Akers, Tim – Untoten von Veridon, Die

_Die „Burn-Cycle“/Veridon-Serie:_

(2009) [Das Herz von Veridon]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8131 |(Heart of Veridon)| – Bastei Fantasy 20666
(2011) Die Untoten von Veridon |(Dead of Veridon)| – Bastei Fantasy 20686

_Das geschieht:_

Obwohl er zu einer der prominenten Gründerfamilien der Hafenstadt Veridon gehört, ist Jacob Burn tief gefallen. Von seinem Vater, Mitglied des mächtigen Rates, wurde er verstoßen. Zum Kleinkriminellen heruntergekommen, hat es Burns sich sogar mit dem Gaunerkönig von Veridon, verdorben. In Gesellschaft seines eher waghalsigen als intelligenten Gefährten Grau Anderson schlägt sich Burn mit obskuren, stets gefährlichen Aufträgen durch, die niemand sonst übernehmen will. Aktueller Kunde ist der mysteriöse Erfinder Ezekiel Cranich. Für ihn soll Burn eine Ladung an die Fehn liefern. Diese seltsamen Symbionten beleben die Leichen derer, die im Wasser des Flussdeltas ertrinken, an dem Veridon errichtet wurde.

Wie er es befürchtet hat, wird Burn betrogen: Der Inhalt der Lieferung lässt die Fehn zu mordgierigen Zombies mutieren, die aus dem Wasser steigen und über die Bürger von Veridon herfallen. Für das daraus resultierende Blutbad wird Burn verantwortlich gemacht und eingesperrt. Ausgerechnet die Ratsfrau Angela Tomb, die nach einer missglückten Intrige nur noch mit Maschinenhilfe überleben kann, holt ihn aus dem Gefängnis – eine ‚Gefälligkeit‘, die selbstverständlich mit einer Gegenleistung zu entgelten ist.

Burn identifiziert Cranich als ein Mitglied der „Schöpfergilde“, die noch vor dem Rat über Veridon herrschte. Cranichs Sippe fiel einem grausamen Strafritual zum Opfer, für das der letzte Überlebende nun Rache fordert. Dank jahrzehntelanger Vorbereitung und unheimlicher Verbündeter ist Cranich stark genug, sich nicht nur mit dem Rat, sondern auch mit Veridons „Kirche des Algorithmus'“ anzulegen. Er plant die Auslöschung der herrschenden Oberschicht, weiß aber nicht, dass er selbst nur noch Strohmann einer uralten Kreatur ist, die in einem Kerker tief unter den Mauern von Veridon auf die Gelegenheit für eigene Rache lauert …

_Retro-Fantasy fast ohne Steampunk-Dämpfe_

Veridon ist eine angenehm erdferne Fantasy-Welt. Zwar sind die Ähnlichkeiten zu einer irdischen Großstadt des frühen 19. Jahrhunderts deutlich. Autor Akers schäumt jedoch keineswegs Phantastik-Routinen auf, für die längst eine Schublade mit der Aufschrift „Steam-Punk“ existiert. Dieses Etikett wurde ursprünglich für eine Science-Fiction geprägt, die in den Zukünften ‚alternativer‘ Vergangenheiten schwelgt, in denen keine Flugzeuge, sondern gewaltige Luftschiffe den Himmel beherrschen und die notwendige Energie per Dampfmaschine erzeugt wird.

Die Fantasy griff dieses Konzept auf; es bot sich als Ergänzung typischer Spannungselemente nicht nur an, sondern passte auch sonst ins Genre. Also zogen die erwähnten Luftschiffe jetzt auch an den Himmeln mehr oder weniger exotischer Welten ihre Bahnen, während auf dem Boden keine Wissenschaftler, sondern Magier, Ungeheuer und andere Grusel-Gestalten ihr unterhaltsames Unwesen trieben: Der Fantasy wird gern ein Quäntchen Horror beigemischt.

Auf den Dampf möchte Akers nicht verzichten. Retro-Hightech mag ein Widerspruch in sich darstellen, doch zweifellos ist sie attraktiv. Akers geht einen Schritt weiter: Die im Klappentext erwähnten „Zombies“ werden nicht durch Dampf in Gang gehalten, sondern per Nanotechnik ins ‚Leben‘ zurückgerufen.

|Magisch aber nicht zauberhaft|

Veridon ist ein fremdartiges Pflaster. Im zweiten Teil einer offensichtlich geplanten Serie kristallisiert sich heraus, dass Veridon wohl nicht identisch mit einer ‚alternativen‘ Erde ist. Den Fluss herunter treiben Relikte, die von der „Kirche des Algorithmus'“ als Bruchstücke einer Technik erkannt werden, die den Menschen verlorengegangen ist. Möglicherweise ist Veridon Teil einer fremdplanetaren Kolonie und wurde im Rahmen einer irdischen Zukunft besiedelt, die in Vergessenheit geraten ist.

Technik ist der Welt von Veridon überhaupt näher als Magie. Sie wird in einer Weise genutzt, die – siehe die oben erwähnten ‚Zombies‘ – auf den ersten Blick an Zauberei erinnert. Ignoriert man die fantasyastischen Kulissen, werden Elemente der Science-Fiction erkennbar. Besonders aufschlussreich ist in dieser Hinsicht der abermalige Auftritt des „Engels“ Camilla, der wie ein Cyborg wirkt.

Das gegenwärtige Veridon ist eine Stadt, die von den Menschen beherrscht wird. Dahinter scheint immer wieder eine düstere Vergangenheit durch, die der „Anansi“ Wilson mehrfach zur Sprache bringt. Er gehört einer intelligenten, spinnenähnlichen Spezies an, die offensichtlich zur ursprünglichen Bevölkerung des Planeten zählt. Die Anansi wurden von den Menschen bzw. ihren „Celestianern“ genannten Ahnen – „coelestis“ ist ein lateinisches Adjektiv und bedeutet „von himmlischer Ab- oder Herkunft“ – verdrängt und offensiv ausgerottet, was Wilson zum Außenseiter auf seiner eigenen Heimatwelt stempelt.

|Das universelle Spiel um Macht|

Die einst fremde Welt ist den Menschen inzwischen so zur Heimat geworden, dass sie kaum noch Gedanken an ihre Exotik verlieren. Mit Seltsamkeiten wie den Fehn hat man sich arrangiert. Handel und Handwerk florieren, die unpolitische „Kirche des Algorithmus'“ beschäftigt sich in erster Linie mit eigenen Plänen und beansprucht keine Führerrolle. Ganz anders denkt der Rat von Veridon übernommen, dessen Mitglieder in einem nie wirklich durchschaubaren Kleinkrieg um die Macht in der Stadt verwickelt sind.

Ständig wechselnde Bündnisse, Verrat und Intrigen bestimmen den Alltag in einem Maß, das echte Regierungsarbeit beinahe unmöglich macht: Autor Tim Akers versteht es, eine daraus resultierende Gegenwart zu schildern, in deren Regelwerk große Nischen gerissen wurden. Hier haben sich Parallel-Gesellschaften angesiedelt, die abseits von Rat und Kirche geduldet werden, solange sie beiden Institutionen nicht allzu deutlich in die Quere kommen.

Diverse Nischen blieben jedoch unbeachtet und sind Brachen oder Lücken geblieben. Hier konnte Ezekiel Cranich eindringen und sich festsetzen, um Rache zu nehmen. Zusätzliche Tarnung erfuhr er durch die freiwillige Hilfe der Familie Tomb, die seine Existenz vor den anderen Ratsfamilien geheim hielt. Veridons Mächtige haben ihren Untergang damit selbst verschuldet – eine Entwicklung, die geschickt in die Handlung integriert wird, um dieser einen weiteren Twist in eine vom Leser unerwartete Richtung zu verleihen.

|Undurchschaubare Intrigen & Geheimnisse|

Der Plot ist durchaus komplex. Hinter jedem gelösten Geheimnis tritt ein neues Rätsel oder eine böse Überraschung hervor. Ständig werden die Karten neu gemischt. So ist es möglich, dass Hauptfigur Jacob Burn vom Dieb und Verfemten zum Terroristen und Gefangenen und wenig später zum Ratsmitglied und Anführer eines bewaffneten Stoßtrupps zur Rettung Veridons werden kann.

Nicht immer beugt sich Burn dem Sog der Ereignisse. Er ist ein Held, der sich sträubt, zum Retter zu werden. Auf seine Weise passt er so perfekt zu den übrigen Figuren, die alle Geheimnisse hegen. Nicht einmal die Geschichte von Veridon ist offiziell. Man hat sie so sorgfältig ‚gereinigt‘, dass sie sogar den Nachfahren derer, die dafür verantwortlich zeichnen, unbekannt geworden ist. Veridon gleicht nicht nur im Stadtbild einer Zwiebel mit ihren zahlreichen Schichten. Die Lüge ist dem Rat und der Kirche zur zweiten Natur geworden. So heftig klammern sie sich an ihre Privilegien, dass sie ihre Menschlichkeit notfalls aufgeben und mit nur halb verstandenen Maschinen zu beinahe unsterblichen Cyborgs verschmelzen.

Burn kann sich dem nicht völlig entziehen, was ihn als Charakter interessant macht. Ohne den Schleier von Täuschung und Hinterlist bleibt ausgerechnet Wilson, der unmenschliche Spinnenmann. Er ist stets bestrebt, den Dingen auf den Grund zu gehen. Stärker noch als die ‚echten‘ Wissenschaftler hat er sich von vorgefassten Meinungen und Dogmen freigemacht. Mit den obskuren Relikten einer geschönten Vergangenheit vermag er sich deshalb vorurteilsfrei auseinanderzusetzen.

Vieles bleibt weiterhin offen in und über Veridon. Der interessierte Leser muss gleichwohl Geduld aufbringen. Anders als viele seiner schreibenden Kolleginnen und Kollegen walzt Akers die Geschichte/n seiner Welt nicht zur unendlichen Serie aus, die er in tausendseitigen Episoden mindestens jährlich auf den Buchmarkt wirft, solange es ein Publikum dafür gibt. Eine Fortsetzung der Veridon-Saga steht derzeit in den Sternen; Akers hat sich stattdessen einer ganz anderen Fantasy-Story gewidmet.

_Autor_

Tim Akers wurde am 12. Dezember 1972 als Sohn eines Theologen im US-Staat North Carolina geboren. Eigene Studienjahre verbrachte er in Chicago, wo er noch heute lebt. Nach eigener Aussage begann er Anfang der 2000er Jahre ernsthaft und mit dem Ziel zu schreiben, seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller zu verdienen. Dies ist Akers noch nicht gelungen, seit er 2009 mit „Das Herz von Veridon“, dem ersten Band der „Burn-Cycle“-Serie debütierte, weshalb der Autor hauptberuflich weiterhin in der Datenverarbeitung tätig ist.

|Paperback: 334 Seiten
Originaltitel: The Dead of Veridon (Oxford : Solaris Books/Rebellion Publishing Ltd. 2011)
Übersetzung: Michael Krug
ISBN-13: 978-3-404-20686-5
Als eBook: 560 KB
ISBN-13: 978-3-8387-1940-5|
http://shadoth.blogspot.de
http://www.luebbe.de

Nix, Garth – Mächtiger Samstag (Die Schlüssel zum Königreich 6) (Hörbuch)

_|Die Schlüssel zum Königreich|:_

01 [„Schwarzer Montag“ 3719
01 [„Schwarzer Montag“ 3172 (Hörbuch)
02 [„Grimmiger Dienstag“ 3725
02 [„Grimmiger Dienstag“ 4528 (Hörbuch)
03 [„Kalter Mittwoch“ 4242
03 [„Kalter Mittwoch“ 5101 (Hörbuch)
04 [„Rauer Donnerstag“ 4831
04 [„Rauer Donnerstag“ 5051 (Hörbuch)
05 [„Listiger Freitag“ 5626
06 _“Mächtiger Samstag“_
07 „Goldener Sonntag“

_Die Erstürmung des Himmels: Arthurs sechste Station_

Arthur Penhaligon war eigentlich dem Tod geweiht. Doch man ließ ihn nicht sterben, sondern erlegte ihm eine schier unlösbare Aufgabe auf: Er muss sieben Schlüssel zum Königreich von sieben Erzfeinden besorgen. Arthur Penhaligon, Held wider Willen, hat Großes geleistet: Fünf Gegner sind besiegt und mussten ihre Schlüssel an ihn abgeben.

Nun ist nach fünf Abenteuern die Jagd auf den Schlüssel der mächtigen Lady Samstag dran. Sie ist die älteste Bewohnerin und größte Zauberin des HAUSes, und sie befehligt unzählige Magier. Ehe Arthur sich’s versieht, muss er an allen Fronten kämpfen: Das Nichts droht, das HAUS aufzulösen, Arthurs Mutter ist verschwunden. Seine Heimatstadt wird angegriffen. Er kann nicht einmal in das anscheinend uneinnehmbare Ober-HAUS gelangen – und selbst wenn: Den sechsten Schlüssel zu erobern ist vielleicht nicht ausreichend, um die zaubernden Horden von Lady Samstag und ihr Streben nach der absoluten Macht aufzuhalten … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab zehn Jahren.

_Der Autor_

Garth Nix wurde 1963 in Melbourne / Australien geboren. Nach seinem Studium arbeitete er in einer Buchhandlung, später als Verleger, Buchhandelsvertreter, Zeitungsredakteur und Marketingberater. Seit 2002 bestreitet er seinen Lebensunterhalt ausschließlich als Autor. Er lebt heute mit seiner Frau, einer Verlegerin, und seinem Sohn in einem Vorort von Sydney. Zu seinen bekanntesten Büchern gehört die „Abhorsen“-Trilogie, die komplett bei Carlsen und Lübbe erschienen ist („Sabriel“, „Lirael“, „Abhorsen“).

_Der Sprecher_

Oliver Rohrbeck, geboren 1965 in Berlin, ist Schauspieler und Synchronsprecher. Er ist bekannt für seine Sprechrolle als Justus Jonas in der Hörspielserie „Die drei Fragezeichen“. Als Sprecher synchronisierte er Hauptrollen in vielen Filmen und ist die deutsche Stimmbandvertretung von Ben Stiller.

Rohrbeck liest eine von Frank Gustavus gekürzte Fassung. Regie führte Kerstin Kaiser, die Aufnahmeleitung hatte Christian Päschk. Die Musik steuerte Andy Matern bei.

_Der Komponist_

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde „Der Cthulhu Mythos“ zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik Preis 2003). Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

_Der Hintergrund _

Gepriesen sei die Architektin! Sie schuf die wahre Welt, das HAUS. Dies ist der Mittelpunkt aller Schöpfung, das Königreich aller Realität. Es ist eingeteilt in die sieben Wochentage von Montag bis Sonntag, und diese wiederum sind in jeweils zwölf Stunden eingeteilt. Minuten- und Stundenzeiger sind die Insignien eines jeden Tages – und mächtige Instrumente.

Rundherum liegen die sekundären Reiche, zu denen auch unsere bescheidene Welt zählt. Und SIE ließ alles darin archivieren. Als SIE sah, dass es gut war, verabschiedete SIE sich, hinter ließ jedoch das VERMÄCHTNIS, in dem sie bestimmte, dass nur Sterbliche das Königreich erben können. Das VERMÄCHTNIS besteht vollständig aus Text, wie sich denken lässt. Doch die sieben Treuhänder vollstreckten das VERMÄCHTNIS nicht, sondern teilten sich die Macht in ihren sieben Herrschaftsbereichen. Das VERMÄCHTNIS teilten sie in sieben Stücke, von denen jedes woanders versteckt wurde.

Eines Tages begab es sich, dass das Bruchstück von MONTAG, ein auf einem toten Stern in Glas versiegelter Kristall, der von metallischen Wächtern bewacht wurde, von einem Inspektor des ARCHIVs begutachtet wurde. Die Wächter, nach Äonen des Wachens müde geworden, meldeten dem Inspektor keinerlei besondere Vorkommnisse. Doch als er sich die Nase putzte, bemerkte er aus dem Augenwinkel ein kleines flinkes Etwas vorbeihuschen. Nein, dachte er, ich muss mich getäuscht haben.

Doch er hatte sich nicht getäuscht: Ein kleines Stück VERMÄCHTNIS-Text bemächtigt sich jedoch der Transferplatte, mit der er vom ARCHIV gekommen ist, und verschwindet damit. Oh-oh, denkt der Inspektor. Damit hat er Recht. Wenig später kommen zwei großmächtige Herren, die Silberstöcke tragen. Sie sagen, sie kämen von einem, der sogar noch höher stehe als MONTAG. Oh-oh, denkt der Inspektor. Das gibt großen Ärger.

