Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Wilson, Robert Charles – Quarantäne

Spätestens seit sein Roman „Spin“ im Jahr 2006 den |Hugo Award| gewann, ist der 1953 in Kalifornien geborene Robert Charles Wilson auch in Deutschland in aller Munde; der direkte Nachfolger „Axis“ erscheint im April 2008 in deutscher Übersetzung. Als „Das neue phantastische Abenteuer vom Autor des Bestsellers ‚Spin'“ wird „Quarantäne“ etwas zu vollmundig auf dem Buchrücken angepriesen, auch in der Gestaltung des Umschlagbildes zeigt man sich sichtlich von diesem inspiriert. Hingegen handelt es sich nur um die Übersetzung des bereits 2003 erschienen Romans „Blind Lake“, der immerhin für den |Hugo| 2004 nominiert war, sich aber nicht gegen Lois McMaster Bujolds [„Paladin der Seelen“ 973 durchsetzen konnte.

Die Handlung von „Blind Lake“ / „Quarantäne“ lässt sich schnell zusammenfassen; sie teilt sich in einen eher geringen Science-Fiction-Anteil und ein weitaus größeres Beziehungsdrama, das durch die Quarantäne der im Norden Minnesotas am namensgebenden Blind Lake gelegenen Forschungsstation verschärft wird. Dort beobachtet die Xenobiologin Marguerite Hauser eine fremde (als „das Subjekt“ bezeichnete) Lebensform auf UMa47/e. Das „Auge“ genannte Gerät besteht aus drei heliumgekühlten Zylindern, in denen sich Einstein-Bose-Kondensate befinden. Diese Quantencomputer wurde ursprünglich eingesetzt, um Rauschen und Verzerrungen des Galileo-Arrays (ein Riesenteleskop im Orbit um den Jupiter) auszugleichen, was sie mit unheimlicher Brillanz zu leisten vermochten. Eines Tages schaltete man das Array ab – und die um eine organische Komponente angereicherten O/BEK genannten Quantencomputer lieferten trotzdem noch perfekte Bilder ferner Welten. Wie das funktioniert, bleibt ein Rätsel, niemand versteht die O/BEKs wirklich, dennoch nutzt man sie, um ferne Welten zu beobachten. Man hat es sogar geschafft, das „Auge“ darauf zu trainieren, dem von Marguerite beobachteten Subjekt zu folgen.

Urplötzlich wird Blind Lake unter Quarantäne gestellt, niemand erfährt wieso. So wird der aufgrund eines kritischen Artikels zu Unrecht in Verruf geratene und verbitterte Journalist Chris Carmody mit Marguerite Hauser, ihrer Tochter Tess und ihrem tyrannischen, fiesen und paranoiden (ja, ein Unsympath, wie er im Buche steht …) Ex-Mann Ray Scutter, der ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist, eingeschlossen. Ray ist jedes Mittel recht, Marguerite zu verunglimpfen, um Punkte im schwelenden Sorgerechtstreit um Tess zu sammeln. Diese bereitet ihrer Mutter Sorgen, denn sie sieht wieder „Mirror Girl“, ein Spiegelbild ihrer selbst, das mit ihr redet und sie seltsame Dinge tun lässt. Deswegen war sie schon einmal in psychologischer Behandlung – für Ray der Beweis, dass Marguerite sich mehr um das außerirdische „Subjekt“ kümmert als um ihre Tochter. Mit zunehmender Dauer der Quarantäne entwickelt sich Chris zum Ersatzvater für Tess, es knistert zwischen ihm und Marguerite, was den überreizten Ray zur Weißglut bringt.

_Zu viel Quarantäne-Thriller, viel zu wenig Science-Fiction_

Von Wilson bin ich ein Übermaß an Ideen und scharfsinnigen Beobachtungen gewohnt, wie in den [„Chronolithen“ 1816 oder in „Spin“, bei denen das persönliche Schicksal der Helden eng mit der Handlung verbunden ist. Doch „Quarantäne“ bricht mit diesem Schema und setzt andere Schwerpunkte. Der Science-Fiction-Anteil ist geradezu erbärmlich, die auch von Wilson verständlicherweise kaum erklärten, O/BEKs genannten „Quantencomputerteleskope“, mit denen man Aliens sogar auf der Toilette beobachten kann, werden bei weitem nicht so sehr genutzt, wie der Klappentext reißerisch mit „Lebewesen, die eines Tages bemerken, dass sie beobachtet werden – und sich erheblich gestört fühlen …“ suggerieren möchte. Das „Subjekt“ hat einen festen und sehr langweiligen Alltagsrhythmus, zudem beobachtet Wilson nicht die Aliens oder kümmert sich darum, wie diese Beobachtung funktionieren könnte. Er zielt darauf ab, dass Menschen mit Geräten herumspielen, die sie nicht im Geringsten verstehen, und beobachtet stattdessen das Verhalten verschiedener Charaktere in Extremsituationen, wie eben einer unbegründeten Quarantäne; etwas Ähnliches hat er in größerem Maßstab bereits in den „Chronolithen“ getan.

Der Roman ist eher aufgebaut wie ein Thriller – wie und was beobachtet wird, worum es überhaupt geht und warum Chris Carmody von vielen Wissenschaftlern wie ein Aussätziger behandelt wird, das wird alles erst nach und enthüllt. Vielleicht etwas zu langwierig, denn ich konnte dem Beziehungsdrama um Marguerite, Ray, Chris und Tess wenig abgewinnen und wartete vergeblich auf einen Schwenk in Richtung Science-Fiction. Obwohl die Charaktere relativ glaubwürdig gezeichnet werden, wirken sie schablonenhaft; insbesondere Ray wird von vorneherein als unsympathischer Mensch mit Hang zur Paranoia dargestellt. Tess und „Mirror Girl“ stellen das Element des Unheimlichen in dieser Dreiecksbeziehung dar, denn Letztere ist, wie unschwer zu vermuten, mehr als nur das Phantasieprodukt eines Kindes.

Die Übersetzung ist Karsten Singelmann insgesamt sehr gut gelungen; Wilsons recht schlichter und umgangssprachlicher Stil wurde perfekt in sein deutsches Äquivalent übertragen. Eine „muskrat“ wörtlich mit „Moschusratte“ anstelle von „Bisamratte“ zu übersetzen, sollte dennoch nicht passieren, hier hätte er ruhig einmal zum Wörterbuch greifen sollen.

_Fazit:_

„Quarantäne“ ist ein gut gelungener Thriller mit nur sehr wenigen SciFi-Elementen. Für Wilson untypisch, können die Charaktere in der Regel überzeugen und erregen Anteilnahme, mit Ausnahme des überzeichneten Ray Scutter. Leider geht in dem Beziehungsdrama der ohnehin geringe und sehr magere Science-Fiction-Anteil der Geschichte völlig unter. Ein klarer Fall von Etikettenschwindel – wer einen Nachfolger von [„Spin“ 2703 oder ganz allgemein Science-Fiction erwartete, wird mit diesem Beziehungsthriller wenig Freude haben.

http://www.heyne.de

_Robert Charles Wilson auf |Buchwurm.info|:_
[„Spin“ 2703
[„Die Chronolithen“ 1816
[„Darwinia“ 92
[„Bios“ 89

Kit Whitfield – Wolfsspur

Man weiß nicht so recht, in welche Schublade man Kit Whitfield mit ihrem Debütroman „Wolfsspur“ stecken soll, so viele verschiedene Genres verschmilzt sie zu einer einzigen Geschichte. Grob trifft es wohl der Begriff „Urban Fantasy“, auch wenn eine solche Kategorisierung gleichermaßen etwas ganz anders verspricht, als man bei Kit Whitfield erwarten sollte.

Ganz der reißerischen Titelgrafik entsprechend, geht es um Werwölfe. Doch wer deswegen nun spannende, actiongeladene Fantasy mit Gruselfaktor erwartet, der ist falsch gepolt. „Wolfsspur“ weist eine immense Tiefe auf, die man hinter einem so billig aufgemachten Buchdeckel niemals erwarten würde. Fantasy, Thriller, Liebesgeschichte, düstere Utopie und Sozialdrama – all diese Elemente verwebt Whitfield zu einer eigenwilligen und faszinierenden Geschichte.

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Harris, Joanne – Feuervolk

Maddy war von Kindesbeinen an eine Außenseiterin. Die Bewohner ihres Dorfes betrachten sie mit Argwohn, der Pfarrer mit Verachtung und selbst ihr Vater und ihre Schwester schämen sich für sie. Ihr einziger Freund ist der abgerissene, einäugige Vagabund, den sie im Alter von sieben Jahren in der Nähe des Hügels mit dem roten Pferd getroffen hat. Sieben Jahre lang hat er sie einmal im Jahr besucht. Er hat ihr beigebracht, was es mit dem Mal in ihrer Hand auf sich hat, hat sie Lesen und Schreiben gelehrt und ihr Geschichten erzählt, und Maddy war eine gelehrige Schülerin.

Doch eines Tages wird aus dem interessanten Lernstoff Ernst. Der Namenlose, der über Jahrhunderte hinweg immer mehr Anhänger gefunden hat, bedroht das Gleichgewicht der Welt. Und es scheint, dass nur ein magisches Artefakt aus uralter Zeit diese Bedrohung aufhalten kann: der Flüsterer. Maddy macht sich auf die Suche danach und bringt damit Ereignisse ins Rollen, die bald zur unaufhaltsamen Lawine zu werden drohen …

_Maddy ist ein kleiner Wildfang_, trotzig, stur und sehr intelligent. Schon allein diese Eigenschaften sind in den Augen ihrer Mitmenschen äußerst unpassend für ein Mädchen. Abgesehen davon aber ist Maddy auch noch neugierig und mit einer gehörigen Portion Phantasie begabt, und das ist nicht nur ungehörig, sondern geradezu suspekt! Maddy bekümmert die Ablehnung durch ihre Umgebung zwar, trotzdem besitzt das Mädel genug Selbstbewusstsein, um sich dadurch nicht beirren zu lassen.

Dem Pfarrer ist Maddy ein ganz besonderer Dorn im Auge. Nicht deshalb, weil sie ein „Hexenmal“ trägt oder magische Fähigkeiten besitzt, sondern weil sie sich weigert, ihre Fähigkeiten zu seinem Nutzen einzusetzen! Denn Pfarrer Parson ist nicht nur dumm, er ist auch ehrgeizig, und das war schon immer eine ungesunde Mischung …

Außerdem wäre da noch ein kleiner Kobold namens Zucker-und-Sack erwähnenswert, dessen hervorstechendste Eigenschaften neben der Neugier ein erstaunlicher Mut und eine ungewöhnliche Neigung zur Treue sind.

