Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

Max Allan Collins – Chicago 1933

collins heller01 chicago 1933 cover kleinDas geschieht:

Anfang der 1930er Jahre hat die Großstadt Chicago einen weithin üblen Ruf. Die Behörden sind mindestens so kriminell wie das organisierte Verbrechen. Zwar sitzt Al Capone seit einiger Zeit hinter Gittern, doch er zieht von dort weiterhin an den Fäden. Sein Imperium verwaltet Frank Nitti, der dafür sorgt, dass der Dollar weiterhin rollt. Nun hat ausgerechnet Bürgermeister Anton Cermak, der korrupteste Beamte der Stadt, dem Verbrechen den Kampf angesagt, denn Chicago wird 1933 die Weltausstellung ausrichten. Den zahlreichen Besuchern aus aller Welt soll eine ‚saubere‘ Stadt präsentiert werden.

Cermak geht auf für ihn typische Weise vor: Er stellt einen Killertrupp aus ihm hörigen Polizisten zusammen und lässt sie die lästigen Gangster einfach umbringen. Zuerst erwischt es Nitti. Doch unter den Beamten, die ihm eine Falle stellen, ist der ahnungslose Nate Heller, ein Mann, der sich nicht kaufen ließ. Er soll als Sündenbock dienen, falls etwas schief geht – und genau das geschieht: Von drei Kugeln getroffen, überlebt Nitti das Attentat. Max Allan Collins – Chicago 1933 weiterlesen

Peter Hoeg – Das stille Mädchen

Peter Høeg, der Autor von „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, hat seit langem kein neues literarischen Werk veröffentlicht.

Nach knapp zehn Jahren Pause hat der dänische Schriftsteller mit „Das stille Mädchen“ einen umfangreichen Roman vorgelegt, in dem eine ganz besondere Gabe, eine Wahrnehmung im Mittelpunkt steht. Wie schon bei Patrick Süskinds [„Das Parfum“ 3452 geht es um die starke Ausprägung eines Sinnes, in diesem Falle des Gehörsinns.

Wie auch bei „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, handelt es sich hier um einen belletristischen Thriller. Verschiedene Kritiker des Buches haben den Literaturliebhabern unter uns viel versprochen. Die Erwartungen sind entsprechend hoch angesetzt.

Peter Hoeg – Das stille Mädchen weiterlesen

John Sandford – Kaltes Fieber

Sandford Kaltes Fieber TB 2007 Cover kleinDas geschieht:

Ein Serienmörder treibt im Umfeld der Doppelstadt Minneapolis/St. Paul sein Unwesen. Mindestens drei Menschen sind ihm bereits zum Opfer gefallen, als Lucas Davenport, der das „Amt für Regionale Ermittlungen“ des US-Staates Minnesota leitet, und sein Kollege und Freund Detective Sloan von der Mordkommission Minneapolis den Fall übernehmen.

Als an einem der Tatorte Hautfetzen des Täters gefunden und die DNA entschlüsselt werden kann, scheint der Fall seiner Lösung nahe. Identifiziert wird Charlie Pope, ein unverbesserlicher Frauenschänder, der bereits diverser Morde verdächtigt wird. Vor kurzer Zeit ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, aber es sollte einfach werden, ihn zu schnappen, denn Pope ist ebenso dumm wie brutal. John Sandford – Kaltes Fieber weiterlesen

Matthew Pearl – Die Stunde des Raben

Das geschieht:

Entsetzt muss Quentin Clark feststellen, dass in dem ärmlichen Sarg, der vor seinen Augen in ein Armengrab gesenkt wird, sein Idol ruht: Wir schreiben das Jahr 1849, und im ereignislosen Leben des jungen Anwalts aus Baltimore war seine Korrespondenz mit dem Schriftsteller und Dichter Edgar Allan Poe der Höhepunkt. Deshalb gibt sich Clark nicht mit den dürftigen Informationen über Poes elendes Ende zufrieden, die ihn misstrauisch werden und ein Verbrechen vermuten lassen. Wurde der lästige Künstler, der das behäbige Establishment durch seine düstere Lyrik und Poesie zu beunruhigen und zu ärgern pflegte, etwa durch Mord zum Schweigen gebracht?

Clarks Nachforschungen verlaufen im Sande. Ihm wird deutlich, dass er sich der Hilfe eines Fachmanns versichern muss. Wer wäre dazu besser geeignet als C. Auguste Dupin, der französische Meisterdetektiv, dem Poe ein literarisches Denkmal setzte und der sich zu Clarks Erstaunen als reale Person entpuppt? Der Amerikaner reist nach Paris, wo er Dupin alias Auguste Duponte tatsächlich aufspüren kann: einen teilnahmslosen, ausgebrannten Mann, der nichts als seine Ruhe wünscht.

Intensiv kümmert sich Clark um Duponte, und tatsächlich glimmt noch Feuer unter der depressiven Asche, das aufzuflackern beginnt, als sich ein zweiter Dupin in die Nachforschungen einschaltet: ‚Baron‘ Claude Dupin ist ein Glücksritter, der den potenziellen Mord an Poe zur medientauglichen Affäre aufbauscht, um mit der Aufklärung viel Geld zu verdienen. Den echten Dupin/Duponte versucht er durch Drohungen einzuschüchtern, doch dieser beginnt zur alten Form zurückzufinden, reist mit Clark nach Baltimore und beginnt dort mit eigenen Ermittlungen.

Auch der Baron wird in Baltimore tätig und scheut keinen bösen Trick, um Clark und Duponte auszuschalten. Schlimmer noch: Anonyme Männer mit großer Macht werden unruhig. Sie ziehen im Hintergrund Fäden, die sich in Stolperdrähte verwandeln. Clark wird bedroht, verfolgt, ruiniert. Er weigert sich trotzdem nachzugeben und gerät endgültig in den Sog einer fernen Verschwörung, die ihn unbarmherzig in den Abgrund zu reißen droht …

Ein Leben wie ein Roman?

Das Ende Edgar Allan Poes (1809-1849) beschäftigt (Literatur-) Historiker und Leser seit mehr als anderthalb Jahrhunderten. Zu mysteriös und gleichzeitig ‚romantisch‘ ist der Tod eines Mannes, der nicht nur zu den bedeutendsten Schriftstellers des 19. Jahrhunderts zählt, sondern auch Interesse und Mitgefühl durch sein tragisches Privatleben erweckt.

Poe gesellte sich zu jenen Genies, die angeblich von den Göttern so sehr geliebt werden, dass diese sie möglichst rasch zu sich holen. Dies ist ein unglaublich dämliches Sprichwort, das nur Zeitgenossen prägen konnten, die das Glück hatten, von einem Leben verschont zu bleiben, wie Poe es führte oder führen musste. Er gehörte zu den Unglücklichen, die über künstlerisches Talent verfügen, ohne gleichzeitig mit der Gabe der Selbstvermarktung oder – noch besser – mit den finanziellen Mitteln gesegnet zu sein, die es ihm gestatteten, seiner Kunst zu frönen. Stattdessen war Poe zu einem Leben in Armut und Unverständnis verdammt, während er gleichzeitig um sein Leben schrieb: Die Werke, für die er heute verehrt wird, wurden zu seinen Lebzeiten abgelehnt oder – für ihn ebenso bitter – miserabel honoriert.

So reihte sich Poe in die Reihen derjenigen Pechvögel ein, die in einer materialistisch ausgerichteten Welt ein Hofnarrendasein fristen – geduldet, wenn sich die Reichen & Mächtigen amüsieren wollen, aber ignoriert bzw. davongejagt, sobald sich diese den wirklich wichtigen Dingen des Lebens – Geldscheffeln, Kampf um Macht & Stellung – widmen möchten. Privates Unglück addierte sich zu den daraus resultierenden Enttäuschungen, was Poes Depressionen und seinen Hang zu diversen Drogen und zum Alkohol erklärt.

Spannender Start, dann Bruchlandung

Poes Leben, Wirken & Tod bieten reichlichen Stoff und gleichzeitig Lücken, was Matthew Pearl die Gelegenheit schafft, seine eigene Sicht der Vergangenheit zu entwickeln. Hier beginnt der Bereich, in dem wir die historische Realität verlassen und das Reich der (literarischen) Fiktion einsetzt. Pearl will die Wahrheit aufdecken. Da diese bekanntlich sehr banal sein kann, gibt er der Fantasie den Vorzug und denkt sich eine zweite, den Konventionen der Krimis folgende Handlungsebene aus, was sein Recht und seine Pflicht als Romanschriftsteller ist: Dies ist der Humus, auf dem ein fabelhafter Historienthriller keimen könnte. Dem ist leider nicht so. „Die Stunde des Raben“ ist stattdessen ein unfreiwilliges Paradebeispiel dafür, wie ein ehrgeiziges Projekt scheitern kann.

Unbestritten ist Pearls Fähigkeit, das Baltimore des Jahres 1850 zum Leben zu erwecken. Quentin Clark ist Bürger einer Stadt, die sich der Industriellen Revolution verschrieben hat und prächtig gedeiht. Die daraus resultierende Mischung aus Geschäftstüchtigkeit, Korruption und Fixierung auf den schnellen Dollar weiß Pearl deprimierend gut darzustellen. Bedrückend sind jene Szenen, die deutlich machen, dass in dieser ‚modernen‘ Metropole Sklavenhandel legitim und an der Tagesordnung ist. Die Polizei verfügt kaum über das Wissen oder das Instrumentarium zur Auswertung von Indizien. Armut und Einflusslosigkeit machen für die schlecht ausgebildeten, unterbezahlten und korrupten Beamten aus einem Verdächtigen rasch einen Schuldigen. Umgekehrt nutzen die Reichen und Mächtigen ihre angemaßten Vorrechte ohne Scham – sie betrachten diese als ihnen zustehend.

Immer wieder gelingen Pearl Szenen, die deutlich machen, wieso Außenseiter wie Poe und Clark in dieser Welt nicht gelitten sind und quasi scheitern müssen. Lokalkolorit ersetzt indes keine spannende Handlung; die vermisst der Leser schmerzlich. Auch ‚literarische‘ Qualitäten, die der kundige Kritiker in „Die Stunde des Raben“ entdecken mag, entschädigen nicht. Der Plot um Poes Ende überzeugt, während das Konspirationsgarn aufgesetzt wirkt.

Die Story, von Pearl sorgfältig entwickelt, ist vor allem im Mittelteil abschweifend, schrecklich lahm und öde. Hinzu kommen Fehler, die den Krimifreund aufstöhnen lassen. Wie wahrscheinlich ist es beispielsweise, dass Clark ständig gerade dort hinter einer Mauer oder unter einem Fenster steht, wo just Verschwörer oder Verfolger diverse Geheimnisse ausplaudern?

Das große Finale teilt Pearl: in Clarks Aufdeckung der Verschwörung und Dupontes Darstellung der letzten Tag des Edgar Allan Poe. Leider haben beide Handlungsstränge nichts miteinander zu tun. Die Auflösung verleiht dem Roman ein ‚gespaltenes‘ Ende. Zwar mag dies der Realität eher entsprechen, es lässt aber den Leser frustriert zurück, der sich von Pearl getäuscht fühlt: Poes Tod und Clarks Odyssee haben im Grunde nichts miteinander zu tun. Die Auflösung der Konspiration ist mau, die Rekonstruktion von Poes Schicksal wird dem eigentlichen Geschehen angeklebt. Am Ende sind alle ein wenig schlauer aber nicht wirklich zufrieden: die Protagonisten des Romans und dessen Leser.

Lebensplanung oder Zwangsjacke?