_Handlung_

|Lady Samstag|

Lady Erhabener Samstag überblickt ihre Domäne. Sie steht in ihrem gläsernen Büro auf der Spitze eines sechs Kilometer hohen Turmes auf Bürozellen. An diesem Turm wird seit rund zehntausend Jahren gebaut, und sein Ziel ist unübersehbar: der Boden der Domäne von Lord Sonntag. Dessen unvergleichliche Gärten, gestützt von vier riesigen Bäumen, haben an ihrer Unterseite eine Schwachstelle, durch die Lady Samstag mit einem Sturmbock stoßen will, um seine Domäne zu erobern. Denn diese, so behauptet sie, stehe rechtmäßig ihr zu.

Ihr Verwalter, Abenddämmerung, tritt vor, um Bericht zu erstatten. Das vorrückende Nichts habe bereits die Fernen Weiten und das Untere HAUS verschlungen, es schicke sich nun an, das Mittlere HAUS anzugreifen. Lady Samstag ist sich der Präsenz des Thronanwärters namens Arthur Penhaligon wohl bewusst, und auch der Pfeifer, der Thron Sohn der ARCHITEKTIN, hat Absichten auf ihre Herrschaft. Doch Arthur befindet sich noch in den Sekundären Reichen der Sterblichen. Die Herrscherin befiehlt die Beseitigung der Kinder des Pfeifers und den Angriff auf Sonntags Domäne in vierzig Minuten, also exakt um Mitternacht.

|Arthur|

In den Sekundären Reichen, die unserer bekannten Welt entsprechen, stehen die Dinge nicht zum Besten. Arthur hat zwar Dr. Freitag besiegt und zahlreiche Schläfer aus ihrem HAUS befreit. Doch wohin mit 2000 Schlafenden? Seine Freundin Blatt und er sind ratlos. Martine, die Assistentin von Lady Freitag, hilft ihnen.

Da ruft Erasmus, Arthurs ältester Bruder, an: Alle sollten spätestens in zehn Minuten in einen Bunker oder tiefen Keller. Der Grund: Das militärische Oberkommando hat beschlossen, den „Seuchenherd“ zu beseitigen und will dann vier Atombomben auf das östliche Krankenhaus abwerfen! Arthur befindet sich davon nur einen Kilometer entfernt. Was soll er tun? Er nimmt seinen fünften Schlüssel und verhängt einen Zeitstopp über seiner Stadt, der sie wie eine Blase schützt. Die Uhrzeiger bleiben bei 23:57 Minuten stehen. Aber für wie lange?

|Im HAUS|

Er öffnet ein Portal zum Haus und begibt sich in Lord Montags Thronsaal. Doch auch dorthin ist das Nichts bereits vorgedrungen. Er gebietet ihm Einhalt, und die Nichts-Woge bleibt stehen. Er braucht einen Ratgeber: Dr. Skamandros. Er transferiert dorthin und findet ihn im Kohlenkeller, während hinter ihm das Nichts das Untere HAUS verschlingt. Dr. Skamandros rät ihm zu einem Besuch beim ALTEN, der an eine riesige Uhr gekettet sei. Doch der ALTE fragt ihn nur, was Arthur eigentlich wolle, wenn er das Erbe der ARCHITEKTIN antrete. Eines ist klar: Arthur ist bereits zu sechs Zehnteln ein unsterblicher Bürger des HAUSes.

Er transferiert mit Skamandros zur Zitadelle in der vierten Domäne. Hier hält DAME PRIMUS die Stellung für ihn, besitzt sie doch die anderen vier Schlüssel. Die große Machtfülle macht sie hochnäsig. Sie verplappert sich sogar: Die Vernichtung des HAUSes, so hoffe, sie, werde verzögert. Arthur beharrt auf dem Aufhalten der Zerstörung. Nach einigen Debatten einigen sie sich darauf, dass sie sich teilt, um andere Aufgaben zu erledigen, während er sich zu Samstags Domäne aufmacht, um der Lady ihren Schlüssel und den sechsten Teil des Vermächtnisses abzunehmen. Lord Sonntag hat sich in einem Brief an Arthur für neutral erklärt.

|Die Domäne von SAMSTAG|

Das Pfeiferkind Susi Blau begleitet ihn, und mit ihr und einer zur Intelligenz erhobenen Ratte namens Stachelborste gelangen sie unentdeckt in die untersten Tiefen der sechsten Domäne. Dr. Skamandros hat ihm ein Schutz-Etui für den fünften Schlüssel gegeben. Überall lauern hier Wachtzauberer darüber, dass kein Unbefugter Magie einsetzt.

Mit Stachelborstes Hilfe verkleiden sich Arthur und Susi in Pfeiferkinder, die als „Schmieraffen“ für alle technischen Arbeiten am hohen Turm von Lady Samstag zuständig sind. Eine Transportkette bringt sie aus dem Untergrund an die Erdoberfläche der Domäne. Hier trifft ihn der Regen, der ständig fällt, zum ersten Mal, und erstmals hört er die Stimme des Vermächtnisses in seinem Kopf. Es ruft ihn, damit er es findet. Aber noch stellt er keinen Zusammenhang zwischen der Stimme und dem Regen her, das wäre ja auch zu unwahrscheinlich. Doch nach dem dritten Ruf ist die Schlussfolgerung unausweichlich: Er muss das Becken finden, wo sich der unablässige Regen sammelt.

Dem schiebt Alice, die Truppführerin der Schmieraffen, entschieden einen Riegel vor. Sie will ihr Leben noch eine ganze Weile behalten und kann mit Verrätern oder Spionen rein gar nichts anfangen. In letzter Sekunde entdeckt er Alices Verrat. Doch die Wachtzauberer werden auf ihn aufmerksam, als er den fünften Schlüssel einsetzt …

|Zeitstopp|

Unterdessen bemerkt Blatt im Krankenhaus, dass der Minutenzeiger der Uhr im Krankenhaus um eine Minute vorgerückt ist. Martine ist aus Angst vor dem Ende geflohen. Wie soll sie, Blatt, alleine 2000 Schläfer in eine atombombensichere Unterkunft bringen? Da erschüttert ein Beben das Krankenhaus. War das die Bombe – oder etwas aus dem HAUS?

_Mein Eindruck_

Die Story braucht diesmal einen langen Anlauf, um so richtig in die Gänge zu kommen. Arthur braucht beine Weile, um die wahre Lage der Dinge herauszubekommen, sowohl im HAUS, dessen Bürger er wird, aber auch in seiner Heimat. Ob der Zeitstopp, den er als Magier dort bewirkt, wirklich hält? Wir wagen es zu bezweifeln. Und als verlautet, dass der Pfeifer im HAUS eine Nichts-Bombe gezündet habe, kommt der Verdacht auf, dass es einen Zusammenhang geben könnte. Doch Arthurs Showdown mit dem Pfeifer lässt bis Band 7 auf sich warten.

Spannender ist da schon Arthurs Vordringen in Samstags Herrschaftsbereich. Die Domäne wird von einem babylonischen Turm beherrscht, der nichts weniger als die Eroberung des Himmels zum Ziel hat, nämlich die Domäne von Lord Sonntag. Die Parallele zum Alten Testament ist unübersehbar. Doch hier herrscht kein „babylonisches Sprachengewirr“, sondern eine streng überwachte Hierarchie: Die Bürger-Magier auf der einen Seite, die Pfeiferkinder auf der anderen.

Eine Sache, die Arthur und Susi beträchtlich hilft, ist der Umstand, dass den Pfeiferkindern von den Bürgern regelmäßig das Gedächtnis „geschrubbt“ wird. Wenn sie also keine Ahnung von ihrem neuen Job haben, lässt sich das ganz leicht entschuldigen. Doch sobald er seinen fünften Schlüssel einsetzt, um sich eines misstrauisch gewordenen Bürgers zu erwehren, ergreift die Bürokratie Gegenmaßnahmen. Zu seinem Glück verkündet Lady Samstag in dieser brenzligen Lage die Endphase des Angriffs auf Sonntags Domäne.

Dass sich der sechste Teil des Vermächtnisses im Regen verbirgt, der à la „Blade Runner“ fortwährend fällt, habe ich schon erwähnt. Doch welche Endform das Vermächtnis besitzt und wie es ihm helfen kann, soll hier nicht verraten werden. Richtig gut wie das Finale: Der „Sturmbock“ schlägt ein, und die Eroberungsschlacht um Lord Sonntags Domäne ist schnell in vollem Gang. Dessen Verteidiger sind ungewöhnlich: Insekten und Würmer. Arthur ist nun scharf auf Lady Samstags Schlüssel …

_Der Sprecher_

Oliver Rohrbeck ist ja schon ein alter Hase im Synchronsprechergeschäft und in Sachen Hörspielserie (s. o.). Seine „normale“ Stimme eignet sich gut für Kinderstoffe, also Märchen, Fantasy und ähnliches, denn sie erklingt nicht besonders tief oder autoritär, ist also sympathisch. Jedenfalls alles andere als furchteinflößend, schon gar nicht, wenn er mit der hohen Stimme einer weiblichen Figur spricht, oder sich gestelzt und hochnäsig ausdrückt, etwa als Dame Primus. Vielfach erklingen im Turm Meldungen, Berichte und Befehle, die alle sehr autoritär und streng daherkommen. Diesmal ist für zwischenmenschliche Gefühle kaum Platz.

Doch da es in der Geschichte einige bedrohliche Situationen darzustellen gilt, muss Rohrbeck zu ein paar Hilfsmitteln greifen. Er kann ohne Weiteres seine Stimmlage absenken, um autoritär zu wirken, er kann sie aber auch verzerren, denn mehrfach wird durchs Telefon gesprochen. Und wenn die Figuren denken, so spricht er mit einem deutlichen Halleffekt und mit doppelter Stimme. Das sollte jedem jungen Zuhörer klarmachen, dass im Augenblick nicht laut geredet wird.

|Geräusche|

Die Tonregie hat diesmal eine Unmenge von Geräuschen hinzugemischt. Dazu gehören vielfach metallische Sounds und das Zischen von Dampf – Samstags Domäne ist vollmechanisiert. Im Finale sind vielfach Knalle, Kampfgeräusche und ein Donnern zu hören. Sind dies Kanonen – oder Atombombenexplosionen aus den Sekundären Reichen?

|Die Musik|

Die Hintergrundmusik von Andy Matern wird meist recht dezent und vielfältig eingesetzt. Sie drängt sich niemals in den Vordergrund, sondern bildet einen Klangteppich, der unterbewusst die Emotionen des Zuhörers steuert, die der jeweiligen Szene angemessen sind. Das kann sowohl bedrohlich als auch fröhlich, dynamisch oder entspannt wirken. Wer genau hinhört, kann hören, wie die einzelnen Motive wiederholt werden. Eines davon erinnerte mich stark an den Soundtrack von „Inception“: ein von Bläsern getragener Teppich von tiefen Akkorden.

Die Instrumente sind in der Regel elektronisch, nur bei einem wiederkehrenden Leitmotiv – eine kurze Abfolge von elegischen Tönen – wird ein elektrisches Piano eingesetzt. Ich fand die Musik, die überraschend häufig zu hören ist, sehr passend. Ihre vielfältige Dynamik ist ernstgemeint und kein Kasperletheater, genau richtig für das Thema des Kampfes und der Eroberung des HAUSes.

_Unterm Strich_

Auch dieses sechste Hörbuch des siebenteiligen Zyklus „Die Schlüssel zum Königreich“ wartet mit zahlreichen Rätseln, Wundern, Gefahren und Kämpfen auf. Der junge Zuhörer bangt mit Lord Arthur ebenso mit wie mit der jungen Blatt, die auf ihre eigene Art ums Überleben kämpfen muss.

Nachdem er bereits fünf Schlüssel erobert hat, tritt Arthur recht autoritär auf. Dazu steht seine immer noch zaghafte, jungenhafte Stimme, die der Sprecher ihm verleiht, in einem gewissen Widerspruch, der mich verwirrt hat. Arthur erscheint schwach, wo er eigentlich stark ist. Zusammen mit Susi und dem Vermächtnis setzt er sich gegen zahlreiche Widersacher durch, bis er sich schließlich dem finalen Angriff von 5000 Bürgern und Lady Samstag auf Sonntags Domäne anschließt.

Würde man dieses Finale als Anime realisieren, wäre ein gewaltiges Panorama vonnöten, denn die Ausmaße von Trum, Rakete und Sturmbock sind gigantisch – die Apotheose der Maschinerie. Die Viktorianer hätten dies geliebt, und das steht völlig in Einklang mit der grundlegend viktorianischen Kultur und Umgebung des HAUSes. Warum der Autor ausgerechnet diese vergangene Epoche gewählt hat, bleibt sein Geheimnis. Aber es distanziert das HAUS von Arthurs eigener Gegenwart und erlaubt dem Leser bzw. Hörer dadurch einen eigenen Standpunkt, der Kritik erlaubt.

Der Sprecher Oliver Rohrbeck bietet dem Hörer, vor allem dem kindlichen Zuhörer ab 12 bis 13 Jahren, eine breite Palette von stimmlichen Tonlagen und Klang-Effekten, die zu einer Charakterisierung verschiedenster Wesen beitragen. Mit ein wenig Phantasie kann sich der Zuhörer daher die fremde Welt des HAUSes viel besser vorstellen. Die Geräusche tragen noch mehr zum Realismus bei, überlagern aber nie den Vortrag.

Dennoch fragte ich mich zu Anfang und in der Mitte, wann die Handlung denn endlich spannend werden würde. Die Action lässt bis zur vierten CD auf sich warten. Und dann fällt der Showdown mit der Zauberin auch noch aus. Ich war ein wenig enttäuscht, aber vielleicht wird Samstag noch für Band 7 gebraucht.

Ein Vergleich mit dem Buch deckt zahlreiche Kürzungen auf. Außerdem entgehen dem Hörer so die schönen Zeichnungen, die Daniel Ernle beigesteuert hat.

|4 Audio-CDs mit 269 Minuten Spieldauer
Originaltitel: Superior Saturday (2008)
Aus dem Australischen Englisch von Axel Franken
ISBN-13: 9783785738474|
http://www.luebbe.de

_Garth Nix bei |Buchwurm.info|:_

[„Sabriel“ 1109 (Das alte Königreich 1)
[„Lirael“ 1140 (Das alte Königreich 2)
[„Abhorsen“ 1157 (Das alte Königreich 3)

Sonnleitner, Marco (Autoren) / Minniger, André (Hörspiel) – Die drei ??? – … und der Feuergeist (Folge 158) (Hörspiel)

_Zur Story_

Ein Fahrradunfall Peters bringt die drei Fragezeichen in Kontakt mit Michelle, die in der „Califia“ – Rocky Beachs kleinem Opernhaus – als Requisitorin arbeitet. Dort will sie in den Katakomben eine seltsame, pelzige Gestalt gesehen haben. Justus, Peter und Bob lassen sich inkognito als „Studenten“ einschleusen, um die Ermittlungen aufzunehmen. Dabei stellen sie fest, dass das Opernvölkchen zwar durch die Bank ein ziemlich schräges ist, aber dass zumindest Michelle nicht an Halluzinationen leidet. Sie sehen die Gestalt dort ebenfalls, ziehen bei der Verfolgung durch die alten Gewölbe jedoch den Kürzeren.

Vielleicht gar ein Außerirdischer – wie Peter glaubt? Immerhin ist gerade SETI-Koryphäe Abakulow zu einem Vortrag in der Stadt. Den finden die drei übrigens zusammengeschlagen bei den Müllcontainern hinter dem Opernhaus. Die Spurenlage ist dürftig und das Motiv sowie die Zusammenhänge unklar. Weitere Missetaten folgen in der Aufführung der „Zauberflöte“, als die Kulissen in Flammen aufgehen und ein Diebstahl stattfindet. Ausgerechnet das ominöse, wie bei den Mächtigen der Stadt gefürchtete, Notizbuch von Unterweltboss und Opernliebhaber Moody Firthway kommt im Trubel um den offensichtlich absichtlich gelegten Brand abhanden.

_Eindrücke_

Marco Sonnleitners Buchvorlage von 2011 hat im Fandom nicht nur Lobeshymnen, sondern auch Kritik einstecken müssen. Bemängelt wurden dabei – neben einigen Logikfehlern – unter anderem die manchmal nicht ganz nachvollziehbare sowie leicht konfuse Erzählstruktur dieses Falles. Inwieweit dies zutrifft, muss jeder nach der Lektüre selbst entscheiden. Für die Hörspieladaptionen gelten grundsätzlich abgewandelte Regeln. Das Skalpell von Skript-Chirurg André Minninger hat schon so mancher Story durch Straffung eine Schönheitskur verpasst. Auch der „Feuergeist“ profitiert von diesem Facelift, indem schmückendes, aber prinzipiell unnötiges, Geplänkel des Buches entfernt wurde, ohne die Geschichte zu sehr zu verstümmeln. Daran, dass immer noch manche Ungereimtheit in Bezug auf das in Teilen arg herbeigedichteten Plot bestehen, konnte dies allerdings nichts ändern.