Das klingt jetzt in Sachen Charakterzeichnung vielleicht insgesamt eher mager, ist es aber nicht. Joanne Harris ist es gelungen, alle ihre Figuren äußerst lebensecht und mit einem gewissen Augenzwinkern zu zeichnen, das selbst den bigotten Pfarrer gelegentlich fast liebenswert erscheinen lässt. Das gilt auch für diejenigen Charaktere, die sie aus der germanischen Sagenwelt entliehen hat und die einen Großteil des Personenaufgebots stellen.

_Das Interessante an Harris‘ Geschichte_ ist, dass sie nach der Götterdämmerung spielt. Dabei hat sie zu keiner Zeit versucht, der Angelegenheit einen historischen Anstrich zu verleihen, sondern stattdessen den Weltuntergang so stattfinden lassen, wie es die Sage der Germanen vorsieht. Mit der einen kleinen Ausnahme, dass die Geschichte damit nicht zu Ende ist.

Maddy lebt also in der Zeit nach der Götterdämmerung. Kaum jemand weiß noch etwas über die Asen und Wanen, denn zum einen ist es nur Pfarrern und Ordensleuten gestattet, Lesen zu lernen, und zum anderen dürfen nur die Geschichten über die Alte Zeit erzählt werden, die im Buch der Bücher enthalten sind. Träumen gilt als gefährlich, Zauberei ist offiziell verpönt. In der einen Stadt wird jeder Träger eines „Hexenmals“ den Examinatoren übergeben, ganz gleich, ob Mensch oder Tier. Nur die hinterwäldlerische Lage von Maddys Dorf hat das Mädchen vor diesem Schicksal bewahrt.

Dass der Examinator an einen Inquisitor erinnert, die Grundlage der neuen religiösen Ordnung „Buch der Bücher“ heißt, und die Macht der Ordensleute auf Dem Wort beruht, sind natürlich bewusste Anspielungen, ebenso wie die Landkarte, die gewissermaßen ein wenig an die britischen Inseln erinnert. Über mehr als Anspielungen gehen die Ähnlichkeiten allerdings nicht hinaus.

Natürlich sind die alten Götter mit dieser Weltanschauung keinesfalls einverstanden, doch ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Zwar sind nicht alle in der Unterwelt eingesperrt, wie die offizielle Doktrin behauptet. Noch immer wird das Totenreich von Hel beherrscht. Und auch Odin und Loki befinden sich auf freiem Fuß. Allerdings sind sie kläglich in der Unterzahl, und außerdem hat offenbar jeder in dieser Clique mit jedem noch wegen irgendeiner Sache aus alter Zeit ein Hühnchen zu rupfen. Und weil keiner seine eigenen kleinlichen Rachegelüste mal beiseite lassen kann, sind sie alle heillos zerstritten, intrigieren gegeneinander und trachten sich sogar nach dem Leben! Außerdem scheint keiner von ihnen jemals die Wahrheit zu sagen!

Dabei hätten sie Zusammenhalt dringend nötig. Denn seit der Götterdämmerung sind ihre Runen spiegelverkehrt, sodass keine von ihnen mehr über ihre volle Macht verfügt. Auch bei dem Flüsterer, jenem mächtigen Artefakt, hinter dem alle her sind, handelt es sich nicht um einen besonderen Zauberspruch, eine Waffe oder sonst irgend etwas Brauchbares, sondern um ein Orakel. Ich wunderte mich deshalb ein wenig, warum sämtliche Beteiligten so scharf auf dieses Ding sind, denn letztlich sind von ihm nur die üblichen, vieldeutigen und ziemlich nutzlosen Weissagungen zu bekommen. Außerdem hat der Flüsterer seinen eigenen Kopf. Doch die junge, unerfahrene Maddy merkt natürlich nicht, dass sie manipuliert wird.

_Aus diesen Zutaten_ hat die Autorin ein abwechslungsreiches und verwickeltes Katz-und-Maus-Spiel gemacht, das gegen Ende in eine aberwitzige Befreiungsaktion und letztlich in einen spannenden Showdown mit unerwartetem Ende mündet. Dabei hat sie der Handlung mindestens ebenso viel augenzwinkernden Humor angedeihen lassen wie ihren Charakteren. Die trockenen Sprüche und abgedrehten Situationen ließen mich immer wieder laut auflachen.

Alles in allem ist „Feuervolk“ eine sehr charmante und unterhaltsame Lektüre voller liebenswerter und völlig klischeefreier Figuren, mit einer interessanten Welt und einer bunten, bewegten und spannenden Handlung, und obendrauf mit einem Sahnehäubchen aus Ironie. Sehr lesenswert.

_Joanne Harris_, Tochter englisch-französischer Eltern, war von Beruf Lehrerin, bis ihr Roman „Chocolat“ zum Bestseller und zur Vorlage für den gleichnamigen Film wurde. Die Fortsetzung zu „Chocolat“ erschien im September dieses Jahres unter dem Titel „Himmlische Wunder“, außerdem schrieb sie noch weitere Romane, darunter „Das verbotene Haus“ und „Fünf Viertel einer Orange“. „Feuervolk“ ist ihr erster Jugendroman.

http://www.cbj-feuervolk.de

DeCandido, Keith R. A. – StarCraft – Ghost: Nova (Band 1)

_Story_

Nur kurze Zeit nach den BroodWar-Konflikten spitzt sich die Lage im Universum zu; Arcturus Mengsk und seine Rebellenarmee bekriegen sich immer noch mit der Konföderation und haben sich Gerüchten zufolge sogar mit einer Alien-Rasse zusammengeschlossen. Die Fabriken der alten Familien werden in den Boden gestampft und vernichtet, um der Diktatur der Mächte von Tarsonis endgültig einen Strich durch die Rechnung zu machen. In diesen Zeiten wird auch November Annabella Terra, kurz Nova, unverhofft in den anschwelenden Konflikt hineingerissen. Ihr Vater Constantino entsendet sie zu ihrem eigenen Schutz nach Tyrador, wohl wissend, dass seine Familie nicht länger sicher ist. Kurze Zeit später erfährt Nova, dass er Recht behalten sollte: Die gesamte Familie Terra wird während eines Überfalls ausgelöscht, und Nova, die kurz vor dem Abflug nach Tyrador geflüchtet ist, muss mit eigenen Augen ansehen, wie die Rebellen ihre geliebte Verwandtschaft umbringt.

Just zu diesem Zeitpunkt stößt das 15-jährige Mädchen zum ersten Mal auf ihre psionischen Fähigkeiten; geschockt von den Ereignissen, entfesselt sie ihre Wut in einer Welle der Zerstörung, der nicht nur der Terra-Tower, sondern auch Hundertschaften von Zivilisten zum Opfer fallen. Erschrocken und ohne jeglichen Lebensmut flüchtet sie in das Gutter, die Slums von Tarsonis, und wird dort vom Drogendealer und Mafiaboss Fagin in Gewahrsam genommen, der ihre telekinetischen Kräfte zu seinen Gunsten ausnutzt und seine Position im brutalen Untergrund sichert. Aber auch die Regierung hat Wind von Novas Schicksal bekommen und versucht mit allen Mitteln, sie aufzustöbern und für politische zwecke ins Ghost-Programm aufzunehmen. Der Wrangler Malcolm Kelerchian wird auf das Mädchen angesetzt und muss erfahren, dass in den Ghettos dieser Welt andere Regeln gelten …

_Persönlicher Eindruck_

Chris Metzen, seines Zeichens Entscheidungsträger und kreativer Kopf von |Blizzard Entertainment|, verrät im Intro zum ersten Teil der neuen Roman-Reihe „StarCraft – Ghost“, dass es sich bei dieser Serie um die Adaption einer niemals realisierten PC- und Videospiel-Umsetzung handelt, welche aufgrund übermäßig langer Produktionszeiten erst kürzlich eingestampft wurde. Diese Tatsache sollte „Nova“, den ersten Band dieser Serie, aber keinesfalls als untauglich disqualifizieren, schließlich scheinen die Inhalte und Hintergründe des Science-Fiction-Adventures trotz allem sehr tief ausgeprägt und überraschend gut durchdacht. Außerdem konnte Metzen auf die Hilfe des erprobten Spezialisten Keith R. A. DeCandido verlassen, der in diesem Genre bereits häufiger dafür sorgte, dass derartige Adaptionen allen Befürchtungen zum Trotz in die richtigen Bahnen gelenkt wurden. Insgesamt also keine schlechten Voraussetzungen für den ersten „StarCraft – Ghost“-Roman.

Mit etwas Distanz stellt sich jedoch heraus, dass DeCandido bei der Fokussierung des Themenschwerpunkts erhebliche Schwierigkeiten hat. Es ist ihm zwar sicher nicht vorzuwerfen, dass die ursprüngliche Science-Fiction-Handlung vorerst völlig irrelevant ist und man den Konflikt der einzelnen Fraktionen lediglich als Aufhänger verwendet, jedoch setzt der Autor von Beginn an einige zweifelhafte Prioritäten, die schließlich in einer langatmigen Auftaktstory und einem rundum vorhersehbaren Plot resultieren. So verschwendet DeCandido unheimlich viel Zeit mit der lahmen Geburtstagsparty der Protagonistin, stellt die anrüchigen Machenschaften Fagins in allzu ausufernder Form dar und bekommt zu guter Letzt kaum die Kurve, wenn die verschiedenen Sub-Plots schließlich in einem gar nicht mal so schlechten Finale kulminieren.

Der Inhalt an sich weist indes schon genügend Potenzial auf, um den begeisterten Genre-Anhänger sofort auf seine Seite zu ziehen. Die Figuren unterliegen einer ausführlichen Einführung und auch die Szenerie bürgt für Spannung, nicht zuletzt begünstigt durch einige rasche Wendungen. Problematisch ist nur, dass der Autor sich bisweilen viel zu häufig an Kleinigkeiten aufhält, die den Themenkomplex gleich mehrfach sprengen und die Spannung kurzzeitig herauslösen. Blickt man indes auf die klar definierten Motive und die logischen Handlungsstrukturen, fragt man sich nach der Ursache solch verschwenderischer Füllelemente, findet aber keine Antwort.

