Lueg, Lars Peter – Jack Slaughter 04: Virus in Jacksonville

Folge 1: [„Tochter des Lichts“ 5532
Folge 2: [„Tochter des Lichts 2: Professor Dooms Erwachen“ 5552

_Story:_

Noch gezeichnet von den jüngsten Auseinandersetzungen mit Professor Doom, kehrt Jack ermüdet in seine Wohnung zurück und sieht sich wieder mit dem grauen Alltag konfrontiert. Die Hausmeisterin beschwert sich über den Zustand des Treppenhauses, und zu allem Übel wird Slaughter auch noch gezwungen, eine lückenlose Aufstellung seiner Steuerbilanz aus den vergangenen Jahren vorzuweisen. Vor der Gegenüberstellung mit dem knallharten Steuerprüfer Mr. Strangler schlägt Kim ihm vor, sich krank zu stellen und den Finanzbeamten so von Jacks finanzieller Misere abzulenken.

Doch der Stoff von Novaks befreundetem Virologen schlägt bei Jack nicht an, sondern überträgt sich lediglich auf sein Gegenüber. Kurze Zeit später stirbt Strangler an den Folgen der tückischen Erkrankung, während Jacksonville parallel dazu im virulenten Chaos zu ersticken droht. Ausgerechnet Doom sieht im hektischen Treiben die nächste Chance für einen vernichtenden Angriff; der Professor kreiert aus der Leiche des Steuerbeamten einen neuen Dämon, um den sich schon bald zahlreiche untote Kollegen scharen, die es auf all diejenigen abgesehen haben, die in den vergangenen Jahren Geld am Fiskus vorbeigeschleust haben. Als Slaughter und Strangler schließlich erneut aufeinandertreffen, droht die Sache weniger glimpflich auszugehen als beim ersten Mal …

_Die Sprecher:_

Erzähler: Till Hagen (Kevin Spacey)
Ms. Albright: Marianne Groß (Angelica Huston, Cher)
Jack Slaughter: Simon Jäger (Heath Ledger, Matt Damon, Josh Hartnett)
Tony Bishop: David Nathan (Johnny Depp, Christian Bale)
Dr. Kim Novak: Arianne Borbach (Catherine Zeta-Jones, Diane Lane)
Mr. Strangler: Udo Schenk (Ray Liotta, Ralph Fiennes, Gary Oldman, Kevin Bacon …)
Professor Doom: Klaus-Dieter Klebsch (Alec Baldwin, Peter Stormare, Gabriel Byrne)
Flopper: Delphin Mitzi
Mr. Ming: Fang Yu
Bob: Andy Matern (Komponist)
Basil Creeper: Rainer Fritzsche
Grandma Abigail: Gisela Fritsch

_Persönlicher Eindruck:_

Nachdem die letzte Episode der Horror-Persiflage „Jack Slaughter“ eine sehr abstruse Präsentation aufgeboten hatte, geht es in der direkt anschließenden, inhaltlich ebenfalls lose anknüpfenden Fortsetzung wieder etwas gemäßigter, vor allem aber kontrollierter zur Sache. Der Plot besitzt wieder die notwendige Stringenz, die Charaktere wirken deutlich gefestigter als noch im gelegentlich sehr biederen „Das Tor der Hölle“, und insgesamt gibt die Story auch einfach viel mehr her, selbst unter den bekannten Umständen, dass hier erneut unheimlich viele Klischees der Splatter- und Horror-Szenerie durch den Kakao gezogen werden. Doch darum geht’s ja grundsätzlich auch in dieser Serie!

Die Geschichte beginnt gewohntermaßen gemäßigt, diesmal aber nicht mit der bislang angebrachten Schlagzahl bei den Szenenwechseln. Die einzelnen Kapitel gehen fließend ineinander über, und die Handlung selber baut sich gemächlicher, insgesamt auch bedächtiger auf. Dementsprechend sitzen die Lacher nun auch besser, wenngleich die Klischees hier bis zum Maximum ausgereizt werden. Jacks ewiger Konflikt mit der Haushälterin Albright macht hierbei den Anfang und wird mit viel Witz und Situationskomik ausgeschmückt. Weiter geht es mit dem Kampf gegen den blutrünstigen Steuerbeamten, der nahtlos in die Schlacht gegen den dämonischen Professor Doom und dessen neue Schergen übergeht, zu denen urplötzlich auch die teuflische Inkarnation Stranglers gehört. Dass dieser ausgerechnet ein riesiges Gefolge mutierter Finanzprüfer um sich schart, um mit aller Macht für steuerliches Recht und Ordnung zu sorgen, setzt dem Ganzen schließlich die Krone auf, ist aber auch alles in allem wirklich komisch und mit dem entsprechenden Sinn für die passenden Schmunzler an der richtigen Stelle umgesetzt worden.

Derweil funktioniert die Interaktion der drei Protagonisten richtig gut, angetrieben zusätzlich vom sehr gut aufgelegten Erzähler, der niemals müde wird, Kims Kurven zu beschreiben oder die schrillen Angewohnheiten ihrer beiden männlichen Begleiter ins Licht zu rücken. Das Frühstück in einem Restaurant für außergewöhnliche Delikatessen ist hier nur die Spitze des Eisbergs, schließlich aber auch charakteristisch für den eigenwilligen Humor, der an dieser Stelle besonders deshalb so gut funktioniert, weil sich die größtenteils bereits bekannten Sprechern in fast allen Belangen gehen lassen können, nicht an sprachliche und inhaltliche Konventionen gebunden sind und fast schon frei Schnauze agieren können.

Dass die Handlung in „Virus in Jacksonville“ parallel hierzu auf einem sehr anständigen Niveau verläuft und nicht in der Klischee-Befangenheit der Rahmendarstellung untergeht, ist ein weiterer Aspekt, der für die positive Entwicklung der Serie bis zu diesem Punkt spricht. Episode vier, und das weiß man schon relativ früh im Plot, ist aus den genannten Gründen daher auch das Highlight der bis hierhin veröffentlichten „Jack Slaughter“-Hörspiele!

|64 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-8291-2190-3|
http://www.jack-slaughter.de
http://www.lpl.de
http://www.myspace.com/jackslaughtertochterdeslichts
http://www.folgenreich.de
http://www.universal-music.de
http://www.karussell.de

Koch, Boris / Weise, Kathleen – Königsschlüssel, Der

Solange das Volk zurückdenken kann, herrscht der mechanische König über die Hauptstadt Marinth und das gesamte Reich. Er gilt als der freundlichste König überhaupt, muss aber jedes Jahr während der Schlüsselzeremonie mit dem Königsschlüssel neu aufgezogen werden, damit er für ein weiteres Jahr funktioniert und das Land regieren kann.

Vela, die Tochter des Königsmechanikers, darf jedes Jahr zur Schlüsselzeremonie ihren Vater in Marinth besuchen und freut sich immer wieder darüber, dass sie bei der Schlüsselzeremonie dabei sein kann. Doch dieses Mal soll alles anders laufen, denn während der Schlüsselzeremonie in diesem Jahr ereignet sich etwas Schreckliches: Ein riesiger Vogel greift sich den Königsschlüssel, bevor der mechanische König neu aufgezogen werden kann, und fliegt mit seiner Beute davon! Und als wäre das Unheil nicht schon groß genug, kommt es für Vela noch schlimmer: Da ihr Vater der Königsmechaniker und für den Schlüssel verantwortlich ist, wird dieser wegen des verlorenen Königsschlüssels in den Kerker geworfen und soll ein Jahr später hingerichtet werden. So verlangt es das Gesetz, und nur der mechanische König ist dazu in der Lage, ihren Vater zu begnadigen. Da dieser aber nun nicht mehr funktioniert und der Königsschlüssel für immer verloren zu sein scheint, sieht es schlecht aus für Velas Vater.

Da die bei einem speziellen Turnier auserwählten Ritter, die den Königsschlüssel wieder auftreiben sollen, nichts anderes im Kopf haben, als sich in einem Gasthaus die Birne vollaufen zu lassen und Spaß zu haben, weiß Vela, dass sie die Sache selbst in die Hand nehmen muss, wenn sie ihren Vater retten will. Sie macht sich auf den Weg, um den Königsschlüssel zu suchen, und erlebt zusammen mit dem sprechenden Bären Urs, der gerne ein Ritter wäre, und dem Jungen Cephei viele erfreuliche und unerfreuliche Abenteuer …

_Eindrücke:_

Durch den Klappentext waren meine Erwartungen an „Der Königsschlüssel“ ziemlich groß. Der Klappentext versprach eine Story, die sich wesentlich von den sonstigen Geschichten im Fantasy-Genre abheben und mal etwas ganz anderes sein würde als das, was man sonst so in die Hände bekommt. Etwas Außergewöhnliches eben. Doch diese Erwartung wurde leider enttäuscht.

Die Sache mit dem mechanischen König, der jedes Jahr aufgezogen werden muss, damit er wieder für ein weiteres Jahr regieren kann, ist interessant und wirklich mal was Neues – das war es dann aber leider auch an neuen Ideen. Ansonsten verfolgt die Story das typische Held(in)-zieht-los-um-das-ganze-Königreich-zu-retten-Schema, nach dem sich schon so viele Bücher aus dem Fantasy-Genre richten. Der Protagonist (in diesem Fall: die Protagonistin), dem man anfangs nicht allzu viel zutrauen würde und der in manchen Fällen sogar noch ein halbes Kind ist, zieht los, besteht beinahe mit links die aufregendsten Abenteuer und kämpft sich quer durch das Land, um einen Gegenstand wiederzubeschaffen, der das ganze Königreich retten soll. Dabei erhält der Protagonist von dem ein oder anderen Begleiter Beistand gegen einen (angeblich) übermächtigen Gegner. Kommt das bekannt vor?

Wahrscheinlich, doch da heutzutage sehr viele Fantasybücher eben diesem Schema folgen und es nicht mehr ganz so leicht ist, etwas zu schaffen, das mal etwas Neues ist |und| der breiten Masse gefällt, sollte man die solcherart aufgebauten Geschichten fairerweise nicht zu hart kritisieren. Was man allerdings erwarten kann, ist, dass der Autor aus einer altbekannten Struktur wie dieser etwas macht, das vielleicht nicht komplett neu, allerdings mit ein paar guten Ideen, einer liebevollen und tiefgehenden Charaktergestaltung, einem fesselnden Erzählstil und anderen Mitteln angereichert ist, damit das Buch den Leser trotzdem fesseln kann und gut unterhält. Das ist Boris Koch mit „Der Königsschlüssel“ allerdings nur bedingt gelungen.

Beispielsweise konnten die Charaktere mich nicht wirklich überzeugen. Sie besitzen allesamt sehr wenig Tiefgang und wirken sehr oberflächlich. Zudem fiel es mir schwer, zu den Charakteren und auch zu der Protagonistin Sympathie aufzubauen, da ich sie hauptsächlich als nervend empfand. Vela fand ich in dieser Hinsicht am schlimmsten, da sie ziemlich zickig und pubertär auftritt. Ebenso wenig ansprechend fand ich Cephei. Von den drei Hauptcharakteren fand ich noch Urs, den sprechenden Bär, am sympathischsten, der kommt allerdings nur in einem Teil der Geschichte vor und ist trotz allem immer noch zu oberflächlich geraten.

Dann kommt noch hinzu, dass keines der Abenteuer und keine der Gefahren, auf die Vela und ihre Begleiter treffen, wirklich so bedrohlich sind, dass man sie nicht mit links bestehen oder überwinden könnte. Alles, was im ersten Moment furchtbar gefährlich zu sein scheint, stellt sich letztendlich als nicht ganz so bedrohlich heraus (da ja letztendlich nie wirklich etwas passiert), und für jedes Problem, das sich bei ihrer Reise auftut, lässt sich auch innerhalb kürzester Zeit eine Lösung finden, welche die Gefährten wieder weiterbringt. Auch der Dieb des Königsschlüssels, der übermächtig und böse sein soll, ist letztendlich gar nicht so ein Schlimmfinger, und auch hier passiert im Endeffekt wieder nichts, das für Vela und ihre Freunde eine ernsthafte Gefahr bedeutete. Das macht die Lektüre an manchen Stellen etwas langweilig, da nie wirkliche Spannung aufkommen kann. Schließlich weiß man immer, dass die drei sowieso ohne ernsthaften Schaden davonkommen werden.

Womit ich auch schon beim nächsten Punkt wäre. Die Geschichte ist an einigen Stellen, insbesondere was das Ende anbelangt, ziemlich vorhersehbar, was der ihr noch zusätzlich Spannung nimmt, da man sich immer schon im Voraus denken kann, was ungefähr als Nächstes passiert.

Bei „Der Königsschlüssel“ handelt es sich wider Erwarten um ein Jugendbuch (obwohl |Heyne| es als Fantasy einordnet, während die auf dem Cover ungenannte Ko-Autorin Kathleen Weise das Werk selbst sogar als Kinderbuch ab 10 Jahren einstuft), und das merkt man der Geschichte leider auch an. Der Schreibstil ist ziemlich einfach gestrickt, was zwar an sich nichts Negatives ist, aber trotzdem hat er mir einfach nicht gefallen. An einigen Stellen fand ich ihn zu schlicht geformt und ebenso nervig wie die Charaktere.

Allerdings ist nicht alles an „Der Königsschlüssel“ Zeitvergeudung. Einige Stellen im Buch waren wirklich gut gemacht und auch interessant zu lesen. Nur schade eben, dass das nicht bei der kompletten Geschichte der Fall ist.

_Fazit:_

Alles in allem hat mir „Der Königsschlüssel“ leider nicht gefallen. Die Charaktere sind zu flach, die Grundgeschichte ist altbekannt und an den meisten Stellen fehlte mir die Spannung. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Jugendliche oder noch jüngere Leser, die noch nicht allzu viele Bücher aus dem Fantasy-Genre kennen, eher mit dem vorliegenden Roman etwas anzufangen wissen.

_Der Autor:_

Boris Koch wurde 1973 geboren und wuchs auf dem Land im bayerischen Schwaben, südlich von Augsburg, auf. Er studierte Alte Geschichte und Neuere Deutsche Literatur in München und lebt heute als freier Autor in Berlin. Zu seinen Werken gehören unter anderem der All-Age-Roman „Der Drachenflüsterer“ und „Gebissen“.

|400 Seiten, gebundenes Buch im Pappband
ISBN-13: 978-3-453-52534-4|
http://www.boriskoch.de
http://www.kathleenweise.de
http://www.heyne.de

_Boris Koch auf |Buchwurm.info|:_

[„Interview mit Boris Koch“]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=91
[„StirnhirnhinterZimmer“ 4957
[„Der Schattenlehrling“ 3296
[„Der adressierte Junge“ 3249
[„Dyonisos tanzt“ 1926

Jeffery Deaver – Allwissend

Die uns vertraute Welt, in der wir lieben und leben, in der wir miteinander und gegeneinander kommunizieren, in der wir Freund- und Feindschaften aufbauen und uns materielle Güter zulegen, um unser Leben so angenehm wie möglich zu gestalten, vermischt sich zunehmend mit der virtuellen Welt des Internets.

