sensibler Charakter, der zwischen beiden Welten lebt.

Iris Kammerer kann wahrlich gut erzählen und schweift dabei nicht wie viele andere Autorinnen in fast schon klischeehaft romantische Ausführungen ab. Ihre Charakterstudien und ihr Wissen rund um diese Epoche und ihre Kultur wissen zu beeindrucken. Auch den Nebencharakteren wird viel Raum gegeben, sich zu erklären und zu beweisen, so dass die Handlung nicht an Spannung verliert.

Historische Romane sollen in erste Linie natürlich unterhalten, aber trotzdem bleibt immer die Erwartungshaltung, dass diese auch Wissen um die jeweilige Epoche vermitteln sollten. Dem „Tribun“ von Iris Kammerer gelingt beides in grandioser Weise.

Die historischen Personen und Schauplätze sind sorgfältig recherchiert wiedergegeben worden. Im Anhang des Romans befinden sich u. a. eine Zeittafel sowie ein Personenregister; auch die geographischen Bezeichnungen werden erklärt, so dass der Leser einen ausgesprochenes gutes Bild von Germanien unter römischer Herrschaft erhält.
Auch die Auseinandersetzungen zwischen den Römern und den Germanen werden spannend erzählt, genauso wie die innenpolitische Lage im römischen Imperium, was ein weiterer Pluspunkt für den Roman ist.

Für zartbesaitete Gemüter ist die Geschichte sicherlich nicht unbedingt geeignet. Die Misshandlungen und die Folter, die Cinna in der Gefangenschaft erdulden muss, sind gewalttätig, aber durchaus nachvollziehnar aus Sicht der Germanen. Die Autorin verzichtet auf überzeichnete Actioneinlagen, aber auch auf romantische Liebesszenen. Mit dem Romandebüt „Der Tribun“, dem ersten Roman einer Trilogie, hat sie ein sehr lehrreiches und interessantes historisches Epos geschaffen.

_Die Autorin_

1963 wurde Iris Kammerer in Krefeld geboren. Sie studierte Klassische Philologie, Philosophie und Literaturwissenschaften in München und Marburg. Sie arbeitet als Redakteurin, Texterin und Beraterin in Marburg, wo auch ihre Familie wohnt. Ihr Romandebüt „Der Tribun“ ist der Auftakt zu einer historischen Trilogie um den römischen Offizier Gaius Cinna.

Taschenbuch, 592 Seiten
Originalausgabe
http://www.heyne.de
http://www.iris-kammerer.de/

Nahrgang, Frauke – Teufelskicker 9 – Talent gesichtet

_Besetzung_

Erzähler – Thomas Karallus
Mehmet – Leif Ascan Weitzel
Serkan – Max von Stengel
Catrina – Hulia Fölster
Moritz – Anton Sprick
Björn – Janek Schächter
Niko – Mohammed Ponten
Mark – Mark Robinson
Olli – Lucas Krauße
Hendrik – Jan Böttner
Herr Lichting – Robert Missler
Kommentator – Ulli Potofski
Opa – Eckard Dux
Vater – Tomas Kröger
Frau Sandmann – Gertje Herrschaft
Rebekka – Laura Martha Ketzer
Trainer Norbert – Oliver Rohrbeck

_Story_

Nach einem haushohen Sieg der Teufelskicker ist die Stimmung in der Kabine bestens; und dennoch können die Jungs ihre Seitenhiebe auf ihre Verteidigerin Catrina nicht außen vor lassen und behaupten sogar, dass ihr nach der C-Jugend keine Zukunft mehr in einer Jugendmannschaft bleibt. Besonders der zuletzt erst zugezogene Moritz ist sich sicher, dass Fußball Männersache ist, obwohl er auch die Qualitäten seiner Mannschaftskameradin schätzt.

