Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

David, Peter – Battlestar Galactica: Sagittarius is bleeding (Band 3)

Band 1: [„Das Geheimnis der Zylonen“ 3383

_Story_

Nach ihrer tödlichen Krankheit und der wundersamen Heilung durch das Blut eines ungeborenen Zylonen-Babys wird Laura Roslin schon wieder von neuen Sorgen geplagt. Seit geraumer Zeit wird sie von fürchterlichen Visionen heimgesucht, in denen sie immer wieder auf Sharon Valerii, die inhaftierte Zylonin, stößt, deren Ungeborenes sie einst vor dem Tod bewahrt hat. Jedes Mal wieder enden ihre Tagräume mit dem stillen Hinweis, Sagittarius würde bluten. Während die Präsidentin vor ihren finsteren Gedankenspielen kaum mehr sicher ist, gerät die Flotte beinahe in einen tödlichen Hinterhalt. Ein Sprung der |Galactica| endet in direkter Umgebung zylonischer Jäger und bringt die Überlebenden des Anschlags auf Caprica in arge Bedrängnis. Doch woher konnten die Zylonen von den Navigationsplänen der |Galactica| wissen?

Adama und Colonel Tigh gehen der Sache auf den Grund, installieren Wanzen in den Lagern der Crew und erfahren auf diesem Weg von Roslins derzeitiger Misere. Immer deutlich manifestiert sich schließlich der Gedanke, ein Agent der Kampfroboter sei an Bord des Schiffes und habe die Flotte verraten. Der Verdacht fällt auf den jungen Boxey, der sich regelmäßig mit der inhaftierten Sharon Valerii trifft und Sympathie für die hochschwangere Zylonin empfindet. Da er wegen eines Vergehens vorzeitig auf die |Bifrost| versetzt wurde, reisen Helo und Starbuck ihm nach, um ihn erneut einem Test bei Dr. Baltar zu unterziehen und das Geheimnis seiner Herkunft endgültig zu lüften. Dabei geraten die beiden Viper-Piloten jedoch mitten in ein folgenschweres Komplott der Midguardians, einer religiös-fanatischen Gruppierung, welche die Prophezeiung ihrer Götter endgültig wahr machen möchte.

Während Roslin, Adama und der Rat der Zwölf noch im Dunkeln tappen, bereiten Teile der Flotte scheinbar das vorzeitige Ende der Menschheit vor. Zu spät scheint Roslin klar zu sehen, was ihr die Botschaft ihrer Träume wirklich sagen möchte …

_Persönlicher Eindruck_

Ähnlich wie auch die überraschend zwiespältig aufgenommene TV-Serie zum berüchtigten Kampfstern, so stand auch die parallel veröffentlichte Roman-Reihe aus dem Hause |Panini| bislang unter starkem Beschuss. Die beiden bisherigen Publikationen über den ewigen Kampf zwischen den Überlebenden der Menschheit und den unerbittlichen Zylonen waren inhaltlich bestenfalls Schonkost, voller Widersprüche und sphärisch nicht einmal ansatzweise auf dem Level angesiedelt, welches sowohl die Klassiker aus den späten Siebzigern als auch das stark modernisierte, mitunter finsterere Remake aufweisen.

Mit dem nunmehr dritten Teil dieser Serie gelobt der Verlag nun Besserung; mit Peter David wurde ein erfahrener Science-Fiction-Schreiber herangezogen, um die langatmigen Geschichten deutlich zu entzerren und sie mit Ideen zu füllen, die eines |Galactica|-Romans würdig sind. Und siehe da: Der Mann hat in der Tat ganze Arbeit geleistet!

„Sagittarius is bleeding“ ist alles andere als eine typische Kampfstern-Story. Der Konflikt der beiden Parteien wird vorwiegend auf der mentalen Ebene ausgetragen und über ethische und moralische Fragestellungen recht unkonventionell heraufbeschworen. Im Mittelpunkt steht dabei nicht dringend der sonstige Protagonist Adama, sondern zumeist die geplagte Präsidentin Roslin, die einmal mehr stark unter Beschuss gerät. Ihre Visionen rütteln an der Fähigkeit zur Regentschaft über die Flotte, so dass ihre Position infolge einiger Zwischenfälle bei öffentlichen Veranstaltungen wieder in Zweifel gerät. Außerdem trägt sie immer noch ihren eigenen inneren Konflikt mit sich, der sich mit der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung Valeriis auseinandersetzt. Roslin verdankt dem Zylonen-Mutanten ihr Leben, gewährt ihr aber dennoch keine Freiheiten, obwohl auch hier der Druck wächst. Sobald nämlich Außenstehende erfahren, welche Brut die |Galactica |in ihren Zellen birgt, droht Sharon ein unschönes Ende, ebenso wie ihrem Baby, welches zwischenzeitlich auch für die Missstimmungen der Präsidentin verantwortlich gemacht werden kann.

Derweil werden hinter den Rücken der militärischen Führung weitere Intrigen gesponnen. Es gilt als sicher, dass die Zylonen auch auf der |Galactica| vertreten sind und auf die passende Gelegenheit warten, die gesamte Flotte in den Tod zu stürzen. Zu diesem Zweck wurde Baltar beauftragt, jeglichen Verdächtigen sofort zu prüfen und festzustellen, ob es sich um einen Zylonen handelt. Doch ausgerechnet der gemeine Vizepräsident steckt mit der Roboter-Rasse unter einer Decke und ist auf dem besten Wege, selber Verrat an seinem Volk zu begehen. Eine Agentin der Zylonen setzt ihn unter Druck und spielt mit ihm, hat seine moralischen Prinzipien aber noch nicht gänzlich gebrochen. Doch wie lange wird Baltar noch standhaft bleiben?

Im letzten Strang werden schließlich die Midguardians aufgegriffen, eine unscheinbare religiöse Vereinigung, der es tatsächlich gelungen ist, den Angriff auf Caprica unbeschadet zu überstehen. Ihr Anführer Wolf Gunnerson strebt derweil nach einem Platz im Rat, um seinen Einfluss in der Flotte geltend zu machen. Zur gleichen Zeit kämpft seine Tochter Freya an Bord der |Galactica| für die Rechte Valeriis und pocht darauf, dass ihre Gefangenschaft nicht mit dem Gesetz vereinbar ist. Sowohl Roslin als auch Adama lassen die Midguardians zunächst gewähren, um das Gleichheitsprinzip innerhalb der Flotte nach außen hin zu wahren. Niemand vermutet, dass hinter der Besatzung der |Bifrost| eine enorm fanatische Gruppe steckt, die scheinbar alles dafür tun wird, um die Prophezeiung der Edda zu realisieren.

Die drei Stränge fügen sich schließlich wunderbar zusammen und haben allesamt ein gehöriges Spannungspotenzial. Durch geschickte und schnelle Wechsel gelingt es dem Autor jedoch auch spielerisch, den Leser hin und her zu reißen und die emotionale Zerrissenheit aller Personen nicht nur sinnbildlich in Szene zu setzen. Seine Charakterzeichnungen sind teilweise sogar phänomenal. David beschreibt die Gefühllosigkeit der eingesperrten Zylonin wirklich beeindruckend; ebenso toll gelingt ihm das Profil der völlig verwirrten Laura Roslin, der zentralen Figur dieses Romans, welche diesen Part aber durchaus überzeugend ausübt. Der einzige Kritikpunkt besteht in der fehlenden Detailfülle auf den letzten Seiten. Das Tempo ist bis hierhin sehr angenehm, wenn auch nicht übertrieben schnell, wird dann aber plötzlich angezogen und lässt somit einen Eindruck entstehen, als müsse nun rasch alles vorbeigehen. Auch wenn das Ende inhaltlich befriedigend ist und der Cliffhanger gar fantastisch herüberkommt, hätte man sich hier doch noch einige zusätzliche Nuancen gewünscht.

Dennoch: Peter David führt den eigentlich schon längst gekenterten literarischen Kampfstern wieder zurück auf den richtigen Kurs und präsentiert die mit Abstand beste Mission dieser neuen Reihe. Trotz oder gerade wegen der Reduzierung der Action ist „Sagittarius is bleeding“ ein Feinschmeckerwerk für Science-Fiction-Liebhaber und endlich das Highlight, welches man sich unter diesem Titel von Beginn an versprochen hatte. Danke, Mr. David!

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McGough, Scott / Sanders, Timothy – Magic: The Gathering – Zeitspirale-Zyklus Band 2 (Weltenchaos)

[Band 1 3720

_Story_

Teferi ist es mit letzter Kraft gelungen, den bereits verloren geglaubten Kontinent Shiv wieder in das Weltengefüge einzugliedern und den beträchtlichen Zeitriss wieder ins Lot zu bringen. Und dennoch bleibt Dominaria nicht vor weiteren derartigen Erscheinungen sicher. An zahlreichen weiteren Stellen öffnen sich Portale in andere Zeiten, aus denen scharenweise Phyrexianer stürmen, um Dominaria zu unterwerfen und das ganze Multiversum ins Chaos zu stürzen.

Da Teferi beim erfolgreichen Versuch, Shiv zu retten, seine Mächte als Weltenwanderer schmerzlich einbüßen musste, ist es nun an seinen Gefährten Jhoira und Venser, die Invasion der Phyrexianer zu stoppen und die wachsenden Risse zu schließen. Doch alsbald erfahren sie, dass solche Fähigkeiten lediglich einem Weltenwanderer wie Teferi zustehen, so dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als den Fürsten Windgrace und die starrsinnige Freyalise um Hilfe zu bitten und von ihren Motiven zu überzeugen. Doch die Bedingungen sind tödlich, und die Suche nach einflussreichen Verbündeten gerät sehr bald zum schier hoffnungslosen Unterfangen. Als dann auch noch ein Seelenvampir seine Ansprüche geltend machen will, scheint Dominaria endgültig dem Untergang geweiht …

_Persönlicher Eindruck_

Immerhin, die Geschichte gewinnt im zweiten Band der „Zeitspirale“-Trilogie merklich an Tiefe und Farbe, insbesondere was die zunächst noch sehr blassen Charaktere betrifft. Dies ist in gewisser Weise auch dem recht deutlichen Wandel in der Handlung zuzuschreiben, welcher den eher merkwürdigen Helden Teferi in die zweite Reihe drängt und seine bislang kaum bemerkenswerten Kollegen mehr in den Vordergrund stellt. Die tragische Misere, die ganz Dominaria befallen hat und sich wie ein brutales Virus ständig weiter ausbreitet, wirkt innerhalb der temporeicheren Erzählung von „Weltenchaos“ glaubwürdiger, die Spannung ist bisweilen sogar wirklich greifbar, und durch die Loslösung von recht farblosen Schemen zugunsten einer individuellen Darstellung der beteiligten Figuren gewinnt die Story zunehmend an Eigenständigkeit.

Jenseits dieser überraschend positiven Entwicklung bleibt aber dennoch anzumerken, dass auch der zweite Band des Zyklus‘ noch einige Schwachstellen aufweist, speziell im Hinblick auf den bisweilen hektischen Aufbau der Geschichte. Die Hauptdarsteller verschlägt es permanent zu anderen Orten, und statt etwas fokussierter an der Problembehandlung naheliegender Konflikte zu arbeiten, verschiebt Autor Scott McGough die Prioritäten immer wieder weiter, ohne dabei klare Standpunkte zu setzen. Auch wenn Figuren wie Jhoira und Venser in ihrem Profil gefestigter wirken und in diesem Sinne so etwas wie die Konstanten der Erzählung sind, wird der intrigenreiche Roman zum Schluss noch mit allerhand divergierenden Versatzstücken aufgefüllt, die den stringent beginnenden Plot ein wenig aus den Fugen reißen. Auch hier knüpft man schließlich wieder an einige Schönheitsfehler des vorangegangenen Buches an, indem man schlichtweg kurzzeitig den Blick fürs Wesentliche verliert und versucht, die prinzipiell schon recht umfassende Story noch ein wenig künstlich aufzubauschen.

Im Vergleich zu „Zeitspirale – Band 1“ halten sich derartige Unzulänglichkeiten allerdings angenehm in Grenzen und vermögen es nicht, den überraschend vielschichtigen, insgesamt auch recht spannenden Plot wesentlich zu verwässern. Die Geschichte um die Zeitrisse wird durchaus lebendiger und weniger festgefahren fortgeführt, erscheint bei weitem nicht mehr so kopflastig und präsentiert einige mit Abstand reifere Helden als noch kurze Zeit zuvor. Und genau dies ist definitiv mehr, als man nach dem schwächlichen Auftakt erwarten bzw. erhoffen durfte! Wer sich also mit Müh und Not durch den einleitenden Band des Zyklus‘ gekämpft hat, wird in „Weltenchaos“ über weite Strecken mit einem richtig anständigen Fantasy-Roman für seine Anstrengungen belohnt.

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Marzi, Christoph – Fabula

Christoph Marzi macht es einem nicht leicht. Nachdem er mit seiner „Lycidas“-Reihe so grandios gestartet ist, entpuppte sich schon die Fortsetzung seines Jugendbuchromans [„Malfuria“ 3398 als Enttäuschung. Mit seinem neuesten Werk „Fabula“ knüpft er schon rein äußerlich an die „Lycidas“-Zeiten an und so hofft man als Leser zu Recht darauf, dass „Malfuria“ nur ein Ausrutscher war und Marzi sich mit „Fabula“ zurück auf sein anfängliches hohes Qualitätsniveau begibt.

„Fabula“ ist eine Art fantastisches Märchen, das in Schottland spielt. Colin Darcy lebt schon seit Jahren in London, lehrt an der London Business School und ist heilfroh darüber, Ravenscraig, seinem Elternhaus in den Rhinns of Galloway, entronnen zu sein. Vor allem an seine Mutter Helen Darcy hegt Colin keine allzu positiven Erinnerungen. Seinem jüngeren Bruder Danny geht es nicht anders. Ihn zog es sogar bis in die USA, wo er Karriere als Musiker macht.

Eigentlich ist Colin mit seinem Leben ganz zufrieden, als ihn eines Tages eine Reihe unvorhergesehener Ereignisse aus seinen so geregelten Bahnen wirft. Zunächst stirbt sein Freund und Kollege Arthur Sedgwick unter mysteriösen Umständen bei einem Autounfall und dann erreicht ihn ein Anruf aus der alten Heimat: Seine Mutter ist verschwunden – und zwar kurz bevor sein Bruder Danny ebenfalls verschwand, der sich, aus Gründen, die Colin schleierhaft sind, in Ravenscraig aufhielt.

Colin bleibt nichts anderes übrig, als in seine alte Heimat zu reisen und herauszufinden, was den beiden zugestoßen ist. Und so ist er nach jahrelangem Verdrängen jetzt auch dazu gezwungen, sich seiner Vergangenheit zu stellen – und damit den Geschichten, die Helen Darcy ihren Kindern zu erzählen pflegte und die auf magische Weise immer wahr wurden …

Den Zutaten nach ist auch „Fabula“ eigentlich wieder ein typischer Marzi. Er sucht sich Elementen aus unterschiedlichsten Einflüsse, nimmt eine Prise keltische Mythologie, einen guten Schuss „1001 Nacht“, garniert das Ganze mit ein wenig klassischer Western-Atmosphäre und schmeckt es am Ende mit ein paar Rockmusik-Anleihen ab. Die Mischung ist in gewohnter Manier höchst eigenwillig und unterhaltsam. Dennoch muss auch „Fabula“ wieder ein wenig hinter dem Glanzstück [„Lycidas“ 1081 zurückstecken.