Damit ist unsere Welt schon längst zu einem nicht mehr überschaubaren, kommunikativen Netzwerk mutiert. Viele Menschen verlieren den Bezug und die sozialen, menschlichen Bindungen in der realen, stofflichen Welt, und widmen sich mit aller Energie virtuellen Foren, Communities, Multiplayerspielen, Blogs usw. In diesen offenen Plattformen muss sich der Anwender persönlich profilieren, sprich: eine virtuelle Persönlichkeit aufbauen. Dass diese oftmals ein verzerrter Schatten ihrer selbst ist und sich der Mensch mit Fähigkeiten, Aussehen und einer falschen Persönlichkeit ausstattet, kann gefährlich sein, denn da alle Informationen frei zugänglich sind, ist die Gefahr von Verleumdung, Mobbing oder Stalking ein ernstes Thema, das schnell zu einer gefährlichen Bedrohung führen und reale Existenz zerstören kann.

Jeffery Deaver lässt in seinem aktuellen Thriller „Allwissend“ die Kinetikerin und Ermittlerin Kathryn Dance aus Kalifornien online wie auch offline auf Mörderjagd gehen.

_Inhalt_

Jeder kennt die an Kurven oder Schnellstraßen von Angehörigen aufgestellten Kreuze, die an den Unfalltod eines ihrer Lieben gemahnen sollen. Oftmals werden am Todestag Blumen oder eine Kerze an dieser Stelle zum Gedenken abgelegt. Als ein junger Streifenpolizist am 25. Juni am Straßenrand eines Highways Blumen und ein Kreuz entdeckt, auf dem eindeutig der folgende 26. Juni als Todesdatum zu lesen ist, geht er davon aus, dass die trauernden Angehörigen verwirrt waren und fährt, wenn auch ein wenig vorsichtiger, nach Hause.

Doch am besagten Tag wird eine junge Schülerin fast zum Opfer eines brutalen Mörders. Tammy Foster findet sich gefesselt und geknebelt im Kofferraum eines Autos wieder, das bei Ebbe inmitten eines Strandes stehen gelassen wurde, damit Tammy qualvoll mit der kommenden Flut ertrinkt. Tammy überlebt aber den Anschlag, da der Täter den Wagen nicht weit genug rausgefahren hat und Passanten das Auto rechtzeitig gesehen haben. Unterkühlt, aber lebendig kommt Tammy mit einem Schrecken davon.

Der mysteriöse Fall wird der Dienststelle von Kathryn Dance zugeteilt und die Verhör- und Kinetikspezialistin beginnt mit ihren Ermittlungen. Kathryn fängt an, Tammy Foster zum Hergang der Tat zu befragen. Kathryn ist eine äußerst talentierte Psychologin und Kinesikerin, die die Körpersprache treffend analysieren und interpretieren und damit die Lügen und Halbwahrheiten von Kriminellen wie auch Opfern durchschauen kann.

Im Krankenhaus, im Gespräch mit Tammy, wird Kathryn schnell klar, dass die junge Frau nicht ehrlich zu ihr ist und ihr vielleicht nicht die volle Wahrheit sagt. Ihre ganze Körpersprache und ihr sprachlicher Ausdruck lassen vermuten, dass sie unsicher ist und wohl Angst hat. Aber wovor, vor wem? Kathryn beobachtet, aber konfrontiert Tammy nicht mit ihren Vermutungen. Still und ruhig lässt sie sich erzählen, was Tammy von ihrer Entführung und dem Tathergang zu erzählen hat, oder besser gesagt, was sie nicht sagt.

In ihrem Auto, in dem Tammy ertrinken sollte, finden die Behörden ihr Notebook; das ist zwar vom Salzwasser beschädigt, aber Kathryn will unbedingt wissen, was sich auf der Festplatte des Rechners befindet, denn vielleicht führen die privaten Daten von Tammy zum Täter. Hilfe bekommt Kathryn von Prof. Jon Bolling, der an der hiesigen Universität lehrt und ein Experte für die neuen Medien ist.

Tatsächlich gelingt es Prof. Bolling, an die persönlichen Daten von Tammy zu kommen. Regelmäßig kommunizierte sie mit anderen Freunden auf einem Blog – dem Chilton Report. Tammy Foster hat sich ziemlich negativ über ein Thema ausgelassen, das zwar nicht sie direkt, aber Freundinnen betrifft, die bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Der Fahrer Travis Brigham hat überlebt und zieht den Zorn von einigen Bekannten und noch mehr Unbekannten auf sich, die ihn als Mörder abstempeln und ausgrenzen.

Travis ist in der Schule ein Außenseiter, ein Sonderling, gezeichnet von Akne im Gesicht; ein Einzelgänger, der sich anscheinend auch viel online bewegt. Als Kathryn Travis und seine Familie aufsucht, fällt ihr im Gespräch mit dem introvertierten Jungen auf, dass dieser innerlich vor Zorn bebt, und vielleicht ein Funken genügt, um ihn ausrasten zu lassen …

Zu allem Stress kommt noch hinzu, dass die Mutter von Kathryn Dance des vorsätzlichen Mordes angeklagt und verhaftet wird. Sie soll einen lebensgefährlich verletzen Polizisten, der im Krankenhaus lag, aktiv getötet haben. Da in Kalifornien Sterbehilfe gegen die Gesetze verstößt, könnte auf Kathryns Ma bei einer Verurteilung die Todeszelle warten …

Noch am selben Abend wird Kathryn zu einem weiteren Tatort gerufen, und diesmal gibt es einen Toten. Wieder wurde ein Kreuz gefunden und Indizien weisen darauf hin, dass Travis der Mörder gewesen sein könnte. Doch als Kathryn Travis und seine Familie aufsucht, ist dieser verschwunden – und mit ihm der Revolver seines Vaters …

_Kritik _

„Allwissend“ von Jeffery Deaver ist nach „Die Menschenleserin“ der zweite Band mit der Ermittlerin Kathryn Dance. Und wieder einmal hat es der Autor geschafft, einen großartigen und atemlos spannenden Roman zu veröffentlichen, der zu Recht auf den oberen Rängen der Bestsellerlisten zu finden ist.

Nicht nur, dass „Allwissend“ spannend und intelligent konzipiert ist, auch in den schnellen und gut eingestreuten Nebenerzählungen schafft es Deaver, den Leser quasi ’nebenbei‘ zu überzeugen. Neben dem Hauptplot – natürlich die Jagd nach dem „Kreuzkiller“ – sind auch die Nebenschauplätze – zum Beispiel die Anklage von Kathryns Mutter wegen Mordes oder das Privatleben von Dance – ungemein spannend. Das gelingt nicht jedem Autor, besonders nicht bei einem Thriller, aber Deaver gelingt dies Kunststück fulminant.

Das Tempo der Handlung ist, gemessen an den Ereignissen und Szenenwechseln, wohldosiert. Ebenso gezielt wechseln die Perspektiven; so erfährt man aus Opfersicht, wie diese die Entführung und das Grauen erleben, aber auch Nebencharaktere wie der Datenexperte Prof. Jon Bolling oder der Betreiber des Blogs kommen zu Wort. Nichtsdestotrotz erlebt der Leser die Ermittlungen selbst natürlich aus der Sicht der Hauptfigur Kathryn Dance.

Es gibt viele Thriller mit psychologischen Aspekten, in denen Profiler und Psychologen die Ermittlungen vorantreiben, sich in das Denken und Handeln der Täter einleben, um diese verstehen und natürlich weitere Morde verhindern zu können. Auch Deaver bedient sich dieser Rezeptur, erschafft aber mit seiner Figur Kathryn Dance einen Charakter, der realistisch und zugleich sensibel agiert, also keinen Ermittler, der mit Waffengewalt oder empathischen Supertalenten den Gegner einengt.

Nein, Jeffery Deaver stattet Dance mit einem nicht neuen, aber ungemein effektiven Talent aus. Sie kann in einem Menschen lesen wie in dem sprichwörtlichen Buch, so gut, dass selbst ihre Kinder sie wie eine Art Superfrau behandeln, denn Lügen ist bei ihr zwecklos, und das ist in den Augen ihrer Kinder ja so was von unfair …

Trotz ihres nonverbalen kommunikativen Talents bleibt Kathryn Dance eine Frau wie jede andere auch. Nach dem Tod ihres Mannes ist sie alleinerziehende Mutter, die sich nach Wärme und Liebe sehnt und natürlich auch einen potenziellen Vater für ihre Kinder sucht. Solche Kleinigkeiten hat Jeffrey Deaver wunderbar in seinen Roman implementiert und spendiert seinem Hauptcharakter damit sympathische Besonderheit und Tiefe. Ihr inniges Verhältnis zu und ihr Vertrauen in ihre Mutter wird durch die Anklage wegen Sterbehilfe ein wenig erschüttert, und auch ihre berufliche Nähe zu ihrem Kollegen Michael O’Neal wird ein wenig komplizierter, als sie sich unbewusst für Prof. Jon Bolling interessiert, der zudem noch gut mit ihren Kindern auskommt. Dem Autor gelingt hier genau das, wovon ein Roman lebt: Er erschafft kompakte Charaktere, die Baustein für Baustein immer greifbarer werden, und zwar so intensiv, dass sich der Leser inmitten des Geschehens wiederfindet.

Es gibt unerwartete Wendungen zur Genüge, denn um die Handlung noch interessanter zu machen, weicht Deaver gern vom Weg ab. Dennoch steuert die Spannung einem Finale entgegen, das gut durchdacht und logisch stimmig ist.

Es gibt zwar einige rasante Passagen, aber „Allwissend“ ist kein Action-Feuerwerk, sondern ein kontrolliertes psychologisches Gefecht mit allen Täuschungen, Irrungen und Wirrungen, die man sich als Leser nur wünschen kann. Den Überblick über die Handlung und die Nebenerzählungen verliert man dabei zu keiner Zeit.

Besonderes Einfühlungsvermögen beweist der Autor aber nicht nur mit der Gestaltung der Protagonistin Kathryn Dance, sondern auch bei den vielen anderen Charakteren, die alle für sich genommen wichtig sind. Deaver hat sich mit der Ausarbeitung seiner Figuren nicht nur viel Zeit genommen, sondern diese derartig mit Leben gefüllt, dass nichts wirklich unnötig oder fehl am Platze wirkt.

Deavers Stil ist mit jenem in seinen Romanen um den behinderten Ermittler Lincoln Rhyme schwer zu vergleichen. Die Reihe um Ryhme und Sachs ist eher actionlastig angelegt. Sicherlich gibt es Ähnlichkeiten in den psychologischen Ansätzen, dennoch ist der Weg und Lösungsansatz von Dance ein ganz anderer als der von Lincoln Ryhme.

_Fazit_

„Allwissend“ ist ein psychologischer Thriller, dessen Klasse in der obersten Liga anzusiedeln ist. Jeffery Deaver hat sich erneut als ein Großmeister dieses Genres bewiesen.

Wer Spannung sucht, wird bei „Allwissend“ fündig werden und das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Deaver kombiniert Spannung mit viel Blick aufs Detail, und seine Charaktere wirken wie eine große Familie, die sich zwar nicht immer versteht, aber in der ein Rad ins nächste greift und so die Handlung bis auf die letzten Seite atemlos macht.

|Originaltitel: Roadside Crosses
Originalverlag: Simon & Schuster, New York 2009
Deutsch von Thomas Haufschild
544 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-7645-0336-9|
http://www.jeffery-deaver.de
http://www.blanvalet.de

Pearlman, Ann – Christmas Cookie Club, Der

Jedes Jahr am ersten Montag im Dezember treffen sich Marnie und ihre elf Freundinnen, die Cookie-Hexen, zum Christmas Cookie Club in Marnies festlich geschmücktem Wohnzimmer. Dort werden die Cookies – jede backt 13 Dutzend – untereinander verteilt, und je ein Dutzend wird dem ansässigen Hospiz gespendet. Dabei plaudern die Frauen über die Ereignisse des vergangenen Jahres, es wird gelacht, geweint, sie streiten und versöhnen sich. Sie sind sich so nah wie sonst selten im Jahr.

Marnie wartet den ganzen Abend auf einen Anruf ihrer schwangeren Tochter Sky, die ein Testergebnis erwartet – ihr erstes Baby war eine Totgeburt. Auch ihre zweite Tochter Tara ist zum ersten Mal schwanger. Marnies Freundin Charlene muss mit einem großen Verlust klarkommen: Ihr Sohn Luke verstarb nach einem Unfall. Jetzt versucht sie, in ihrem Leben einen neuen Sinn zu finden.

Eine der Cookie-Hexen ist dieses Jahr ausgeschieden, dafür kommt Cookie-Jungfrau Sissy dazu. Sie ist Marnies „Mit-Großmutter“ und versucht, Marnie ihren Sohn und dessen Wesenszüge näherzubringen, einen schwarzen Rapper, der vor kurzem noch im Gefängnis war. Auch die anderen neun Freundinnen im Bunde haben alle einiges durchgestanden, Schönes wie auch Tragisches.

Jedes Kapitel in diesem Buch ist einer der Frauen gewidmet, beginnt mit dem Cookie-Rezept, das diese gebacken hat, und erzählt ein bisschen von der Vergangenheit sowie der jetzigen Situation. Am Ende jedes Kapitels kommt noch etwas Warenkunde hinzu.

_Kritik_

Ann Pearlman hat mit „Der Christmas Cookie Club“ ein weihnachtliches, warmherziges Buch geschrieben. Der Roman wird aus Marnies Sicht, der Cookie-Oberhexe, erzählt.

In jedem Kapitel wird eine der zwölf Protagonistinnen vorgestellt, man erhält einen kurzen Einblick in deren Vergangenheit, die Beziehungen untereinander werden erläutert, und bei der Cookie-Vergabe kommt das zentrale Thema, das sich durch das Jahr zog, noch mal auf den Tisch.

Die Cookie-Hexen sind sehr real konzipiert; sie wirken glaubwürdig und sehr sympathisch, jede auf ihre Weise. Man möchte fast dazugehören und fühlt sich bei ihnen recht wohl.