Als im nächsten Pokalspiel dann ein Talentsucher am Spielfeldrand steht, gibt sich Moritz besondere Mühe, um seine Aussagen zu rechtfertigen und sich auch für größere Aufgaben zu empfehlen. Doch der Mann hat ein besonderes Auge auf Catrina geworfen und bietet ihr einen Platz in einer Auswahlmannschaft an. Plötzlich bereuen Mehmet, Moritz und Co. ihre anklagenden Worte und wünschen sich nichts sehnlicher, als dass Catrina ihnen auch in Zukunft erhalten bleibt. Das Pokalfinale soll schließlich Aufschluss darüber geben, ob die gekränkte junge Dame auch weiterhin den Teufelskickern treu bleibt.

_Meine Meinung_

In der neuen Episode der „Teufelskicker“ wird ein allseits kritisch beäugtes Thema in den Mittelpunkt gerückt: die Emanzipation des Frauenfußballs, jedoch in diesem Fall natürlich in kleinerem Rahmen. Wie es auch heute noch sehr häufig in Jugendmannschaften vorkommt, wird die weibliche Mitkickerin zwar in der Mannschaft geduldet, aber nicht entsprechend für ihre Leistungen gewürdigt. Jedem ist eigentlich klar, dass Catrina eines Tages eh nicht mehr für die Teufelskicker spielen kann, weil das Reglement die Konstellation gemischter Teams verbietet.

Natürlich entsteht so unmittelbar ein Konflikt, aus dem Catrina gemeinsam mit ihrer Freundin Rebekka beleidigt herausgeht. Als sich die Lage schließlich zuspitzt und den Jungs erst einmal bewusst wird, welchen Wert das andere Geschlecht für die Mannschaft hat, scheint der Zug bereits abgefahren. Die Mannschaft spielt plötzlich schlecht und liefert keine Begründungen mehr dafür, warum die von einem Talentsucher auserkorene Catrina sich für einen Verbleib in ihrer alten Mannschaft aussprechen sollte. Und als es dann zur endgültigen Entscheidung kommt, befürchten natürlich alle auch berechtigterweise Schlimmes …

Die neunte Folge um die „Teufelskicker“ mag zwar wieder mit einigen Klischees aufwarten, die sich allgemein um das Leben junger, ambitionierter Fußballer ranken, trifft damit aber auch genau den Nerv des jungen Zielpublikums – und aufgrund des Grundthemas auch das weibliche Publikum. Im Vergleich zum nach wie vor boomenden Fußball-Hype „Die wilden Kerle“, von dem diese Hörspielserie sicherlich ein wenig inspiriert wurde, ist dabei jedoch das sprachliche Niveau wirklich sehr ansprechend. Keine billigen Floskeln, keine Plattitüden und auch keine allzu typischen Seitenhiebe, wie sie von den Ochsenknecht-Hänflingen nicht selten in die Runde geschmissen werden. Dies liegt abseits des generellen Plots vor allem daran, dass die Sprecher in ihren Rollen sehr souverän auftreten. Sieht man mal vom übereifrigen Ulli Potofski ab, der seinen regulären Job auch auf dieses Hörspiel übertragen hat, gibt sich hier niemand die Blöße, was bei der äußerst lebhaften Interaktion gar nicht mal so selbstverständlich ist.

Die Geschichte selber ist ebenfalls sehr schön aufgebaut und enthält neben dem Hauptplot auch noch einige interessante Nebengeschichten, wie etwa das kurzzeitig betrachtete Verhältnis zwischen Moritz und seinem Vater oder aber die Ansprachen und die Konversation zwischen Trainer und Mannschaft, die nicht bloß auf den Sport an sich bezogen sind. All dies hat zwar auf den Verlauf der eigentlichen Story keinen Einfluss, lockert das Ganze aber noch ein bisschen mehr auf und trägt dazu bei, dass die Erzählung nicht zu einseitig aufgebaut ist.

Alles in allem macht die Dreiviertelstunde, die man mit dem neuesten Abenteuer der Teufelskicker zubringt, eine Menge Spaß und zeigt sich meines Erachtens einmal mehr als die bessere Alternative zum deutlich überbewerteten Megaseller „Die wilden Kerle“; und ich denke, dass man einem Hörspiel gerade in dieser Sparte heuer kaum ein besseres Kompliment machen kann!

