Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Andreas Eschbach – Die blauen Türme (Das Marsprojekt 2)

Spannende Agenten-Action auf dem Mars

Arianna, Ronny, Carl und Elinn – alle zwischen 13 und 15 Jahren alt – sind als erste Kinder auf dem Mars geboren worden und aufgewachsen. Doch im Jahr 2086 sollen sie gemeinsam mit anderen Marssiedlern zur Erde zurückkehren, weil machthungrige Politiker behaupten, das Marsprojekt sei gescheitert. Die Vorbereitung zur Stilllegung der Forschungsstation laufen bereits auf Hochtouren – aber die vier Jugendlichen sind fest entschlossen, auf dem Roten Planeten zu bleiben. Besonders Elinn, die aus medizinischen Gründen auf der Erde nicht überleben könnte. Sie büchsen aus und kommen einem verborgenen Geheimnis des Planeten auf die Spur.

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Harris, Charlaine – Ein Vampir für alle Fälle

_Charlaine Harris auf |Buchwurm.info|:_

|Sookie Stackhouse|

1. „Dead Until Dark“ ([„Vorübergehend tot“, 788 2006, ISBN 3937255141
2. „Living Dead in Dallas“ ([„Untot in Dallas“, 939 2006, ISBN 393725515X)
3. „Club Dead“ ([„Club Dead“, 1238 2005, ISBN 3937255168)
4. Dead to the World ([„Der Vampir, der mich liebte“, 2033 2005, ISBN 3423244747)
5. „Dead as a Doornail“ ([„Vampire bevorzugt“, 3157 2006 ISBN 342324545X)
6. „Definitely Dead“ ([„Ball der Vampire“, 4870 )
7. „All Together Dead“ ([„Vampire schlafen fest“, 5450 )
8. _“From Dead to Worse“ („Ein Vampir für alle Fälle“)_

„Wenn das hier ‚Der Herr der Ringe‘ wäre…“ So beginnt „Ein Vampir für alle Fälle“, der achte Band in Charlaine Harris‘ ebenso unterhaltsamer wie erfolgreicher Romanreihe um die gedankenlesende Südstaatenkellnerin Sookie Stackhouse. Tja, wenn dieser Roman „Der Herr der Ringe“ wäre, gäbe es wohl viel mehr Herumgelaufe und Schwertgeschwinge, aber viel weniger Witz und Erotik. Auf welche Komponenten er mehr Wert legt, muss jeder Leser allerdings selbst entscheiden. Sookie Stackhouse jedenfalls bietet in gewohnter Manier wieder eine flotte Handlung mit einem umfangreichen Arsenal an übernatürlichen Charakteren, erzählt mit spitzer Zunge von der Ich-Erzählerin Sookie.

Und wenn es sich hier tatsächlich um „Der Herr der Ringe“ handeln würde, begänne das Buch sicherlich nicht mit einer Hochzeit. Einer Doppelhochzeit sogar! Harris nimmt sich die Zeit, Sookie ein wenig das kleinbürgerliche Ambiente von Bon Temps genießen zu lassen, mit einer spießbürgerlichen Hochzeit im Garten, Kleidern mit vielen Rüschen und in schreienden Farben und einer total durchschnittlichen Feier. Daran ändern auch die Vampire nichts, die ebenfalls eingeladen sind. Im Gegenteil, sie köpfen einfach eine Flasche teures französisches Blut (von echten Adligen – ein ganz edler Tropfen) und freuen sich ihres Unlebens. Doch als die Feier schon fast vorbei ist, macht Sookie dann doch noch eine Entdeckung. Halb im Gebüsch versteckt sieht sie nämlich einen unglaublich schönen Mann, der sich wenig später als ihr Urgroßvater heraus stellt. Niall Brigant ist doch tatsächlich ein Elf und ganz erpicht darauf, seine Urenkelin endlich kennen zu lernen. Sookie ist ziemlich baff, aber auch hingerissen und erfreut – schließlich hat sie außer ihrem missratenen Bruder Jason ja keine leiblichen Verwandten mehr. Und so führt Harris eine neue übernatürliche Komponente ins Sookie-Universum ein. Zwar kamen schon vorher Elfen vor (Sookie hat nämlich eine Elfe als Schutzengel), doch mit Nialls Auftauchen eröffnen sich natürlich ganz neue Möglichkeiten. Doch steckt die Beziehung zwischen Sookie und Niall in „Ein Vampir für alle Fälle“ noch in den Anfängen. Die beiden beschnuppern sich, Niall taucht immer wieder auf. Doch einen ganzen Handlungsstrang darf er noch nicht füllen. Das wird sich Harris sicherlich für einen der nächsten Bände aufsparen – schließlich ist Niall ausreichend geheimnisvoll und auch ambivalent angelegt, um später voll ins Geschehen einzugreifen.

Statt dessen findet Sookie sich bald in einem Krieg zwischen konkurrierenden Werwolfrudeln wieder. Zwar hat sie mit Alcide Herveaux, ihrem Ex, eigentlich nichts mehr zu tun. Doch sie ist immer noch eine Freundin des Rudels, und so landet sie eher unbeabsichtigt zwischen den Fronten. Und als wäre das nicht genug, sieht es auch bei den Vampiren nicht friedvoller aus. Sophie-Anne Leclerq, die Königin von Louisiana, wurde bei dem Bombenanschlag in Dallas schwer verletzt und ist immer noch so geschwächt, dass der König von Nevada seine Chance sieht, Louisiana ohne große Gegenwehr übernehmen zu können. Doch kann so etwas ohne Blutvergießen über die Bühne gehen? Werden sich die Vampire von Louisiana nicht gegen eine solche feindliche Übernahme wehren?

Mittlerweile hat Charlaine Harris‘ Universum ungeahnte Ausmaße angenommen. Es gibt zahllose Charaktere und Nebenschauplätze, denen wenigstens ein bisschen Raum zugestanden werden muss. Das führt zu einigen Problemen in der Erzählung und verhindert leider über weite Strecken, dass man als Leser das Gefühl hat, einer zielgerichteten Handlung zu folgen. So hat man schon Schwierigkeiten, die Haupthandlung überhaupt auszumachen: Ist es der Werwolfkrieg, der Vampirkrieg oder das Auftauchen von Sookies Urgroßvater? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine überzeugende Haupthandlung fallen gelassen wurde zu Gunsten vieler Fäden, die aus vergangenen Bänden übrig geblieben waren und die nun weiter gesponnen und neu verknüpft werden. Teilweise scheint es tatsächlich so, als hätte Harris ihr umfangreiches Personal per Liste abgehakt, um auch sicherzustellen, dass jeder Charakter der nun doch sehr umfangreichen Serie wenigstens einmal kurz vorkommt. Das führt jedoch dazu, dass die Romanhandlung sehr episodisch daherkommt und man als Leser zwischen all den Handlungssträngen und Charakteren reichlich verloren herumspringt.

Da wäre zum Beispiel Quinn, Sookies eigentlich Aktueller (ein Wertiger). Quinn ist seit dem Bombenanschlag verschwunden. Nicht verschollen, denn Sookie hat ja noch mit ihm gesprochen, doch hat er sich danach einfach nie wieder gemeldet. Was soll sie davon halten? Und wird er irgendwann wieder auftauchen?

Ähnlich ergeht es Sookies Mitbewohnern Amelia, die Besuch von ihrer Hexenvorgesetzten bekommt und sich einen Rüffel dafür abholen darf, dass sie einen Bettgenossen in eine Katze verwandelt hat (ohne zu wissen, wie sich das wieder rückgängig machen lässt). Außerdem bekommt Amelia Besuch von ihrem Vater und fängt eine Affäre mit Erics rechter Hand Pam an.

Auch Eric dreht meistens Däumchen. Er darf das Treffen zwischen Sookie und Niall arrangieren und mutiert zum Vieltelefonierer, als die Übernahme durch den König von Nevada droht. Er scharwenzelt von Zeit zu Zeit um Sookie herum, doch bewegt sich die (Nicht)Beziehung der beiden weder vor noch zurück. Beziehungen und Nichtbeziehungen sind jedoch Harris‘ Stärke. Alles Zwischenmenschliche (oder auch „Zwischenübernatürliche“ – aber das ist ein ziemliches Wortmonstrum) gelingt ihr spielend und bei dem umfangreichen Personal ihres Buches gibt es natürlich reichlich Möglichkeiten, Figuren miteinander agieren zu lassen. Trotzdem bleibt „Ein Vampir für alle Fälle“ in Liebesdingen ziemlich blass – weder bewegen sich die Beziehungen zwischen Sookie und ihren diversen Verehrern in irgendeine Richtung, noch wird ein neuer Mann an ihrer Seite eingeführt.

So plätschert die Handlung über weite Strecken dahin und bietet nur vereinzelte actiongeladene Höhepunkte. Der Großteil des Romans besteht dagegen aus häuslicher Routine und Alltagssituationen. So darf der Leser beispielsweise Sookie beim Einkaufen, beim Ausleihen von Büchern und beim Kirchgang begleiten. Dass das nicht wirklich spannend ist, ist ein nahe liegender Gedanke. Dabei ist es keineswegs so, dass Harris‘ ihr Schreibtalent abhanden gekommen wäre. Sie erzählt mit gewohntem Witz und flottem Charme, so dass nebensächliche Szenen nicht vollkommen irrelevant erscheinen. Trotzdem, dem Roman fehlt ein zentraler Konflikt, der sich durch die gesamte Handlung zieht und den Leser bei Laune hält. Statt dessen werden viele einzelne Handlungselemente abgearbeitet, was dazu führt, dass der Roman ziellos wirkt. Schade.

|Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3423211482
Originaltitel: From Dead to Worse
Übersetzer: Britta Mümmler|

McGuire, Seanan – Winterfluch (October Daye 1)

Vampire, Werwölfe, Dämonen – bislang sind die übersinnlichen Wesen, die die Urban Fantasy bevölkern, vor allem groß und gefährlich. Das ändert sich allmählich. Das kleine Volk drängt sich ins Bücherregal, zuletzt Seanan McGuires Reihe „October Daye“, in deren Mittelpunkt ein Wechselbalg steht.

October Daye, genannt Toby, hat einen Menschen als Vater und eine Elfe als Mutter. Sie ist ein Wechselbalg und ihr Stand in der Welt der Fae ist ungefähr so schmeichelhaft wie diese Bezeichnung. Wechselbälger gelten als niedere Kaste in San Francisco, da ihre magischen Kräfte beschränkt und sie nicht unsterblich sind. Nur einige der Fae lassen sich dazu herab, sie gut zu behandeln. Eine davon ist Evening Winterrose, eine strenge, aber gerechte Fürstin in der adligen Welt der Feen. Eines Tages wird sie kaltblütig ermordet, doch sie hat ihren Tod vorausgeahnt und eine Nachricht auf Tobys Anrufbeantworter hinterlassen. Und einen Fluch, der dafür sorgt, dass Toby sterben wird, sollte es ihr nicht gelingen, Evenings Mörder zu stellen.

Eigentlich hatte sich Toby seit einem Vorfall vor einigen Jahren sowohl von Menschen als auch Fae zurück gezogen. Nun muss sie unfreiwillig wieder unter Leute gehen. Gut ist, dass sie sich auf alte Freunde verlassen kann. Sylvester, ihr Lehnsherr und Herzog des Feenreichs Schattenhügel, bietet ihr sofort jede Hilfe bei der Suche nach Evenings Mörder an. Auch Devin, ebenfalls ein Wechselbalg, mit dem Toby eine unglückliche Beziehung hatte, steht ihr zur Seite. Doch nicht alle sind ihr gewogen. Ein Unbekannter hat es auf sie abgesehen, und er macht keine halben Sachen …

Nach den Erfolgen von Holly Black und Melissa Marr veröffentlicht die Amerikanerin Seanan McGuire ihr Debüt „Winterfluch“. Ähnlich wie Marr bezieht sie sich dabei sehr stark auf Sagen und Legenden über Feen. Die Verwundbarkeit durch Eisen, die Verwendung von Salbe unter den Augen, damit Sterbliche die Wesen sehen können, das Feudalwesen – dies alles ist bekannt. Leider schafft die Autorin es nicht, diesen Elemente ein neues Gesicht zu geben. Die Kulisse wirkt zwar gut recherchiert, doch es möchte kein rechter Zauber entstehen. Es gelingt McGuire nicht, das verzauberte San Francisco so dar zu stellen, dass der Leser darin versinkt wie in einer komplett neuen Welt. Auch die Verknüpfung mit dem Großstadtsetting hätte besser sein können. „Winterfluch“ erweckt den Eindruck, dass es auch in jeder anderen amerikanischen Großstadt hätte spielen können, da das entsprechende Lokalkolorit nicht richtig herauskommt.

Toby Daye hat eigentlich alles, was einen guten Charakter ausmacht: Eine düstere Vergangenheit, ein überhöhtes Misstrauen gegenüber Menschen und Feen und eine clevere, kämpferische Persönlichkeit. Wie viele Protagonisten im Genre ist sie eine Einzelgängerin. Obwohl die Autorin ihre Wesenszüge und Eigenschaften gut darstellt und sie durchaus von anderen Figuren abgrenzt, springt der Funke nicht über. Ähnlich wie bei der Kulisse hat man das Gefühl, dass Toby in gewisser Weise austauschbar ist. Das ist auch bei anderen Charakteren so. Die Personen sind nicht schlecht, aber einfach nicht originell genug, um die Geschichte lebendig werden zu lassen. Das hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass McGuires Schreibstil nicht gerade besonders sprühend ist. Sie erzählt aus Tobys Perspektive, allerdings sehr ruhig und beherrscht mit gemäßigtem Humor. Dadurch hält sie den Leser auf Distanz, was nicht gerade geschickt ist.

Die Handlung hingegen kann punkten. Sie besitzt einen guten Spannungsaufbau, der zwar am Anfang etwas flach verläuft, gegen Ende aber ordentlich anzieht. McGuire macht nicht den Fehler, die Geschichte durch Nebenhandlungen ausfransen zu lassen. Sie konzentriert sich auf die Suche nach dem Mörder und deckt parallel dazu wichtige Details aus Tobys früherem Leben auf. Außerdem gestaltet sich das ganze wie ein Spaziergang durch San Franciscos übersinnliche Welt. Schrittweise führt sie neue Arten von Wesen oder Fae ein, dies jedoch so geordnet und ruhig, dass man als Leser nicht den Überblick verliert. Am Ende steht ein Finale, bei dem man das Buch nicht aus der Hand legen kann und das vor allem durch seine überraschenden Wendungen gefällt.

Eine gute Handlung auf der einen, schwache Charaktere und eine austauschbare Welt auf der anderen Seite – „Winterfluch“, der Auftakt der „October Daye“-Reihe, ist nicht unbedingt ein Pageturner. Gerade die Protagonistin, die in einer Serie sehr wichtig ist, schafft es nicht, den Leser an sich zu binden. Das Ende der Handlung besitzt zwar einige wirklich spannende Stellen, doch das entschädigt nicht dafür, dass die Geschichte auf weiten Strecken nicht überzeugen kann.

|Originaltitel: Rosemary and Rue – An October Daye Novel
Aus dem Englischen von Michael Krug
339 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582882|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autorin“]http://www.seananmcguire.com

Richardson, Kat – Underground

_Harper Blaine:_
Band 1:[„Greywalker“ 5500
Band 2: [„Poltergeist“ 5763

Kat Richardson ist mit der Romanreihe um Harper Blaine ein Schuss ins Schwarze gelungen. Schon die beiden Vorgängerbände überzeugten mit dreidimensionalen Charakteren, spannenden Kriminalfällen und einem originellen übernatürlichen Setting. In dem dritten Roman der Serie, „Underground“, behält Richardson diese Eigenschaften bei und entwickelt ihr Universum konsequent weiter – sehr zur Freude des Lesers.

Erst einmal jedoch läuft es in „Underground“ für die Protagonistin Harper Blaine in Liebesdingen nicht wirklich gut. Schon im letzten Band kriselte es zwischen ihr und Will und das hat sich auch jetzt nicht geändert. Harper hasst es, einen wichtigen Teil ihrer Persönlichkeit – nämlich ihre Fähigkeit, im Grau zu wandeln – vor Will geheimhalten zu müssen. Diese Geheimniskrämerei tut ihrer Beziehung gar nicht gut. Doch als den beiden dann zufällig ein Zombie über den Weg läuft und Harper ihn kurzerhand kalt stellt, hilft das auch nicht weiter. Ganz im Gegenteil: Nun weiß Will zwar Bescheid, doch kann er mit diesem Einbruch des Übernatürlichen in sein geordnetes Leben nicht umgehen. Harper und Will trennen sich. Und auch wenn Harper nicht völlig am Boden zerstört ist, so ist sie doch alles andere als guter Laune.