„Der Christmas Cookie Club“ ist sehr kurzweilig erzählt – ein angenehm leichtes Buch, besonders zu Festzeiten. Die zwölf Rezepte laden zum Nachbacken ein; statt der Warenkunde hätte ich mir allerdings vielleicht noch ein paar Worte mehr zu den zwölf Frauen gewünscht. Die Warenkunde war zwar zuweilen informativ, aber ein Fehlen derselben hätte dem Roman auch nicht geschadet.

_Fazit_

Ann Perlmans „Der Christmas Cookie Club“ kann ich wärmstens empfehlen. Die zwölf Freundinnen sind so warmherzig beschrieben, man würde gerne mit ihnen gemeinsam in Marnies Wohnzimmer sitzen und plaudern.

Ich werde diesen Roman auf jeden Fall verschenken. Mit einer der Cookie-Sorten dazu, wird dies sicherlich gut ankommen. Die Dr.-Oetker-Versuchsküche hat alle Rezepte dieses Buches nachgebacken und ein kleines Heftchen mit den Rezepten (in deutsche Einheiten umgerechnet) und Bildern der Cookies beilegen lassen.

_Die Autorin_

Ann Pearlmann wurde in Washington, D.C., geboren. Sie lebt als Schriftstellerin und Psychotherapeutin in Ann Arbor, Michigan. Sie gehört einem Christmas Cookie Club an, der Grundlage zu diesem Roman war.

|358 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3547711585|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/mvs/

_Nadine Warnke_

Mike Resnick – Wilson Cole 1: Die Meuterer

Auf Platz vier der meistgeehrten Science-Fiction-Autoren findet man Mike Resnick – noch vor bekannten Größen wie Asimov, Bradbury, Heinlein und Clarke. So teilt der Anhang des vorliegenden Romans mit und bezieht sich damit auf eine Liste, die vom Locus-Magazin geführt wird. Umso verwunderlicher, wie wenig ehrerbietige Nennung sein Name findet, so dass sich die Frage aufwirft, ob sich diese Preise an der Qualität einer Geschichte oder an ihrer jeweils aktuellen Beliebtheit orientieren (wobei Qualität auch ein zu definierender Begriff in diesem Zusammenhang wäre).

Resnick hält sich vor allem in seinem groß angelegten |Birthright|-Universum auf, das die Zukunft der Menschheit von der Entwicklung eines Überlichtantriebs bis zu ihrer Auslöschung umfasst. Natürlich spielt auch die Geschichte um Wilson Cole in dieser Welt und fügt ihr eine wichtige Facette hinzu.

Das altersschwache Kriegsschiff Theodore Roosevelt, von seiner Besatzung liebevoll „Teddy R“ genannt, fliegt abkommandiert als Patrouille eines großen Abschnitts des Randsektors mit einer explosiven Besatzung, die aus dem Flottenkommando unbeliebten Militärs besteht, in dieser weitgehend vom Krieg unbehelligten Zone seit Jahren ohne Feindkontakt und ist froh über diesen Zustand. Bis Wilson Cole als Zweiter Offizier an Bord geht und mit ihm die Probleme kommen: Plötzlich entdeckt man feindliche Aktivitäten in der Gegend, wird ihrer dank Coles intelligenten Einsatzes Herr, wird in einen ebenso abgeschiedenen Sternhaufen versetzt und dort erneut mit dem Feind konfrontiert, wobei der Captain sein Leben verliert und der paragrafentreuen Ersten Offizierin seinen Platz überlässt, die Coles erneuten erfolgreichen Einsatz als Fehlverhalten meldet und so eine neuerliche Versetzung des Schiffes bewirkt.

Cole, der eine eigene Auffassung von militärischem Gehorsam hat und stets so handelt, wie es ihm der Republik dienlich scheint, findet immer einen Weg, die Zurückhaltung seiner Captains zu umgehen und sich aktiv am Krieg zu beteiligen. So hindert er seine neue Captain am Völkermord und bekommt dafür lebenslänglich …

Wilson Cole ist ein Held und wird auch von der ersten Seite an als solcher eingeführt. Die Leute starren vor Lobhudelei und sind fassungslos, dass es einen Held der Republik – immerhin ist er der höchstdekorierte Offizier der Flotte – in dieses abgetakelte alte Schiff und die abgelegenste Gegend der Galaxis verschlagen hat. Und damit wird ein wichtiger Konfliktpunkt von Anfang an hervorgehoben: Die Heldenverehrung durch die Massen führt dazu, dass das Militär nicht anders kann, als diesen Mann zu ehren, obwohl es ihn lieber loswäre, da er ein unformbarer Charakter ist. Hinter den Kulissen versuchen sie ihren Helden kalt zu stellen, doch Cole schafft es an jedem Ort, wichtige Dienste für die Republik zu leisten – ob mit oder gegen den Willen seiner Vorgesetzten – und sich wieder ins Rampenlicht zu stellen, um die Bevölkerung hinter sich zu haben.

Resnick beschreibt seinen Helden deutlich als Teil der Gripsfraktion, Cole sieht sich weder als besonders draufgängerisch, noch wird er als überdurchschnittlich in irgend einem körperlichen Attribut geschildert. Trotzdem hat er ein großes Talent, Konfrontationen zu meistern und aus Krisensituationen gestärkt hervorzugehen. Er spannt jeden in seinem Umfeld für seine Zwecke ein und manipuliert selbst die scheinbar völlig regelkonforme und logisch denkende Frau aus dem Volk der Polonoi, die seine Vorgesetzte ist und eigentlich schon grundsätzlich völlig konträr zu Coles Ansichten steht.

Man könnte Cole als einen typischen Überhelden und Moralapostel sehen, wenn nicht auf spannende Art und Weise seine Ecken und Kanten ausgearbeitet würden. Sein Zweckegoismus, der im Endeffekt nur dem Erreichen von Militärzielen oder – später – der Ziele seiner Crew gilt, lässt ihn oft arrogant erscheinen, und auch seine verbalen Spielereien und diesbezüglichen perfekten Fähigkeiten schlagen in diese Kerbe. Seine hohen moralischen Ansprüche werden im Laufe des Buches immer deutlicher, bis er schließlich, um dem Titel des Buches gerecht zu werden, meutert, um einer kompletten Planetenbevölkerung das Leben zu retten. Und das wird schließlich zum Auslöser seiner Verknackung auf Lebenszeit sowie für sein Überdenken der Loyalität der Republik gegenüber. Mit diesem Charakter hat Resnick auf jeden Fall eine großartige Führerpersönlichkeit mit Legendenpotenzial geschaffen.

Relativ unkreativ sind allerdings Coles Mitstreiter: Die Sicherheitschefin, mit der er schläft und die ihn (auch vorher schon) völlig loyal unterstützt; die junge Offiziersanwärterin, die total verknallt ist; die junge, fähige Brückenoffizierin und der Waffensergeant, dem Cole die Vollmacht für körperliche Züchtigung bei Drogenmissbrauch erteilt. Allerdings sind dann noch einige außerirdische Attribute, die Resnick interessant schildert und einführt und damit noch einen Gegenpart zur menschlichen Übermacht konstruiert. Ihm fällt diese Übermacht dann auch leicht negativ auf, denn er lässt Cole einen frei gewordenen leitenden Posten extra mit einem Außerirdischen besetzen.

Insgesamt ein schneller Roman, den man ungern aus der Hand legt und der unbedingt nach mehr verlangt, denn sowohl die wunderbar unterhaltend geschriebene Geschichte als auch das Universum hinterlassen einen rundum positiven Eindruck.

Broschiert: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-23326-7
Originaltitel: Starship: Mutiny
Übersetzt von Thomas Schichtel

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Becker, James – Unheilig

_Das geschieht:_

Käme die Wahrheit über den Ursprung des Christentums ans Tageslicht, wäre die Macht der katholischen Kirche gebrochen; kein Wunder, dass die Päpste schon früh dafür sorgten, dass dieses Wissen geheim bleibt. Sollte doch etwas durchsickern, wird die Apostolische Penitenziara des Vatikans – früher bekannt als „Inquisition“ – aktiv, der heuer Kardinal Vertutti vorsteht.

Ebenfalls im Boot: die Cosa Nostra, vulgo „Mafia“ genannt, die seit dem 19. Jahrhundert für den Vatikan die Drecksarbeit erledigt. „Capo“ Gregori Mandino teilt dem erschrockenen Vertutti mit, dass die Engländerin Jackie Hampton in dem uralten Haus, das sie mit ihrem Ehemann Mark in der Region Latium bewohnt, eine bisher unbekannte Spur zum besagten Geheimnis aufgedeckt hat. Als Mandino seine Schergen in Gang setzt, um dies zu überprüfen, kommt Jackie dabei um.

Der gebrochene Mark fliegt in Begleitung seines besten Freundes nach Italien. Detektive Sergeant Christopher Bronson untersucht den Tatort, an dem Mandinos Männer einen Unfall inszenierten, was der Polizist aus Kent bald durchschaut. Bronson stößt dabei nicht nur auf jene Spur, die Jackie den Tod brachte, sondern auch auf weitere Informationen. Mit Hampton reist Bronson nach London, wo Angela Lewis, Bronsons Ex-Frau, als Historikerin im Britischen Museum arbeitet. Pechvogel Mark wird von Mandino, der den Freunden gefolgt ist, gefoltert, verhört und umgebracht. Die Indizien werden so manipuliert, dass sie auf Bronson als Mörder hindeuten.

Dieser reagiert mit einer Flucht nach vorn bzw. nach Europa. In Begleitung von Angela will er das Geheimnis lüften und die Verfolger demaskieren. Während die beiden mysteriösen Hinweisen und uralten Rätseln folgen, ist ihnen ein zunehmend zorniger Mandino härter auf den Fersen, als das Paar vermutet …

_Düstere Spielchen nur teilweise Erleuchteter_

Dan Brown … zwei Worte und ein Name, der inzwischen für eine moderne Erfolgsstory sowie Auslöser einer literarischen Katastrophe steht. Brown hat den ‚Vatikan-Thriller‘ zwar nicht erfunden, ihn aber definitiv zu seinem Genre gemacht. Das Prinzip ist simpel: Die katholische Kirche, eine 2000 Jahre alte Institution mit einer an Schrecken und Geheimnissen reichen Vergangenheit, einer für Verschwörungstheorien idealen Verwaltungsstruktur sowie einem von zahllosen Legenden umwobenen Hauptquartier (dem Vatikan), investiert einen Gutteil ihrer (in diesen Thrillern stets beträchtlichen) Macht in die Verschleierung historischer Tatsachen, die ihrem Ruf unbekömmlich wären und, was wichtiger ist, an ihren angemaßten Privilegien rühren würden. Beliebt sind auch seit Jahrhunderten geführte Geheimkriege mit finsteren Organisationen, die tückische und höchst komplizierte Pläne verfolgen, welche in Richtung Weltherrschaft gehen. Wer als Autor gänzlich auf Nummer Sicher gehen möchte, kombiniert beide Konzepte.

„James Becker“ – der sich nicht grundlos hinter einem Pseudonym verbirgt – ist kein Freund komplexer Plots oder allzu detailreich ausgemalter Hintergründe. Das große ‚Geheimnis‘ drängt sich dem einigermaßen historisch beschlagene Leser schon nach dem Epilog auf, der im ersten nachchristlichen Jahrhundert in der römischen Provinz Palästina spielt. Allen Ernstes scheint Becker der Meinung zu sein, er könne den Korken auf der Rätsel-Flasche halten, indem er die Namen der beiden Männer unterschlägt, die angeblich im Auftrag des römischen Kaisers Nero den Startschuss für den Siegeszug des Christentums gaben.

Generell setzt Becker ein niedriges Erkenntnis-Niveau voraus. Auch seine Helden tappen endlos dort im Dunkeln, wo sie beim besten Willen wenigstens theoretisch der Lösung nahekommen müssten. Doch es reicht gerade dazu, den auch nicht mit Intelligenz und Findigkeit geschlagenen Bösewichten einen Schritt voraus zu bleiben. Es ist sowieso egal, was diese einfädeln, denn Chris Bronson rekonstruiert stets haargenau, was seine Gegner wieso getan haben. Anschließend fällt eine Weile Finsternis über sein Hirn, denn die Schurken müssen aufholen, damit sie ‚überraschend‘ auftauchen, auf unsere Helden schießen oder sie anderweitig bedrohen können: So funktioniert Spannung à la James Becker: als Kopf-an-Kopf-Rätsel-Rallye!

_Schema F – mit freundlicher Unterstützung von König Klischee_

Was ist von einem Rätsel zu halten, das von einem Polizisten, einem Vermögensberater und einer Expertin für antike Keramik ohne größere Probleme gelöst werden kann? Becker postuliert zwar diverse Sackgassen und Missverständnisse, wobei er jedoch nicht verbergen kann, wie simpel er sein Mysterium konstruiert ist. Größe zählt manchmal doch: Dan Brown ist auch deshalb so erfolgreich, weil er historische Fakten im ganz großen Stil mit Theorien und Legenden verquirlt. Becker fällt vergleichsweise wenig ein. Nero als verrückter Wüstling, die bockigen Katharer, das Labyrinth der vatikanischen Geheimarchive: Es passt zusammen, macht aber nicht viel her.

Wie so oft im Thriller-Genre soll wilder Aktionismus Spannung vortäuschen. Gut und Böse sausen durch Europa und haken dabei hektisch touristische und historische Highlights ab. Mit dem Laptop auf den Knien werden während der Fahrt kapitale Mysterien entschlüsselt, während am Horizont pistolenfuchtelnd die mit der Kirche verbandelte Mafia naht. Becker zieht den Leser nicht in seinen Bann, er speist ihn mit hölzern abgewickelten Spannungsroutinen ab.

_Munkelmänner & Schlaufrauen_

Dem entsprechen die saft- und kraftlosen Figuren. Zwar bemüht sich Becker, seinem (als Serienhelden geplanten) Chris Bronson ein Profil zu verleihen. Faktisch setzt er nur Klischee auf Klischee. Also ist unser Held ein nonkonformistischer Idealist mit Universitäts- und Militärausbildung, was ihm ermöglicht, seinen Gegnern nicht nur intellektuell, sondern auch im Kampf das Fell zu gerben. Privat dichtet Becker Bronson gleich zwei unglückliche Liebesgeschichten an, was ihn auch nicht interessanter wirken lässt; von der erwarteten, weil eigentlich obligatorischen Liebesszene nimmt Becker glücklicherweise Abstand, obwohl dem Leser dadurch womöglich ein Höhepunkt der unfreiwilligen Komik entgeht.