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Stieg Larsson – Verdammnis (Millennium 2)

Mit „Verblendung“ erschien 2006 der erste Teil von Stieg Larssons „Millennium-Trilogie“. Hier durfte der Leser erstmals dem Journalisten Mikael Blomkvist und der raffinierten Hackerin Lisbeth Salander bei den Ermittlungen über die Schulter schauen. In Larssons aktuellem Roman „Verdammnis“ kann der Leser nun sehen, wie es mit Blomkvist und Salander weitergeht.

Nachdem Mikael Blomkvist in „Verblendung“ mit der Aufdeckung eines Skandals reichlich Schlagzeilen gemacht und für sein Magazin „Millennium“ einen wahren Knüller gelandet hat, besteht nun Aussicht auf die nächsten heißen Schlagzeilen. Der junge Journalist Dag Svensson bietet „Millennium“ eine absolut wasserdichte Knüllerstory zum Thema Mädchenhandel an. Junge russische Frauen werden zur Prostitution gezwungen und „dürfen“ in Schweden gegen ihren Willen für „Zerstreuung“ bei hohen Amts- und Würdenträgern sorgen.

Svensson kennt die Namen der Täter und kann alles belegen. Blomkvist und seine Kollegen bei „Millennium“ bereiten die Veröffentlichung dieses Skandals vor. Eher zufällig bekommt auch Lisbeth Salander Wind von der Geschichte und schaltet sich in die Recherchen ein, denn pikanterweise scheint es eine Verbindung zwischen Lisbeths Betreuer Nils Bjurman und dem Mädchenhandel zu geben.

Wenig später werden Dag Svensson und seine Freundin und auch Nils Bjurman ermordet aufgefunden; auf der Tatwaffe sind ausgerechnet Lisbeths Fingerabdrücke zu finden. Sie gerät ins Fadenkreuz der Ermittler und taucht unter, während Mikael Blomkvist die wahren Hintergründe der Morde aufzudecken versucht. Dabei stößt er auf einige haarsträubende Details aus Lisbeths Vergangenheit …

Nachdem Stieg Larsson mit „Verblendung“ einen außerordentlich vielversprechenden Auftakt zu seiner „Millennium-Trilogie“ hingelegt hat, ist die Lektüre des Nachfolgebandes „Verdammnis“ logischerweise mit entsprechend hohen Erwartungen verknüpft. In Schweden schlug die Veröffentlichung der Trilogie hohe Wellen. Die Verfilmung ist in Arbeit (angedacht sind drei TV-Zweiteiler und ein Kinofilm) und die schwedische Akademie für Krimi-Literatur zeichnete „Verdammnis“ mit dem Preis als besten Krimi des Jahres 2006 aus. Für den Autor kommen diese Ehrerbietungen leider zu spät, denn er starb 2004 an den Folgen eines Herzinfarkts.

Mit „Verdammnis“ führt Larsson konsequent fort, was er mit „Verblendung“ begonnen hat. Man taucht schnell wieder in die Handlung ein und hat die Protagonisten Blomkvist und Salander sofort wieder bildlich vor Augen. Wie schon bei „Verblendung“ geht Larsson auch diesmal den Spannungsbogen wieder ganz gemächlich an. Er widmet sich einem ausgiebigen Portrait seiner Figuren, wobei Lisbeth Salander im Mittelpunkt des Interesses steht. Und die ist alles andere als langweilig, so dass die ausführliche Figurenbetrachtung absolut nicht stört.

Lisbeth ist eine wunderbar ambivalente Figur mit einer geheimnisvollen Vergangenheit. Sie ist scharfsinnig und gewitzt, moralisch, aber nicht gesetzestreu, und schlägt aus dem Umstand, dass sie aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung immer wieder unterschätzt wird, Kapital. Im Grunde reicht schon allein die Betrachtung von Lisbeth dazu, einen Roman zu füllen. Sie ist die Figur, in der sich die Spannung bündelt, die den Plot zusammenhält und um die sich alles dreht. Ihre Person hat schon im ersten Band gewisse Fragen aufgeworfen, denen Larsson sich nun ausgiebiger widmet.