Pearl investiert viel Mühe in die Zeichnung seiner Figuren, die untereinander in einer komplizierten Dreiecksbeziehung stehen. Die Spitze nimmt Quentin Clark ein, der natürlich – „Die Stunde des Raben“ soll schließlich ein Historienkrimi der A-Kategorie sein – weit mehr ist (oder sein soll) als der Protagonist in einem rätselhaften Geschehen. Der in Ich-Form präsentierter Bericht ist gleichzeitig Beleg für einen entscheidenden Wendepunkt in Clarks Leben. Angesichts seines Alters – Clark ist 27 – möchte man eigentlich nicht von einer „Coming-of-Age“-Handlung sprechen, doch im Grunde erleben wir durchaus, wie sich ein Mann aus den Fesseln löst, die ihm die Gesellschaft anlegt, um ihn in ein geordnetes Leben zu zwingen.

Clark soll gefälligst ein guter Geschäftsmann, ein gesetzter Bürger und ein vorbildlicher Ehemann werden, so fordert es die High Society Baltimores, der er durch Geburt angehört. Das will er nicht, was wir gut verstehen; er will Freiheit und ein wenig Abenteuer. Dies zu verwirklichen bedeutet 1850 einen gewagten Schritt, möchte uns Pearl verdeutlichen, indem er Clark in immer neue Konflikte verwickelt.

Freilich macht ihn uns das keineswegs sympathisch. Der Prozess, der aus Clark einen ‚freien‘ Menschen werden lässt, langweilt, weil diese Figur als hoffnungsloser Naivling dargestellt wird. Clark verliert seine Anstellung? Pearl hat uns die Kanzlei, in welcher sein Held tätig war, als Hort der puren Langeweile geschildert. Clark geht seiner Braut verlustig? Er sollte froh sein, dieses Gänslein und ihre schreckliche Familie los zu sein! Welche ernsthaften gesellschaftlichen Konsequenzen diese Ereignisse haben, wird dem modernen Leser vermutlich unklar bleiben. Als Clark endlich ‚erwachsen‘ wird, erfolgt diese Reifung viel zu abrupt und unbegründet, um überzeugen zu können.

Ein Papier-Detektiv bleibt flach

Clark gibt außerdem den Dr. Watson für den Sherlock Holmes dieser Geschichte. C. Auguste Dupin oder Duponte gilt in der Tat als eines der Vorbilder für Arthur Conan Doyles berühmten Meisterdetektiv. Um der Dramatik willen charakterisiert Pearl Duponte zunächst als Mann mit einem düsteren Geheimnis, das ihn in Lethargie verfallen ließ. Die Rückkehr ins Leben und in seinen ‚Job‘ ergibt eine zweite Handlungsschiene, die keineswegs stärker interessiert als Quentin Clarks Ringen um Selbstständigkeit, da Duponte sich anders als Holmes (oder Poes Dupin) als Mensch niemals öffnet. Zwar meint Pearl dafür gute Gründe anführen zu können, doch da irrt er. Dupontes Schicksal interessiert uns bis zum Schluss herzlich wenig. Deshalb verpuffen auch die von Pearl eingeflochtenen deduktiven Zauberkunststücke, die stets nach Schema F ablaufen: Clark zerbricht sich den Kopf über einen ihm unklaren Sachverhalt, Duponte scheint seine Gedanken zu lesen und klärt ihn auf. Anschließend erzählt er dem aufgeregten Clark (und dem Leser) haarklein, wie er zu seinen Schlussfolgerungen kam.

Wenig aufregend verläuft der Kampf der beiden Dupins. Wer ist der ‚echte‘, d. h. Poes Dupin – Duponte oder der zwielichtige Baron? Dass der notorisch im Dunkeln tappende Clark in dieser Frage ständig schwankt, dürfte wenig verwundern. Auch die Bürgerschaft Baltimores scheint mit Blind- oder Blödheit geschlagen zu sein, will uns Pearl doch weismachen, der Baron könne sich so erfolgreich als Duponte maskieren, dass niemand dies erkennt. Immerhin ist der Baron noch die einzige halbwegs interessante Figur in dieser Geschichte – ein Marktschreier und Manipulator, der längst jene Freiheit erlangt hat, nach der Clark sich sehnt, und der die Konsequenzen eines freien Lebens kennt.

Fast 600 (allerdings großzügig bedruckte) Seiten schleppen sich die Ereignisse dahin. Im Vergleich mit Pears raffinierten Erstling „Der Dante-Club“ kann „Die Stunde des Raben“ nicht mithalten, sondern wirkt wie eine blasse Kopie, die nicht nur den mit hohen Erwartungen und Vorfreude zur Lektüre schreitenden, sondern auch den Pearl-unkundigen Leser bitter enttäuscht.

Autor

Matthew Pearl (geb. 1977) studierte an der Harvard University (1997) bzw. an der Yale Law School (2000) Englische und Amerikanische Literatur. Anschließend lehrte er diese Fächer und gab Kurse für Kreatives Schreiben in Harvard sowie am Emerson College. Seit 2007 arbeitet er als Gastdozent für die Harvard Law School. Pearl lebt in Cambridge, Massachusetts, Über sein Werk informiert er auf dieser Website.

Taschenbuch: 575 Seiten
Originaltitel: The Poe Shadow (New York : Random House 2006)
Übersetzung: Karl-Heinz Ebnet
http://www.droemer-knaur.de

Der Autor vergibt: (1.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Mo Hayder – Die Sekte

Auf einer einsamen Insel realisiert ein fundamentalreligiöser Fanatiker groteske ‚Auslegungen‘ der Bibel, bis ihn ein neugieriger Reporter aufstört, endgültig in den Wahnsinn treibt und den Plan eingibt, durch ein furioses Finale unvergesslich zu werden … – Der vierte Roman der für ihre bizarren, meist sexuell unterfütterten Mordszenarien bekannten Autorin ist ein gut erzähltes Garn mit deutlichen Horror-Anleihen, das in seiner zweiten Hälfte auszufransen beginnt aber gute Unterhaltung bietet.
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James Lee Burke – Weißes Leuchten [Dave Robicheaux 5]

In einem US-Südstaaten-Nest gerät eine zwielichtige Geschwisterschar ins Visier der Mafia. Ein Polizist gerät in ein altes, gut abgehangenes Geheimnis um Mord, Wahnsinn, Rache und Schuld, das ihn mit in den Strudel des Verderbens zu ziehen droht … – Der fünfte Fall von Dave Robicheaux ist erneut ein Meisterwerk des modernen Thrillers. So wichtig wie der gut konstruierte Plot ist die Louisiana-Hitze, die Leidenschaften kochen und altes Unrecht reifen lässt, bis die Eiterblase platzt: uneingeschränkte Leseempfehlung.
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Donzowa, Darja – Nichts wäscht weißer als der Tod

Sie ist reich, hat einen gutaussehenden Mann, ist kränklich und hat jede Menge Allergien. Sie ist eine graue Maus und mit sechsunddreißig nicht mehr im besten Alter. Die Protagonistin von Darja Donzowas Krimi „Nichts wäscht weißer als der Tod“ erinnert nicht umsonst an eine kleine verwöhnte Prinzessin, doch als sie erfährt, dass ihr Mann sie betrügt, beschließt Tanja, einen Schlussstrich zu ziehen.

Doch statt zu sterben, wird sie von der barmherzigen Schilddrüsenchirurgin Katja aufgesammelt, die in einer chaotischen Familie mit vielen Tieren lebt und ein großes Herz hat. Wenig später ist Tanja, die noch nie in ihrem behüteten Leben einen Putzlappen oder einen Kochlöffel in der Hand gehalten hat, die Haushälterin der Familie. Sie tritt natürlich von einem Fettnäpfchen ins andere. Sie vergisst die Hunde auszuführen, verkocht das Essen und kann nicht mit dem Geld umgehen.

Sie versagt auch beinahe, als Katja sie anruft und bittet, bei einem gewissen Kostja eine Dokumentenmappe zu holen und zu einem Treffpunkt zu bringen. Dort wartet Katja mit einem dicken Kriminellen auf sie, doch die Mappe enthält nicht die gewünschten Dokumente. Der dicke Kriminelle, der Katja entführt und mit Handschellen an sich gefesselt hat, setzt Tanja ein Ultimatum. Wenn sie in zwei Wochen die Dokumente nicht aufgetrieben hat, muss Katja sterben. Tanja springt über ihren Schatten und beginnt Nachforschungen anzustellen. Sie findet heraus, dass Kostja ermordet wurde, doch eine seiner Geliebten hat ihre Handtasche in seiner Wohnung vergessen. Hat sie den erfolglosen Schauspieler umgebracht? Tanja fragt sich von Haustür zu Haustür durch und immer wieder tauchen neue Namen auf – und Leichen …

Darja Donzowa schuf mit dem ersten Buch der Tanja-Reihe einen lockeren Alltagskrimi, der durch seine Bodenständigkeit, Spannung und Selbstironie gefällt.

Tanja, von Natur aus eher ängstlich, verzichtet auf übertriebene Actioneinlagen und begnügt sich damit, sich als Polizistin auszugeben und alle möglichen Leute, die mit der Entführung und dem Mord an Kostja in Zusammenhang stehen, zu befragen. Doch anstatt einen Verdächtigen zu finden, kommen immer mehr Leute dazu, die Tanja ihre Lebensgeschichte erzählen und irgendwie Dreck am Stecken haben, aber dann doch wieder nicht so viel, dass sie die Täter sein könnten.

Genau das ist der Knackpunkt der Geschichte. Ein paar Lebensgeschichten sind ja ganz lustig und bringen frischen Wind in den Roman. Wenn jedoch alle zehn Seiten eine neue Geschichte erzählt wird, zieht es das Buch unnötig in die Länge, und Längen bedeuten Spannungsverlust. „Nichts wäscht weißer als der Tod“ beginnt spannend, lässt dann aber nach. Gegen Ende scheint der Fall gelöst, doch aufgrund widriger Umstände entkommt der Täter erneut und Tanja muss nach ihm suchen. Dieses doppelte Ende quetscht dem Roman das letzte bisschen Luft aus den Lungen, das er noch hatte.

Dass man das Buch trotzdem nicht aus der Hand legt, ist Schuld der sympathischen Protagonistin Tanja. Sie ist eine ganz normale Frau, deren Leben lange fremdbestimmt war, doch nun nimmt sie alles selbst in die Hand. Am Anfang hat sie dabei sehr zu kämpfen, doch es ist sehr interessant, wie sie lernt, all die kleinen Angelegenheiten des Alltags zu meistern. Die junge Dame hat beileibe keine Superkräfte, aber ihre Standhaftigkeit und Frechheit helfen ihr, ihren Weg zu verfolgen. Der Weg, der sie von einem kleinen Mädchen zu einer erwachsenen Frau reifen lässt.

Donzowa stattet ihre Protagonistin mit einem sicheren Auge fürs Detail mit authentischen Charakterzügen und einer interessanten Geschichte aus. Einer der prägnantesten Charakterzüge der jungen Russin ist ihre Selbstironie, die sich vor allem in dem Ich-Schreibstil niederschlägt. Immer wieder hat sie ein Witzchen auf den Lippen und redet von sich nicht gerade besonders ernsthaft. Dadurch macht es sehr viel Spaß, ihrem Leben zu folgen.

Auch die meisten anderen Charaktere nehmen sich nicht sonderlich ernst. Besonders die Familie um Katja, bestehend aus dem erwachsenen Sohn Serjosha, seiner Freundin Julia und dem zehnjährigen Kira sowie der gefürchteten (Ex-)Schwiegermutter Viktoria im weiteren Verlauf, weiß immer wieder zu entzücken. Im Haus geht es sehr chaotisch, aber immer liebenswert zu und es ist kein Wunder, dass sich Tanja sofort dort wohlfühlt.