Da wäre zum einen die Figur des Colin Darcy. Kurz gesagt ist Colin Darcy ein Langweiler. Ein trockener Wirtschaftswissenschaftler, der nun wirklich nicht die Ausstrahlung eines Helden hat. Zwar mausert er sich im Laufe der Handlung und wächst in seine Rolle hinein, je mehr er sich darauf einlässt, sich an seine Vergangenheit zu erinnern, doch so ganz kann er halt nicht raus aus seiner Haut. Und so braucht das Buch, das am Anfang ja erst einmal nur Colin näher beleuchtet, seine Zeit, um in Fahrt zu kommen.

So wirklich interessant wird es also erst in dem Moment, als Colin in Schottland eintrifft und dort auch ganz unverhofft seine große Liebe von damals wiedersieht. Die wiederum ist als Figur wesentlich interessanter und geheimnisvoller. Liviana Lassandri ist ein Friedhofsmädchen, die Tochter eines Bestattungsunternehmers. Sie ist sympathisch und eigenwillig und verleiht der Handlung mit ihrem Auftauchen den nötigen Schwung, der bis dahin fehlt.

Dabei ist das Grundthema der Geschichte eigentlich ein ganz schönes, das Marzi sich bei „1001 Nacht“ ausgeliehen hat. Helen Darcy hat eine Begabung, mit der sie ihre Kinder immer wieder das Fürchten lehrt. Sie ist magisch begabt im Umgang mit Worten. Geschichten, die sie erzählt, werden auf magische Weise wahr. Die Geschichten erwachen zum Leben, und plötzlichen stecken ihre eigenen Kinder mittendrin in der Handlung einer Geschichte, die nicht selten einen schaurigen, furchtbaren Verlauf nimmt. Marzi gelingt es sehr gut dieses Element in die Geschichte einzufügen. Obwohl die Geschichte im Hier und Jetzt spielt, fügt sich die Fantasy-Komponente der Handlung stimmig in den Plot ein, und so kann die Romankomposition im Großen und Ganzen durchaus überzeugen.

Kommt die Geschichte erst einmal auf Touren, weiß Marzi den Leser ausgesprochen gut zu unterhalten. Nachdem sich die ersten gut 110 Seiten in wenig ziehen, kommt die Geschichte mit Colins Ortswechsel nach Schottland und den ersten aufkommenden Erinnerungen an die Geschichten seiner Mutter ganz gut in Fahrt. Zum Ende hin baut Marzi dann sogar noch richtig Spannung auf und strafft das Tempo der Erzählung. Und so kommt es dann, dass im Finale dann plötzlich alles sehr schnell geht. Die Auflösung ist zwar stimmig konstruiert, kommt aber eben auch sehr plötzlich. Die erzählerische Balance und das Gefühl für das Tempo und den Spannungsbogen hat Marzi in der wesentlich umfangreicheren „Lycidas“-Reihe einfach besser hinbekommen.

Dennoch ist „Fabula“ durchaus unterhaltsame Kost für Freunde der Urban Fantasy. Mag die Geschichte um die uralte Metropole auch um einiges besser sein – nachdem Marzi mit dem zweiten Teil von „Malfuria“ ein erschreckend schwaches Buch abgeliefert hat, ist hier doch schon wieder eine deutliche Steigerung der Qualität wahrzunehmen.

Bleibt als Fazit festzuhalten, dass „Lycidas“ zwar unerreicht bleibt, Marzi aber mit „Fabula“ dennoch einen durchaus unterhaltsamen Roman abgeliefert hat. Colin Darcy ist zwar nicht unbedingt ein Vorzeigeprotagonist, aber trotzdem weiß „Fabula“ den Leser zu unterhalten, nachdem der Plot erst einmal in Bewegung gekommen ist. Marzis Meisterwerk ist und bleibt aber die „Lycidas“-Reihe.

http://www.christophmarzi.de/
http://www.heyne.de

_Christoph Marzi auf |Buchwurm.info|:_

[„Lycidas“ 1081
[„Lilith“ 2070
[„Lumen“ 3036
[„Malfuria“ 3398
[„Malfuria – Die Hüterin der Nebelsteine“ 4167

Möbis, Carolina – Duo Infernale (Classic BattleTech 16)

|BattleTech|-Liebhaber haben es seit geraumer Zeit richtig schwierig. Das gleichnamige Spiel wird nur noch schleppend erweitert, und die zugehörige Romanreihe ist spätestens nach dem kurzzeitigen, erfolgreichen Interludium von Michael A. Stackpole wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet, zuletzt noch eher minder eindrucksvoll belegt vom schwachen „Bear“-Zyklus, dem völlig technisierten, spannungsarmen Tiefpunkt der noch gar nicht mal so alten Roman-Reihe. Seit der letzten Ausgabe „En passant“ vertraut man die Welt der tonnenschweren Mechs nun deutschstämmigen Autoren an, und dies mit wachsendem Erfolg. „Duo Infernale“ hat definitiv das Zeug dazu, die Misere zu beenden – und dies mit relativ unkonventionellen Methoden!

_Story_

Die treuherzige Söldnerin Mad Dog Maloy erwacht in einem völlig verwüsteten Umfeld. Ihre Basis in New Tuscon wurde zu großen Teilen zerstört, kollegiale Mech-Piloten während eines verheerenden Attentats getötet. Lediglich die Elementarin Shin erlebt an Maloys Seite noch die letzten Minuten ihres Kommandanten Craighton, der die beiden Verbliebenen auf die Spur einer systematischen Intrige bringt.

Alsbald macht sich unter den flüchtigen Pilotinnen die Gewissheit breit, dass ihr Standort nicht mehr sicher und New Tuscon sofort zu evakuieren ist. Eine uralte Waffe ist wieder aufgetaucht und droht, das riesige Erzabbaugebiet zu vernichten. In letzter Sekunde gelingt die Flucht nach Tharkid, wo man von einem anrüchigen Geschäftsmann und dessen Plänen erfährt, die Hauptstadt des Planeten bei einer feierlichen Zeremonie dem Erdboden gleichzumachen. Shin und Maloy vereinen sich mit dem Techniker-Ass Randy Parker und dem großspurigen Saladin, um die tickende Atombombe in der Kürze der Zeit vor der Detonation aufzuspüren und somit die endgültige Zerstörung der lyrianischen Allianz zu verhindern. Doch in der Euphorie des feierlichen Anlasses ist es für die vier vermeintlichen Helden nahezu unmöglich, inkognito eine Rettungsaktion einzuleiten …

_Persönlicher Eindruck_

Die Geschichte des nunmehr bereits 16. „Classic BattleTech“-Romans mag zwar nicht sonderlich innovativ sein, distanziert sich jedoch wohlwollend vom hochtechnisierten Kampfgemenge der vorangegangenen Episoden und gewährleistet zumindest schon einmal die Entwicklung einer nachvollziehbaren, bisweilen auch spannenden Handlung. „Duo Infernale“ erzählt keine Geschichten von endlosen Mech-Schlachten, leblosen Rangeleien und schwachbrüstigen Charakteren. Stattdessen wird nach etwas schwermütiger Einleitung ein äußerst vielseitiger, teils auch überraschend humorvoller Plot kreiert, in welchem den einzelnen Figuren reichlich Entwicklungsspielraum zur Verfügung gestellt wird, der aber in seiner eigenen Entwicklung die notwendigen Fortschritte erzielt. Zwar basieren einzelne, entscheidende Aspekte der Story auch auf einer gewissen Willkür, insbesondere die merkwürdige Verbindung der vier Protagonisten, doch darf man dies im Rahmen dieser temporeichen Geschichte nicht einmal wirklich kritisch betrachten, da eben jener Umstand die prägnanten Breaks in der Storyline erst ermöglicht.

Davon abgesehen darf man sich natürlich fragen, ob dieser futuristische Thriller thematisch überhaupt zu „Classic BattleTech“ passt. Die stählernen Kampfmaschinen werden nämlich nur am Rande erwähnt und tragen lediglich in den Action-Szenen ihren Teil zur Identifikation bei, so dass der Roman grundsätzlich auch außerhalb des bewährten Rasters funktioniert hätte. Während der ständigen aberwitzigen Wortgefechte der strikten Elementarin mit der mitunter verkorksten Maloy verschwendet man mitunter ebenso wenig Gedanken an den Background der Serie wie in den Szenen, in denen der ängstliche Randy die Bombe zu entschärfen versucht oder der vorlaute Saladin sich über die Nettigkeiten zwischen den beiden Damen amüsiert. Und dennoch: Eine lose Verbindung zu den bewährten Schauplätzen und Figuren bleibt und rechtfertigt schließlich auch die Unterbringung des Plots unter dem bekannten Banner.

Zur Story sei gesagt, dass sie überaus kurzweilig strukturiert und durch das verschärfte Tempo und den gewitzten Sprachgebrauch sehr leicht zugänglich und nachvollziehbar ist. „Duo Infernale“ ist inhaltlich leichte Kost mit nuancierten Sprüngen zwischen verschiedenen Genres, äußerst farbenfroh und sympathisch umgesetzt. Damit hat „BattleTech“-Neuling Carolina Möbis in kurzer Zeit genau das geschafft, was einigen ihrer Vorgänger nicht vergönnt blieb, nämlich den Plot auf recht lebendige Weise über die Demonstration des technischen Wissens um die Kampfmaschinen zu stellen. Der Lohn ist ein anständiges, wenn auch phasenweise noch ausbaufähiges Buch mit guter Story, feinen Charakteren und einer deutlichen Loslösung von mehrfach erfolglos erprobten Strukturen. Hoffentlich bleibt dieser Roman keine Ausnahmeerscheinung und ermutigt auch Möbis‘ Nachfolger zu eher untypischen Arbeiten!

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Troisi, Licia – Talisman der Macht, Der (Die Drachenkämpferin 3)

Band 1: [„Im Land des Windes“ 4130
Band 2: [„Auftrag des Magiers“ 4130

_Story_

Der Schatten des Tyrannen verbreitet sich immer weiter über die Aufgetauchte Welt; der rachsüchtige Magier entsendet die Heerscharen der Fammin in sämtliche Landstriche und streut dort Tod und Zerstörung. Lediglich Nihal, die letzte verbliebene Halbelfe und der Prophezeiung nach die lange erwartete Rettung des Friedens des Länderbunds, und ihr Begleiter, das einstige Ratsmitglied Sennar, sind noch imstande, die totalitäre Herrschaft des Tyrannen aufzuhalten, stehen jedoch unter enormem Zeitdruck, da ihr bösartiger Gegenspieler sein Machtgebiet von Tag zu Tag zügiger ausbreitet.

Nihals einzige Chance besteht in einem geheimnisvollen Amulett, das jedoch erst zum Leben erwacht, sobald die Steine aller acht Länder in ihm vereinigt sind. Wagemutig bricht die junge Kämpferin in eine schier aussichtslose Mission auf, bei der sie stetig schwerwiegendere Verluste hinnehmen muss. Als schließlich auch noch ihr einstiger Knappe Laio beim Versuch, Nihal hinterherzueilen, um an ihrer Seite zu kämpfen, von den Fammin getötet wird, wird sie sich der Wichtigkeit ihrer Aufgabe erst recht bewusst. Doch während sie unter gehörigem Zeitdruck die Steine erstreitet, steigt in ihr auch der Hass auf den dunklen Magier – Hass, der für den Tyrannen das einzig erdenkliche Lebenselixier ist …

_Persönlicher Eindruck_

Der Wandel, den die Saga der italienischen Nachwuchs-Schriftstellerin Licia Troisi in diesem Teil von „Die Drachenkämpferin“ durchlebt, ist wahrlich enorm. Die Geschichte, die bis dato prinzipiell eher ein jugendliches Fantasy-Publikum angesprochen hatte, wird mit einem Mal deutlich erwachsener, indes jedoch auch weitaus schwerer verdaulich. Dabei steht in den ersten Kapitel von „Der Talisman der Macht“ noch gehäufte Skepsis; man bekommt den Eindruck, als wolle die Autorin mit einem Mal noch jede Menge Details in ihrer Story unterbringen, um den inhaltlichen Umfang schlagartig zu potenzieren, was angesichts des bisherigen Fortschritts der Handlung und deren stringenten Verlauf zunächst widersinnig anmutet. Besonders die Suche nach den acht Steinen des Amuletts, die zu Beginn noch äußerst spannungsarm konstruiert wird, will nicht so recht mit dem eher emotionalen Verlauf des Plots harmonieren und dient vornehmlich als Aufhänger, um den Action-Anteil der Erzählung urplötzlich in den Vordergrund zu stellen.

Derlei Irritationen werden von Troisi aber gottlob relativ schnell wieder ausgebügelt, nämlich ab dem Moment, in dem die zwischenmenschlichen Ereignisse bzw. die wirklich starken Charakterzeichnungen wieder im Fokus der Story stehen. Mit ungewohnter Härte bestimmt die Autorin über das Schicksal manch vertrauter und lieb gewonnener Figur der Serie, so zum Beispiel über den stets unglücklichen Laio sowie im späteren Verlauf auch über eine ganze Reihe tragischer Personen, die ganz unverhofft ein kostbares Opfer für die Schlacht gegen den Tyrannen bringen. Dadurch verschafft sich die Urheberin der Geschichte jedoch nicht nur ungeahnte Freiräume sondern auch ein gehöriges Maß an Unberechenbarkeit, welches sich bis zum eher philosophischen, in mancherlei Hinsicht sicher auch überraschenden Ende hinzieht. Die gesamte Story erhält mitunter einen völlig neuen Charakter, im Zuge dessen auch ein reiferes, bisweilen sehr dunkles Erscheinungsbild, welches sie mit Abschluss der Serie endgültig in den Bereich der anspruchsvolleren, erwachsenen Fantasy-Literatur hievt.

Dennoch ist „Der Talisman der Macht“ noch von kleineren Schwächen durchzogen, gerade was das stetig wechselnde Erzähltempo anbetrifft. Troisi bereitet ihre Leser auf einige spektakuläre Final-Szenarien vor, lenkt alle aus dem Verborgenen zurückgekehrten Puzzlestücke auf einen homogenen, intelligenten Abschluss (so kehrt zum Beispiel manch einer auf, den man schon fast wieder vergessen hatte), will dann jedoch auch noch in den Bereich der Philosophie hinabtauchen, was ihr im eher dialoglastigen Schluss samt Epilog nur partiell gelingt. Gerade hier erweist sich wieder das altbekannte Sprichwort ‚weniger ist manchmal mehr‘ als bezeichnend, denn ebenso wie schon am Anfang des letzten Romans, so beschleicht den Leser auch hier das Gefühl, Troisi wolle mit aller Gewalt noch in die verschiedensten Sub-Genres dieser speziellen Literaturform hineinschnuppern, verliert dabei aber den Blick fürs Wesentliche.