Der Blick in Lisbeths Vergangenheit ist dabei gleichermaßen spannend wie düster. Stück für Stück kommt eine unheimliche Wahrheit ans Tageslicht, deren ganzes Ausmaß durchaus erschreckend ist. Der um Realismus besorgte Leser wird hier aber auch so manchen Kritikpunkt finden. Manches mag ein wenig zu konstruiert klingen, und auch die Figur der Lisbeth Salander, die manchmal wie eine moderne Ausgabe einer technikbegabten und aggressiven Pippi Langstrumpf wirkt, erscheint teils ein wenig zu überzeichnet. Dennoch geht von der Figur eine nicht zu leugnende Faszination aus, die den Leser zu fesseln vermag.

Und so versetzt auch der teils etwas konstruiert wirkende Plot der Euphorie nicht mehr als einen kleinen Dämpfer. Am Ende schießt Larsson zwar ein wenig über das Ziel hinaus, lässt Salander zu sehr wie einen mutierten Superhelden erscheinen, der Übermenschliches zu leisten vermag, und reizt damit ihre Möglichkeiten bis an die Grenze aus, dennoch ist „Verdammnis“ absolut spannende Kost mit „Pageturner“-Potenzial.

Der gemächliche Start täuscht ein wenig darüber hinweg, aber wenn der Krimi-Plot erst einmal richtig losgeht, zieht Larsson kontinuierlich die Spannungsschraube an. Wechselnde Perspektiven tragen das Ihre zur Spannung bei, und so entwickelt „Verdammnis“ sich zu einem Roman, den man kaum aus der Hand legen mag und bei dem man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hat, Larsson hätte auch nur eine Seite zu viel geschrieben. Er hält den Spannungsbogen bis zum letzten Augenblick straff gespannt.

Das Ende der Geschichte kommt dann etwas abrupt und der Leser wird ohne Vorwarnung und ohne dass eigentlich die Handlung richtig abgeschlossen wird, aus der Geschichte gerissen. Das lässt ihn etwas unbefriedigt zurück, sorgt aber gleichzeitig auch schon für Vorfreude auf den dritten Band der Trilogie.

Für Quereinsteiger ist die „Millennium-Trilogie“ übrigens gänzlich ungeeignet. Die Handlung baut aufeinander auf und in „Verdammnis“ werden viele Details ausgeplaudert, die man vor der Lektüre von „Verblendung“ definitiv nicht wissen sollte.

Bleibt unterm Strich trotz kleinerer Mängel und einem etwas überzogenen Finale immer noch ein sehr guter Eindruck zurück. Stieg Larsson hat auch mit dem zweiten Band der „Millennium-Trilogie“ die Erwartungen voll erfüllt und einen zweiten, durchgängig spannenden Roman abgeliefert. Lisbeth Salander ist eine absolut beeindruckende Figur, wenngleich sich zum Ende von „Verdammnis“ ein wenig das Gefühl breit macht, Larsson hätte ihre Figurenzeichnung nun etwas überspannt.

Dennoch ein Thriller, der von Anfang bis Ende die Spannung auf einem so hohen Niveau hält, dass man das Buch kaum zur Seite legen mag. Und so siegt am Ende eben doch die freudige Erwartung des dritten Teils der Trilogie über das Stirnrunzeln wegen dier vereinzelten Kritikpunkte an „Verdammnis“.

 

Barclay, James – Schattenherz (Die Legenden des Raben 3)

|Die Chroniken des Raben|:
[„Zauberbann“ 892
[„Drachenschwur“ 909
[„Schattenpfad“ 1386
[„Himmelsriss“ 1815
[„Nachtkind“ 1982
[„Elfenmagier“ 2262

|Die Legenden des Raben|:
[„Schicksalswege“ 2598
[„Elfenjagd“ 3233

_Story_

Nach dem Tod Ilkars macht sich der Rabe auf den Weg nach Xetesk, um die Urheber für die jüngsten Ereignisse zu stellen. Doch ein blinder Vormarsch hätte fatale Folgen, denn das dunkle Kolleg befindet sich mitten im Krieg gegen die anderen Kollegien und bereitet gleichzeitig einen Feldzug gegen Julatsa vor, um das Herz dieses Kollegs nach dem verheerenden Schlag von einst endgültig zu vernichten. Aber auch die anderen beiden Kollegien in Balaia machen von sich reden; in Lystern wird General Darrick für seine Desertion zum Tode verurteilt und kommt nur mit einer List des Raben wieder frei. Dennoch fühlt sich Darrick seinem Stammkolleg nach wie vor verbunden und unterstützt an der Seite von Hirad und Co. seinen Nachfolger Izack beim Zug gegen Xetesk.