So etwa dem Spielplan des kleinen Opernhauses mit finanzieller Schieflage, bei dem in einer Woche gleich mehrere verschiedene Monumentalstücke aufgeführt werden. „Aida“ und „Zauberflöte“ wurden aber von den Soundtüftlern Hagitte und Bertling wenigstens mit korrekten, sprich: passenden, Arien der jeweiligen Opern unterlegt. Respekt für diese Detailverliebtheit. Ansonsten gibt es hauptsächlich die sattsam bekannten Soundbites aus dem EUROPA-Archiv als Geräuschkulisse. Daran gibt es aber überhaupt nichts auszusetzen, sofern sie passen – und das tun sie. Sprecherisch gibt es auch eigentlich nur Positives zu vermelden, wiewohl Russe Abakulow einen seltsam hispanischen Akzent zur Schau trägt und Intendant Ronald Pounder – eingedenk seines amerikanischen Namens – sehr italienisch klingt bzw. ebensolche Phrasen und Schlagwörter zum Besten gibt. Der guten Atmosphäre an sich tut dies aber keinen Abbruch.

_Die Produktion_

Buch und Effekte: André Minninger
Redaktion und Geräusche: Wanda Osten
Regie und Produktion: Heikedine Körting
Musik: Hagitte & Bertling (STIL), Morgenstern, George, Conrad

_Sprecher und Figuren_

Oliver Rohrbeck (Justus Jonas), Jens Wawrczeck (Peter Shaw), Andreas Fröhlich (Bob Andrews), Thomas Fritsch (Erzähler), Ulrike Stürzbecher (Michelle), Jürgen Kluckert (Ronald Pounder), Oliver Böttcher (Maurice Bright), Heidi Schaffrath (Betsy), Isabel Navarro (Isabella), Peter Striebeck (Moody Firthway), Eric Schäffler (Vladas Abakulow), Mike Olsowski (Polizist), Konstanze Ullmer (Jenna) sowie Olaf Kreutzenbeck, Rainer Fritsche, Claus Fuchs, Jannik Endemann

_Fazit_

Der Fall „Feuergeist“ beweist wieder einmal, dass ein Drei-???-Hörspiel der Buchvorlage zuweilen nicht nur das Wasser reichen, sondern insgesamt auch das stimmigere Gesamtbild bieten kann. Zwar ist die – wie üblich – solide EUROPA-Produktion nicht in der Lage alle Macken des Grundmaterials vollständig auszubügeln, kommt aber dank strammerer Gangart definitiv griffiger auf den Punkt, ohne dabei etwas vom Flair der Opernwelt zu opfern – was diesmal auch Teil des Pädagogikgedankens ist, der bekanntlich beinahe jeder Geschichte innewohnt. Dass natürlich auch wieder einige geliebte Serienklischees bedient werden, ist da recht und billig. Folge 158 liegt summa summarum innerhalb des stabilen Mittelfelds und kann auch Serien-Neulingen nahezu uneingeschränkt empfohlen werden.

|1 Audio-CD mit einer Laufzeit von ca. 56 Minuten
Erzählt von Marco Sonnleitner nach Figuren von Robert Arthur
EUROPA / Sony Music Entertainment, 2012
EAN: 886979232822|
http://www.natuerlichvoneuropa.de

Mehr als 100 weitere Rezensionen zu den „Drei ???“ findet ihr in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book

Joan D. Vinge – Die Schneekönigin (Tiamat 1)

_Der |Tiamat|-Zyklus:_

_“Die Schneekönigin“ _(„The Snow Queen“, 1980, deutsch bei Heyne, 1983)
„Die Spur der Schneekönigin“ („World’s End“, 1984, deutsch bei Bastei-Lübbe, 1984)
„Die Sommerkönigin“ („The Summer Queen“ 1991, deutsch bei Heyne, 1991)
„Tangled Up in Blue“ (2000, ohne dt. Titel)

|Planetare Abenteuergeschichte à la Asimov|

Als auf Tiamat der 150-jährige Winter zu Ende geht, sollen die Schneekönigin und ihr Liebhaber traditionsgemäß dem Meer geopfert werden. Doch die immer noch attraktive Herrscherin Arienrhod denkt nicht daran, die Macht abzugeben. Sie hat technisches Wissen von anderen Welten geholt, mit denen sie den leichtlebigen und primitiven Sommer-Leuten ein Schnippchen zu schlagen gedenkt. (Verlagsinfo)

Die Handlung ist quasi eine Abwandlung von Hans Christian Andersens Märchen von der Schneekönigin, die sich ihre Liebhaber zu deren Unglück ins kühle Bett holt. Dies ist der erste Band der Schneekönigin-Trilogie, und für dieses Buch erhielt die Autorin 1981 den HUGO-Award der amerikanischen Science-Fiction-Leser.

_Die Autorin_

Joan Carol Dennison Vinge (* 2. April 1948 in Baltimore, Maryland) ist eine US-amerikanische Science-Fiction-Autorin. Vinge studierte zunächst Kunst auf dem College, wechselte aber später ihr Hauptfach und erhielt 1971 ihren Bachelor in Anthropologie von der San Diego State University. In erster Ehe war sie von 1972 bis 1979 mit den Science-Fiction-Autor Vernor Vinge verheiratet. 1980 ehelichte sie den Science-Fiction-Herausgeber James Frenkel, mit dem sie zwei Kinder hat.

Ihre erste Erzählung „Tin Soldier“ konnte sie 1974 in der Anthologiereihe Orbit 14 veröffentlichen. Weitere Geschichten folgten in verschiedenen Science-Fiction Magazinen wie „Analog“, „Asimov’s ScienceFiction“ und „Omni“ sowie diversen Anthologien.

1978 erhielt sie für ihre Erzählung „Eyes of Amber“ (deutsch: Bernsteinaugen) ihren ersten Hugo Award und 1981 für den Roman „The Snow Queen“ (deutsch: Die Schneekönigin) einen weiteren Hugo sowie den Locus Award. Ihr Roman „Psion“ (1982) wurde von der American Library Association als eines der besten Bücher des Jahres für junge Erwachsene bezeichnet. Sie wurde für weitere Preise nominiert, so unter anderem für den John W. Campbell Best New Writer Award. (Quelle: Wikipedia) Mit Romanfassungen von bekannten Filmen wie „Return of the Jedi“ oder „DUNE“ hat Vinge bestens verdient.

|Werke|

|Der Himmels-Chroniken-Zyklus:|
• „The Outcasts of Heaven’s Belt“. (1978 , deutsch: In den Trümmern des Himmelssystems. Moewig, 1981)
• Legacy. (1980, deutsch: Vermächtnis. Bastei-Lübbe, 1982)

|Der Cat-Zyklus|
• „Psion“. (1982, deutsch: Psion. Heyne, 1985)
• Catspaw. (1988, deutsch: Katzenpfote. Heyne, 1990)
• Dreamfall (1996)

_Handlung_

Als auf dem Planeten Tiamat der 150-jährige Winter zu Ende geht, sollen die herrschende Schneekönigin und ihr Liebhaber traditionsgemäß dem Meer geopfert werden. Doch die immer noch attraktive Herrscherin Arienrhod (ein walisischer Göttername, der „Silberrad“ bedeutet) denkt nicht daran, die Macht abzugeben. Sie hat technisches Wissen von anderen Welten, der technisierten Hegemonie, geholt, mit denen sie den leichtlebigen und primitiven Sommer-Leuten ein Schnippchen zu schlagen gedenkt. Das Klima wird tropisch, und eigentlich sollten die Süd-Staaten der Welt die Herrschaft übernehmen.

Arienrhod hat ihr Leben durch ein aus dem Blut der Meermädchen gewonnenes Elixier verlängert. Zudem hat sie Klone von sich selbst anfertigen lassen. Ihr Liebhaber Sparks ist ebenfalls einer davon. Sparks war aber zuvor mit Moon Dawntreader, einem weiteren Klon, verlobt. Moon, die eine wahrsagende Sibylle ist, begibt sich auf die Suche nach ihrem verschwundenen Verlobten.

In die vielen Abenteuer, die sie dabei erlebt, sind u.a. ein weiblicher Offizier der Hegemoniepolizei, der frühere Lover der Königin, Herne, ein sehr pflichtbewusster Polizeisergeant und ein Mann von einem anderen Planeten namens Ngenet verwickelt.

|SPOILER|

Mit dieser Truppe gelingt es Moon, die Intrigen der Schneekönigin zu vereiteln, das Massaker an den – wie sich herausstellt – intelligenten Meermädchen zu beenden, Arienrhod ihrem verdienten Ende zuzuführen und selbst Sommerkönigin zu werden. Sie ist die erste Sibylle, die erkannt hat, dass in ihrem Gehirn alle Daten der technischen Errungenschaften der Hegemonie gespeichert sind. Diesmal wird also der Abzug der Hegemonie nicht gleichbedeutend mit dem Entzug der technischen Gaben und dem Rückfall in die Primitivität eines Bauernstaates sein. Moons Gefährte auf dem Thron soll Sparks werden.

_Mein Eindruck_

Obwohl die angesichts einiger vorausgegangener Erzählungen Joan Vinges (sie war mit Science-Fiction-Autor Vernor Vinge verheiratet) hochgespannten Erwartungen nicht voll erfüllt wurden – es gibt ein paar Durchhänger und die Originalität der Ideen (s. u.) lässt mitunter zu wünschen übrig – bleibt „Die Schneekönigin“ ein spannender und phantasievoller Abenteuerschmöker mit einigen intensiven gefühlsvollen Szenen.

Die Handlung ist gewissermaßen eine Abwandlung von Hans Christian Andersens Märchen von der Schneekönigin, die sich ihre Liebhaber zu deren Unglück ins kühle Bett holt, so dass deren Geliebte (im Märchen ist es Gerda) sie retten müssen. Ich dachte aber auch an die Eiskönigin in „Der König von Narnia“ (The Lion, the Witch, and the Wardrobe) von C.S. Lewis, die sich den jungen Edmund in ihr kühles Schloss holt. Daraufhin müssen seine drei Geschwister Peter, Suse und Lucy ihn retten kommen.

Die kosmische Konstellation des exzentrischen Tiamat-Sonnensystems, das 150 Jahre Winter beschert, gemahnt stark an Asimovs klassische Story „Einbruch der Nacht“, in der ein extrem langer Tag von mehreren tausend Jahren Dauer sein abruptes Ende findet – mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Psyche der Bewohner dieser Planeten. Aber auch in der Helliconia-Trilogie wurden sehr lange Winter und Sommer erfolgreich zu einer dramatischen Handlung verarbeitet. Inzwischen wissen die Astronomen, dass exzentrische Planetenumlaufbahnen die Norm sind – und nahezu runde bzw. nur leicht elliptische Umlaufbahnen wie die in unserem Sonnensystem die krasse Ausnahme.

Vinge setzte diesen preisgekrönten Erfolgsroman mit „World’s End“ (Die Spur der Schneekönigin“, dt. bei Bastei-Lübbe) mit wenig Erfolg fort. Weit wichtiger ist der Abschluss des Zyklus mit der ebenfalls preisgekrönten Duologie „Die Sommerkönigin“ (1992), die seitenmäßig sehr umfangreich ist. Der Heyne-Verlag hat alle drei Bände 1993 in einer sehr schön aufgemachten Ausstattung veröffentlicht.

|Broschiert: 560 Seiten
Aus dem US-Englischen übertragen von Joachim Körber,
Mit Illustrationen von Ursula Olga Rinne
ISBN-13: 978-3453308800|
http://www.heyne.de

Stichmann-Marney, Ursula – Mein erstes … Was blüht denn da?

|Kennst du die Blumen in deiner Umgebung? Weißt du, wie du einen Blühkalender anlegen kannst?

Dieser Naturführer stellt dir die 66 wichtigsten einheimischen Blumen vor. Zusätzlich erhältst du nützliche Tipps & Tricks rund ums Beobachten, Bestimmen und Selbermachen.| (Verlagsinfo/Umschlagstext)

Neuauflage der beliebten Buchreihe des KOSMOS-Verlags,

_Inhalt & Eindrücke_

* Los geht’s!
* Weiße Blütenfarbe
* Gelbe Blütenfarbe
* Rote oder rosa Blütenfarbe
* Blaue oder violette Blütenfarbe
* Grüne oder unscheinbare Blütenfarbe
* Expedition in die Natur
* Register

Farbtafeln auf den Doppelseiten am Beginn und Ende, Zentimeterskala
Farblich markierte Kästen: „Erstaunlich!“ , „Wichtig zu wissen!“, „Schau genau!“, „Mach mit!“
Totenkopf: „Finger weg!“
Landschaftssymbol: Vorkommen der jeweiligen Pflanze
Größensymbol: dreistufige Einordnung der Pflanzengröße von 20 bis 65+ cm

Gerade als Elternteil eines Kindes im anvisierten Zielgruppenalter des Buches ist man oft erschrocken, wie wenig schon Kindergartenkinder in wirklichen Kontakt zur Natur treten. Sicherlich mag dies regional unterschiedlich sein und auch von der Sozialisation der jeweiligen Erziehungsgenötigten abhängen – im Falle des Rezensenten ein Aufwachsen mitten in einem Waldgebiet. Das prägt natürlich. Umso dankbarer ist man da, wenn man ein übersichtlich gestaltetes Hilfsmittel wie die „Mein erstes …“-Reihe an die Hand bekommt, um bei den Sprösslingen das Interesse am Leben außerhalb, sprich: abseits etwa von stupender TV-Verblödung, zu wecken. Im Falle von „Was blüht denn da?“ also beispielsweise einfach mal einen schlichten Blick auf die Wiese vor dem Haus lenken, was da so schön farbenprächtig – oder eben auch nicht – gedeiht. Das nach Blütenfarbe sortierte Register sorgt hierbei bereits für einen schnellen, unkomplizierten Einstieg.

Zwar richtet sich die Reihe an Jungforscher mit Lesekenntnissen, doch auch schon im Vorschulalter ist das kleine, robuste (Schutzumschlag) Nachschlagewerk schon ein nützlicher Begleiter in die freie Wildbahn, wenn nämlich Mama und Papa das gute Stück parat halten. Der Informationsgehalt ist kindgerecht aufgearbeitet und illustriert, ohne dass das 100 Seiten starke Taschenbuch seine Leser durch eine schiere Informationsflut zu sehr überfordert. Selbst die wissenschaftlichen Namen der hier vertretenen Pflanzen hat man (offenbar bewusst) weggelassen. Darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein – eigentlich gehören diese erwähnt, allein schon um den Kleinen zu zeigen, wie wichtig eine exakte Bezeichnung und somit präzise Einordnung ihrer Fundstücke ist. Das ist aber, wie gesagt, Ansichtssache. Dafür finden sich hier jede Menge guter Praxis-Tipps für das Anlegen eines eigenen Pflanzen-Lexikons und vieles mehr.