Während es die Liebe seines Lebens nur bis auf Seite 19 schafft, darf die Ersatzfrau glänzen. Erstaunlich rasch versöhnt sich die beleidigte Angela mit ihrem Chris, nachdem die Konkurrentin ins Gras gebissen hat, und wirft sich zum Ex-Gatten in den Wagen, um sich auf eine europaweite Schnitzeljagd zu begeben, während Polizei, Kirche und Mafia sich auf ihre Fährte setzen – fürwahr eine logische Entscheidung!

Oder kannte Angela ihre Gegner bereits? Obwohl sie in der Übermacht sind und ihnen alle möglichen (und auch unmöglichen) Überwachungstechniken zur Verfügung stehen, versauen diese Schurken noch jede Teufelei irgendwie. Gregori Mandino soll einen Mafiosi des 21. Jahrhunderts darstellen – gebildet, gut gekleidet, äußerlich ins legale Gefüge seines Landes integriert, innerlich jedoch ein skrupelloser Killer sowie Botschafter eines kriminellen Imperiums, das Becker als staatsähnliches „Reich des Bösen“ charakterisiert.

Zwischen der Mafia und der Kirche sieht Becker jene Parallelen, die auch Volkes Stimme gern voraussetzt. Wie dieses Bündnis gestaltet ist, legt Mandino Kardinal Vertutti und den Lesern in einer Art Referat dar. Nur eines sei verraten: Raffiniert oder überzeugend klingt anders! Folgerichtig bietet auch besagter Kardinal eine flache Figur. Er ist ein machtlüsterner, scheinheiliger Kirchenfürst, der für die Konservierung des Status quo mit einem frommen Spruch auf den Lippen über Leichen zu gehen bereit ist.

Der Auflösung wird selbstverständlich eine finale Überraschung als Coda angeklebt. Die ist wahrlich nicht von dieser Welt und impliziert Sensationen, die Becker in der Fortsetzung seiner Reihe weder umsetzen kann noch wird, weil er sich selbst den Ast absägen würde, auf dem er sitzt und schreibt. Andererseits merkt er das vielleicht gar nicht, und man sollte ihn machen lassen, womit sich das Problem weiterer Munkel-Thriller, die unsere Welt nicht braucht, allein erledigt …

_Der Autor_

„James Becker“ ist ein Pseudonym des Schriftstellers Peter Stuart Smith. Er flog zwei Jahrzehnte Hubschrauber für die Royal Navy und half später bei der Entwicklung von Planspielen, die mögliche Szenarien zukünftiger Kriege erfassten. Hier erwarb der zukünftige Autor jenes Wissen, das es ihm ermöglichte, seine im militärischen Umfeld spielenden Thriller mit einschlägigen Fachtermini zu würzen. Außerdem war Smith dienstlich viel in der Welt unterwegs, was sich ebenfalls in seinen Romanen widerspiegelt.

„Overkill“ (dt. „Operation Overkill“), Smith‘ Romanerstling, erschien 2004 unter dem Pseudonym „Commander James Barrington“. Das Buch ist gleichzeitig Start einer Serie, die den britischen Geheimagenten Paul Richter im weltweiten Kampf gegen kriegslüsterne Terroristen, Verräter und anderes Schurkengezücht präsentiert, wobei der akkuraten Beschreibung der einsetzten Waffen und Gefechtsmethoden mindestens ebenso viel Platz eingeräumt wird. Um die Komplexität der technischen Schilderungen in etwa auszugleichen, meidet Smith in seinen Handlungsplots jegliche Hintergründigkeit.

2008 legte er sich ein zweites Pseudonym zu: „James Becker“ wird (mindestens) drei Bände einer Serie um den Polizisten und Ex-Soldaten Chris Bronson schreiben, der im Kampf mit dem Vatikan, der Mafia und anderen zwielichtigen Organisationen verborgene und vertuschte Geheimnisse der katholischen Kirche aufdeckt, von denen nicht einmal Robert Langdon zu träumen wagt.

Peter Stuart Smith lebt heute im Kleinstaat Andorra in den östlichen Pyrenäen. Über seine Aktivitäten informiert er militärisch präzise und ohne Schnickschnack auf seiner Website („It’s small, simple, fast to load, and without frills.“): http://www.jamesbarrington.com.

Die Chris-Bronson-Serie:

(2008) The First Apostle (dt. „Unheilig“)
(2009) The Moses Stone (noch keine dt. Ausgabe)
(2010) The Messiah Secret (noch keine dt. Ausgabe)

_Impressum_

Originaltitel: The First Apostle (New York : Bantam Books 2008)
Dt. Erstausgabe: Februar 2009 (Blanvalet Verlag/TB Nr. 37175)
Übersetzung: Ralph Sander
416 Seiten
EUR 7,95
ISBN-13: 978-3-442-37175-4
Als eBook: Oktober 2009 (PeP Verlag)
EUR 7,95
ISBN-13: 9-783-641-03028-5
http://www.blanvalet.de

Lynn Flewelling – Der verwunschene Zwilling (Tamír Triad 1)

Tobin ist von königlicher Abstammung. Aber obwohl er einerseits behütet aufgewachsen ist, fernab vom Königshof und seinen Intrigen, hat er keine leichte Kindheit gehabt. Seine Mutter ist seit seiner Geburt geistig verwirrt, und sein Vater liebt ihn zwar innig, ist aber selten Zuhause, da der König häufig seine Anwesenheit bei Hofe fordert und das Nachbarland Plenimar immer wieder Plünderer nach Skala schickt. Und außerdem ist da auch noch der Geist von Tobins totem Zwilling …

Doch dann verliert Tobin seinen Vater. Der König lässt Tobin an den Hof holen, und schon bald wünscht sich der Junge, es wäre alles wieder wie früher. Dabei sind die boshaften Intrigen unter den Gefährten des Kronprinzen noch sein geringstes Problem, wovon Tobin allerdings noch gar nichts weiß.

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Victor Gischler – Die Go-Go-Girls der Apokalypse

Was wäre, wenn man sich für ein paar Jahre in die Wildnis zurückzieht und bei seiner Wiederkehr feststellen muss, dass die Welt untergegangen ist? Keine für uns noch alltägliche Technik, keine immer verfügbaren Informationen, das Gesetz ohne Bedeutung – eine Art „Wilder Westen“, in den es Mortimer Tate, den Protagonisten des vorliegenden Buches, verschlägt, nachdem er in der Einsiedelei den Weltuntergang verpasst hat …

Neun Jahre sind vergangen, seit Mortimer seine Frau hat sitzenlassen und sich in die Berge zurückzog, um erstens vor den Problemen einer Scheidung und zweitens vor dem bevorstehenden Armageddon zu fliehen. Jetzt macht er sich auf, seine Frau zu finden und zu sehen, ob es ihr gut geht, denn so viel Verantwortungsgefühl stellt sich doch plötzlich bei ihm ein. Dabei machen ihn seine gehorteten Vorräte an Whiskey zu einem der reichen Männer der neuen Weltordnung, in der die einzige Währung in den so genannten „Joey Armageddon’s Go-Go-Club“s etwas zu zählen scheint.

Mortimer findet sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gut in der Gegenwart zurecht und wird alsbald in einen Konflikt zwischen den beiden die Gegend beherrschenden Geschäftsmännern verwickelt: Joey, der mit seinen Clubs eine neue Art von Zivilisation aufzubauen hofft und nebenbei einen lukrativen neuen Markt erschließt, und Franky, der mit seinen billigen Alkoholverschnitten den Markt überschwemmt und beherrscht, denn der Bedarf ist in dieser Zeit höher denn je.

Und obwohl Mortimer sich keine Rückkehr in eine Ehe mit seiner (bald als Exfrau bezeichneten) Frau vorstellen kann und unterwegs auch nichts anbrennen lässt, ist sein Antrieb vor allem der Wunsch, sie zu finden. An zweiter Stelle steht Kaffee, ein Luxusgut, für das Mortimer beinahe alles tut …

Zwischen Whiskey und Kaffee – sieht so die Währung der Zukunft aus? Nach Kriegsberichten gehören dazu noch Zigaretten, Konserven und Streichhölzer. Und bei Mad Max, der in diesem Buch mehrfach zitiert wird, ist natürlich das Benzin das teuerste Gut. Gischler schiebt noch eine Veränderung in den Vordergrund, die manchmal auch als radikaler Rückschritt erscheint: Frauen. Sie dienen in dieser postapokalyptischen Welt vor allem der Erbauung und Befriedigung von Männern – und sehen es auch noch als höchste Ehre an, in einem der Go-Go-Clubs zu arbeiten. Diese Arbeit umfasst neben der üblichen Tanzerei auch die leichtbekleidete Bedienung bei Tische, über Streicheleinheiten und Flirts bis hin zur horizontalen Vergesellschaftung mit ihrer Kundschaft. Im Mann dieser Zukunft erwacht das Tier zu schamloser Offenheit, Sex ist anerkanntes Zahlungsmittel und Kapital der Frauen, Monogamie praktisch ausgestorben. Eine optimale Situation also für Mortimer, der neun lange Jahre mutterseelenallein in einer Höhle hauste …

Mortimer, der selbst ein etwas blasser, weil jeder Situation gewachsen erscheinender und seltsam innenlebenloser Charakter ist, trifft auf seiner Konfrontation mit der bewohnten Welt auf einige schräge Typen; zumindest versucht Gischler eine abgefahrene, schräge Atmosphäre zu schaffen. Dabei wirken auch die anderen Agonisten der Geschichte entweder überzeichnet oder einseitig blass, so dass sich keine erzählerische Dichte einstellt.

Trotzdem sind einige Ideen durchaus interessant: Der Muskelexpress, eine von drogenabhängigen Muskelprotzen angetriebene Draisine als Gütertransport, wird von einer harten, einäugigen Piratin der Schienen kommandiert, und Gischler versucht tatsächlich eine Anlehnung an die Seefahrt früherer Zeiten, wenn er die Reise Mortimers mit diesem Gefährt beschreibt. Die Legende um den roten Zaren, der drei Meter groß sein und Zähne wie ein Haifisch haben soll, das ausgestorbene Atlanta, in dem der Zar vom CNN-Center aus regiert, die vom knappen Benzin angetriebene Heeresmacht der Minicooper mit Fahrer und MP-Schütze als Besatzung, das von einer rasenmäherähnlichen Finne angetriebene Luftschiff und schließlich der Möchtegern-Cowboy Buffalo Bill, der in der freien Welt der starken Männer irgendwie seinen Platz als Helfer der Schwachen zu suchen vorgibt – all das sind Details, die normalerweise für ein bizarres Charisma hätten sorgen müssen.

Insgesamt schafft es der Roman nur, flüssig und teilweise interessant, aber ziemlich trashig zu unterhalten. Das Attribut des „definitiven Endzeitromans“ wird ihm leider ungerechtfertigt verpasst. Was den Autor schließlich zu dieser Titelvergabe bewogen hat, mag höchstens noch die alte Weisheit „Sex sells“ gewesen sein, denn obwohl es im Roman von allerlei nackter Haut wimmelt, spielen die Go-Go-Girls eher keine Rolle. In Erinnerung bleiben einige wenige interessante Ideen und der Eindruck von erzählerischer Fläche ohne große Höhen und Senken, und so eignet sich der Roman zwar zur mühelosen Einschlaflektüre, doch nicht zum Abtauchen in fantastische Welten oder auch nur zu guter Unterhaltung.

Broschiert: 390 Seiten
ISBN-13: 978-3492291941
Originaltitel: Go-Go Girls of the Apocalypse
Deutsch von Andreas Brandhorst

Der Autor vergibt: (2/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Seidel, Wolfgang – Es geht um die Wurst. Was hinter unseren Wörtern steckt

„Es geht um die Wurst“ ist das neueste Buch von Wolfgang Seidel, in dem er wieder Worte und Redewendungen des Alltags erklärt. Schwerpunkte im vorliegenden Band sind dabei unter anderem Namen sowie Begriffe aus verschiedenen Fachsprachen und Berufsfeldern, die teilweise mit einem Bedeutungswandel in die allgemeine Sprache eingegangen sind. Ein eigenes Kapitel befasst sich sogar mit nonverbaler Kommunikation. Sprichworte jedoch sind, auch wenn der Titel anderes vermuten lässt, nicht das Thema.

Um es gleich deutlich zu sagen, „Es geht um die Wurst“ ist kein wissenschaftliches Werk. Es ist ein Sachbuch, das dem Laien in einem kurzweiligen, mitunter humorvollen Plauderton einige ausgewählte Ausdrücke unserer Sprache darlegt. Dabei nimmt sich der Verfasser die Freiheit, zwischen der Erklärung der Wortbedeutung, der Wortherkunft und der Wortgeschichte, also etwa der Motivation von Bildern oder dem Übergang in andere Sachzusammenhänge, zu wechseln.

Unter diesen Voraussetzungen hat Seidel ein informatives und gut lesbares Buch abgeliefert. Man erfährt beispielsweise, dass „Entscheidung“ ebenso wie sein lateinisches Gegenstück „decisio“ ursprünglich „Schneiden“ bedeutete und auf Tieropfer hinweist. Man erkennt, wie viele Allerweltsausdrücke aus der landwirtschaftlichen, technischen oder kaufmännischen Fachsprache stammen. Darüber hinaus weist der Autor oft darauf hin, wenn deutsche Worte Verwandte in bestimmten ausländischen Sprachen haben, ob sie indogermanischer Herkunft oder noch älteren Ursprungs sind, und referiert dabei einige Erkenntnisse, die die allgemeine Kulturgeschichte aus der Sprachgeschichte gewonnen hat. Im letzten Kapitel wird dieses Thema noch vertieft.

Hauptsächlich stöbert Seidel aber, wie gesagt, durch verschiedene Wortfelder. Dass er das Thema Namen recht kurz abhandelt, ist eine kluge Entscheidung in einer Zeit, in der Ahnenforschung Volkssport ist und Legionen von Laien Chroniken wälzen und ihre Erkenntnisse vernetzen. Die Entstehung von Ortsnamen wird knapp und systematisch vorgestellt und gehört zu den stärksten Seiten des Buches. Neben vielen aufschlussreichen Informationen muss man jedoch feststellen, dass der Autor in den Gebieten Physik und Technik nicht ganz sicher ist. So ist „Strom“ keineswegs ein Synonym für „Elektrizität“, sondern bezeichnet – ganz im Wortsinne – nur fließende Elektrizität im Unterschied zur ruhenden, wie sie etwa bei einer statischen Aufladung entsteht. Mit der Erläuterung für „Datei“ dürfte mancher Informatiker Probleme haben. Und man darf natürlich bezweifeln, ob man in der heutigen Zeit noch irgend jemandem erklären muss, was im Autoverkehr „Vollbremsung“ oder in der EDV „speichern“ bedeuten.