Doch da betraut ihr Kumpel Quinton sie mit einem delikaten Kriminalfall. In einem U-Bahn Schacht hat er die Leiche eines Obdachlosen gefunden – angeknabbert und in Stücke gerrissen. Da Quinton nichts mit der Polizei zu tun haben will und außerdem davon ausgeht, dass diese sich nicht wirklich bemühen wird, den Mord an einem Obdachlosen aufzuklären, bittet er Harper um Hilfe. Zusammen machen sie sich also auf die Suche im Untergrund von Seattle und sprechen mit Obdachlosen, um die Spur des Mörders aufzunehmen, wobei bald klar wird, dass es sich keineswegs um einen Menschen handeln kann. Was nur gut ist, schließlich ist das Übernatürliche Harpers Spezialität!

Kat Richardson lässt sich für ihre Romane immer wieder neue spannende Themenfelder einfallen. So beackerte sie im vorangegangenen Band „Poltergeist“ das Feld von Parapsychologie und Spiritismus in wirklich umfassender – und natürlich unterhaltsamer – Form. In „Underground“ nun erfährt der Leser sehr viel über die Mythen und Legenden der indianischen Volksstämme aus der Gegend um Seattle sowie viel Interessantes zu Seattles illustrer Stadtgeschichte. Wieder ist offensichtlich, dass dem Schreiben des Romans eine umfassende Recherchearbeit vorangegangen ist. Und so ist der Roman vollgepackt mit Fakten, Hinweisen und Beschreibungen, ohne jedoch darüber die fesselnde Handlung aus den Augen zu verlieren. Auf sehr elegante Art gelingt es der Autorin, tausenderlei Fakten in ihren Roman zu schmuggeln, ohne dass sich der Leser belehrt vorkommt. Nie entsteht das Gefühl, Richardson würde Informationen referieren. Stattdessen sind Hintergrundinformationen immer dicht mit der Handlung verwoben und wirken dadurch als integraler Teil des Romans und nicht als pures Füllsel.

Richardsons Handlungsort ist diesmal der Untergrund Seattles – auf der einen Seite das tatsächliche Wegenetz der U-Bahn und auf der anderen Seite die teilweise noch zugänglichen alten Bebauungsschichten der Stadt, die nun hauptsächlich von Obdachlosen genutzt werden, um den Elementen zu entfliehen. Natürlich ist einem solchen Setting eine ganz besondere Faszination zu eigen, schließlich handelt es sich um eine Art Stadt unter der Stadt, die man normalerweise nicht zu Gesicht bekommt. Wie auch in Paris oder Berlin gibt es in Seattle jedoch Touristentouren, bei denen man diese alten, heutzutage unterirdischen, Teile der Stadt besichtigen kann. Richardson versteht es außerordentlich gut, das Surreale und gleichzeitig Faszinierende dieses Untergrunds in ihre Erzählung einfließen zu lassen. Ihre Beschreibungen sind ungemein plastisch und sie schafft es, die verschiedenen Zeitebenen (das heutige oberirdische Seattle sowie alte verschüttete Straßenzeilen) miteinander zu verknüpfen und für den Leser vorstellbar zu machen, selbst wenn er noch nie in Seattle war. Natürlich empfiehlt sich der Roman dadurch auch für jeden interessierten Touristen, der sich nicht nur mit dem Baedeker auf den geplanten Seattle-Urlaub vorbereiten will.

Selbstverständlich konzentriert sich Richardson nicht nur auf ihr Setting. Mindestens ebenso wichtig sind die Charaktere, allen voran Harper und Quinton. Letzterer war ja bisher ein Enigma. Der Leser hat nicht wirklich viel über ihn erfahren – wo kommt er her, arbeitet er, und wenn ja als was? Auf diese Fragen gibt Richardson in „Underground“ erstmals Antworten, wenn auch die Neugierde mancher Leser damit sicher noch nicht befriedigt sein wird. Wie Harper nämlich frühzeitig feststellt, wohnt Quinton – freiwillig – im Untergrund. Er hat sich sozusagen aus der Gesellschaft ausgeklinkt: keine Arbeit, keine Sozialversicherungsnummer, nirgends registriert. Dafür hat er seine Gründe, doch wird ihn seine Vergangenheit bald einholen.Und dann braucht es plötzlich viel Glück, Verstand und einige Zufälle, um die Vergangenheit wieder loszuwerden.

„Underground“ bietet wieder gute und spannende Unterhaltung aus der Feder von Kat Richardson. Was ihre Romane aus der Masse der Urban Fantasy heraushebt, ist einerseits ihre umfassende Recherche und andererseits ihre Fähigkeit, sympathische Charaktere zu schreiben. So kommt auch bei stolzen 500 Seiten niemals Langeweile auf. Als Leser folgt man Harper Blaine mit Vergnügen auf ihrer Wanderung durch den Untergrund von Seattle. Es wird zwar dunkel, kalt und feucht, aber dafür ist die Geschichte spannend – ein echter Pageturner eben.

|Taschenbuch: 480 Seiten
ISBN-13: 978-3453533158
Originaltitel: Underground
Übersetzt von Franziska Heel|

Schuhmacher, Nicole – Sturmträume

Rika kommt von der Schule nach Hause und findet an Stelle ihres Zuhauses nur rauchende Trümmer vor. Jixur haben die Pferdefarm überfallen, ihren Vater und seine Knechte getötet und sämtliche Pferde weg getrieben. Verzweifelt reitet das junge Mädchen in den nächstgelegenen Ort, um den Bürgermeister aufzusuchen, von dem sie erfährt, dass der Überfall auf den Hof ihres Vaters nicht der erste dieser Art war. Und prompt findet sich das überraschte Mädchen am nächsten Tag auf dem Weg in die Provinzhauptstadt wieder, wo sie um Verstärkung bitten soll. Der Beginn einer Odyssee …

Rika ist ein recht burschikoses junges Mädchen, das eine Menge seiner Zeit damit verbringt, sich aufregende Abenteuer auszudenken, in denen sie die Hauptrolle spielt. Die Realität ernüchtert sie schnell und ihre Abenteuerlust wird von Rachedurst verdrängt. Doch Rika hat auch immer wieder Alpträume, und das nicht nur Nachts, und diese Alpträume entwickeln mit der Zeit recht bedrohliche Nebenwirkungen. Irgendetwas scheint mit dem Mädchen nicht so ganz zu stimmen.

Micael, der junge Bursche, der es sich in den Kopf gesetzt hat, Rika zu begleiten in der glühenden Hoffnung, vom Herzog in die Armee aufgenommen zu werden, hat eine ziemlich große Klappe und glaubt, alles zu wissen. Ein Großteil davon sind allerdings Vorurteile, und davon, dass ein Soldat den Befehlen eines Vorgesetzten zu gehorchen hat, scheint er auch noch nie gehört zu haben. Zwar ist er mutig und nicht ungeschickt, doch es fehlt ihm an Selbstkontrolle. In seiner Naivität scheint er das Soldatenleben als eine ununterbrochene Abfolge erfolgreich bestandener Abenteuer zu betrachten, und als die Realität ihn einholt, kommt er kaum klar damit.

Shoran dagegen ist ein ausgebildeter Kämpfer und hat eine Kindheit hinter sich, die ihm einiges mehr an Lebenserfahrung beschert hat als dem behütet aufgewachsenen Micael. So kommt es, dass Shoran ständig mit dem unreifen Jungen und seinen beleidigenden Vorurteilen in Klintsch liegt. Aber auch Rika scheint der Krieger gerne zu necken, er ist eigentlich fast niemals wirklich ernst, es sei denn, es droht Gefahr. Und er hütet ein Geheimnis …

Der Anführer der Jixur, Sarrias, wiederum fühlt sich gar nicht wohl in seiner Haut. Die „Halbe“, wie die Jixur die Menschen nennen, hat er zwar selber aufgezogen, doch dass sie ständig mit dem Oberhaupt seiner Herde Pläne ausheckt, ohne ihn einzubeziehen, und dass sie ihm teilweise in seine Befehlsgewalt über die Krieger drein redet, stört ihn gewaltig, und das nicht nur, weil es seine Autorität untergräbt, sondern auch, weil es allen althergebrachten Verhaltensweisen seiner Art widerspricht. Sein Instinkt sagt ihm, dass mehr dahinter steckt, als die Halbe offenbart …

Die Charakterzeichnung hat mich nicht überzeugt. Am gelungensten fand ich eigentlich den greisen König von Craiglin mit seinem an Verfolgungswahn grenzenden Misstrauen gegen das Nachbarland der Thäler, seiner mürrischen Laune und seinem Altersstarrsinn. Dabei ist dieser Mann kaum eine eigene Persönlichkeit, sondern eher ein für den Plot unentbehrliches Objekt. Die Hauptperson Rika dagegen empfand ich als ausgesprochen blutleer. Zwar wird kurz erwähnt, dass sie als einzige den weicheren Kern ihres mürrischen, verbitterten Vaters kennt, bei dem es kein Knecht lange aushält, eine wirklich enge Verbindung zwischen den beiden, die Rikas Rachsucht erklären würde, zeigt sich jedoch nirgends. Andererseits kommt Rikas Rachsucht ebenso fad daher wie der Rest des Mädchens, allein Micaels Schicksal scheint sie zumindest kurzzeitig zu kümmern. Gleiches gilt für die „Halbe“ namens Millayn, deren Motive ich zwar mit dem Kopf nachvollziehen, aber nicht nachfühlen konnte.

Ähnliches gilt für den Hintergrund.

Die Autorin liefert zu Beginn des Buches einen kurzen Schöpfungsmythos. Doch der beschreibt nicht wirklich die Eigenschaften der verschiedenen Götter und erklärt auch nicht, warum Elane, die Königin der Thäler, alle Kulte außer dem der Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin Cyn verboten hat. Gut, die vom Gott der Stürme Gesegneten haben offenbar mit ihren magischen Kräften ziemlich üble Kriegsmaschinen gegen sie ins Feld geschickt, aber was haben die anderen angestellt?

Verwirrend fand ich auch die Darstellung der Jixur. Sie haben ein Fell, Krallen, Gesichter wie Katzen und Schwänze wie Löwen. Aber einer von ihnen mit geflecktem Fell wird als Schecke bezeichnet, und ihre Jungen nennen sie Fohlen. Ich wusste nie so richtig, wie ich mir diese Geschöpfe vorstellen sollte, zumal sie nicht nur vier Beine, sondern auch noch vier Arme haben. Letztlich kam ich zu dem Schluss, dass sie wohl so eine Art Katzencentauren sein müssen. Dazu kommt noch, dass die Jixur nicht die einzigen mit mehreren Gliedmaßen sind. Die Hiranyer haben ebenfalls vier Arme, allerdings nur zwei Beine. Und die Verjig – wo wir schon mal dabei sind – haben ebenfalls vier Arme und zwei Beine, sie sind aber offenbar größer und dunkelhäutiger als die Hiranyer. Man könnte sich fast fragen, ob diese massive Häufung von Gliedmaßen vielleicht aus einer lang zurückliegenden Mischung der Rassen resultiert, aber darüber erfährt der Leser nichts.

Auch mit Informationen über die Historie ihrer Welt war die Autorin ausgesprochen sparsam. Ein Sturmwerkerkrieg wird erwähnt, in dem das Reich der Thäler gegen Gavenne gekämpft und gesiegt hat, trotz derer magischer Kriegsmaschinen. Über die Völker selber, ihre Kultur und Religion erfährt der Leser jedoch so gut wie nichts, nicht einmal über die für die Geschichte ziemlich wichtigen Jixur. Hiranya ist nicht einmal auf der Karte verzeichnet.

Bleibt die Handlung.

Nach den üblichen Einführungen von Personen, Situationen und dem Aspekt des Magischen lässt sich der Plot zunächst recht vielversprechend an. Leider wusste ich schon nach der Ankunft der Jixur bei ihrer Herde, dass Millayn im Auftrag von Jemandem handelte, und spätestens nach dem Gespräch zwischen dem Herzog von Hochthal und der Königin der Thäler wusste ich auch, für wen sie arbeitet. Das nahm der Geschichte zwar einiges von ihrer Spannung, aber das war es nicht allein.
Als extrem störend weil unwahrscheinlich empfand ich das Verhalten der Erwachsenen Rika gegenüber. Ein Kommandant, dessen Stadt belagert wird, wird sich von einer sechzehnjährigen Zivilistin vielleicht Bericht erstatten lassen, aber er wird sie sicherlich nicht zu Beratungen seines Stabes hinzu ziehen oder gar auf sie hören. Und kein Soldat wird dulden, dass ein Rangniedrigerer seinen Befehlen widerspricht. Die sanfte Ermahnung des Soldaten Killarne im Hinblick auf militärische Disziplin fand ich total unpassend. Und dass ein Offizier, der einem politischen Komplott auf die Spur kommt, ohne Rücksprache mit seinem Herrscher einfach in einen Krieg zieht, ist vollkommen abwegig, selbst wenn er eine Generalvollmacht besitzt.

Die größte Enttäuschung jedoch war letztlich der Drahtzieher des Komplotts. Seine Motive und Ziele waren dermaßen kindisch und einfach nur unmöglich, dass ich nur den Kopf schütteln konnte und mich fragte, wie eine solche politische Niete jemals so hoch aufsteigen konnte! Und seine Aufforderung an Rika, ihn einfach entkommen zu lassen, war so ausgesprochen lächerlich, dass ich am Ende nicht mehr in der Lage war, die Autorin noch ernst zu nehmen.

Um das Maß voll zu machen, stolperte ich so manches Mal über Formulierungen wie „zum Vorschein treten“ oder „das Pony durchritt die Kurve“. Ich dachte eigentlich immer, Pferde werden geritten, und in diesem Fall handelt es sich nicht um eine Übersetzung aus dem Englischen, das heißt, hier hat nicht der Übersetzer gepfuscht und auch nicht allein das Lektorat.

Bleibt zu sagen, dass von meiner Freude darüber, endlich mal wieder auf ein Fantasybuch ohne Orks, Elfen, Drachen oder Vampire gestoßen zu sein, nicht mehr allzu viel übrig geblieben ist. Die meisten Ideen der Autorin, die eigentlich durchaus neu und vielversprechend klangen, sind fast völlig auf der Strecke geblieben, weil ihre Ausarbeitung zu schwach war, um wirklich Farbe in die Geschichte zu bringen. Das gilt auch für den Plot, der durch die Erklärung am Ende des Buches dermaßen ins Lächerliche abglitt, dass nicht mal mehr sein ordentlicher Aufbau den Schaden ausgleichen konnte. Und obwohl die Gruppe um Rika dankenswerterweise nicht aus einem Zauberer, einer Heilerin, einem Elfen und einem Krieger bestand, wirkten die Charaktere aufgrund ihrer fehlenden Tiefe dennoch wie eine Gruppe von Rollenspielfiguren, die auf Abenteuer ausgezogen sind. Sogar die Szenen im Palast von Glaesmon erinnerten mich an |Dungeons and Dragons|. Nur die Ungeheuer fehlten. Vielleicht treten die ja im nächsten Band auf. Ich glaube allerdings nicht, dass ich den wirklich lesen will.

Nicole Schuhmacher ist von Beruf Diplomsoziologin und hatte schon als Kind eine Vorliebe für Märchen und Fantastisches. Zum Schreiben kam sie durch ihre Bekanntschaft mit Markus Heitz. „Sturmträume“ ist ihr erster Roman. Der zweite Band erscheint voraussichtlich im Juli diesen Jahres unter dem Titel „Sturmpfade“.

|Taschenbuch: 496 Seiten
ISBN-13: 978-3453525726|

Deas, Stephen – Adamantpalast, Der (Drachenthron 1)

Königin Shezira macht sich auf den Weg nach Osten, um ihre jüngste Tochter Lystra an den Prinzen Jehal zu verheiraten. Im Gepäck das Brautgeschenk: Ein makellos weißer Drache samt Knappe. Doch während Shezira im Adamantpalast Halt macht, wird die Eskorte des Weißen angegriffen. Am Ende ist der kostbare Drache verschwunden.
Aber das Fehlen des Brautgeschenkes ist nur eine Sorge. Der Sprecher, oberste Autorität in einem Gebilde, das aus neun Königreichen mit je einem eigenen Souverän besteht, wird alle zehn Jahre neu gewählt, und diese Wahl steht kurz bevor. Doch die Nachfolge ist längst nicht so sicher, wie ursprünglich von allen erwartet. Und was hat es mit dem seltsamen Fläschchen auf sich, das auf einer einsamen Lichtung den Besitzer wechseln soll?