_Fazit_

Selbstverständlich sind 66 Blühpflanzen nicht das gesamte Repertoire, welches Mutter Natur uns hierzulande bietet, doch die wichtigsten heimischen Vertreter sind drin. Klar vermisst man vielleicht hier und da das eine oder andere Kleinod – je nach Vorbelastung. Interessierte Erwachsene greifen daher unter Umständen gleich zur umfangreicheren „Vollversion“ dieses Titels, wo die Beschränkungen der Junior-Variante nicht greifen. Ansonsten steht dem Einsatz des kleinen, pädagogisch wertvollen Pflanzenführers aber absolut nichts im Wege. Er zeigt überdies, dass man nicht immer in die exotische Ferne schweifen muss, sondern dass viele Schätze direkt vor unserer Haustür gedeihen und darauf warten, von neugierigen Kinderaugen entdeckt zu werden. Gleichzeitig wird das Umweltbewusstsein dabei nicht unerheblich geschärft. Der grüne Daumen des Rezensenten zeigt somit definitiv steil in Wuchsrichtung.

|100 Seiten, Softcover mit Schutzumschlag
Durchgehend farbig bebildert
Gestaltungskonzept: Britta Petermeyer
Redaktion: Anna-Maria Bodmer, Jana Raasch
2012 – Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart
ISBN 987-3-440-13140-4
http://www.kosmos.de

_“Mein erstes …“ bei |Buchwurm.info|:_
[Mein erstes … Was fliegt denn da?]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8251
[Mein erstes … Welches Tier ist das?]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8263

Rendell, Ruth – vergessene Tote, Der

_Die |Inspektor-Wexford|-Romane von Ruth Rendell:_

01. |From Doon with Death| (1964, Alles Liebe vom Tod)
02. |A New Lease Of Death/The Sins of the Fathers| (1967; Mord ist ein schweres Erbe)
03. |Wolf To The Slaughter| (1967; Schweiß der Angst/Den Wolf auf die Schlachtbank)
04. |The Best Man to Die| (1969; Mord am Polterabend)
05. |A Guilty Thing Surprised| (1970; Der Liebe böser Engel)
06. |No More Dying Then| (1971; Schuld verjährt nicht)
07. |Murder Being Once Done| (1972; Die Tote im falschen Grab)
08. |Some Lie and Some Die| (1973; Phantom in Rot)
09. |Shake Hands For Ever| (1975; Der Kuss der Schlange)
10. |A Sleeping Live| (1978; Leben mit doppeltem Boden)
11. |Put on by Cunning/Death Notes| (1981, Durch Gewalt und List)
12. |The Speaker of Mandarin| (1983; Durch das Tor zum himmlischen Frieden)
13. |An Unkindness of Ravens| (1985; Die Grausamkeit der Raben)
14. |The Veiled One| (1988; Die Verschleierte)
15. |Kissing the Gunner‘s Daughter| (1992; Eine entwaffnende Frau)
16. |Simisola| (1994; Die Besucherin)
17. |Road Rage| (1997; [Wer Zwietracht sät 1771 )
18. |Harm Done| (1999; [Das Verderben 2918 )
19. |The Babes in the Wood| (2002; [Dunkle Wasser 340 )
20. |End in Tears| (2002; Ein Ende mit Tränen)
21. |Not in the Flesh| (2007; Der vergessene Tote)
22. |Monster in the Box| (2009)
23. |The Vault| (2011)

_Das geschieht:_

Eigentlich sucht der alte Jim Belbury auf Old Grimble’s Field bei Flagford nach Trüffel-Pilzen, die auch in der englischen Grafschaft Sussex gedeihen. Stattdessen gräbt Hündin Honey eine knöcherne Totenhand aus der Erde. Die alarmierte Polizei birgt später das vollständige Skelett eines Mannes, der hier vor mindestens zehn Jahren verscharrt wurde.

Da dies heimlich und damit sicherlich in verbrecherischer Absicht geschah, werden Ermittlungen in Gang gesetzt. Zuständig ist die Kriminalpolizei von Kingsmarkham, wo der Fall an Inspektor Wexford geht. Die Nachbarn und der Eigentümer des Grundstücks werden befragt. John Grimble ist ein schwieriger Zeuge, der mit allen Behörden über Kreuz liegt, seit ihm untersagt wurde, auf Old Grimble’s Field Mietshäuser zu errichten. Vor elf Jahren hatte er in Erwartung der Baugenehmigung einen Abwassergraben anlegen lassen, der wieder zugeschüttet werden musste – eine Gelegenheit, die der unbekannte Mörder nutzte, um sein Opfer loszuwerden.

Auf dem Grundstück steht noch der Bungalow, den einst Grimbles Vater bewohnte. Der Sohn wollte ihn für die Neubauten abreißen. Da sich dieser Plan zerschlug, ließ er das Haus leer stehen und verrotten. Als die Polizei die Ruine routinemäßig durchsucht, entdeckt man im Kohlenkeller ein weiteres Skelett. Dieser Mann kam vor acht Jahren ums Leben, wie forensisch festgestellt werden kann.

Die Vermutung liegt nahe, dass zwischen den Knochenfunden ein Zusammenhang besteht. Allerdings bereitet es nach so vielen Jahren große Schwierigkeit, die Leichen zu identifizieren. Die Nachbarn verschanzen sich hinter kollektivem Unwissen, doch Wexford und seine ebenso kundig wie geduldig ermittelnden Kollegen stoßen auf diverse Lücken in diversen Alibis. Hier lässt sich ansetzen, bis Stück für Stück ein Verbrechen ans Licht kommt, wie es so komplex und bizarr nur das wahre Leben schreiben kann …

_Bekannte Qualitäten_

Wenn eine 76-jährige Autorin ihren 59. Thriller veröffentlicht, der gleichzeitig der 21. Band einer Serie ist, die 964 gestartet wurde, darf sich der Leser vor allem auf eines einstellen: Routine. „Der vergessene Tote“ bietet genau das, wenn man „Routine“ als „in jahrzehntelanger Erfahrung gereiftes Handwerk“ definieren möchte. Natürlich wohnt dem Wort eine weitere, weniger positive Bedeutung inne, die auf eine allzu großzügige Anwendung generell bekannter, oft verwendeter und nur variierter Plots und Figurenzeichnungen zielt. Auch das trifft auf „Der vergessene Tote“ zu, wie selbst der enthusiastische Fan der Wexford-Romane von Ruth Rendell zugeben muss.

Beginnen wir mit dem Erfreulichen: „Der vergessene Tote“ ist ein moderner Kriminalroman der alten englischen Schule. Darin liegt kein Widerspruch, setzt man die „alte Schule“ mit jener Sorgfalt gleich, die angelsächsische Krimi-Meister beiderlei Geschlechts seit vielen Jahren in ein Genre investieren, das von der hehren Literaturkritik lange und zum Teil noch heute als schnöde Unterhaltung abqualifiziert wird – was selbst dann Unrecht wäre, träfe es zu.

Verbrechen – Ermittlungsstart – Irrtum und Sackgasse – Einkreisung des Täters – logische aber überraschende Auflösung: Die Eckpfeiler des „Whodunit“ stehen fest in diesem Roman, der darüber hinaus in der unmittelbaren Gegenwart wurzelt und sich keineswegs in jene welt- bzw. alltagsabgeschiedenen Winkel zurückzieht, in denen sich der Rätselkrimi gern ansiedelt. Kingsmarkham mag eine fiktive Stadt sein, doch die geschilderten Probleme spiegeln die gegenwärtige Realität sehr wohl wider.

|Kriminalistisches Treiben jenseits der Mode|

Der Plot ist angemessen verzwickt aber nicht überkonstruiert. Gleich zwei Skelette unterschiedlichen Ablagealters werden entdeckt. Die vom Krimi lesenden Publikum erwartete Spannung resultiert u. a. aus der Frage, ob und in welchem Zusammenhang diese beiden Leichen stehen. Rendell biegt für den gewünschten Effekt die Gesetze der Wahrscheinlichkeit ein wenig zurecht, was indes höchstens den Puristen stören wird, für den glasklare (Krimi-) Logik das Maß aller Dinge ist.

Die gibt es hier nicht, und sie wird auch nicht vermisst, denn Rendell hat die Handlung so gut im Griff, dass logische Brüche und Schlampigkeiten im Detail – wieso kann ein Hund ausbuddeln, was vor Jahren mehr als metertief begraben wurde? – zur Kenntnis aber nicht übelgenommen werden. Außerdem liebt die Realität manchmal obskure Zufälle, die aufzugreifen sich mancher Schriftsteller nicht trauen würde.

Das Tempo ist gemächlich, denn die Ermittlungen werden von Profis durchgeführt, die ihren Job verstehen. In Kingsmarkham ist der Revieralltag nicht von Mobbing und Konkurrenzkämpfen gekennzeichnet, ohne die der moderne britische Polizei-Thriller kaum mehr auszukommen scheint. Zwar gibt es Konflikte, doch letztlich ziehen alle im Dienst der Sache – die hier altmodische Gerechtigkeit heißt – an einem Strang.

|Wiedersehen mit alten Bekannten|

Was moderne kriminalistische Techniken betrifft, bleibt Rendell eher vage. Ihre Krimis kommen ohne CSI-Wunder aus. Computer werden erwähnt, Handys genutzt, aber generell bleibt dieser Teil des Polizeiapparates im Hintergrund. Ermittelt wird noch vor Ort und mit sehr viel Fußarbeit. Rendell kann sich hier geschickt auf ihre Hauptfigur berufen: Wexford ist ein Veteran, der die Hightech akzeptiert, sie aber nicht selbst bedient. Einerseits muss er das aufgrund seines inzwischen erreichten Ranges nicht, andererseits will und kann er es im fortgeschrittenen Lebens- und Dienstalter nicht mehr. Dies passt zu ihm, denn Wexford ist ein Kriminalist, der Fakten nicht digital zusammenpuzzeln lässt, sondern sie analog im eigenen Schädel wälzt, bis sie sich zu einem Mosaik fügen, das die Tatgeschichte widerspiegelt.

Inzwischen haben Rendells Leser Wexfords Leben beruflich wie privat mehr als vier Jahrzehnte verfolgt. Der Inspektor ist älter geworden, aber er altert nicht in realen Jahren. Beliebte Nebenfiguren wie der Kollege und Freund Michael Burden treten auf, selbstverständlich sind auch Gattin Dora und der Rest der Familie wieder mit an Bord. Frühere Wexford-Krimis werden angesprochen; es hat sich über die Jahre eine Chronik entwickelt, die nicht nur die Familie Wexford, sondern auch die Stadt Kingsmarkham erfasst. Sie hat sich seit 1964 stark verändert, was das kriminelle Milieu ausdrücklich einschließt.

Schon früh wurden Wexford und seine Familie zu Schnittpunkten, an denen Rendell krimiferne Elemente knüpfen konnte. Der Polizist ist immer auch Mensch, und die Berücksichtigung dieses Aspekts ist im Krimi der Jetztzeit eine Selbstverständlichkeit – leider, muss man oft sagen, da die Grenze zwischen vertiefter Charakterisierung und Seifenoper schmal bzw. schmierig ist. Zwar begeht Rendell nicht den Fehler, den Krimi zum Beziehungsdrama mit schmückendem Krimi-Beiwerk herunterkommen zu lassen und ihre Werke dabei immer weiter aufzublähen – der Elizabeth-George-Faktor -, doch sie ist nicht immun gegen die Verlockung, ihre beliebten Krimis als Plattform für Botschaften zu nutzen, die ihr jenseits der Krimispannung wichtig sind.

|Politisch korrekt & mit Botschaft|

Noch als ironische Übertreibung könnte man den Eifer werten, mit der einige Rendell-Figuren sich in politisch korrektem Gutmenschentum förmlich aufreiben. Vor allem Detective Sergeant Hannah Goldsmith überschreitet mit ihrem unkontrollierbar gegen Chauvinisten und Umweltverschmutzer gerichteten Beißreflex die Grenze zur Lächerlichkeit. Allerdings gehört Rendell einer Frauengeneration an, die sich ihre Rechte buchstäblich erkämpfen musste und deshalb weiterhin wachsam mit dem Gewehr bei Fuß bereitsteht.

Zur Predigt entartet Rendell ein Subplot, der mit dem eigentlichen Kriminalfall nichts zu tun hat: Wexford und eine Gruppe ähnlich gesonnener Aktivisten bemühen sich, ein somalisches Mädchen vor der traditionellen Beschneidung zu retten. Zwar ist dieser barbarische Akt nicht nur in England gesetzlich verboten, doch er wird heimlich und notfalls im Rahmen eines Auslands-‚Urlaubs‘ vollzogen. Das Problem wird gern verdrängt, da die Beschneidung zu jenen undankbaren Themen gehört, mit denen man sich politisch nur in die Nesseln setzen kann. Rendell bezieht Stellung, doch ein Kriminalroman ist dafür der falsche Ort, wenn dies so didaktisch, mit betroffen erhobenem Zeigefinger und im Stil einer staatlichen Aufklärungsbroschüre vermittelt bzw. der Geschichte aufgeladen wird.

Die Wexford-Serie wird diesen unnötigen, selbst verursachten Tiefschlag überstehen. Schon die früheren 20 Bände waren nicht durchweg gelungen. Immer kam jedoch ein neuer Krimi, der den Leser wieder versöhnte. Auch dieses Mal kann man darauf hoffen, denn Rendell ist keineswegs im Ruhestand: Nach „Der vergessene Tote“ erschienen bereits zwei weitere Wexford-Krimis – eine erfreuliche Information.

_Autorin_

Ruth Rendell wurde 1930 in South Woodford/London geboren. Sie arbeitete zunächst als Journalistin, bevor sie sich als Schriftstellerei selbstständig machte. Hier schreibt sie als Ruth Rendell die seit vier Jahrzehnten bei Kritik und Publikum ungemein beliebten Inspektor-Wexford-Romane. Unter dem Pseudonym „Barbara Vine“ verfasst Rendell serienungebundene Bücher, die weg vom klassischen Krimi eher psychologisch die menschlichen Abgründe ausloten.

Rendell hat bisher mehr als fünfzig Romane sowie unzählige Kurzgeschichten vorgelegt. Ihr erstaunliches Arbeitstempo geht mit einer bemerkenswerten Niveaustabilität einher. Nicht nur Verlage und Medien feiern sie deshalb als „Königin der Kriminalliteratur“. Auch ihre Kolleginnen und Kollegen zollen ihr Anerkennung: Allein drei Mal wurde Rendell mit dem Edgar Allan Poe Award ausgezeichnet. Königin Elizabeth II., die auch einen guten Krimi schätzt, hat sie in den Adelsstand erhoben. Dame Ruth Rendell lebt und arbeitet in London.

|Taschenbuch: 348 Seiten
Originaltitel: Not in the Flesh (London : Hutchinson 2007)
Übersetzung: Eva L. Wahser
ISBN-13: 978-3-442-37979-8|
http://www.randhomhouse.de/blanvalet

_Ruth Rendell bei |Buchwurm.info|:_
[„Unschuld des Wassers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6442

Deas, Stephen – goldene Feuer, Das (Drachenthron 3)

Der Drachenthron:

Band 1: „Der Adamantpalast“
Band 2: „Der König der Felsen“
Band 3: „Das goldene Feuer“
Band 4: „The Black Mausoleum“ (noch ohne dt. Titel)

Kithyr, der Blutmagier, hat den Adamantspeer des Sprechers gestohlen. Doch obwohl er nicht an die Mythen glaubt, die sich um dieses uralte Artefakt ranken, scheint der Speer tatsächlich mehr zu sein als nur eine Waffe …

Jehal, der nur zu bereit war, den Speer für sein Leben einzutauschen, muss derweil feststellen, dass Zafir nicht nur den Angriff bei Evenspire überlebt, sondern auch sofort zum Gegenschlag ausgeholt und Lystra samt ihrem Neugeborenen als Geiseln genommen hat.

Hyrkallan schäumt seit dem Untergang Evenspires vor Wut und würde am liebsten einen Krieg vom Zaun brechen. Solange er allerdings nicht mit Jaslyn verheiratet ist, hat er keinerlei Befehlsgewalt, und Jaslyn weigert sich, den Drachen zu verlassen, den sie für ihren wiedergeborenen Vidar hält …

Jeiros versucht derweil, den Zankhähnen klar zu machen, dass die Drachen eine weit größere Gefahr darstellen als politische Rivalen, weil die alchemistischen Tränke zur Neige gehen.

Schneeflocke wiederum hat beschlossen, dass sie Kemir für ihren weiteren Feldzug zur Befreiung der anderen Drachen nicht mehr braucht …

Der dritte Band des Drachenthron-Zyklus wartet mit Charakterentwicklungen der eher unerwarteten Art auf:

Kemir war als Söldner schon immer hart gesotten, und inzwischen wird ihm nicht einmal mehr schlecht, wenn Schneeflocke mit ihren Opfern spielt. Und doch hat der enge Kontakt mit der Gleichgültigkeit der Drachen gegenüber jedwedem menschlichen Leid Spuren hinterlassen. Kemir scheint der Gewalt müde.

Aber auch Schneeflocke hat sich offenbar durch den verstärkten Kontakt mit Artgenossen verändert. War sie im letzten Band noch bereit, sich auf Kemir einzulassen, scheint er ihr inzwischen nur noch lästig zu sein.

Am verblüffendsten jedoch war Jehals Entwicklung. Er scheint das Schicksal seines Onkels tatsächlich zu bedauern, noch erstaunlicher war sein versiegendes Interesse an allem, was mit Politik und Intrige zu tun hat. Sein plötzlich erwachtes Verantwortungsbewusstsein setzte dem Ganzen schließlich die Krone auf.

Eine Enttäuschung war dagegen Jaslyn. Sie taucht lediglich in zwei oder drei Szenen auf, und ihr Drachenwahn hat sie so eindimensional werden lassen, dass sie kaum noch als Person zu bezeichnen ist.