Aufgrund der generell starken Ideen und einer sprachlich wie inhaltlich trotz allem fabelhaften Umsetzung sind derlei Schwächen aber keinesfalls als eklatant einzustufen, nur eben bei der Erstellung einer dynamischen, spannungsreichen Story ein wenig hinderlich. Das Fazit bleibt jedoch auch unter Berücksichtigung dessen sehr positiv. Troisi bewirbt sich mit dem dritten Band dieser erfrischenden Saga für größere Aufgaben und hat den Sprung in die oberste Liga der europäischen Fantasy-Schriftsteler weitestgehend fehlerfrei gemeistert. Bleibt zu hoffen, dass „Die Drachenkämpferin“ kein Einzelkind bleibt und die Dame schon bald mit weiteren Werken auf sich aufmerksam macht. Lust auf mehr besteht definitiv! Ein vierter Band, „Das Erbe der Drachen“, erscheint im Februar 2008 bei |Heyne| und als Hörbuch bei |Random House Audio| und eröffnet die Nachfolgetrilogie „Die Schattenkämpferin“.

http://www.drachenkaempferin.de/
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Alan Campbell – Scar Night (Kettenwelt-Chroniken 1)

In Deepgate, der Stadt, die an Ketten über einem tiefen Abgrund schwebt, sorgen Intrigen und Mordanschläge für Unruhen und Aufruhr. Als ein Wahnsinniger einen Privatkrieg gegen die Obrigkeit anzettelt, wird sogar der Höllenschlund unter der Stadt aufgerührt … – „Dark Fantasy“ vom Feinsten: Die an sich bekannte Story wird vor einer grandiosen, ebenso düsteren wie plastisch geschilderten Kulisse entwickelt. Lebendige Figuren fesseln das Interesse zusätzlich.
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Wes Craven – Identity

Ein für die US-Regierung wertvoller aber todkranker Waffenexperte kommt in den Genuss eines Körpertausches, doch der Geist des ‚Vorgängers‘ ist noch sehr präsent und stürzt den wieder jungen Forscher in eine Krise, die ihn erst seine Identität und dann sein Leben zu kosten droht … – Wissenschaftsthriller mit SF-Elementen, dessen nicht unbedingt originelle Story temporeich und dicht erzählt wird. Längen im Mittelteil werden durch den gefälligen Stil und politisch hübsch unkorrekte Spitzen nur teilweise ausgeglichen: leichte Unterhaltung der zunehmend misslungenen Art.
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Buchholz, Michael H. – Atlan – Acht Tage Ewigkeit (Rudyn-Trilogie 3)

Band 1: [„Die Psi-Kämpferin“ 4061
Band 2: [„Das Sphärenrad“ 4093

_Story_

Atlan, Trilith und der verfolgten Neife Varidis ist es mit letzter Kraft gelungen, sich an Bord eines Müllfrachters zu begeben und vom Sphärenrad ZUIM zu fliehen. Jedoch verläuft die weitere Reise alles andere als planmäßig; die Politikerin kommt mit einer giftigen Substanz in Verbindung und erleidet schwere Verletzungen. Atlan sieht sich gezwungen, die verborgene Stellung aufzugeben und Hilfe einzuholen, allerdings muss er hierzu zunächst das Vertrauen von Patty Ochomsova, der Pilotin des Frachters, gewinnen. Diese lässt sich auf einen Deal ein und bringt die Flüchtigen ins Holoi-Gebirge, einen seltsamen Ort, an dem der Arkonide und seine Gefolgsleute jedoch erst einmal sicher sein werden.

Unterdessen treibt der herrschsüchtige Kalfaktor Ponter Nastase seine gewaltigen Pläne für Rudyn und die gesamte Galaxis fort. Acht Tage noch muss er sich gedulden, bis der Zellaktivator und sein Organismus eins werden und sein Leben in die relative Unsterblichkeit übergeht. Mit rücksichtslosen Mitteln räumt er die verbliebenen politischen Gegner und Zweifler aus dem Weg und sichert sich damit eine Vormachtstellung, die ihm nur noch seine schärfste, mittlerweile totgeglaubte Konkurrentin Varidis streitig machen kann. Diese wiederum steht gemeinsam mit Atlan einen ganz anderen Konflikt beim Gebirgsvolk aus und erarbeitet gemeinsam mit dem Arkoniden und der unberechenbaren Trilith einen Plan zum Sturz bzw. zur endgültigen Vernichtung Nastases. Doch die Zeit verrinnt, ohne dass zählbare Ideen das Team voranbringen könnten. Nur noch ein Wunder kann jetzt verhindern, dass Nastase seine teuflischen Pläne in die Tat umsetzen wird.

_Persönlicher Eindruck_

Die „Rudyn“-Trilogie entwickelte sich bereits in den ersten beiden Romanen zu einem würdigen Vertreter der langen Geschichte Atlans und steigerte das Niveau der neuen Serie bei |FanPro| nach der eher mittelmäßigen „Lepso“-Trilogie wieder bis in die Spitzenklasse. Die Story war bislang vielseitig, die Charaktere sehr individuell ausgemalt und die Handlung von zahlreichen Überraschungen und sprunghaften Wendungen gezeichnet. Im Prinzip hatte Michael H. Buchholz, der Autor des letzten Bandes, also lediglich die Aufgabe, die Ernte einzuholen und die guten Voraussetzungen zu einem grandiosen Finale aufzuarbeiten. Nichts leichter als das – oder?

Nun, Buchholz hat bei der Fortentwicklung der Geschichte mitnichten den leichtesten Weg gewählt, wenngleich die Story in ihrem Verlauf keine größeren Überraschungen mehr birgt. Dafür jedoch gelingt es dem Autor über weite Strecken vorzüglich, den Rahmen des Plots weiter auszuschmücken und die Story mit einer ganzen Reihe neuer Personen und Szenarien auszustatten, von denen „Acht Tage Ewigkeit“ besonders zu Beginn mächtig profitiert. So liegt der Fokus im letzten Teil der Trilogie kaum noch auf den eigentlichen Protagonisten Trilith und Atlan, sondern vermehrt auf den Vertretern der feindlichen Parteien. Gerade Ponter Nastase bekommt noch einmal einige neue Helfer zur Seite gestellt, deren Existenz die Geschichte noch abwechslungsreicher macht, deren Handeln darüber hinaus auch noch das Potenzial für einen intensiveren Spannungsaufbau liefert. Dies nutzt Buchholz wiederum, um die Erzählung aus allerlei Perspektiven darzustellen und durch prägnante Cliffhanger an deren Tempo zu arbeiten. In immer kürzeren Abständen wird die Sicht der Dinge speziell auf die wachsende Teilnehmerzahl aufgeteilt und mit gezielten Sprüngen weiter verschärft, bis der Autor schließlich ein ziemlich umfassendes, neues Szenario gestaltet hat, auf Basis dessen schließlich ein spektakuläres, am Ende jedoch leider etwas rasch vorübergehendes Finale gewährleistet ist und wie erwartet auch vollzogen wird.

Lediglich die Beschreibungen und Analysen der ganz unterschiedlichen Charaktere ist in „Acht Tage Ewigkeit“ vergleichsweise weniger intensiv, wobei man hier berücksichtigen muss, dass gerade im ersten Band mit der regelrechten Demonstration der Wesenszüge Triliths Maßstäbe gesetzt wurden, an denen man später angesichts des bereits vorhandenen Wissens um die aggressive Kämpferin zwangsweise scheitern musste. Dennoch: Eine echte Schwäche kann man Buchholz diesbezüglich auch nicht attestieren, weil er Figuren und Story stets in Harmonie bringt und den Fortschritt beider äußerst professionell inszeniert.

Alles in allem ist der letzte Part der „Rudyn“-Trilogie ein weiteres Highlight dieses faszinierenden, sehr überzeugenden Dreiteilers und schlussendlich auch der Beweis dafür, dass die neue Romanserie um den berühmten Arkoniden durchaus in der Lage ist, mit dem Gottvater der Science-Fiction, Perry Rhodan, in den besten Momenten Schritt zu halten. Das perfekte Zusammenspiel von Emotionalität, unterkühlter Härte, Technik und Atmosphäre grenzt jedenfalls in dieser Mini-Serie schon an die Referenz der internationalen Science-Fiction und sollte daher auch in keiner gut sortierten Genre-Sammlung als Lücke klaffen.

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Scalzi, John – Geisterbrigaden

In einer fernen Zukunft verteidigen alte und kranke Rentner die Kolonien der Menschheit gegen unzählige außerirdische Rassen, die mit der Kolonialen Union (KU) im ständigen, blutigen Konflikt um die wenigen bewohnbaren Welten liegen, in einer Galaxis in der Grenzen genauso flexibel sind wie die Moralvorstellungen ihrer Bewohner. Die lebenserfahrenen, aber körperlich alten und kranken Rekruten der Kolonialen Verteidigungsarmee (KVA) hoffen auf eine Verjüngung, wie sie in den Rekrutierungsbüros der KVA auf der Erde versprochen wird. Doch ihr Bewusstsein wird in geklonte Alien-Mensch-Hybridkörper ihrer Selbst mit grüner Haut – stärker, schneller und robuster – transferiert. Bis zum Ende ihres Dienstes, an dem sie wählen können, ob sie auf einer der Kolonien der Menschheit in einem nicht-aufgerüsteten Normalkörper leben wollen. Bis dahin müssen sie sich den Feinden der Menschheit zum Gefecht stellen.

Einige Freiwillige sterben, bevor der Bewusstseinstransfer in den neuen Körper vollzogen werden kann. Ihre Körper dienen der KU als Basis für genetische Experimente, aus denen die |Geisterbrigaden| genannten Spezialeinheiten hervorgehen. Ihre Körper werden aus der DNA der Toten hergestellt, tiefgreifender modifiziert, leistungsfähiger gemacht. Einige wenige sind so spezialisiert, dass ihr Körper keine menschliche Form mehr besitzt. Die Spezialeinheiten haben keinen Bewusstseinsspender. Wenn sie zum Leben erweckt werden, sind sie Kinder, die unheimlich schnell lernen, dank des wie bei allen KVA-Angehörigen im Gehirn implantierten |BrainPals|, eines Minicomputers. Doch die Vernetzung ist weit fortgeschrittener und umfassender als bei normalen Soldaten. Er formt, entwickelt und indoktriniert das junge Bewusstsein. Zu einem Zweck: um mit ihren überlegenen Fähigkeiten Dinge zu tun, die kein |normaler| Mensch könnte. Um Dinge zu tun, die kein |Mensch| mit einem Gewissen tun würde …

Doch die stärksten Krieger der Menschheit erleiden in letzter Zeit verheerende Niederlagen, Raumschiffe der Spezialeinheit verschwinden spurlos. Bis Jane Sagan im Verhör von einer Allianz gegen die Menschheit erfährt. Drei außerirdische Spezies haben sich verbündet – mit einem Menschen: Dr. Charles Boutin. Niemand weiß, was Boutin zum Verräter an der Menschheit gemacht hat. Der Spezialist für Bewusstseinstransfer und BrainPal-Software hat an seiner Stelle einen Boutin-Klon sterben lassen, um seine Desertation zu tarnen. Doch man findet noch etwas, das man bislang für unmöglich gehalten hat: ein gespeichertes Bewusstsein – vermutlich das von Charles Boutin. Da Boutin offiziell für tot erklärt wurde, überstellt man seine Gene der Spezialeinheit, die daraus einen Klon Boutins erschafft, in dem das gespeicherte Bewusstsein transferiert wird.

Doch aus dem geplanten Verhör wird nichts. Zwar gelingt der Transfer, doch das erwachende Bewusstsein ist nicht perfekt. Jared Dirac besitzt Züge der Persönlichkeit Boutins und Erinnerungsfragmente, was den Generälen Mattson und Szilard jedoch nicht weiterhilft. Ähnlich wie ein Amnesiepatient wird er auf eine Reise in die Vergangenheit geschickt, starke Reize wie Kampfeinsätze oder Erinnerungsgegenstände von Boutins toter Tochter Zoë sollen ihn dazu anregen. Jared Dirac erinnert sich, kommt dem Verräter an der Menschheit und seinen Motiven allmählich auf die Spur – und wird ihm immer ähnlicher …

_Der Autor_

John Scalzi (* 10.05.1969, Kalifornien) begann seine Karriere in der Blogger-Szene. [„Krieg der Klone“ 3677 (im Original: „Old Man’s War“) erschien bereits 2002 in Fortsetzungen im Blog seiner Website, bis Patrick Nielsen Hayden, Senior Editor von |Tor Books|, auf ihn aufmerksam wurde. Womit dieser ein ausgezeichnetes Gespür bewiesen hat: Scalzis Debüt war gleichzeitig auch sein Durchbruch, das Buch verkaufte sich in den USA ausgezeichnet und kam bei den Lesern gut an.

Als Sahnehäubchen wurde es 2006 mit dem |John W. Campbell Award| ausgezeichnet und für den |Hugo Award| nominiert. Scalzis „Krieg der Klone“ musste gegen Werke etablierter Autoren wie George R. R. Martin, Charles Stross und Ken MacLeod antreten, und sich nur dem überragenden [„Spin“ 2703 von Robert Charles Wilson geschlagen geben.

_Ein Plädoyer für Entscheidungsfreiheit_

Mittlerweile ist Scalzis Universum rund um die Koloniale Union auf drei Romane („Krieg der Klone“, „Geisterbrigaden“ und „Die letzte Kolonie“ (erscheint im Juni 2008)) und eine Novelle („The Sagan Diary“) angewachsen, gleichzeitig hat er sich weiterentwickelt, weg von den Sternenkriegern à la Altmeister Heinlein. Ein vierter Roman, „Zoe’s Tale“, wird gegen Ende 2008 erscheinen. Die im ersten Band nur sehr leise angedeutete Kritik an der Politik und den Methoden der Kolonialen Union wird insbesondere in „Die letzte Kolonie“ erneut aufgegriffen und Heinleins imperialistische Ideologie durch postmoderne Ideen ersetzt.

Ursprünglich erwartete ich mehr über Jane Sagan zu lesen, doch der Boutin-Klon Jared Dirac ist die Hauptfigur von „Geisterbrigaden“. Zwar geizt Scalzi nicht mit actionreichen Einsätzen der Spezialeinheit, doch der Fokus liegt ganz klar auf dem Verhältnis zwischen den geklonten Frankenstein-Kindersoldaten der Spezialeinheit und dem Rest der Menschheit. Zusätzlich ist der Roman auch eine Detektivgeschichte; neben Jareds Persönlichkeitsproblemen (Bin ich Jared Dirac oder Charles Boutin?) führt Scalzi den Leser zurück in Boutins Vergangenheit, beginnend bei einer Lakritzschnecke, die Erinnerungen und Trauer um Zoë in Jared weckt, eine Tochter, die er nie gehabt hat. So kommt man nach und nach den Motiven Boutins auf die Spur, kann seinen Hass auf die Koloniale Union nachvollziehen. Diese bevormundet die Menschheit, behält ihr wichtige Informationen vor und ist keineswegs nur der Beschützer vor den brutalen Aliens, sondern auch selbst Aggressor und hat einen Großteil ihrer Probleme selbst verschuldet.

Besonders gut gelungen ist Scalzi der Konflikt in Jared Dirac. Als eine |Tabula Rasa| wird er mit einem Minimalbewusstsein in die Welt geworfen und dazu gezwungen, jemand zu werden, der er nicht ist. Eingeweihte, die um seine Geschichte wissen, wie Jane Sagan, begegnen ihm als potenziellen Verräter mit Misstrauen. Unterstützung erfährt er ausgerechnet von Boutins ehemaligem Assistenten und einem gefangenen Alien, die ihm zum ersten Mal in seinem Leben vor die Wahl stellen: Willst du weiter Boutins Spur folgen, mit allen möglichen Konsequenzen, oder nicht? Sie sind die Ersten, die Jared als eigenständige Person respektieren. Im Vergleich zu seinen Gefährten von der Spezialeinheit besitzt Jared einen ausgeprägten Eigensinn, ebenso einen gewissen Sinn für Humor. Dieser ist bei den bereits vor dem Erwachen des Bewusstseins konditionierten Spezialsoldaten sonst eher gering ausgeprägt. Dennoch schildert Scalzi auch die von den Normalgeborenen oft misstrauisch beäugten Klonsoldaten als eigenständige Persönlichkeiten. So besitzt Jareds bevorzugte Geliebte Sarah Pauling einen Sinn für Humor, während Steve Seaborg ein humorloser, eher eifersüchtiger und hinterhältiger Typ ist, der schließlich doch noch mit dem in den Augen der Spezialeinheiten spürbar „anderen“ Jared zurecht kommt. Insbesondere die Textpassagen mit Lieutenant Cloud und Jared Dirac über das etwas andere Humorverständnis der Spezialeinheit und dessen Hintergründe sind in Scalzi-Manier humorvoll, leicht und zugleich tiefsinnig.