Währenddessen bereitet Dystran, der Herr vom Berg und gleichzeitig Herrscher über Xetesk, weitere Grausamkeiten vor; ihm wird bewusst, dass in Erienne noch immer die Eine Magie weiterlebt, und versucht mit aller Macht, ihrer habhaft zu werden. Allerdings ahnt er nicht, dass Erienne und der Rabe bereits einen komplexen Plan schmieden und gemeinsam mit den Tai-Gethen schneller in seinem Kolleg sein werden, als ihm lieb ist. In einer erbitterten Schlacht, in der sowohl der xeteskianische Magier Denser als auch der Unbekannte Krieger mit ihrem Gewissen fechten müssen, versucht der Rabe, die grausamen Machenschaften von Dystran und seinen Magiern zu beenden und einen weiteren Missbrauch der gefürchteten Einen Magie zu verhindern. Aber gegen die zahlreichen Magier und Soldaten sowie den Seelenverband der Protektoren scheint es kein Durchkommen zu geben …

_Meine Meinung_

In „Schattenherz“, dem dritten Band der |Legenden des Raben|, kommt einmal mehr die emotionale Seite von Barclays Fantasy-Saga zum Tragen. Besonders die Söldnertruppe hat einige mentale Kämpfe auszutragen, die natürlich in erster Linie dem Verlust ihres langjährigen Freundes Ilkars gelten. Und das Schicksal scheint ihnen auch weiterhin nicht wohlgesonnen zu sein, denn als Darrick sein Ehrgefühl packt und er sich wegen des Verrats stellen möchte, wird erbarmungslos das Todesurteil über ihn verhängt, weil sich der einstige General nicht der Sklaverei hingeben möchte. Ein weiterer Tod droht, und ganz besonders Hirad setzt alle Kräfte ein, um den Zerfall der Einheit zu verhindern.

Zeit, um sich von diesem Zwischenfall in Lystern zu erholen, bleibt den Rabenkriegern nicht; in Julatsa droht das Herz der julatsanischen Magie zu sterben, ganz zum Wohlwollen Dystrans, der sich durch das bevorstehende Ungleichgewicht der Magie einen Vorteil für Xetesk erhofft. Als ihm dann auch noch offenbar wird, dass neben den Al-Drechar-Magierinnen auch noch eine weitere Person die Eine Magie kanalisieren und beherrschen kann, sind seinem Machttrieb keine Grenzen mehr gesetzt. Er setzt alles daran, die eigenen Forschungen zu forcieren und eines Tages Kenntnisse über die Vorgehensweise mit den Kräften der Einen Magie anzuwenden. Doch Xetesk rennt ins offene Messer, weil es einerseits die Elfenkrieger und andererseits den Raben unterschätzt.

Im Geheimen dringen sie des Nachts ins Dunkle Kolleg ein und nutzen dabei Densers Wissen um geheime Gänge und Lücken in den schmalen Katakomben. Durch ein Ungeschick wird aber dennoch der Alarm ausgelöst, so dass eine blutige Schlacht unausweichlich ist. Sowohl Denser als auch der Unbekannte Krieger, der den Seelenverband der Protektoren intensiver als je zuvor nach seiner Befreiung spürt, müssen dabei hart mit sich ringen, um sich gegen ihre einstige Heimat zu stellen. Als ihnen dann jedoch deutlich vor Augen geführt wird, wie weit Dystran tatsächlich zu gehen vermag, leisten sie selbst gegen ihre ehemaligen Verbündeten unerbittlichen Widerstand.