Damit ist „StarCraft – Ghost: Nova“ auch nicht der erhoffte Maßauftakt geworden, den man sich unter anderem bedingt durch die guten Erfahrungen mit der vorangegangenen Serie hätte wünschen können. Die Schwierigkeiten liegen dabei weder bei Sprache noch Inhalt (selbst der Fakt, dass die Story fast schon einem Kriminal-Thriller gleicht, sollte keinen Fan stören), sondern lediglich in strukturellen Ungereimtheiten wie etwas der Bevorzugung von Nebensträngen und Dialogen, die die Geschichte kaum voranbringen. Schade ist dies schließlich um die wirklich anständige Basis, auf die Keith R. A. DeCandido bei der Kreation des Plots zurückgreifen kann. Wie so oft scheitert die durchschlagende Überzeugung nämlich nicht am Potenzial, sondern an einer ganzen Reihe minimaler Schönheitsfehler, die in der Summe nur einen mäßigen bis halbwegs guten Roman zurücklassen.

http://www.paninicomics.de

Novik, Naomi – Drachenzorn (Die Feuerreiter Seiner Majestät 3)

Band 1: [„Drachenbrut“ 3781
Band 2: [„Drachenprinz“ 4065

Da muss man sich doch sehr wundern, wenn man als Leser „Drachenzorn“, den dritten Teil der Saga |Die Feuerreiter seiner Majestät| von Naomi Novik, in den Händen hält und feststellt, dass auf den letzten Seiten mit einer Leseprobe der vierte, soeben in Amerika erschienenen Teil beworben wird. Schnell zur Internetseite des deutschen Verlegers |cbj| geklickt, liest sich dort in einer Ankündigung auf den ersten Teil:

|“Mit der Trilogie »Die Feuerreiter Seiner Majestät« schafft Naomi Novik eine aufregende, neue Drachensaga: In einer historischen Parallelwelt zur Zeit der Napoleonischen Kriege kämpfen Captain Will Laurence und sein unzertrennlicher Drache Temeraire an allen Fronten gegen die französische Bedrohung …“|

So weit, so gut, nur dass es mit der Trilogie nun nicht mehr weit her ist, denn „Drachenzorn“ endet nicht mit einem erhofften, abschließenden Finale, sondern einem offenen Ende, das auf die besagte Fortsetzung zusteuert. Das wäre an sich nicht sonderlich tragisch, nur ist die Erwartungshaltung der Leser an die Romane ursprünglich eine andere gewesen, zumindest im Fall des Rezensenten. Denn nach einem überraschenden Auftakt, der mit seiner unkonventionellen Erzählweise zu gefallen wusste, und einem würdigen und spannenden, wenn auch erzähltechnisch etwas abfallenden zweiten Teil, hätte mit diesem Band der erhoffte Höhepunkt die Geschichte zu Ende bringen können. So allerdings stellt „Drachenzorn“ nur einen weiteren Band dar, auf den nun wer weiß noch wie viele Bände folgen. Und tatsächlich stellt sich nach der Lektüre leichte Ernüchterung ein, denn „Drachenzorn“ fällt, bei im Vergleich zu anderen derzeit veröffentlichten Fantasybüchern noch immer überdurchschnittlich hohem Niveau, leider weiter ab.

_Inhalt_

Die Handlung setzt genau dort ein, wo „Drachenprinz“ endete: am Hof des Kaisers in China. Alle Streitigkeiten zwischen Will Lawrence als Gesandtem Britanniens, seinem Himmelsdrachen Temeraire und dem chinesischen Kaiser sind beigelegt. Nach chinesischem Recht dürfen nämlich nur Mitglieder der kaiserlichen Familie einen Himmelsdrachen fliegen, so dass Will kurzerhand vom Kaiser adoptiert worden ist und nun gewissermaßen die Erlaubnis erteilt bekommen hat, Temeraire auch offiziell als Reiter vorzustehen. Einer Reise ins heimatliche England steht so nichts mehr im Weg, wäre da nicht eine Botschaft, die Will in China erreicht. Er soll schnellstmöglich in das Türkische Reich reisen und dort drei Dracheneier entgegennehmen. Schließlich ist der Kampf Britanniens gegen den übermächtig erscheinenden Napoleon in vollem Gange, und Drachen, vor allem gleich drei an der Zahl, könnten den Krieg entscheidend beeinflussen.

Will und Temeraire sind aufbruchsbereit, es gibt nur ein Problem, denn ihr Schiff, mit dem sie den langen Weg nach China genommen haben, hat einen schweren Brand hinter sich und muss noch einige Wochen im Hafen liegen, um wieder seetüchtig gemacht zu werden. Zu lange, denn die Zeit drängt und jeder verlorene Tag könnte Napoleon einen Schritt weiter zur Herrschaft über ganz Europa bringen. So entscheiden sich die zwei ungleichen Gefährten zusammen mit ihrer Drachenbesatzung dafür, eine Reise übers Festland anzutreten. Was auf der Karte deutlich kürzer erscheint, entpuppt sich jedoch als waghalsiges Abenteuer, denn alle Strecken kann auch ein Drache nicht fliegend überqueren. Schon der erste Abschnitt durch die Wüste, den die Gruppe zu Fuß zurücklegen muss, fordert Ausdauer und Durchhaltevermögen. Sandstürme, Wassermangel, ausreißende Kamel und Wüstenräuber zehren an den Kräften. So sind Laurence und seine Crew auf einen kundigen Führer angewiesen. Doch Tharkay, der auf dieses Angebot eingeht, erscheint im Laufe der Reise alles andere als vertrauenswürdig. Kann er der Gruppe wirklich helfen, sicher bis in den Bosporos zu gelangen?

Tharkays fragewürdige Loyalität ist nicht das einzige Problem. In den Bergen, nachdem die Mannschaft von einer Schneelawine überrascht wird und Unterschlupf in einer von wilden Drachen bewohnten Höhle findet, muss Temeraire erfahren, dass Lien nach Europa aufgebrochen ist – eben jener schneeweiße Himmelsdrache, der in „Drachenprinz“ dem Verräter Yongxing gehörte und mit ihm zusammen den chinesischen Kaiser stürzen wollte. Die Absicht des nun gefährtenlosen Tieres dürfte nichts Gutes bedeuten, schließlich ist sie nicht gut auf Temeraire und Will Laurence zu sprechen.

Zunächst ist sie aber vergessen, denn endlich im Ottomanischen Reich angelangt, wollen die Türken die drei Dracheneier, für die Laurence extra hierhergereist ist, nicht herausrücken. Er muss einen tollkühnen, aber gefährlichen Plan einschlagen und sie des Nachts aus einem Harem klauen. Zwar kann er sich dieser zwar bemächtigen, doch er befindet sich nun auf der Flucht. Zusammen mit Temeraire versucht er so schnell wie möglich nach England zu fliegen. Aber der Krieg hat das Land überzogen, und an einen direkten Weg nach Britannien ist nicht zu denken. Die Reise endet zunächst im benachbarten Österreich. Mit den Türken im Nacken und neuen Verbündeten muss sich das Duo Napoleon in den Weg stellen, und – wie befürchtet – einer Armee, die von Lien persönlich angeführt wird.

_Bewertung_

Naomi Novik verknüpft auch im dritten Teil ihrer Saga gekonnt die historischen Fakten mit dem Genre der Fantasy, das allerdings ausschließlich auf die Drachen beschränkt bleibt. Es existiert keine Magie, selbst die in der Fantastik üblichen als Reinform der Magie dargestellten Drachen sind in der alternativen napoleonischen Epoche Noviks nur als Kampfmaschinen eingesetzte Tiere, allerdings ganz besondere, da sie durch die ihre Intelligenz, die Fähigkeit zu kommunizieren und ihre Kraft den Menschen beinahe ebenbürtig sind. Die Menschen sind ihnen nur durch ihre pure Anzahl überlegen und somit in der Lage, sie für ihre Kriegszwecke, wie es sowohl Britannien als auch Frankreich tun, zu nutzen.

Dass es auch anders geht und Drachen viel stärker am kultivierten Leben teilhaben können, haben Will Laurence und sein Drache Temeraire in China gesehen. Der Wunsch, etwas an den Verhältnissen in England zu ändern, wo es den Drachen nicht schlecht geht, sie aber nicht bedenkenlos durch die Straßen großer Städte laufen können, sondern in Militärbasen festgehalten werden, treibt Temeraire auf dem Rückweg nach Europa an. Die Diskussionen über neue Rechte für Seinesgleichen, die Temeraire mit Laurence, aber auch anderen Drachen führt, stehen im Zentrum von „Drachenzorn“. Daneben präsentiert Novik die Kultur der Türken und geht zudem im Detail auf die kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa ein. Beide Aspekte, sowohl die geistreichen Dialoge wie auch die authentische Darstellung des alten Europa, die trotz der fiktiven Fantastik-Elemente glaubwürdiger rüberkommt als so manches staubtrockene Sachbuch, sind eindeutig die Pluspunkte des Romans. Sie ziehen sich wie ein roter Faden von Beginn an durch die Sage, auch wenn der Schwerpunkt von der Beziehung zwischen Mensch und Drache aus dem ersten Teil einer eher actionlastigeren Handlung gewichen ist.

Naomi Novik fällt es allerdings schwer, trotz der wesentlich ereignisreicheren Schilderungen im Vergleich zu „Drachenbrut“ die Spannungsbögen konstant zu halten. Einige Episoden, speziell im Mittelteil, wirken aufgesetzt und keineswegs so flüssig, wie es uns die Autorin Glauben machen will. Sie bricht mit ihrem früheren Stil und stellt die Geschichte in immer größere Kontexte, anstatt sich auf die Charakterdarstellung zu konzentrieren, die sie, wenn sie wieder zu diesen zurückkehrt, ausgezeichnet beherrscht. Stattdessen nimmt die Handlung immer öfter epischere Ausmaße an (die ereignisreiche Reise, die Flucht aus der Türkei etc.), und dies nicht nur, weil Napoleon wichtige Schlachten gewinnt und die Gefahr für England umso größer wird. Mit Lien etwa baut sie einen Drachen-Gegenspieler auf, der die Einzigartigkeit Temeraires zunichte macht und über fast dieselben Fähigkeiten verfügt. Liens Motivation, als chinesischer Himmelsdrache nach Europa zu fliegen, nur weil Laurence für den Tod ihres früheren Reiters zuständig gewesen ist, hinterlässt einen etwas schalen Nachgeschmack. Genau deshalb hätte Naomi Novik gut daran getan, ihre Reihe abzuschließen und sich nicht in immer neue Verkettungen zu verlieren, die zum Teil zu konstruiert wirken.