Einerseits war das alles durchaus gut gemacht. Andererseits mangelt es dem Buch mehr denn je an einer Identifikationsfigur, denn Jaslyn taugt aufgrund ihrer Einschränkung bestenfalls noch als Spielstein. Außerdem ist der Handlung durch Jehals Entwicklung derjenige Charakter mit dem meisten Biß verloren gegangen. Bleiben Zafir, Kithyr und Schneeflocke. Und Vidar… obwohl dieser als eigenständiger Charakter bisher nicht allzu viel verspricht. Vorerst ist er – Schneeflockes Aussagen zum Trotz – einfach nur rachedurstig und mordlüstern, von den Überlegungen, der Intelligenz und Lernfähigkeit, die Schneeflocke an den Tag legt, war bei ihm in diesem Band nichts zu spüren. Ob sich das noch ändert, wird sich zeigen.

Tatsächlich ist die Person Kithyrs wohl die interessanteste von allen. Die Informationen, die der Leser gleich zu Beginn des Buches erhält, werfen eine Menge neuer Fragen auf. Und sie verschieben die Gewichtung hin zu den Taiykatei, die am Ende dieses ersten Bandes zum ersten Mal als eigenständige Personen auftauchen, und nicht nur als Bezeichnung für eine fremde Rasse. Ihre Motive, Ziele und Pläne bleiben allerdings noch immer unerwähnt. Der Leser weiß, dass sie unbedingt Drachen wollen, aber nicht wofür. Dasselbe gilt für den Adamantspeer.

Die Verlagerung dieses Artefaktes aus einem staubigen Keller hinein ins Geschehen verändert ebenfalls die Balance der Geschichte. Auf einmal wird die Vergangenheit des Kontinentes interessant, all die alten Geschichten, die von Königen, Alchemisten, Gardisten und Drachenreitern gleichermaßen für bloße Legenden gehalten werden. Und mit ihr die Magie. Die silbernen Männer, um die Schneeflocke bisher bewusst einen weiten Bogen gemacht hat, scheinen über Fähigkeiten zu verfügen, die sich von denen Kithyrs oder denen der Alchemisten grundlegend unterscheiden.

Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die Demontage von Figuren wie Jehal, Jaslyn und Kemir den Weg freigemacht haben für eine Ausweitung des Ereignishorizonts. Das Geschehen des nächsten Bandes wird sich nicht mehr auf kleine Konkurrenzkämpfe zwischen rivalisierenden Königen um Macht und Reichtum beschränken, sondern ein zweites, ein fremdes Volk miteinbeziehen, das mit dem bisher beschriebenen lediglich durch die Existenz der Drachen verbunden zu sein scheint. Auf jeden Fall bietet sich hier eine Fülle von Möglichkeiten in jeglicher Hinsicht: Magie, historischer Hintergrund, Kultur.

Vielleicht wird es dann auch ein wenig spannender. Denn Spannung ist noch immer das eine Detail, das diesem Zyklus ein wenig fehlt. Daran haben weder die vielen Ärgernisse, mit denen Kemir sich herumschlagen muss, etwas geändert, noch das Duell zwischen Zefir und Lystra, nicht die große Schlacht zwischen zwei Dracheheeren und auch nicht der Kampf um den Adamantpalast. Nicht einmal das drohende Verhängnis, das der Leser dank Jeiros auf die Welt zukommen sieht, schafft das. dass es Stephen Deas gelungen ist, immer wieder für Überraschungen zu sorgen, dass die Entwicklung der Handlung nie wirklich vorhersehbar ist, reichte für Abwechslung, für Kurzweil, für wachgehaltenes Interesse. Aber nicht für feuchte Hände oder gar abgekaute Nägel.

Ich persönlich würde ich diesen Band nur knapp auf denselben Rang wie Band eins einstufen. Die Drachen haben sich in der Tat zu den mächtigsten und gefährlichsten Geschöpfen der Fantasy entwickelt, das Attribut geheimnisvoll trifft allerdings kaum noch zu. Bestenfalls könnte man sie noch als unberechenbar bezeichnen. Für mich haben sie damit jegliche Anziehungskraft verloren, was übrig bleibt, ist lediglich einer von mehreren Machtfaktoren. Die Charakterzeichnung ist von gleicher Qualität wie bisher, bietet aber noch immer keinen Sympathieträger. Dieses Manko stellt den Hauptspannungskiller dar, denn wenn einem die Leute, von denen man umgeben ist, bestenfalls gleichgültig sind, mit wem soll man dann mitfiebern?

Was das Buch trotz all dem lesenswert macht, ist die Entwicklung der Handlung. Stephen Deas sorgt geschickt dafür, dass immer, wenn das Potenzial eines Aspektes ausgeschöpft ist, ein anderer bereitsteht, um die Lücke zu füllen. Und der Ausblick auf den nächsten Band verspricht eine ganze Menge neues Potential, auch in Bezug auf die Figurenriege, die durch die Taiytakei zwangsläufig eine Erweiterung erfahren wird. Vielleicht findet sich unter den neuen Charakteren ja endlich auch jemand, der sympathisch genug ist, um den Leser auf seine Seite zu ziehen.

Stephen Deas ist Engländer und arbeitete nach einem abgeschlossenen Physikstudium in der Raumfahrttechnik, ehe er mit „Der Drachenthron“ seinen ersten Roman veröffentlichte. Seither ist er fleißig mit Schreiben beschäftigt. Der vierte Band des Zyklus erschien in England im August letzten Jahres unter dem Titel „The Black Mausoleum“. Außerdem ist der Zyklus Memory of Flames inzwischen bis Band vier gediehen, auf Deutsch bisher aber nicht erhältlich.

Taschenbuch 528 Seiten
Originaltitel „The Order of the Scales“
Deutsch von Beate Brammertz
ISBN-13: 978-3-453-52532-0

www.stephendeas.com
www.randomhouse.de/heyne

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

MacBride, Stuart – Knochensplitter (Logan McRae 7)

_|Logan McRae|:_

01 [„Die dunklen Wasser von Aberdeen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2917
02 [„Dying light“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6758
= [„Die Stunde des Mörders“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3739
03 [„Der erste Tropfen Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4940
04 [„Flesh House“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6760
= [„Blut und Knochen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5792
05 „Blinde Zeugen“
06 [„Dunkles Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7164
07 [„Shatter the Bones“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8190
= _“Knochensplitter“_

_Das geschieht:_

Der ohnehin hektische Alltag der Grampian Police im ostschottischen Aberdeen hat sich zum permanenten Ausnahmezustand gesteigert, seit vor sechs Tagen Alison McGregor und ihre sechsjährige Tochter Jenny entführt wurden. Sie hatten als Gesangsduo an der Fernseh-Casting-Show „Britain’s Next Big Star“ teilgenommen und die Zuschauer zu Tränen gerührt.

Die Kidnapper haben Mutter und Tochter aus ihrem Haus entführt. Sie stellen keine Lösegeldforderung, sondern fordern die Fans der Alisons auf, Geld zu sammeln, das sie nach Ablauf einer nicht genannten Frist einfordern werden. Sollte die Summe zu gering ausfallen, werden Alison und Jenny umgebracht. Um zu zeigen, dass es ihnen Ernst ist, schicken die Entführer der Polizei einen abgeschnittenen Kinderzeh.

Auch Detective Sergeant Logan McRae ist in die Fahndung eingespannt, obwohl ihm mindestens ein ungelöster Fall zusätzlich zu schaffen macht: Eine drogensüchtige Frau wurde wahrscheinlich von Gangstern entführt, die eine Geldschuld eintreiben wollen, und schwebt in Lebensgefahr. Ihr Lebensgefährte macht McRae dafür verantwortlich und droht mit gewaltsamen Konsequenzen.

Im Büro stößt McRae nicht nur die üblichen Kollegen vor die Köpfe. Der arrogante Superintendent Green von der „Serious Organized Crime Agency“ mischt sich in die Ermittlungen ein. Während McRaes unkonventionelle Vorgesetzte Roberta Steel dessen ‚Vorschläge‘ zu ignorieren weiß, tritt McRae in jedes mögliche Fettnäpfchen. Daheim fordert Freundin Samantha mehr Anwesenheit, die McRae nicht bieten kann, da sich umso stärker in den Fall McGregor verbeißt, je länger die Entführung dauert. Obwohl die Täter keinerlei verräterischen Indizien hinterlassen haben, kommt ihnen der zähe Beamte allmählich auf die Schliche. Allerdings vernachlässigt McRae dabei seine Deckung auf anderen Kriegsschauplätzen und muss bitter dafür büßen …

_Kollektiver & kommerzieller Irrwitz_

Über das Phänomen der TV-Casting-Shows haben sich Mahner ebenso wie Spötter in den vergangenen Jahren mehr als ausgiebig und oft sogar klug geäußert. Diese Veranstaltungen haben ihren Titel längst zur Travestie verkommen lassen, da die Teilnehmer nur vorgeblich gecastet, sondern in erster Linie vorgeführt und ausgebeutet werden.

Das Seltsame und Beunruhigende ist die krude Kumpanei, die zwischen den Teilnehmern, den Ausrichtern besagter Shows und deren Publikum existiert: Sie wissen alle um die Verlogenheit dieser Programme. Nach Jahren des immer gleichen Getöses haben auch die Dümmsten begriffen, dass die Teilnahme an oder gar der Sieg in einer solchen Show keineswegs mit dem Startschuss zu einer Märchenkarriere gleichzusetzen ist. Seit dem Zeitalter der römischen Arena-Kämpfe ist das Publikum keineswegs reifer geworden. Weiterhin giert es nach neuen Sensationen bzw. neuen Köpfen, auf wenn diese heute nicht mehr (oder noch nicht wieder) abgeschlagen werden. Kandidaten werden dennoch wie Gladiatoren verheizt; kaum hat man ihnen den Siegeslorbeer aufgesetzt, hetzt man sie in den nächsten Kampf. Ist der letzte Tropfen Blut aus ihnen herausgepresst, lässt man sie fallen.

Wie gesagt haben dies auch die Kandidaten selbst begriffen, was sie nicht abhält, sich in die sinnlose Schlacht zu stürzen. Stuart MacBride geht nun einen Schritt weiter – oder zurück, indem er das Vorbild der antiken Spiele nutzt, um abermals Blut fließen zu lassen. Dies geschieht unter einer simplen Fragestellung: Wie weit gehst du als Kandidat, um dem Teufelskreis zu entrinnen? MacBride findet eine konsequente, drastische und sehr unbehagliche Antwort.

|Alltäglicher Jammer im Glanz der Übertreibung|

Die Logan-McRae-Romane boten dem Leser schon immer harten Stoff. Ohnehin brutale Verbrechen werden bizarr bis zur Schmerzgrenze (und gern darüber hinaus) gesteigert. MacBrides Kritiker werfen ihm Zynismus auf der Suche nach dem grellsten Effekt vor. Sie übersehen – oder wollen übersehen -, dass die Intensität der Darstellung sehr wohl einen Zweck verfolgt: Den (Zeige-) Finger in die Wunde zu legen oder ihn gar predigend zu erheben, hat selten zur Besserung eines Missstandes geführt. Der Mensch ist durchaus willens zu helfen, doch er hasst es, belehrt oder gezwungen zu werden.

Seit jeher bietet Unterhaltung eine Möglichkeit, Nachdenklichkeit dort zu erzeugen, wo Eifer und Didaktik ins Leere laufen. MacBride mag auf einem selbst angefachten Vulkan tanzen, doch man gibt ihm Recht, wenn er konstatiert, dass die moderne Gesellschaft aus dem Lot geraten ist. In früheren Romanen hat er skrupelarme Politiker, profitfixierte Konzerne oder das organisierte Verbrechen karikiert und dennoch in ihrer alltäglichen Erbärmlichkeit offenbart. Dieses Mal nimmt MacBride gezielt die Medien bzw. die Mediengeilheit einer ihnen hörigen Gesellschaft aufs Korn, ohne dabei die üblichen Feindbilder zu vernachlässigen.

Denn das Verbrechen gedeiht deshalb so prächtig (und nicht nur in Aberdeen), weil die Mächtigen und Skrupellosen dieser Welt miteinander vernetzt sind. Eine Hand wäscht die andere. Den Letzten in dieser Kette beißen die Hunde, weshalb jede/r tunlichst bemüht ist, einen noch Schwächeren zu finden, den man dorthin schubsen kann. In „Knochensplitter“ ist die Reihe dieser Trittbrettfahrer besonders lang.

|Die Festungsmauern bröckeln|

Auf zunehmend einsamerem Posten steht das Gesetz oder besser: die Polizei, die in McRaes Welt des alltäglichen Wahnsinns dazu verurteilt ist, ihm Geltung zu verschaffen. In diesem Punkt folgt MacBride dem Beispiel des US-Kollegen Joseph Wambaugh, der vor allem in den 1970er und 80er Jahren in seinen Cop-Krimis sehr präzise nachgezeichnet hat, wie grundsätzlich und ursprünglich engagierte Männer und Frauen verrohen, zynisch werden und schließlich ausbrennen, wenn sie an sämtlichen Fronten unter Feuer genommen werden.

„Fort Apache“ nennen die Beamten ihr Polizeirevier in Heywood Goulds Cop-Krimi-Klassiker „The Bronx“ (1984), denn sie wähnen sich mitten im Feindesland. In Aberdeen ist man ähnlich isoliert. Längst hat der Feind jedoch auch im Inneren der Festung Fuß gefasst. Die Polizisten kämpfen nicht nur gegen eine Kriminalität, die sie allein in der Quantität der begangenen Taten überfordert. Immer wieder schwelgt MacBride in Szenen, die seine Polizisten im Kampf mit den Tücken einer Ausrüstung zeigen, die veraltet oder defekt ist oder gänzlich fehlt.

Der Verfall greift auf eine zunehmend abgestumpfte Gesellschaft über: |“Logan … schaute aus dem Fenster … Drei Stockwerke tiefer, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, pinkelte jemand in das offene Verdeck eines falsch parkenden Porsche – direkt vor dem Präsidium der Grampion Police. Ein solches Ausmaß an Dummheit konnte man nur bewundern.“| (S. 435) „Knochensplitter“ ist eine Fundgrube entsprechender Szenen: In Kleinigkeiten spiegelt sich der Vormarsch einer längst nicht mehr schleichenden Apokalypse wider.

Zum effektiven Helfershelfer wird die Bürokratie. „Rationalisierung“ wird beschönigend genannt, was realiter als Verteilung immer neuer Pflichten auf immer weniger Beamte umgesetzt wird. Der Papierkram nimmt auch im angeblich digitalen Zeitalter stetig zu, denn hungrige Anwälte und die Medien warten auf den kleinsten Fehler, um daraus Kapital zu schlagen. Dieses Mal sitzen McRae und seine (zu) wenigen Mitstreiter in einem ‚Büro‘, dessen unverputzte Wände mit Plastikfolien abgedeckt werden und deren Inventar die Beamten aus dem Sperrmüll ziehen müssen.

|Der Krug & der Brunnen|

Im siebten Band steigert sich das Trommelfeuer auf Logan McRae noch einmal. Er wird u. a. von einem Rottweiler angefallen und gleich mehrfach niedergeschlagen, man brennt seine Wohnung nieder, ständig regnet es, und jeder Vorgesetzte sitzt ihm nicht nur im Nacken, sondern an der Kehle. Zwar reagiert McRae lange mit der üblichen Mischung aus Resignation und mühsam verschleierter Unbotmäßigkeit, doch sein Panzer bekommt dieses Mal nicht nur Risse. Die ungerechte Welt dringt buchstäblich zu seinem ungeschützten Inneren vor. Das hat Folgen: McRae verbündet sich mit einem Gangsterboss, um einen Verdächtigen zu schnappen, dessen die Polizei nicht habhaft wird, um Selbstjustiz zu üben. Hier bleibt der Humor vollständig ausgeblendet.

Dies betrifft auch jene Szenen, in denen MacBride das erlittene Martyrium aus der Sicht der entführten Jenny beschreibt. Ohne Rücksicht auf ein Unbehagen, das die Misshandlung ’nur‘ eines fiktiven Kindes auskommen lässt, dokumentiert der Autor ein grausames Verbrechen, dessen düstere Wirkung durch eine Auflösung gesteigert wird, die Täter und Opfer zu Komplizen macht.

Wenn Polizisten im Buch oder Film ausgelaugt sind, kommt garantiert der Moment, indem sie den Bettel hinwerfen wollen. Dann muss der müde Krieger wieder aufgebaut werden. Außerdem ist er ohnehin ein Ritter, der ohne den Dienst für die Gerechtigkeit gar nicht leben könnte. Im Finale ist die Krise überwunden, der nächste Fall kann kommen. Wie es mit Logan McRae weitergeht, ist offen. Zumindest persönlich verlassen wir Leser ihn am absoluten Tiefpunkt seines Lebens. Der nächste Band ist bereits geschrieben. Es geht also weiter, aber ob oder besser: wie und mit einem (gegen alle Wahrscheinlichkeit sogar beförderten) McRae, bleibt spannungssteigernd ungewiss.