Wohlfühlcharakter hat auch Donzowas Schreibstil. Wenn eine so quirlige, humorvolle Protagonistin in der Ich-Perspektive aus ihrem Leben erzählt, kann es ja nur gut werden. Ohne übertriebenen Ballast, dafür aber mit Witz und treffenden Beschreibungen tänzeln die Wörter durch das Buch, dessen Aufbau nicht immer Spannung garantiert. Unterhaltung ist auf jeden Fall geboten, denn Donzowas Schreibstil ist unverwechselbar leichtfüßig.

„Nichts wäscht weißer als der Tod“ ist noch nicht der große Wurf, aber Darja Donzowas sympathische Protagonistin und ihr lässiger Schreibstil zeigen, wo es lang geht. Und nicht umsonst wurde die Reihe um Tanja mit [„Spiele niemals mit dem Tod“ 3391 fortgesetzt.

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Ed McBain – Selbstmord kommt vor dem Fall

McBain Selbstmord Cover 1989 kleinDas geschieht:

Frühling in Isola. Für die Männer vom 87. Polizeirevier beginnt er alltäglich, d. h. hässlich: Ein Pechvogel von Vertreter wird durch eine Gasexplosion in Stücke gerissen. In den Trümmern der verwüsteten Wohnung findet man zwei weitere Leichen: Der junge Tommy und die noch jüngere Irene haben offenbar den Gashahn aufgedreht; ein Abschiedsbrief, der ihre unmögliche Liebe beklagt, wird gefunden.

Routine also für Steve Carella und Cotton Hawes, die mit dem Fall betraut werden. Doch die erfahrenen Beamten stoßen bei ihren Nachforschungen auf seltsame Widersprüche. So schildern die Familien ihre Verstorbenen keineswegs als lebensmüde Zeitgenossen. Im Gegenteil: Irene schöpfte gerade neuen Lebensmut, nachdem sie sich entschlossen hatte, den ungeliebten Gatten Michael Thayer für besagten Tommy zu verlassen. Dieser wird wiederum von seinem jüngeren Bruder Amos als Ausbund schierer Lebensfreude geschildert. Ed McBain – Selbstmord kommt vor dem Fall weiterlesen

Stieg Larsson – Verdammnis (Millennium 2)

Mit „Verblendung“ erschien 2006 der erste Teil von Stieg Larssons „Millennium-Trilogie“. Hier durfte der Leser erstmals dem Journalisten Mikael Blomkvist und der raffinierten Hackerin Lisbeth Salander bei den Ermittlungen über die Schulter schauen. In Larssons aktuellem Roman „Verdammnis“ kann der Leser nun sehen, wie es mit Blomkvist und Salander weitergeht.

Nachdem Mikael Blomkvist in „Verblendung“ mit der Aufdeckung eines Skandals reichlich Schlagzeilen gemacht und für sein Magazin „Millennium“ einen wahren Knüller gelandet hat, besteht nun Aussicht auf die nächsten heißen Schlagzeilen. Der junge Journalist Dag Svensson bietet „Millennium“ eine absolut wasserdichte Knüllerstory zum Thema Mädchenhandel an. Junge russische Frauen werden zur Prostitution gezwungen und „dürfen“ in Schweden gegen ihren Willen für „Zerstreuung“ bei hohen Amts- und Würdenträgern sorgen.

Svensson kennt die Namen der Täter und kann alles belegen. Blomkvist und seine Kollegen bei „Millennium“ bereiten die Veröffentlichung dieses Skandals vor. Eher zufällig bekommt auch Lisbeth Salander Wind von der Geschichte und schaltet sich in die Recherchen ein, denn pikanterweise scheint es eine Verbindung zwischen Lisbeths Betreuer Nils Bjurman und dem Mädchenhandel zu geben.

Wenig später werden Dag Svensson und seine Freundin und auch Nils Bjurman ermordet aufgefunden; auf der Tatwaffe sind ausgerechnet Lisbeths Fingerabdrücke zu finden. Sie gerät ins Fadenkreuz der Ermittler und taucht unter, während Mikael Blomkvist die wahren Hintergründe der Morde aufzudecken versucht. Dabei stößt er auf einige haarsträubende Details aus Lisbeths Vergangenheit …

Nachdem Stieg Larsson mit „Verblendung“ einen außerordentlich vielversprechenden Auftakt zu seiner „Millennium-Trilogie“ hingelegt hat, ist die Lektüre des Nachfolgebandes „Verdammnis“ logischerweise mit entsprechend hohen Erwartungen verknüpft. In Schweden schlug die Veröffentlichung der Trilogie hohe Wellen. Die Verfilmung ist in Arbeit (angedacht sind drei TV-Zweiteiler und ein Kinofilm) und die schwedische Akademie für Krimi-Literatur zeichnete „Verdammnis“ mit dem Preis als besten Krimi des Jahres 2006 aus. Für den Autor kommen diese Ehrerbietungen leider zu spät, denn er starb 2004 an den Folgen eines Herzinfarkts.

Mit „Verdammnis“ führt Larsson konsequent fort, was er mit „Verblendung“ begonnen hat. Man taucht schnell wieder in die Handlung ein und hat die Protagonisten Blomkvist und Salander sofort wieder bildlich vor Augen. Wie schon bei „Verblendung“ geht Larsson auch diesmal den Spannungsbogen wieder ganz gemächlich an. Er widmet sich einem ausgiebigen Portrait seiner Figuren, wobei Lisbeth Salander im Mittelpunkt des Interesses steht. Und die ist alles andere als langweilig, so dass die ausführliche Figurenbetrachtung absolut nicht stört.

Lisbeth ist eine wunderbar ambivalente Figur mit einer geheimnisvollen Vergangenheit. Sie ist scharfsinnig und gewitzt, moralisch, aber nicht gesetzestreu, und schlägt aus dem Umstand, dass sie aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung immer wieder unterschätzt wird, Kapital. Im Grunde reicht schon allein die Betrachtung von Lisbeth dazu, einen Roman zu füllen. Sie ist die Figur, in der sich die Spannung bündelt, die den Plot zusammenhält und um die sich alles dreht. Ihre Person hat schon im ersten Band gewisse Fragen aufgeworfen, denen Larsson sich nun ausgiebiger widmet.

Der Blick in Lisbeths Vergangenheit ist dabei gleichermaßen spannend wie düster. Stück für Stück kommt eine unheimliche Wahrheit ans Tageslicht, deren ganzes Ausmaß durchaus erschreckend ist. Der um Realismus besorgte Leser wird hier aber auch so manchen Kritikpunkt finden. Manches mag ein wenig zu konstruiert klingen, und auch die Figur der Lisbeth Salander, die manchmal wie eine moderne Ausgabe einer technikbegabten und aggressiven Pippi Langstrumpf wirkt, erscheint teils ein wenig zu überzeichnet. Dennoch geht von der Figur eine nicht zu leugnende Faszination aus, die den Leser zu fesseln vermag.

Und so versetzt auch der teils etwas konstruiert wirkende Plot der Euphorie nicht mehr als einen kleinen Dämpfer. Am Ende schießt Larsson zwar ein wenig über das Ziel hinaus, lässt Salander zu sehr wie einen mutierten Superhelden erscheinen, der Übermenschliches zu leisten vermag, und reizt damit ihre Möglichkeiten bis an die Grenze aus, dennoch ist „Verdammnis“ absolut spannende Kost mit „Pageturner“-Potenzial.

Der gemächliche Start täuscht ein wenig darüber hinweg, aber wenn der Krimi-Plot erst einmal richtig losgeht, zieht Larsson kontinuierlich die Spannungsschraube an. Wechselnde Perspektiven tragen das Ihre zur Spannung bei, und so entwickelt „Verdammnis“ sich zu einem Roman, den man kaum aus der Hand legen mag und bei dem man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hat, Larsson hätte auch nur eine Seite zu viel geschrieben. Er hält den Spannungsbogen bis zum letzten Augenblick straff gespannt.

Das Ende der Geschichte kommt dann etwas abrupt und der Leser wird ohne Vorwarnung und ohne dass eigentlich die Handlung richtig abgeschlossen wird, aus der Geschichte gerissen. Das lässt ihn etwas unbefriedigt zurück, sorgt aber gleichzeitig auch schon für Vorfreude auf den dritten Band der Trilogie.

Für Quereinsteiger ist die „Millennium-Trilogie“ übrigens gänzlich ungeeignet. Die Handlung baut aufeinander auf und in „Verdammnis“ werden viele Details ausgeplaudert, die man vor der Lektüre von „Verblendung“ definitiv nicht wissen sollte.

Bleibt unterm Strich trotz kleinerer Mängel und einem etwas überzogenen Finale immer noch ein sehr guter Eindruck zurück. Stieg Larsson hat auch mit dem zweiten Band der „Millennium-Trilogie“ die Erwartungen voll erfüllt und einen zweiten, durchgängig spannenden Roman abgeliefert. Lisbeth Salander ist eine absolut beeindruckende Figur, wenngleich sich zum Ende von „Verdammnis“ ein wenig das Gefühl breit macht, Larsson hätte ihre Figurenzeichnung nun etwas überspannt.

Dennoch ein Thriller, der von Anfang bis Ende die Spannung auf einem so hohen Niveau hält, dass man das Buch kaum zur Seite legen mag. Und so siegt am Ende eben doch die freudige Erwartung des dritten Teils der Trilogie über das Stirnrunzeln wegen dier vereinzelten Kritikpunkte an „Verdammnis“.

 

Vargas, Fred – dritte Jungfrau, Die

Die Grande Dame des französischen Kriminalromans ist zurück. Nicht, dass sie jemals weg gewesen wäre, aber ein neuer Roman von Fred Vargas ist immer ein Grund für Lobhudelei.

In „Die dritte Jungfrau“ vertraut der verschrobene Kommissar Adamsberg mal wieder mehr auf seine Intuition als auf Tatsachen. Zwei tote Männer werden an der Porte de la Chapelle gefunden, und alles deutet darauf hin, dass sie in den Bereich der Drogendelikte fallen. Aber Adamsbergs Intuition sagt, dass die beiden vorsätzlich ermordet worden. Der Grund: Sie haben Erde unter den Fingernägeln, und so ein winziges Detail reicht dem Kommissar, um von seiner Theorie überzeugt zu sein und seine Kollegen auf verschlungene Ermittlungswege zu schicken, die nur er selbst versteht.

Es stellt sich heraus, dass Adamsberg Recht hatte. Die beiden Männer starben tatsächlich nicht wegen Drogen, sondern weil sie einer unbekannten Person dabei geholfen haben, den Sarg einer jungen Frau auszugraben. Das alleine ist natürlich noch kein Grund für einen Mord. Was steckt also hinter diesen seltsamen Vorkommnissen?

In einem Dorf in der Normandie findet Adamsberg neben einer weiteren ausgegrabenen Leiche mehrere tote Hirsche (was vor allem die Stammkundschaft in der kleinen Dorfkneipe beunruhigt), einen Reliquienraub und einen mysteriösen grauen Schatten auf dem Friedhof. Und ein Reliquienbuch aus dem 17. Jahrhundert, über das einige seiner Kollegen auffällig gut Bescheid wissen. Darin ist von einem Elixier für ewiges Leben die Rede, und die Zutaten darin verlangen neben dem Knochen, der im Hirschherz enthalten ist, nach etwas „Lebendigem von Jungfrauen“. Genauer gesagt von drei Jungfrauen und zwei wurden bereits behelligt. Für Adamsberg und seine Kollegen beginnt die Jagd nach einem Wahnsinnigen …

Kommissar Adamsberg ist wirklich ein Thema für sich. Man möchte gerne sagen, dass er nur ein wenig schrullig ist, aber eigentlich ist er einfach sehr still und sehr philosophisch und seine Ermittlerarbeit besteht aus unkonventionellen Gedankengängen. Hinzu kommen sein trockener Humor und dass er den Kopf ständig in den Wolken hat. Adamsberg ist ein echtes Original und Fred Vargas weiß ganz genau, wie sie damit umzugehen hat. Sie stellt ihm Personen an die Seite, die prima zu ihm passen und durch ihre Details den Ton des Buches treffen.