Was Wolfgang Seidel mit seinem Buch trotz einiger Schwächen auf jeden Fall gelingt, ist, dem Leser wieder bewusst zu machen, dass die Sprache nicht nur ein Verständigungsmittel, sondern auch ein gemeinsames kulturelles Gedächtnis ist. Eine reiche, faszinierende Welt tut sich im scheinbar Selbstverständlichen auf.

http://www.dtv.de

Autorenteam – 25 Alben, die die Welt veränderten

Fachsimpeleien sind das täglich Brot eines jeden Musikjournalisten: Woher beziehen bestimmte Acts ihre Einflüsse, welche Inspirationsquellen prägten neu entwachsene Subgenres, warum sind gewisse Sparten angesagter als andere, und aus welchen Gründen sind alteingesessene Rockdinosaurier immer noch tauglich, die großen Stadien und Arenen zu füllen? Die üblichen Fragen zu den üblichen Verdächtigen kehren immer wieder zurück. Viel geschäftiger und hitziger wird aber oftmals noch diskutiert, welche nun die Alben sind, die das Business am deutlichsten veränderten, die Szenen formten, gesellschaftliche Bewegungen initiierten und letzten Endes das begründeten, was auch heute noch Bestand hat.

Dieser Aufgabe stellten sich jüngst auch einige britische Musikjournalisten, denen die Herausforderung gerade recht kam, die 25 wichtigsten Platten herauszufiltern und ihren Einfluss auf den Markt kenntlich zu machen. Es ging um kulturelle Wahrzeichen, Meilensteine, schließlich aber auch wiederum nur um eines: handgemachte Rockmusik von zeitloser Wirkung.

Inwiefern die Herrschaften hier den Geschmack alle objektiven Betrachter treffen, sei natürlich dahingestellt. Allerdings kann man schon sagen, dass illustre Gestalten wie Geoff Brown, Patrick Humphries oder David Buckley, allesamt renommierte Vertreter der britischen Journaille, sich bei der Auswahl gefühlsmäßig ausschließlich auf Klassiker berufen haben, und das in allen Sparten der Rock- und Popmusik. Alles beginnt mit Elvis Presleys legendärem Einstieg mit „The Sun Years“, dem hier eine der längsten Hommagen gewidmet ist. Peter Doggett philosophiert leidenschaftlich über die Aufnahmen aus den Jahren 1954/55 und setzt zu Beginn der Veröffentlichung schon einmal einen klaren Standpunkt, was genau in „25 Alben, die die Welt veränderten“ das Programm füllt.

Chronologisch geht es weiter über die Frühwerke der Beach Boys und von Bob Dylan hin zum Beatles-Monument „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, ebenfalls von Doggett zusammengefasst. Es folgen Exkurse über Hendrix, Cash und Clapton, bevor dann mit The Who und Led Zeppelin die ersten Rock-’n‘-Roll-Geniestreiche ans Tageslicht drängen. Pink Floyds Meisterwerk „Dark Side Of The Moon“ und Bruce Springsteens „Born To Run“ markieren offenkundige Standards, „Ziggy Stardust“ von Bowie ebenfalls. Überraschender sind indes die Wahl des „Catch A Fire“-Werkes von Bob Marley & The Wailers sowie von „Rumours“ von Fleetwood Mac, mit denen die 70er-Periode dieses Buches langsam aufs Ende zusteuert. Mit den Sex Pistols und The Clash bleiben, aus britischer Sicht, noch zwei unverzichtbare Bands in Reserve, die unbestritten eine Welle losgetreten haben, wenngleich der musikalische Wert ihrer Scheiben bis heute diskussionswürdig ist. Aber ihre Bedeutung ist eben auch nicht anzuzweifeln.

Mit dem Schwenk ins nächste Jahrzehnt offenbart sich schließlich auch, dass de Kritiker bis heute der Meinung sind, die einflussreichsten Alben seien zu jener Zeit bereits geschrieben worden. Jacksons „Thriller“ und „The Joshua Tree“ von U2 bleiben aber unumgänglich, Nirvanas „Nevermind“ genauso. Warum „Abba Gold“ jedoch Erwähnung findet, obschon es sich hierbei um einen Best-of-Release handelt, erschließt sich nicht. Auch R.E.M. und „Automatic For The People“ kommen überraschend, wobei der Fakt, dass Stipe und Co. aus dem Vereinigten Königreich stammen, wohl entscheidend war. Letzteres kann man von „OK Computer“, dem Radiohead-Meilenstein, jedoch nicht behaupten, weshalb Thom Yorke und sein bisher bedeutsamstes Vermächtnis die Auflistung auch würdig und zu Recht beschließen.

Auffällig bleibt jedoch, dass die 25 erwähnten Alben fast ausnahmslos von britischen Künstlern stammen und die dortige Fachpresse in der heimatlichen Szene wohl nach wie vor den Ursprung der modernen Popmusik sieht. Dem ist gewissermaßen zuzustimmen, denn wie bereits erwähnt, ist die Auswahl sehr erlesen und nachvollziehbar. Dass Gruppen wie unter anderem AC/DC, Metallica, Queen oder auch Tori Amos keine Beachtung finden, ist aber dennoch eine suspekte Tatsache, die wohl am Geschmack der beteiligten Schreiberlinge festzumachen ist. Doch das ist vielleicht auch nur zweitrangig.

Fakt ist, dass die Alben sehr gut reflektiert werden, der Leser individuell sehr viele Background-Infos abgreifen kann und man zum Ende des Sammelwerkes durchaus den Eindruck hat, eine Menge Wissen hinzugewonnen zu haben – womit der eigentliche Zweck dieser Ausgabe auch erfüllt wäre. Allen Musikinteressenten sei „25 Alben, die die Welt veränderten“ daher auch ans Herz gelegt. Anders als gewohnt ist das Informationsmaterial nämlich alles andere als banal dargestellt, sondern fachkritisch unter die Lupe genommen worden!

|348 Seiten
ISBN-13: 978-3-86543-416-6|
http://www.bosworth.de

RICHELLE MEAD – Blaues Blut (Vampire Academy 02)

Im ersten Band der Reihe „Vampire Academy“ von Richelle Mead hat die junge Wächterin Rose ihre beste Freundin Lissa aus den Fängen eines lebenden Vampirs gerettet. Im zweiten Band „Blaues Blut“ sind es die Strigoi, die toten Vampire, gegen die sie sich wehren muss.

Die siebzehnjährige Rose Hathaway lebt in einer gefährlichen Welt. Sie ist ein Dhampir, eine Halbvampirin, und geht auf die St. Vladimir’s Academy, auf der sie zum Wächter ausgebildet wird. Ihre Aufgabe wird es später sein, die Moroi, lebende Vampire, vor den wesentlich stärkeren und gefährlichen Strigoi zu beschützen. Als sie zusammen mit ihrem Mentor Dimitri zu einer wichtigen Qualifikationsprüfung fährt, erfährt sie, wie das in der wahren Welt aussehen kann. Strigoi haben mit der Hilfe von Menschen die magischen Barrieren eines Moroihauses durchbrochen und alle Moroi sowie die Wächter getötet.

Die Möglichkeit, dass die sonst so ungeselligen Strigoi nicht nur miteinander, sondern auch mit Menschen kollaborieren, versetzt die Schule in helle Aufregung. Ziel der Strigoi ist nämlich die Auslöschung der Moroi. Zum Schutz der Schüler fährt die gesamte Schule in ein speziell gesichertes Skigebiet in den Weihnachtsurlaub. Als Freunde von Rose erfahren, dass sich Strigoi im nahen Spokane aufhalten, machen sie sich auf eigene Faust auf den Weg. Sie wollen die ermordeten Moroi rächen, doch Rose ahnt, dass sie da nicht heile heraus kommen können. Sie folgt den vieren, doch dann eskaliert die Situation …

Das Beste an der Reihe ist die Protagonistin. Rose erzählt aus der Ich-Perspektive und ist ein interessanter, junger Charakter, der ein wenig an die Erzähler der Chic-Lit erinnert. Frech, manchmal sogar frivol, dabei aber trotzdem überlegt und intelligent berichtet sie aus ihrer Sicht. Sie macht dabei selten einen Hehl aus ihren Schwächen. Sie gibt sich offen, ehrlich und selbstreflektiert, was es einfach macht, sich mit ihr zu identifizieren und ihr in der Geschichte zu folgen. Zusätzlich tritt in diesem Band ihre Mutter, eine sehr bekannte Wächterin, zum ersten Mal in Person auf. Das Verhältnis zwischen ihr und Rose ist sehr gespannt und Rose, die dazu neigt, über die Stränge zu schlagen, legt sich mehr als einmal mit ihr an. Gerade diese neue Personenkonstellation verleiht sowohl der Handlung als auch der Hauptperson mehr Tiefe.

Die Handlung selbst ist spannend und annehmbar, aber kein wirkliches Highlight. In diesem Punkt ist „Vampire Academy“ – trotz aller Bemühungen – nur eine Serie. Bislang ist keine buchübergreifende Rahmenhandlung erkennbar. Einzelne Handlungsstränge wiederholen sich zwar, können aber keine dauerhafte Spannung aufbauen, die den Leser sehnsüchtig auf den nächsten Band warten lassen. Die Beziehungen zwischen den Personen bieten zwar Abwechslung, aber noch nicht genug Zündstoff.

Momentan sind es nur Rose und der Schreibstil von Richelle Mead, die die „Vampire Academy“-Reihe über den Durchschnitt hieven. Der Schreibstil ist so wie die Hauptfigur: bissig, häufig witzig, aber genauso oft auch nachdenklich oder sogar melancholisch. Die Autorin benutzt dafür ein gehobenes Vokabular, dank dem Rose wie eine intelligente junge Frau wirkt. Sie überfordert ihre jugendlichen Leser dabei aber nicht, sondern fördert sie im Gegenteil sogar. „Blaues Blut“ ist definitiv erwachsener als viele Jugendbücher und besitzt den nötigen Ernst, um auch Älteren zu gefallen.

„Blaues Blut“ ist handlungstechnisch kein Höhepunkt in der Reihe. Die sympathische Hauptfigur und der ansprechende Schreibstil sorgen allerdings dafür, dass Fans von Twilight und Co. diese Gelegenheit nicht an sich vorbeiziehen lassen werden.

Originaltitel: Frostbite
Aus dem Englischen von Michaela Link
290 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582028

http://www.egmont-lyx.de

Griffiths, Elly – Totenpfad

_Inhalt_

Ruth Galloway, eine forensische Archäologin, lebt zusammen mit ihren Katzen am Rande des Salzmoors in der Nähe von Norfolk. Es ist eine unwirtliche, trübe Gegend, aber Ruth mag es hier: Die Abgeschiedenheit, die raue Landschaft, den Ruf der Vergangenheit. Ganz in der Nähe ihres Häuschens hat eine Ausgrabung stattgefunden; hier war einst – vor mehreren tausend Jahren – ein ritueller Versammlungsort, ein Hengering. Ruth Galloway kam zur Ausgrabung und blieb, als die Arbeiten abgeschlossen waren.

Ihr eintöniger Alltag wird unterbrochen von Polizeibesuch. Detective Chief Inspector Harry Nelson bittet sie um ihre berufliche Meinung: Er hat im Salzmoor Knochen gefunden und möchte nun von Ruth wissen, ob sie zu einem Mädchen gehören könnten, das zehn Jahre zuvor verschwunden ist.

Ruth muss ihn enttäuschen: Die Knochen sind zweitausend Jahre als. Was für sie eine kleine Sensation ist und eine neue Ausgrabung ins Rollen bringt, ist für Harry Nelson ein bitterer Schlag: Der Fall der verschwundenen Lucy macht ihm seit einem Jahrzehnt zu schaffen; er leidet mit den Eltern und möchte ihnen zumindest in irgendeiner Form Gewissheit verschaffen. Außerdem verfolgt ihn der Täter mit Briefen, die er nicht versteht, voll düsterer Anspielungen und religiöser Motive.

Dann verschwindet ein weiteres Mädchen. Ruth, die Nelson geholfen hatte – nicht nur mit den Knochen, sondern auch beim Verstehen der Briefe -, wird in den Fall hineingezogen und muss plötzlich um ihr Leben fürchten. Sie, die sie sich an den Rand der Zivilisation zurückgezogen hatte, um mit ihrem Übergewicht, ihren Katzen und ihrem Bedürfnis nach Ruhe allein zu sein, muss plötzlich feststellen, dass sie den Täter vermutlich kennt. Ist tatsächlich einer ihrer wenigen Freunde ein Entführer und Mörder? Ruth spürt den Atem des Verbrechers quasi im Genick, und doch tappt sie im Dunkeln …

_Kritik_

Auf den ersten paar Seiten von „Totenpfad“ habe ich die Zähne zusammenbeißen müssen: Eine Aneinanderreihung von Hauptsätzen, kurz, unschön, noch dazu im Präsens. Das hat keinen Spaß gemacht. Und doch bin ich froh, dass ich den Impuls, das Buch wegzulegen, unterdrückte: Ans Präsens musste ich mich zwar gewöhnen, aber der fragwürdige Stil verlor sich zugunsten eines weitaus angenehmeren. Zwar blieb er etwas rau und kantig, aber er passte hervorragend zum Inhalt des Romans: Zu den grauen Salzmooren mit den toten Bäumen, zu den Unwettern über dem Wattenmeer, zu den Überbleibseln aus alter, urtümlicher Vorzeit. Hier, am Rande der Welt, wo Himmel und Erde einander so nahe scheinen, kommt es einem vor, als sei der Schleier zwischen den Zeiten dünn. Hier wie dort gibt es nicht viel Gutes und Schönes, und die selbst gewählte Abgeschiedenheit der eigenwilligen Protagonistin erscheint vollkommen nachvollziehbar. Auch die seltsamen Briefe des Verbrechers scheinen fast angemessen, und man empfindet eine gewisse Art von Mitleid für Harry Nelson, der all dies Graue und Ferne nicht versteht und nicht verstehen will.

Abstruse Personen geben sich mehr oder weniger die Klinke in die Hand in diesem Roman, und Unwirklichkeit wird zur Norm. Wer tatsächlich vollkommen unfatalistisch in der normalen Welt herumspaziert, wirkt hier fast fehl am Platze. Und dann feststellen zu müssen, dass weder in der unwirklichen Welt des Salzmoores noch in der bunten Realität von Norfolk alles ist, wie es zu sein schien, zieht dem Leser zusammen mit Ruth den Boden unter den Füßen weg.