_Autor_

Stuart MacBride wurde im schottischen Dumbarton geboren. Die Familie zog wenig später nach Aberdeen um, wo Stuart aufwuchs und zur Schule ging. Studiert hat er an der University in Edinburgh, die er indes verließ, um sich in verschiedenen Jobs (Designer, Schauspieler, Sprecher usw.) zu versuchen. Nach seiner Heirat begann MacBride Websites zu erstellen, stieg bis zum Webmanager auf, stieg in die Programmierung ein und betätigte sich in weiteren Bereichen der Neuen Medien.

Stuart MacBride lebt heute wieder in Aberdeen.

|Gebunden: 510 Seiten
Originaltitel: Shatter the Bones (London : HarperCollinsPublishers 2011)
Übersetzung: Andreas Jäger
ISBN-13: 978-3-442-54699-2
Als eBook: 718 KB
ISBN-13: 978-3-641-09437-9|

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|Als (ungekürztes) Hörbuch (gelesen von Detlef Bierstedt): 914 min.
ISBN-13: 978-3-8445-0876-5|
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Holger Willi Montag – Reisen mit Pippo

Roadtrip nach Apulien

„Was tun, wenn der Großvater stirbt und die Erfüllung dessen letzten Wunsches – in der süditalienischen Heimat bestattet zu werden – […] scheitert?“ – so der Klappentext des im Jahr 2003 erschienen Debütromans „Reisen mit Pippo“ von Holger Willi Montag. „Für Luca Hübschen gibt es nur eine Lösung: Den toten Giuseppe – genannt Pippo – selbst die 2000 Kilometer von Saarbrücken nach Apulien zu transportieren, und zwar mit Hilfe seiner Freundin Steffi und seines betagten Fiat 500 ‚Cinquecento‘.“

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Gray, John – Von Menschen und anderen Tieren – Abschied vom Humanismus

Irgendwie neigt die Beschäftigung mit Philosophie dazu auszuufern. Nun muss ich gestehen, dass ich keinesfalls ein Philosophie-Experte bin. Genau genommen ist Grays Buch das erste philosophische Buch, das ich vollständig gelesen habe. Ich nehme deshalb an, dass ich nach Grays Ansicht zu der Gruppe „reflektierter Zeitgenossen“ …(wie kann man Menschen reflektieren?) …gehöre, deren „unreflektierte Überzeugungen“ er laut Vorwort angreifen möchte. Sollte das der Fall gewesen sein, kann der Autor zumindest von sich sagen, dass sein Buch mich zur Reflexion gebracht hat. Ob ihm das Ergebnis gefallen würde, werden wir sehen …

In „Von Menschen und anderen Tieren“ kritisiert Gray den Humanismus und vertritt dabei – unter anderem – folgende Standpunkte:

1. Der Mensch unterscheidet sich nicht wesentlich vom Tier.
2. Es gibt kein in sich geschlossenes, kontinuierliches, menschliches Selbst.
3. Der Mensch besitzt keinen freien Willen und ist deshalb auch nicht für seine Entscheidungen verantwortlich

Diese drei habe ich unter mehreren Punkten herausgegriffen, um den Umfang wenigstens ein klein wenig zu begrenzen.

1. Der Mensch unterscheidet sich nicht wesentlich vom Tier.

Zunächst als Beleg dafür, dass Gray diese These vertritt, hier eine kleine Auswahl an Zitaten:

Zitat S. 17 Absatz 2 Satz 1 und 2:
„Um zu erkennen, dass wir den Tieren zuzurechnen sind, müssen wir nicht Darwin bemühen. Ein Blick darauf, wie wir leben, führt zum selben Schluss.“

Zitat S. 42, Absatz 3, Satz 4:
„[…], den vor-darwinistischen Irrtum wieder aufleben zu lassen, die Menschen seien anders als alle anderen Tiere.“

Zitat S. 70, Absatz 4, Satz 2:
„Doch auch nach all der Denkarbeit, die [diverse Philosophen] geleistet haben, können wir uns nicht sicherer sein als andere Tiere, dass die Sonne morgen aufgehen wird.“

Nun, dieser Ansicht kann man sein. Zumindest, bis man die nächste Seite liest.

Zitat S. 71, Absatz 1, Satz 2:
„Das spezifisch Menschliche ist nicht das Sprachvermögen, sondern die Kristallisation der Sprache in der Schrift.“

Zitat S. 71, Absatz 3, Satz 1:
„Schrift erzeugt ein künstliches Gedächtnis, mit deren Hilfe der Mensch seinen Erfahrungshorizont […] ausweiten kann.“

Ein Philosoph, der seine eigene These selbst widerlegt, unmittelbar, nachdem er sie aufgestellt hat! Interessant!

Tatsache ist, dass der Mensch das einzige Tier ist, das vollkommen anders lebt als seine Mitgeschöpfe. Keine andere Spezies nutzt Werkzeuge und Feuer im selben Ausmaß; nichts lässt erkennen, dass andere Spezies sich Gedanken um die Zukunft machen, wie es zum Beispiel die Bestattungsriten der Menschen seit der Steinzeit erkennen lassen; und keine andere Spezies hat den Planeten so massiv beeinflusst und verändert wie der Mensch.

Ja, der Mensch ist ein Tier. Aber nicht, weil er lebt wie andere Tiere. Sondern weil am Beginn seines Stammbaumes dieselben Einzeller stehen wie bei Hummern, Libellen, Quallen und Rindviechern. Und dass der Mensch ein Tier ist, heißt das nicht, dass er sich nicht von allen anderen Tieren gravierend unterscheiden kann.

2. Es gibt kein in sich geschlossenes, kontinuierliches, menschliches Selbst.

Zitat Seite 88, Absatz 4, Satz 1:
„Dem Identitätserleben liegt kein kohärenter Wesenskern zugrunde.“

Zitat Seite 89, Absatz 4, Satz 3:
„Wahrnehmung und Verhalten vollziehen sich sowohl beim Menschen als auch in einer Insektenkolonie, als gäbe es ein lenkendes Selbst, das aber in Wirklichkeit nicht existiert.“

Diese These stützt sich vor allem auf Erkenntnisse der Neurologie. Das Bewusstsein des Menschen selektiert. Nur ein winziger Bruchteil – etwa ein Millionstel – aller Sinneseindrücke kommt dort an, und wir können nicht beeinflussen, welche. Auf die meisten Situationen reagieren wir unbewusst.

Nun wird die Identität, das „Selbst“ eines Menschen, in diesem Kontext definiert durch die Summe seiner Handlungen. Da das menschliche Handeln aber nur zu einem verschwindend geringen Anteil bewusst ablaufe, könne auch das „Selbst“ bestenfalls ein bruchstückhaftes, unvollständiges, sich stets wandelndes Etwas sein, ein Sammelsurium aus kurzen Momentaufnahmen.

Dass das Handeln des Menschen dennoch eine starke Strukturiertheit aufweist, erklärt Gray mit einem Phänomen, das im Zusammenhang mit Ameisen, Termiten oder Bienen als „Gruppenseele“ beschrieben wird, die allerdings eine Eigenschaft der Spezies sei, und nicht des Individuums. Die Handlung erfolgt demnach als Reaktion auf lokale Komponenten. Sprich: versetze eine Brutpflegetermite aus dem Stock nach draußen, und sie wird anfangen, Futter zu sammeln. Setze sie zurück, und sie wird wieder Maden füttern.

Demnach müsste ein Mongole, den man nach Polynesien versetzt, völlig selbstverständlich in ein Kanu steigen und zum Fischen fahren.
Ich denke nicht, dass es wirklich so einfach ist!
Nun gut, nehmen wir ein weniger krasses Beispiel:
Ein Systeminformatiker, der den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, wird auf eine Baustelle geschickt, um dort eine Ziegelmauer hochzuziehen.

Sieht so aus, als wäre das Vorbild der Insektenstaaten nicht so einfach auf den Menschen übertragbar. Jedenfalls nicht innerhalb der Bereiche der gesellschaftstragenden Arbeitsteilung. Bestenfalls funktioniert das auf der Ebene der unbewussten Tätigkeiten wie „in Hausschuhe schlüpfen“ oder „die Toilettenspülung betätigen“. Ich glaube aber nicht, dass das „Selbst“ irgendeines Menschen sich danach definiert, welche Hausschuhe er trägt, oder mit welcher Hand er die Spültaste betätigt! Selbst dann nicht, wenn Handlungen wie diese 999.999 Millionstel seiner Gesamttätigkeit ausmachten.

Da andere Tiere oft wesentlich leistungsfähigere Sinnesorgane haben als Menschen, dürfen wir wohl getrost davon ausgehen, dass auch sie ihre Eindrücke in irgendeiner Form selektieren, je nachdem, was für sie relevant ist.

Das menschliche Bewusstsein mag im Vergleich zum gesamten Sinneseindruck bruchstückhaft sein. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass daraus kein „Selbst“ entstehen kann. Vielleicht setzt es sich nur vorwiegend aus den Eindrücken und Erfahrungen zusammen, die es als relevant erachtet. Wie Mosaike beweisen, kann auch eine Ansammlung vieler loser Steine ein sinnvolles Bild ergeben, wenn man sie richtig anordnet. dass es mehrere Möglichkeiten gibt, die Steine zu Bildern zu fügen, bedeutet lediglich, dass niemand vorher sagen kann, auf welche Weise ein Eindruck oder eine Erfahrung das „Selbst“ eines Menschen beeinflussen wird. Es bestreitet auch niemand, dass neue Erfahrungen Veränderungen bewirken. Das schließt die Existenz eines „Selbst“ aber nicht aus. Womöglich hat die Neurologie einfach bloß noch nicht herausgefunden, wie genau es entsteht.

3. Der Mensch besitzt keinen freien Willen.

Zitat Seite 81, Absatz 4, Satz 2:
„[…], dass der neurologische Impuls, der ein Verhalten initiiert, eine halbe Sekunde vor der bewussten Entscheidung zum Handeln auftritt.“

Gray zieht daraus den Schluss, dass wir

Zitat Seite 83, Absatz 2, Satz 1:
„In dem Augenblick, in dem wir zu einer Handlung ansetzen, noch gar kein Bewusstsein davon , wie wir handeln werden.“

dass Willensfreiheit folglich eine Illusion ist.

Gegen diese These zu argumentieren, fällt etwas schwer, weil Gray kein Wort darüber verliert, wie der neurologische Test aussah, der das obige Ergebnis erbracht hat. Dabei ist eine Bewertung des Ergebnisses ohne das Wissen über den Versuchsaufbau gar nicht möglich. Zum Beispiel spielt die Frage, welche Entscheidung das „Versuchskaninchen“ denn treffen sollte, eine ziemlich große Rolle, genauso wie die möglichen Konsequenzen der Entscheidung.

Um bei dem literarischen Beispiel zu bleiben, das Gray selbst zur Veranschaulichung herangezogen hat:

Der junge Seeoffizier, der – nachdem seine sämtlichen Vorgesetzten das sinkende Schiff bereits verlassen haben – nach kurzem Zögern ebenfalls noch ins Rettungsboot gesprungen ist, obwohl sämtliche Passagiere noch an Bord waren, musste damit rechnen, dass er die Entscheidung zu bleiben womöglich mit dem Leben bezahlen würde, und er musste seine Entscheidung schnell treffen, möglichst, bevor das Rettungsboot abgelegt hatte.

Eine solche Entscheidung ist nicht vergleichbar mit der Entscheidung darüber, ob man grundsätzlich lieber zur Miete oder lieber in einer Eigentumswohnung wohnen möchte. Zwischen Grundsatzentscheidungen und ihrer Durchführung liegen meist längere Zeiträume. Wäre also womöglich das Ergebnis des neurologischen Tests bei einer solch langfristigen Frage anders ausgefallen als bei der tatsächlich gestellten?

Tatsache ist, dass je größer der Druck, desto reflexartiger die Reaktion. Die Übergänge zwischen Reflex und bewusster Entscheidung sind deshalb fließend. Auch die Frage, ob jemand in seinem Leben bereits mit einer ähnlichen Situation konfrontiert war oder nicht, könnte eine Rolle spielen. Folglich dürften wohl mehrere Versuchsketten unterschiedlichen Aufbaus nötig sein, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen.

Unterm Strich:

Grays Absicht, den Humanismus zu demontieren, hat irgendwie nicht so richtig funktioniert. Das liegt nicht nur daran, dass er sich wie oben dargelegt selbst widerspricht oder die Beweise für seine Thesen einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Es kommt auch daher, dass er teilweise Aspekte angreift, die längst überholt sind.
Dass Descartes Tiere für nicht denkfähig hielt, ist kein Wunder, denn damals wusste die Forschung kaum etwas von dem, was sie heute über Tiere weiß. Dies dem Humanismus als Ganzem vorzuwerfen, klingt etwas kleinlich. Ähnliches gilt für Grays Kritik an Kant. Ich bin zwar kein Kenner zeitgenössischer Humanisten. Aber da nicht einmal meine vierzehnjährige Tochter daran glaubt, dass der Mensch das Maß aller Dinge ist oder sich irgendwann zu einem vollkommen guten und edlen Wesen entwickeln wird, können wir, denke ich, auch diesen Punkt als veraltet abhaken.

Grays Aussagen zur Drogenproblematik wiederum zeugen von genau der Ignoranz, die er anderen Zeitgenossen vorwirft. Seine Äußerung in Bezug auf China läßt den geschichtlichen Kontext völlig außer Acht, und wer über die Antidrogenbemühungen der USA von „puritanischem Krieg gegen den Genuss“ spricht, hat noch keinen Heroinsüchtigen elendiglich verrecken sehen. Dass Legalisierung zwar die Gewinne der Drogenbosse, aber nicht die Zahl der Drogentoten verringert, ist ihm offenbar ebenso entgangen wie die Tatsache, dass Legalisierung auch eine strafrechtliche Verfolgung verhindert.

Für besonders destruktiv halte ich jedoch seine These über die Verantwortlichkeit des Menschen. Die Diskussion darüber, wie viel Einfluss Gene, Kultur und soziales Umfeld auf das Leben eines Menschen haben, ist ja nicht neu. Wozu wird es wohl führen, wenn wir das Argument der „schlimmen Kindheit“ auch noch mit einem mauen neurologischen „Beweis nicht-bewusster Entscheidung“ unterstützen? Müssen dann die Eltern in den Knast, weil sie mit der Geburt ihres Kindes einen Menschen in die Welt gesetzt haben, dessen Gene ihn zum Mörder programmierten? Zahlt dann der Staat Entschädigung an die Opfer, weil er nicht in der Lage war, den sozialen Brennpunkt auszumerzen, in dem der spätere Täter gezwungen war aufzuwachsen? Oder schaffen wir die Justiz gleich ganz ab, weil ja eh keiner was für irgendwas kann, und es deshalb keinen Schuldigen zu bestrafen gibt? Eigentlich können wir die Ethik dann auch gleich mit abschaffen. Denn wenn wir eh nichts von dem vermeiden können, was wir tun, brauchen wir auch nicht darüber nachzudenken, ob es gut oder schlecht ist.

Das wäre offenbar tatsächlich Grays Ideal für menschliche Lebensführung: überhaupt nicht nachzudenken, sondern stets rein instinktiv zu handeln. Der Autor selbst stellt allerdings fest, dass dies dem Mensch nicht mehr möglich ist, weil er sich bereits zu weit davon entfernt hat. Mit der durchaus versöhnlich klingenden „Notlösung“, die er aufgrund der Unerreichbarkeit des Ideals vorschlägt – und die mich, nach all dem, was ich zuvor gelesen hatte, ehrlich überrascht hat – könnte ich dagegen gut leben. Dumm nur, dass wir uns nach Meinung des Autors gar nicht dafür entscheiden können, so zu leben, weil wir ja keine Willensfreiheit besitzen. Insofern war das ganze Buch eigentlich völlig für die Katz! Fast könnte Gray mir leidtun.

Taschenbuch 245 Seiten
Orininaltitel: Straw Dogs – Thoughts of Humans and Other Animals
Aus dem Englischen von Alain Kleinschmied
ISBN-13: 978-3423347266

www.dtv.de

Der Autor vergibt: (2.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

[NEWS] MICHAEL CONNELLY: Der fünfte Zeuge

Neues von Michael Connelly bei Knaur: „Der fünfte Zeuge“.