Aller Kritik zum Trotz ist aber auch „Drachenzorn“ ein gelungener Roman geworden und gut zu lesen. Novik kennt sich mit der Epoche, in der sie ihren Roman angesiedelt hat, bestens aus und weiß die Vorlage zu nutzen. Der dritte Band fällt zwar etwas ab, doch es bleibt die Hoffnung, dass Novik sich in den nun unvermeidlichen Fortsetzungen auf ihre Stärken besinnt.

Offizielle Homepage der Autorin:
http://www.temeraire.org/

Deutsche Fanseite:
http://www.temeraire.de/

Website des Verlags:
http://www.cbj-verlag.de

Nix, Garth – Kalter Mittwoch (Die Schlüssel zum Königreich / Keys to the Kingdom 3)

Band 1: [„Schwarzer Montag“ 3719
Band 2: [„Grimmiger Dienstag“ 3725

Natürlich hat Arthur nicht wirklich erwartet, dass Lady Mittwoch, Herzogin der Grenzsee, warten würde, bis er ihrer Einladung von selbst nachkommt. Trotzdem ist der Zeitpunkt, zu dem sie ihn abholen lässt, äußerst ungünstig. Nicht nur, dass er nach wie vor ein gebrochenes Bein hat, zu allem Übel ist auch noch Blatt bei ihm und wird deshalb mit in die Gefilde des Hauses gespült. Das Schiff, das sie dort erwartet, rettet Blatt, verfehlt aber Arthur. Mit viel Mühe kann er eine Boje mitten im Meer erreichen, ehe sein Krankenhausbett sinkt. Nur leider bezeichnet die Boje einen Ort, an dem der gefürchtetste Piratenkapitän sämtlicher Meere einen Schatz versteckt hat. Dass Arthur sich für diesen Schatz kein bisschen interessiert, spielt natürlich nicht die geringste Rolle …

Diesmal hat Arthur es mit einer höchst ungewöhnlichen Treuhänderin zu tun. Aus irgendeinem Grund hat sie sich in einen gigantischen weißen Wal verwandelt, der nichts anderes tut als unablässig zu fressen. Selbst wenn sie ihre menschliche Gestalt annimmt, was sie einige Mühe kostet, kann sie nicht aufhören zu essen. Der Grund, warum sie Arthur eingeladen hat, ist ein höchst überraschender, noch überraschender allerdings ist die Tatsache, dass die Lady selbst die Lösung des Problems beinhaltet – im wahrsten Sinne des Wortes.

Weit mehr Schwierigkeiten als der Wochentag macht Arthur der Pirat Fieberauge. Ein ehemaliger Mensch, der nicht nur skrupellos, gierig und grausam ist, sondern außerdem ein Sklaventreiber erster Güte und auch noch magiebegabt. Kaum ein Schiff, das ihn nicht fürchtet, doch um an den dritten Teil des Vermächtnisses zu kommen, muss Arthur an ihm vorbei.

Zum Glück hat er ein paar neue Verbündete gefunden; so den Zauberer Scamandros, dessen Magie der Fieberauges zwar nicht gewachsen ist, der aber dennoch einige nützliche Tricks auf Lager hat; Sonnenstich, den zweiten Offizier der Motte, der Arthur von der Boje gerettet hat; und die Erhobenen Ratten, die einst dem Pfeifer gefolgt sind und mit Informationen handeln.

Die Charakterzeichnung dieser neuen Personen ist diesmal etwas blasser geraten als in den Vorgängerbänden, was daran liegt, dass die Antagonisten etwas schwach vertreten sind. Lady Mittwoch gibt in ihrer Walgestalt nicht viel Charakterliches her, und Fieberauge taucht erst gegen Ende persönlich auf. Scamandros und Sonnenstich sind etwas detaillierter dargestellt, reichen aber nicht an Susi Türkisblau heran, wahrscheinlich, weil sie aufgrund ihrer räumlichen Gebundenheit in den nächsten Bänden keine so große Rolle mehr spielen werden. Von den Ratten steht zwar zu erwarten, dass sie noch öfter auftauchen werden, die Gewichtung liegt hier aber weniger auf einzelnen Persönlichkeiten als auf der Gruppe als solcher.

Folglich musste die Ausschmückung der Handlung etwas mehr herhalten. Der dritte Vermächtnisteil ist um einiges vernünftiger als der zweite, ganz ohne Schrulle ist es aber auch bei ihm nicht abgegangen. Dazu kamen einige andere, interessante Ideen wie die der Transferuhr, des rotweiß gesprenkelten Krabbenexoskelettes sowie die von Fieberauges Piratenversteck und die der Puzzleportale. Und natürlich muss Arthur bei seinem dritten Besuch in Dem Haus einige Umwege in Kauf nehmen, ehe er an sein Ziel gelangt. Schließlich wird er gleich doppelt verfolgt: zum einen von Fieberauge, zum anderen von Mittwochs Morgengrauen, denn das Schiff, das Arthur aufsammeln sollte, hat ja den falschen Erdenbewohner erwischt, den Arthur selbstverständlich auch noch retten muss. Außerdem stellt sich im Laufe der Ereignisse heraus, dass Blatt nicht die Einzige ist, die auf Rettung wartet …

Arthur hat also wieder alle Hände voll zu tun. Er ist so mit seinen unmittelbaren Gegnern beschäftigt, dass er für die morgigen Tage keinen Gedanken übrig hat. Dementsprechend hört man von diesen nicht viel. Es ist aber nicht anzunehmen, dass sie die ganze Zeit über untätig bleiben. Garth Nix hat sich seinen Hinweis darauf allerdings bis ganz zum Schluss aufgehoben und eröffnet dadurch völlig neue Perspektiven für den vierten Band, auch wenn die beiden besonders akkurat gekleideten Herren aus den ersten beiden Bänden diesmal nicht aufgetaucht sind.

Der dritte Band kann problemlos mit seinen Vorgängern mithalten. Allein die Vorstellung von einem Meer innerhalb eines Hauses ist schon ein wenig aberwitzig, dazu kommen die ungewöhnliche Gestalt von Lady Mittwoch und einige Haken durch die Dimensionen, die Arthur schlagen muss. Die ungewöhnliche Umgebung und die damit verbundenen Ideen entschädigen für die etwas schwächere Charakterzeichnung, und das Duell zwischen Arthur und Fieberauge sowie die anschließenden Massenflucht sind genauso spannend wie die Endkämpfe der ersten beiden Bände. |Die Schlüssel zum Königreich| ist ein bisher durchweg amüsanter und einfallsreicher Jugendbuchzyklus.

Garth Nix ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Aus seiner Feder stammen – außer dem Zyklus |Keys to the Kingdom|, der im englischen Original inzwischen bis Band fünf gediehen ist -, der Jugendbuchzyklus |Seventh Tower| sowie die Trilogie |Das alte Königreich|. Für die deutsche Übersetzung des vierten Bandes aus der Reihe |Keys to the Kingdom|, „Sir Thursday“, steht leider noch kein Erscheinungstermin fest.

http://www.ehrenwirth.de/

|Siehe ergänzend dazu:|

[„Schwarzer Montag“ 3719 (Keys to the Kingdom 1)
[„Schwarzer Montag“ 3172 (Hörbuch)
[„Grimmiger Dienstag“ 3725 (Keys to the Kingdom 2)
[„Sabriel“ 1109 (Das alte Königreich 1)
[„Lirael“ 1140 (Das alte Königreich 2)
[„Abhorsen“ 1157 (Das alte Königreich 3)

Daniel Abraham – Sommer der Zwietracht (Die magischen Städte 1)

Die magischen Städte:

Band 1: „Sommer der Zwietracht“

Das Reich ist vor langer Zeit untergegangen. Heute ist das Land ein Sammelsurium von mehreren mächtigen Großstädten, die jede von einem Khai regiert werden. Doch obwohl das Land zersplittert ist, leben die Menschen seit langem in Frieden. Denn so lange jede Stadt ihren Dichter hat, sind sie unangreifbar. Die Dichter beherrschen die Andaten, mächtige Wesen, die die Städte schützen.

Otah hat die Chance, einer dieser Dichter zu werden. In seiner derzeitigen Situation erscheint ihm diese Möglichkeit allerdings wie ein ferner Traum, den er sich nicht erlauben kann. Der Schulalltag ist schier unerträglich hart und Otah hauptsächlich damit beschäftigt, die Torturen zu überstehen. Bis sich ihm eines Tages der eigentliche Zweck der Schule erschließt. Otah rebelliert …

Im Grunde ist Otah ein recht durchschnittlicher Junge. Er ist zwar von vornehmer Herkunft, aber weder besonders mutig noch besonders klug. Außergewöhnlich ist lediglich die Tatsache, dass er sich dem System verweigert. Ihm fehlt jeglicher Wille zur Macht, ja nicht einmal Reichtum bedeutet ihm etwas. Sein freundliches Wesen macht es ihm leicht, Kontakte zu knüpfen, wirklich einen Platz im Leben zu finden, fällt ihm jedoch schwer.

Seine Geliebte Liat dagegen besitzt eine gehörige Portion Ehrgeiz, zu Otahs Leidwesen nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihn. Gleichzeitig aber fühlt sie sich ihren eigenen Anforderungen nicht gewachsen, und sie ist nicht besonders krisenfest. Liat kann nicht allein sein, sie braucht ständig jemanden zum Anlehnen.

Maati ist der Lehrling des Dichters von Saraykhet, ein gutherziger Junge, der zwar die Schule und die Ausbildung beim Dai, dem Obersten der Dichter, erfolgreich durchlaufen hat, dem allerdings noch die Praxis im Umgang mit Andaten fehlt. Abgesehen davon hat er auch noch keinerlei Lebenserfahrung. Als er in Saraykhet zum ersten Mal selbstständig echte Schwierigkeiten meistern muss, reagiert er hilflos und verunsichert.

Denn sein Lehrer Heshai, im Grunde gutmütig und freundlich, scheint leider nicht nur an Maatis Ausbildung völlig desinteressiert, er ist auch selbst hoffnungslos überfordert. Geschlagen mit einem unansehnlichen Äußeren, einer trübseligen, unverwundenen Vergangenheit und einem ausgeprägten Mangel an Selbstbewusstsein, hat er sich rettungslos dem Alkohol ergeben. Nicht einmal seinen Andaten kann er mehr ordentlich im Zaum halten. Falls er das überhaupt je gekonnt hat …

Samenlos, sein Andat, ist nämlich ein ausgesprochen widerspenstiges Exemplar, das nicht nur den für Andaten typischen Drang hat, aus der Kontrolle des Dichters auszubrechen, sondern außerdem einen ganz persönlichen Hass gegen seinen Meister hegt. Um die Sache komplett zu machen, ist Samenlos auch noch äußerst intelligent und durchtrieben, und so etwas wie Skrupel scheint er nicht zu kennen.