Shezira ist eine ehrgeizige und starke Persönlichkeit, allerdings kühl, distanziert und sachlich. Nicht, dass sie ihre drei Töchter nicht mag, doch das hindert sie nicht daran, zwei davon mit politischem Kalkül zu verheiraten. Immerhin aber ist Shezira ehrlich und steht zu ihrem Wort, was man von anderen nicht unbedingt behaupten kann.

Der noch amtierende Sprecher Hyram hat sich in einer alten Abmachung dazu verpflichtet, Shezira als seine Nachfolgerin vorzuschlagen. Doch Hyram ist ein schwacher Mann, der Jahre alte seelische Wunden noch immer nicht verkraftet hat. Das und die Tatsache, dass er seit einem Jahr zunehmend die Kontrolle über seinen Körper verliert, machen ihn angreifbar für Intrigen.

Auch Zafir hat eine Schwäche, und die heißt Jehal. Nicht, dass Zafir nicht ehrgeizig wäre, sie hat durchaus nichts dagegen, den Platz ihrer Mutter als Königin einzunehmen und ist auch beileibe nicht zimperlich, was die Methoden zur Erreichung dieses Zieles angeht. Doch aus eigenem Antrieb hätte sie sich die Mühe nicht gemacht. Dafür ist sie durchaus bereit, sich persönlich die Mühe zu machen und Jehals junge Braut aus dem Weg zu räumen, denn auf die ist sie unendlich eifersüchtig.

Jehal scheint derjenige zu sein, um den sich alles dreht. Er ist noch ehrgeiziger als Shezira und im Gegensatz zu ihr nicht im geringsten wählerisch in seinen Mitteln. Der gut aussehende und charmante Prinz ist sehr geschickt darin, andere um den Finger zu wickeln, vor allem Frauen, die er dann, wenn er sie nicht mehr braucht, einfach fallen lässt. Auch an Absprachen und Verträge hält er sich lediglich, so lange sie seinen Zielen dienen. Jehal will Sprecher werden, um jeden Preis und mit allen, wirklich allen Mitteln.

Wirklich sympatisch ist eigentlich nur Sheziras sture und ungebärdige Tochter Jaslyn mit ihrer Leidenschaft für Drachen. Jaslyn ist genauso unverblümt und ehrlich wie ihre Mutter, allerdings nicht so kaltherzig.

Im Grunde war die Charakterzeichnung ganz in Ordnung. Vor allem der schwächliche Hyram mit seiner Obsession für eine unerreichbare Frau und der skrupellose Jehal waren gut getroffen. So richtig mitfiebern kann der Leser allerdings mit niemandem, denn Jaslyn, die einzige, die sich als Sympathieträger anbietet, rückt erst gegen Ende des Buches etwas mehr in den Vordergrund und könnte noch einiges an zusätzlicher Intensität vertragen. Andere, wie der Knappe Kailin oder der Söldner Sollos, leben einfach nicht lang genug, um ein echtes eigenes Profil zu entwickeln.

Der Ort der Handlung ist nicht unbedingt spektakulär. Die Geographie besteht aus der üblichen Mischung Wüste-Gebirge-Meer, und das einzige, was den Handlungshintergrund von der Realität unterscheidet, ist die Existenz von Drachen und Magie. Die Magie stellt bisher lediglich eine winzige Randerscheinung dar. Nur zweimal tauchen kurz echte Magier auf, und nur in einem dieser beiden Fälle erfährt der Leser überhaupt, was der Magier tut. Wobei ich in diesem speziellen Fall die Alchemisten nicht zu den Magiern gezählt habe.

Bisher ist nicht ganz sicher, ob die Alchemisten bei ihrem Tun auch Magie einsetzen. Fest steht nur, dass sie die gezähmten Drachen mittels ihrer Tränke unter Kontrolle halten. Die Tiere sind sozusagen ununterbrochen zugedröhnt. Nur so ist es möglich, sie abzurichten und zu reiten. Diese Praxis ist schon ziemlich alt, und da nur aus etwa einem Drittel aller Dracheneier auch ein Drache ausschlüpft, sind Drachen ziemlich wertvoll. Sie werden sorgfältig gezüchtet und dementsprechend auch mit Stammbäumen versehen. Kein Wunder, dass Königin Shezira ihre Weiße unbedingt wiederhaben will. Und kein Wunder, dass der Alchemist, der den Suchtrupp begleitet, es so schrecklich eilig hat. Denn was wird wohl geschehen, wenn die Wirkung der Drachendrogen nach lässt?

Darauf erhält der Leser tatsächlich eine Antwort. Was allerdings vom Verlag angepriesen wurde als die „geheimnisvollsten, mächtigsten und gefährlichsten Geschöpfe der Fantasy“, wirkt vorerst noch ein wenig dünn. Denn alles, was von den Drachen selbst bisher zu hören ist, ist Rachsucht. Nur einige wenige Sätze lassen ein paar echte Informationen über die Drachen erahnen, doch die sind so spärlich und vage, dass sie nicht ausreichen, um ein deutliches Bild dieser Geschöpfe zu zeichnen. So bestehen die Drachen – zumindest im Augenblick – hauptsächlich aus Mordgier.

Das hat Konsequenzen.

Dass die Drachen vor allem damit beschäftigt sind, nach den Alchemisten zu suchen und dabei eine Menge Leichen zurücklassen – zu denen man noch diejenigen dazu zählen muss, die sie fressen! – lässt sie, zumindest was mein Interesse anging, ein gutes Stück in den Hintergrund treten. Die Intrigen und Ränkespiele im Zusammenhang mit der Sprecherwahl geben da wesentlich mehr her. Zafir ist auch ohne Jehal schon ein Miststück, und Jehal übertrifft sie darin noch. Beide zusammen sind schlicht gemeingefährlich. Was Jehal vor allem so erfolgreich macht, ist seine Indirektheit, er erreicht seine Ziele stets auf Umwegen und hat die unendliche Geduld einer lauernden Spinne. Zusätzlich interessant wird Jehals Intrigenspiel dadurch, dass er in seiner eitlen Selbstzufriedenheit nicht merkt, dass er ebenfalls benutzt wird.

Das ist der Punkt, der beide Handlungsstränge miteinander verbindet.

Nirgendwo wird erwähnt, wer die Eskorte des weißen Drachen überfallen hat und warum. Hätte der Angreifer den Drachen stehlen wollen, hätte er ihn wohl kaum entkommen lassen. Und wie hätte er ein solch ausgefallenes Tier auch verstecken sollen?

Und die Taiytakey von jenseits des Meeres, die Jehal ein so ausgefallenes Geschenk zur Hochzeit überreichen ließen? Jehal sagt selbst, dass die Taiytakey keine Geschenke machen, und diese bestreiten das nicht einmal. Was also wollen sie dafür? Jehal scheint es nicht zu interessieren, und das dürfte ein Fehler gewesen sein!

Und dann ist da auch noch das Fläschchen mit dem seltsamen Inhalt.

Der aufmerksame Leser merkt nur zu bald, dass die eigentliche Bedrohung von außerhalb kommt, auch wenn sie lediglich ganz am Rande auftaucht, und da sie alle so sehr mit ihren eigenen kleinlichen Machtkämpfen beschäftigt sind, fällt es natürlich keinem der Beteiligten auf.

Unterm Strich kann ich sagen, dass Stephen Deas mit „Der Drachenthron“ einen interessanten und verwickelten Roman abgeliefert hat. Die Charakterzeichnung ist nicht überragend intensiv, aber durchaus lebendig und glaubwürdig. Der Handlungsverlauf wirkt zwar durch die häufigen Szenen- und damit verbundenen Ortswechsel etwas sprunghaft, ich hatte aber keine allzu großen Probleme damit, das Ganze ist sauber aufgebaut und frei von Logikfehlern. Und auch wenn der Spannungsbogen nicht allzu straff gespannt ist, wird es nie wirklich langweilig. Allein die Tatsache, dass das Wesen der Drachen so eingleisig dargestellt ist, find ich schade. Hier hätte ich mir anstelle des vielen Bratens und Fressens etwas mehr Bandbreite und mehr Detailreichtum gewünscht, da darf sich noch einiges tun.

Stephen Deas ist Engländer und arbeitete nach einem abgeschlossenen Physikstudium in der Raumfahrttechnik, ehe er mit „Der Drachenthron“ seinen ersten Roman veröffentlichte. Seither ist er fleißig mit Schreiben beschäftigt. Im April erscheint in England der zweite Band der Trilogie Drachenreiche, außerdem im Herbst der erste Band einer weiteren Trilogie.

Broschiert: 591 Seiten
ISBN-13: 978-3453525306
Originaltitel: The Adamantine Palace
Übersetzt von Beate Brammertz

Stephen Deas.com
http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Palmatier, Joshua – Regentin, Die (Der Geisterthron 2)

_Der Geisterthron_
Band 1: [Die Assassine 6031

Zum ersten Mal in der Geschichte Amenkors gibt es eine ehemalige Regentin. Obwohl Varis Eryn nicht ganz vertraut, ist ihre Vorgängerin dennoch ein wertvoller Informationsquell, außerdem ist sie die einzige, von der Varis lernen kann, den Fluss besser zu beherrschen. Und das ist bitter nötig. Denn nicht nur die verheerende Versorgungslage der Stadt macht Varis zu schaffen. Eine Vision von der Zerstörung der Stadt hat sie heimgesucht, doch die Richtung, aus der die Gefahr droht, blieb verborgen. Dann werden Teile eines Schiffswracks an die Küste gespült, und darauf finden sich einige seltsame Spuren …

Varis wächst erstaunlich schnell in ihre neue Rolle hinein und entwickelt ein ausgeprägtes Durchsetzungsvermögen sowie eine wachsende Zielstrebigkeit. Ihre Gefühle bleiben dabei jedoch eher vage. Gelegentlich empfindet sie Unsicherheit, manchmal auch Angst, jedoch überwiegen Zorn und einen überaus starken Beschützerinstinkt. Dabei steht fast immer die Stadt als Ganzes im Zentrum, persönlichere Beziehungen wie die zu Erick oder gar zu William machen lediglich einen Hauch ihrer Persönlichkeit aus.

Die übrigen Figuren bleiben nach wie vor blass. Allein von Eryn erfährt man ein paar persönliche Details; der Oberhofmarschall Avrell, die junge Marielle sowie die Hauptleute Baill, Catrell und Westen bleiben lediglich grobe Skizzen. Selbst die Person Ericks, der Varis von allen Hofleuten am nächsten steht, wurde nicht weiter vertieft.

Die Handlung dagegen ist tatsächlich vielschichtiger geworden. Auch diesmal lässt der Autor es zunächst etwas langsamer angehen, lässt Varis sich erst einmal an ihre neue Rolle gewöhnen, während er den Leser mit den neuen Charakteren bekannt macht, die in diesem Band eine Rolle spielen. Doch da Varis sich wie gesagt recht schnell anpasst, nimmt die Handlung schon bald Fahrt auf.

Dabei baut Joshua Palmatier seine Probleme stufenartig auf. Zwar kommt die Vision von der Zerstörung der Stadt schon recht früh, dennoch widmet sich der Verlauf der Geschichte zunächst dem Problem der Nahrungsversorgung. Kaum ist dies nach einigen Aufwand gelöst, stellt sich heraus, dass immer wieder Kisten und Fässer spurlos verschwinden, dazu kommt das Auftauchen der Wrackteile. Beide Stränge wachsen trotz aller Bemühungen immer weiter an, bis Varis irgendwann vor einem einzigen riesigen Problemberg steht.
Das hat durchaus auch steigende Spannung zur Folge. Obwohl ich schon früh ahnte, wer hinter den verschwundenen Lebensmitteln stecken muss, war ich doch überrascht, welchen Weg die Waren letztlich genommen haben. Das warf allerdings die Frage auf, welche Motive der Dieb für seine Tat gehabt haben mochte. Die magere Ausarbeitung der Nebencharaktere gibt darauf leider keine Antwort.

Auch die Bedrohung von außen, die bereits im ersten Band – in der Entstehungsgeschichte des Thrones – gestreift wurde, hat jetzt ein Gesicht bekommen. Es ist ein interessantes, aber auch recht gnadenloses Gesicht. Immerhin wird hier die Motivation hinter den Angriffen auf Amenkor deutlich, was den Gegner allerdings nicht unbedingt viel menschlicher wirken lässt. Der Showdown ist dann ein überraschend kurzes, aber auch überraschendes Spektakel mit einem Ende, das ich so überhaupt nicht erwartet hätte.

Insgesamt hat mir der zweite Band wesentlich besser gefallen als der erste. Zwar geht es auch diesmal ziemlich blutig zu, immerhin wird Amenkor angegriffen. Diese Szenen beschränkten sich jedoch auf ein relativ kurzes Seegefecht und die Schlacht um die Stadt, sodass sich nicht wie im ersten Band eine Blutspur durch das gesamte Buch zieht. Statt dessen hat der Autor den Blickwinkel mehr auf Intrigen und Verrat gerichtet und dabei tatsächlich einige Haken geschlagen, um den Leser zunächst auf eine falsche Spur zu locken, was die Handlung weniger linear und weniger vorhersehbar gestaltet. Einziger Schönheitsfehler im Handlungsverlauf ist ein logischer Knacks im Zusammenhang mit der Entdeckung, wohin die gestohlenen Lebensmittel verschwunden sind.
Schade nur, dass die Charakterzeichnung so wenig plastisch ausfällt. Nicht nur die Motive des Diebes, auch die des feindlichen Priesters sind schlicht nicht vorhanden. Die Szenen im Zusammenhang mit der gegnerischen Kultur sind nur kurze Rückblenden, und der Zeitpunkt dieser Erinnerung nicht geeignet, um mehr als einen Grund für die Invasion der Fremden zu bieten. Alles andere bleibt lediglich eine vage Andeutung. Ich gehe mal davon aus, dass der Autor sich die Details über die Fremden, ihre inneren Machtkämpfe und ihren kulturellen Hintergrund für den dritten Band aufgehoben hat.

Zumindest hoffe ich das. Denn die bisherigen Informationen sind noch zu spärlich, um eine eigene Wirkung zu erzielen, sie erscheinen vorerst noch ein wenig wie ein Abklatsch Polynesiens. Auch die Charakterzeichnung dürfte für meinen Geschmack noch etwas eindringlicher und lebendiger werden, allerdings hege ich in dieser Richtung eher wenig Hoffnung, immerhin hat sich diesbezüglich im Vergleich zum ersten Band nicht viel getan.

Nun, immerhin sind meine Hoffnungen, die ich nach dem Lesen des ersten Bandes für den zweiten hegte, alle erfüllt worden. Vielleicht klappt das ja auch für den dritten Band.

Joshua Palmatier ist eigentlich Dozent für Mathematik an der Universität von Oneonta im Staat New York, schreibt aber schon, seit er in der Schule eine fantastische Kurzgeschichte auf bekam. „Die Assassine“ ist sein erster Roman und der Auftakt zur |Geisterthron|-Trilogie, die auf englisch bereits komplett erschienen ist. Auf Deutsch erscheint der dritte Band im Juni diesen Jahres unter dem Titel „Die Kämpferin“. Der Autor schreibt derweil am ersten Band seines nächsten Zyklus.

|Broschiert: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3785760185
Originaltitel: |The Cracked Throne
http://www.luebbe.de

Lynn Flewelling – Die prophezeite Königin (Tamír Triad 3)

Tamír Triad
Band 1: Der verwunschene Zwilling
Band 2: Die verborgene Kriegerin
Band 3: Die prophezeite Königin

Tobin hat endlich die Haut seines toten Bruders abgestreift und mit ihr ihren alten Namen. Jetzt nennt sie sich Tamír und hat vorerst alle Hände voll damit zu tun, die Menschen der zerstörten Stadt Ero zu versorgen. Zurück in Atyion lässt sie sich dazu überreden, zögerlichen Adligen ein Ultimatum zu stellen, doch noch immer will sie sich nicht gegen Korin wenden. Statt dessen sucht sie wie ihre Vorgängerinnen das Orakel von Afra auf. Und ist von der Vision, die sie erhält, entsetzt …!

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Flewelling, Lynn – verborgene Kriegerin, Die (Tamír Triad 2)

_Tamír Triad_
Band 1: [Der verwunschene Zwilling 6101
Band 2: _Die verborgene Kriegerin_

Seit Tobin weiß, dass er eigentlich ein Mädchen ist, fühlt er sich überhaupt nicht mehr wohl in seiner Haut. Seit der Rückkehr des Königs muss er zwar nicht mehr fürchten, von Ki getrennt zu werden und er steht offensichtlich in des Königs Gunst. Doch er mag seinen Vetter Korin sehr und fürchtet, eines Tages mit ihm um den Thron Skalas kämpfen zu müssen. Außerdem sorgt des Königs Anwesenheit dafür, dass Tobin öfters mit Niryn zusammentrifft.