Mickey Haller ist wieder zurück in seinem alten Job als Strafverteidiger und vertritt vor Gericht insolvente Hausbesitzer. Seine Klientin Lisa aber hat noch weit größere Sorgen als nur ihre Hypothek. Sie ist des Mordes angeklagt, weil sie den Chef ihrer Bank erschlagen haben soll. Für Mickey deutet alles darauf hin, dass in Wirklichkeit jemand anderes hinter Gitter gehört. Als er überfallen und zusammengeschlagen wird, begreift Mickey, dass seine unbekannten Gegenspieler wenig Skrupel kennen. Doch wie kann er die erdrückenden Beweise gegen Lisa entkräften? Und was, wenn Lisas Unschuldsmiene trügen sollte?
(Verlagsinfo)

Taschenbuch, 640 Seiten
Originaltitel: The Fifth Witness

Der Verlag bietet unter dieser Adresse eine Leseprobe an.

Diskutiert mit uns und anderen Buchwürmern über diesen Titel auf unserer FACEBOOK-Seite.

Zahlreiche Rezensionen zu Büchern von Michael Connelly finden sich in unserer Rezensionsdatenbank!

[NEWS] CHLOE NEILL: Ein Biss zu viel (Chicagoland Vampires 5)

Bei Egmont-Lyx erscheint der fünfte Band von Chloe Neills „Chicagoland Vampires“-Serie: „Ein Biss zu viel“.

Die Gegner der Vampire gewinnen in Chicago immer mehr an Einfluss. Nun droht auch noch der Staat ein vampirfeindliches Gesetz zu erlassen. Als ein merkwürdiges magisches Phänomen die Einwohner Chicagos in Unruhe versetzt, fürchtet die Vampirin Merit, dass eine Panik ausbrechen könnte. Sie muss alle Hebel in Bewegung setzen, um herauszufinden, wer hinter der magischen Attacke steckt.
(Verlagsinfo)

Taschenbuch, 450 Seiten
Originaltitel: Drink Deep

Chicagoland Vampires:
Band 1: „Frisch gebissen“
Band 2: „Verbotene Bisse“
Band 3: „Mitternachtsbisse“
Band 4: „Drei Bisse frei“
Band 5: „Ein Biss zu viel“
Band 6: „Eiskalte Bisse“ (erscheint Juni 2013)

Der Verlag bietet unter dieser Adresse eine Leseprobe an.

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Sonnleitner, Marco (Autoren) / Minniger, André (Hörspiel) – Die drei ??? – Nacht der Tiger (Folge 159) (Hörspiel)

_Die Handlung:_

Wer ist der unbekannte Auftraggeber im neuen Fall der drei erfolgreichen Detektive aus Rocky Beach? Wie von Geisterhand erscheinen verschlüsselte Botschaften auf dem Computerbildschirm in der Zentrale. Justus‘ Ehrgeiz ist geweckt und die drei ??? beginnen zu ermitteln. Sie lösen die komplizierten Rätsel des Unbekannten und folgen seiner Spur. Dabei werden die drei Jungen immer tiefer in dubiose Machenschaften verstrickt. Als sich herausstellt, dass ein guter Freund von ihnen als Täter infrage kommt, stehen Justus, Peter und Bob vor einer schwierigen Entscheidung: Sollen sie ihren Freund ausliefern oder der Polizei die Wahrheit verschweigen? Justus fasst einen Plan – und die drei ??? entdecken das Unvorstellbare in der „Nacht der Tiger“… (Verlagsinfo)

_Mein Eindruck:_

Jedem Fan der Serie wird die Kaufentscheidung dieser Folge durch den Klappentext schon abgenommen. „Komplizierte Rätsel“ sind das Brot und Butter der Detektiv-Fans und gehören für die meisten Hörer einfach zu einer guten Folge dazu.

Erstmal gehts allerdings mit einem breiten Grinsen los, als Bob die Freunde mit seinen Künsten als Bauchredner unterhält, das macht er in der Folge auch zwischendurch immer mal wieder. Der Spruch von Justus: „Klingt wie Gollum“ kommt dabei nicht von ungefähr, ist Andreas Fröhlich doch in der Tat die deutsche Synchronstimme des Charakters aus Tolkiens Werken.

Generell geht diese Folge leichtgemütiger los als viele anderen Abenteuer der drei. Mit einem Spruch von Peter, der glatt als Abschlusslacher getaugt hätte. Dazu gibts dann noch die passende Musikuntermalung und man kommt sich vor wie im Varieté. Der Spaß findet aber schnell ein Ende und wird durch nächtliche Spannung auf dem Schrottplatz … Entschuldigung … Gebrauchtwarencenter abgelöst. Zur Auflockerung gibts in dieser Folge aber auch immer wieder was zum Lachen, vielleicht um die jüngsten Hörer nicht zu sehr zu gruseln.

Eine gehörige Portion Spannung müssen und dürfen sie in der „Nacht der Tiger“ aber dennoch ertragen. Es gilt nämlich nicht nur die recht langen Rätsel „eines lyrisch begabten Hackers“ zu entknobeln, sondern auch Observationen und Verfolgungen zu erleben und die drei Jungs werden zwischendurch selbst zu Einbrechern. Dazu kommt noch ein ungewohnter, unerwarteter und extrem unfreundlicher Inspektor Cotta, der die drei Jungdetektive ziemlich harsch abblitzen lässt.

Was mich nach der Lehrstunde von Justus zum Thema „Computer-Sicherheit“ allerdings gewundert hat: Die drei Detektive überlassen ihrem PC-Eindringling die komplette Kontrolle über den Rechner. Dass sie ihre Daten vorher gesichert haben, ist ja schön und gut, aber der Eindringling kann hier auch alles lesen, nicht nur alles löschen.

|Tonproblem|

Diesmal fällt in der gewohnt lebendig arrangierten Abmischung der Folge etwas seltsam auf. In Track 9 wird der Ton plötzlich mitten in einer Unterhaltung sehr dumpf, als ob die drei Detektive die Hand vor den Mund nehmen beim Sprechen. Vielleicht hat jemand im Studio an der Stelle grad seine Kaffeetasse aufs Mischpult gestellt und dabei einen Regler verschoben. Dieser Teil ist der Qualitätssicherung offenbar durch die Ohren gerutscht vor der Pressung.

|Die Sprecher und ihre Rollen:|

Erzähler: Thomas Fritsch
Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Peter Shaw: Jens Wawrczeck
Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Tante Mathilda: Karin Lieneweg
Onkel Titus: Hans Meinhardt
Inspektor Cotta: Holger Mahlich
Caroline Cotta: Michaela Mahlich
Morton: Andreas von der Meden
Sergeant Donatelli: Peter Weis
1. Mann: Robin Brosch
2. Mann: Gerhart Hinze

|Trackliste:|

1. Bauchangelegenheiten
2. Spurensuche
3. Nacht der Tiger
4. Unter Druck
5. Schwarze Stiere
6. Clever
7. In Teufels Küche – und Schrank
8. Mut zur Wahrheit
9. Schlagende Ziegen
10. Erstens kommt es anders …
11. … und zweitens als man denkt

|Technik-Credits:|

Based on characters created by Robert Arthur
Erzählt von Marco Sonnleitner
Buch und Effekte: André Minninger
Redaktion und Geräusche: Wanda Osten
Regie und Produktion: Heikedine Körting
Titelmusik: Simon Bertling & Christian Hagitte (STIL)
Musik: Christian Hagitte & Simon Bertling (STIL), Conrad, Betty George, Morgenstern
Cover-Illustration: Silvia Christoph
Design: Atelier Schoedsack

|Die Ausstattung:|

Die CD steckt in einem Jewel-Case. Das Bookletchen enthält eine Doppelseite Werbung für „Die drei ???“-Merchandise-Artikel. Dazu kommt noch eine Aufstellung der Sprecher und ihrer Rollen und eine kleine Bildvorschau für die nächste Folge 160 „Geheimnisvolle Botschaften“. Auf der Rückseite des Case finden wir eine kurze Inhaltsangabe und die Trackliste.

_Mein Fazit:_

Das rundum gut gelungene Abenteuer der Jungdetektive kann hier über eine Stunde spannend unterhalten. Es gibt lange Rätsel zu entschlüsseln, Handfestes zu erleben, in Häuser einzubrechen, Ermittlungen anzustellen, einem unfreundlichen Inspektor zu begegnen, einen alten Freund zu verdächtigen und vor allem einen stetig ansteigenden Spannungsbogen zu ertragen. Außerdem erfahren wir fast, wie Inspektor Cotta mit Vornamen heißt.

Hier gibts beste Unterhaltung, die jüngere Hörer und altgediente Fans gleichermaßen zufriedenstellt.

|1 Audio-CD
Spieldauer: ca. 65 Min.
Tracks: 11
Vom Verlag empfohlen ab 8 Jahren
EAN: 886979232921|
http://www.natuerlichvoneuropa.de

Mehr als 100 weitere Rezensionen zu den „Drei ???“ findet ihr in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book .

Vukovic, Predi – Sheela und Marius

_Ambitioniertes_

Auch wenn man der Zielgruppe der 10- bis 12-Jährigen nicht angehört, hat man doch schon mal auf die Computerbildschirme dieser Generation geguckt und als Erstes kann man dort immer einen Charakter auswählen. So bieten die ersten Seiten auch eine solche Bildauswahl an. Da kann man dann entweder Prinzessin oder ihr Koboldfreund sein, Wüstenkönig oder Räuber, und am besten passt noch ins Bild, ein Zauberer mit infernalischen Kräften zu sein. Vukovic gibt an, die Kinder von den Bildschirmen weg in seine Phantasiewelt geholt zu haben, indem er ihnen Gutenachtgeschichten erzählte, die so einschlugen, dass weniger Begabte sie jetzt vorlesen können und auf den gleichen Effekt hoffen.

_Die Story_

Sheela ist eine Prinzessin in einem orientalischen Reich. Natürlich ist sie unsagbar schön und die Erbin eines Reiches, in dem es vorwiegend um Geld und Macht geht. Der Kobold Marius ist ihr einziger Freund, denn bei allen anderen kann sie nicht wissen, ob sie nur wegen ihrer Stellung im Reich gemocht wird. Märchenhaft auch, dass der Kobold Marius nur von ihr wahrgenommen werden kann, aber dennoch eines Tages mir-nichts-dir-nichts verschwindet. Mit Hilfe engelhafter Heerscharen nimmt sie es nun mit einer Reihe von Bösewichtern auf, die ihr auf der abenteuerlichen Suche nach Marius begegnen, in deren Folge sie dann selbst in Gefangenschaft gerät.

Eigentlich geht es immer um Lösegeld, dem zum Schluss ihr eigener Vater nachjagt und sich weniger darum schert, was aus seiner Tochter eigentlich wird. Die verschiedenen kriegerischen und zauberischen Kräfte beharken sich dann so, dass alles letztendlich in einem finalen Inferno endet und eigentlich nur das Pärchen nebst Pferd übrigbleiben. Die Vielfalt der widerstreitenden Kräfte scheint wieder ein bisschen der Computerwelt entlehnt, wo doch auch hinter jeder Ecke einer auftaucht, den es umzunieten gilt.

Auch wie im richtigen Märchen leben die Protagonisten heute noch, während allerdings alles ringsum zu Tode kommt, was in einem Märchen vielleicht nicht ganz so total stattzufinden pflegt.

_Dem gesetzten Leser … _

… ist es vielleicht ein gerüttelt Maß zu viel an Bösewichtern und er verliert leicht die Übersicht. An sprachlichem Appeal ist es einem ein bisschen zu wenig und man hat immer den Eindruck einer bewussten Erschöpfung in einfachster Ausdrucksweise. Ob sich das so einzuprägen versteht, dass es in den Kanon der Märchenwelt aufgenommen würde – das sollte das Urteil der Kinder entscheiden.

|Paperback, 64 Seiten
ISBN-13: 978-3842391611|
http://www.bod.de

Carter Dickson (= John Dickson Carr) – Die Treppe des Königs

Eine schöne aber durchtriebene Schauspielerin wird unter bizarren Umständen ermordet, die der Polizei so viele Rätsel stellen, dass man den exzentrischen aber genialen Privatdetektiv Merrivale an den Tatort ruft … – ‚Unmöglicher‘ Mord im alten englischen Landhaus, alle Anwesenden sind verdächtig, die Indizien vage: Rätselkrimi der alten Schule von einem John Dickson Carr auf der Höhe seines Könnens.
Carter Dickson (= John Dickson Carr) – Die Treppe des Königs weiterlesen

Weigand, Sabine – Tore des Himmels, Die

_Lazarettprosa_

Dieses Label hätte vielleicht Altmeister Goethe dem Roman angeheftet, der doch bei den Romantikern eine Lazarettpoesie zu verzeichnen hatte. Die Romantiker teilten die Vorliebe für das Mittelalter, die auch die Sinne der Historikerin und Schriftstellerin Sabine Weigand umschwelen, ohne dass sie deren Verklärung ganz verfällt. Thüringen, das heute als ostdeutsche Provinz quasi Hessen zugeordnet ist, war zu diesen Zeiten nicht nur bis Hessen im Westen ausgedehnt, sondern reichte im Osten auch bis Meißen. In heutigen Zeiten, in denen man einen Inkontinenten glaubt, nur noch mit Latexhandschuhen berühren zu können, ist es schon nicht mehr vorstellbar, dass einer auch nur eine Schwäre küsst. Dass eine in fleischlichen Genüsse erfahrene Frau sich in den Zustand der Keuschheit zurücksehnt, liegt nicht mehr sonderlich nahe, und schließlich heilig zu werden brandmarkt man am sichersten als Psychopathie.

_Die Story_

Als die vierjährige ungarische Prinzessin Elisabeth dem ältesten Sohn des Thüringischen Landgrafen versprochen wird und zum Zweck der späteren Heirat an den Eisenacher Hof entsandt wird, kann sie schon auf die Familientradition dreier Heiliger verweisen, die sie zu ihren Ahnen zählen darf. Als der Bräutigam durch einen Unfall vorzeitig zu Tode kommt, wird sie mit dem verständnisvollen jüngeren Bruder Ludwig verheiratet, der nunmehr den Landgrafenposten nach dem Tode des Vaters innehat. Ludwig lässt seine Frau in dem gottesfürchtigen Tun gewähren und wird durch den Stauferkaiser Friedrich bald zum Kreuzzug gerufen, der in einem Fiasko endet und die einzige Feindberührung, die mit Seuchen und Fieber bleibt, denen der Landgraf zum Opfer fällt. Hier meint Frau Weigand noch eins draufsetzen zu müssen und erfindet ein Mordkomplott des dritten Bruders Heinrich Raspe, der unter der Schmach litt, dass die Regentschaft in der Abwesenheit des jungen Landgrafen regelmäßig nicht an ihn, sondern an die den hergebrachten Herrschaftsgepflogenheiten kritisch gegenüberstehende Elisabeth ging. Als die Nachricht von Ludwigs Tod in der Heimat eintrifft, dauert es auch nicht lange, bis dass Heinrich Raspe die Macht fast vollständig an sich bringt und er Elisabeth aus dem Machtgefüge völlig verdrängt, so dass ihr nur bleibt, bei Marburg einen weiteren Versuch zu unternehmen, ein Hospital zu führen.

_Glaubenstechnisch bewegte Zeit_

Die Zeiten des Multikultikaisers Friedrich II. waren durch grundlegende reformatorische Bewegungen des inzwischen festgefügten und einigermaßen in Saus und Braus lebenden katholischen Kirchenwesens geprägt und gingen auf die Rückkehr zu urchristlichen Werten wie Armut (Franz von Assisi) und Keuschheit (Katharer) aus. Die Ersteren wurden von der herrschenden Kirche vereinnahmt, die andern verfolgt und verbrannt.

Es ist wohl der entscheidende Missgriff einer Historikerin, die Katharer in die Nähe des Luziferischen zu rücken, bei aller Ungewissheit, die diese organisierte Gegenbewegung zur etablierten Kirche umgibt. Vielleicht hätte man den Nimbus des Bösen, der die für einen Roman scheinbar unvermeidlichen Bösewichter umgeben muss, auch unverfänglicher festmachen können.

_Zugeständnisse an die Vorhersehbarkeit_

Indem die Autorin nicht in Elisabeths Haut schlüpft, sondern in die einer fiktiven, modern anmutenden jungen Frau, werden die Motive der Heiligen nur schwer erkennbar. Denjenigen, die es dennoch gern wissen möchten, gibt sie den Ehrgeiz der Elisabeth an die Hand eine Heilige werden zu wollen. Also handele es sich nur um eine höhere Form der Begehrlichkeit, so auch die einhellige Meinung der begeisterten Konsumenten des Romans. Das war es doch, was wir schon immer geahnt haben, dass es sich letztendlich nur um eine Form der Hoffart gehandelt haben kann.