Zum Beispiel der Neue in der Mannschaft, Veyrenc, der aus der gleichen Pyrenäengegend wie Adamsberg kommt, weshalb sich zwischen diesen beiden ein kleiner Konflikt entwickelt. Veyrenc zeichnet sich durch seinen besonderen Haarschopf aus (braun mit roten Strähnen, die natürlich sind) und dadurch, dass er mit Adamsbergs Ex und Mutter seines Sohnes etwas anfängt. Der Konflikt der beiden, den Adamsberg seinem kleinen Sohn in einer Fabel mit Steinböcken und Kamelen darlegt, schwelt im ganzen Buch und weiß immer wieder zu unterhalten. Dadurch gerät die Geschichte sehr vielschichtig, da es nicht nur um den mysteriösen Fall geht.

Diese und andere kleine Nebengeschichten sorgen dafür, dass „Die dritte Jungfrau“ nie an Spannung verliert. Die Geschichte ist, genau wie ihr Protagonist Adamsberg, nicht sonderlich stringent, aber in diesem einen Ausnahmefall ist dies das Beste, was dem Buch passieren konnte. Auf Fred Vargas muss man sich einlassen. Man kann nicht erwarten, dass in einem ihrer Bücher etwas so abläuft wie in normalen Krimis.

Deshalb sind wir der Französin auch nicht böse, dass Adamsberg manchmal Zusammenhänge herstellt, wo gar keine sind, und dass seine Gedanken teilweise sehr skurrile Abwege gehen. Hinterher wird doch alles so erklärt, dass es passt, und bis dahin weiß Vargas mit ihrem charmanten Erzählstil, dem Humor und dem Auge für die kleinen, versteckten Details zu erfreuen.

Gerade dadurch, dass Vargas mit so viel Herzenswärme und Spaß erzählt, ist das Buch sehr spannend, denn man fragt sich ständig, was nun als Nächstes passiert und vor allem, auf welche Weise.
Na gut; vielleicht sind wir Vargas doch ein wenig böse, dass sie bei all der erzählerischen Dichte und kurzweiligen Spannung, die sie zwischen zwei Buchdeckel quetscht, am Ende ein wenig über das Ziel hinausschießt. Dort verstrickt sich die Handlung ein wenig in sich selbst, und das Knäuel, das dabei entsteht, wirkt etwas an den Haaren herbeigezogen.

Andererseits macht die Lektüre so viel Spaß, dass man die paar Seiten schnell vergessen hat. Adamsberg trockener, unbeabsichtigter Humor durchzieht nämlich den ganzen Roman. Vargas erzählt nicht nur einfach trocken, sie spielt mit der Handlung und den Charakteren Pingpong und verwendet dabei die Wörter als Spielbälle. Hier passt jeder Satz wie die Faust aufs Auge. Wenn die Präsidiumskatze fett ist und von einigen Kollegen „Die Kugel“ genannt wird, nun, warum sollte man sie nicht das ganze Buch über so nennen? Und was spricht dagegen, ihr ein Alkoholproblem anzudichten?

Vargas schreibt amüsant, ohne dass der Ernst der Sache dabei völlig verloren ginge. Im Gegenteil hat man das Gefühl, dass sie sich einfach sehr wohl fühlt in ihrer Erzählwelt und das dementsprechend auslebt. Sie benutzt Metaphern, kleine Aufhänger aus der Geschichte, Spitznamen, Eigenschaften der Personen, um sie so bunt und lebendig wie möglich zu gestalten. Die Dialoge sprühen nur so vor Leben und Humor und halten sich weder an alltägliche noch an literarische Maßregeln. Und genau dadurch wirken sie so authentisch.

Eine skurrile Geschichte, skurrile Charaktere und ein unglaublich lebendiger, sprühender Schreibstil – das zeichnet Fred Vargas seit vierzehn Büchern aus. Und das Schönste dabei ist, dass sie einfach nicht nachlässt. „Die dritte Jungfrau“ ist in bester Tradition proppevoll mit Humor, einer dichten Handlung und jeder Menge Alltag. Und dem Gegenteil von Langeweile.

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Thomas Harris – Hannibal Rising

Das geschieht:

Litauen im Winter des Jahres 1945: In seinen letzten Wochen erreicht der II. Weltkrieg auch das Jagdhaus, in dem sich die Familie des Grafen Lecter bisher verbergen konnte. Die Eltern und das Gesinde kommen um, nur Sohn Hannibal und seine kleine Schwester Mischa überleben, bis eine versprengte Gruppe litauischer Nazi-Kollaborateure das Jagdhaus entdeckt und besetzt. Als die Lebensmittel knapp werden, schlachten und fressen die Eindringlinge Mischa. Verzweifelt kann Hannibal fliehen; der hochintelligente Junge wird das Erlebte nie vergessen und schwört den Mördern Rache.

Der im Schock stumm gewordene Hannibal kommt in ein Kinderheim. Dort spürt ihn sein in Frankreich lebender Onkel Robert auf. Der berühmte Maler nimmt ihn auf, aber Hannibals Liebe gilt vor allem seiner Gattin, der Japanerin Lady Murasaki, die ihn zum Sprechen bringt, fördert, als der Onkel stirbt und sogar seine Geliebte wird. Thomas Harris – Hannibal Rising weiterlesen

Clare Clark – Vermesser, Der

Im Jahre 1855 war London noch nicht die moderne und pompöse Metropole, wie wir sie heute kennen. Nein, vor gut 150 Jahren, also in der Zeit, in der Clare Clarks Debütroman „Der Vermesser“ spielt, ging London unter in seinem eigenen Unrat. Schon auf dem vorderen Buchdeckel wird Patrick Süskinds berühmter Roman [„Das Parfum“ 3452 als Vergleich herangezogen, denn auch das „Parfum“ spielt in einer Zeit, in der eher die „Un-Wohlgerüche“ das Leben der Menschen beherrschten. Und genau wie schon Patrick Süskind zuvor, schafft es auch Clare Clark, ihren Lesern diese Gerüche, diesen Gestank und diesen dreckigen Moloch so nahe zu bringen, dass diesen ein kalter Schauer nach dem anderen den Rücken herunterläuft …

Schon in der ersten Szene begleiten wir den Vermesser William May hinunter in das Labyrinth im Untergrund. May ist unser Roman“held“, der gezeichnet und verwundet aus dem Krimkrieg zurückgekehrt ist und zu seinem Glück eine sehr angesehene und gut bezahlte Stelle als Vermesser erhält. Zur Zeit der Romanhandlung wird in London an einer gewaltigen Kanalisation gebaut, die das Abwasserproblem lösen soll und an der May als Vermesser entscheidend beteiligt ist. Immer wieder zieht es ihn in den Untergrund zurück, wo er einmal die zahllosen Gänge erforscht, wo er aber auch die Abgeschiedenheit nutzt, um sich selbst mit dem Messer zu schneiden, um seine Wunden aus dem Krimkrieg zu vergessen.

Auch die zweite Hauptfigur, der Kanaljäger Tom, lebt von den Kanälen im Untergrund Londons, wo er Ratten fängt, um diese an einen Kneipenwirt zu verkaufen, der diese für Hundekämpfe einsetzt, in denen die Hunde so viele Ratten wie möglich in einer Minute totbeißen müssen. Tom lebt recht gut von dieser Arbeit, sieht aber bereits das Ende der Rattenfänge gekommen, wenn nämlich die Kanalisation immer besser von den Ausspülern bewacht wird und auch zu viele andere Kanaljäger sich über die Ratten hermachen. Als er eines Abends einen Hundekampf besucht, fällt ihm ein Hund auf, der still und nicht besonders gefährlich aussieht. Später auf dem Heimweg läuft ihm der Hund wieder über den Weg und Tom beschließt, Lady – so hat er die Hundedame getauft – mit zu sich nach Hause zu nehmen. Zu seiner großen Überraschung erweist sich Lady als wahre Kampfmaschine gegen die Ratten, was auch nicht dem „Captain“ entgeht, der auf der Suche nach einer solchen Kampfmaschine ist und sich bereit zeigt, eine Menge Geld für einen solch gefährlichen Hund auszugeben. Tom braucht das Geld für seinen Ruhestand und für die Zeit, in der er kein Geld mehr mit Kanalratten machen kann, also beschließt er schweren Herzens, sich von seinem geliebten Hund zu trennen. Noch ahnt er allerdings nicht, dass er damit in eine Falle tappt.

Aber auch May trifft das Schicksal hart: Ganz ungewollt verscherzt er es sich durch seine gewissenhafte Arbeit als Vermesser mit dem Ziegeleibesitzer Alfred England, der einen ersehnten Auftrag nicht erhält. Eines Abends läuft May in den düsteren Straßen Londons dem wütenden Ziegeleibesitzer über den Weg, der William bedroht. May weiß sich keinen anderen Weg als die Flucht in die Kanalisation, die er wie seine Westentasche kennt. Dort jedoch verliert er das Bewusstsein und kriegt nur in einem tranceartigen Zustand mit, wie ein grausamer Mord geschieht, an den er sich zunächst nicht erinnern kann. Nach diesem schrecklichen Erlebnis wird May sehr krank, als er sich jedoch auf dem Wege der Besserung befindet, wird er plötzlich des Mordes an Alfred England beschuldigt. Ihm droht der Galgen – und genau in diesem kritischen Moment wendet sich selbst Mays geliebte Frau Polly von ihm ab …

Es ist eine düstere, stinkende und bedrohliche Welt, in die Clare Clark uns entführt. Wie in Patrick Süskinds großartigem Roman „Das Parfum“ begibt man sich auch hier Schritt um Schritt in eine fremde Welt, in die uns die eindringlichen Worte der Autorin entführen. Clarks Situationsbeschreibungen könnten nicht realistischer und eindrucksvoller sein; sie verwendet viele Metaphern, um uns die dunklen Straßen Londons und vor allem die dreckige Kanalisation vor Augen zu führen. Sie verwendet viele Worte, um ihrer Erzählung eine Atmosphäre einzuhauchen, die es dem Leser ermöglicht, vollkommen in die Geschichte einzutauchen und alles um sich herum zu vergessen. „Der Vermesser“ ist die ideale Lektüre für einen dunklen Winter- oder Herbstabend, wenn draußen der Regen auf die Fensterbänke prasselt und am besten noch Blitze am Himmel zucken, die den Leser zwischendurch immer wieder aufschrecken lassen. Es sind die düstersten Ecken Londons, die zwielichtigsten Kneipen und die unratüberspülten Kanäle, die Clare Clark als Kulisse für ihren spannenden und atmosphärisch dichten Debütroman auswählt. Und eins ist sicher: Sie braucht den Vergleich mit Patrick Süskind nicht zu scheuen. Denn es ist nicht nur die dramatische Szeneriebeschreibung, die für Clare Clark spricht, sondern es ist darüber hinaus die authentische und gefühlvolle Zeichnung zweier Charaktere, die im London des 19. Jahrhunderts ein eher tristes Leben fristen.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Titelfigur William May, der als Vermesser sein Auskommen hat, aber trotz der gut bezahlten Arbeit sein Glück nicht findet. Der schreckliche Krimkrieg steckt ihm immer noch in den Knochen, außerdem hat er die seelischen Wunden, die ihm damals zugefügt wurden, noch nicht überwunden. Seine Zuflucht findet William May in den scheinbar unbeobachteten Kanalgängen, in denen er sich Wunden zufügen und sein eigenes Blut schmecken kann. Mays Psyche scheint angeknackst, seine Ehe nicht sonderlich glücklich, da Polly mit ihren Forderungen zu viel von ihrem Ehemann einfordert. Sie macht Pläne, mietet ein Haus, stellt ein Hausmädchen ein und wird ein zweites Mal schwanger, doch William entzieht sich immer mehr seiner wachsenden Familie und findet in ihr auch keinen Rückhalt, als er des Mordes beschuldigt wird und seine einzige Hoffnung in seinem Pflichtverteidiger liegt, der jedoch nicht so recht an Mays Unschuld glauben mag und darüber hinaus seinen allerersten Mandanten zu verteidigen hat.