Rein inhaltlich geschieht in „Schattenherz“ mal wieder eine ganze Menge, und dies, obwohl der neunte Roman aus dem Raben-Katalog verhältnismäßig zäh beginnt. Die Geschichte um die Verurteilung Darricks zum Beispiel bringt die Handlung bislang eigentlich überhaupt nicht voran, wobei nicht auszuschließen ist, dass seine anschließende Flucht für den späteren Verlauf noch Folgen haben wird. Erst später, nachdem die Gemeinschaft der Elfen im Verbund mit dem Raben in Xetesk eindringt und Schritt für Schritt ihre unvorhergesehene Offensive startet, nimmt die Story wieder gewohnte Formen an und hält einen erneuten Umschwung des gesamten Handlungsablaufs bereit. Gerade zum Schluss nimmt die Weiterentwicklung der Geschichte erschreckende und zugleich revolutionäre Ausmaße an, die wiederum einmal mehr für die Faszination sprechen, die von den Raben-Romanen ausgeht. Ich will an dieser Stelle nicht zu viel verraten, aber ähnlich wie schon im vorangegangenen Roman wird man sich als beinharter Anhänger dieser Fantasy-Reihe nach der Lektüre wieder besinnen müssen, um all die überraschenden Eindrücke zu verarbeiten.

Damit wären wir auch wieder bei einer der hauptsächlichen Stärken von Barclays Meisterstück angelangt, der Unberechenbarkeit in jedem einzelnen Handlungsabschnitt, die der Autor auch im letzten Drittel von „Schattenherz“ konsequent ausspielt. Allerdings entwickelt sich die Fortsetzung von „Elfenjagd“ nur sehr behäbig fort und offenbart zwischendurch einige Längen, die für diesen Zyklus nun wirklich sehr ungewöhnlich sind. Die krassen Ereignisse und das spannungsgeladene Finale entschädigen zwar wieder für so ziemlich alles, verdrängen aber nicht den Eindruck, dass Barclay mittlerweile enorme Schwierigkeiten hat, neue Ideen zu entwickeln, die gleichzeitig auch das hohe Niveau des bisherigen Outputs bestätigen. Dank des furiosen Schlussteils und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die weitere Story sollte der Autor zwar nun keine Probleme mehr dabei haben, auch in Zukunft glänzen zu können, doch nach den ersten hundert bis hundertfünfzig Seiten des hier rezensierten Werks ist ein unangenehmer Beigeschmack zurückgeblieben, den es mit dem nächsten Band wieder zu tilgen gilt. Doch wie gesagt: Den Eindrücken des Geschehens in Xetesk nach zu urteilen, braucht man sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen.

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Vargas, Fred – dritte Jungfrau, Die

Die Grande Dame des französischen Kriminalromans ist zurück. Nicht, dass sie jemals weg gewesen wäre, aber ein neuer Roman von Fred Vargas ist immer ein Grund für Lobhudelei.

In „Die dritte Jungfrau“ vertraut der verschrobene Kommissar Adamsberg mal wieder mehr auf seine Intuition als auf Tatsachen. Zwei tote Männer werden an der Porte de la Chapelle gefunden, und alles deutet darauf hin, dass sie in den Bereich der Drogendelikte fallen. Aber Adamsbergs Intuition sagt, dass die beiden vorsätzlich ermordet worden. Der Grund: Sie haben Erde unter den Fingernägeln, und so ein winziges Detail reicht dem Kommissar, um von seiner Theorie überzeugt zu sein und seine Kollegen auf verschlungene Ermittlungswege zu schicken, die nur er selbst versteht.

Es stellt sich heraus, dass Adamsberg Recht hatte. Die beiden Männer starben tatsächlich nicht wegen Drogen, sondern weil sie einer unbekannten Person dabei geholfen haben, den Sarg einer jungen Frau auszugraben. Das alleine ist natürlich noch kein Grund für einen Mord. Was steckt also hinter diesen seltsamen Vorkommnissen?