_Fazit:_

„Geisterbrigaden“ ist ein gelungener Mix aus actionreicher Science-Fiction, Detektivgeschichte/Krimi, abgemischt mit viel Humor und dennoch tiefsinniger und abwechslungsreicher als „Krieg der Klone“. Die Hauptfigur Jared Dirac ist ein tragischer Held, der Humors Scalzis ist noch genauso trocken, ironisch und erfrischend wie in „Krieg der Klone“, aber auch hier hat er sich gesteigert: Allzu platte, klischeehafte Schenkelklopfer kommen nicht mehr vor. Zudem geht er mehr in die Tiefe, bei komplexeren und düsteren Themen, die er zuvor nur angerissen hat, wie der Ausbeutung der Spezialeinheiten, aber auch der zwielichtigen Rolle der Kolonialen Union. Interessant ist es auch, ab und an über Aktionen der Spezialeinheit aus Sicht der Aliens zu lesen, was dem Buch eine faszinierende neue Perspektive gibt, gerade weil Scalzi den Leser überrumpelt und man die Aliens anfangs oft für Menschen hält, was überrascht und zudem zur Reflexion anregt. Als Schwächen fielen mir nur einige Brüche in der Logik auf: Dass Boutin einen Groll auf die KU hegt, ist nachvollziehbar, der Verrat an der ganzen Menschheit jedoch nicht. Ebenso wenig, warum er eine Bewusstseinskopie zurückgelassen hat. Dieser Zusammenhang, den ich hier nicht vorwegnehmen möchte, wirkte ziemlich konstruiert auf mich. Ebenso unbefriedigend war die Begründung, warum der Boutin-Klon Dirac das Bewusstsein Boutins nicht vollständig angenommen hat – bei den KVA-Klontransfers geschieht prinzipiell nichts anderes.

Das hält mich jedoch nicht von einer uneingeschränkten Kaufempfehlung ab. Humor, Action und trotzdem gehaltvoll – John Scalzi weiß, wie man den Leser unterhält. Das scheint sein Markenzeichen zu werden, denn ohne zu viel verraten zu wollen: Auch der erst 2008 in Übersetzung erscheinende Band „Die letzte Kolonie“ hat mich im Original überzeugen können. Die Übersetzung von Bernhard Kempen verdient ebenfalls ein Lob; er hat den Humor und Stil Scalzis hervorragend ins Deutsche übertragen.

|Originaltitel: The Ghost Brigades
Übersetzt von Bernhard Kempen
Taschenbuch, 432 Seiten|
http://www.scalzi.com/
http://www.heyne.de

Tess Gerritsen – In der Schwebe

Als in einer um die Erde kreisenden Raumstation versehentlich Mikroorganismen freikommen, erweisen sie sich als mutiert und lebensgefährlich. Während an Bord fieberhaft nach einem Gegenmittel gesucht wird, werden ‚unten‘ schon Raketen in Stellung gebracht … – Schwammige Mischung aus (Medizin-) Thriller und Science Fiction, wobei ersterer unter zu vielen zwischenmenschlichen Problemchen und letzte unter sichtlicher Genre-Unsicherheiten leidet: wohl eher ein Werk für die Leser/innen von „Lady-Thrillern“.
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Trudi Canavan – Magier (Das Zeitalter der Fünf 2)

Band 1: „Priester“

Trudi Canavan hat sich mit ihrer ersten Trilogie „Die Gilde der Schwarzen Magier“ ihren Platz in den Bestsellerlisten erobert – und das vollkommen zu Recht. Wie wenige andere Autoren schafft sie es, sympathische Charaktere und faszinierende Völker zu zeichnen und die Spannung zum nächsten Buch immer weiter zu steigern. So auch bei ihrer zweiten Fantasy-Trilogie „Das Zeitalter der Fünf“, zu der inzwischen der zweite Band vorliegt. Dass die Kritiken des Einstiegsbandes nicht durchweg positiv waren, finde ich zwar schade, denke aber, dass es an den zu hohen Erwartungen liegt und daran, dass Canavan diesen ersten Band als Vorstellung und Einstieg in eine komplexe Reihe braucht, die im Laufe der Zeit noch mehr Faszination und Spannung entwickelt. So habe ich mit Spannung zum zweiten Teil „Magier“ gegriffen und wurde nicht enttäuscht …

Wiedersehen mit alten Freunden

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Schröder, Tanja – Hirudo – Dunkles Erbe

Hirudo – das klingt irgendwie exotisch und fremd. Tatsächlich ist Hirudo die lateinische Bezeichnung für den medizinischen Blutegel, und wenn das dem Titel von Tanja Schröders Roman auch ein wenig den Glanz nimmt, so ist die Anspielung doch zumindest treffend. Schließlich hat Tanja Schröder mit „Hirudo – Dunkles Erbe“ einen Roman über Blutsauger geschrieben.

Karen Grant ist auf der Suche nach ihrem Vater Lucas Vale. Zwar hat sie ihn nie kennengelernt, doch weiß sie aus den Geschichten ihrer Mutter sehr viel über Lucas. Dieser ist ein Vampir und hat Karen offenbar ein paar Extragene vererbt. So ist sie in der Lage, die Gedanken anderer Menschen zu lesen oder die Stimmung eines Gegenstandes zu erfühlen. Das ist eine durchaus praktische Gabe, hilft sie ihr doch bei ihrer Suche nach Lucas. Nacht für Nacht durchstreift sie die Stadt, in der Hoffnung, in den Gedanken eines Passanten den Namen ihres Vaters aufzuschnappen.

Die Ausweglosigkeit ihrer Suche ist Karen durchaus bewusst, allerdings bekommt sie unerwartet Hilfe. Jarout, ein junger Hirudo – also ein Vampir -, kennt Lucas und ist willens, Karen zu ihm zu bringen. Was die junge Frau zunächst nicht ahnt, ist die Tatsache, dass Jarout nicht aus Nächstenliebe handelt, sondern seine eigene Agenda verfolgt.

Jarout nimmt Karen mit in Lucas‘ Haus in der Nähe von Genf, doch der Hausherr ist nicht da. Stattdessen sieht sich Karen einer ganzen Familie von Vampiren gegenüber, die mal freundlich und mal hungrig gestimmt sind. Nachts schließt sie also Freundschaft mit Teilen von Lucas‘ Familie und versucht, nicht vom Rest verspeist zu werden. Und tagsüber, wenn die Hirudo schlafen, durchstreift sie das riesige Haus auf der Suche nach Hinweisen auf ihren Vater.

Tanja Schröders erster Roman ist ein seltsamer Hybrid. „Hirudo“ ist weit davon entfernt, ein schlechter Roman zu sein, aber gleichzeitig vermag er auch nicht durchgehend zu fesseln. Dazu kommen einige Kinderkrankeiten, die verhindern, dass der Roman sein volles Potenzial ausschöpft. Da wäre zum einen der hauchdünne Plot: Frau sucht ihren Vater. Daraus ließe sich selbstverständlich einiges machen: Durchwachte Nächte in staubigen Bibliotheken, das Durchwühlen alter Kirchenregister, das Streuen von Informationen und das Finden von überraschenden Helfern. Wie man eine derartige Geschichte genüsslich ausschmückt, hat Elisabeth Kostova in [„Der Historiker“ 2000 gezeigt. Tanja Schröder entscheidet sich für das Gegenprogramm. Karens Suche ist nicht mehr als die Exposition des Romans – bevor sie richtig losgegangen ist, übernimmt Jarout die Bühne und präsentiert Karen ihren Vater quasi auf dem Silbertablett. Über die Hälfte des Buches besteht dann aus Warten, nämlich dem Warten darauf, dass Karens Vater endlich von seiner Geschäftsreise heimkehrt. Schröder nutzt diese Zeit ausgiebig, um Karen das Haus durchstöbern zu lassen (da sie kaum etwas Nennenswertes findet, hält sich der Mehrwert in Grenzen) und die Mitglieder von Lucas‘ Familie vorzustellen. „Vorstellen“ ist dabei das zentrale Wort. Mehr passiert nicht, es gibt keinen Konflikt und über lange Strecken keine Bewegung in diesem Roman. Nachdem der Leser dann über hundert Seiten auf die Begegnung zwischen Karen und ihrem Vater gewartet hat, wirkt das groß erwartete Ereignis in seiner tatsächlichen Schlichtheit wie ein Antiklimax.

Dazu kommt, dass die Charaktere nicht völlig ausgearbeitet sind. Einzig Denis bleibt dem Leser in Erinnerung: Der geistig zurückgebliebene Hirudo ist offensichtlich Schröders Lieblingsfigur. Sie verwendet viel Zeit auf die erste Begegnung von Karen und Denis, der ein talentierter Maler ist und Karen in sein kleines Refugium entführt. Schröder schildert dies in einem wirklich schönen Kapitel, das letztendlich aber ins Leere läuft, da es nichts zur eigentlichen Romanhandlung beiträgt. Ähnliches wiederholt sich mit allen Bewohnern des Hauses. Sie werden dem Leser vorgestellt, ohne dass sie dann im Gesamtzusammenhang etwas zu tun bekämen. Einzige Ausnahme ist hier wohl Jarout, der seine eigenen Pläne verfolgt. Aber auch seine Motivation bleibt im Dunkeln. Schröder ist selten in der Lage, ihre Figuren für den Leser zu erhellen.

Viele dieser Kritikpunkte dürften der Tatsache geschuldet sein, dass „Dunkles Erbe“ nur der erste Teil eines Romanduos um die Hirudo ist. Vieles wird nur angedeutet – so z. B. der Ursprung der Hirudo und wie sie in unsere Welt kamen. Es ist davon auszugehen, dass all diese kleinen Appetithäppchen im Folgeroman „Blut der Finsternis“ wieder aufgegriffen werden, doch führt diese Taktik dazu, dass sich „Dunkles Erbe“ über weite Strecken wie ein Prolog liest. Wer nur den ersten Teil in der Hand hält, wird das Buch unbefriedigt zuklappen, da nichts gelöst und eigentlich auch noch kein Problem in den Raum gestellt wurde. Der Roman plätschert dahin, mehr nicht.

Einem wirklichen Lesevergnügen steht leider auch der technisch schlechte Text gegenüber, wobei unklar bleibt, ob die Schnitzer hier von der Autorin selbst oder vom Lektorat kommen. Tanja Schröder gelingen durchaus stilistisch schöne Passagen und überzeugende Bilder. Leider stehen diese in ständigem Kontrast zu so unausgewogenen Formulierungen wie „die übliche Schwelle war nicht vorhanden und leicht zu überwinden“ (Karen versucht hier gerade, in Denis‘ Geist einzudringen). Hinzu kommt, dass Tanja Schröder ein Problem mit richtigen Fallendungen hat und die Genitiv-s-Regel einfach ignoriert. Bei einem Roman mit drei Charakteren, die auf -s enden (nämlich Lucas, Denis und Seamus) ist das ein Fallstrick, den ein Lektor hätte ausbügeln müssen.

Die Hirudo sind faszinierende Geschöpfe. Schröder lehnt ihre Vampire weniger am klassischen Dracula als am modernen Lestat an. Lucas, das Familienoberhaupt, lehnt es beispielsweise ab, zu töten. Er ist empfindsam, von Schuldgefühlen geplagt und erpicht darauf, sich in die Welt der Menschen zu integrieren, auch wenn er nicht wirklich dazugehören kann. Darüber hinaus erlaubt Schröder dem Leser flüchtige Blicke auf den Ursprung der Hirudo. Ein anderer Planet? Eine andere Wirklichkeit? Eine andere Zeit? Das wird man wohl nur erfahren, wenn man sich den zweiten Band, „Blut der Finsternis“, zu Gemüte führt.

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Sandemo, Margit – Hexenjagd (Die Saga vom Eisvolk 2)

Band 1: [„Der Zauberbund“ 4365

_Story_

Obwohl sie ihr Familienglück in den Gebirgen des Eisvolks gefunden haben und von der Hatz des Vogts zunächst verschont bleiben, sind Silje, Tengel und ihre drei Sprösslinge in argen Problemen. Siljes zweite Schwangerschaft, die sie vorerst vor ihrem Gatten verheimlicht, macht das junge Mädchen unsicher, und während sie sich noch Gedanken macht, wie sie Tengel beibringen soll, dass möglicherweise ein neuer Dämon in ihr heranreift, wird ihre Familie auch schon in die Flucht geschlagen, nachdem der hinterlistige Heming seine ehemalige Sippe verraten hat.

Als letzte Überlebende fliehen sie aus ihrem neuen Heimatdorf und retten sich in die Berge. Als der Hunger jedoch immer größer wird und die neue Situation zur echten Bedrohung reift, fasst Silje einen folgenschweren Entschluss. Sie begibt sich auf den Sitz der Baronsfamilie von Meiden und konfrontiert Dags leibliche Mutter mit der bitteren Wahrheit, dass ihr ausgesetzter Sohn nach wie vor lebt. Charlotte von Meiden, die unglückliche Tochter des Barons, schenkt ihr im Gegenzug für den unermüdlichen Einsatz Sicherheit und sorgt dafür, dass Tengel und Co. auf einem neuen, noblen Landstrich ein neues Leben beginnen können – mit Charlotte und deren Mutter als beste Freunde.

Die neue Etappe im Leben der Nachfahren des Eisvolks beginnt sehr friedlich und gefahrlos; Tengel reift zum angesehenen Heilpraktiker und steigert das Ansehen seiner Familie enorm. Dennoch ahnt das Hexengericht von den verborgenen Geheimnissen des Oberhaupts und entsendet einen Späher, um Tengel hinters Licht zu führen. Viel schlimmer trifft Silje und ihre Liebsten jedoch Sols Entwicklung. Das nunmehr 14-jährige Mädchen ist von der Hexe Hanna intensiv in die magischen Künste eingewiesen worden – und scheint bisweilen nicht mehr kontrollierbar …

_Persönlicher Eindruck_

Der zweite Band der „Saga vom Eisvolk“ beinhaltet einige unverhoffte Wendungen, aber auch eine recht rasche inhaltliche Entwicklung. In diesem Zusammenhang ist vor allem erstaunlich, welches Zeitfenster Margit Sandemo hier eingeplant hat. Fast eine ganze Dekade vergeht auf den 300 Seiten von „Hexenjagd“, und berücksichtigt man den quantitativen Output, den die Autorin zur Serie im Original beigesteuert hat, hätte man schon erwartet, dass die Geschichte um Silje und Co. etwas gediegener voranschreitet. Dem ist aber sichtlich nicht so!