Die Charakterzeichnung hat mir wirklich gut gefallen. Keine der Figuren ist frei von Fehlern, und keine von ihnen lässt sich in ein Schema pressen. Es gibt keinen eindeutigen Helden oder Bösewicht, keinerlei Schwarzweiß-Effekt. Der Autor hat sich nicht auf einen Protagonisten konzentriert, sondern auf eine gute Handvoll. Dadurch ist die Ausarbeitung nicht ganz so detailliert ausgefallen, trotzdem wirken alle seine Hauptcharaktere plastisch und lebendig. Sehr gelungen.

Ebenso gelungen fand ich die Idee der Andaten. Obwohl sich gelegentlich der Ausruf „Ihr Götter!“ findet, spielen Götter im herkömmlichen Sinne bisher keine Rolle. Im Vordergrund stehen die Andaten, gottähnliche, mächtige Wesen, welche die Menschen sich dienstbar gemacht haben. Eigentlich ist selbst der Begriff „Wesen“ schon nicht ganz korrekt, denn Andaten sind keine Wesenheiten, sondern Ideen. Durch die Beschwörung der Dichter wird ihnen eine Gestalt aufgezwungen, die sie in die Lage versetzt, die Realität unmittelbar zu beeinflussen. Die Andaten allerdings empfinden den Körper, in den sie gezwängt sind, als Gefängnis, ihre Bindung an den Dichter als Versklavung.

Die Dichter sind sich dieser Tatsache durchaus bewusst. Ohne die Andaten auskommen will aber niemand. Denn die Andaten sichern ihnen nicht nur militärische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile. Und wo besondere Vorteile sind, ist auch besonderer Neid zu finden. Dieser Neid und der Freiheitsdrang der Andaten bilden zusammen ein Pulverfass, das die Städte langfristig gesehen in ziemliche Schwierigkeiten bringen dürfte, zumal das Konkurrenzdenken auch innerhalb der Führungsebene extrem ausgeprägt ist. Kein Sohn eines Khai oder Utkhai kann seinen Vater beerben, solange er noch lebende Brüder hat!

Abgesehen von den Andaten finden sich in diesem Roman allerdings keine weiteren Fantasy-Elemente, was ich dann doch ein wenig schade fand. Die Welt als solche ist zwar nicht uninteressant, lebt aber hauptsächlich von geographischen und kulturellen Kontrasten, die größtenteils nur angedeutet sind. Das lässt den Hintergrund der Geschichte schon fast realistisch wirken. Dem Buch fehlt es an Magie.

Die Handlung steht zunächst hinter dem Entwurf von Welt und Charakteren ein wenig zurück, da der Autor die Bedrohung sehr latent angelegt hat. Alles entwickelt sich schrittweise, ohne Hast oder dramatische Paukenschläge. Der Rahmen, in dem sich die Intrige abspielt, wirkt geradezu alltäglich. Wie es sich für eine Intrige gehört, passiert alles heimlich, leise und sehr indirekt. Schließlich soll ja niemand wissen, worum es wirklich geht. So gelingt es dem Autor, das wahre Ausmaß der Ereignisse bis fast ganz zum Schluss aufzuheben.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass sich die Spannung dadurch stark in Grenzen hält. Nicht einmal gegen Ende zieht der Spannungsbogen an, da der Autor die Ausweitung der Bedrohung offenbar ganz auf den nächsten Band verlegt hat. So ist „Sommer der Zwietracht“ ein Buch, das hauptsächlich von seinen gelungenen Charakteren und deren Beziehungen zueinander lebt. Für dieses Mal hat das – zusammen mit dem allmählichen Aufbau der Intrige – gereicht, um nicht langweilig zu werden. Vom nächsten Band erhoffe ich mir allerdings etwas mehr Flair, ein höheres Erzähltempo und einen strafferen Spannungsbogen.

Daniel Abraham lebt mit Frau und Tochter in New Mexico. Bevor er seinen ersten Roman „Sommer der Zwietracht“ verfasste, hat er eine Vielzahl von Kurzgeschichten in Magazinen und Anthologien veröffentlicht, sowie den Kurzroman „Shadow Twin“ in Zusammenarbeit mit Gardner Dozois und George R. R. Martin. Seine Kurzgeschichte „Flat Diane“ wurde für den Nebula Award nominiert. Die Fortsetzung des Zyklus Die magischen Städte, „Winter des Verrats“, soll im März nächsten Jahres erscheinen.

Paperback 444 Seiten
Originaltitel: A Shadow in Summer (The Long Price Quartett 1)
Übersetzung: Andreas Heckmann
ISBN-13: 978-3-442-24446-1

http://www.danielabraham.com/
www.randomhouse.de/blanvalet

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Marcus Hammerschmitt – Der Fürst der Skorpione

Ein paar Jahrzehnte in der Zukunft. Afrika ist die Kornkammer Europas. Genoptimierte Getreidestämme existieren in der Sahara, ertragreicher als die bisherigen Sorten. Diesen Einbruch in die Natur verfolgen afrikanische Nomadenstämme mit Missgunst und attackieren das europäische Vordringen mit rebellischer Gewalt.

Die |Euroforce| wird zum Schutz der Felder und Einrichtungen eingesetzt. Sie ist im Besitz moderner Waffentechnik, darunter gigantische Käfer, die über Neuroports von ebenfalls verkabelten Soldaten gesteuert werden. Die Rebellen haben ihnen wenig entgegenzusetzen, einzig ihre künstlichen Skorpione vermögen die Käfer zu töten. Und mit ihnen sterben auch die Soldaten.

Björn ist einer von ihnen. Bei ihm waren sowohl die Zeit als auch das gefundene Material ausreichend, um ihm ein zweites Leben zu schenken, als so genannter |Zombie|, wie sie von der Normalbevölkerung genannt werden. Eine Neuroportblockade sorgt bei ihnen für widernatürlich langsame Reflexe bei normaler Gehirnleistung, wodurch sie sich eingesperrt und hilflos fühlen. Die dem Zombie Björn anvertraute jugendliche |BLA| entdeckt, wie Zombies bei Fehlfunktion oder Nutzlosigkeit erledigt werden, und entflieht mit Björn aus Europa, natürlich nach Afrika. Und natürlich gelangen sie in die Fänge der Rebellen, wo Björns blockierter Port deaktiviert und damit seine normale Leistungsfähigkeit zurückgewonnen wird.

Björn widmet sich mit Ingrimm der Sache der Rebellen, um sich an der |Euroforce| zu rächen.

Dieser Roman erschien in gebundener Form im |Patmos|-Verlagshaus und stellt sich in ansehnlicher Aufmachung dar: Der stählerne Skorpion, der aus einem dunklen Hintergrund, aus der Verborgenheit heraustritt und über einen rissigen Wüstenboden sein Ziel verfolgt, thematisiert gelungen den Guerillakrieg der Rebellen gegen die übermächtige, technisch überlegene |Euroforce|. Dass dabei dieser Skorpion für den Roman selbst nur eine untergeordnete Rolle spielt, bleibt auch bei der Titelwahl unberücksichtigt. Hammerschmitt hat zwar die Beziehung von Zombie Björn zu diesen Skorpionen herausgearbeitet, indem er Björns ersten Tod mit ihnen verknüpft und ihnen später eine erneute Begegnung spendiert, doch gibt er dem neuen Rebellen Björn mitnichten die Rolle des Fürsten, des Gebieters über die Skorpione oder übertragen über die Rebellen, die ihren Skorpionen gleich hinterhältige Attacken gegen die EF vornehmen. Björn wirkt vielmehr als von allen Seiten missbrauchter Charakter, dem schließlich sein eigener Wahn – der Wunsch nach Rache – die Augen vor den Dingen verschließt, die seiner Umgebung wichtig sind und die als zwischenmenschliche Festigung seines erschütterten Daseins gelten könnten – die Gefühle und Bedürfnisse seiner Kameradin, die ihm überhaupt erst die Befreiung aus dem Überwachungsnetz der EF ermöglichte, sowie sein Wert und sein Ansehen unter den Rebellen, durch die er schließlich als die Waffe, die er für die EF war, gegen sie eingesetzt wird.

BLA dagegen ist nur Mittel zum Zweck. Ihr kommt die Rolle des Auges zu, das die Geschehnisse wahrnimmt und aus einem relativ unabhängigen Blickwinkel betrachtet für den Leser darstellt. Sie befreit Björn, bringt ihn nach Afrika und folgt ihm zu den Rebellen, wo sie miterleben muss, wie er sich von ihr entfremdet und fanatisch nur noch die Ziele verfolgt, die ihm die Führer der Rebellion diktieren. Sie ist das Überbleibsel aus Björns Welt, das sich nicht mit den Rebellen identifizieren kann, für die es aber auch kein Zurück gibt. Ihre Person selbst hat keinen Einfluss auf die Geschehnisse nach Björns Befreiung, und auch der Weg nach Afrika erfolgt eher zufällig als unter ihrem Einfluss. Sie gibt dem Roman eigentlich nichts außer einem gekränkten Blick auf den Wahn in Björns Veränderung sowie eine obligatorische Liebesgeschichte, um ihrem Dasein einen Sinn aufzupfropfen.

Hammerschmitt ergeht sich in untypischen Perspektivenwechseln, meist zwischen Björn und BLA, manchmal so fließend, dass man erst anhand der erhaschten Gedanken merkt, in wem man sich befindet. Damit eröffnet sich Hammerschmitt die Möglichkeit, den Leser als gedankenlesenden Adler über der Geschichte fliegen zu lassen und je nach Bedarf in den Kopf eines Protagonisten einzutauchen, ohne sich auf eine Perspektive festzulegen. Damit vereinfacht er sich die Erzählung einerseits, verwirrt andererseits sein Publikum an manchen Stellen. Der geringe Umfang des Romans macht diesen Kunstgriff allerdings nötig, um auf wenig Platz die wichtigen Erkenntnisse versammeln zu können.

Unterhaltsam geschrieben ist der Roman allemal, wenn ihm auch der entscheidende Funke fehlt, der ihn zu dem Kracher machen könnte, den ein Kommentar von Andreas Eschbach auf dem Buchrücken erwarten lässt.