In einem Dorf in der Normandie findet Adamsberg neben einer weiteren ausgegrabenen Leiche mehrere tote Hirsche (was vor allem die Stammkundschaft in der kleinen Dorfkneipe beunruhigt), einen Reliquienraub und einen mysteriösen grauen Schatten auf dem Friedhof. Und ein Reliquienbuch aus dem 17. Jahrhundert, über das einige seiner Kollegen auffällig gut Bescheid wissen. Darin ist von einem Elixier für ewiges Leben die Rede, und die Zutaten darin verlangen neben dem Knochen, der im Hirschherz enthalten ist, nach etwas „Lebendigem von Jungfrauen“. Genauer gesagt von drei Jungfrauen und zwei wurden bereits behelligt. Für Adamsberg und seine Kollegen beginnt die Jagd nach einem Wahnsinnigen …

Kommissar Adamsberg ist wirklich ein Thema für sich. Man möchte gerne sagen, dass er nur ein wenig schrullig ist, aber eigentlich ist er einfach sehr still und sehr philosophisch und seine Ermittlerarbeit besteht aus unkonventionellen Gedankengängen. Hinzu kommen sein trockener Humor und dass er den Kopf ständig in den Wolken hat. Adamsberg ist ein echtes Original und Fred Vargas weiß ganz genau, wie sie damit umzugehen hat. Sie stellt ihm Personen an die Seite, die prima zu ihm passen und durch ihre Details den Ton des Buches treffen.

Zum Beispiel der Neue in der Mannschaft, Veyrenc, der aus der gleichen Pyrenäengegend wie Adamsberg kommt, weshalb sich zwischen diesen beiden ein kleiner Konflikt entwickelt. Veyrenc zeichnet sich durch seinen besonderen Haarschopf aus (braun mit roten Strähnen, die natürlich sind) und dadurch, dass er mit Adamsbergs Ex und Mutter seines Sohnes etwas anfängt. Der Konflikt der beiden, den Adamsberg seinem kleinen Sohn in einer Fabel mit Steinböcken und Kamelen darlegt, schwelt im ganzen Buch und weiß immer wieder zu unterhalten. Dadurch gerät die Geschichte sehr vielschichtig, da es nicht nur um den mysteriösen Fall geht.

Diese und andere kleine Nebengeschichten sorgen dafür, dass „Die dritte Jungfrau“ nie an Spannung verliert. Die Geschichte ist, genau wie ihr Protagonist Adamsberg, nicht sonderlich stringent, aber in diesem einen Ausnahmefall ist dies das Beste, was dem Buch passieren konnte. Auf Fred Vargas muss man sich einlassen. Man kann nicht erwarten, dass in einem ihrer Bücher etwas so abläuft wie in normalen Krimis.

Deshalb sind wir der Französin auch nicht böse, dass Adamsberg manchmal Zusammenhänge herstellt, wo gar keine sind, und dass seine Gedanken teilweise sehr skurrile Abwege gehen. Hinterher wird doch alles so erklärt, dass es passt, und bis dahin weiß Vargas mit ihrem charmanten Erzählstil, dem Humor und dem Auge für die kleinen, versteckten Details zu erfreuen.

Gerade dadurch, dass Vargas mit so viel Herzenswärme und Spaß erzählt, ist das Buch sehr spannend, denn man fragt sich ständig, was nun als Nächstes passiert und vor allem, auf welche Weise.
Na gut; vielleicht sind wir Vargas doch ein wenig böse, dass sie bei all der erzählerischen Dichte und kurzweiligen Spannung, die sie zwischen zwei Buchdeckel quetscht, am Ende ein wenig über das Ziel hinausschießt. Dort verstrickt sich die Handlung ein wenig in sich selbst, und das Knäuel, das dabei entsteht, wirkt etwas an den Haaren herbeigezogen.

Andererseits macht die Lektüre so viel Spaß, dass man die paar Seiten schnell vergessen hat. Adamsberg trockener, unbeabsichtigter Humor durchzieht nämlich den ganzen Roman. Vargas erzählt nicht nur einfach trocken, sie spielt mit der Handlung und den Charakteren Pingpong und verwendet dabei die Wörter als Spielbälle. Hier passt jeder Satz wie die Faust aufs Auge. Wenn die Präsidiumskatze fett ist und von einigen Kollegen „Die Kugel“ genannt wird, nun, warum sollte man sie nicht das ganze Buch über so nennen? Und was spricht dagegen, ihr ein Alkoholproblem anzudichten?