Niryn wiederum hat seine ganz eigenen Pläne mit Skala. Und in denen ist weder für Tobin noch für Erius oder Korin Platz. Iya und Arkoniel versuchen derweil, die bereits behutsam ausgelotete Unterstützung für Tobin heimlich zusammen zu trommeln …

Da Tobin erst zu einem recht späten Zeitpunkt des ersten Bandes nach Ero kam, blieb nicht genug Raum, um alle dortigen Charaktere gleichermaßen stark zu gewichten. Das galt vor allem für Niryn und den König, was die Autorin nun nachholt.

Niryn ist einfach zu charakterisieren, er ist machtgierig, skrupellos und grausam. Den König hat er manipuliert, und da er fürchtet, dass ihm das mit dem Kronprinzen nicht gelingen wird, versucht er, ihn loszuwerden. Das klingt ziemlich nach dem Bild des bösen, bösen Großwesirs, zumal es kein Motiv für Niryns Tun zu geben scheint außer eben seiner Machtgier.

Beim König ist es nicht ganz so einfach. Erius scheint ernstlich um sein Reich besorgt und aufrichtig bemüht, es vor den Plenimarern zu schützen. Gleichzeitig verschließt er standhaft die Augen davor, was sein Verstoß gegen den Willen Illiors seinem Volk antut. Warum er allerdings so erpicht darauf ist, nicht nur eine männliche Königsdynastie zu gründen, sondern auch sämtliche Frauen vom Dienst an der Waffe auszuschließen, muss der Leser sich selbst zusammen reimen.

Korins Charakterzeichnung, die bereits recht lebendig geraten war, wird weiter vertieft. Seine Saufgelage und seine Herumhurerei, die bisher noch wie der Übermut und die Langeweile eines Heranwachsenden wirkten, der sich unbedingt im Kampf beweisen will, aber nicht darf, erscheinen nach der ersten öffentlichen Hinrichtung, der die Gefährten beiwohnen, und nach dem Kampf mit den Banditen in einem völlig anderen Licht. Korin mag seinen Freunden gegenüber charmant, lustig und gutmütig sein, im Grunde jedoch ist er ein arroganter Egozentriker, der sich nur für sich selbst interessiert, und außerdem als militärischer Anführer ein Versager.

Und die Figur ihrer Hauptprotagonistin hat die Autorin ein gutes Stück weiterentwickelt. Tobin wird allmählich erwachsen, mit allen Problemen, die sich daraus für ein Mädchen im Körper eines Jungen ergeben. Nicht nur, dass die junge Adlige Una offenbar tiefere Gefühle für den Neffen des Königs entwickelt, obwohl Tobin zunehmend mit ihren eigenen Gefühlen für Ki zu kämpfen hat. Wie einst mit den Puppen ihrer Mutter geht es Tobin nun mit deren Kleidern, die sie in einem Schrank in Atyion entdeckt: Sie fühlt sich davon angezogen, gleichzeitig jedoch empfindet sie den Gedanken, Frauenkleider zu tragen, als peinlich und unangenehm. Sie will eigentlich auch gar keine Königin sein, andererseits genießt sie die Huldigungen, die ihr von den Soldaten und der Bevölkerung Atyions entgegengebracht werden. Und dann ist da auch noch der Bruder, von dem sie inzwischen weiß, dass er leidet, und der sie hasst und dennoch beschützt. So gern Tobin die Bindung zwischen ihnen lösen würde, um ihrer beider Freiheit willen, fürchtet sie sich doch davor, die geborgte Hülle zu verlieren, die ihr so viel vertrauter ist als ihr eigener Körper. Ganz gleich, worum es geht, Tobin fühlt sich fast ständig hin und her gerissen.

Lynn Flewelling hat das hohe Niveau ihrer Charakterzeichnung weitgehend gehalten. Die Figuren, die sie weiter ausgebaut hat, sind so lebendig und glaubwürdig wie alle anderen, allein dass Niryn ein wenig ins Klischee abgerutscht ist, obwohl er zunächst einen recht viel versprechenden Eindruck machte, fand ich schade. Dafür ist Tobins Entwicklung umso besser gelungen, und da es im Grunde ihre Geschichte ist, kann ich auch damit leben, dass über König Erius Motive kein Wort verloren wird.

Die Handlung weist diesmal wesentlich mehr Bewegung auf als im ersten Band, nicht nur im Zusammenhang mit Tobin, sondern auch mit Arkoniel, der noch immer auf der Feste lebt, seine magischen Studien betreibt und von Lhel lernt, und Iya, die in Ero auf ein Widerstandsnest von freien Zauberern trifft. Die Zuspitzung der Situation streift diese beiden Stränge jedoch lediglich, zeigt eher die Auswirkungen der Zuspitzung, als dass Arkoniel oder Iya aktiv daran beteiligt wären. Erst gegen Ende kommt ihnen eine größere Rolle bei der Entwicklung der Ereignisse zu. Es ist, als hätten diese beiden bisher hauptsächlich Vorbereitungen für den dritten Band getroffen.

Für die Zuspitzung ist natürlich Niryn verantwortlich. Seine Schergen sind es, die die freien Zauberer verfolgen und in den Untergrund treiben. Außerdem intrigiert er kräftig gegen seinen größten Widersacher Orun und sorgt rücksichtslos dafür, dass Korin keinerlei Erben in die Welt setzt. Dabei macht er nicht einmal vor Korins junger Gemahlin Halt. Im Vergleich dazu erschien mir seine Passivität Tobin gegenüber ziemlich seltsam. Zweimal hat er die Auswirkungen der Magie gespürt, als Tobin Bruder gerufen hat. Tobin hat Bruder aber wesentlich öfter gerufen. Ich frage mich, warum Niryn die übrigen Male nichts gespürt hat.

Und weil wir schon dabei sind: Wie hat Niryn Nalia verborgen gehalten, als Korin mit seiner Braut und seinen Gefährten während seiner Hochzeitsreise Gast in Cirna war? Ist Nalia freiwillig die ganze Zeit in ihrem Zimmer geblieben, selbst für die Mahlzeiten? Sie muss doch zumindest Frage gestellt haben. Aber dieser Aspekt wurde von der Autorin komplett übergangen.

Trotz dieser kleinen Knicke hat mir der zweite Band ebenso gut gefallen wie der erste, obwohl ich auch ihn nicht wirklich spannend fand, nicht einmal während der Schlacht am Ende des Buches. Immerhin kam der Umsturz aus einer gänzlich unerwarteten Richtung, was für eine echte Überraschung sorgte. Die gelungenen Charaktere tragen die Handlung problemlos selbst während einiger Passagen, die vielleicht nicht ganz so entscheidend für die Entwicklung der Ereignisse sind, so dass niemals Langeweile aufkommt.

Selbst Niryn, der als Person so relativ wenig hergibt, weiß durch seine Funktion innerhalb des Plots zu fesseln: Ist das Amulett, das er Korin gab, Totenbeschwörermagie oder nicht? Und wenn ja, ist Niryn dann tatsächlich Plenimarer? Wenn ja, wieso ist er dann mit dem Prinzen aus Ero geflüchtet? Und wenn nein, wie konnte er dann Totenbeschwörermagie einsetzen? Und wenn es keine Totenbeschwörermagie war, mit welcher Art von Magie hat er dann dieses abscheuliche Ergebnis erziehlt? Und dann ist da natürlich auch noch die seltsame Schale, über die der Leser im Laufe des Buches zwar ein wenig mehr erfährt, die aber bisher noch keine richtige Rolle in der Geschichte gespielt hat, so dass der Leser sich fragt, warum das Ding eigentlich immer wieder erwähnt wird. Die Autorin weiß das Interesse ihrer Leser jederzeit wach zu halten, auch über das Ende eines Bandes hinaus.

_Lynn Flewelling_ studierte Englisch, Geschichte und noch einiges andere und war in diversen Berufen tätig, ehe sie ihren ersten Roman veröffentlichte. „Der verwunschene Zwilling“ ist der erste Band ihrer Trilogie |Tamír Triad|. Außerdem stammt der Zyklus |Die Schattengilde| aus ihrer Feder, der inzwischen bis Band 5 gediehen, auf Deutsch derzeit aber nur bis Band 3 und nur gebraucht erhältlich ist.

|Broschiert: 608 Seiten
ISBN-13: 978-3902607096
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 16 Jahren
Originaltitel: |Hidden Warrior|
Übersetzt von Michael Krug|
http://www.otherworldverlag.com
http://www.sff.net/people/Lynn.Flewelling/

Mike Resnick – Wilson Cole 1: Die Meuterer

Auf Platz vier der meistgeehrten Science-Fiction-Autoren findet man Mike Resnick – noch vor bekannten Größen wie Asimov, Bradbury, Heinlein und Clarke. So teilt der Anhang des vorliegenden Romans mit und bezieht sich damit auf eine Liste, die vom Locus-Magazin geführt wird. Umso verwunderlicher, wie wenig ehrerbietige Nennung sein Name findet, so dass sich die Frage aufwirft, ob sich diese Preise an der Qualität einer Geschichte oder an ihrer jeweils aktuellen Beliebtheit orientieren (wobei Qualität auch ein zu definierender Begriff in diesem Zusammenhang wäre).

Resnick hält sich vor allem in seinem groß angelegten |Birthright|-Universum auf, das die Zukunft der Menschheit von der Entwicklung eines Überlichtantriebs bis zu ihrer Auslöschung umfasst. Natürlich spielt auch die Geschichte um Wilson Cole in dieser Welt und fügt ihr eine wichtige Facette hinzu.

Das altersschwache Kriegsschiff Theodore Roosevelt, von seiner Besatzung liebevoll „Teddy R“ genannt, fliegt abkommandiert als Patrouille eines großen Abschnitts des Randsektors mit einer explosiven Besatzung, die aus dem Flottenkommando unbeliebten Militärs besteht, in dieser weitgehend vom Krieg unbehelligten Zone seit Jahren ohne Feindkontakt und ist froh über diesen Zustand. Bis Wilson Cole als Zweiter Offizier an Bord geht und mit ihm die Probleme kommen: Plötzlich entdeckt man feindliche Aktivitäten in der Gegend, wird ihrer dank Coles intelligenten Einsatzes Herr, wird in einen ebenso abgeschiedenen Sternhaufen versetzt und dort erneut mit dem Feind konfrontiert, wobei der Captain sein Leben verliert und der paragrafentreuen Ersten Offizierin seinen Platz überlässt, die Coles erneuten erfolgreichen Einsatz als Fehlverhalten meldet und so eine neuerliche Versetzung des Schiffes bewirkt.

Cole, der eine eigene Auffassung von militärischem Gehorsam hat und stets so handelt, wie es ihm der Republik dienlich scheint, findet immer einen Weg, die Zurückhaltung seiner Captains zu umgehen und sich aktiv am Krieg zu beteiligen. So hindert er seine neue Captain am Völkermord und bekommt dafür lebenslänglich …

Wilson Cole ist ein Held und wird auch von der ersten Seite an als solcher eingeführt. Die Leute starren vor Lobhudelei und sind fassungslos, dass es einen Held der Republik – immerhin ist er der höchstdekorierte Offizier der Flotte – in dieses abgetakelte alte Schiff und die abgelegenste Gegend der Galaxis verschlagen hat. Und damit wird ein wichtiger Konfliktpunkt von Anfang an hervorgehoben: Die Heldenverehrung durch die Massen führt dazu, dass das Militär nicht anders kann, als diesen Mann zu ehren, obwohl es ihn lieber loswäre, da er ein unformbarer Charakter ist. Hinter den Kulissen versuchen sie ihren Helden kalt zu stellen, doch Cole schafft es an jedem Ort, wichtige Dienste für die Republik zu leisten – ob mit oder gegen den Willen seiner Vorgesetzten – und sich wieder ins Rampenlicht zu stellen, um die Bevölkerung hinter sich zu haben.

Resnick beschreibt seinen Helden deutlich als Teil der Gripsfraktion, Cole sieht sich weder als besonders draufgängerisch, noch wird er als überdurchschnittlich in irgend einem körperlichen Attribut geschildert. Trotzdem hat er ein großes Talent, Konfrontationen zu meistern und aus Krisensituationen gestärkt hervorzugehen. Er spannt jeden in seinem Umfeld für seine Zwecke ein und manipuliert selbst die scheinbar völlig regelkonforme und logisch denkende Frau aus dem Volk der Polonoi, die seine Vorgesetzte ist und eigentlich schon grundsätzlich völlig konträr zu Coles Ansichten steht.

Man könnte Cole als einen typischen Überhelden und Moralapostel sehen, wenn nicht auf spannende Art und Weise seine Ecken und Kanten ausgearbeitet würden. Sein Zweckegoismus, der im Endeffekt nur dem Erreichen von Militärzielen oder – später – der Ziele seiner Crew gilt, lässt ihn oft arrogant erscheinen, und auch seine verbalen Spielereien und diesbezüglichen perfekten Fähigkeiten schlagen in diese Kerbe. Seine hohen moralischen Ansprüche werden im Laufe des Buches immer deutlicher, bis er schließlich, um dem Titel des Buches gerecht zu werden, meutert, um einer kompletten Planetenbevölkerung das Leben zu retten. Und das wird schließlich zum Auslöser seiner Verknackung auf Lebenszeit sowie für sein Überdenken der Loyalität der Republik gegenüber. Mit diesem Charakter hat Resnick auf jeden Fall eine großartige Führerpersönlichkeit mit Legendenpotenzial geschaffen.

Relativ unkreativ sind allerdings Coles Mitstreiter: Die Sicherheitschefin, mit der er schläft und die ihn (auch vorher schon) völlig loyal unterstützt; die junge Offiziersanwärterin, die total verknallt ist; die junge, fähige Brückenoffizierin und der Waffensergeant, dem Cole die Vollmacht für körperliche Züchtigung bei Drogenmissbrauch erteilt. Allerdings sind dann noch einige außerirdische Attribute, die Resnick interessant schildert und einführt und damit noch einen Gegenpart zur menschlichen Übermacht konstruiert. Ihm fällt diese Übermacht dann auch leicht negativ auf, denn er lässt Cole einen frei gewordenen leitenden Posten extra mit einem Außerirdischen besetzen.

Insgesamt ein schneller Roman, den man ungern aus der Hand legt und der unbedingt nach mehr verlangt, denn sowohl die wunderbar unterhaltend geschriebene Geschichte als auch das Universum hinterlassen einen rundum positiven Eindruck.

Broschiert: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-23326-7
Originaltitel: Starship: Mutiny
Übersetzt von Thomas Schichtel

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Lynn Flewelling – Der verwunschene Zwilling (Tamír Triad 1)

Tobin ist von königlicher Abstammung. Aber obwohl er einerseits behütet aufgewachsen ist, fernab vom Königshof und seinen Intrigen, hat er keine leichte Kindheit gehabt. Seine Mutter ist seit seiner Geburt geistig verwirrt, und sein Vater liebt ihn zwar innig, ist aber selten Zuhause, da der König häufig seine Anwesenheit bei Hofe fordert und das Nachbarland Plenimar immer wieder Plünderer nach Skala schickt. Und außerdem ist da auch noch der Geist von Tobins totem Zwilling …

Doch dann verliert Tobin seinen Vater. Der König lässt Tobin an den Hof holen, und schon bald wünscht sich der Junge, es wäre alles wieder wie früher. Dabei sind die boshaften Intrigen unter den Gefährten des Kronprinzen noch sein geringstes Problem, wovon Tobin allerdings noch gar nichts weiß.

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Victor Gischler – Die Go-Go-Girls der Apokalypse

Was wäre, wenn man sich für ein paar Jahre in die Wildnis zurückzieht und bei seiner Wiederkehr feststellen muss, dass die Welt untergegangen ist? Keine für uns noch alltägliche Technik, keine immer verfügbaren Informationen, das Gesetz ohne Bedeutung – eine Art „Wilder Westen“, in den es Mortimer Tate, den Protagonisten des vorliegenden Buches, verschlägt, nachdem er in der Einsiedelei den Weltuntergang verpasst hat …

Neun Jahre sind vergangen, seit Mortimer seine Frau hat sitzenlassen und sich in die Berge zurückzog, um erstens vor den Problemen einer Scheidung und zweitens vor dem bevorstehenden Armageddon zu fliehen. Jetzt macht er sich auf, seine Frau zu finden und zu sehen, ob es ihr gut geht, denn so viel Verantwortungsgefühl stellt sich doch plötzlich bei ihm ein. Dabei machen ihn seine gehorteten Vorräte an Whiskey zu einem der reichen Männer der neuen Weltordnung, in der die einzige Währung in den so genannten „Joey Armageddon’s Go-Go-Club“s etwas zu zählen scheint.