Ungeahnte Schützenhilfe erhält William May in dieser ausweglosen Situation allerdings von dem Kanaljäger Tom, der übers Ohr gehauen wurde und nun auf Rache sinnt. Obwohl er ebenfalls von Mays Schuld überzeugt ist, da er selbst ihn mit einem blutigen Messer am Tatort entdeckt hat, muss Tom doch erkennen, dass May und er den gleichen Feind haben und dem gleichen Schlitzohr aufgesessen sind. Eine verzweifelte Rettungsaktion beginnt, die sowohl Toms wie auch Williams Leben retten soll. Doch ob dies gegen einen so übermächtigen Gegner gelingen kann, das ist fraglich.

Clare Clark nimmt sich viel Zeit, um ihre Protagonisten vorzustellen und dem Leser die Straßen ober- und unterhalb Londons zu schildern, in denen sich alles abspielen wird. Fast die Hälfte des Buches braucht Clark für ihre Vorbereitungen, bis es schließlich zu dem grausamen Mord kommen kann, der auf dem Buchrücken bereits angekündigt wird. Der Spannungsbogen setzt demnach erst recht spät ein, steigt dann kontinuierlich an und fesselt den Leser zum Schluss des Buches aber vollends, sodass man unbedingt weiterlesen und wissen muss, ob William May gerettet werden kann, und um zu erfahren, was nun tatsächlich vorgefallen ist. Doch obwohl der Spannungsbogen erst auf der Mitte des Buches einsetzt, ist die erste Hälfte keineswegs langweilig, da Clark hier die Voraussetzungen schafft und uns in das schmutzige London entführt, in dem wir zusammen mit dem Protagonisten umherirren werden.

„Der Vermesser“ ist ein literarischer Leckerbissen, den sich kein Buchwurm entgehen lassen sollte. Auf der Handlungsebene mag vielleicht nicht allzu viel passieren, dennoch hat Clare Clark ein beeindruckendes Debüt vorgelegt, das man einfach würdigen muss. Alle Lobeshymnen sind hier vollkommen berechtigt, da Clark ein Buch geschrieben hat, das sich positiv aus der Masse anderer Krimis heraushebt und durch seine dichte Atmosphäre, die eindrucksvollen Beschreibungen und die glaubwürdigen Figurenzeichnungen zu überzeugen weiß. An diesem Buch stimmt einfach alles, sodass ich nur eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen kann!

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Andreas Eschbach – Ausgebrannt

Markus Westermann ist auf dem speziellen Trip, viel Geld mit »opi & opm« (other people’s ideas and other people’s money) zu machen. Die neue Ölkrise und mit ihr der »Öl-Guru« Block kommen ihm gerade recht. Block ist fest überzeugt von seiner Idee, dort Öl finden zu können, wo die moderne Geologie keines findet. Und er besitzt das Charisma, andere Leute zu überzeugen. Für Markus ist das die Gelegenheit seines Lebens, und er fackelt nicht lange.

Mit Block und seiner Methode im Schlepptau organisiert er eine erfolgreiche Risikoinvestment-Firma, die erste Bohrungen finanziert und – da tatsächlich Öl gefunden wird – die Sache groß aufzieht. Mit einem Schlag ist Markus reich und erfolgreich, findet die Frau seines Lebens und lebt unter den Reichen und Schönen New Yorks ein Leben voll Sex und Drogen. Bis die Firma »Block Explorations« einen Auftrag aus Saudi-Arabien annimmt. Trotz größter Anstrengungen scheitert Block und verschwindet unter mysteriösen Umständen, die Investmentfirma zieht ihr Kapital zurück und Markus versinkt in Schulden. Es ist programmatisch, dass er auf seiner einer Flucht gleichenden Jagd nach den Unterlagen Blocks, um seine Methode zu retten, plötzlich mit leerem Tank auf dem Highway steht und einen schweren Unfall verursacht, der ihn zurück nach Deutschland in eine spezielle Reha-Klinik bringt.

Die globale Lage spitzt sich zu, Saudi-Arabien steht vor den Ruinen seines Ölreichtums und muss das Versiegen der größten Quellen offenbaren, die Weltwirtschaft bricht ein. Erste militärische Schläge von China, USA und Russland versuchen, die übrigen Ölvorkommen zu verstaatlichen, Terroranschläge erschweren ebenso wie offizielle Beschränkungen den Ölhandel. Es ist absehbar, dass die industrialisierte Welt im Chaos versinken wird, wenn keine Alternativen entwickelt werden.

Block bleibt weiterhin verschwunden, Markus wird nun auch in Deutschland polizeilich gesucht, und eigentlich bleibt nur die Block-Methode als rettender Strohhalm. Markus plant seine Flucht nach Amerika, um nochmals zu versuchen, der Unterlagen habhaft zu werden, die vielleicht die Welt retten können …

Andreas Eschbach schaffte mit dem vorliegenden Roman erstmals den Sprung in die Top10 der Spiegel-Bestsellerliste. Seine Romane zeichnen sich von jeher durch die hohe atmosphärische Dichte aus, was noch bei seinem Erstling Die Haarteppichknüpfer von vielen Verlegern verkannt wurde. Mittlerweile gehört Eschbach zu den interessantesten Schriftstellern, die in der Romanwelt zu finden sind. Eschbach lebt und arbeitet in Frankreich.

Das Erdöl – weiß doch jeder, dass es nicht ewig reichen wird. In Deutschland wurde der Grüne Punkt eingeführt mit dem Hinweis, an die Kinder zu denken. Damals wurden die Karosserien der meisten Autos noch aus Blech gefertigt. Spätestens 2050, so heißt es im Volksmund, müssten die Erdölvorkommen erschöpft sein. Hat sich mit diesem verbreiteten Wissen irgendetwas in unserem Verhältnis zu diesem Rohstoff getan? Ja. Man sammelt Kunststoffe und führt sie Recyclinganlagen zu. Oder findet sie in der Wüste wieder. Man schafft gläserne Getränkeflaschen ab und trinkt nur noch aus Plastikflaschen. Zwischen den einzelnen Käsescheiben liegt kein Papier mehr, sondern eine Folie. Und die Autos bestehen zu immer mehr Anteilen aus Kunststoff.

Eschbach findet in »Ausgebrannt« noch weit wichtigere und augenöffnendere Beispiele für diese verkehrte Welt, in der das Öl so unglaublich billig und kurz vor dem Versiegen ist. Man macht sich keine Vorstellung davon, wie billig es wirklich ist; man sieht die steigenden Treibstoffpreise und schimpft auf die Ölscheichs. Okay, seit diesem Jahr auch auf die Mehrwertsteuer.

Eschbach selbst hat einmal gesagt, in einem Roman stünde nur die Spitze des Eisberges an Informationen, die der Autor im Laufe seiner Recherche zusammenträgt. Legt man das zugrunde, muss er jetzt eine Bibliothek über wirtschaftliche Zusammenhänge, das Ölgeschäft, die Weltgeschichte in Zusammenhang mit dem Öl und den Standpunkt der alternativen Energien besitzen. Und trotzdem fühlt man sich von diesen Informationen nicht erdrückt, sondern im höchsten Maß unterhalten, man ist gefesselt bis zur letzten Seite und dankt Herrn Eschbach für die Eröffnungen. Einiges ist allgemein bekannt, viel dagegen wird nicht in der Form publik gemacht; es wird viel zu selten mit diesem Thema konfrontiert und viel zu wenig unternommen, was dem Menschen zeigen würde: Wir verschwenden das Öl nicht sinnlos, wir sind auf der Suche nach Alternativen, und zwar ernsthaft.

Ob die Theorie von Block wahre Aspekte haben könnte, werden wir nie erfahren, hoffentlich. Der Gedanke, doch noch mehr Öl finden zu können, klingt faszinierend, führt aber letztlich nur weiter in die Sackgasse. Diese Erkenntnis sammelt Markus Westermann auf seiner Suche nach Reichtum und dem Gefühl, »es geschafft zu haben«, reichlich spät und lässt damit Raum genug, den Leser ein Bewusstsein für die Problematik entwickeln zu lassen. Wenn man nach der Lektüre ein Formel-1-Rennen guten Gewissens anschauen kann, wer nicht die verbrannte Energie fühlt, wenn ein LKW die Straße vorbeidonnert, der hat zu viele Pausen beim Lesen gemacht und sich nicht auf die Thematik und die Geschichte eingelassen.

»Ausgebrannt« beschäftigt sich nicht in ausgelutschter Art mit einer Endzeit voll Mutanten und barbarischen Diktatoren. »Ausgebrannt« verlagert die Probleme, die sich aus dem Thema ergeben, aus der nahen Zukunft in die Gegenwart, führt vor Augen, dass es jederzeit zu dem Zusammenbruch kommen kann, und erklärt auch die Gründe. »Ausgebrannt« erzählt die Geschichte von modernen Ölsuchern und ihrer Habgier, die sie lange die Augen vor der Wahrheit verschließen lässt. Und »Ausgebrannt« breitet sich über die gesamte Zivilisation aus, dringt in jeden Haushalt ein, in jede Regierung, in jede Firma, in das Bewusstsein der Kinder. Eschbach erzählt keine Geschichte über einige wenige Helden, auch wenn die Protagonisten naturgemäß wenige sind.

Im Zusammenhang mit dem Ende des Erdöls kommt man schließlich doch nicht am Weltuntergang vorbei. Eschbach schafft das Kunststück, ein befriedigendes Ende zu liefern, in dem der Protagonist zu einer Erkenntnis gekommen ist, die das Ganze umschlagen lassen könnte in die ultimative Katastrophe. Dabei wird gerade in den Möglichkeiten, die noch erforschbar wären, geschickt die Assoziation zu anderen Erkenntnissen in der Geschichte geweckt, die sich schließlich als Geißel herausstellten.

Die Lektüre des Buchs führt zu einem Punkt: Man macht sich Gedanken. Mission erfüllt. Ein Roman für den Nobelpreis.

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Theurillat, Michael – Eistod

Michael Theurillats Debütroman [„Im Sommer sterben“ 3471 war wirklich nicht von schlechten Eltern. Er war spannend und sauber geschrieben und arbeitete mit interessanten Charakteren. Kann der Nachfolgeroman „Eistod“ diese gute Kritik toppen?

Im Mittelpunkt des Geschehens steht einmal mehr Eschenbach, der leicht verschrobene, humorvolle Kommissar aus Zürich, der sich mit einem Fall herumschlagen muss, der ihn persönlich berührt. Schließlich sind einige der Beteiligten alte Schulfreunde, deren Schuld er nicht einsehen will.