_Fazit_

Was schwach begann, wuchs sich aus zu einem der atmosphärischsten Romane, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Abgesehen davon, dass ich die Verquickung aus Kriminalfall und Archäologie immer schon spannend fand, sind Ruth Galloway und Harry Nelson zwei absolute Charakterköpfe. Vielleicht ist ihr Handeln nicht unbedingt nachvollziehbar, aber sie sind in all ihren Eigenheiten so klar gemeißelt, dass mir plötzlich an ihnen lag. „Totenpfad“ ist wie ein Splitter im Finger, es ist unmöglich, sich nicht darauf zu konzentrieren.

Elly Griffiths hat bestimmt nicht den schönsten Roman der Welt geschrieben, aber dafür einen unglaublich einprägsamen. Er lässt die Gedanken nicht los, führt sie zurück in all diese Unwirtlichkeit – und dann ist man regelrecht beruhigt, wenn man liest, dass weitere Bände in Vorbereitung sind. Ich werde den Fortgang dieser Geschichte jedenfalls aufmerksam verfolgen und kann Ihnen nur ans Herz legen, es mir gleichzutun.

|Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3805208741
Originaltitel: The crossing Places
aus dem Englischen von Tanja Handels|
http://www.rowohlt.de
http://www.ellygriffiths.co.uk

See, Lisa – Töchter aus Shanghai

In ihren Büchern „Der Seidenfächer“ und „Eine himmlische Liebe“ hat die Autorin Lisa See uns bereits mit chinesischer Geschichte und Gewohnheiten vertraut gemacht. In ihrem neuesten Roman „Töchter aus Shanghai“ entführt sie ihre Leserinnen in die 1930er-Jahre. Im weiteren Verlauf verlagert sich die Handlung von Shanghai nach Los Angeles, wo die Protagonisten in Chinatown leben. Lisa See weiß genau, wovon sie schreibt, da sie selbst einer chinesisch-amerikanischen Familie entstammt und dort aufgewachsen ist. So entwickelt sich der vorliegende Roman in Teilen zu einem Geschichtsbuch.

_Zwei ungleiche Schwestern_

Die Schwestern Pearl und May wachsen wohlbehütet auf. Sie lieben sich innig, obwohl sie doch auch Konkurrentinnen sind. Denn May ist die Hübschere von beiden und zieht sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Dennoch verdienen die beiden Mädchen sind ihr Geld gemeinsam – nämlich, indem sie Modell für Kalenderblätter stehen. So erlangen sie eine gewisse Berühmtheit und Unabhängigkeit. Von ihrem Geld vergnügen sie sich abends, kaufen sich schöne Kleidung und geben einen Teil ihrem Vater, der das Geld (vermeintlich) für sie anlegt.

An einem Tag jedoch bricht die heile Welt der Schwestern in sich zusammen: Ihr Vater eröffnet ihnen, dass er alles Geld verspielt hat und mittellos ist. Er entlässt die Dienstleute, unterteilt das Haus, sodass weitere Menschen zur Miete einziehen können und vermittelt seine beiden Töchter an zwei Brüder, die chinesischer Abstammung sind, aber in Los Angeles leben. Pearl und May sind geschockt, fügen sich jedoch in ihr Schicksal. Die beiden heiraten die jungen Männer und verleben noch ihre Hochzeitsnacht, bevor die beiden Ehemänner zurück in die Vereinigten Staaten reisen. Pearl hat mit ihrem Ehemann das getan, was Eheleute tun, doch May konnte dies nicht. Zudem scheint mit ihrem Mann, der noch sehr jung ist, irgendetwas nicht zu stimmen.

Die beiden Mädchen sollen ihren Ehemännern auf einem späteren Schiff folgen, doch haben sie dies nicht vor. Sie bleiben in Shanghai, müssen dann allerdings erkennen, dass ihr Vater nicht ihrem neuen Schwiegervater Geld schuldet, sondern einer gefährlichen Gangsterbande, die sogleich in ihr Haus eindringt und die Mädchen auffordert, sich unverzüglich auf den Weg zu ihren Ehemännern zu begeben. Kurz darauf fallen die Japaner in Shanghai ein und ihr Vater verschwindet spurlos. Gemeinsam mit ihrer Mutter machen die beiden Schwestern sich auf den Weg nach Hongkong, wo sie ein Schiff nach Amerika besteigen wollen. Unterwegs werden sie allerdings von den Japanern überfallen, was die Mutter mit ihrem Leben zahlen muss. Auf sich allein gestellt sehen Pearl und May keine andere Möglichkeit, als zu ihren Ehemännern zu reisen. Und so machen sie sich auf die gefährliche Reise nach Amerika. Dort angekommen, lüftet May ein großes Geheimnis, das das Leben beider Schwestern nochmals auf den Kopf stellen wird …

_Flucht aus Shanghai_

Zunächst lernen wir die beiden Schwestern Pearl und May in ihrem gewohnten Leben kennen. Die Eifersucht nagt deutlich an der Ich-Erzählerin Pearl, denn May ist die hübschere von beiden und wird von den Eltern bevorzugt. Auch auf den Kalenderblättern steht sie stets im Vordergrund und zieht sämtliche Blicke auf sich. Doch auch Pearl ist hübsch, zudem spricht sie mehr Sprachen als ihre Schwester und scheint die stärkere von beiden zu sein. Als ältere Schwester behütet sie die jüngere und versucht, sie vor Schaden zu bewahren. Das zeigt sich insbesondere in der Szene, in der die Mutter sich alleine den Japanern stellt und ihr Pearl schließlich zur Seite steht und einen schrecklichen Preis dafür bezahlen muss.

Viel Zeit lässt sich Lisa See nicht, bevor sie die heile Welt der jungen Frauen einstürzen lässt, und so fesselt einen das Buch bereits sehr früh. Ab dem Moment, in dem die beiden Schwestern an zwei Brüder verkauft und mit ihrem neuen Schicksal konfrontiert werden, kann man das Buch schwerlich zur Seite legen. Kurz darauf überschlagen sich die Ereignisse, als die Japaner die Stadt bedrohen, der Vater verschwindet und die Mutter stirbt.

Lisa See beschreibt zwei starke und sehr unterschiedliche Frauencharaktere. Beide stellt sie aus Pearls Sicht dar, sodass das Bild der jungen Frauen durchaus manchmal verzerrt erscheint. Kurz vor dem Ende stellt May einiges klar, das Pearl falsch interpretiert hatte und rückt so auch für die Leser das Bild der Schwestern gerade. Dadurch, dass Pearl uns ihre Geschichte als Ich-Erzählerin präsentiert, fallen ihr sämtliche Lesersympathien zu, zudem scheint May scheinbar alles zu bekommen, was sie sich wünscht. Als aber Pearl den netteren Ehemann bekommt, wirkt dies wie ausgleichende Gerechtigkeit. Die beiden Frauen halten zusammen wie Pech und Schwefel, auch wenn Konkurrenz und Neid im weiteren Verlauf des Buches immer mehr dominieren und das Band zwischen den Schwestern deutliche Risse bekommt. Dadurch wiederum steigert Lisa See aber die Spannung, denn es wäre bei all den Differenzen zwischen den Schwestern unrealistisch, würden sie sich immer gut verstehen.

_Schicksalsjahre_

Die Geschichte zieht sich über viele Jahre hinweg. Wir erleben mit, wie Pearl und May ihr in Trümmern liegendes Leben zu retten versuchen, indem sie sich in ihre neue Familie einleben. Doch auch in Los Angeles ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen, denn ihr Schwiegervater hütet ein Geheimnis, das das Leben der gesamten Familie bedroht. Die jungen Frauen müssen hart arbeiten, sie erleben mit, wie ihr Schwiegervater bei einem Brand all sein Geld verliert, sie erfahren, welche Krankheit Mays Ehemann hat, weitere Menschen sterben und schließlich müssen die Chinesen auch in Amerika um ihr Leben fürchten.

Als Hintergrund für ihre Familiengeschichte hat Lisa See sich einen dramatischen Zeitraum heraus gesucht und ihre Geschichte zudem an exotische und turbulente Schauplätze verlegt. Sie entwirft ein lebendiges Bild vom farbenprächtigen Shanghai und vom Chinatown in Los Angeles, das sich noch im Aufbau befindet. In Shanghai werden Pearl und May von Japanern bedroht, doch auch in Los Angeles sind sie nicht integriert. Dennoch versuchen sie, sich unter erschwerten Bedingungen eine neue Heimat aufzubauen. Lisa See verwebt geschickt die Geschichte der beiden Frauen mit den geschichtlichen Ereignissen. Denn was als Rahmenhandlung passiert, entspricht den Tatsachen, so lernt man ganz nebenbei noch etwas über die chinesische Geschichte. Allerdings ist das Buch dadurch nicht immer ganz leichte Kost, denn Lisa See erzählt eine sehr komplexe Geschichte.

Auch der Schreibstil der Autorin passt zu der sehr dichten Geschichte, denn sie schmückt sämtliche Szenen plastisch aus, sodass wir uns in die Situationen hinein versetzen können, auch gibt es vergleichsweise wenig direkte Rede, die den Schreibfluss auflockert. Daher fesselt einen das Buch zwar, lässt sich aber durchaus nicht an einem Stück lesen. Spätestens nach ein oder zwei Stunden braucht man eine Pause von den eindringlichen Worten der Autorin, die mitunter furchtbare Dinge beschreiben.

_Geschichtsstunde_

Im Gegensatz zu Lisa Sees Buch „Der Seidenfächer“, das ich tatsächlich am Stück verschlungen habe, musste ich mir das vorliegende Buch erarbeiten. Phasenweise konnte ich es nicht aus der Hand legen, dann aber gab es recht langatmige Passagen, die mich nicht so fesseln konnten. Unter dem Strich jedoch erzählt Lisa See eine faszinierende und mitreißende Geschichte vor einem spannenden und dramatischen Hintergrund. Ganz nebenbei erfährt man viel über die Lebensweise der Chinesen im Shanghai der 30er-Jahre, vor allem aber über ihr neues Leben in Amerika. Schade nur, dass das Buch praktisch mittendrin endet und sich nicht alle Fragen klären, denn so blieb ich ein klein wenig enttäuscht zurück.

|Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3570010570
Originaltitel: |Shanghai Girls|
Übersetzt von Elke Link|

Feth, Monika – Teufelsengel

Monika Feth ist dem breiten Publikum vor allem durch ihren Bestseller „Erdbeerpflücker“ bekannt, der 2004 veröffentlicht wurde. Dabei hat die Autorin mittlerweile zahlreiche weitere Thriller geschrieben, in deren Mittelpunkt zumeist junge mutige Frauen stehen. Der neuste trägt den Titel „Teufelsengel“.

Anders als in den Büchern, in denen Jette Weingärtner die Hauptrolle spielt, ist die Hauptperson in diesem Roman nicht unschuldig in einen Kriminalfall geschlittert. Im Gegenteil: Die neunzehnjährige Romy, die ein Volontariat bei einer Kölner Zeitung macht, beginnt von sich aus auf eigene Faust zu ermitteln, weil sie glaubt, dass in Köln ein Serienmörder sein Unwesen treibt. Vier unaufgeklärte Mordfälle hat es in letzter Zeit gegeben, doch niemand anders scheint einen Zusammenhang zu sehen. Auch Romy muss lange suchen. Sie befragt Freunde und Verwandte der vier Verstorbenen, die unterschiedlicher nicht sein können: Ein verträumter Teenager, eine alleinstehende Übersetzerin mittleren Alters, ein Student, ein älterer Mann – was verbindet sie bloß?

Auch Bert Melzig, der Neue bei der Kölner Kripo, glaubt, dass es eine Verbindung zwischen den Fällen gibt. Er hat keine Beweise aber ein Bauchgefühl, was ihm Spott der Kollegen einbringt. Erst als er am Handgelenk des neusten Opfers eine sonderbare Tätowierung entdeckt, hat er eine erste Spur, doch die forsche Romy scheint ihm bereits einen Schritt voraus zu sein und mischt sich ganz frech in seine Ermittlungen ein …

Bücher, in denen Privatpersonen ihre Nase in Kriminalfälle stecken, sind eine prekäre Angelegenheit. Viel zu häufig wirken die Laien-Ermittlungen an den Haaren herbeigezogen und die Ergebnisse davon glänzen höchstens durch ihre Absurdität. Monika Feth gelingt es, diese gefährlichen Klippen meisterhaft zu umschiffen. Romy besitzt nicht nur den richtigen Job, sondern auch die passenden Charakterzüge, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen. Sie geht den Dingen gerne auf den Grund und ist eine leidenschaftliche Journalistin. Trotz allem verhält sie sich nie unnatürlich. Feths große Stärke, authentische Figuren zu zeichnen, lässt das Buch auch dieses Mal zu einem echten Genuss werden. Kaum ein anderer deutscher Autor schafft es derart versiert, die Gefühls- und Gedankenwelt junger Menschen wiederzugeben. Sogar für die allerkleinsten Nebenfiguren nimmt sich die Autorin die Zeit, sie als unverwechselbar zu beschreiben.

Die Handlung der Geschichte ist solide, aber nicht besonders innovativ. Durch mehrere parallele Erzählstränge wird dem Leser schnell klar, wo der Täter zu suchen ist. Die Jagd nach ihm folgt einem bekannten Muster. Nachdem Romy eine heiße Spur gefunden hat, übersieht sie das Wesentliche und macht den Täter auf sich aufmerksam. Am Ende gibt es eine nette, aber leider vorhersehbare Actioneinlage. Auch das Potenzial, dass sich durch die zwei auftretenden Ermittler – Bert Melzig und Romy – ergibt, wird nicht ausgeschöpft. Die beiden kommen sich viel zu selten in die Quere und es entsteht auch keine richtige Konkurrenz. Dabei hätte gerade das sicherlich für Spannung sorgen können.

Trotz allem ist „Teufelsengel“ überaus lesenswert, denn Monika Feth schreibt so gut, dass man ihr einiges verzeiht. Dicht, intensiv und stets mit mehr Fokus auf dem Innenleben ihrer Personen als auf der Handlung baut sie Seite um Seite eine angenehme Atmosphäre auf. Jeder, der etwas älter ist, wird sich in gute alte Zeiten zurück versetzt fühlen, die Jüngeren hingegen werden sich gut mit Romy und Co. identifizieren können. Die Autorin benutzt keine Slangausdrücke. Sie schreibt nüchtern und einfach, doch sie schafft es, ein unglaublich spannendes, dichtes und authentisches Ambiente zu schaffen.