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Cory Doctorow – Backup. SF-Roman

Mord und Absturz in Disney World

Vor seiner Ermordung hätte sich der Komponist und Designer Julius nicht träumen lassen, wie wichtig ein zeitnahes Backup der eigenen Erinnerungen ist. Aber da dies schon sein vierter Tod ist, hat er allmählich eine Vorstellung davon, wie wichtig eine Sicherungskopie ist. Daher ist er wenige Tage später schon wieder in einem neuen Klonkörper einsatzbereit. Seine Freunde Dan und Lily helfen ihm, den Verantwortlichen ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen.
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Isaac Asimov – Die phantastische Reise

asimov phantastische reise cover kleinUm einen ins Koma gefallenen Wissenschaftler zu retten, wird ein Ärzteteam auf Mikrobengröße verkleinert und macht sich im Mini-U-Boot durch die Adern auf den gefährlichen Weg ins Gehirn … – Das Buch zum Kinoklassiker erzählt die spannende Handlung nicht einfach nach, sondern ergänzt sie durch Hintergrundinformationen, liefert ausführliche Charakterisierungen der Figuren und unternimmt sogar den (rührend gescheiterten) Versuch, die krude Story wenigstens ansatzweise plausibel wirken zu lassen: keine simple Beigabe zum Film, sondern ein eigenständiger, sehr lesbarer Science-Fiction-Roman.
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Irvine, Ian – magische Relikt, Das (Die drei Welten 2)

Band 1: [„Der Spiegel der Erinnerung“ 3928

Llian und Karan sind den Whelm vorerst entwischt. Aber sie sind mitten in den Bergen, ihr Proviant ist verbraucht, und Llian leidet an der Höhenkrankheit. Karan entschließt sich, Shazmak aufzusuchen, die Feste der Aachim, in der sie sechs Jahre lang gelebt hat. Obwohl sie die Aachim als Freunde betrachtet, hat sie kein gutes Gefühl dabei, denn ihr ist klar, dass Tensor, der Oberste der Aachim, den Spiegel für sich beanspruchen wird. Als Karan und Llian Shazmak erreichen, ist Tensor nicht da. Doch er weiß bereits von dem Spiegel und setzt den Bibliothekar Emmant auf Karan und Llian an. Schon bald schweben die beiden in höchster Gefahr …

Maigraith kämpft derweil gegen die Folter an. Sie ist kurz davor zu zerbrechen; schon ist ihr eine Andeutung über Karan entschlüpft, die ihre Freundin in größte Gefahr bringen wird. Da erscheint eine Illusion von Faelamor und befreit sie aus Fiz Gorgo. Wir Maigraith erwartet hat, ist Faelamor über ihr Versagen höchst verstimmt. Maigraith plagen die üblichen Schuldgefühle, zum ersten Mal jedoch regt sich auch Trotz in ihr. Faelamor spürt diesen Trotz, nimmt ihn allerdings nicht allzu ernst. Ein Fehler …

_Charaktere_

Wurde im ersten Band neben den Hauptfiguren Karan und Llian vor allem Yggur etwas deutlicher dargestellt, so sind diesmal Faelamor und Tensor an der Reihe.

Tensor ist Oberster eines einst stolzen und mächtigen Volkes. Mächtig sind die Aachim heute trotz gewisser magischer Fähigkeiten nicht mehr, aber ihr Stolz ist ungebrochen. Tensor erhebt nicht allein deshalb Anspruch auf den Spiegel von Aachan, weil die Aachim ihn einst geschaffen haben, sondern vor allem, weil er glaubt, mit dessen Hilfe die Charon besiegen zu können, die vor langer Zeit den endlosen, blutigen Krieg des Kataklysmus für sich entschieden. Tensor will Rache und die Rückkehr seines Volkes zu seiner alten Macht. Dafür nimmt er sogar in Kauf, dass sein Verhalten seine Ehre beschmutzt, obwohl die Ehre einem Aachim sonst über alles geht.

Faelamor ist die Oberste der Faellem. Mehrmals wird betont, dies bedeute, dass Faelamor nicht nur die Oberste sei, sondern sie sei die Faellem. Was das allerdings genau bedeutet, wurde bisher nicht erklärt. Faelamors einziges Ziel ist, die Faellem wieder in ihre eigene Welt Tallallame zurückzuführen, aus der sie einst kamen, um das Gleichgewicht zwischen den Welten zu bewahren. Die Faellem haben sich in Santhenar nie wirklich zu Hause gefühlt, und inzwischen ist das Heimweh so übermächtig geworden, dass Faelamor jedes Mittel recht ist, ihr Ziel zu erreichen.

Karan wird derweil immer schwächer. Wurde sie im ersten Band hauptsächlich körperlich bedroht, wächst nun die Bedrohung ihres Geistes. Sie fürchtet sich vor Emmant, der geradezu von ihr besessen ist, und kann den Verlust ihrer Freundschaft mit den Aachim nur schwer verwinden. Am meisten setzen ihr jedoch schwere Alpträume zu, die mit den Whelm zusammenhängen. Das Einzige, was sie davon abhält, dem Wahnsinn zu verfallen, ist Llians Gegenwart.

Llian ist immer noch ungeschickt, sowohl mit den Händen als auch im Umgang mit anderen Leuten. Immerhin sorgt seine wachsende Zuneigung zu Karan dafür, dass er allmählich anfängt, auch einmal die Initiative zu ergreifen. Seine Ideen sind meist ziemlich verrückt, und manchmal auch nicht wirklich gut durchdacht. Deshalb halten ihn alle für ziemlich töricht, was ihm gelegentlich zum Vorteil gereicht.

Letztlich gilt für die Charakterzeichnung des zweiten Bandes dasselbe wie für den ersten: Karan und Llian sind wirklich gut getroffen, vor allem Karans wachsende, geistige Angegriffenheit. Tensors und Faelamors Entwurf ist ebenfalls interessant, die Darstellung allerdings ist eher oberflächlich geblieben. Zwar kann man ihre Beweggründe nachvollziehen, sie sind aber nicht intensiv genug geraten, um sie auch nachfühlen zu können. Anders als Yggur oder Idlis bleiben diese beiden fern und kalt.

_Handlung_

Mit ein Grund dafür ist, dass das Hauptgewicht der Erzählung auch hier wieder auf der Handlung liegt. Und wieder besteht diese fast ausschließlich aus Flucht. Zu den ursprünglichen Verfolgern haben sich neue hinzugesellt, das macht es ein wenig komplexer, vor allem die Szenen, die in Narne spielen. Abwechslungsreicher wird das Geschehen dadurch allerdings nicht.

Der Auftritt Faelamors und Tensors hat den Blickwinkel auf die Welt ein wenig mehr ausgeweitet, das meiste besteht jedoch aus Andeutungen, die eine Menge neuer Fragen aufwerfen. Antworten erhält der Leser keine, auch nicht auf diejenigen Fragen, die sich bereits im ersten Band stellten. Die Ausarbeitung ist bisher äußerst grob. Man erfährt kaum etwas über die Aachim – über ihre Magie, ihre Kultur oder dergleichen -, und über die Faellem noch weniger. Der historische Hintergrund zeigt sich lediglich in Llians Geschichten etwas ausführlicher, diese Geschichten sind aber äußerst rar.

Dadurch entsteht der Eindruck, als diene Karans und Llians Flucht nur dazu, Stück für Stück die Spielfiguren auf einem Schachbrett aufzustellen. Tatsächlich ist eine allmähliche Erweiterung der verschiedenen gegnerischen Parteien das Einzige, was am Ende des Buches übrig bleibt.

_Schade_, ich hatte mir mehr von der Fortsetzung erwartet. Nach achthundert Seiten weiß der Leser noch immer nicht, was dieser Spiegel, auf den alle so scharf sind, eigentlich genau vermag; vom eigentlichen Gegner weiß er lediglich den Namen, aber nicht, wer oder was dieser Gegner genau ist; er weiß, dass Karan, die Aachim und Faellem besondere Fähigkeiten besitzen, aber nicht, welche. Alles ist diffus und schwammig und lässt sich nicht richtig fassen, irgendwie weiß man selbst jetzt noch nicht, worum es hier eigentlich geht!

Zwar bietet der zweite Band einige gute neue Ansätze – so zum Beispiel Maigraiths verändertes Verhalten, Karans Alpträume und Faelamors Skrupellosigkeit -, da sie aber so schwach ausgearbeitet sind, bleiben auch sie vorerst nur eine Randerscheinung.

Vielleicht hätte mich das nicht einmal gestört, wenn diese Ansätze in eine neue Entwicklung der Ereignisse eingebettet gewesen wären. Stattdessen hat der Autor seinen Lesern weitere vierhundert Seiten Flucht angetan, welche nicht mehr in der Lage war, Spannung aufzubauen, sondern spätestens in Sith einen gewissen Überdruß verursachte. Bei einem so detailschwachen Hintergrund und solchen eher blassen Figuren muss die Handlung schon etwas mehr hergeben als eine verworrene Verfolgungsjagd. Und was nutzt der Aufbau einer Vielzahl gegnerischer Parteien, wenn keine von ihnen Biss hat?

Hier muss sich noch einiges tun, wenn der Zyklus den Leser bei der Stange halten soll.

_Ian Irvine_ ist Doktor für Meeresbiologie und hat einen Großteil des südpazifischen Raums bereist. Die Idee zu seinem Drei-Welten-Zyklus entstand bereits während des Studiums. Die damals entstandenen Karten und Skizzen dienten später als Basis für die Ausarbeitung, die inzwischen zwei Tetralogien umfasst und noch weiter ausgebaut werden soll. Abgesehen davon hat Ian Irvine den Öko-Thriller „Human Rites“ geschrieben sowie den Zyklus |Runcible Jones|. Der nächste Band des Drei-Welten-Zyklus „Der Turm von Katazza“ erscheint im November 2007.