Vargas schreibt amüsant, ohne dass der Ernst der Sache dabei völlig verloren ginge. Im Gegenteil hat man das Gefühl, dass sie sich einfach sehr wohl fühlt in ihrer Erzählwelt und das dementsprechend auslebt. Sie benutzt Metaphern, kleine Aufhänger aus der Geschichte, Spitznamen, Eigenschaften der Personen, um sie so bunt und lebendig wie möglich zu gestalten. Die Dialoge sprühen nur so vor Leben und Humor und halten sich weder an alltägliche noch an literarische Maßregeln. Und genau dadurch wirken sie so authentisch.

Eine skurrile Geschichte, skurrile Charaktere und ein unglaublich lebendiger, sprühender Schreibstil – das zeichnet Fred Vargas seit vierzehn Büchern aus. Und das Schönste dabei ist, dass sie einfach nicht nachlässt. „Die dritte Jungfrau“ ist in bester Tradition proppevoll mit Humor, einer dichten Handlung und jeder Menge Alltag. Und dem Gegenteil von Langeweile.

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Lloyd, David – Kickback

David Lloyd ist Brite und ein alter Hase im Comic Business. Seit den späten Siebzigern zeichnet er. Am bekanntesten ist sicherlich sein Artwork für [„V wie Vendetta“. 2428 Nun erscheint bei |Ehapa| der Titel „Kickback“, eine düstere Kriminalgeschichte über einen korrupten Polizisten. Es ist Lloyds erste Arbeit als Zeichner und Szenarist.

Die Hauptfigur in „Kickback“ ist Joe Canelli. Er ist das Zentrum der Handlung, Lloyds Fixpunkt, um den er Ereignisse und Nebencharaktere anordnet. Die Geschichte spielt in Franklin City, einer fiktiven Stadt, die jede beliebige Großstadt sein könnte. Korruption hat an diesem Ort Fuß gefasst. Die örtlichen Ordnungshüter haben sich mit den Verbrechern arrangiert und kassieren dabei nebenher selber. Durch eine Kette von Ereignissen jedoch kommt das empfindliche Gleichgewicht zwischen Cops und Gangstern ins Schwanken. Plötzlich liegen jede Menge Leichen auf den Straßen; zuerst sind es Verbrecher, dann auch Polizisten.

Detective Canelli sollte eigentlich besser über die Hintergründe schweigen. Sein Chief rät ihm, den Mund zu halten und wichtige Fragen nicht weiter verfolgen. Die Öffentlichkeit muss nichts davon erfahren. Wie immer. So einfach ist die Sache für Canelli jedoch nicht. Sein Gewissen hat einen Stoß bekommen, er entscheidet sich zu handeln und etwas zu ändern. Er hat über die Jahre vergessen, woran er glaubt und was ihm wichtig ist. Sein Kampf gegen die korrupten Kollegen wird schließlich auch zu einem Kampf um seine Identität.

Die Geschichte um und über Joe Canelli ist ein Crime noir, eine düstere Kriminalhandlung ohne viel Hoffnung und Humor. Wer jetzt sofort an „Sin City“ denkt, liegt falsch. Die Erzählweise wird so manchen Leser an „V wie Vendetta“ erinnern. In Kickback wird noch zurückhaltender mit Sprache umgegangen. Textboxen, die die Handlung erläutern oder zusammenfassen, kommen nicht vor. So fühlt sich Kickback stellenweise an wie ein Film, und die Bilder sprechen für sich selbst.

Bemerkenswert ist Lloyds außerordentlich dichte Erzählweise. Obwohl die ablaufende Handlung simpel ist, gelingt es ihm, Tiefe zu erzeugen und mehrere unterschiedliche Erzählstränge gleichzeitig voranzutreiben. Ein toller Comic, handwerklich außerordentlich anspruchsvoll, intelligent und vielschichtig.

„Kickback“ erschien bereits 2003 als französisches Album bei |Edition Carabas|. Im August 2006 veröffentlichte |Dark Horse| die Geschichte. Auf Deutsch gibt es Kickback seit Februar 2007 bei |Egmont Ehapa| zu lesen.

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