Alles beginnt mit einem toten Stadtstreicher in der Limmat. Dieser wurde mit Fugu-Gift, dem Gift des Kugelfisches, ermordet, doch er ist nicht der Einzige. Ein Zeitungsartikel zeigt auf, dass dieses Jahr auffallend viele Obdachlose sterben, und erst da fällt Eschenbach dieses Phänomen auf und er lässt die Leichen nach Rückständen des Fugu-Gift untersuchen.

Etwa zur gleichen Zeit verschwindet der Mitarbeiter des berühmten Biochemieprofessors Theo Winter. Anonym schickt er Berichte an Eschenbach, in denen von Menschenversuchen mit einem biochemischen Stoff die Rede ist. Wenig später macht sich auch Winter aus dem Staub und der neue Praktikant, der Eschenbach zur Seite steht, erweist sich als ein wenig undurchsichtig. Was für ein Spiel wird hier eigentlich gespielt?

Diese Frage stellt sich nicht nur Eschenbach, sondern auch der Leser. Während bei „Im Sommer sterben“ die Handlung spannend und gradlinig aufgebaut war, wird „Eistod“ von einem langatmigen und wenig authentischen Plot gestützt. Der Vorspann, in dem weder gemordet noch ermittelt wird, zieht sich über viele Seiten hin und auch danach kommt das Buch nicht in Gang. An vielen Stellen fragt man sich, worauf der Krimi eigentlich hinauswill, einige Rückschlüsse sind voreilig und nur schlecht nachvollziehbar. Immer wieder langweilt der Autor mit unnötigen, aber dafür um so längeren theoretischen Abhandlungen über Fischgift, japanisches Essen oder Drogen. Etliche dieser Abhandlungen haben keinen wirklichen Bezug zu Eschenbachs Fall und sorgen deshalb dafür, dass die Story noch zäher wird.

Dass Eschenbach persönlich involviert ist, weil er einige der Verdächtigen aus seiner Schulzeit kennt, ist ein netter Aspekt, der dem Buch jedoch nicht mehr helfen kann. Eschenbach ist nach wie vor ein sorgfältig ausgearbeiteter Charakter, der dem Leser vor allem mit seinem trockenen Humor und seiner Ehrlichkeit gefällt. Nur leider fühlt es sich so an, als ob Theurillat die anderen Charaktere diesmal vernachlässigt hat. Gerade das Zwischenmenschliche – bis auf Eschenbachs aufkeimende Beziehung zu Winters Sekretärin – kommt zu kurz. Die amüsanten Wortgeplänkel zwischen Eschenbach und seiner italienischen Sekretärin aus dem ersten Buch haben nicht mehr den Biss des Debüts und insgesamt wird weniger Wert auf Dialoge gelegt.

Das Einzige, was sich wirklich verbessert hat, ist Theurillats Schreibstil. Der ist noch praller, dichter und ausgefeilter geworden. Es gibt kaum Füllsätze, jeder Satz hat Bedeutung, hinter jedem Wort scheint ein Sachverhalt zu stehen. Dabei bedient sich der Autor einer gehobenen, aber nicht gestochenen, klaren Sprache, mit der er seiner Geschichte ein solides Fundament baut.

Leider nimmt die Geschichte das Angebot dieses Fundaments nicht an. Zäh und unlogisch tröpfeln die verschiedenen Handlungsstränge dahin, und um die Frage vom Anfang zu beantworten: „Eistod“ hält nicht, was sein Vorgänger versprochen hat. Besonders im Aufbau und den Charakteren muss der Leser Abstriche machen, und das tut „Eistod“ nicht sonderlich gut – trotz des verbesserten Schreibstils.

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Laymon, Richard – Spiel, Das

Jane Kerry ist eine junge Bibliothekarin, die ein geordnetes Single-Leben führt. Eines Tages entdeckt sie auf ihrem Arbeitsplatz einen Briefumschlag mit ihrem Namen darauf. Er enthält einen Fünfzigdollarschein und die Aufforderung zu einem Spiel. Der Absender nennt sich „Master of Games“, kurz „MOG“. Er hinterlässt einen Hinweis auf den Roman „Schau heimwärts, Engel“, in dem Jane einen weiteren Brief findet, diesmal mit hundert Dollar und wiederum einem neuen Hinweis.

Jane ist einerseits erfreut über das Geld, das sie gut gebrauchen kann, andererseits aber auch beunruhigt über den mysteriösen „MOG“. Beim Stöbern in der Bibliothek lernt sie den sympathischen Uni-Dozenten Brace Paxton kennen, der sie beim Briefe-Fund beobachtet. Mit seiner Hilfe entschlüsselt sie das nächste Rätsel und der hilfsbereite Brace begleitet sie zum Hinweisort. Was als verrücktes Spiel beginnt, nimmt immer beängstigendere Formen an. Der Unbekannte hinterlässt in Janes Wohnung Hinweise und scheint sie ständig zu beobachten. Doch auch das Geld verdoppelt sich mit jedem Brief – Janes Aufgaben, die sie dafür erledigen muss, werden zunehmend gewagter, aber in ernsthafte Gefahr gerät sie nie. Brace, mit dem sie sich auf eine Liaison einlässt, bittet sie eindringlich, dieses Spiel zu beenden.

Aber Jane verstrickt sich immer tiefer in das undurchschaubare Verhältnis zu „MOG“. Sie brennt darauf, seine Identität zu lüften und fühlt sich auf perverse Art durch sein Interesse geschmeichelt. Gleichzeitig zweifelt sie an Braces Absichten: Ist er wirklich so harmlos, wie er vorgibt? Oder hat er sogar etwas mit dem Spiel zu tun? Allmählich kommt Jane an einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Und erst jetzt ahnt sie, mit welch gefährlichem Gegner sie es zu tun hat …

Es ist der dritte Band von Richard Laymon, der innerhalb der |Heyne-Hardcore|-Reihe erscheint, und die Messlatten liegen mit den Bestseller-Vorgängern [„Rache“ 2507 und „Die Insel“ hoch. Erfreulicherweise lässt sich jedoch ohne Zweifel sagen, dass „Das Spiel“ den vorangegangenen Romanen nicht nachsteht, sie sogar noch übertrifft.

|Spannung auf höchster Stufe|

Der Plot ist einfach, geradezu simpel und auch nicht wirklich neu. Trotzdem gelingt es Laymon, eine zeitweise beinah unerträgliche Spannung aufzubauen, die den Leser von Beginn bis Ende fesselt. Es ist die alte Geschichte vom Katz-und-Maus-Spiel zwischen einem mysteriösen Unbekannten mit perversen Vorlieben und einem unschuldigen Protagonisten, hier einer jungen, unbedarften Frau. Es beginnt harmlos, klingt wie ein seltsamer Scherz und von einer Bedrohung kann beim ersten Brief noch keine Rede sein. Ein Bekannter mit eigenartigem Humor, ein heimlicher Verehrer – es gibt viele Möglichkeiten, wer hinter dieser Nachricht stecken könnte, sodass sich Jane zunächst keine Sorgen macht.

Die Steigerung erfolgt schleichend. Janes erste Aufgaben sind vergleichsweise unspektakulär, sie gerät dabei nicht in Gefahr und kommt an leicht verdientes Geld. Zudem reizt es sie, dass der Unbekannte ausgerechnet sie für sein Spiel ausgewählt hat und ihre Neugierde ist geweckt. Erst nach und nach wird offensichtlich, dass sich hinter „Mog“ mehr verbirgt als ein verschrobener Spaßmacher. Janes Belohnungen erhöhen sich rasant, doch auch der geforderte Einsatz nimmt immer waghalsigere Formen an. Ehe sie sich versieht, steckt Jane mittendrin in einem Spiel, das sich ihrer Kontrolle entzogen hat.

„Mog“ scheint sie ständig zu beobachten und findet Mittel, in ihre Wohnung einzusteigen. Gleichzeitig aber fühlt sich Jane zunächst nicht bedroht durch ihn, und bis auf seine Nachrichten hinterlässt er keine Spuren. Der Wunsch nach Antworten und die Freude über das Geld sind stärker als ihre Vernunft, bis sie plötzlich registrieren muss, dass sie es mit einem scheinbar übermächtigen Gegner zu tun hat. Widersetzt sie sich den Regeln, riskiert sie „Mogs“ Rache. Jane hat keine Chance, die Polizei einzuschalten, zu viel hat sie sich nach einigen Aufgaben selber zuschulden kommen lassen, und es ist sehr fraglich, ob man ihr Glauben schenkt – eher würde man sie für eine Spinnerin halten, die sich in etwas hineingesteigert hat.

Die Intensität der Spannung wird zusätzlich durch Braces Anwesenheit erhöht. Der sympathische Englisch-Dozent taucht kurz nach Beginn des Spiels auf und steht Jane hilfreich zur Seite. Aber obwohl sie sich rasch zu seinem Charme und seinem guten Aussehen hingezogen fühlt, bleibt sie misstrauisch. Steckt Brace eventuell mit „Mog“ unter einer Decke? Ist er selber der unheimliche Drahtzieher? Kann sie ihm trauen oder bedeutet er eine Bedrohung …?

|Sympathische Hauptfigur|

Im Mittelpunkt steht eine unspektakuläre und gerade deswegen sympathische Frau, die schnell zur Identifikationsfigur wird. Jane Kerry ist Mitte zwanzig, glücklich in ihrem routinierten und nicht besonders aufregenden Bibliotheksjob und neigt wegen ihrer leicht molligen Figur zur Schüchternheit. Das undefinierbare Interesse von „Mog“ verwirrt sie und erst recht die Bekanntschaft mit Brace. Ihre letzten Beziehungen nahmen unglückliche Enden; umso schwieriger ist es für Jane zu glauben, dass sich ausgerechnet ein begehrter Uni-Dozent für sie interessiert. Ihre Selbstironie, etwa wenn sie sich nackt vor dem Spiegel betrachtet und ihr kritische Gedanken zu ihrer Figur einfallen, lockern die angespannte Atmosphäre immer wieder angenehm auf.

Ausführlich wird man in ihr Seelenleben eingeführt, man freut sich, leidet und hofft mit ihr. Gut nachvollziehbar sind ihre ersten Reaktionen auf das „Spiel“, ihre Neugierde, ihre Faszination und natürlich ihre Begeisterung über den unverhofften Geldsegen. Parallel dazu teilt man ihr Misstrauen über Brace. Nicht nur ihre früheren schlechten Erfahrungen mit Männern, sondern auch sein gleichzeitiges Auftauchen mit „Mogs“ erster Nachricht sind dafür die Auslöser. Einerseits empfindet auch der Leser Brace Paxton als charmanten Mann, andererseits mehren sich mit der Zeit die Indizien dafür, dass er nicht der ist, der er zu sein vorgibt. Lange Zeit bleibt seine Rolle unklar, und so wie Jane schwankt man in der Beurteilung immer wieder hin und her.

|Mehr Psychoterror statt Gewalt|

Die Bücher der |Heyne-Hardcore|-Reihe zeichnen sich durch überdurchschnittliche Härte aus, die sich im Horror- und Thrillergenre meist in Gewalt widerspiegelt. Sowohl bei „Rache“ als auch bei „Die Insel“ waren brutale Einlagen keine Seltenheit, sodass die Erwartungen hier ähnlich liegen. Tatsächlich aber hält sich Laymon diesmal angenehm zurück mit exzessiven Details. Erst jenseits von Seite 300 wird der Leser mit einer grausamen Schilderung geschockt. Hier stößt man gemeinsam mit Jane auf splattergespickte Szenen, die für Zartbesaitete sicher schwer erträglich sind. Allerdings sind es nur wenige Sätze und kurze Beschreibungen, und diese sind wiederum schon fast satirisch zu sehen, so überzeichnet wird die Gewalt.