Dementsprechend sind die Fortschritte der Handlung enorm. Der Nachfolger zu „Der Zauberbund“ beschreibt gleich mehrere abgeschlossene, aber dennoch zusammengehörige Stränge, begonnen mit Siljes heimlicher Schwangerschaft über die Flucht aus dem Gebirge bis hin zur Verzweiflungstat, der Audienz bei Charlotte von Meiden, Dags leiblicher Mutter. Doch auch das ’neue‘ Leben der Familie Tengelssohn wird in aller Ausführlichkeit beschrieben; die unerkannt verurteilte Ketzerei, die Entwicklung von Sols zunehmenden Begabungen, aber auch das stete Familienglück, das vor allem durch die Geburt des ersten gemeinsamen Sohnes Are noch einmal bestärkt wird. All diese Geschehnisse verteilen sich über einen recht langen Zeitraum, werden von Sandemo sehr detailliert ausgeschmückt, bleiben aber dennoch spannend und kurzweilig – und das ist die wahre Kunst hinter diesem Roman.

Gerade die Tatsache, dass hier komplette, abgeschlossene Episoden aus dem Leben der Protagonisten quasi aneinandergereiht werden, ohne dabei die wesentliche Dynamik, also den Fluss der Story, zu beeinträchtigen, macht „Hexenjagd“ auf Anhieb zu einem kleinen Meisterwerk, begünstigt außerdem durch die märchenhaften Beschreibungen der Figuren und Szenarien. Es sind eben vor allem die kleinen Helden der Geschichte, diese einprägsamen, ungewöhnlichen Gestalten, die einem sofort ans Herz wachsen. Stand zuletzt noch Silje ganz deutlich im Mittelpunkt einer durchaus emotionalen Entwicklung, wird die Familie, die Verbliebenen des Eisvolks, nun etwas differenzierter betrachtet, so dass vor allem der liebevolle Tengel und die unberechenbare Sol mehr zur Geltung kommen. Sie sind die weniger transparenten Komponenten des Buchs, auf ihren unsteten Handlungen beruht schließlich auch die Spannung und generell die tolle Atmosphäre.

Hinzu kommt weiterhin diese liebevolle Stimmung, diese Harmonie, die von der Story und ihren tragenden Charakteren ausgestrahlt wird. Daher lässt sich „Hexenjagd“ auch noch weniger als „Der Zauberbund“ einem spezifischen Genre zuordnen, da die Elemente der Liebesgeschichte und auch des klassischen Dramas in den entscheidenden Passagen deutlich zugenommen haben. In dieser besonderen Mischung liegt aber auch der Reiz der bisher veröffentlichten Bände der Serie. „Hexenjagd“ ist weder klassische Fantasy noch purer Historienroman, geschweige denn eine typische Lovestory in einem opulenten Setting. Stattdessen hat Sandemo die schönsten Versatzstücke der einzelnen Genres zu einem modernen Märchen zusammengetragen, dieses in Teil zwei noch einmal in eine ganz andere Richtung gelenkt und sich insgesamt sogar durch die homogene Vielschichtigkeit der Story noch einmal steigern können. Ergo: Wer den ersten Band schon toll fand, wird den zweiten lieben!

|Originaltitel: Sagan om Ísfolket 2: Häxjakten
Originalverlag: Boknöje ab 1982
Aus dem Norwegischen von Dagmar Lendt
Taschenbuch, 304 Seiten|
http://www.blanvalet.de
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Carey, Diane / Golden, Christie – Star Trek Voyager: Endspiel

Zum zehnten Mal jährt sich der Tag, an dem das Föderations-Raumschiff „Voyager“ unter dem Kommando von Captain Kathryn Janeway nach einer Irrfahrt, die 26 Jahre währte, aus dem Delta-Quadranten zur Erde zurückkehrte. Längst ist scheinbar der Alltag eingekehrt. Janeway ist zur Admiralin der Sternenflotte aufgestiegen. Harry Kim führt inzwischen ein eigenes Schiff. Der Holo-Doktor konnte seinen Status als ‚echte‘ Lebensform wahren und ist inzwischen sogar Ehemann geworden. Tom Paris hat seinen Abschied genommen und sich als Schriftsteller einen Namen gemacht. B’Elanna Torres, seine Gattin, ist ebenfalls aus dem aktiven Flottendienst ausgeschieden, während beider Tochter Miral in die Fußstapfen der Eltern trat.

Die junge Pilotin wird zur Schlüsselfigur in Janeways geheimen Privatkrieg gegen die Zeit und das Schicksal. Die Heimkehr der „Voyager“ musste bitter erkämpft werden; viele Mitglieder der Besatzung, darunter Commander Chakotay und Seven of Nine, verloren ihr Leben. Wissenschaftsoffizier Tuvok konnte von einer Nervenkrankheit nicht rechtzeitig geheilt werden und dämmert in einer Anstalt dem Tod entgegen.

Janeway beschließt, allen Direktiven der Föderation zum Trotz die Geschichte nach ihrem Willen umzuschreiben: Sie will eine Zeitreise unternehmen und ihrem jüngeren Ich mit Hilfe der inzwischen weit vorangeschrittenen Technik die Chance bieten, eine ‚Abkürzung‘ nach Hause zu finden und so der Zukunft ein neues und erfreulicheres Gesicht zu geben. Nach großen Anlaufschwierigkeiten glückt der Sprung zurück. Captain Janeway ist zwar entsetzt über ihr desillusioniertes und zynisches Alter Ego, erklärt sich aber doch bereit, die „Voyager“ umrüsten zu lassen für die Reise durch ein Wurmloch, das just im All entdeckt wurde.

Aber die Admiralin hat dem Captain verschwiegen, dass am Eingang des Wurmlochs alte, ungern gesehene Bekannte lauern: die Borg, die hier an einem Portal arbeiten, das endlich die Invasion des Alpha-Quadranten ermöglichen soll. Dies ist das größte Geheimnis der Borg, und so ist es kein Wunder, dass die prominenteste Vertreterin der assimilierfreudigen Gesellen die Arbeiten leitet: die Königin der Borg, Einzige ihrer Art, die sich ihre Individualität erhalten hat, was sie unberechenbar und damit doppelt gefährlich werden lässt. Die „Voyager“ könnte sich trotzdem durch das Wurmloch mogeln, doch Captain Janeway fragt sich, ob man die Chance verstreichen lassen darf, das Borg-Portal zu sabotieren. Die Admiralin ist strikt gegen diesen Plan und versucht, die Besatzung der „Voyager“ gegen den Captain aufzuwiegeln. Dieser Konflikt verschafft der Königin die Zeit, Gegenmaßnahmen einzuleiten, die sich borgtypisch als sehr wirkungsvoll erweisen …

Es ist so weit: Nach sieben Jahren in den Weiten des TV-Äthers kehrt die „Voyager“ heim. Die große Odyssee endet roddenberrysch, d. h. von Bord gehen durch Erfahrung geläuterte, klüger, sogar weise gewordene oder doch wenigstens miteinander verbandelte Männer und Frauen, die zuvor noch des dramaturgisches Verzögerungseffektes wegen ein zwar ziemlich unglaubwürdiges, aber leidlich spannendes Abenteuer erleben mussten.

Diane Carey ist keine von echtem Unterhaltungsgeschick beseelte Schriftstellerin, wie schreckliche „Star Trek“-Abenteuer belegen, die sie sich selbst aus dem Hirn gewrungen hat. Lässt man sie jedoch nach Drehbuch schreiben, drechselt sie termingerecht und wahrscheinlich nach Tariflohn leidlich lesbare „Romane zum Film“, die es dem „Star Trek“-Franchise ermöglichen, einen nicht exorbitanten, aber doch respektablen und vor allem schon vorab kalkulierbaren Gewinn einzustreichen. Die Summe könnte höher sein, wenn man z. B. einen wirklich talentierten Autoren beschäftigte, aber dieses Risiko ist in der Kosten-Nutzen-Planung nicht vorgesehen, und daher reicht es, Diane Carey anzuheuern.

Das Ergebnis entspricht solchem nüchternen Geschäftsdenken. „Endspiel“ ist formal wie inhaltlich jederzeit Mittelmaß; ohne Überraschung, ohne Feuer, lebendig höchstens durch die Vorgeschichte der hier nun zum vorerst letzten Mal agierenden Figuren und die (sich freilich auch in Grenzen haltende) Spannung durch die Frage, wie diese denn nun ins (TV-)Nirwana entlassen werden.

Nicht verantwortlich zu machen ist Carey indes für die gewaltigen Löcher, die durch das lieblos zusammengeschluderte Drehbuch in die Handlung geschlagen werden. Nun sind logische Bocksprünge seit jeher typisch für „Star Trek“, was einer Science-Fiction-Serie auch gut zu Gesichte steht. Das enthebt jene, die sich über die TV-Apokalypse der Woche den Kopf zermartern, jedoch nicht der Verantwortung, für eine gewisse Stimmigkeit der erfundenen Welten Sorge zu tragen. „Endspiel“ verkauft sein Publikum schlicht für dumm; was dem Zuschauer vor einem Wirbel eindrucksvoller Spezialeffekte im Fernsehen womöglich nicht so bewusst wird, bleibt dem (des Denkens zumindest in Ansätzen fähigen) Leser nicht lange verborgen. Hier nur eine Auswahl offener Fragen:

Was treibt eigentlich die „Abteilung für Temporale Ermittlungen“ der Sternenflotte, deren gestrenge Repräsentanten wir in früheren „Star Trek“-Episoden kennengelernt haben, während Admiralin Janeway offenbar nach Belieben im Zeitstrahl herummurkst?

Was würden wohl jene Besatzungsmitglieder zu Janeways ‚Korrektur‘ der Vergangenheit sagen, die nicht nur die Reise der „Voyager“ überlebt, sondern sich in den vergangenen zehn Jahren ein neues und offensichtlich glückliches Leben aufgebaut haben? Wohl weil sie die Antwort kennt, fragt die Admiralin lieber erst gar nicht …

In den alten „Frankenstein“-Filmen der 1930er Jahre gab es im Labor des guten Doktors stets einen Hebel, der, einmal umgelegt, das Labor samt Monster in Rauch und Flammen aufgehen ließ. Realistisch ist ein solcher Mechanismus nicht, aber im Film lässt er sich weiterhin prima einsetzen, um wie hier nach 90 Minuten ein spektakuläres Ende heraufzubeschwören. Drehbuch-Autoren spart besagter Hebel eine Menge Hirnschmalz. Das haben sie sich gut gemerkt und lassen ihn seither immer wieder auftauchen. In unserem Fall treffen wir also auf der einen Seite die Borg in ihrer ganzen Pracht und Übermacht, seit Jahr und Tag emsig damit beschäftigt, eine planetengroße Bosheit zusammenzuschrauben. Dann kommt von der anderen Seite die „Voyager“ mit den Janeways im Doppelpack, halst den Borg einen ‚Virus‘ auf, und siehe da: Die Wurmloch-Wundermaschine löst sich samt böser Königin binnen weniger Augenblicke (und gerade noch rechtzeitig vor dem großen Finale) in ihre Einzelteile auf.

Keine Kritik, sondern eher eine ketzerische Frage: Welches notorisch harmoniesüchtige Franchise-Seelchen hat sich bloß die Last-Minute-Romanze zwischen Chakotay und Seven of Nine einfallen lassen? Sie wirkt nicht nur an den Haaren herbeigezogen, sondern einfach lächerlich in ihrem Bemühen, auf Biegen und Brechen ein Happy-End aus dem Hut zu zaubern.

Fazit: Ein Kann, aber kein Muss, dieses nach Schema F weniger verfasste als konstruierte „Star Trek“-Abenteuer; für das Ende einer Ära ein schwacher Abgesang, aber für den Fan natürlich Pflichtlektüre, die immerhin eher langweilt als offen ärgert.

Finn, Thomas – Letzte Flamme, Die (Die Chroniken der Nebelkriege 3)

Band 1: [„Das unendliche Licht“ 2646
Band 2: [„Der eisige Schatten“ 3610

_Handlung_

Nachdem Kai die letzten Abenteuer überstanden hat, kehrt er nach Colona zurück, denn Morgoyas Armee belagert die Stadt am Rhyn. Mitten in einem der ersten Scharmützel taucht das fliegende Schiff der Universität zu Halla auf und entscheidet diesen ersten Kampf für die Verteidiger. Doch die Freude dauert nur kurz, denn der Erzmagus Hallas, Aureus von Falkenhain, zwingt Kai dazu, dessen Lehrling zu werden, um ihm seinen „dunklen Kern“ auszutreiben, und bindet ihn mit einem Sklavenring an sich. Zudem hat er die Mitglieder des Hermetischen Ordens versteinern lassen, beginnt mit Hexenverbrennungen und hat Magister Eulertin auf eine Expedition geschickt, die fast sicher dessen Tod bedeutet. Kai kann zwar entkommen, doch seine Wege führen ihn direkt nach Albion in die „Höhle des Löwen“ vor die Klauen Morgoyas …
Finn, Thomas – Letzte Flamme, Die (Die Chroniken der Nebelkriege 3) weiterlesen

Doctorow, Cory – Backup

_Das Internet und seine Kinder._

Cory Doctorow ist eines davon, immer auf dem aktuellen Stand der Technik, in zahlreichen Weblogs unterwegs, Mitverantwortlicher von vielen Infoboards und nach eigenen Worten sehr findig darin, die Möglichkeiten des Internets zu nutzen, um seinen eigenen (Verkaufs-)Profit via kostenlos verteilter eBooks zu optimieren. Desweiteren ist er Journalist und hat in Kanada das Licht der Welt erblickt.

Bücher hat er bisher vier veröffentlicht: die Kurzgeschichtensammlung „A Place so foreign and Eight more“, den aktuellen Roman „Someone comes to Town, Someone leaves Town“ (2005), „Eastern Standard Tribe“ (2004) und „Down and out in the Magic Kingdom“ (2003), welches als einziges übersetzt wurde und als „Backup“ vor mir liegt.

_Woppel, Disney und Unsterblichkeit._

Julius, der Ich-Erzähler, geleitet den Leser in eine nicht allzu ferne Zukunft, irgendwo im 22. Jahrhundert. Es gibt keinen Tod mehr, die Menschen sind interaktive Multimedia-Stationen, die sich allerorten ein Backup machen können, eine Kopie ihres gesamten Erfahrungs- und Erinnerungsschatzes, die schlicht und einfach in einen neuen Klon-Körper geladen wird, sollte dem aktuellen Körper irgendeine Scheußlichkeit zustoßen. Krankheiten haben ihren Schrecken verloren, dem dahinsiechenden Körper wird einen Todesspritze verpasst und schon erwacht man am nächsten morgen in einem taufrischen Klon seiner selbst. Langeweile ist die schlimmste Geißel dieser Zeit, aber auch dem kann Abhilfe verschafft werden: Wer des Lebens überdrüssig geworden ist, kann entweder im Kälteschlaf darauf warten, bis interessantere Zeiten angebrochen sind, oder sich einfach die finale Spritze reinjagen lassen.

Das allerdings kommt selten vor, die Menschheit lebt nämlich in einer Zeit des Überflusses, Energie und Nahrung sind keine Mangelware mehr und deswegen wurde auch das Finanzwesen abgeschafft und so etwas wie Armut gibt es nicht mehr. Die einzige Währung, die zählt, ist der Ruf, den man genießt, gemessen in sogenannten „Woppel“. Da jeder Mensch ja eine wandelnde Multimediastation ist, kann man die Woppel seiner Mitmenschen ständig abrufen und man behandelt sein Gegenüber dann auch gemäß dieses Woppelstandes.