Mortimer findet sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gut in der Gegenwart zurecht und wird alsbald in einen Konflikt zwischen den beiden die Gegend beherrschenden Geschäftsmännern verwickelt: Joey, der mit seinen Clubs eine neue Art von Zivilisation aufzubauen hofft und nebenbei einen lukrativen neuen Markt erschließt, und Franky, der mit seinen billigen Alkoholverschnitten den Markt überschwemmt und beherrscht, denn der Bedarf ist in dieser Zeit höher denn je.

Und obwohl Mortimer sich keine Rückkehr in eine Ehe mit seiner (bald als Exfrau bezeichneten) Frau vorstellen kann und unterwegs auch nichts anbrennen lässt, ist sein Antrieb vor allem der Wunsch, sie zu finden. An zweiter Stelle steht Kaffee, ein Luxusgut, für das Mortimer beinahe alles tut …

Zwischen Whiskey und Kaffee – sieht so die Währung der Zukunft aus? Nach Kriegsberichten gehören dazu noch Zigaretten, Konserven und Streichhölzer. Und bei Mad Max, der in diesem Buch mehrfach zitiert wird, ist natürlich das Benzin das teuerste Gut. Gischler schiebt noch eine Veränderung in den Vordergrund, die manchmal auch als radikaler Rückschritt erscheint: Frauen. Sie dienen in dieser postapokalyptischen Welt vor allem der Erbauung und Befriedigung von Männern – und sehen es auch noch als höchste Ehre an, in einem der Go-Go-Clubs zu arbeiten. Diese Arbeit umfasst neben der üblichen Tanzerei auch die leichtbekleidete Bedienung bei Tische, über Streicheleinheiten und Flirts bis hin zur horizontalen Vergesellschaftung mit ihrer Kundschaft. Im Mann dieser Zukunft erwacht das Tier zu schamloser Offenheit, Sex ist anerkanntes Zahlungsmittel und Kapital der Frauen, Monogamie praktisch ausgestorben. Eine optimale Situation also für Mortimer, der neun lange Jahre mutterseelenallein in einer Höhle hauste …

Mortimer, der selbst ein etwas blasser, weil jeder Situation gewachsen erscheinender und seltsam innenlebenloser Charakter ist, trifft auf seiner Konfrontation mit der bewohnten Welt auf einige schräge Typen; zumindest versucht Gischler eine abgefahrene, schräge Atmosphäre zu schaffen. Dabei wirken auch die anderen Agonisten der Geschichte entweder überzeichnet oder einseitig blass, so dass sich keine erzählerische Dichte einstellt.

Trotzdem sind einige Ideen durchaus interessant: Der Muskelexpress, eine von drogenabhängigen Muskelprotzen angetriebene Draisine als Gütertransport, wird von einer harten, einäugigen Piratin der Schienen kommandiert, und Gischler versucht tatsächlich eine Anlehnung an die Seefahrt früherer Zeiten, wenn er die Reise Mortimers mit diesem Gefährt beschreibt. Die Legende um den roten Zaren, der drei Meter groß sein und Zähne wie ein Haifisch haben soll, das ausgestorbene Atlanta, in dem der Zar vom CNN-Center aus regiert, die vom knappen Benzin angetriebene Heeresmacht der Minicooper mit Fahrer und MP-Schütze als Besatzung, das von einer rasenmäherähnlichen Finne angetriebene Luftschiff und schließlich der Möchtegern-Cowboy Buffalo Bill, der in der freien Welt der starken Männer irgendwie seinen Platz als Helfer der Schwachen zu suchen vorgibt – all das sind Details, die normalerweise für ein bizarres Charisma hätten sorgen müssen.

Insgesamt schafft es der Roman nur, flüssig und teilweise interessant, aber ziemlich trashig zu unterhalten. Das Attribut des „definitiven Endzeitromans“ wird ihm leider ungerechtfertigt verpasst. Was den Autor schließlich zu dieser Titelvergabe bewogen hat, mag höchstens noch die alte Weisheit „Sex sells“ gewesen sein, denn obwohl es im Roman von allerlei nackter Haut wimmelt, spielen die Go-Go-Girls eher keine Rolle. In Erinnerung bleiben einige wenige interessante Ideen und der Eindruck von erzählerischer Fläche ohne große Höhen und Senken, und so eignet sich der Roman zwar zur mühelosen Einschlaflektüre, doch nicht zum Abtauchen in fantastische Welten oder auch nur zu guter Unterhaltung.

Broschiert: 390 Seiten
ISBN-13: 978-3492291941
Originaltitel: Go-Go Girls of the Apocalypse
Deutsch von Andreas Brandhorst

Der Autor vergibt: (2/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Adrian, Lara – Gesandte des Zwielichts (Midnight Breed 6)

Die |Midnight Breed|-Reihe:

Band 1: [Geliebte der Nacht 4775
Band 2: [Gefangene des Blutes 4781
Band 3: [Geschöpf der Finsternis 4902
Band 4: [Gebieterin der Dunkelheit 5298
Band 5: [Gefährtin der Schatten 5998
Band 6: Gesandte des Zwielichts

Nachdem Andreas Reichens Dunkler Hafen zerstört wurde, bricht seine Wut in Form seiner pyrokinetischen Gabe vollkommen aus ihm heraus. Er will Rache an dem Vampir nehmen, der ihm nicht nur seine Familie und sein Heim genommen hat, sondern auch vor vielen Jahren seine Geliebte Claire: Wilhelm Roth.

Nach und nach zerstört er alles und jeden, der in diese Sache verwickelt ist, und seinen Erzfeind will er sich bis zum Schluss aufheben. Doch als er vor dem Zusammentreffen mit Roth auf Claire trifft, reißen alte Wunden wieder auf und beide erinnern sich wieder an die Leidenschaft, die sie früher einmal miteinander verband. Aber Claire ist Roth‘ Stammesgefährtin und somit durch ihre Blutsverbindung an ihn gebunden, was bedeutet, dass Reichen seine Claire niemals wieder für sich haben kann, sollte er Roth nicht töten. Ein Grund mehr, um sich seinem verhassten Gegenspieler zu stellen, der zudem auch noch mit Dragos, dem Feind des Ordens, unter einer Decke steckt. Allerdings kann Reichen seine Pyrokinese nicht mehr unter Kontrolle halten, weshalb ein Aufeinandertreffen mit Roth für ihn den Tod bedeuten könnte …

_Eindrücke:_

Die „Midnight Breed“-Reihe von Lara Adrian hat im Laufe ihrer bisher sechs Bände eindeutig einen Wandel durchgemacht. Während es in den ersten zwei oder drei Bänden keine wirkliche Hintergrundstory gab und sich der komplette Inhalt ausschließlich auf die Liebesgeschichte zwischen Vampir A und Stammesgefährtin B fixierte, begann Lara Adrian schon im vierten Band damit, eine richtige Hintergrundstory für ihre Reihe zu entwickeln, die mit jedem weiteren Band immer mehr Gestalt annimmt. Diese Geschichte, die sich nun durch die letzten drei Bände gezogen hat, stellt sich nun immer mehr in den Vordergrund der Bücher, was aber nicht bedeutet, dass die Liebesgeschichte dafür in den Hintergrund gedrängt würde. Mittlerweile sind sowohl die Hintergrundstory als auch der Anteil der Liebesgeschichte gleichwertig vorhanden, sodass Letztere zwar nicht mehr dominiert, jedoch noch zur Genüge präsent ist.

Im Vergleich zu den vorhergehenden Büchern sind die Erzählung und die Situation in „Gesandte des Zwielichts“ ein bisschen anders gelagert. Die Geschichte verläuft diesmal nicht nach Schema F, wie es zuvor oft der Fall war. Diesmal ist der Vampir, um den sich die Geschichte dreht, kein Ordenskrieger, sondern lediglich ein Freund des Ordens. Auch die Ausgangssituation der Stammesgefährtin, der späteren Partnerin von Andreas Reichen, ist anders. Statt dass sich die beiden erst während des Buches kennen lernen, sind sie einander im Fall von „Gesandte des Zwielichts“ schon lange bekannt und waren auch schon einmal zusammen, bis ein furchtbarer Schicksalsschlag die beiden auseinandergebracht und Claire statt Andreas den Vampir Wilhelm Roth als ihren Stammesgefährten auserwählt hat – womit wir schon beim nächsten Punkt wären: Während den Liebenden in den fünf Bänden zuvor eigentlich nichts im Wege stand, die Blutsverbindung miteinander einzugehen, tut sich dieses Problem bei Andreas Reichen und Claire nun wirklich auf. Aufgrund der Blutsverbindung zwischen Roth und Claire ist es für sie und Andreas nicht möglich, zusammen zu sein. Diese Blutsverbindung zu trennen, wird unter den Vampiren streng verachtet und ist eigentlich nur zu lösen, wenn einer der beiden dabei sein Leben lässt.

Hinzu kommt noch die tödliche Gefahr, in der sich Andreas Reichen befindet. Seine Gabe der Pyrokinese wird mit jedem Mal, wenn er sie entfesselt, noch stärker und unberechenbarer. Mit jeder Entfesselung verliert er sich beinahe selbst, und je schlimmer es wird, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es ihn das nächste Mal das Leben kostet. Zudem entzieht ihm seine Gabe immer wieder Kraft, sodass er danach einen starken, beinahe unstillbaren Blutdurst erfährt. So kommt mal wieder ein bisschen Schwung in die „Midnight Breed“-Reihe und steigert die Spannung, an der es in „Gesandte des Zwielichts“ ganz sicher nicht mangelt.

Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass nun der gesamte Orden wieder mit einbezogen wird. In den früheren Bänden wurden die einzelnen Ordensmitglieder und ihre Gefährtinnen einfach abgehandelt und nach dem Band, der ihrer Geschichte gewidmet wurde, sind sie nie wieder wirklich auf der Bildfläche erschienen. Einige Anzeichen dafür, dass der gesamte Orden nun wieder eine Rolle spielt, sind mir schon in „Gefährtin der Schatten“ aufgefallen, doch nun ist es eindeutig so, dass nicht mehr nur ein Vampir und seine Stammesgefährtin in einem Band vorkommen und sonst niemand, sondern wieder alle Ordensmitstreiter, inklusive gemeinsamen Beratungen, Rettungsaktionen und dergleichen mehr. Wer also die Protagonisten aus den vorherigen Büchern in den darauf folgenden Bänden immer vermisst hat, der kann sich in „Gesandte des Zwielichts“ auf ein Wiedersehen mit den alten Bekannten freuen.

Doch obwohl sich viele Aspekte in der „Midnight Breed“-Reihe nun verbessert haben, bleiben auch noch ein paar unschöne Mängel übrig. Einer davon betrifft zum Beispiel die Erotikszenen. Zwar ist die Liebesgeschichte an sich nicht mehr so übertrieben kitschig und leidenschaftlich dargestellt, dafür sind aber immer noch die erotischen Szenen ein bisschen übertrieben. Allerdings hielt sich dies gefühlt in „Gesandte des Zwielichts“ mittlerweile wieder in Grenzen – vor allem, da es nicht mehr ganz so viele Erotikszenen gibt wie sonst.

Der Punkt, der mich in „Gesandte des Zwielichts“ allerdings nach wie vor auf gleiche Weise entnervt hat wie bei den anderen Bänden, waren zwei Stolpersteine des Schreibstils. Die ständigen Flüche („Verdammt noch mal …“, „Himmel …“, „Hölle noch mal …“) stören einfach nach wie vor, weil sie übertrieben oft eingesetzt werden. Auch die Beschreibungen der Sexszenen könnten an der ein oder anderen Stelle ein bisschen geschmeidiger sein.

_Fazit:_

Alles in allem hat sich die „Midnight Breed“-Reihe durch „Gesandte des Zwielichts“ doch wesentlich verbessert, auch wenn noch einige Mängel vorhanden sind, die sich eben weiterhin durch alle Bände ziehen. Es gibt nun eine Hintergrundstory, man trifft auf alte Bekannte und die Liebesgeschichte löst sich auch ein bisschen von dem typischen Schema.

_Die Autorin:_

Zusammen mit ihrem Mann lebt Lara Adrian (bürgerlich Tina St. John, geboren 1966) an der Küste Neuenglands, die von uralten Friedhöfen und dem Atlantik umgeben ist. Schon in ihrer Kindheit entwickelte sie ein Faible für Vampirromane und verschlang Bücher von Bram Storker und Anne Rice. „Geliebte der Nacht“, der erste Teil ihrer „Midnight Breed“-Serie, war ihr erster Vampirroman.

|Originaltitel: Ashes of Midnight
Ins Deutsche übetragen von Katrin Kremmler und Barbara Häusler
378 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8186-1|
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Tanya Huff – Blutschuld (Blood Ties 5)

Blood Ties:

„Blutzoll“
„Blutspur“
„Blutlinien“
„Blutpakt“

Tanya Huff beendete den vierten Teil ihrer Serie um die Privatermittlerin Vicki Nelson mit einem ziemlichen Paukenschlag: Von einer wahnsinnigen Wissenschaftlerin blutig geschlagen, lag sie im Sterben. Um ihr Leben zu retten, machte sie Henry – seines Zeichens Vampir – unsterblich. Natürlich verändert so ein extremer Schritt die Beziehungen aller handelnden Figuren zueinander und so braucht der Leser erstmal ein Weilchen, um sich in den veränderten Bedingungen zu arrangieren, die Tanya Huff im letzten Band der Serie, „Blutschuld“, vorstellt.

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Zietsch, Uschi – Nauraka

Die Nauraka gehören zu den ältesten Völkern der Welt und ihre Macht und Weisheit sind legendär. Tatsächlich jedoch besitzt das Volk der Nauraka seit Langem nur noch einen Schatten seiner einstigen Größe, und wenn man dem alten Turéor glauben kann, dann liegt es daran, dass die Nauraka „das Letzte, was bleibt“ verloren haben. Nur nimmt den Alten niemand ernst.

Erenwin, Turéors Neffe und Prinz der Nauraka, träumt davon, die Welt zu entdecken, nicht nur seine eigene, sondern auch die jenseits der Weiten der See. Am liebsten wäre es ihm, wenn seine geliebte Schwester ihn auf dieser Reise beleiten würde, doch Lurdèa hat andere Pläne. Und so kommt es, dass Erenwins Reise, als sie endlich losgeht, ganz anders verläuft als erhofft, und daran ist nicht nur die seltsame Perle schuld, die er vor Kurzem am Meeresgrund gefunden hat …

Tatsächlich ist Erenwin ein naiver Träumer, der sich die Welt jenseits der Mauern seines heimatlichen Palastes wie einen einzigen großen Abenteuerspielplatz vorzustellen scheint. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass er sich an dem Ort, an dem er lebt, nicht wirklich zu Hause fühlt. Seine Mutter ist eine Hüterin der Gefilde, große Nähe zu ihr war ihren Kinder nie möglich. Und Erenwins Vater ist das ganze Gegenteil seines wissbegierigen und mitfühlenden Sohnes …

Fürst Ragdur ist ein überaus strenger Herrscher. Sein Ziel ist es, die Nauraka zu alter Größe zurück zu führen, und er sucht dieses Ziel auf politischem Wege zu erreichen. Ein Sohn wie Erenwin ist dafür in keiner Weise geeignet, dementsprechend geringschätzig behandelt er Erenwin. Gleichzeitig beschwert er sich über den zu großen Einfluss, den Turéor auf den Jungen hat, und über die Flausen, die der Alte seinem Sohn in den Kopf setzt.

Dabei ist Turéor ein überaus weiser Mann. Leider klingt er des Öfteren etwas wirr und zusammenhanglos. Das liegt aber nicht daran, dass er nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte, wie alle glauben, sondern daran, dass er sich an Dinge erinnert, an die sich sonst niemand mehr erinnern kann. Seine Worte sind eine ständige Mahnung, ein Versuch, die Erinnerung wach zu halten. Doch außer Erenwin hört ihm niemand zu.

Die Einzige, die Erenwin wirklich nahe steht, ist seine Schwester Lurdèa. Doch das junge Mädchen ist bei Weitem nicht so neugierig auf die Welt wie ihr Bruder. Vor allem will sie ihren hohen Status nicht aufgeben, statt dessen hofft sie auf eine vorteilhafte Verbindung mit einem gut aussehenden und zuvorkommenden Adligen. Das magische Wort in Lurdèas Träumen heißt Romantik. Obwohl wesentlich pragmatischer veranlagt als Erenwin, ist sie dennoch auf ihre Weise ebenso naiv wie er. Erst die Unbill, die ihr im Laufe der Ereignisse widerfährt, bringt ihre innere Stärke zum Vorschein.

Der Gegenspieler schließlich wird überall nur Der Alte Feind genannt und bleibt fast das gesamte Buch über nur eine gesichtslose, schemenhafte Wesenheit, die nahezu ausschließlich in Turéors Erzählungen auftaucht. Erst kurz vor dem Showdown erhält sie durch eine Rückblende ein eigenes Gesicht.