Abgesehen von ein paar Seiten liegt der Fokus des Romans eindeutig auf psychischem Horror statt auf Darstellung von Gemetzel, und das ist eine seiner großen Stärken. In einer Manier, die ganz an die Filme von Hitchcock erinnert, gerät die Protagonistin in eine schier unausweichliche Lage, in der es kein Zurück mehr gibt und sie zum Spielball eines finsteren Unbekannten wird. Wer Laymon kennt, der weiß, dass es hier keine Garantie für ein glückliches Ende gibt und er nicht vor gemeinen Wendungen zurückschreckt. Das macht den Ausgang und die gesamte Handlung so aufregend unberechenbar.

Mit großer Eindringlichkeit beschreibt Laymon die Mutproben, die Jane zu bestehen hat, und die sie nachts an unheimliche Orte führen: auf einen Friedhof, in eine zweifelhafte Bar oder in ein verfallenes Haus. Jedes Mal, wenn Jane glaubt, dass „Mog“ sich wohl kaum eine Steigerung einfallen lassen wird, kommt es eine Spur härter. Auch sein Tonfall wird aufdringlicher, büßt immer mehr von seinem eloquenten Charme ein, klingt zunehmend lüstern und unverschämt, und als Jane spürt, dass sie in der Falle sitzt, ist es zu spät um auszusteigen …

|Leichte Schwächen|

Kleine Mankos liegen in der Glaubwürdigkeit, was das Verhalten von Jane Kerry angeht. Zwar hat sich Laymon hier im Vergleich zu „Rache“ und „Die Insel“ gesteigert, vor allem, was Sexgedanken in den unpassendsten Gefahrenmomenten angeht, denn davon ist hier kaum etwas zu merken. Trotzdem ist es manchmal zweifelhaft, wie bereitwillig sich Jane auf das Spiel einlässt und den Anweisungen von „Mog“ folgt. Das gilt nicht für den Beginn, denn da erscheint alles noch harmlos, und auch nicht für das Ende, denn da muss sie schon aus Angst vor Rache gehorchen. Aber in der Mitte gibt es mehrere Stellen, an denen man sich unweigerlich fragt, warum sie sich nicht mehr fürchtet vor diesem Fremden, der in ihre Wohnung einsteigt. Stattdessen sehnt sie sich sogar phasenweise neue Zeichen von ihm herbei und verfolgt seine Anweisungen ohne großes Zögern.

Gegen Ende stört ein paar Mal, dass Jane in Extremsituationen zu locker bleibt und humorvolle Sprüche auf Lager hat und sie gewisse grauenvolle Dinge, die sie sehen musste, scheinbar ohne größere Traumata verkraftet. Für eine junge, zurückhaltende Bibliothekarin, die in Bars noch ihren Ausweis zur Volljährigkeitsbeglaubigung vorzeigen muss, erscheint die Wandlung zur energischen Gegenspielerin, die den Kampf mit „Mog“ aufnimmt, etwas zu übertrieben. Rückblickend betrachtet, erscheint es außerdem als zu konstruiert, dass Jane zu Beginn des Spiels bei manchen Rätseln zufällig an Hilfestellungen kommt, ohne die sie „Mogs“ Hinweise wohl kaum entschlüsselt hätte. Der Gesamteindruck wird von diesen Schwächen aber glücklicherweise kaum getrübt.

_Insgesamt_ liegt hier ein hochspannender Psychothriller vor, der einen neuen Höhepunkt innerhalb von Laymons in Deutschland veröffentlichem Schaffen bildet. Wem die Vorgänger „Rache“ und [„Die Insel“ 2720 bereits gefielen, der dürfte von diesem Werk begeistert sein. Das Hauptaugenmerk liegt auf Psychoterror statt auf blutigem Gemetzel, abgesehen von sehr kurzen Splattereinlagen. Von kleinen Unglaubwürdigkeiten abgesehen, überzeugt dieser Roman auf ganzer Linie und bietet fesselnde Unterhaltung für alle Thrillerfans.

_Der Autor_ Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren und ist einer der meistverkauften Horrorautoren der USA. Er studierte englische Literatur und arbeitete unter anderem als Lehrer und Bibliothekar, ehe er sich dem Schreiben widmete. Im Jahr 2001 verstarb er überraschend früh und hinterließ eine Reihe von Romanen, die vor allem wegen ihrer schnörkellosen Brutalität von sich Reden machten. Nur ein kleiner Teil davon ist bislang auf Deutsch erhältlich. Zu seinen weiteren Werken zählen u. a. „Rache“, „Parasit“, „Im Zeichen des Bösen“ und [„Vampirjäger“. 1138
Mehr über ihn gibt es auf seiner offiziellen [Homepage]http://www.ains.net.au/~gerlach/rlaymon2.htm nachzulesen.

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John Reese – Heiße Beute

reese beute cover kleinDas geschieht:

Tres Cruces ist ein kleines Nest in der kalifornischen Wüste. Polizisten gibt es hier nur wenige. Genau deshalb plant der alternde Räuber Charles Varrick seinen nächsten Coup in der Tres Cruces National Bank. Die Beute wird nicht groß sein, aber dafür sind keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen zu erwarten. Varrick zur Seite stehen Harman Sullivan, ein auf die schiefe Bahn geratener Ex-Pilot, und der Gewohnheitskriminelle Dean „Red“ Nemmis. Den Fluchtwagen soll Nadine Partch, eine ehemalige Rennfahrerin und Varricks Lebensgefährtin, steuern.

Der Überfall endet katastrophal. Der alte Wachmann der Bank und ein Polizist sowie Red Nemmis bleiben tot zurück, Nadine wird tödlich verletzt. Varrick und Sullivan entkommen. Der Blick in den Beutesack tröstet sie: Statt der erwarteten 20- oder 30.000 haben sie mehr als 350.000 Dollar in ihren Besitz gebracht! Gar nicht weit entfernt von Tres Cruces wollen die Gauner, getarnt als Handwerker, praktisch unter den Augen der Behörden abwarten, bis Gras über den Raub gewachsen ist. Nankdirektor Harold I. Young ist abgeneigt, den Fall an die große Glocke zu hängen. Kein Wunder, denn die National Bank gehört der Mafia, die hier schmutziges Geld waschen lässt. Louie Lagos, ein hohes Tier des Syndikats, schickt zur Sicherung der Mafia-Interessen J. J. Schirmer, den Präsidenten der Bank, nach Tres Cruces. Dort erwartet ihn FBI-Agent Murray, der über die örtlichen Machenschaften der Mafia gut im Bilde ist. John Reese – Heiße Beute weiterlesen

Lee Child – Der Janusmann

Das geschieht:

Vor zehn Jahren hat Jack Reacher, damals noch Militärpolizist, den Landesverräter Quint erschossen, nachdem der eine Kollegin sadistisch zu Tode gemartert hatte. Nun muss Reacher erfahren, dass Quint nicht nur überlebt hat, sondern Anführer einer weltweit operierenden Bande von Waffenschmugglern geworden ist, während der einstige Polizist längst entlassen wurde und sich auf eine ruhe- und ziellose Wanderschaft durch Nordamerika begeben hat.

Reacher will Quint endgültig ausschalten. Deshalb ist er bereit, mit der Justizbeamtin Susan Duffy zusammenzuarbeiten. Vor zwei Wochen hat sie einen weiblichen Spitzel in das festungsartig gesicherte Hauptquartier des ‚Teppichhändlers‘ Beck eingeschleust, der mit Quint zusammenarbeitet. Die Agentin meldet sich nicht mehr und ist offensichtlich entdeckt worden. Duffy will sie mit Reachers Unterstützung retten. Lee Child – Der Janusmann weiterlesen

Ludlum, Robert – Ambler-Warnung, Die

In den Zeiten von terroristischen Akten, die unsere „heile“ Welt erschüttern, in der die Rechte und die Würde des Menschen nicht mehr unantastbar sind und militärische Gewalt mit Folter und Entrechtung immer mehr an der Tagesordnung geworden sind, vermischen sich vermehrt die fiktiven Figuren aus Spionageromanen mit der Wirklichkeit. Oftmals decken erst Skandale in den Medien diese Gesetzeswidrigkeiten auf, und Geheimdienste, allen voran der amerikanische Geheimdienst CIA, stehen nicht unschuldig am Pranger der Presse.

Der amerikanischer Autor Robert Ludlum hat mit seinem aktuell auf Deutsch veröffentlichten Thriller „Die Ambler-Warnung“ eine recht fesselnde Geschichte im Stile der Bourne-Reihe verfasst. Spannend und rasant entwickelt sich die Erzählung um einen Agenten des amerikanischen Geheimdienstes, der scheinbar fallen gelassen und von der Außenwelt völlig isoliert worden ist.

Diesmal sind keine Terroristen die Bösen, sondern der schwarze Peter wird eindeutig den Geheimdiensten zugespielt, die sich scheinbar nicht um die Politik und Rechte des Staates kümmern bzw. die Kontrollinstanzen gänzlich im Unklaren lassen. Das Opfer ist in diesem Roman ein Agent, der seinem Land lange gedient hat und nun als Geheimnisträger eine Gefahr für die innere Sicherheit geworden zu sein scheint.

_Die Story_

Hal Ambler hat viele Jahre den USA als Agent/Spion gedient. Er hatte es seiner Anstellung zu verdanken, dass er im Grunde kein Privatleben hatte, denn als Geheimnisträger und Profikiller eines Geheimdienstes ist ein solches untragbar oder es wird ohnehin gelenkt und observiert.

Nun ist Hal Ambler nach Einschätzung des Geheimdienstes zu einer Gefahr für sich selbst und den Staat, dem er einst diente, geworden. Ausgebrannt und desillusioniert fristet er ein Leben auf Parrish Island, einer von der Außenwelt abgeschotteten Insel, die mehrere Meilen entfernt vor der Küste Virginias liegt.

In Regierungskreisen ist dieses Gefängnis von einer psychiatrischen Anstalt fast unbekannt. Nur wenige aus diesem Kreise wissen um die Insel mit ihrem Sanatorium für psychisch labile Ex-Agenten die ein Sicherheitsrisiko darstellen.

Hal Ambler ist scheinbar verrückt geworden – Verlust der eigenen Identität, Wahrnehmungsstörungen, die medikamentös behandelt und überwacht werden. Völlig isoliert, verliert Hal Ambler sein Zeitgefühl, nicht aber seine Wahrnehmung für die Realität.

Den Tagesablauf beobachtend, überlegt er sich Fluchtpläne; eine Krankenschwester, die seine Sympathie gewonnen hat, unterstützt ihn dabei, und schließlich gelingt ihm die dramatische Flucht von Parrish Island und aus seiner Sicherheitsverwahrung.

Die Welt, in die er jedoch zurückkehrt, ist nicht jene, die er zurückgelassen hat. Seine Identität hat er scheinbar verloren, so als wäre seine Persönlichkeit gar nicht existent. In Datenbanken, auf die er aufgrund seiner Vergangenheit zugreifen kann, ist sein Name nicht mehr bekannt. Studienkollegen, Freunde und selbst alte Kollegen aus Geheimdienstkreisen können sich nicht mehr an Hal Ambler erinnern.