Organisiert ist die Gesellschaft jener Zukunft über kleine Interessengruppen, sogenannte Ad-hocs, die jeweils ihre eigene Hierarchie haben. Julius jedenfalls ist Teil eines solchen Ad-hoc, das sich in Disneyland befindet und sich samt und sonders dem „Spukschloss“ verschrieben hat. Alles läuft wunderbar, Julius (über 100 Jahre Lebensalter) lebt in einer glücklichen Beziehung mit seiner Freundin Lil (gerade mal 20 Jahre Lebensalter) und beide widmen sich voller Inbrunst der Optimierung des Spukschlosses und verfügen über einen ordentlichen Woppel-Stand.

Am Anfang der Geschichte beginnt dieses Glück allerdings zu bröckeln. Julius‘ Kumpel Dan steht plötzlich auf der Matte, einstiger Woppelmillionär und Lebenskünstler, aus irgendwelchen Gründen hat er jedoch sein komplettes Ansehen verspielt. Aber damit nicht genug, jemand hat ein Attentat auf Julius ausgeübt, ihn umgebracht, und die Indizien deuten auf die Ad-hoc-Gruppe einer gewissen Debra. Debras Lebensziel scheint es zu sein, ganz Disney World zu übernehmen, und selbstverständlich ist das Spukhaus ein besonders leckerer Happen; da Julius ihr schon immer dabei im Weg stand, sich diesen einzuverleiben, liegt es nahe, dass sie sein Ableben beabsichtigt hat.

Julius steigert sich immer übler in diesen Verdacht hinein, er geht Wagnisse ein, entwickelt eine regelrechte Paranoia und zettelt einen Krieg gegen Debra an, der weder seiner Freundschaft zuträglich ist noch seiner Beziehung noch seinen Woppel. Als er einen Sabotageakt gegen Debras „Halle der Präsidenten“ zu verüben versucht, schießt es ihm plötzlich die Lichter aus, die Multimediaschnittstelle im Hirn versagt ihm kurzzeitig den Dienst und plötzlich befindet er sich wieder in der technologischen Steinzeit …

_William Gibson und die Inflation._

Auf dem Klappentext prangt es: „Der beste Debüt-Roman seit William Gibsons Neuromancer“, so behautet es jedenfalls der |Austin Chronicle| und löst damit selbstverständlich erst mal eine gewaltige Prise Skepsis aus. So beeindruckend wie [„Neuromancer“? 521 So gut wie ein Roman, der 1987 auf einer mechanischen Schreibmaschine geschrieben wurde, der ein ganzes Genre begründete, noch heute Autoren aller Altersklassen beeinflusst und kein bisschen von seiner visionären Kraft verloren hat? Mal ehrlich, welcher Leser lässt sich von derartigen Übertreibungen noch hinter dem Ofen hervorlocken? Einen Cent für jeden Roman, der von größenwahnsinnigen Werbeleuten als das „nächste große Ding nach Tolkien“ verkündet wurde, und ich könnte meinen Brotjob an den Nagel hängen.

Also, liebe(r) Leser(in), natürlich ist „Backup“ nicht so beeindruckend wie Gibsons „Neuromancer“, aber das hat wohl auch keiner wirklich erwartet, oder? Im Gegenteil, das futuristische Setting ist relativ klassisch und die entscheidende Idee von der Unsterblichkeit via „Backups“ hat Richard Morgan in seinem [„Unsterblichkeitsprogramm“ 464 bereits wesentlich praller, bunter und abgefahrener umgesetzt, als es Doctorow in „Backup“ tut.

Das Buch deswegen zu schmähen, wäre dennoch nicht gerecht, denn unterhaltsam ist „Backup“ allemal. Es hat schon was, einem besessenen Disney-Fanatiker dabei zuzusehen, wie er sein gesamtes Lebensglück von einer Themenpark-Attraktion abhängig macht, wie er einen Krieg anfängt und alle möglichen Tricks anwendet, um sich „Woppel“ zu organisieren. Man fiebert auch mit Julius mit, wenn er sich mal wieder einen richtig riskanten Schachzug ausgeklügelt hat und ihn durchziehen will, man kann sich geradezu ausmalen, welche Auswirkungen ein Fehlschlag haben wird.

Auch hat Doctorow mit Julius die richtige Erzählperspektive gewählt; mit locker ironischem Ton führt er den Leser durch die „Bitchun-Society“ jener Zukunft und bringt ihm die Feinheiten dieser Welt sehr unterhaltsam nahe. Die Erzählperspektive sorgt dabei für Spannung, weil sie sich auf Julius beschränkt und dem Leser ausschließlich dessen paranoide Wahrnehmung übermittelt. Ständig fragt man sich, wie viel dran ist an dieser Wahrnehmung, immerhin könnte es auch sein, dass Julius‘ Freunde Recht damit haben, dass Julius einfach spinnt.

Aber über ‚unterhaltsam‘ geht das Ganze dann doch nicht wirklich hinaus; nach 285 Seiten hat man einfach das Gefühl, einen interessanten Blick geworfen zu haben in das interessante Leben einer interessanten Person in einer interessanten Zukunft. Klar, die Geschichte der Hauptfigur ist spannend, auch sein Kampf um das Spukhaus, um seine Beziehung und um seine Woppel nehmen den Leser gefangen. Trotzdem habe ich etwas Größeres erwartet als diesen Streifzug durch ein Lebenskapitel von Julius, nicht nur, weil mich der Klappentext mit „Neuromancer“ gelockt hat. Mir persönlich fehlt hier das faszinierende Element, das wirklich Visionäre. „Backup“ ist ein kluges soziologisches Gedankenexperiment, zeigt die Zukunft aber hauptsächlich im Mikrokosmos von Disney World. Wie die Welt außerhalb dieses Mikrokosmos aussieht, wird nur angerissen, und das meiste bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Um es also auf den Punkt zu bringen: „Backup“ ist unterhaltsam und spannend, aber keine Pflichtlektüre.

|Originaltitel: Down and out in the Magic Kingdom, 2003
287 Seiten
Aus dem US-Englischen von Michael K. Iwoleit|
http://www.heyne.de

Robert Charles Wilson – Darwinia

Das geschieht:

Im März 1912 ereignet sich das „Wunder“: Der Kontinent Europa verliert sein bekanntes Gesicht. Während die Topografie erhalten bleibt und alle Flüsse oder Berge noch dort zu finden sind, wo man sie seit jeher kannte, verschwinden Tiere, Pflanzen und Menschen spurlos. Die Städte, Industrielandschaften oder Felder Europas werden ersetzt durch eine bizarre, außerirdische Wildnis, bevölkert von seltsamen, meist sechsbeinigen und in der Regel giftigen Kreaturen.

„Darwinia“ wird das neue Land genannt; ein halb spöttischer Versuch, jenes auf seine Weise völlig ausgewachsen aus dem Nichts entstandene Land zu begreifen, das Charles Darwins epochale, gerade erst halbwegs akzeptierte Lehre von der allmählichen Entstehung und evolutionären Veränderung der Arten Lügen zu strafen scheint. So ist denn auch der alte, halb wissenschaftliche, halb religiöse Streit zwischen den Darwinisten und den „Naochiten“, nach deren Überzeugung Darwinia wie einst die Welt überhaupt in einem einzigen Schöpfungsakt entstand und sich seither nicht mehr verändert hat, wieder aufgeflammt. Die Evolution wird bestritten, Fossilien gelten als göttliche Spielerei, und da die Naochiten nicht nur über eine kopfstarke Anhängerschar verfügen, sondern die Darwinisten fanatisch verfolgen, droht die Forschung auf ein totes Gleis zu geraten.

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Johnson, Kij – Geheimnis der Fuchsfrau, Das

In der deutschen Fabelwelt ist der Fuchs als verschlagenes, hinterlistiges Tier bekannt. Doch das ist nichts gegen das, was man dem Fuchs im Japan des Mittelalters nachsagt. Er soll Zauberkräfte besitzen und sogar dazu in der Lage sein, sich in Menschengestalt zu verwandeln.

Tatsächlich beschreibt die Amerikanerin Kij Johnson in ihrem Buch „Das Geheimnis der Fuchsfrau“ einen solchen Fall. Kitsune, eine junge, verspielte Füchsin, lebt mit ihrem weisen Großvater, ihrer verrückten Mutter und ihrem in sie verliebten Bruder auf dem verfallenen Landsitz des Adligen Kaya no Yoshifuji. Obwohl er sich dort seit Jahren nicht mehr hat blicken lassen, beschließt der junge Mann mit seiner hübschen Frau Shikujo, seinem achtjährigen Sohn Tadamaro und der Dienerschar, nachdem er bei der bei den Neujahrsernennungen kein Amt abbekommen hat, wieder aufs Land zu ziehen. Kitsune, die äußerst neugierig ist und sich sehr für Menschen interessiert, verliebt sich unsterblich in Yoshifuji. Als ihr Großvater ihr erzählt, dass es Füchsen möglich ist, sich mit Magie in Menschen zu verwandeln, ist Kitsune hellauf begeistert.

Doch ihre Gefühle sind nicht einseitig. Yoshifuji, der sich mit seiner hübschen, stets braven Frau langweilt, verspürt eine gewisse Rastlosigkeit. Er ist nicht mit seinem Leben zufrieden und fühlt sich zu den Füchsen im Garten seltsamerweise hingezogen. Seine Frau sieht das ein bisschen anders. Ihr machen diese Tiere Angst und sie glaubt, dass sie böse sind und Seelen stehlen. Tatsächlich hat sie selbst so ihre Erfahrung mit diesen Tieren und bittet ihren Ehemann, die Füchse zu vertreiben. Doch der lässt sich nicht erweichen. Immer versessener wird er im Hinblick auf diese Tiere, und so beschließt Shikujo, ohne ihn, dafür aber mit Tadamaro in die Hauptstadt zurückzukehren. Das erweist sich als Fehler, denn zur gleichen Zeit beginnt Kitsune mit der Verwandlung in eine Frau, und sie hat nur ein Ziel: Yoshifuji …

Kij Johnson schildert in ihrem Buch eine sehr anschauliche, mythische Geschichte, die gerade Lesern aus der westlichen Kultur sehr gefallen wird, erzählt sie doch aus einem völlig anderen Kulturkreis. Das Buch spielt in der Heian-Zeit, die ungefähr dem Mittelalter entspricht, und bietet neben einer fremden Kultur dementsprechend auch einen sehr interessanten historischen Hintergrund. Kij Johnson stellt diese beiden Aspekte in der Geschichte sehr gut dar. Sie verwebt sie zu einer dichten, atmosphärischen Kulisse und erklärt in wenigen, aber anschaulichen Worten die Besonderheiten des damaligen Japans. Sie schafft es dabei, sich so knapp zu fassen, dass das Buch nicht zerfasert, sondern zu einem runden Ganzen wird.

Allerdings kommt die Geschichte trotz eines guten Anfangs nicht richtig in Gang. Die ersten Seiten erzählen von Kitsunes Geburt als Füchsin und wie sie aufwächst und ihre und die Welt der Menschen erlebt. Da aus der Tierperspektive geschrieben, ist der Anfang unglaublich interessant, stellenweise gewitzt und macht Lust auf mehr. Doch bis dann einmal Schwung in die Geschichte kommt, vergeht einige Zeit. Auf der einen Seite ermüdet es ein wenig, dass sich Johnson manchmal an Kleinigkeiten aufhält, auf der anderen Seite benötigt sie diese, um die zwischenmenschlichen Beziehungen darzustellen. In der Ehe zwischen Yoshifuji und Shikujo kriselt es und die Autorin schildert dies auf eine schleichende Art und Weise, die den Leser dazu auffordert, selbst zu erkennen, wie es um die beiden steht. Glücklicherweise gibt es aber immer wieder Phasen, in denen es im Buch flott vorangeht, und in der Summe überwiegt das Positive der Handlung.

Dazu gehören die Anschaulichkeit und die unglaublich gewandte Darstellung der Ereignisse. Johnson teilt ihr Buch in drei Erzählperspektiven auf: Kitsune, Yoshifuji und Shikujo, die jeweils aus der Ich-Perspektive sprechen. Sie schafft es dabei, zwischen den Perspektiven und dem Leser nur eine geringe Distanz zu belassen. Man kann direkt verfolgen, was die Hauptpersonen bewegt, was sie denken und wie sie verschiedene Ereignisse erleben. Die Charaktere sind ungewohnt gut ausgearbeitet. Sie haben Ecken und Kanten, Geheimnisse und geheime Wünsche und wirken menschlich und bodenständig, keinesfalls heroisch. Es scheint, als ob Johnson tatsächlich bis in die verstecktesten Winkel der Persönlichkeiten vorgedrungen wäre, und dies macht einen großen Teil des Zaubers dieses Buches aus.

Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an diesem Zauber hat auch der Schreibstil. Die amerikanische Autorin erzählt leichtfüßig, anschaulich und bildhaft und verwendet viele (Farb-)Adjektive, so dass man sich alles sehr gut vorstellen kann. Außerdem benutzt sie virtuose Metaphern, allerdings nicht im Übermaß, sondern wohldosiert. Insgesamt ist der Schreibstil sehr unaufdringlich und auf subtile Art und Weise beeindruckend. Dass Johnson dies den ganzen Roman hindurch beibehält, verdient großes Lob.

Mit „Das Geheimnis der Fuchsfrau“ ist Kij Johnson ein exotisches und anmutiges Buch gelungen. Ihr Erzählstil zieht in den Bann und erfreut durch seine Anschaulichkeit; die interessanten Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet. Einzig die Handlung ist an einigen Stellen etwas zu langatmig, doch das wird durch die restliche Qualität des Buches schnell wieder aufgewogen.

http://www.piper-verlag.de

Simak, Clifford D. (Hg.) – Theodore Sturgeon: Der Bonsai-Mensch und andere Nebula-Preis-Stories Nr. 3

_Inquisition und der Besuch von Dr. Death_

Dieser |Moewig|-Auswahlband enthält mit dem |Nebula Award| ausgezeichnete und dafür nominierte Science-Fiction-Storys aus dem Jahr 1970, darunter Erzählungen von Theodore Sturgeon, Gene Wolfe, Fritz Leiber und Joanna Russ.

_Der Herausgeber_

Clifford D. Simak (1904-1988) ist einer der großen alten Meister des Science-Fiction-Genres. Obwohl er von 1929 bis 1976 als Journalist für Zeitungen arbeitete, konnte er ab 1938 mit einfallsreichen und gefühlvollen Erzählungen und Romanen einen festen Leserstamm gewinnen sowie mehrere wichtige Genre-Preise einheimsen. Und das selbst dann noch, als er schon 77 Jahre alt war.

Sein Schauplatz ist fast immer das ländliche Wisconsin, sein hauptsächlicher Protagonist ein alter weiser Mann, der sich durch Toleranz gegenüber anderen Lebewesen auszeichnet, und seien sie auch so verschieden wie Aliens. In „Way Station“ (1963) spielt ein alter Farmer Bahnhofsvorsteher für eine Durchgangsstation von Außerirdischen. Aber manchmal liegt auch Melancholie über seinen Erzählungen, so in dem Episodenroman „City“ (1952), dessen einzelne Storys darauf beruhen, dass sich Roboter und intelligente Hunde an die verschwundenen Menschen, ihre einstigen Herren, erinnern.

Lustig und verrückt sind seine Slapstick-Romane „The Goblin Reservation“ (1968) und „Out of their minds“ (1970). Simak kann man immer lesen, ganz gleich in welcher Generation, meint das „Heyne SF Lexikon“, und das ist absolut zutreffend, denn mit Computern oder Gentechnik hatte Simak wenig am Hut. 1976 erhielt Simak von seinen Kollegen, den „Science Fiction Writers of America“ (SFWA) den |Grand Master Nebula Award| für sein Lebenswerk. Es sollte noch zwölf weitere Jahre und einige Romane mehr dauern, bis er sich endgültig zur Ruhe legte.