Insgesamt fand ich die Charakterzeichnung ganz in Ordnung. Ragdur ist durch seine Unbarmherzigkeit und die rücksichtslose Art, mit der er seine politischen Ziele über alles andere stellt, beileibe kein Gutmensch, aber auch kein echter Bösewicht. Lurdèa gleitet leider zum Ende hin ein wenig ins Klischee der starken, nicht zu brechenden Heldin ab, und auch ihr Ehemann Janwe kann sich dem Klischee nicht ganz entziehen, dennoch bleiben beide glaubwürdig. Der Alte Feind besticht vor allem durch seine kunstvolle Tarnung, der Charakter selbst dagegen erschien mir dann fast etwas blutleer, was ich schade finde. Am besten gefiel mir die Darstellung Turéors, der einerseits so weltfremd erscheint und andererseits so scharfsichtig und klardenkend ist wie sonst kaum einer in diesem Buch.

Die Handlung basiert zunächst auf zwei Schwerpunkten:

Zum Einen ist da der fremde Nauraka Janwe, der um Lurdèa wirbt. Erenwin traut ihm nicht, doch er kann nicht sagen, woran das liegt. Lurdèa will seine Warnung nicht wirklich hören, und letztlich hat sie ohnehin keine Wahl. In seiner Sorge um die Schwester schwört Erenwin, ihr in ihr neues Heim zu folgen, um sie zu beschützen.

Zum Anderen befindet Erenwin sich selbst in einer prekären Situation, er weiß es nur noch nicht. Sein Fundstück, die schwarze Perle vom Meeresgrund, fasziniert ihn über die Maßen, so sehr, dass er sie vor allen anderen geheim hält, selbst seiner geliebten Schwester, und selbst Turéor, der ihm besorgte Fragen stellt. Und Turéor sorgt sich nicht zu unrecht …

Im Laufe der Geschichte zeigt sich dann, dass beides miteinander zusammenhängt: die Perle und Lurdèas Hochzeit.

Der Perle kommt dabei letztlich das größere Gewicht zu. Sie verändert Erenwin, sowohl sein Äußeres als auch sein Denken und Fühlen. Außerdem scheint sie Besitz von ihm zu ergreifen, denn obwohl Erenwin die alarmierenden Veränderungen nicht entgehen, weigert er sich, Turéors Fragen zu beantworten. Bis es zu spät ist.

Auch sonst ist die Perle ein merkwürdiges Artefakt. Erenwin behauptet, sie lenke ihn. Das klingt nach einem bestimmten Ziel, das die Perle verfolgt. Doch welches? Immerhin vergehen fast zwanzig Jahre, bis Erenwin an den entscheidenden Ort gelangt, und es ist ja nicht so, als hätte die Perle ihn nicht gleich zu Anfang schon dorthin lotsen können. Und wieso verwandelt sie Erenwin allmählich in ein Ungeheuer? Diese Frage wird von der Autorin mit der Herkunft der Perle beantwortet. Ich finde diese Antwort allerdings nicht wirklich zufriedenstellend, denn am Ende taucht auch ein „Verwandter“ der Perle auf, und der wirkt überhaupt nicht wie ein Ungeheuer.

Das alles verwirrte mich ein wenig, und dieser Eindruck wurde noch verstärkt von den vagen Andeutungen Turéors. Schon bald ist klar, dass alle geschilderten Vorkommnisse irgendwie mit der Vergangenheit zu tun haben, teilweise wird ausdrücklich darauf hingewiesen. Und doch bleibt diese Vergangenheit nebulös und unklar, erst beim Rückblick des Alten Feindes wird die Sache etwas klarer.

Der Handlungsverlauf selbst ist ausgesprochen abwechslungsreich gestaltet. Hier hat sich die Autorin eine Menge einfallen lassen, ohne in Weitschweifigkeit zu verfallen. Alles fängt ganz harmlos an, doch eines ergibt das andere, und das völlig natürlich und ungezwungen. Allein die beiden Begegnungen auf dem Markt – zum Einen mit der Nices, zum Anderen mit dem gebranntmarkten Jungen – wirken etwas gekünstelt. Hier hat die Autorin ihrem Protagonisten zwei wichtige, aber voneinander völlig unabhängige Informationen nahezu gleichzeitig zugespielt, das ist dann doch ein wenig zu viel des Guten.

Die ruhigeren Passagen werden immer wieder aufgelockert von turbulenteren Szenen wie der Jagd auf den Schlängelaal oder dem Piratenüberfall. Und im Großen und Ganzen ist die Geschichte frei von logischen Brüchen, obwohl ich mich doch fragte, wie der Alte Feind es riskieren konnte, die für ihn doch offensichtlich so wichtige Lurdèa einfach in Nuramar allein zu lassen. Nur durch puren Zufall ist sie ihm dort nicht abhanden gekommen.

Einen nicht zu verachtenden Anteil an der interessanten Gestaltung der Geschichte kommt dem Hintergrund zu. Das meiste spielt sich unter Wasser ab, und diese Unterwasserwelt hat Uschi Zietsch ebenfalls ohne Detailverliebtheit, aber doch malerisch in Szene gesetzt.

Und doch konnte mich das Buch trotz all dieser positiven Aspekte nicht wirklich fesseln. Es ist nett und interessant zu lesen, sicher, aber mitgerissen hat es mich nicht. Die Jagd-, Flucht- und Kampfszenen brachten zwar etwas Leben in die Handlung, aber keine wirkliche Spannung. Der Showdown war sogar regelrecht unspektakulär, wenn auch nicht ganz ohne Überraschung. Die interessanteste Figur, Turéor, ist nicht bis zum Ende mit von der Partie, und der Alte Feind, der sich so geschickt verborgen hatte, enttäuschte letztlich durch seinen Mangel an Intensität. Jemandem, der aus Rache ein ganzes Volk ausrotten will, sollte man diesen Rachedurst auch anmerken. Und auch die Sache mit der Perle ergibt keinen zusammenhängenden Faden innerhalb der Geschichte, zu undurchsichtig und unzusammenhängend erscheint ihre Einflussnahme auf Erenwin bis hin zum endgültigen Schluss.

Dass ich die |Waldsee|-Chroniken, in deren Welt „Nauraka“ ebenfalls spielt, nicht gelesen habe, erwies sich dagegen nicht als gravierendes Manko, auch wenn eventuell darin enthaltenen Details über den ersten Krieg mit dem Alten Feind hilfreich gewesen wären.

Uschi Zietsch wollte schon Schriftstellerin werden, als sie noch gar nicht schreiben konnte. Ihr Debutroman „Sternwolke und Eiszauber“ erschien 1986 bei Heyne. Sie wirkte jahrelang an der |Perry-Rhodan|-Reihe mit, schrieb eine Kinderbuchserie über Tierkinder und ihr Erwachsenwerden, sowie drei |Spellforce|-Bände und natürlich die [|Chroniken von Waldsee| 5402 . Außerdem ist sie am Zyklus |Elfenzeit| beteiligt, sie schreibt Kurzgeschichten und TV-Romane für Fernsehserien und arbeitet als Herausgeberin, Lektorin und Verlegerin.

|Broschiert: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3404285341|

http://www.uschizietsch.de/index.htm

Huff, Tanya – Blutpakt (Blood Ties 4)

_Blood Ties_
[„Blutzoll“ 5714
[„Blutspur“ 5715
[„Blutlinien“ 6050

„Blutpakt“ ist bereits der vierte Roman um die Privatdetektivin Vicki Nelson, ihren vampirischen Sidekick Henry Fitzroy und ihren Kumpel aus Polizeitagen, Mike Celluci. Eigentlich war sie selbst einmal Polizistin gewesen – eine ziemlich erfolgreiche sogar, was ihr den Spitznamen Victory eingebracht hat. Doch dann zwang sie eine fortschreitende Augenkrankheit, den Dienst zu quittieren. Als selbstständige Privatdetektivin befasste sie sich zunächst mit den üblichen treulosen Ehemännern, bevor sie per Zufall auf Henry Fitzroy stieß. Das Übernatürliche hat sie seitdem nicht mehr losgelassen, weder privat noch beruflich.

Im vierten Teil der Blut-Reihe geht es – im Gegensatz zu den vorangegangenen Romanen – sehr schnell sehr ernst zu. Vickis Mutter, die der Leser bisher immer nur als nervtötende Stimme am anderen Ende des Telefons kannte, stirbt unerwartet. Zumindest für Vicki, denn was diese nicht wusste ist, dass ihre Mutter schon seit einer Weile an einer Herzkrankheit litt. Sie wohnte in Kingston, also macht sich Vicki sofort auf, um die Beerdigung zu organisieren und die Sachen ihrer Mutter zu ordnen. Natürlich bekommen Mike und Henry schnell Wind davon, dass Vicki die Stadt verlassen hat und folgen ihr (jeder in seinem eigenen Wagen natürlich), um ihr in dieser schweren Stunde beizustehen.

Und eine schwere Stunde ist es wahrlich! Denn bei der Beerdigung stellt sich heraus, dass der Sarg ihrer Mutter leer ist. Stattdessen finden sich darin nur ein paar Sandsäcke. Der Bestatter ist untröstlich, Vicki ist wütend und die Polizei ist ratlos. Sie nimmt sich der Sache zwar an, doch wird bald klar, dass die Polizei kaum Kapazitäten hat, sich der Suche nach verschwundenen Leichen zu widmen.

So ist es an Vicki, Henry und Mike, herauszufinden, wie und warum die Leiche ihrer Mutter verschwunden ist. Vicki bietet die zunächst fruchtlose Suche eine willkommene Abwechslung, da sie sich mit handfester detektivischer Arbeit befassen kann anstatt sich mit dem Tod eines geliebten Menschen auseinandersetzen zu müssen. Mike und Henry dagegen machen sich zu recht Sorgen um den Gemütszustand der Freundin und erwarten praktisch täglich einen Nervenzusammenbruch. Umso mehr, als sich herauskristallisiert, was tatsächlich mit ihrer Mutter passiert ist. Denn eine kleine Gruppe ambitionierter Wissenschaftler forscht über Bakterienkulturen, die, in Leichen eingepflanzt, diese wieder „funktionieren“ lassen. Nur braucht man für solch eine Forschung natürlich „Freiwillige“ …

Der Showdown gestaltet sich demnach ungewohnt actionlastig – es wird, ganz klassisch, viel herum gerannt und kaputt gemacht. Und im letzten Moment wird auch noch Vicki von der durchgeknallten Wissenschaftlerin übel verletzt, mitten im brennenden Universitätsgebäude. Was also tun?

Es geht ungewohnt ernsthaft zu in „Blutpakt“. Sicher, die Reibungspunkte zwischen den Charakteren bestehen weiterhin: Mike und Henry buhlen immer noch um Vickis Gunst, während Vicki die taffe Frau spielt, die eigentlich niemanden braucht. Doch als dieser unerwartete Todesfall über das Trio herein bricht, rücken alle drei näher zusammen. Mike und Henry geben ihr Bestes, ihre Differenzen zumindest auf Eis zu legen, damit sie für ihre Freundin da sein können. Und im Verlauf der Handlung erwischt sich Mike mehr und mehr dabei, dass er anfängt, Henry nicht nur als Nebenbuhler zu sehen, sondern als anständigen Kerl, den er respektieren muss und kann. Diese Veränderungen in der Beziehung zwischen den beiden bleiben immer minimal und subtil. Nie wird Huff hier plakativ, nie lässt sie ihre Charaktere einen Schritt weitergehen als unbedingt nötig. Auch am Ende von „Blutpakt“ wird es keine Männerfreundschaft zwischen Mike und Henry geben. Sie werden sich nicht gemeinsam ein Baseballspiel ansehen und feststellen, dass sie sich eigentlich schon immer mochten. Aber sie nähern sich an, und diese Entwicklung zu verfolgen ist ein wahres Lesevergnügen.

Die wahre Hauptfigur ist jedoch natürlich weiterhin Vicki. Eigentlich hatte sie nicht wirklich ein enges Verhältnis zu ihrer Mutter. Meist war sie genervt von ihren Anrufen (die stets kamen, wenn sie unter der Dusche stand) und ihren Versuchen, Vicki ins Gewissen zu reden, was ihr Privatleben und ihre berufliche Zukunft angeht – wobei Ratschläge die eine Sache sind, mit der Vicki nun überhaupt nicht umgehen kann. Das Mutter-Tochter-Verhältnis war also angespannt, doch in dem Moment, als Majory Nelson so plötzlich stirbt, wird klar, dass es doch auf Liebe fußte. Vicki lässt alles stehen und liegen, um in ihre Vergangenheit einzutauchen. Plötzlich ist sie nicht mehr Victory Nelson, Ex-Polizistin und Privatschnüfflerin. Plötzlich ist sie nur noch Vicki, die Tochter. Ihre Unfähigkeit, sich wenigstens für einen Moment so weit gehen zu lassen, dass sie um ihre Mutter trauern kann, ist das zentrale Problem des Romans. Tanya Huff ist hier – neben dem Krimiplot, den wahnsinnigen Wissenschaftlern und den auferstandenen Leichen – ein treffendes und einfühlsames Porträt einer Frau gelungen, die zwar trauert, aber nicht weiß, wie sie mit solch einem Verlust umgehen soll.

Abschließend muss natürlich noch etwas zu Huffs augenzwinkerndem Humor gesagt werden. So ernst “Blutpakt” auch daherkommt, es führt konsequent Huffs Reise durch die bekanntesten Motive der Horrorliteratur fort. Im vierten Band sind wir nun tatsächlich beim Frankensteinschen Monster angelangt. Die Grabräuber sind moderner geworden, sie arbeiten mittlerweile mit Computern und setzen ihren Leichen kleine Motoren ein, um sie am Laufen zu halten. Doch de Idee bleibt dieselbe: Wie lässt sich der Tod überlisten? Wie lässt sich eine Leiche erwecken? Und hat diese Leiche dann Gefühle, Wünsche, Ängste? Ist sie dann immer noch ein Mensch?

„Blutpakt“ versucht, auf diese Fragen Antworten zu finden. Doch wer Huffs Wahl des Horrormotivs für diesen Roman urkomisch findet, der ist nicht allein. Mike Celluci beispielsweise formuliert es, in seiner typisch fatalistischen Haltung, folgendermaßen: „Werwölfe, Vampire, Mumien – ich hätte damit rechnen müssen!“

|Broschiert: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3802581939
Originaltitel: |Blood Pact|
Übersetzt von Dorothee Danzmann|

http://www.Egmont-Lyx.de
http://www.bloodtiestv.com

_Tanya Huff auf |Buchwurm.info|:_

[„Blutzoll“ 123 (frühere Ausgabe)
[„Blutlinien“ 407
[„Hotel Elysium“ 1481 (Die Chroniken der Hüter I)
[„Auf Teufel komm raus“ 1995 (Die Chroniken der Hüter II)
[„Hüte sich wer kann“ 2545 (Die Chroniken der Hüter III)

Palmatier, Joshua – Assassine, Die (Der Geisterthron 1)

Varis ist ein Straßenkind und eine Überlebenskünstlerin. Ihr Zuhause ist ein Loch in einer verfallenen Ruine irgendwo in den riesigen Slums diesseits des Flusses, sie lebt vom Diebstahl und von der Mildtätigkeit eines Bäckers. Bis sie eines Tages einem Assassinen der Regentin begegnet, der ihr anbietet, für ihn zu arbeiten. Varis zögert, doch dann sagt sie zu. Und schon bald verändert sich ihr Leben dramatisch …

Joshua Palmatier erzählt seine Geschichte in der Ich-Form, aus der Sicht von Varis.

Varis ist ein typischer Streuner, flink, scheu, misstrauisch und halb verhungert. Dennoch unterscheidet etwas sie ganz entscheidend von ihrem größten Konkurrenten, den sie auf Grund eines dunklen Flecks im Gesicht Blutmal nennt: Zwar hat auch sie mehr als nur ein Menschenleben ausgelöscht, allerdings macht ihr das Töten durchaus keinen Spaß.

Damit hat sich die Charakterzeichnung auch schon erschöpft. Zwar ist Varis sehr gut und eindringlich gezeichnet, alle anderen Figuren reichen jedoch kaum über Nachvollziehbarkeit hinaus. Varis kann keine Gedanken lesen und keiner der anderen Charaktere fasst seine Gedanken oder Gefühle jemals in Worte. Deshalb hat auch keiner von ihnen eine echte eigene Persönlichkeit, keine Vergangenheit, keine Zukunft. Motive oder Ambitionen werden – wenn überhaupt – lediglich in kurzen, belauschten Gesprächsfetzen vage angedeutet.