„Teufelsengel“ steht Feths anderen Büchern damit in nichts nach. Ein toller Schreibstil, eine fantastische Hauptperson – lesenswert ist die Geschichte allemal, auch wenn die Handlung Potenzial verschenkt.

|410 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3570160459|
http://www.cbt-jugendbuch.de
http://www.monikafeth-thriller.de

_Monika Feth auf Buchwurm.info:_

[Der Scherbensammler 3816

Shuman, George D. – Hand des Todes, Die

_Das geschieht:_

Sherry Moore aus Philadelphia ist zwar blind, sie wird aber trotzdem oft und landesweit von der Polizei als Sonderermittlerin angefordert, denn die junge Frau verfügt über eine einzigartige Gabe: Berührt sie eine Leiche, durchlebt sie deren letzten 18 Lebens-Sekunden. Hat dieser Mensch dabei seinen oder ihren Mörder gesehen, ist dies für die Fahndung überaus hilfreich.

Aktuell wird Moore in Cumberland, einer kleinen Stadt im US-Staat Maryland, eingesetzt. Im Kühlraum einer stillgelegten Schlachterei fand man drei tote Frauen. Sie wurden hier gefangen gehalten, gefoltert und schließlich umgebracht. Dieser Fall bekommt zusätzliche Brisanz durch die Tatsache, dass diese Morde bereits vor drei Jahren geschahen und als aufgeklärt galten. Nun stürzen sich die Medien auf die Tatsache, dass damals die falschen Täter beschuldigt wurden. Außerdem könnte der Täter weiterhin sein Unwesen treiben.

Dem ist tatsächlich so, obwohl Kenneth Dentin sein Tötungsritual inzwischen variiert. Er ist seit vielen Jahren fasziniert vom Töten durch Ersticken. Sein Trieb droht ihn inzwischen zu übermannen; zwischen den Morden werden die Abstände immer kürzer.

Konnte Sherry Moore, über deren Besuch am Tatort die Medien ausführlich berichteten, den Gedanken der toten Frauen Hinweise auf seine Person entnehmen? Dem ist zwar nicht so, aber die skrupelarme FBI-Agentin Alice Springer behauptet genau das, um den Mörder aus der Reserve zu locken. Das macht Moore zum Köder, denn Dentin wird auf die blinde Ermittlerin aufmerksam, und weil die Polizei thrillertypisch bei der Überwachung schlampt, gerät Moore prompt in Lebensgefahr …

_Kein frischer Wind im Killer-Thriller_

Es weht ein Hauch der Verzweiflung durch das Subgenre. Längst wurde mit allem gemeuchelt & gemetzelt, was Werkzeugkästen, Arzttaschen oder Küchenschubladen hergeben. Geniale Mörder würgten & wirkten immer abgedrehter, bis sie die Grenze zur Lächerlichkeit durchbrachen. Inzwischen schnetzelten sie allein, zu zweit oder im Rudel, und sie begründen und verschlüsseln ihre Übeltaten so gründlich, dass ihnen für das eigentliche Morden kaum noch Zeit bleiben dürfte.

Ein Relaunch im Sinne eines echten Neustarts unter Tilgung des inzwischen geronnenen Kill-Klimbims ist überfällig, aber weiterhin hängen viele Autoren, die erst spät auf den Butcher-Bus aufgesprungen sind, an den alten Klischees, die sich durchaus noch toppen lassen. George Shuman ist keineswegs der erste Verfasser, dem der Einfall kam, den Thriller mit Elementen der Phantastik zu verschneiden. Er gehört zu denen, die damit ziemlich Schiffbruch erleiden.

Als ehemaliger Polizist kennt er den Arbeitsalltag der fahndenden und verurteilenden Gerechtigkeit offensichtlich gut. „Die Hand des Todes“ profitiert von diesem Insider-Wissen, über das längst nicht alle Krimi-Autoren verfügen. Das Buch unterhält vor allem dort, wo der Verfasser einschlägige Abläufe schildert. Shuman hätte gut daran getan, mit diesem Pfund stärker zu wuchern.

_Phantastisch, aber nicht fantasievoll_

Das Übernatürliche hat im ‚realistischen‘ Kriminalroman wenig zu suchen. Das wird in „Die Hand des Todes“ sogar überdeutlich, weil Shuman mit der mysteriösen Gabe seiner Hauptfigur erstaunlich wenig anzustellen weiß. Sherry Moore kann 18 Sekunden der Erinnerung aus toten Hirnen sichten. Das postuliert der Verfasser, um diese Gabe sogleich durch diverse Hindernisse einzuschränken, die einen praktischen Nutzen beinahe ausschließen – kein Wunder, denn die Geschichte wäre zu Ende, könnte Sherry Moore den Täter zuverlässig erkennen.

Der Plot ist schon ohne übersinnliches Element simpel genug, wobei Shuman hier womöglich den Realitätsfaktor nicht einmal überstrapaziert. Allzu viele Serienkiller können ihre ‚Erfolge‘ auf zwischenbehördliche Missverständnisse und misslungene Fahndungsarbeit zurückführen. Hinzu kommen politische Intrigenspiele und ein Mediendruck, der zumindest im Thriller vor allem die negativen Charakterzüge des Menschen weckt, bedient und fördert.

Auf jeden Fall kann es seine Zeit dauern, bis ein Strolch hinter Gitter kommt. „Die Hand des Todes“ ist kein „Whodunit“, die Identität des Täters steht schon früh fest. Shuman erlegt seinem Killer Dentin nicht das Joch übermenschlicher Schläue auf (dazu unten mehr), aber er kennt die Nischen, die ihm ein anonymes und unverdächtiges Leben bieten, gut genug, um zwischen sich und der Polizei einen soliden Sicherheitsabstand zu wahren. Während er seinen mörderischen Weg weitergeht, blendet der Autor immer wieder auf seine Jäger um, bis sich die Wege von Gut und Böse schließlich schneiden. Der Weg dorthin ist konventionell, und das trifft ebenfalls auf das Finale zu.

_Wie unterhaltsam ist die Dauerkrise?_

Shumans Figurenzeichnung sorgt abermals für einige Verblüffung. Während es ihm beim besten Willen nicht gelingt, Sherry Moore als Identifikations- oder gar Sympathiefigur aufzubauen, ist er wesentlich erfolgreicher in der Gestaltung eines Killers, der glaubhaft psychisch krank wirkt.

Moore ist Klischee pur – selbstverständlich bildschön, aber blind und somit verletzlich, was für zusätzliches Interesse sorgen soll, obwohl unsere Heldin diese Behinderung so fabelhaft ausgleicht, dass sie zum Beispiel eine erstklassige Kampfsportlerin abgibt. Darüber hinaus nervt Shuman seine Leser mit endlosen Flashbacks auf Moores chronisch unglückliches Privatleben, wobei er sich reichlich aus dem ersten Teil der Serie („18 Sekunden“, Heyne-TB Nr. 43278) bedient. Mit der überzeugenden (oder wenigstens erträglichen) Darstellung von Gefühlen hapert es bei Shuman generell. Er kann außerdem nicht verschleiern, dass Moore keine Tiefe und wenig Potenzial aufweist; irgendwie hat sie die Tendenz, aus dem Zentrum der Story zu verschwinden: kein idealer Zug für eine Hauptfigur.

Kenneth Dentin ist wie schon erwähnt kein Serienkiller, der sich über monströse Gruseltaten definiert. Wiederum zahlt sich Shumans Fachwissen aus. Dentin ist ein kranker Mann und ein Mörder, der unter seinem Trieb durchaus leidet, ohne daraus jedoch Konsequenzen zu ziehen: Stärker als die Sorge, langsam endgültig in den Wahnsinn abzugleiten, ist Dentins Furcht, lebenslänglich im Gefängnis sitzen zu müssen. Shuman gelingt das Kunststück einer Figur, deren Motive man versteht, ohne ihnen zustimmen zu müssen. Dentin ist kein Monster, sondern ein Mensch – ein Mensch freilich, vor dem man sich hüten muss!

Doppelt schade ist deshalb, dass „Die Hand des Todes“ – blöder und nichtssagender deutscher Titel übrigens – nur Thriller-Mittelmaß bietet. Dem Erfolg der Sherry-Moore-Serie tut das offenbar keinen Abbruch; Shuman setzt sie mit einem Band pro Jahr fort und kann dabei auf jenen Teil der Leserschaft setzen, die ihren Lesestoff ohne allzu viele Novitäten schätzt, sondern die sanfte Variation des Bekannten favorisiert …

Die Sherry-Moore-Serie erscheint im |Wilhelm Heyne|-Verlag:

(2006) 18 Sekunden („18 Seconds“)
(2007) Die Hand des Todes („Last Breath“)
(2008) Blinde Angst („Lost Girls“)
(2009) „Second Sight“ (noch kein dt. Titel)

_Impressum_

Originaltitel: Last Breath (New York : Simon & Schuster, Inc. 2007)
Übersetzung: Norbert Jacober
Deutsche Erstausgabe: Dezember 2008 (Wilhelm Heyne Verlag/TB Nr. 43347)
352 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-453-43347-2
http://www.heyne-verlag.de

Ellis, David – Im Namen der Lüge

_Story:_

Alison Pagone ist tot. Ausgerechnet in dem Moment, in dem die Mordanklage gegen die einstige Anwältin, die zuletzt als Autorin tätig war, nur noch Formsache ist, wird die Angeklagte in ihrer Wohnung ermordet. Für FBI-Agentin Jane McCoy und ihr Team beginnt die Suche nach dem Warum, gleichzeitig aber auch das Ende eines sehr schwierigen weiteren Mordfalles, für den Pagone jüngst vor Gericht gestellt wurde. Alison wird verdächtigt, ihren Liebhaber Sam Dillon mit einer Statue erschlagen zu haben – aus Eifersucht, heißt es.

Doch je weiter das FBI in die Vergangenheit eintaucht, desto komplexer wird der Fall Pagone. Ihre Tochter Jessica hatte offenbar ebenfalls Interesse an Dillon, ihr Ex-Mann Mat scheint in einen Bestechungsskandal verwickelt zu sein, der ebenfalls mit seinem Arbeitskollegen Dillon in Verbindung steht, und zuletzt deckt McCoy auch noch Verbindungen zu einer islamischen Terrororganisation auf, die auf merkwürdige Weise ebenfalls in diesen Komplex verstrickt zu sein scheint.

Doch bevor die Ermittler überhaupt das Geschehene analysieren können, gilt es erst einmal, die zwei naheliegenden Fragen zu beantworten: Wer hat Alison Pagone getötet? Und ist sie tatsächlich für den Mord an Sam Dillon verantwortlich?

_Persönlicher Eindruck:_

Mit seinem brillanten letzten Romanwerk „In Gottes Namen“ hat sich David Ellis endgültig in die Top-Liga der amerikanischen Thriller-Autoren geschrieben. Die Geschichte um den Massenmörder Terry Burgos gehörte 2008 zu den saisonalen Highlights und fand dementsprechend auch längere Zeit in den Genre-spezifischen Bestsellerlisten Eingang. „Im Namen der Lüge“ zeigt den raffiniert schreibenden Ellis nun von einer gänzlich anderen Seite. Wieder geht es um Mord und Lügen – doch in diesem Fall sind dies nur die Aufhänger für einen perfide inszenierten, bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Kriminalthriller, der von Seite zu Seite mit noch unglaublicheren Fakten daherkommt.

Der Autor verfolgt in seinem aktuellen Werk zudem einen sehr außergewöhnlichen Ansatz; er listet die Ereignisse nämlich in einer rückwärts abgespulten Chronologie auf und startet sein Buch ungewöhnlicherweise mit dem Mord, der schließlich alle Logik über den Haufen wirft. Zumindest vermittelt Ellis seinen Lesern diesen Eindruck. Und in der Tat tut sich die Story besonders in den ersten Kapiteln, die den Monat der Anklage und Alison Pagones Tod beschreiben, enorm schwer. Die Handlung kommt nur schleppend in die Gänge, was sicher damit zusammenhängt, dass die Annäherung an die tragenden Charaktere auf unkonventionelle Art und Weise bestritten werden muss.

Aber auch das strukturelle Gefüge erweist sich vorerst als hinderlich, da man ständig mit dem Gefühl lebt, schon zu viel über den eigentlichen Hergang der Dinge zu wissen, so dass die rückwärtigen Recherchearbeiten kaum mehr neue Fakten zum Vorschein bringen können. In der Mitte der erzählten Berichterstattung kommt es aber zu einigen Schlüsselszenen, die den Spieß dann zugunsten der Story umdrehen. Endlich kommt Leben in den Plot, denn mit einem Mal sind die Hintergründe der beteiligten Figuren gar nicht mehr so klar, wie es anfangs noch schien. Pagone als Hauptverdächtige rückt erstmals aus dem Fokus; der scheinbar fundamentalistisch eingestellte Ram Haroon arbeitet ebenfalls unter völlig anderen Umständen undercover; McCoy, ihres Zeichens Leiterin der Ermittlungen, ist ebenfalls in viel mehr Dinge eingeweiht, als sie in der vorgezogenen Schlusssequenz offenbart, und zuletzt sind auch die Behörden, Firmen und Organisationen in viel üblere Verstrickungen und Lügen involviert, als man überhaupt erst zu erahnen wagte – und schon nimmt die Geschichte den Schwung auf, den man über anderthalb antichronologisch erzählte Monate mehr oder weniger vermisst hatte.

Interessant ist hierbei, wie es Ellis gleich mehrfach gelingt, das Story-Konstrukt vollkommen auf den Kopf zu stellen und Dinge herauszukitzeln, die anfangs abstrakt anmuteten, dann aber geschmeidig das nächste Puzzlestück in das große Gesamtbild einfügen. Die Rollenverteilung unterliegt hierbei einem steten Wechsel, und bis zuletzt – bzw. bis an den eigentlichen Anfang der Chronologie – kann man nur vage absehen, welcher Charakter nun auch hinter welcher Person steckt. Insofern kann man nur mit Nachdruck betonen, dass sich die Mühen, die insbesondere die ersten Kapitel fordern, zum Ende hin als lohnenswert entpuppen. Dies aber eben auch zu einem (gottlob nicht zu hohen) Geduldspreis.

Dennoch: An die Intensität seines letzten Romans kommt der Autor in „Im Namen der Lüge“ nicht heran. Die Spannungskurve schlägt hierfür zu selten steil aus, aber auch das Potenzial der Story und ihrer Hintergründe ist in letzter Konsequenz nicht ganz so faszinierend wie der Komplex in „In Gottes Namen“. Da Ellis‘ Handschrift aber nichtsdestotrotz sehr erlesen ist und er dies auch in vielen Passagen seines neuen Romans wieder bestätigen kann, gehört auch „Im Namen der Lüge“ zu den stärkeren Titel des Jahres 2009.

|Originaltitel: In the Company of Liars
Übersetzung: Alexander Wagner
429 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-43389-2|
http://www.heyne.de

|Hinweis:| Im April 2010 erscheint der nächste Thriller von David Ellis: „Der Mann im Schatten“.