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McGarry, Terry – Pfade des Lichts

Band 1: [„Zauberin des Lichts“ 2899

Pelufer ist eine kleine Gaunerin. Und sie ist stolz darauf! Immerhin ist sie diejenige, die die Familie – oder das, was von ihr übrig ist – mit ihren geklauten Nahrungsmitteln ernährt, was die ältere, aber brave Elora mit ihrer unbeugsamen Ehrlichkeit nicht von sich behaupten kann. Aber das ist noch nicht alles. Pelufer hat wie ihre beiden Schwestern eine besondere Gabe, die sie streng geheimhalten. Doch als Pelufer eines Tages an der Wasserausgabe zwei Fremden begegnet, gerät ihre Welt plötzlich völlig aus den Fugen …

Louarn wird allmählich misstrauisch. Dass sein Lehrmeister Croy, der ihm das Maurerhandwerk beigebracht hat, eines Tages plötzlich ermordet in seinem Haus lag, war schon schlimm genug. Aber dass Louarn solche Todesfälle auf seiner Wanderung durch Eyden Myr immer wieder begegnen, ist alarmierend. Und wozu wurden all diesen Opfern die Hände abgetrennt und fortgeworfen? Als Louarn herausfindet, dass sämtliche Ermordeten ehemalige Magier waren, beschließt er, die Täter zu stellen …

Dabrena, ehemals eine Hüterin in der Feste der Ennead, lebt noch immer innerhalb des dunklen Fels. Sie versucht, von dort aus Eyden Myr neu aufzubauen, trotz all der Naturkatastrophen und der verschiedenen grassierenden Krankheiten, die seit dem Erlöschen des Lichts das Land verheeren. Um ihre Maßnahmen besser zu koordinieren, will sie eine Beratung abhalten. Doch die übrigen Teilnehmer scheinen daran kein Interesse zu haben. Verlein, die Kämpferin, die einst die Feste erobert hat und jetzt die Küsten Eyden Myrs bewacht, verweigert ihr offen die Unterstützung, Streln, der Sprecher der Insel Khine, verspottet ihre Bemühungen und droht mit Eroberung, und der Oberste der Gelehrten ist erst gar nicht erschienen!

Und als sei das noch nicht genug, verschwinden immer wieder kleine Kinder spurlos. Manche kommen zurück, andere nicht. Und die Rückkehrer erzählen so absonderliche Geschichten, dass niemand ihnen glaubt. Aber was geschieht wirklich mit den verschwundenen Kindern?

Zwar ist „Pfade des Lichts“ die Fortsetzung von „Zauberin des Lichts“, von den Charakteren des ersten Bandes ist allerdings nur noch eine Handvoll übrig. Liath, die Hauptperson des Vorgängers, ist nicht dabei. Die entstandene Lücke füllen die drei Schwestern, allen voran Pelufer.

Pelufer ist ein ungebärdiges Mädchen, stur, frech und schnell wütend, aber auch mutig und mit einem sicheren Instinkt für Gefahren begabt. Um Dinge wie Regeln und Anstand kümmert sie sich nicht im Geringsten, vor allem dann nicht, wenn sie dem praktischen Nutzen widersprechen, und gerät deshalb immer wieder mit Elora aneinander.

Elora trägt als Älteste die Verantwortung für ihre jüngeren Schwestern. Da sie sich als Elternersatz fühlt, versucht sie, alles auf möglichst erwachsene Art zu regeln, was nicht immer funktioniert und gelegentlich auch Pelufers Warninstinkten zuwider läuft.

Caille, die Jüngste, ist noch nicht einmal sechs Jahre alt und spricht nur extrem wenig. Aber sie ist trotzdem ein kluges Mädchen, immer hungrig und außergewöhnlich tierlieb.

Louarn gehört zu denjenigen, die im ersten Band bereits auftauchten, allerdings eher am Rande. Diesmal gehört er zu den Hauptpersonen. Ein stiller, ernsthafter junger Mann, der es nie lange an einem Ort aushält, mit einer Vorliebe für alle möglichen handwerklichen Tätigkeiten und einer tief verwurzelten Furcht vor dem Schlaf. Denn auch er besitzt eine ungewöhnliche Gabe …

Dabrena kam ebenfalls schon früher vor, aus dem lebenslustigen, unbeschwerten jungen Mädchen ist allerdings eine erwachsene Frau geworden, die sich trotz aller Bemühungen um einen Neuanfang nicht von der Vergangenheit und ihren Schuldgefühlen lösen kann und sich mit geradezu manischer Beschützerwut an ihre Tochter Kara klammert.

Die Kinder und auch Louarn sind gut gelungen, auch wenn es nicht ganz einfach ist, sich in letzteren einzulesen; zu verwirrend und bruchstückhaft ist anfangs die Darstellung. Besonders gut aber fand ich die Schilderung einer Nebenfigur: Kazhe, im ersten Band die Leibwächterin des „Schwarzmagiers“ Torrin. Ihre Besäufnisse sind die eindrucksvollsten, die ich je gelesen habe.

Allerdings gibt es hier im Gegensatz zum ersten Band so gut wie keinen Bösewicht. Zwar ist von den Ennead jemand übrig geblieben, um auch in der Fortsetzung noch Unruhe zu stiften, bleibt aber nahezu vollständig im Hintergrund und taucht nur kurz persönlich auf, um Taten und Motive zu erläutern. Eine Charakterentwicklung findet nicht statt.

Die mangelnde Präsenz eines Antagonisten hat das Buch Spannung gekostet. Der Versuch, die Identität des Gegenspielers zu verschleiern und den Leser später mit einer Enthüllung zu überraschen, misslingt, da die Autorin ihre Zurückhaltung nicht konsequent durchgezogen hat. Zu früh ist klar, welchen Weg die Entwicklung nehmen wird. Und als der Gegner schließlich klar ist, ist er zu rasch und zu problemlos überwunden.

Auch andere Konstellationen werden um der Überraschung willen aufgelöst, ohne ihr volles Spannungspotenzial ausgeschöpft zu haben. Das führt dazu, dass die Handlung an diesen Stellen wie geknickt wirkt. Häufige Ortswechsel, teilweise kombiniert mit Zeitsprüngen sowie Wechsel zwischen den einzelnen Handlungssträngen unterstützen diesen Eindruck noch, zumal die Autorin sich nicht die Mühe macht, ihre Sprünge durch ein paar überleitende Sätze abzuschwächen.

Die Ortswechsel bereiten auch deshalb Schwierigkeiten, weil nur die verschiedenen Gegenden Eyden Myrs in der Karte mit Namen versehen sind. Städte, Flüsse und Berge dagegen sind nicht namentlich verzeichnet, so dass der Leser bestenfalls eine ungefähre Vorstellung davon hat, wo sich die Personen befinden und wie es dort aussieht. Zusätzlich erschweren auch die vielen spezifischen Zeit- und Entfernungsangaben, deren Erklärung sich auch diesmal auf der hintersten Seite befinden, das Hineinfinden in die geschilderte Umgebung.

Der Weltentwurf hat sich dafür um ein paar gute Ideen erweitert. Dazu gehören die Gaben der Kinder – wobei nicht klar ist, ob und wie diese mit Erdweisheit zusammenhängen, die Liaths Begleiter Heff besaß -, die unerwarteten Fähigkeiten von Kazhes Schwert, die Welt der Knochenleute, der historische Aspekt und vor allem natürlich die Besonderheiten im Zusammenhang mit Louarn, der dadurch zu einer Schlüsselfigur für den dritten Band werden dürfte. Eine Menge Stoff für den dritten Band mit vielversprechendem Potenzial.

Der zweite Teil hat mir bereits besser gefallen als der erste. Die Charakterzeichnung ist interessanter und besser, trotz des fast völlig fehlenden Gegners, die neuen Ideen sind vielfältiger und zahlreicher, und der Erzählfluss hat viel von den Bewegungen eines bockigen Pferdes verloren. Falls es der Autorin gelingt, ihren Handlungsverlauf inhaltlich und sprachlich noch etwas weniger sprunghaft und kantig zu gestalten, und den gut gelungenen Personen dieses zweiten Bandes einen ebenbürtigen Gegner aufzubauen, ohne sich dabei in Geheimniskrämereien zu Andeutungen zu verzetteln, könnte der dritte Band der beste der Trilogie werden.

_Terry McGarry_ war nach dem College in den verschiedensten Berufen tätig und ist letztlich im Verlagswesen hängengeblieben. Sie verfasste schon seit längerem Kurzgeschichten, ehe sie ihren ersten Roman „Zauberin des Lichts“ schrieb. Die Fortsetzung zu „Zauberin des Lichts“ und „Pfade des Lichts“, „Triade“, ist auf Deutsch noch nicht erschienen.

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Harrison, M. John – Nova

_Mr. Anti-Mainstream._

M. John Harrison ist keiner, der sich den Konventionen verschrieben hat oder auf Stereotypen herumreitet, egal ob man seine Fantasy-Werke betrachtet (z. B. den |Virconium|-Zyklus) oder seine Science-Fiction-Storys. Von seinen acht Sci-Fi-Romanen haben es allerdings nur vier zu einer deutschen Übersetzung geschafft: „Idealisten der Hölle“ (1971), „Die Centauri-Maschine“ (1974), „Licht“ (2002) und jetzt auch „Nova“.

_Rauchende Köpfe._

Es ist jedenfalls erfrischend, welche Bandbreite |Heyne| mittlerweile an Science-Fiction anbietet; da gibt es die bildgewaltige Popcorn-SciFi („Mardock“ von To Ubukata) oder technikarme Gesellschaftssatire ([„Sternensturm“ 4043 von Adam Roberts) und plötzlich prügelt M. John Harrison den Leser mit dieser knüppelharten Hardcore-Keule vom Lesesessel. Das Seltsame daran: Alle harten Science-Fiction-Elemente von „Nova“ bewegen sich irgendwie im Hintergrund, sind Statisten und agieren aus dem Off. Normalerweise tauchen Science-Fiction-Geschichten ein in die Welt, die sie erschaffen haben; das Futuristische eines Sci-Fi-Romans ist fast immer eine Hauptfigur, die erschöpfend ausgeleuchtet wird. Oh, auch in „Nova“ ist das Futuristische eine Hauptfigur, aber sie wird niemals erschöpfend ausgeleuchtet, sie ist eine Figur, die ständig präsent bleibt, die jede andere Figur beeinflusst, aber nie wird dem Leser ein erhellender Blick in ihr Inneres gewährt, und das ist oft ein ziemlich faszinierendes Erlebnis.

Worum geht es denn nun in „Nova“? Es geht um eine Gruppe Menschen, die in „Saudade“ leben, einer Stadt auf einem unbenannten Planeten, gezeigt in einer unbenannten Zeit. Das Besondere an dieser Stadt ist, dass die „Ereignis-Aureole“ in sie eingeschlagen ist, ein rätselhaftes Gebiet unbekannter Physik, in dem keine der uns bekannten Gesetze gelten. Es gibt in Saudade so genannte „Entradistas“, die sich auf wagemutige Expeditionen in die Aureole begeben.