Ist er wirklich verrückt geworden? Wurde er zu Recht eingesperrt, weil er nicht mehr weiß, wer er eigentlich ist, was er war, was er getan hat? Die Suche nach seiner Vergangenheit, nach seinem eigenen Ich wird ein Spießrutenlauf. Die Grenzen, die er als gegeben betrachtete, verschwimmen; wer ist gut, wer ist böse und warum trachten offenbar mehrere Parteien nach seinem Leben, das doch, wie er schmerzhaft feststellen muss, nicht mehr existent ist?

_Kritik_

Obwohl Robert Ludlum im März 2001 gestorben ist, kann er auch nach seinem Tod noch seinem Ruf alle Ehre machen. „Die Ambler-Warnung“ ist ein klassischer Thriller ganzt im Stile seiner bekannteren Romane. Jene mit der Hauptfigur des Jason Bourne, der auch schon auf der Kinoleinwand präsent war – „Die Bourne-Identität“, verfilmt mit Matt Damon und Franka Potente in den Hauptrollen -, weisen Ähnlichkeiten auf. Auch hier geht es in der Kernstory um einen hochrangigen Agenten, der verzweifelt nach seiner eigenen Identität sucht und allerlei Gefahren meistern muss. Die Rolle der Assistentin des verlorenen Agenten übernimmt ebenfalls eine Frau.

Für Kenner anderer Romane des Autors wird dies sicherlich die Stimmung trüben. Das Grundmuster ist nahezu identisch, der Plot ein und derselbe. Trotzdem schreibt Robert Ludlum spannend und unterhaltsam, eben gleichmäßig routiniert. Der Roman birgt überraschende Wendungen, aber ebenso bleiben am Ende viel zu viele Fragen offen. Die Nebenfiguren des Romans kommen oftmals leider nicht voll zur Geltung. Etwas mehr an Story, weniger an Action und Tempo hätten der Geschichte gut getan und dieser mehr Tiefgang verliehen. Leider gibt es hier viele unlogische Fehler in der Handlung und Widersprüche, die dem Leser den Genuss nicht leicht machen.

Robert Ludlum verrennt sich in der Welt der Geheimdienste und ihrer politischen Situation. Der Roman fängt rasant an, aber Laufe der Geschichte tauchen mit jeder weiteren Person oder Gruppierung Randfiguren auf, die die Handlungsfäden schlussendlich nicht auflösen können. Nahezu völlig unglaubwürdig, bleiben viele Passagen völlig offen und unbeantwortet.

„Die Ambler-Warnung“ ist ein Thriller, den ich aufgrund der Ähnlichkeiten zu anderen Werken des Autors bedingt empfehlen kann. Zweifellos wird dieser irgendwann verfilmt werden – die Story lädt geradezu dazu ein, dass jemand ein Drehbuch danach verfasst.

_Der Autor_

Die Romane von Robert Ludlum sind eindeutig im Genre Spionage und Geheimdienste zu finden. Seine Werke wurden in über 30 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von mehr als 200 Millionen Exemplaren. Viele davon sind erfolgreich verfilmt worden – die Figur des Jason Bourne ist den Cineasten unter uns wohlbekannt. Nach „Die Bourne-Verschwörung“ wurde 2006 „Der Hades-Faktor“ abgedreht, es folgen für 2007 „Das Bourne-Ultimatum“ (erneut mit Matt Damon) und „Das Kastler-Manuskript“ (mit Leonardo DiCaprio).

Robert Ludlum verstarb im März 2001. „Die Ambler-Warnung“ stammt aus seinem Nachlass und erschien im Original 2005.

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Peace, David – 1980

Nach [„1974“ 1483 und „1977“ liegt mit „1980“ mittlerweile der dritte Teil des „Red Riding Quartett“ von David Peace vor. Mit dieser Reihe hat der in Tokio lebende Engländer für einigen Wirbel auf dem Krimimarkt gesorgt. Ian Rankin bezeichnete Peace einmal als |“die Zukunft des Kriminalromans“| und die Vielzahl der Preise, die der Autor für sein Werk bisher bekommen hat, scheint dessen Wichtigkeit zu bestätigen. Für „1974“ bekam Peace den |Deutschen Krimi-Preis 2006|.

„1980“ setzt kontinuierlich fort, was die beiden Vorgängerromane angefangen haben: Die Geschichte des Yorkshire Rippers, der in den Siebzigern und Anfang der Achtziger mindestens dreizehn Frauen ermordet und neun verletzt hat. Mittlerweile schreiben wir also das Jahr 1980. Die Polizei tappt noch immer im Dunkeln, die Öffentlichkeit lebt noch immer in Angst und Schrecken. Der Unmut in der Bevölkerung wächst und die Polizei muss dringend ihre Bemühungen intensivieren. Aus diesem Grund soll Peter Hunter auf Anordnung von ganz oben in die Ermittlungen einsteigen.

Hunter soll nicht nur die Suche nach dem Ripper zu einem Erfolg führen, er soll auch zum Hausputz bei der Yorkshire Police blasen und korrupte Kollegen ans Messer liefern. Das macht den Polizisten aus Manchester bei den Kollegen in Leeds logischerweise nicht gerade beliebter. Je tiefer Hunter gräbt, desto eisiger wird auch die Stimmung auf dem Revier für ihn. Und der Yorkshire Ripper bleibt inzwischen auch nicht untätig …

Dass David Peace keine Kriminalromane von der Stange schreibt, hat er mit seinen beiden Vorgängerwerken „1974“ und [„1977“ 2287 hinlänglich bewiesen. Er hat seinen ganz eigenen Stil, der sehr intensiv, aber auch gleichermaßen gewöhnungsbedürftig ist. Im Stakkatotakt haut er dem Leser die Sätze um die Ohren. Er pflegt einen außerordentlich knappen Satzbau, kommt teilweise gar mit nur einem Wort aus. Immer wieder streut er Zeilen aus Songs im Radio ein oder auch Schlagzeilen, und immer wieder werden wichtige, markante Sätze wiederholt. So beschwört Peace eine Atmosphäre herauf, die auch den Geist der Zeit aufleben lässt.

Auch wenn im Angesicht von Peaces Stakkatorhythmus seine sprachlichen Mittel und die teils etwas ermüdenden Wiederholungen sehr schlicht und nüchtern wirken, so ist die Atmosphäre dennoch dicht und komplex. Peace verlangt dem Leser in vielerlei Hinsicht einiges ab. Schnelle Schnitte, viele Namen – da kann man bei der Lektüre schon mal ins Straucheln kommen. Das Figurengefüge ist dicht und verschachtelt und gerade auch durch Peaces harten, schnellen Schreibstil muss man hochkonzentriert lesen, um folgen zu können.

Das Positive dieses Stils ist die hohe Emotionalität, die stets zu spüren ist. Peace lässt in Interviews immer wieder anklingen, dass er sich mit dem Red Riding Quartett ein persönliches Trauma von der Seele schreibt. Der Yorkshire Ripper trieb zu der Zeit sein Unwesen, als Peace in Yorkshire seine Kindheitstage verbrachte. Peace schreibt mit einer ständigen Wut im Bauch, als würde er permanent unter Strom stehen. Auch das macht „1980“ zu einem intensiven Leseerlebnis.

Wie schon „1977“, ist auch „1980“ nichts für Quereinsteiger. Die Romane bauen aufeinander auf, wechseln dabei aber die Perspektive und lassen auch die Geschehnisse des Vorgängerbandes in neuem Licht erscheinen. Manches, was nach dem Ende des zweiten Bandes noch in der Schwebe hing, wird aufgeklärt, so dass sich der Gesamteindruck der Reihe zunehmend vervollständigt. Und auch am Ende dieses Bandes hängt man wieder in der Luft, wird mitten aus der Handlung herausgerissen, so dass manches ungeklärt bleibt, das vielleicht im vierten Band zu Ende geführt wird.

Was sich seit dem ersten Band ebenfalls kontinuierlich fortsetzt, ist die düstere Atmosphäre. Hart, brutal und ungeschönt wird die Geschichte erzählt und auch bei den Gewaltdarstellungen hat Peace keine Gnade mit dem Leser. Er will nicht, dass die Gewaltszenen dem Leser Vergnügen bereiten, und daran lässt er zu keiner Sekunde Zweifel aufkommen. „1980“ ist genauso harter Tobak wie schon die Vorgängerbände.

Obendrein erweckt die Atmosphäre zunehmend den Eindruck von Perspektivlosigkeit. |“Mord und Lügen. Lügen und Mord.“| Dieser Satz geht Protagonist Peter Hunter während seiner Ermittlungen immer wieder durch den Kopf und er steht symptomatisch für das gesamte bisherige „Red Riding Quartett“. Ein Netz aus Intrigen, Halbwahrheiten und versteckten Interessen offenbart sich dem Leser. Eine klare Einteilung in Gut und Böse gibt es da nicht. Peace zeichnet nicht schwarz/weiß, sondern in Grauschattierungen. Jeder hat einen dunklen Fleck auf der Seele und wie im wahren Leben gibt es die uneingeschränkt Guten nicht. Peter Hunters Spitzname bei den Kollegen ist nicht umsonst „Das Heilige Arschloch“.

Angesichts dieser düsteren Atmosphäre, aus der es kein Entrinnen gibt, ist man am Ende auch ein bisschen froh, wenn das Buch zu Ende ist. Es ist eine intensive Leseerfahrung, die aber so roh und brutal geschildert wird und ein solches Gefühl der Ausweglosigkeit vermittelt, dass man schon ein wenig aufatmet, wenn dieser knallharte Stakkatotakt zu Ende ist. Nichtsdestotrotz bin ich gespannt, wie Peace im nächsten Band seine Geschichte zum Abschluss führen wird, auch wenn jegliche Hoffnung auf einen halbwegs glücklichen Ausgang wohl vergebens sein wird.

Bleibt unterm Strich ein Eindruck gemäß der Erwartungen zurück. Man weiß inzwischen, was man von David Peace erwarten darf und er führt mit „1980“ kontinuierlich fort, was er mit „1974“ und „1977“ angefangen hat. War gerade „1977“ auch eine etwas undurchdringliche und teils verwirrende Geschichte, so ist „1980“ wieder etwas gradliniger und klarer erzählt. Man darf gespannt sein, wie der Schlussakt dieser ungewöhnlichen Krimireihe mit dem nächsten Band ausfallen wird.

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Lee Child – Ausgeliefert

Das geschieht:

Jack Reacher, ehemaliger Elitesoldat und Militärpolizist, nun Türsteher in einem Musikclub in Chicago, will einer jungen Frau behilflich sein und gerät in eine Entführung! Drei Männer zwingen ihn, gemeinsam mit der Frau in einen Lieferwagen zu steigen. Reachers unfreiwillige Gefährtin heißt Holly Johnson, 27 und arbeitet für das örtliche Büro des FBI. Sie ist aber auch die Tochter von General Johnson, Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs und damit ranghöchster Soldat der Vereinigten Staaten und das Patenkind des Präsidenten! Entsprechend fällt die Reaktion der Behörden aus. FBI Abteilungsleiter McGrath und die Agenten Brogan und Milosevic bilden nur die Spitze eines vielköpfigen Ermittlungsteams. Es nimmt die Spur der Kidnapper auf, die eher durch ihre Brutalität als durch kriminelle Professionalität auffallen.

Das verwundert nicht, als sich herausstellt, wer hinter der Entführung steckt: Beau Borken ist der „Kommandant“ der „Montana Militia“. In dieser militanten Gruppe fanden jene zusammen, für die sich der amerikanische Traum nicht erfüllt hat, die mit der Gegenwart einer globalisierten Alltagswelt nicht zurecht kommen und die sich nach der Zeit zurücksehnen, als der redliche, einfache und natürlich weiße Mann das Sagen hatte. Lee Child – Ausgeliefert weiterlesen