Sabine Ebert – Blut und Silber

Inhalt

Freiburg 1296: Das Apothekermündel Änne leidet an Alpträumen, in denen sie zusehen muss, wie ihre Mitbürger abgeschlachtet werden. Inbrünstig hofft sie, dass diese Träume mit der Realität nichts zu tun haben, und doch weiß sie es eigentlich besser: Ihre Träume werden mit beunruhigender Regelmäßigkeit wahr.

Und tatsächlich: König Adolf von Nassau träumt von den Silberschätzen der reichen Stadt und braucht sie darüber hinaus zur Festigung seines Reiches. Zwar halten die Mauern, und die Soldaten sind hervorragend ausgebildet, doch gegen Verrat ist niemand gefeit, und so wird die Stadt erobert.

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Adrian, Lara – Gesandte des Zwielichts (Midnight Breed 6)

Die |Midnight Breed|-Reihe:

Band 1: [Geliebte der Nacht 4775
Band 2: [Gefangene des Blutes 4781
Band 3: [Geschöpf der Finsternis 4902
Band 4: [Gebieterin der Dunkelheit 5298
Band 5: [Gefährtin der Schatten 5998
Band 6: Gesandte des Zwielichts

Nachdem Andreas Reichens Dunkler Hafen zerstört wurde, bricht seine Wut in Form seiner pyrokinetischen Gabe vollkommen aus ihm heraus. Er will Rache an dem Vampir nehmen, der ihm nicht nur seine Familie und sein Heim genommen hat, sondern auch vor vielen Jahren seine Geliebte Claire: Wilhelm Roth.

Nach und nach zerstört er alles und jeden, der in diese Sache verwickelt ist, und seinen Erzfeind will er sich bis zum Schluss aufheben. Doch als er vor dem Zusammentreffen mit Roth auf Claire trifft, reißen alte Wunden wieder auf und beide erinnern sich wieder an die Leidenschaft, die sie früher einmal miteinander verband. Aber Claire ist Roth‘ Stammesgefährtin und somit durch ihre Blutsverbindung an ihn gebunden, was bedeutet, dass Reichen seine Claire niemals wieder für sich haben kann, sollte er Roth nicht töten. Ein Grund mehr, um sich seinem verhassten Gegenspieler zu stellen, der zudem auch noch mit Dragos, dem Feind des Ordens, unter einer Decke steckt. Allerdings kann Reichen seine Pyrokinese nicht mehr unter Kontrolle halten, weshalb ein Aufeinandertreffen mit Roth für ihn den Tod bedeuten könnte …

_Eindrücke:_

Die „Midnight Breed“-Reihe von Lara Adrian hat im Laufe ihrer bisher sechs Bände eindeutig einen Wandel durchgemacht. Während es in den ersten zwei oder drei Bänden keine wirkliche Hintergrundstory gab und sich der komplette Inhalt ausschließlich auf die Liebesgeschichte zwischen Vampir A und Stammesgefährtin B fixierte, begann Lara Adrian schon im vierten Band damit, eine richtige Hintergrundstory für ihre Reihe zu entwickeln, die mit jedem weiteren Band immer mehr Gestalt annimmt. Diese Geschichte, die sich nun durch die letzten drei Bände gezogen hat, stellt sich nun immer mehr in den Vordergrund der Bücher, was aber nicht bedeutet, dass die Liebesgeschichte dafür in den Hintergrund gedrängt würde. Mittlerweile sind sowohl die Hintergrundstory als auch der Anteil der Liebesgeschichte gleichwertig vorhanden, sodass Letztere zwar nicht mehr dominiert, jedoch noch zur Genüge präsent ist.

Im Vergleich zu den vorhergehenden Büchern sind die Erzählung und die Situation in „Gesandte des Zwielichts“ ein bisschen anders gelagert. Die Geschichte verläuft diesmal nicht nach Schema F, wie es zuvor oft der Fall war. Diesmal ist der Vampir, um den sich die Geschichte dreht, kein Ordenskrieger, sondern lediglich ein Freund des Ordens. Auch die Ausgangssituation der Stammesgefährtin, der späteren Partnerin von Andreas Reichen, ist anders. Statt dass sich die beiden erst während des Buches kennen lernen, sind sie einander im Fall von „Gesandte des Zwielichts“ schon lange bekannt und waren auch schon einmal zusammen, bis ein furchtbarer Schicksalsschlag die beiden auseinandergebracht und Claire statt Andreas den Vampir Wilhelm Roth als ihren Stammesgefährten auserwählt hat – womit wir schon beim nächsten Punkt wären: Während den Liebenden in den fünf Bänden zuvor eigentlich nichts im Wege stand, die Blutsverbindung miteinander einzugehen, tut sich dieses Problem bei Andreas Reichen und Claire nun wirklich auf. Aufgrund der Blutsverbindung zwischen Roth und Claire ist es für sie und Andreas nicht möglich, zusammen zu sein. Diese Blutsverbindung zu trennen, wird unter den Vampiren streng verachtet und ist eigentlich nur zu lösen, wenn einer der beiden dabei sein Leben lässt.

Hinzu kommt noch die tödliche Gefahr, in der sich Andreas Reichen befindet. Seine Gabe der Pyrokinese wird mit jedem Mal, wenn er sie entfesselt, noch stärker und unberechenbarer. Mit jeder Entfesselung verliert er sich beinahe selbst, und je schlimmer es wird, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es ihn das nächste Mal das Leben kostet. Zudem entzieht ihm seine Gabe immer wieder Kraft, sodass er danach einen starken, beinahe unstillbaren Blutdurst erfährt. So kommt mal wieder ein bisschen Schwung in die „Midnight Breed“-Reihe und steigert die Spannung, an der es in „Gesandte des Zwielichts“ ganz sicher nicht mangelt.

Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass nun der gesamte Orden wieder mit einbezogen wird. In den früheren Bänden wurden die einzelnen Ordensmitglieder und ihre Gefährtinnen einfach abgehandelt und nach dem Band, der ihrer Geschichte gewidmet wurde, sind sie nie wieder wirklich auf der Bildfläche erschienen. Einige Anzeichen dafür, dass der gesamte Orden nun wieder eine Rolle spielt, sind mir schon in „Gefährtin der Schatten“ aufgefallen, doch nun ist es eindeutig so, dass nicht mehr nur ein Vampir und seine Stammesgefährtin in einem Band vorkommen und sonst niemand, sondern wieder alle Ordensmitstreiter, inklusive gemeinsamen Beratungen, Rettungsaktionen und dergleichen mehr. Wer also die Protagonisten aus den vorherigen Büchern in den darauf folgenden Bänden immer vermisst hat, der kann sich in „Gesandte des Zwielichts“ auf ein Wiedersehen mit den alten Bekannten freuen.

Doch obwohl sich viele Aspekte in der „Midnight Breed“-Reihe nun verbessert haben, bleiben auch noch ein paar unschöne Mängel übrig. Einer davon betrifft zum Beispiel die Erotikszenen. Zwar ist die Liebesgeschichte an sich nicht mehr so übertrieben kitschig und leidenschaftlich dargestellt, dafür sind aber immer noch die erotischen Szenen ein bisschen übertrieben. Allerdings hielt sich dies gefühlt in „Gesandte des Zwielichts“ mittlerweile wieder in Grenzen – vor allem, da es nicht mehr ganz so viele Erotikszenen gibt wie sonst.

Der Punkt, der mich in „Gesandte des Zwielichts“ allerdings nach wie vor auf gleiche Weise entnervt hat wie bei den anderen Bänden, waren zwei Stolpersteine des Schreibstils. Die ständigen Flüche („Verdammt noch mal …“, „Himmel …“, „Hölle noch mal …“) stören einfach nach wie vor, weil sie übertrieben oft eingesetzt werden. Auch die Beschreibungen der Sexszenen könnten an der ein oder anderen Stelle ein bisschen geschmeidiger sein.

_Fazit:_

Alles in allem hat sich die „Midnight Breed“-Reihe durch „Gesandte des Zwielichts“ doch wesentlich verbessert, auch wenn noch einige Mängel vorhanden sind, die sich eben weiterhin durch alle Bände ziehen. Es gibt nun eine Hintergrundstory, man trifft auf alte Bekannte und die Liebesgeschichte löst sich auch ein bisschen von dem typischen Schema.

_Die Autorin:_

Zusammen mit ihrem Mann lebt Lara Adrian (bürgerlich Tina St. John, geboren 1966) an der Küste Neuenglands, die von uralten Friedhöfen und dem Atlantik umgeben ist. Schon in ihrer Kindheit entwickelte sie ein Faible für Vampirromane und verschlang Bücher von Bram Storker und Anne Rice. „Geliebte der Nacht“, der erste Teil ihrer „Midnight Breed“-Serie, war ihr erster Vampirroman.

|Originaltitel: Ashes of Midnight
Ins Deutsche übetragen von Katrin Kremmler und Barbara Häusler
378 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8186-1|
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Tanya Huff – Blutschuld (Blood Ties 5)

Blood Ties:

„Blutzoll“
„Blutspur“
„Blutlinien“
„Blutpakt“

Tanya Huff beendete den vierten Teil ihrer Serie um die Privatermittlerin Vicki Nelson mit einem ziemlichen Paukenschlag: Von einer wahnsinnigen Wissenschaftlerin blutig geschlagen, lag sie im Sterben. Um ihr Leben zu retten, machte sie Henry – seines Zeichens Vampir – unsterblich. Natürlich verändert so ein extremer Schritt die Beziehungen aller handelnden Figuren zueinander und so braucht der Leser erstmal ein Weilchen, um sich in den veränderten Bedingungen zu arrangieren, die Tanya Huff im letzten Band der Serie, „Blutschuld“, vorstellt.

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Pekearo, Nicholas – Wolfsrache

„Wolfsrache“ ist kein normaler Debütroman. Vielmehr handelt es sich um das erste und vermutlich auch einzige Buch des jungen New Yorkers Nicholas Pekearo. Dieser wurde 2007 bei seiner ehrenamtlichen Arbeit bei der Polizei erschossen. „Wolfsrache“ erscheint nun dank seines Lektors posthum.

Marlowe „Marley“ Higgins lebt in der amerikanischen Kleinstadt Evelyn und verbringt seine Zeit mit seiner Arbeit als Koch und mit Wirtshausschlägereien. Er ist als Rauf- und Trunkenbold verschrien, als Krimineller, doch niemand weiß, wie gefährlich er wirklich ist. Denn Marley hat ein dunkles Geheimnis: Jeden Monat zu Vollmond verwandelt er sich in einen Werwolf und muss einen Menschen umbringen, um das Biest in ihm zufrieden zu stellen.

Da alle Versuche, das Biest zu vertreiben oder die Verwandlung zu unterdrücken, fehlgeschlagen sind, hat er sich mit seinem Problem arrangiert und eine Tugend daraus gemacht. Wenn der Wolf ihn ruft, zieht er los, um Menschen zu töten, die es verdient haben: Mörder und Vergewaltiger. Eines Tages findet man in Evelyn die Leiche eines jungen Mädchens, wenig später die einer Prostituierten. Der Rosenmörder, wie er genannt wird, treibt sein Unwesen. Er hat wahllos Frauen in ganz Amerika getötet und ihnen dann Rosen in die leeren Augenhöhlen gesteckt. Marley beschließt, diesem Treiben beim nächsten Vollmond ein Ende zu setzen, doch etwas geht schief. Das Biest kann keine Fährte aufnehmen und tötet stattdessen einen Unschuldigen …

„Wolfsrache“ ist, trotz des Titels, mehr ein verdammt guter Thriller als ein Dark-Fantasy-Buch. Das merkt man schon daran, dass Marley das einzige übernatürliche Wesen im Buch ist und auch er ist noch ziemlich menschlich. Das Biest ist kein Teil von ihm, sondern mehr oder weniger ein unliebsamer Parasit, der einmal im Monat seinen Tribut fordert. Im Vordergrund steht deshalb die Suche nach dem Mörder. Marley ermittelt auf eigene Faust und das durchaus spannend. Er findet immer wieder interessante Zusammenhänge mit Hilfe Danny Pearces, dem Polizisten im Ort und seinem einzigen Freund. Allmählich steigert sich die Geschichte und deutet nach einer langen Strecke der Unwissenheit auf den Täter. Der Aufbau des Romans ist in dieser Hinsicht geradezu klassisch. Unterbrochen durch kurze Abrisse aus Marleys Vergangenheit und wenige, aber wichtige Nebenhandlungen baut sich eine konsistente Spannung auf, die zusätzlich durch die Figur des Marley aufrecht erhalten wird.

Marley Higgins als Figur ist der sprichwörtliche einsame Wolf. Ruppig, aber nicht herzlos, stets auf der Suche nach Trouble, aber zu intelligent für einen Proleten – Marley ist eine verkrachte Existenz, die mit den erotischen Lebemännern aus ähnlicher Literatur rein gar nichts zu tun hat. Er fügt einem Genre, das momentan stark weiblich besetzt ist, eine sehr männliche Perspektive hinzu, was unglaublich erfrischend ist. Da er aus der ersten Person berichtet, spielen seine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen eine tragende Rolle. Sie helfen nicht nur dabei, seine Persönlichkeit in all ihren Facetten zu verstehen, sondern verleihen Marley als Figur und „Wolfsrache“ als Buch eine ungewöhnliche Tiefe.

Pekearos Schreibstil passt perfekt zu seinem Protagonisten. Lakonisch, humorvoll, intelligent, gleichzeitig aber auch derb, denn Marley ist nun mal keine besondere Frohnatur. Anschaulich und mit vielen expliziten Begriffen sowie ansprechenden Metaphern und anderen Sprachbildern erzählt der Autor und rundet damit das Gesamtpaket ab.

Man muss kein Fan des Dark-Fantasy-Genres sein, um Pekearos Debüt zu mögen, denn „Wolfsrache“ ist ein spannender Thriller mit einem etwas ungewöhnlichen Protagonisten. Das Buch verdient nicht nur Aufmerksamkeit wegen der tragischen Geschichte seines Autors, sondern vor allem wegen seiner literarischen Qualität.

|Originaltitel: The Wolfman
Deutsch von Bernhard Kleinschmidt
379 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3499252518|

http://www.rowohlt.de