Ähnlich eingleisig wirkt zunächst auch die Handlung. Der Prolog erzählt von der ersten Phase der Ausführung eines Auftragsmordes. Und auch die Geschichte selbst fängt gleich als erstes mit einem Mord an. Da Varis‘ Auftraggeber ein Assassine ist, mangelt es auch im weiteren Verlauf nicht an Leichen. Aber das ist es nicht allein: So zurückhaltend der Autor in der Darstellung seiner Nebencharaktere war, so unverblümt ist er in der Darstellung des Tötens. Nicht, dass er es unnötig ausgedehnt hätte, aber er ist durchaus drastisch. Nach Palmatiers Beschreibung ist Töten ein schmutziges Geschäft, und so entspricht Palmatiers Assassine auch nicht dem derzeit modernen Bild dieses Berufszweigs: Keine übertriebenen Fähigkeiten, keine gefährliche, geheimnisvolle Ausstrahlung, keine magische Anziehungskraft. Nur eine blutige Spur, die sich durch die gesamte Geschichte zieht. Die Entdeckung eines Komplotts im zweiten Teil des Buches verleiht der Handlung schließlich ein wenig mehr Vielschichtigkeit, aber auch in diesem Zusammenhang kommt es zu Mord und Totschlag. Fast sieht es so aus, als bestünde das Buch lediglich aus einem einzigen großen Schlachtfest … wären da nicht Varis‘ besondere Fähigkeiten.

Die erste dieser Fähigkeiten ist gar nicht so besonders. Varis kann geistig auf eine andere Ebene abtauchen, in der sie die Welt auf ungewöhnliche Art wahrnimmt. Sie nennt diese Ebene den Fluss. Dort kann Varis an den Farben erkennen, welche Menschen harmlos sind und wer eine Gefahr für sie darstellt. Außerdem befähigt der Fluss sie, Leute extrem deutlich und scharf wahrzunehmen, wenn sie sich auf sie konzentriert. Und offenbar kann sie die Kraft des Flusses auch gegen andere lenken und damit auf sie einwirken. Aber da ist sie nicht die Einzige.
Was dagegen tatsächlich einzigartig zu sein scheint, ist das weiße Feuer, das in Varis schlummert und bei Gefahr erwacht. Was es damit genau auf sich hat, bleibt vorerst unklar.

Dieses weiße Feuer ist es, das letztlich die Geschichte ein Stück aus den Strömen von Blut heraushebt, durch die Varis watet. Das Rätsel darum, wo es herkommt, was es bewirkt und warum es überhaupt immer wieder kommt, lässt erahnen, dass es letztlich doch um mehr geht als nur Würgen und Stechen. Leider bleibt jener Aspekt zunächst so weit im Hintergrund, dass der Leser ihn glatt vergessen könnte, wäre ein Rest der rätselhaften Flammen nicht in Varis hängen geblieben. Erst beim Showdown wird das weiße Feuer plötzlich wieder wichtig.

Der Showdown rückt auch Varis‘ Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Fluss in ein neues Licht. Unübersehbar hat es damit weit mehr auf sich, als es bisher schien. Zusammen mit der Tatsache, dass der Hintermann des Komplotts bisher nicht bekannt ist, ergibt sich daraus ein faszinierender Ausblick auf den nächsten Band.

Mit anderen Worten: Es dauert eine ganze Weile, bis der Autor zur Sache kommt. Allerdings verhindern die sehr lebendige sprachliche Gestaltung und der Ortswechsel zwischen den beiden Teilen des Buches, dass der Leser das Interesse verliert, ehe er den Kern der Geschichte erreicht, obwohl es trotz der vielen Kämpfe erst zum Showdown hin wirklich spannend wird. Wer Action mag, sich nicht daran stört, dass ständig Blut fließt, und ein wenig Geduld aufbringt, dem könnte dieses Buch durchaus gefallen.

Es steckt aber durchaus noch Entwicklungspotential drin. Immerhin hat die überraschende Entwicklung am Ende des Buches eine viel versprechende Ausgangssituation für die Fortführung der Geschichte geschaffen. Da Varis nun keine Assassine mehr ist, hege ich die Hoffnung, dass das Blutvergießen in der Fortsetzung zu Gunsten einiger Intrigen und der Geheimnisse im Hinblick auf die Magie stark in den Hintergrund rücken wird. In dem Fall dürfte der zweite Band wesentlich vielschichtiger und auch interessanter ausfallen als der erste.

Joshua Palmatier ist eigentlich Dozent für Mathematik an der Universität von Oneonta im Staat New York, schreibt aber schon, seit er in der Schule eine fantastische Kurzgeschichte verfassen musste. „Die Assassine“ ist sein erster Roman und der Auftakt zur |Geisterthron|-Trilogie, die auf Englisch bereits komplett erschienen ist. Auf Deutsch erscheint der zweite Band im Januar 2010 unter dem Titel „Die Regentin“. Der Autor schreibt derweil am ersten Band seines nächsten Zyklus.

|Broschiert: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3785760130
Originaltitel: |The Skewed Throne

Friedman, Michael Jan – Star Trek – Next Generation: Tod im Winter

_Das geschieht:_

Nach dem Tod des Klon-Praetors Shinzon befindet sich das Romulanische Reich in Aufruhr. Lange geknechtete Kolonialwelten nutzen die Gunst der Stunde, um gegen die Zentralgewalt aufzubegehren. Tal’Aura, Shinzons Nachfolgerin, sitzt nicht fest im Sattel. Ihre Kritiker will sie durch besondere Regierungsstrenge in Schach halten. Sie hat deshalb ihre Agentin Sela auf den Eisplaneten Kevratas geschickt. Diese soll jene Rebellen, die sich dort ernsthaft zu organisieren beginnen, ausspionieren, damit sie später durch einen gezielten Angriff vernichtet werden können.

In der Umlaufbahn der Erde wird das Föderationsraumschiff „Enterprise“ gründlich überholt, nachdem es im Kampf gegen Shinzon fast zerstört wurde. Captain Jean-Luc Picard hat die meisten Mitglieder seiner bewährten Crew verloren. Nur Sicherheitschef Worf und Chefingenieur Geordi La Forge blieben an Bord. Selbst Dr. Beverly Crusher, Picards große und heimliche Liebe, mustert ab. Sie wurde von der Föderation auf eine humanitäre Geheimmission geschickt. Ausgerechnet auf dem Planeten Kevratas wütet seit vielen Jahren das „Blutfeuer“, eine tödliche Seuche. Die Romulaner interessiert die hohe Sterberate nicht, sodass die Kevrater die Föderation um Hilfe riefen – ein Affront gegen die Regierung, den die Romulaner nicht dulden.

Als Dr. Crusher auf Kevratas eintrifft, wird sie bereits erwartet. Kurze Zeit später gilt sie auf der Erde als verschollen und wahrscheinlich tot. Die Föderation beauftragt Picard, nach ihr zu suchen. An Bord eines Frachtraumschiffs reist er heimlich nach Kevratos. Begleitet wird Picard von Dr. Greyhorse, einem ehemaligen Kollegen Crushers, denn die Seuche soll weiterhin bekämpft werden. Die Romulaner benötigen wiederum nicht lange, um die Neuankömmlinge zu entdecken. Sie eröffnen die Jagd auf Picard und seine Gefährten, die aber deutlich schwieriger zu überrumpeln sind als Dr. Crusher …

_“Nemesis“ und die Folgen_

Der Beinahe-Zusammenbruch des Romulanischen Reiches wurde nicht nur für dessen ehrgeizigen Praetor Shinzon zur Nemesis. Auch das „Star-Trek“-Franchise stand nach dem gleichnamigen Film von 2002 vor dem Kollaps. Ein simpel gestricktes Drehbuch mit einer wenig originellen Handlung sollte durch einen Overkill an Action und Spezialeffekten kompensiert werden. Das widersprach zu allem Überfluss auch dem Geist der „Next Generation“-Serie, die in ihrem vierten Kino-Abenteuer von Spektakel zu Spektakel, von Charakterbruch zu Charakterbruch & von Logikfehler zu Logikfehler hastete.

Während das Franchise im Bereich Film sieben Jahren benötigte, um nach [„Star Trek – Nemesis“]http://www.powermetal.de/video/review-312.html neu Fuß zu fassen, lief das Geschäft mit den Romanen zur Serie (oder besser: zu den Serien) weiterhin gut. Da „tie-in“-Autoren nicht üppig entlohnt werden und die immensen Kosten eines Filmdrehs entfallen, barg der Plan, die „Next Generation“ zumindest im Buch wieder aufleben zu lassen, nur ein überschaubares finanzielles Risiko, aber viele Möglichkeiten.

Über die Planspiele in diesem Zusammenhang informiert Fun-Fiction-Autor und „Star Trek“-Experte Julian Wangler in einem der beiden Nachworte zur deutschen Ausgabe von „Death in Winter“. Mit diesem Roman begann 2005 der Relaunch, durch den die „NG“-Saga elf Jahre nach dem Ende der TV-Serie quasi eine achte Staffel erhielt; eine Prozedur, die das Franchise zuvor mit der Fortsetzung von „Star Trek – Deep Space Nine“ erfolgreich durchexerziert hatte.

_“And now for something completely different …“_

Im „Star-Trek“-Universum geschieht schon sehr lange nichts mehr ohne sorgfältige Vorplanung. Dass ein Franchise die Überraschung als Risikofaktor hasst, liegt in seiner Natur, die es als profitorientierte Geldmaschine definiert. Trotzdem konnte man nach „Nemesis“ und „Star Trek – Enterprise“ nicht einfach weitermachen wie bisher, da die Fans der alten, eher schlecht als recht über die Jahre gebrachten Muster offensichtlich müde waren.

Also wurde die „Next Generation“ einem behutsamen Lifting unterzogen. Was sich in „Nemesis“ ankündigte, wurde umgesetzt: Die klassische Crew der „Enterprise-E“ hat sich fast vollständig in alle Winde des Weltalls zerstreut. Captain Picard muss zentrale Führungspositionen neu besetzen. Er kämpft mit den Problemen, die ihm der Verlust seiner ‚Familie‘ bereitet. Data ist tot, Commander Riker mit Deanna Troi auf die „Titan“ gewechselt. Nur Worf und Geordie La Forge sind ihm geblieben; sogar Beverly Crusher ist verschwunden.

Die komplizierte, seltsame und weder in der TV-Serie noch in den Kinofilmen jemals geklärte Liebesgeschichte zwischen Picard und Crusher – von Julian Wangler in einem weiteren Nachwort rekonstruiert – ist einer der Fixpunkte von „Tod im Winter“. Zweites Standbein ist die Installation einer neuen ‚Familie‘, mit der Picard auf neue Weltraum-Reisen gehen wird, wobei die individuellen Eigenheiten der ‚Neuen‘ die „Star Trek“-typischen Menscheleien garantieren werden. Die Storyline wird in der „NG“-Gegenwart nach Shinzon verankert, denn selbstverständlich giert der Trekkie nach Neuigkeiten aus der Zukunft.

_“The same procedure as every year …“_

Die werden ihm freilich nur tröpfchenweise verabreicht. Der „NG“-Relaunch weist leider nur zu gut bekannte Mängel auf. Mit „Tod im Winter“ startet eine neue Serie. Dieser erste Band ist vor allem Einleitung. Ständig werden große Neuigkeiten – Revolution auf Romulus! Meuterei in der romulanischen Flotte! Die „Enterprise-E“ wird runderneuert! – angekündigt, die jedoch höchstens ansatzweise umgesetzt werden. „Tod im Winter“ bleibt eine 300-seitige Ouvertüre. Der Leser wird auf kommende Bände vertröstet und mit einem x-beliebigen Planetenabenteuer abgespeist.

Denn Beverly Crushers und Picards Odysseen auf dem Eisplaneten Kevratas bilden simple „Star Trek“-Routine, wie wir sie aus mehr als 170 TV-Episoden kennen. Es wird gefangen, geflüchtet, gerauft & in letzter Sekunde entkommen. Die Kevrater bleiben blass bis nichtssagend, ihr gar grausames Schicksal – Seuche & Romulaner-Knute – lässt kalt. Vor dem geistigen Auge des Lesers erstehen dazu die typischen „Star Trek“-Pappkulissen, die von den üblichen, in exotische Lumpen gekleideten und notdürftig maskierten Statisten bevölkert werden.

Auch die politischen Verwicklungen im Romulanischen Imperium drehen sich im Kreis. Tal’Aura, Sela & Co. benehmen sich so eindimensional brutal und gemein, wie es die Romulaner seit jeher zu tun pflegen. Die dabei zelebrierten S/M-Rituale wirken eher lächerlich als erschreckend. Schon immer projizierte „Star Trek“ leicht verfremdete irdische Moralvorstellungen und Glaubensfragen auf pseudo-exotische ‚Außerirdische‘. In „Tod im Winter“ sind es halt Romulanismen, die ermüdend breitgetreten werden, statt endlich so etwas wie eine Handlung in Gang zu bringen.

_Alte Besen kehren – aber nicht gut_

Wie sollte auch ein echter Neuanfang gelingen, wenn ausgerechnet ein Autor wie Michael Jan Friedman angeheuert wird? Friedman gehört zu den Veteranen des „Star Trek“-Franchises. Er schreibt seit zwei Jahrzehnten Romane zu allen bekannten Serien, außerdem Drehbücher und Scripte für „Star Trek“-Comics. Sein zweifellos profundes Hintergrundwissen ließ er darüber hinaus in diverse „Star Trek“-‚Sachbücher‘ einfließen. Kurz gesagt: Friedman weiß, wie das Franchise-Universum funktioniert.

Das macht ihn keineswegs zu einem besonders guten Schriftsteller. Aus Sicht des Franchises ist das sekundär. Wichtiger ist: Friedman wird schreiben, was weder die strengen Trekkies, denen jedes Detail der Gesamt-Saga geläufig ist, noch die ’normalen‘ Leser vor den Kopf stoßen wird. Zudem liefert er prompt und pünktlich. Originalität und Raffinesse gehören dagegen nicht zu seinem Repertoire. „Tod im Winter“ wimmelt von faulen Tricks, mit denen der Verfasser über die Runden kommen will.

So startet Friedman gleich mit zwei Prologen in die Handlung. Er täuscht damit eine Bedeutsamkeit vor, die sich bei kritischer Lektüre als nichtig erweist bzw. Seiten schinden soll. Super-Agent Manathas bleibt trotz des „San Francisco“-Prologs ein Stereotyp, Beverly Crushers Mission auf Kevratas würde bei ersatzloser Streichung des „Arvada III“-Prologs ebenso funktionieren. Die Gastauftritte von Worf, La Forge und Admiral Janeway sind sinnfreies „name dropping“; die alten Kämpen sollen wenigstens erwähnt werden, um nostalgische Alt-Leser zu locken.

Die Liebesgeschichte zwischen Picard und Crusher ist gleichzeitig steif und an Peinlichkeit schwer zu überbieten. Sie drückt aufs Tempo und erschöpft sich in Allgemeinplätzen. Übel ist das angeflanschte und dieser merkwürdigen Liebe gewidmete Finale, das eine entlarvende Mischung aus Klischee und Gleichgültigkeit darstellt.

_Wie kann & wird das weitergehen?_

Nein, „Tod im Winter“ ist alles andere als ein gelungener Start in eine neue „NG“-Ära. Stattdessen passt sich dieses Garn beunruhigend gut in die endlose Reihe der „Star Trek“-Routine-Romane ein, mit denen der |Heyne|-Verlag um 2000 Schiffbruch erlitt, weil sie niemand mehr lesen wollte. Ungeachtet dessen startet der |Cross Cult|-Verlag, bei dem das Franchise eine neue deutsche Heimat fand, eine regelrechte „Star Trek“-Offensive. Immer neue Reihen werden gestartet, kein Monat vergeht ohne die Veröffentlichung neuer Titel. Sollten diese immerhin schön gestalteten, sauber übersetzten und mit informativen Nachworten ergänzten Romane ihr inhaltliches Niveau nicht deutlich steigern, ist es keine Unkerei, das absehbare Ende auch der neuen „Star Trek“-Offensive anzukündigen.

_Der Autor_

Michael Jan Friedman ist einer jener „prose mechanics“, die für die „tie-in“-Produktion unentbehrlich sind, weil sie schnell und billig Lesefutter liefern können. Vor knapp einem Vierteljahrhundert als ‚richtiger‘ Schriftsteller gestartet, ließ sich Friedman schon Ende der 1980er Jahre für das „Star Trek“-Franchise rekrutieren. Seitdem schreibt er nicht nur für alle bekannten Serien, sondern auch für neue, nur in Buchform erscheinende „Star Trek“-Inkarnationen. Darüber hinaus scriptet Friedman „Star Trek“-Comics, verfasst Drehbücher, ‚Sachbücher‘ zum „ST“-Universum sowie alles, was das Franchise für verkäuflich hält.