_Die Erzählungen_

1) _Theodore Sturgeon: Der Bonsai-Mensch_ (Slow sculpture)

Eine junge Frau ohne Namen lernt einen kuriosen Mann ohne Namen kennen. Er ist Ingenieur und hat das Elektroskop erfunden, mit dem er auch den Gesundheitszustand von Lebewesen untersuchen kann. Dass er in seinem Haus der Kunst der Pflanzenveredelung durch Bonsai frönt, macht ihn ihr sehr sympathisch, doch die junge Frau hat Angst, dass er sie noch mehr über den Knoten in ihrer Brust, von dem sie ihm unbedacht erzählt hat, fragen wird. Es stellt sich heraus, dass er sie nicht danach fragen, sondern sie davon heilen will. Mit einer einfachen Injektion!

|Mein Eindruck|

Es geht um also um Bonsai und ein Krebsheilmittel, eine zunächst unwahrscheinlich klinge Kombination. Doch Sturgeons Geschichten sind selten konventionell und stets kommt darin seine Liebe zu Außenseitern zum Ausdruck. Der Ingenieur ist ein solcher Außenseiter, denn man hat seine Erfindungen erst gekauft und ihn dann in die Wüste geschickt. Wer würde ihm wohl jetzt glauben, dass er Krebs heilen kann? (Das genaue Verfahren wird im Text beschrieben, aber es hier wiederzugeben, würde zu weit führen.)

Aus diesem Grund misstraut er auch der jungen Frau. Wird sie ihn nicht ebenso verraten wie all die anderen dort draußen? Eine Krebsheilung kommt ja einem kleinen Wunder gleich, und dieses will die Welt stets haarklein erklärt haben, damit es keines mehr ist und die Menschen daran glauben können. So als ob es erst einer Autorität bedarf, die das Wunder absegnet. Wie kleingläubig doch die Menschen sind!

Sie hingegen will ihm nur danken. Sie hat den Glaubenssprung bereits getan, und auch wenn der Knoten erst in zwei Wochen verschwunden sein mag, so werde sie ihm doch bereits danken. Und sie hat ihm selbst ein Geschenk zu machen. Wie man einem Menschen zu vertrauen lernt, nämlich so, wie man einen Bonsaibaum dazu bringt, in die Richtung zu wachsen, die man sich wünscht: durch Toleranz und Fürsorge.

Wie viele von Sturgeons Storys weist auch diese mit dem NEBULA ausgezeichnete Erzählung keinerlei Action auf, bewegt aber deswegen umso im menschlichen Bereich. Wundervoll.

2) _Keith Laumer: In der Schlange_ (In the queue)

Hestler hat fast sein ganzes Leben in der Warteschlange verbracht, doch heute erreicht er sein Ziel: das Fenster! Er hat sein eigenes fahrbares Zelt aufgebaut, um die jahrelange Wartezeit überstehen zu können. Seine Verwandten warten schon darauf, dass er vorankommt und seine Formulare in zwölffacher Ausfertigung abgibt.

Zum Glück ist keiner von ihnen gestorben, so wie es dem armen Kerl zwei vor ihm ergeht. Er muss gehen, um jede Menge Genehmigungen und Bestätigungen einzuholen – und darf wahrscheinlich jahrelang warten, bis er wieder an der Reihe ist. Manche bringen sogar ihr ganzes Leben in der Schlange zu. Platzspringer werden nämlich gnadenlos rausgeworfen, abgeführt, bestraft. Dafür sorgen nicht nur die Reihenpolizisten, sondern die Schlangesteher selbst.

Endlich ist Hestler alle seine Formulare losgeworden, es gibt nicht eine einzige Beanstandung – ein Wunder! Er ist frei, erst 47 Jahre alt und könnte nun tun, was ihm beliebt. Doch was soll er nur mit all der vielen Zeit anfangen …?

|Mein Eindruck|

Der Leser kommt sich vor wie in einer jener absurden kleinen Storys von Philip K. Dick, wenn die Maschinen zu diskutieren anfangen und irgendwelche Rituale ausführen. Laumer hat lediglich das Phänomen des Schlangestehens genommen und es bis zur Absurdität vergrößert und verallgemeinert. Nun besteht das ganze Leben aus Schlangestehen, denn es gibt für alle Bürger nur ein einziges Amt, und dieses stellt nur ein einziges Fenster mit einem Mitarbeiter zur Verfügung.

Doch das Schlangestehen ist wie das Leben selbst voller Dramen. Dass das Schlangestehen an sich falsch sein könnte, auf diese Idee kommt jedoch niemand – dafür hat die Regierung schon gesorgt, indem sie entsprechende Gesetze erließ. Diese Regierung ist offenbar nicht jene, die in Zeiten der Großen Depression Suppenküchen bereitstellte, um die Armen zu speisen, sondern eine, die mehr den Ruch des Sozialismus verströmt.

Das ist natürlich für Amerikaner ein Unwort und wirft die Frage auf, auf welcher politischen Seite der Autor eigentlich steht. Durch die überspitzte Darstellung der Warteschlange gibt er das unamerikanische Phänomen der Kritik preis. Und wenn dieses Phänomen sozialistisch ist, so steht der Autor wohl rechts von der Mitte, vielleicht auf Seiten der Republikaner, die schon immer auf die Yankee-Tugend des Do-it-yourself gesetzt haben.

3) _Gene Wolfe: Dr. Deaths Insel und andere Geschichten_ (Dr. Death’s island and other stories)

Tackman Babcock ist vielleicht acht oder neun Jahre alt, als ihm sein großer Bruder Jason einen Schundroman kauft: „Dr. Deaths Insel“. Darin besitzt Dr. Death eine Insel in der Gegend von Indonesien und führt dort schreckliche Experimente durch. Diese dienen dazu, die Intelligenz von Tieren auf menschliches Niveau zu bringen und den Tieren das Sprechen beizubringen. Tiermenschen, das ist es, was der Gestrandete, Captain Philip Ransom, hier antrifft, und er ist davon nicht sonderlich erbaut. Als Dr. Death ihn gefangen nimmt und ihm an der schönen Gefangenen namens Talar von Lemuria demonstriert, was er mit ihm vorhat, bahnt sich eine Katastrophe an …

Tackies Mama bekommt Besuch von Dr. Black, einem Mediziner, und von Tackies beiden Tanten Julie und May. Tackie lernt Philip Ransom und Dr. Death kennen, doch das ist noch gar nichts gegen die Kostümparty am nächsten Abend. Talar von Lemuria, die an Ransoms Arm den kleinen Tackie entdeckt, ist nur mit einem Haufen Schmuck bekleidet, und Dr. Death lauert in der Ecke, um Tackie ein schreckliches Schicksal anzudrohen.

Als Tackie bei seiner Mutter Trost vor diesen Schrecken sucht, sieht er, wie Dr. Black etwas in Mutters Armbeuge spritzt. Er läuft zur Nachbarin und die ruft die Polizei zu Hilfe. Wollte Dr. Death seiner Mutter etwas antun, fragt sich Tackie bang. Wird er sie verlieren? Werden die Tiermenschen erscheinen? Wo ist Captain Ransom, wenn man ihn braucht?

|Mein Eindruck|

Diese wundervolle Story verpasste den |Nebula Award| nur um eine Stimme, die falsch abgegeben wurde. (Das war eine wahrlich denkwürdige Abstimmung, die in die Annalen einging!) Sie gehört zu einer Triologie aus Erzählungen, die alle mit den Substantiven Doktor, Tod und Insel spielen, so etwa „Der Tod des Dr. Island“ (dt. bei Heyne, Band 06/3674).

Die Story weist Gene Wolfe nicht nur als einfallsreichen und frechen Erzähler aus, sondern auch als gewieften Stilisten. Während Tackies Geschichte in der Du-Perspektive und im Präsens erzählt ist, bleibt die eingeschobene Schundromangeschichte dem gewohnten Präteritum aller Schundromane verhaftet. Auf diese Weise sind die zwei inhaltlichen Ebenen grammatisch sofort erkennbar.

Allerdings vermischen sie sich inhaltlich in der Partyszene, wie oben angedeutet, und zwar auf eine geradezu phantasmagorische Weise, als wandle Tackie zwischen Realitätsebenen hin und her. In seinem Erleben sind Schundroman und eigene Realität miteinander verwoben, weil er sie nicht unterscheidet. Dadurch kommt es zu einer Überlagerung der Realität durch die angelesene Fiktion, die zu einem Irrtum führt. Denn Dr. Black ist keineswegs ein Dr. Death, sondern will Tackies Mutter helfen. Aber der Irrtum deckt Mutters Krankheit auf, und Tackie muss ins Waisenhaus.

Dass der Schundroman eng an den mehrfach verfilmten H. G. Wells‘ Klassiker „Die Insel des Dr. Moreau“ angelehnt ist, dürfte jedem Kenner sofort auffallen. Durch seine Behandlung dieses Vorbilds erreicht Wolfe mehrere Ziele: a) Wells wurde für Schundromane missbraucht – eine Textkritik; b) Schundromane können die Phantasie kleiner Jungs ganz schön anheizen und dabei zu ungeahnten Ergebnisse bei der Interferenz mit der Realität führen – eine Wahrnehmungskritik. Sollten also Schundromane generell kleinen Jungs verboten werden – eine moralisch-ethische Frage, der sich der Autor durch seine Ironie entzieht und dem Leser die Entscheidung überlässt.

4) _Fritz Leiber: Verhängnis in Lankhmar_ (Ill met in Lankhmar, NEBULA)

Dies ist das erste Abenteuer, das das berühmte Abenteurerpaar [Fafhrd und der Graue Mausling 2340 gemeinsam besteht. Nachdem sie zwei Angehörigen der Diebesgilde von Lankhmar Juwelen abgenommen haben, verteilen sie die Beute an ihre jeweiligen Freundinnen Vlana und Ivriana. Doch durch ihre Tat haben sie sich den Zorn der Diebesgilde zugezogen, und deren Großmeister Kovras veranlasst seinen Zauberer Hristomilo, das Werk der Rache auszuführen.

Weil die beiden Damen ihre Freunde der Feigheit vor den Dieben geziehen haben, ziehen die beiden Gefährten los, um das Haus der Diebe auszukundschaften. Sie machen unangenehme Bekanntschaft mit Hristomilo und Kovras, können jedoch über die Dächer entkommen. Als sie Mauslings Heim wieder erreichen, erwartet sie ein schrecklicher Anblick: Ratten haben die beiden Herzensdamen angefressen. Die Rache der beiden Gefährten ist furchtbar und folgt auf dem Fuße …

|Mein Eindruck|

Wie man sieht, fallen die Abenteuer von Fafhrd und dem Grauen Mausling in das Genre der |Sword and Sorcery|, also Schwerter und Zauberei. Fritz Leiber begründete mit diesen rund sechs Büchern, die zahlreiche Erzählungen umfassen, einen separaten Zweig innerhalb der Fantasy, der einerseits im Verbrechermilieu angesiedelt ist, andererseits viel mit Magie zu tun hat. Später baute hierauf die Shared-World-Serie „Die Diebe von Freistatt“ auf, die einigen AutorInnen ein gutes Auskommen verschaffte (dt. bei |Bastei Lübbe|).

Die Abenteuer sind stets abwechslungs- und actionreich, doch die Helden werden selbst ebenfalls überlistet. Das farbenfrohe Milieu ist angelehnt an die Märchen aus Tausendundeiner Nacht, doch die Magie entstammt dem finsteren Mittelalter Europas. Hier lassen sich in der Tat sehr vielfältige Plots ansiedeln. Einen brachialen Conan wird man hier aber nicht antreffen, denn für einen solchen Muskelprotz ist neben Fafhrd und dem Graue Mausling, zwei gewitzten Streunern, kein Platz.

Die Übersetzung ist an manchen Stellen holprig und sogar irreführend (sie verwechselt Vlana mit Ivrian). Ich empfehle daher die Version in dem Sammelband „Schwerter im Nebel“ (|Heyne| 06/4287).

5) _R. A. Lafferty: Fortsetzung auf dem nächsten Stein_ (Continued on next rock)

Dies ist die Story von der wahrscheinlich verrücktesten Archäologenexpedition der Literaturgeschichte. Fünf Archäologen finden sich über dem Green River im Nordwesten der USA zu einer Grabung ein, doch das fünfte Mitglied, Magdalen, ist nur eine Hilfsarbeiterin. Ihre hellseherischen Fähigkeiten verblüffen die anderen immer wieder. Sie weiß, wo ein bestimmtes Stück Wild zu finden ist und dergleichen. Nicht genug damit, nun taucht auch noch ein alter Mann auf, der sich Anteros (= Gott der unerfüllten Liebe) Manypenny nennt und weiß, wo in der geheimnisvollen Felsnadel, an der sie graben, ein bestimmtes Artefakt eingeschlossen ist. Merke: Er kann in den Fels hineinsehen!

Nicht genug damit, beginnen die gefundenen Artefakte eine Geschichte zu erzählen, und da sie auf drei Objekten – aus verschiedenen Zeiten, wohlgemerkt – stehen, steht jeweils am Ende ein mysteriöses Zeichen. Es ist natürlich Magdalen, die es als „Fortsetzung folgt auf dem nächsten Stein“ interpretiert. Die Geschichte besteht aus den Angeboten eines reichen Mannes an eine Angebetete oder an einen Gott, der mit seinem Reichtum prahlt und wirbt.

Die Archäologen sind konsterniert, um es gelinde auszudrücken. Aber es scheint eine enge Verbindung zwischen Geist und Stein zu bestehen. Die Analogie wird weitergetrieben. Als die Felsnadel durch eine Explosion zerstört wird, verschwinden erst Anteros, dann Magdalen, schließlich auch die Erinnerung an die beiden. Als eine Statue aus der Felsnadel geborgen wird, die wie Anteros aussieht, wundern sich alle. Ob hierauf wohl die Geschichte der Indianer fortgesetzt wird?

|Mein Eindruck|

Der Amerikaner Raphael Aloysius Lafferty ist ja bekannt für seine ungewöhnlichen Ideen und Erzählweisen, und diese seine Story stellt selbst den SF-Leser vor Herausforderungen. 1914 in Iowa geboren, arbeitete er 35 Jahre lang als Elektriker. Erst mit 45 Jahren begann er zu schreiben und hatte auf Anhieb Erfolg. Mit seinen geistreichen Schnurrpfeifereien gewann er die Gunst der Leser und 1973 sogar den bedeutenden |Hugo Gernsback Award|.

In dieser Erzählung bekommen wir so ganz nebenbei die Archäologie der indianischen Völker Mittel- und Nordamerikas mitgeteilt, aber nicht etwa trocken und akademisch, sondern mit Leben und Bedeutung erfüllt. Obendrein handelt es sich um eine witzige Geistergeschichte, wie das Auftauchen von Anteros und Magdalen belegt. Magdalen lässt einen der Forscher, Robert, abblitzen, als er ihr Avancen macht. Dass es erotische Spannungen gibt, wird nur unterschwellig, durch die Blume, mitgeteilt, aber man kann diese Hinweise finden.

Die Story mag vielleicht keinen offensichtlichen Sinn ergeben, aber einen symbolischen. Setzt man Schichten des Geistes (inkl. Unterbewusstsein, Gedächtnis usw.) und geologische Schichtungen gleich, dann ergeben sich daraus zahlreiche Folgerungen. Diese spielt Lafferty wortwörtlich durch. Auf einer übertragenen Ebene wird hier also Bewusstseinesarchäologie betrieben.