Eines Virus gleich, befällt den Roman diese Vorhersehbarkeit. Psychopathisches Verhalten, wie das der Elisabeth, führt zum Tode und die fiktive Heldin in der Ich-Form, die des Kribbelns bei der Berührung durch den Bösewicht Heinrich nicht widerstehen konnte, findet doch letztendlich ihr Glück in den Armen eines fabelhaften Ritters am Hofe des jeglichen Genüssen aufgeschlossenen Stauferkaisers.

Extremismen, wie sich kulinarische und fleischliche Genüsse zu versagen, sind falscher Ehrgeiz. Jeder, der sich irgendetwas ganz Außergewöhnliches abverlangen möchte, ist ein solcher Psychopath und wir wissen endlich, warum wir im Grunde die heilige Elisabeth doch nicht mögen. Das ist Seichtheit pur, und Seichtheit war es auch schon immer, die gefiel.

|Hardcover, 608 Seiten
ISBN-13: 978-3810526656|
http://www.fischerverlage.de/verlage/fischer_krueger

Bücher, Norman – Extrem: Die Macht des Willens

Die Jagd nach Extremen ist genau jene Motivation, die Norman Bücher seit Jahren zu physischen Höchstleistungen antreibt. Marathons sind schon längst keine Hürde mehr für den deutschen Grenzgänger, der inzwischen an den waghalsigsten Laufveranstaltungen der ganzen Welt teilgenommen hat. Was ihn dabei antreibt, warum er überhaupt erst zu jener Vorliebe gekommen ist, vor allem aber was ihm die Kraft verleiht, die körperlich völlig unmöglich anmutenden Leistungen abzurufen, erzählt er in seinem Buch „Die Macht des Willens“.

_Doch die Frage stellt sich_: Inwiefern kann es dem mittlerweile geschätzten Referenten gelingen, das Publikum für sich zu gewinnen und vor allem von seinen Thesen zu überzeugen? Was macht die Extreme, die Bücher in all den Jahren ausgelotet hat, auch für seine Leserschaft erstrebenswert? Wo entdeckt man die Parallelen zwischen eben jenem Extremsportler und dem Normalsportler?

Nun, auf derartige Fragestellungen gibt „Extrem: Die Macht des Willens“ keine konkreten Antworten. Stattdessen praktiziert der Autor vielmehr eine Art biografische Selbstdarstellung, die insofern sicher lesenswert ist, dass man aus den eigensinnigen Motivationsvorschlägen für sich selbst eine Menge Positives herausziehen kann. Denn Bücher stiftet nicht mit plumpen Durchhalteparolen und ‚jeder kann das schaffen‘-Theorien zu ähnlichen Erfahrungen an. In erster Linie liegt ihm viel daran, die vielen kleinen Faktoren aufzuzählen, die beispielsweise einen vierfachen Marathonlauf durch die europäische Gebirgslandschaft zum unglaublichen Erlebnis machen. Zwischenmenschliche Begegnungen, unglaubliche Naturereignisse und selbst die pure Freude, den Morgen bewusst bei einem Waldlauf zu erleben, stehen hier den theoretischen Überlegungen gegenüber, wie man seinen Körper erforscht und in der Tat mit der individuellen Willenskraft Dinge erreichen kann, die weit über das hinausgehen, was man sich und seiner Physis zutraut. Allerdings, und das ist der springende Punkt: Die Vermischung beider Inhalte erfolgt nicht immer zur vollsten Befriedigung, weil Bücher pausenlos schwenkt und es ihm nicht immer konsequent gelingt, die vielleicht sogar wissenschaftlichen Thesen mit seinen Erlebnisberichten in einer Art und Weise zu koppeln, dass sie auch in der Nachlese spannend und packend sind.

Der gesunde Mittelweg stellt sich hier nämlich als die größte Hürde dar, die zu überwinden aber auch ein echter Balanceakt ist. Erwartet man nämlich bei den Schilderungen der globalen Erfahrungen etwas mehr Tiefgang und vielleicht auch eine gewisse Detailverliebtheit, wenn es um die Erforschung von Natur und Umgebung geht, bekommt man hier lediglich grobe Risszeichnungen, die zwar klar vermitteln, unter welchen Umständen Norman Bücher wieder mit sich und seinem Geist gerungen hat, aber eben nicht dieses prächtige Rundumpaket bündeln, wie es beispielsweise in den klarer deklarierten Abenteuerbüchern anderer Extremsportler geschieht. Andererseits ist für eine rein theoretische Abhandlung der Faktoren, die den Willen antreiben und seine Kraft so weit stärken, dass man immer wieder neue persönliche Limits erkundigt, nicht genügend Spielraum, weil Bücher – und das ist ja auch gut so – schon einen groben Einblick über die Ereignisse geben möchte, die seine Reisen geprägt und ihn als Menschen geformt haben.

Jener Zwiespalt führt zu einem kleinen Interessenkonflikt, der immer dann zu spüren ist, wenn der Autor die teils sehr persönlichen und emotionalen Punkte seiner Biografie vorschnell abbricht, um dann doch wieder zu schildern, mit welchen Mitteln er schließlich ans Ziel gekommen ist. Dies ist sicher auch alles lesenswert und ergibt auch alles Sinn, doch irgendwie vermisst man ein wenig die Detailschärfe, quasi die Ausschmückung, die dann wieder von rationalen Inhalten abgelöst wird.

_Nichtsdestoweniger erfährt man_ in „Extrem: Die Macht des Willens“ vieles über die kleinen Spielchen, die man während solcher Limit-Events mit seiner eigenen Psyche betreibt, wie man sie besiegen kann und wie man schlussendlich für sich den geeigneten Weg findet, auch außergewöhnliche Ziele wider jede Vernunft zu erreichen. Aber es sind eben auch Aspekte in diesem Buch, die schlichtweg etwas mehr Aufmerksamkeit fordern, um die Person Bücher noch besser zu verstehen, seine Biografie einzuatmen und tatsächlich noch motivierter an bestimmte Dinge heranzugehen. Gelegentlich steckt vielleicht zu viel Mainstream in der Sache, was verhindert, dass das Eigenbrödlerische verloren geht. Und nur wenn man über diesen Umstand hinwegsehen kann und sich mit der vermehrt oberflächlichen Betrachtung zufriedengibt, wird man seine Schlüsse aus dieser Studie ziehen. Bevor man sich falsch versteht: Es hat sicher auch Spaß gemacht, in die Welt des Norman Bücher hineinzuschnuppern. Doch die wirklich hohen Erwartungen und der letztendliche persönliche Eindruck sind eben nicht immer kongruent.

|Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
ISBN-13: 978-3902729187|
http://www.goldegg-verlag.at

John Sinclair – Stellas Rattenkeller (Folge 79)

Die Handlung:

Charlotte Whitehead hatte sich von ihren Eltern losgesagt, um ein neues Leben zu beginnen Doch kaum steht sie auf eigenen Beinen, stirbt die junge Frau unter tragischen Umständen. Bei ihrer Beerdigung bricht plötzlich eine Rattenplage aus, der auch ihre Eltern zum Opfer fallen! Steckt Charlottes irrer Bruder Roy dahinter, der sich selbst als »Rattenkönig« bezeichnet? Wie konnte er überhaupt aus der Anstalt fliehen? Ganz offensichtlich sind dämonische Kräfte am Werk … (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Diesmal hat sich der Verlag an die Hörspielumsetzung des Heftromans mit der Nummer 227 gemacht, der erstmalig im November 1982 erschienen ist. Und es geht ziemlich fies los … allerdings mal so ganz ohne Teufel und Dämonen, sondern mit einer bösen Frau, die ihre kleine Tochter in den Keller sperrt. Hier gibts Ratten und schon haben wir den Titel dieser Sinclair-Story auch schon komplett.

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Hannah, Sophie – fremde Haus, Das

Eines Nachts steht Connie auf und stöbert online in einem Immobilienportal. Sie entdeckt nicht nur Grundriss und Fotos von einer ganz bestimmten Immobilie, sondern auch noch einen Rundgang. Als ihr Mann Kit tief und fest schläft, klickt sie den Rundgang an. Im Wohnzimmer des Hauses entdeckt sie eine blutüberströmte tote Frau, die ihr verdächtig ähnlich sieht. Als sie ihren Mann weckt und der sich den gleichen Rundgang anschaut, ist das blutige Szenario verschwunden. Hat Connie sich die Frauenleiche nur eingebildet?

Die ganze Nacht schaut sie sich immer wieder das Video an, doch die Leiche bleibt verschwunden, dennoch will sie am nächsten Morgen ihren Bekannten Simon über den grausigen Fund informieren. Da dieser sich zurzeit in den Flitterwochen befindet, berichtet Connie Simons Freund, was sie in der Nacht erlebt hat.

Niemand schenkt ihr Glauben, denn die tote Frau taucht nicht wieder in dem Video auf. Doch dann meldet sich eine zweite Frau und erzählt, dass sie ebenfalls den blutigen Rundgang durch das Haus im Bentley Grove 11 in Cambridge gesehen hat. Was ist geschehen? Und was hat Kit zu verbergen, der seiner Frau keinen Glauben schenkt?

_Schrecken in der Nacht_

Das Buch beginnt mit einem Paukenschlag: Connie entdeckt eine blutige Frauenleiche, die kurz darauf verschwunden ist. Doch damit nicht genug: Die Adresse Bentley Grove 11 in Cambridge ist ihr nicht fremd: Einige Monate zuvor entdeckte sie durch Zufall, dass genau diese Adresse im Navigationsgerät ihres Mannes als Heimatadresse gespeichert ist. Der wiederum streitet seitdem ab, irgendetwas mit dem Haus zu tun zu haben oder die Adresse selbst eingespeichert zu haben. Er unterstellt ihr so oft, sie habe die Adresse selbst eingegeben, dass Connie beginnt, an sich selbst zu zweifeln. Sie sucht eine Therapeutin auf und berichtet ihr von ihren Zweifeln. Als Leser fragt man sich unweigerlich, was geschehen ist und wie Sophie Hannah diese Rätsel auflöst. Der Spannungsbogen setzt also sofort ein und steigt schnell an.

Mit Cambridge verbindet Connie schlechte Erinnerungen: Einige Jahre zuvor hatten Kit und sie dort ihr Traumhaus entdeckt. Sie wollten es kaufen und aus Connies kleiner Heimatstadt und von ihrer Familie wegziehen. Doch dann ging es Connie immer schlechter. Als sie schließlich komplett zusammenbrach, gab ihr Mann den Plan auf, mit ihr nach Cambridge zu ziehen, da er gemerkt hat, dass sie sich nicht von ihrer Heimat und von ihrer merkwürdigen Familie lösen kann. Doch so ganz hat er Cambridge in Gedanken nie aufgegeben …

Zur gleichen Zeit, als Connie die tote Frau entdeckt, befindet sich Simon in den Flitterwochen. Kurzerhand hat er Charlie geheiratet – nur in Anwesenheit ihrer zwei Trauzeugen, nämlich ihrer Schwester Olivia und seinem Freund Chris Gibbs. Als die Flitterwöchner zu ihrem geheimen Reiseziel gestartet sind, trinken die beiden Trauzeugen noch einige Drinks zusammen und landen schließlich – obwohl verheiratet bzw. in einer festen Beziehung lebend – zusammen im Bett. Als Charlie das hört, ist sie entsetzt. Sie fühlt sich von ihrer Schwester hintergangen. Doch wieso eigentlich? Ist es Eifersucht, weil ihr frisch angetrauter Ehemann in den Flitterwochen nur ein einziges Mal mit ihr geschlafen hat und keinerlei körperliches Interesse an ihr zu haben scheint? Wir wissen es nicht.

Als Simon schließlich von seinen zwei besten Freunden erfährt, was Connie gesehen hat, bricht er die Flitterwochen ab. In welcher Beziehung Simon und Connie aber zueinanderstehen und wie sie sich kennen gelernt haben? Keine Ahnung.

_Rätsel über Rätsel_

Sophie Hannah stellt zahlreiche Protagonisten vor, die sich untereinander alle zu kennen scheinen. Doch in welcher Verbindung sie zueinanderstehen, bleibt meistens im Dunkeln. Die junge britische Autorin wirft viele Fragen auf und fesselt einen dadurch früh an ihr Buch. Nach etwa 150 Seiten allerdings beginnt sie, einige Dinge aus der Vergangenheit zu erklären. Das bremst die Spannung ziemlich aus, da sie es nicht schafft, die Geschehnisse aus der Vergangenheit so knapp einfließen zu lassen, dass sie den eigentlichen Handlungsfluss ungestört lassen.

Auch Hannahs Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig: Auf S. 25 stellt sie im Schnelldurchgang ihre zwei Hauptfiguren Kit und Connie vor und packt sämtliche Informationen, die zunächst wichtig sind, in einen einzigen Absatz. Der wiederum ist dadurch ein völliger Fremdkörper in der Geschichte. Das hätte man sicherlich geschickter lösen können (und müssen).

Es gibt viele verschiedene Handlungsstränge und dadurch lose Enden, die es zu verbinden gilt. Das Buch hat knapp 500 Seiten, doch leider schafft Sophie Hannah es nicht, sämtliche losen Enden miteinander zu verknüpfen. Viele Fragen bleiben offen, z. B. was Connie und Simon miteinander verbindet, dass er der erste Ansprechpartner für ihre Sorgen ist und er sogar seine Flitterwochen abbricht, um vor Ort zu sein. Und was hat er eigentlich für ein Problem mit seiner Frau? Und wieso nimmt diese ihrer Schwester es dermaßen übel, dass sie mit dem Trauzeugen im Bett landet? Fragen über Fragen, die völlig ungeklärt bleiben.

Immerhin löst Sophie Hannah schlussendlich das Rätsel um das blutige Video auf. Allerdings trägt sie hier recht dick auf. Alles wird schlüssig erklärt, aber dafür sind einige nicht sonderlich glaubwürdige Wendungen erforderlich, die mindestens eine Figur im Roman völlig unauthentisch wirken lassen. Ich finde es ja gut, dass sei eine logische Erklärung anbietet, doch hierfür muss sie ihre Geschichte ziemlich unglaubwürdig zurechtkonstruieren.

_Preiswürdig?_

Die junge britische Autorin Sophie Hannah wurde bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, so ganz nachvollziehen kann ich das nach Lektüre ihres aktuellen Buches allerdings nicht. Der Spannungsbogen ist zwar über weite Strecken gut gelungen, da Sophie Hannah viele Fragen aufwirft, die der Leser natürlich beantwortet haben möchte. Doch übertreibt sie es dabei. Es gibt eigentlich kein Kapitel, in dem sie nicht neue Andeutungen macht, diese aber nicht aufklärt, so verkümmert man praktisch beim Lesen, da man sehr, sehr lange lesen muss, um erste Antworten zu erhalten. Und als am Ende zwar die Frage des blutigen Videos geklärt wird, vieles andere aber völlig offen bleibt, fühlt man sich ziemlich verschaukelt. Wieso um Himmels Willen stellt die Autorin so viele Protagonisten mitsamt ihren Problemen und Lebensgeschichten vor, wenn diese am Ende mit der eigentlichen Handlung rein gar nichts zu tun haben? Und wieso erklärt sie vieles nicht? So ist man am Ende recht unbefriedigt und wünscht sich, ein fähiger Lektor hätte die überflüssigen Handlungsstränge ausgemerzt, damit sich das Buch auf das Wesentliche konzentriert – nämlich die Geschichte von Kit und Connie.

Insgesamt war das Buch durchaus spannend, kann sich aber nicht vom Mittelmaß abheben, da es zu viele handwerkliche Fehler aufweist. Schade.

|Taschenbuch, 495 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-16769-2|
http://www.luebbe.de

Ken Follett – Die Tore der Welt

Höhen und Tiefen des Schicksals: Mittelalter-Seifenoper

England im Jahre 1327. Es ist der Tag nach Allerheiligen. In der Stadt Kingsbridge trifft sich im Schatten der Kathedrale das Volk. Vier Kinder flüchten vor dem Trubel in den nahe gelegenen Wald. Dort werden sie Zeugen eines Kampfes – und eines tödlichen Geheimnisses. Merthin, ein Nachfahre von Jack Builder, dem Erbauer der Kathedrale, hat dessen Genie und rebellische Natur geerbt. Sein starker Bruder Ralph strebt den Aufstieg in die Ritterschaft an. Caris, Tochter eines Wollhändlers, hat den Traum, Arzt zu werden. Gwenda, Kind eines Taglöhners, will nur ihrer Liebe folgen.

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