Dadurch noch längst nicht ausgelastet, stellt Friedman seine flinke, glatte Feder auch anderen Franchises zur Verfügung. Er hat diverse „Marvel“-Helden und -Schurken von Comic- zu Romanfiguren umgearbeitet oder neue Abenteuer von „Lois & Clark“ erdacht. Die simplen, eingefahrenen, routiniert abgewandelten Handlungsmustern folgenden und durchaus lesbaren Romane sind für den raschen Verbrauch bestimmt, Masse ist wichtiger als Klasse. Damit ist Friedmans Werk übergreifend charakterisiert.

_Impressum_

Originaltitel: Death in Winter (New York : Pocket Books 2005)
Dt. Erstausgabe: September 2009 (Cross-Cult Verlag/Star Trek – The Next Generation 1)
Übersetzung: Stephanie Pannen
Cover: Martin Frei
306 Seiten
EUR 12,80
ISBN-13: 978-3-941248-61-8
http://www.cross-cult.de
http://www.startrekromane.de

_Mehr |Star Trek| auf |Buchwurm.info|:_

[„40 Jahre STAR TREK – Dies sind die Abenteuer …“ 3025
[„Jenseits von Star Trek“ 1643
[„Star Trek – Titan 1: Eine neue Ära“ 5483
[„Star Trek – Vanguard 1: Der Vorbote“ 4867
[„Star Trek Voyager: Endspiel“ 4441
[„Star Trek Deep Space Nine: Neuer Ärger mit den Tribbles“ 4171
[„Star Trek V – Am Rande des Universums“ 1169
[„Star Trek Voyager – Das offizielle Logbuch“ 826
[„Sternendämmerung“ 673
[„Sternennacht“ 688

Nassise, Joseph – Schattenseher, Der (Die Hunt-Chroniken 1)

_Kurzinfo_

|»Mein Name ist Hunt, Jeremiah Hunt. Seit meine kleine Tochter verschwunden ist, bin ich auf der Suche nach ihr. Die Polizei hat ihre Ermittlungen längst eingestellt. Aber ich werde niemals aufgeben. Und ich bin bereit, alles zu tun!«

Wer ihm auf der Straße begegnet, hält Jeremiah Hunt für einen Blinden. Doch dieser Eindruck trügt: Er hat bei einem geheimen Ritual zwar sein normales Augenlicht verloren, doch nun kann er sehen, was den Menschen verborgen bleibt: die Geister der Toten, die sich noch nicht von den Lebenden trennen können, die Hexen und magischen Geschöpfe, die unerkannt unter uns leben.

Endlich findet Hunt so auch eine Spur, die ihn vielleicht zu seiner Tochter führen wird – oder in den Tod …| (Verlagsinfo)

_Vorbemerkungen_

Das Wesentliche bleibt dem Auge oft verborgen: Wie oft verspürt man im Leben ein Gefühl von Kälte und Beklommenheit, ein Gefühl des Beobachtetwerdens, und vermag doch niemanden zu sehen? Besonders geeignet sind für solche Momente die stillen Plätze für solche unheimlichen Gefühle, der eigene Keller oder Dachboden, die Stille im Park oder im Wald oder die atmosphärisch dichte, unheimliche Aura eines Friedhofes.

Gibt es eine andere Dimension die wir mit unseren sechs Sinnen nicht wahrnehmen können und die praktisch neben uns existiert? Zählen Geister, Gespenster und andere Schattenwesen zu unseren Nachbarn und können uns direkt oder indirekt beeinflussen? Ist dort die Vorstufe zum Himmel oder zur Hölle? Gibt eine Möglichkeit für uns Sterbliche, diese Welt zu betreten oder wenigstens zu sehen? Die Gefahr besteht, dass uns ein Blick hinter diesen Vorhang mehr als nur den Schlaf rauben könnte …

Im |PAN|-Verlag ist das neueste Buch von Joseph Nassise erschienen: „Die Hunt-Chroniken – Der Schattenseher“. Der vorliegende Roman wird ist der vielversprechende Auftakt zu einer Buchreihe um den „Geisterseher“ Jeremiah Hunt.

_Inhalt_

Jeremiah Hunt ist fast blind, aber nicht von Geburt an mit diesem Handicap aufgewachsen: Bei einen alten Ritual hat er sein Augenlicht für die Gabe geopfert, Gespenster, Dämonen und die Geister der Verstorbenen sehen zu können. Manchmal ist dies für den ehemaligen Professor Fluch wie auch Segen.

Vor fünf Jahren verschwand seine Tochter Elizabeth spurlos aus dem Haus, und Hunt gibt sich selbst die Schuld daran, da er zwar daheim, aber in seine Arbeit vertieft war und seine Tochter nicht schützen konnte. Verzweifelt konzentriert sich Hunt darauf, seine Tochter zu finden; seine Ehe und sein Beruf bedeuten ihm nicht mehr viel, und er droht an seiner Schuld zu zerbrechen.

Hunts Hoffnungen, seine Tochter lebend zu finden, schwinden zusehends; er sucht Magier, Wahrsager und manch anderen obskuren Weg, bis ein geheimnisvoller Mann von einer neuen Möglichkeit spricht. Durch ein magisches Ritual verliert Hunt sein Augenlicht, doch erhält er im Gegenzug die Gabe, die Geister der Toten und andere Wesen zu sehen. Die alptraumhaften Wesen und Monster aus Märchen, Legenden und Filmen werden zur morbiden Realität und drohen ihm anfangs den Verstand zu rauben.

Hunt entwickelt seine Gabe weiter und wird zum inoffiziellen „Geisterjäger“ und Spezialisten für übernatürliche Phänomenen. Neben privaten Aufträgen, die er natürlich gegen Bezahlung annimmt, hilft er ebenso den örtlichen Polizeibehörden. Ihm zur Seite stehen die zwei Geister „Scream“ und „Whisper“, die ihn schützen oder ihm auch bei Bedarf helfen. Warum, das bleibt Hunt allerdings verborgen.

Als Hunt von der Polizei gebeten wird, sich einen Tatort „anzusehen“, wird ihm sehr schnell klar, dass der Mörder kein Mensch gewesen sein kann und dieser willkürlich Spuren hinterlässt, die nur Hunt deuten kann – eine Falle oder ein Hinweis auf das Verschwinden seiner Tochter?

Nach weiteren Morden und mysteriösen Spuren bleibt Hunt nichts anderes übrig als sich mit der Hexe Denise Clearwater anzufreunden, denn diese Morde verlangen seine ganze Aufmerksamkeit, wenn er am Leben bleiben will …

_Kritik_

„Der Schattenseher“ ist ein sehr spannender und packender paranormaler Thriller mit hohem Unterhaltungswert. Joseph Nassises Stil ist tempo- und abwechslungsreich, so dass es keine erzählerischen Klippen gibt, an denen sich die Geschichte lange aufhält. Da der Roman bereits in den ersten Kapiteln zeigt, was auf den Leser zukommt, wird Hunt als Hauptfigur viel Zeit gegeben, seiner Person Form zu verleihen. Aber nicht nur ihm, sondern auch weiteren menschlichen, (un-)toten und übernatürlichen Protagonisten. Hunts Welt ist mit unserer nicht zu vergleichen, denn er sieht und spürt, was uns verborgen bleibt, und das sind nicht nur die Geister der Toten, sondern auch Dämonen, Engel, Hexen und Magier, die unerkannt unter uns leben und versuchen, positiven wie auch negativen Einfluss auf unser Leben zu nehmen – sei es aus purer Boshaftigkeit, aus Zeitvertreib oder weil es einfach ihr Wesen ausmacht.

Der Roman ver- und bezaubert durch die Perspektive Hunts. Seine Welt sieht er mit den Augen eines Toten, und dadurch erschließt sich ihm eine Dimension, die für den Leser faszinierend ist. Gerade die relativ kurzen Kapitel bringen Schwung in die Sache, denn die Rückblenden in die Vergangenheit Hunts und zum Verschwinden seiner Tochter wechseln sich unterhaltsam mit der Gegenwart und ihren Morden ab.

Auch wenn sich alles um Hunt dreht, so sind die Geistwesen so zahlreich und interessant beschrieben, dass sie ihn fast in den Schatten stellen. Die Beschreibungen dieser übernatürlichen Kreaturen wie beispielsweise „Scream“ und „Whisper“ sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch stimmig und gekonnt in die Story eingestreut, so dass der Leser schnell feststellen wird, dass hier ein Rädchen in das andere greift.

Denise Clearwater, die taffe und erfahrene Zaunhexe, war schon in „Die Chroniken der Templer“ in einer Nebenrolle zu erleben, nun tritt sie eindeutig neben Hunt in eine offensivere Position, die ihr auch Gelegenheit geben wird, sich zu behaupten.

Viele vom Hintergrund wird bereits im Verlauf der Handlung deutlich und tritt aus dem Schatten heraus ans Licht, doch einige Fragen bleiben offen und bieten die Grundlage für weitere Bände. Doch nicht alle Charaktere wird man in den nächsten Teilen wiedersehen, denn auch wenn es sich um einen ‚magischen‘ Thriller handelt, so wird es auch Verluste unter den Protagonisten geben – wie endgültig dies in einer Geisterwelt ist, wird sich noch zeigen.

Wenn Geister oder überhaupt magische Wesen in einer Geschichte vorkommen, so fragt man sich natürlich schon, wie es sich mit den Grundgedanken zur Religion und zum mythologischen Überbau verhält, aber bislang umgeht der Autor das Thema bewusst. Die Gestalt eines „Gottes“ hat im vorliegenden Roman keinen Platz, auch das Leben nach dem Tod wird metaphysisch nur angerissen, aber nicht erklärt oder mit Theorien zu deuten versucht. Ursprung, Eigenschaften und Persönlichkeiten von Geistern hingegen werden plausibel präsentiert.

_Fazit_

„Die Hunt-Chroniken: Der Schattenseher“ hat mich als Leser absolut überzeugt. Neben einer ‚geistreichen‘ Handlung bietet der Roman viel an Spannung und Abwechslung mit einer ungemein dichten Atmosphäre und interessanten Charakteren, die viel Potenzial für weitere Bände mitbringen.

Als einziger Negativpunkt ist vielleicht anzumerken, dass das Tempo den einen oder anderen Leser überfahren könnte. In jedem Fall wird sich der Leser auf den nächsten Teil freuen, um einen weiteren Blick hinter den Spiegel unserer Realität zu werfen.

Mit „Die Hunt-Chroniken: Der Schattenseher“ hat Joseph Nassise mich in geistreicher Weise überzeugen können. Vielleicht werden Geister und Gespenster die nächsten Trendfiguren der Urban Fantasy.

_Der Autor_

Joseph Nassise, geboren 1968 in Boston, Massachusetts, ist der erste Autor, der in einem Jahr sowohl für den International-Horror-Guild- und den Bram-Stoker-Award nominiert wurde. Nach seiner Thriller-Trilogie „Die Chroniken der Templer“ – bestehend aus „Der Ketzer“, „Der Engel“ und „Die Schatten“ (bei |Knaur| erschienen) – kommen nun „Die Hunt-Chroniken“ bei |PAN|. Nassise lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Arizona. (Verlagsinfo)

|Aus dem Englischen von Heike Holtsch
349 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-426-28304-2|
http://www.pan-verlag.de

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Handeland, Lori – Asche (Die Phoenix-Chroniken 1)

_Inhalt_

Elizabeth Phoenix weiß schon als junges Waisenkind, dass sie anders ist als andere: Sie braucht einen Gegenstand nur zu berühren, und schon sieht sie vor ihrem inneren Auge Dinge, die den Besitzer betreffen. Sie stellt ihre Fähigkeiten der Polizei zur Verfügung, scheidet jedoch aus dem Dienst wieder aus, als sie den Tod ihres Partners nicht hat kommen sehen.

Eher schlecht als recht schlägt sie sich als Kellnerin durch, stets darauf bedacht, nicht aufzufallen. Sie hält sich für einen Freak, ein Monster. Dann kommt jedoch der Tag, an dem ein dringliches Gefühl sie zu Ruthie, ihrer Pflegemutter, treibt. Sie findet die alte Frau schrecklich zugerichtet in ihrem Haus vor. Sterbend murmelt Ruthie, dass jetzt die letzte Schlacht begänne – und dann ist nichts mehr wie zuvor.

Viel zu schnell und zu harsch erfährt Elizabeth, dass ihre ewig unterdrückte Gabe ein Segen ist und kein Fluch: Sie soll die Kräfte des Lichts in die letzte Schlacht führen, als neue Seherin und als Anführerin. Leider ist sie überhaupt nicht vorbereitet. Und auf dem Weg zur möglichst eiligen Erweckung aller noch schlummernder Talente begleiten sie Gestalten, mit denen sie nie wieder zu tun haben wollte: Jimmy, die Liebe ihres Lebens, außerdem dreckiger Verräter und Fremdgänger, und Sawyer, ein Navajo-Mystiker, bei dem sie einige Sommer verbrachte und der sie immer mit Angst erfüllt hatte. Sie erfährt über die beiden Männer Dinge, die sie nie hatte wissen wollen und die für sie die Frage aufwerfen, wem sie – verdammt noch mal! – denn überhaupt noch vertrauen kann.

Es ist eine wilde, unbekannte, blutrünstige Welt, in die Elizabeth geworfen wird, und sie ist so gut wie gar nicht gewappnet. Das Böse allerdings wartet nicht höflich, bis der Gegenspieler ausgelernt und die Rüstung angelegt hat: Es springt sie aus dem Dunkeln an, und Elizabeth muss wohl oder übel zeigen, was in ihr steckt.

_Kritik_

„Ich wollte seinen Tot“, „Am liebsten hätte ich sie ihr einen nach dem anderen herausgerissen. Die Nägel nicht die Finger“ – Das sind nur zwei der unzähligen Stilblüten, die vor meinen ungläubigen Augen aus dem Roman in die Höhe wuchsen. Okay, das sind Übersetzungsfehler, aber man glaube mir: Der Rest tut auch weh. Lori Handeland ist ein Phänomen: Ganz offensichtlich benutzt sie Sprache ausschließlich als Gerüst für Dinge, die sie sagen möchte. Sie schreibt, wie andere Leute sprechen. Und damit meine ich nicht, dass sie das kunstvoll tut, so wie etwa Alice Walker in „Die Farbe Lila“, damit meine ich, dass sie offenbar keine Zeit verloren hat: Sie hat zu Papier gebracht, was sie erzählen wollte, so hart und rau und krumpelig, wie es eben kam, und das war’s dann. Wenn da an irgendeiner Stelle nachgebessert wurde, dann will ich nicht wissen, wie das Ganze vorher ausgesehen hat. Der Roman hat keinen Hauch von Seele, keine Atmosphäre, kein Leben, und meiner Sprachwissenschaftlerseite hat er mehrfach schmerzhaft ins Gesicht geschlagen.

Mal kurz zusammengefasst: Übersinnliche Kräfte, Blut, Erektion, Schlägerei, Erektion, Sex, Blut, übersinnliche Kräfte, Fluchen, Prügeln, ErektionBlutSexsklavinTodTodBlutStänder. Herzlichen Dank dafür. Hier hat jemand die dürftige Umhüllung vom Ende aller Tage genommen, sie mit ein paar Werwölfen und Vampiren beworfen und sie bis zum Rand mit unappetitlichen Sexszenen gefüllt. Ich habe gegen Sexszenen nicht das Geringste einzuwenden, aber doch bitte mit einem Hauch von Geschmack, ja? Abgesehen davon häufen sich hier blöde Fehler, die beim zweiten Drübergucken sofort ins Auge gefallen wären, etwa, was Beschreibungen der Protagonistin angeht oder zeitliche Abläufe betrifft.

_Fazit_

Wenn Sie billiger Vampirpornographie nachjagen, dann ist Ihre Suche hier am Ende. Dann können Sie sich auch auf die Fortsetzungen freuen, denn „Asche“ ist der erste Teil der „Phoenix-Chroniken“. Sollten Sie jedoch auch an Fantasyromane irgendeine Form von Anspruch stellen, dann gehen Sie weiter, denn dann gibt es hier nichts zu sehen. „Asche“ war inhaltlich fade und hat mich stilistisch entrüstet. Der Zeitverlust macht mich regelrecht wütend. Arrrrr!
Ich wasche mir jetzt die Augen, und dann lese ich ein gutes Buch.

|Broschiert: 331 Seiten
ISBN-13: 978-3802582349
Originaltitel: Phoenix Chronicles Any given Doomsday
Aus dem Englischen von Petra Knese|
http://www.egmont-lyx.de
http://www.lorihandeland.com

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