6) _Harry Harrison: Am Wasserfall_ (By the falls)

Der Reporter Carter besucht den Mann Bodum, der seit vierzig Jahren am Wasserfall lebt. Der Wasserfall ist so groß und so breit, dass niemand ihn je überwunden hat. Und er donnert derart laut, dass Carter schon nach wenigen Minuten fast taub ist. Bodum jedenfalls hat sein Gehör schon fast gänzlich eingebüßt, und so muss Carter brüllen, um sich verständlich zu machen.

Das stabile Haus steht direkt an einer Klippe neben dem Fall, und durch das vibrierenden Panzerglas der Fensterscheibe kann Carter auf den Wasserfall schauen. Etwas Schwarzes kommt heruntergefallen, dann etwas, das wie ein ganzes Schiff mit Passagieren an der Reling aussieht, dann färbt sich der Wasserfall rot – blutrot. Bodum bekommt davon nichts mit und will auch nichts davon wissen, dass dort oben, jenseits des Falls, eine andere Welt sein könnte.

Alles, was er vom Fall weiß, ist, dass ein schwarzes Hund angespült wurde und ein Fetzen Papier, auf dem in Krakelschrift HILFE steht …

|Mein Eindruck|

Es ist eine Geschichte über das Ende der Welt. Nur mit einem etwas verschobenen Blickwinkel. Mal angenommen, der Wasserfall bilde wirklich, wie man im Altertum glaubte, das Ende der Welt, also den Rand der Weltenscheibe, dann könnte er wirklich so groß wie ein Ozean sein. (|Scheibenwelt|-Leser wissen, was gemeint ist.) Dann färbt sich dieser Ozean auf einmal blutrot, was auf eine entsprechende weltumspannende Katastrophe hindeutet, möglicherweise auf einen Krieg.

Die Erzählung zeigt zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Der Reporter ist, wie es seine Art und Aufgabe ist, neugierig auf dieses Phänomen des Untergangs einer noch nie gesehenen Welt, doch Bodum ignoriert diese neue Welt, so gut es geht. Es geht ihn nichts an. Er ist ja eh schon so gut wie taub, und nach 40 Jahren hat er gelernt, nicht nur den Lärm des Falls zu ignorieren.

Was mag der Fall wohl in unserer Wirklichkeit symbolisieren? Ist er das Informationsbombardement, dem wir ständig ausgesetzt sind? Dass er eine Barriere für die Wahrnehmung ist, scheint der, ähem, Fall zu sein. Und diese Barriere schirmt uns vor dem ab, was als Katastrophe in der nächsten Welt gerade passiert. Der Wasserfall ist eine physische Barriere, doch in unserer Realität trennt uns nur eine psychische Barriere davon, uns um die Katastrophen nebenan zu kümmern.

Das war 1970. Heute ist die Welt ein Dorf geworden, und ich denke, die Weihnachtskatastrophe des Tsunami 2005 hat gezeigt, dass unsere Hilfe auch unsere Mitmenschen erreicht, selbst wenn sie 10.000 Kilometer entfernt leben.

7) _Joanna Russ: Die Zweite Inquisition_ (The second inquisition)

Ein sechzehnjähriges Mädchen erinnert sich an den Sommer 1925, als ihre Familie eine sonderbare Frau als Gast bei sich aufnahm, um etwas Geld hinzuzuverdienen. Der Vater ist nur Buchprüfer und herzkrank, kann also nichts verdienen. Die Frau ist deshalb so sonderbar, weil sie sich ganz in Schwarz kleidet, kurzes Haar trägt und mehr als zwei Meter groß ist. Der Buchprüfer Ben lehnt dies kategorisch ab, aber er schweigt, weil er das Geld braucht. Und seine Frau sagt immer nur: „Die arme Frau, die arme Frau.“

Nun, die arme Frau hat einen Plan und mischt sich in das Leben des sechzehnjährigen Mädchens ein. Sie gibt ihr einen unanständigen Roman mit dem Titel „Der grüne Hut“ zu lesen (was zu einer Gardinenpredigt Bens führt), zeigt ihr seltsame Zeichnungen und erzählt ihr von den Kreaturen aus Wells‘ Roman [„Die Zeitmaschine“, 3578 den das Mädchen ebenfalls begeistert gelesen hat. Natürlich gibt es weder Morlocks noch Eloi und erst recht keine Transtemporale Militärbehörde. Oder?

Doch dann lernt das Mädchen auf einer Party im Country Club einen Mann kennen, der ebenso groß ist wie die sonderbare Frau und der keine gute Meinung von den Erdenmenschen hat. Was fällt ihm ein? Die Sonderbare entführt kurzerhand ein Auto und fährt das Mädchen zu ihrem Heim, um dort etwas vorzubereiten, von dem das Mädchen überhaupt nichts begreift. Was soll sie bloß mit einem heißen Schürhaken und einer Tasse giftigen Salmiakgeistes anfangen? Doch als der sonderbar große Mann eintritt und die sonderbare Frau bedroht, geraten die Dinge außer Kontrolle …

|Mein Eindruck|

Was würde passieren, wenn deine Enkelin, die älter aussieht als du selbst, 150 Jahre in der Zeit zurückreisen würde, um dich vor einer kommenden Gefahr zu warnen oder dich um deine Hilfe zu bitten? Nun, sie würde erstmal ziemlich deplatziert und sonderbar aussehen und du würdest ihr zweitens kein einziges Wort glauben, weil sie als Mensch ebenso unglaubwürdig ist wie ihre Geschichte, die sie dir erzählt.

Doch was würde passieren, wenn noch weitere Besucher aus der Zukunft kämen – durch eine Art Spiegel oder so – und würden deine Enkelin bedrohen, sie in ihre eigene Zeit zurückzerren und dich obendrein mit dem Tod bedrohen, weil du alles gesehen hast? Nun sieht die Angelegenheit zwar tausendmal schrecklicher aus, aber du könntest wenigstens den Gedanken wagen, dass es Morlocks gibt. Und wo Morlocks sind, könnte es vielleicht sogar Eloi geben. Und eine Zeitmaschine. Und womöglich sogar – Gott verhüte! – eine Transtemporale Militärbehörde, die auf sie alle Jagd macht.

Und dann könntest du vielleicht anfangen, einen schwarzen Dress zu nähen, der ein wenig so aussieht wie die Uniform einer Morlockkriegerin. Aber das Ding sieht dann auch irgendwie lächerlich aus, nicht wahr? Aber für wie lange …

Viele solcher Zeitreisegeschichten, z. B. „Zurück aus der Zukunft“, handeln vom Besuch bei den Vorfahren, aber nur wenige machen sich Gedanken darüber, was das für den Besuchten bedeuten könnte. Hier ist es ein namenloses Mädchen, das von seiner namenlosen Enkelin besucht wird. In der Zukunft tobt ein transtemporaler Krieg, wie ihn sich H. G. Wells nicht schlimmer hätte ausdenken können. Soll die Enkelin ihre Vorfahrin wirklich dadurch in Gefahr bringen? Sie versucht, sie zu schützen und schafft es mit knapper Not unter Opfern. Dass dies nicht ohne Folgen auf die Vorfahrin bleiben kann, versteht sich, aber wie werden diese aussehen? Sie will ja nicht als Alien durch die Gegend laufen und bald mal heiraten.

Was dies alles mit der Inquisition zu tun hat, wird wohl das Geheimnis der Autorin bleiben. Sie ist offenbar mehr der klassischen Moderne wie etwa Virginia Woolf verpflichtet als dem Stil der Pulp-Fiction-Autoren alter SF.

_Unterm Strich_

Der Auswahlband ist meines Erachtens ein schönes Beispiel dafür, wie Science-Fiction sich mit den sich wandelnden Bedingungen menschlicher Existenz auseinandersetzt („Fortsetzung“, „Bonsai-Mensch“, „In der Schlange“), andererseits aber mit verhängnisvollen Begegnungen für Jugendliche das innere Erleben der Hauptfiguren so interessant zu gestalten vermag, dass man selbst neugierig darauf wird, wie die – meist ziemlich verrückte – Geschichte ausgeht.

Ziemlich aus dem Rahmen fällt natürlich die Fantasynovelle „Verhängnis in Lankhmar“, die später den Titel „Das Haus der Diebe“ erhielt. Was hier nach purer Lust am Abenteuer und an Magie aussieht, entbehrt durch den Verlust der beiden Frauen nicht einer gewissen tragischen Tiefe. Überhaupt mag den Leser verwundern, dass eine Fantasystory in den Band aufgenommen wurde, aber es nun mal so, dass die Amerikaner keinen großen Unterschied zwischen den Genres SF und Fantasy machten, und viele ihrer Autoren in beiden Genres tätig waren, selbst Clifford Simak.

Die Übersetzung gerade dieser Story ist nicht gerade optimal gelungen, und auch bei den anderen Beiträgen neige ich zur Vorsicht und Skepsis. Manchmal findet sich eine bessere Alternative, so etwa bei der Leiber-Novelle.

Die Reihe der „Nebula Award Stories“ wird meines Wissens bis heute fortgeführt. Viele der Preisträger tauchen in den Auswahlbänden „Year’s Best SF“ wieder auf. Ganz nebenbei kann sich der deutsche Leser so auf dem Laufenden halten, was in der SF den Ton angibt, denn deutschen Story-Anthologien mit angloamerikanischen Beiträgen muss man seit 2001, als |Heyne| seine Anthos einstellte, mit der Lupe suchen.

Mit den alten |Moewig|-Auswahlbänden bietet sich Einblick in eine der interessantesten Epochen der US-SF, nämlich nach der New Wave und der Abschaffung von Zensurbestimmungen im Jahr 1967 oder 1968. Dadurch erhielten die Autoren sowohl stilistische als auch inhaltliche Freiheiten, die sie zu Neuerungen anspornten. Ich würde aber nicht sagen, dass diese unbedingt schon in diesem Band zu finden sind, es sei denn man, zählt die Story von Lafferty zu den innovativen.

|Originaltitel: Nebula Award Stories 6, 1971
Aus dem US-Englischen von Rosemarie Hundertmarck|

Parzzival, S. H. A. – Blutkriege (TITAN-Sternenabenteuer 30)

_Story_

Während die gesamte Weltbevölkerung die Besatzung der TITAN bei ihrer Rückkehr feiert und sich dankbar für die Rettung vor den Emotionsrebellen zeigt, ist Shalyn Shan weiterhin damit beschäftigt, das Rätsel um ihre Geliebte Monja Anjetta zu lösen. Gemeinsam mit Wernher von Witzleben verfolgt sie eine heiße Spur, die sie bis nach Managua führt, wo sie Zeugin einiger grausamer Reality-Shows wird. Allerdings erweist sich die Fährte der selbsternannten Fledermaus als Trugschluss, da der verbliebene Drilling in einem interaktiven Killerspiel das Zeitliche segnen musste. Von Witzleben gibt jedoch nicht auf und verspricht sich von einem befreundeten Voodoo-Vampir Aufschluss über die jüngsten Ereignisse. Dieser wiederum verfügt über die Fähigkeit, ins Reich der Toten einzutauchen und dort Informationen über Monjas Herkunft zu erhalten. Allerdings ist der Preis unendlich groß …

Unterdessen dauert der kalte Krieg zwischen Michael Moses und der Weltregierung an; die World Police entsendet einen Agenten, um den Leiter des weltweit größten Wirtschaftsimperiums festzunehmen und für seine hinterhältigen Machenschaften zu bestrafen. Doch Moses kennt Mittel und Wege, sich solcher Schergen zu entledigen. Ebenso wie Wernher von Witzleben, dessen Verhalten im Beisein Shalyns immer kurioser wird. Doch scheinbar ist die Fledermaus auf endlich auf der richtigen Spur.

_Persönlicher Eindruck_

Nach einem vierteiligen Interludium wendet sich in den TITAN-Sternenabenteuern wieder das Blatt zugunsten der Suuranerin Shalyn Shan und ihrer Suche nach den Drahtziehern der jüngsten Anschläge sowie der Identität ihrer neuen Lebensgefährtin. Stammautor S. H. A. Parzzival nimmt den Faden aus „Krakentanz“ gekonnt auf und präsentiert in „Blutkriege“ seine bislang beste Arbeit innerhalb dieser Serie, festzumachen an einer temporeichen Handlung und einigen irrwitzigen Wendungen. Der Schritt zurück in die klassische Science-Fiction scheint also seine ersten Früchte zu tragen …

Die neue Geschichte beginnt schon äußerst brisant: Wernher von Witzleben, das Kuriosum schlechthin, bedroht den Sicherheitschef der CRC, Thomas Chaivelli, mit einer Waffe und zählt bereits dessen letzte Sekunden. Ohne lange Einleitung wird der Leser sofort vor den Kopf gestoßen, da eine derartige Konfrontation aus der bisherigen Vorgeschichte sicherlich nicht abzuleiten war. Was es indes damit auf sich hat, erfährt man anschließend in einem ausführlichen Rückblick auf den vorangegangenen Tag, dem vielleicht merkwürdigsten im Leben der Protagonistin Shalyn Shan. Zurück auf der Erde, erfährt sie von menschlichen Gräueln, mörderischem Live-Entertainment und der Existenz einer anderen Ebene des Daseins, in der einige Auserwählte mit den Toten kommunizieren können. Als wäre dies nicht genug, muss sich die verwirrte Dame mit einem völlig ausgeflippten Kollegen herumschlagen, der einerseits als rücksichtsloser Killer agiert, andererseits aber auch des Öfteren in die Rolle des ungeschickten Liebhabers schlüpft. Dementsprechend mangelt es der Story an keiner Stelle an Humor; die grundlegende Erzählung ist allgemein schon ziemlich verrückt und wagemutig, doch einzelne Passagen sprengen diesbezüglich noch einmal den Rahmen, so zum Beispiel, als Wernher von Witzleben plötzlich unbekleidet in Shalyns Schlafkabine steht und mit seinen ‚Reizen‘ prahlt. Ohne Worte, dank der außergewöhnlichen Beschreibung der individuellen Szenen aber jederzeit für ein anhaltendes Schmunzeln gut.

Davon abgesehen hat es sich Parrzival mehr denn je zur Aufgabe gemacht, aktuelle politische Ereignisse in die Handlung aufzunehmen; die Kleinkriege zwischen Wirtschaftsunternehmen und Regierung sind zwar in diesem Sinne nicht außergewöhnlich, jedoch in der stringenten Erzählform durchaus authentisch dargebracht. Gleiches lässt sich für so manch kruden Fakt sagen, der hier mit unterschwelligen Sticheleien abgearbeitet wird, so zum Beispiel der extreme Querschläger in Richtung Reality-Shows, der in der überzogenen Form erst seine wahre Wirkung zeigt. Nicht schlecht gemacht!

Allgemein darf man für das 30. Sternenabenteuer der TITAN-Crew festhalten, dass der altgediente Plot nach einer ungefähr einjährigen Pause noch einmal so richtig aufgefrischt wurde und man dank des Verzichts auf die peinlichen Social-Fiction-Inhalte auch im Strang um Shalyn, Monja und Co. endlich wieder dort angelangt ist, von wo man mit dem Beginn der neuen Serie langsam aber sicher Abschied feierte. „Blutkriege“ ist ein durchweg spannender Science-Fiction-Roman und weckt großer Hoffnungen, dass die mit dem 32. Band abgeschlossene Serie doch noch alte Qualitätsstandards erreicht. Im Frühjahr 2008 wissen wir mehr …

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