Vic Serotonin ist einer von ihnen. Seine Gründe sind profan: Er verdient sich sein Geld damit, Touristen in die Aureole zu führen und so genannte „Artefakte“ mit in die heimische Realität zu bringen, um sie illegal zu verkaufen. Artefakte sind Gegenstände oder Lebewesen, die eine völlig andere Gestalt annehmen, wenn sie die Aureole verlassen. Dabei sollte Serotonin es besser wissen. Sein Freund Emil Bonaventura hat von diesen Expeditionen irreparable Schäden davongetragen, er ist geistig verwirrt, kann nicht mehr träumen und sein Körper wird förmlich zerfressen von Geschwüren und seltsamen Blutkrankheiten; es ist, als ob sich Bonaventuras Fleisch nicht mehr an die Regeln halten würde.

Nun sind diese Ausflüge nicht nur gefährlich, sie sind verboten. Lens Aschemann ist Fahnder der so genannten Gebietskripo. Schon lange hat er Vic Serotonin im Auge, und er beginnt ihm auf den Zahn zu fühlen; ob er etwas wisse, fragt er ihn, über die Menschen, die sich im Café Surf aus dem Nichts zu materialisieren scheinen, die eine wilde Nacht verbringen, um sich dann wieder in Luft aufzulösen.

Als ob das nicht genug wäre, sitzt Vic noch eine aufdringliche Touristin im Nacken, die von ihm verlangt, dass er unbedingt mit ihr in die Aureole gehen soll. Solche Kleinigkeiten wie Polizeibeschattung interessieren sie dabei nicht. Und um dem Übel den letzten Schliff zu geben, entpuppt sich Vics letztes verkauftes Artefakt als eine „Tochter“, als ein Code also, der seinen Besitzer befällt und ihn in etwas völlig Unbekanntes verwandelt. Deswegen sitzt ihm nicht nur Gebietsfahnder Aschemann im Genick, sondern auch die Leibgarde seines letzten Kunden …

_Irrfahrt durch Weirdo-City._

Man betrachtet also Vic Serotonin, den Gebietsfahnder Aschemann und all die anderen Figuren auf ihrem bizarren Trip durch diese bizarre Zukunft. Bizarr ist nämlich das Zauberwort: Bei der Lektüre hat man oft das Gefühl, nur die Hälfte zu verstehen, es ist, als ob man einen Film in fremder Sprache betrachtet, dessen Bilder spannend genug sind, dass man ihn unbedingt zu Ende sehen möchte.

Das ist auch das Verstörende an „Nova“, das Anstrengende und das Faszinierende: Direkte Infos gibt es kaum, nirgends finden sich erklärende Zwischenbemerkungen des Erzählers, der den Leser des 21. Jahrhunderts an der Hand nimmt, um ihn in das fremde Universum einzuführen. Nein, der Leser muss sich selbst in dieser Zukunft zurechtfinden, muss die futuristische Sprache ohne Hilfe entschlüsseln, denn „Nova“ scheint nicht für uns geschrieben worden zu sein, sondern für die Menschen der Zeit, in der der Roman spielt. Beispiel gefällig? Bitteschön:

|“[…] das Tank-Proteom schwappte wie warme Spucke: Kaskaden von Autokatalyse in einem Substrat aus vierzigtausend Molekülarten, um alle zwanzig Minuten auszuschwemmen, was die Chemie nicht eliminieren konnte.“|

Alles klar? Und das bereits auf Seite 18. Aber keine Bange, an den Absurditätenfaktor von John Clutes [„Sternentanz“ 380 kommt Nova noch lange nicht heran, es gibt da schon noch die eine oder andere Begebenheit, an der sich auch ein Leser aus unserer Zeit festhalten kann.

Aber die Faszination der Sprache hält nicht den ganzen Roman durch an, irgendwann drängt sich einem nämlich der Eindruck auf, dass solche Sätze wie die obigen nichts weiter als Imponiergehabe sind. Man wird nie erfahren, was ein Codejokey so tut, wer die SED ist, und so weiter. Das alles würde nicht stören, wenn einem die Story suggerierte, dass es wenigstens der Autor weiß. Aber da bin ich mir gar nicht so sicher. Oh, natürlich will ich nicht behaupten, dass Harrison nur schicke Science-Fiction-Worthülsen abfeuert, aber manchmal sieht es schon so aus, als ob gar zu kräftiges Begriffsgepolter davon ablenken soll, dass dann doch nicht soo viel Substanz dahintersteckt …

Auch die sinnverschleiernden Schachtelsätze erhärten obigen Eindruck, die „Satzgirlanden“, wie Wolf Schneider sie bezeichnen würde, der Sittenwächter über deutsche Sprachästhetik. Auch hier wird ein Beispiel erhellen, was ich meine:

|“Elektromagnetisch desorientiert und immer noch auf Instruktionen wartend, fand sich das SED der Gebietskripo – bestehend aus Codejokeys, Waffenexperten und einer menschlichen Pilotin, die mit einem DBH-Einsatzvehikel verdrahtet war – mit munteren dreißig Knoten quer zur Längsachse ins Ereignisgebiet treiben.“|

Quizfrage: Wie oft musste dieser Satz gelesen werden, um herauszufinden, worum es da eigentlich geht? Dass das „SED der Gebietskripo“ noch immer „auf Instruktionen wartet“ und dabei „ins Ereignisgebiet treibt“, „mit munteren dreißig Knoten“ und „quer zur Längsachse“? Solche potthässlichen Satzmonster vergewaltigen alle Verständlichkeit, und das kann sich so abgefahrener Stoff wie „Nova“ gleich fünfmal nicht leisten.

Das Finale ist ein drittes Indiz dafür, dass „Nova“ ein Roman ist, der mit erzähltechnischen Bizeps-Prothesen seine mageren Plot-Muskeln aufplustern will: Zwar findet jede Figur zu einem stimmigen Schlusspunkt, aber irgendwie scheint alles etwas in der Luft zu hängen; als hätte Harrison beschlossen, hier und jetzt einen Schnitt zu setzen, weil es seiner Meinung nach jetzt so weit sein müsste. Entscheidende Informationen über die Aureole bleiben außerdem ungelüftet, sodass man am Ende von „Nova“ das Gefühl hat, weniger über das Storyuniversum zu wissen als vorher.

Nun ja. Trotzdem ist „Nova“ ein abgefahrener Trip, in den man als Freund harter Science-Fiction ruhigen Gewissens einmal reinlesen kann. Man sollte allerdings darauf vorbereitet sein, dass die wachsende Erwartungshaltung enttäuscht werden wird, dass man zwar eine abgefahrene Bilderschau erleben darf, aber nicht auf eine weltbildverrückende Vision hoffen sollte, wie sie ein Greg Egan zustande bringt. Um sich den schalen Geschmack einer Stargate-Vergiftung aus dem Mund zu spülen, taugt „Nova“ aber allemal. Kann man haben, muss man aber nicht.

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_M. John Harrison auf |Buchwurm.info|:_

[„Licht“ 907
[„Die Centauri-Maschine“ 2851

Viehl, S. L. – Stardoc – Die Flucht (Band 3)

Band 1: [„Die Seuche“ 2883
Band 2: [„Der Klon“ 3607

_Story_

Auf ihrer Flucht vor der Vereinten Liga der Welten und ihrem Vater Joseph Grey Viel erleidet Dr. Cherijo Torin einen weiteren, verheerenden Rückschlag. Ihr Geliebter Duncan Reever verrät sie an das Volk der Hsktskt, welches sie kurz zuvor noch zur Hilfe gerufen hatte, und bringt Cherijo unter die brutale Knute der Sklaverei. Doch die unbändige Doktorin lässt sich weder von Reevers Hinterlist, noch von den aggressiven Umgangsformen der emotionslosen Echsen unterkriegen. In kürzester Zeit verschafft sie sich in ihrer Position als Ärztin Respekt und Anerkennung und behandelt auf der Krankenstation eines Asteroiden Freund und Feind.

Aber ihre widerspenstige Art ist bei den Hsktskt nicht gerne gesehen, so dass immer wieder Konflikte mit Aufsehern und dem Stammesfürsten TssVar entstehen, unter dessen Regentschaft Cherijo ein ständiges Auf und Ab, begleitet von unbarmherzigen Foltermethoden und tagelanger Isolation, erleidet. Mit letzter Kraft bäumt sich Chrerijo aber beständig gegen die fürchterlichen Umstände der Sklaverei auf, stets bemüht, im Dschungel von Verschwörungen und verräterischen Intrigen einen Weg zur Flucht zu finden …

_Persönlicher Eindruck_

Meine persönliche Beziehung zur außergewöhnlichen Science-Fiction-Saga von S. L. Viehl ist höchst ambivalent. Bereits die ersten Bände verlangten mir Geduld und erzwungene Beharrlichkeit ab, entlohnten jedoch schlussendlich mit zwei spannenden, bemerkenswerten Geschichten, vor allem aber mit einer fabelhaft in Szene gesetzten Protagonistin, deren ungewöhnliches Erscheinungsbild innerhalb des Genres einige revolutionäre Züge offenbarte. Mit „Die Flucht“ steht nun der vorerst letzte Band von „Stardoc“ ins Haus, und schon wieder beobachtet man die typischen Schwierigkeiten, mit denen die Serie bereits in den vorangegangenen zwei Romanen aufwartete.

Zwar ist die Hintergrundgeschichte dieses Mal ebenso geläufig wie die tragenden Persönlichkeiten, und ebenso steckt man bereits nach wenigen Seiten mitten in der Action drin, doch irgendwie bleibt der Inhalt trotz stringenten Fortschritts über weite Strecken sperrig und enttäuschend eindimensional. Problematisch erweist sich in diesem Sinne die nach und nach unglaubwürdigere Inszenierung von Cherijo Torin, die mittlerweile derart viele tödliche Gefahren unbeschadet überstehen konnte, dass man die neuen Bedrohungen gar nicht mehr als solche empfindet. In „Die Flucht“ wird die Hauptfigur gefoltert, gebrandmarkt, angeschossen, in gewaltsame Krawalle verwickelt, hungernd in einen Müllschacht gesteckt, und so weiter, und so fort – doch jedes Mal wieder entflieht sie der Gefahr mit neuem Mut, hält alsbald Strategien zur Eindämmung der unmenschlichen Zustände und der Verbesserung der Lage der versklavten Mitleidenden bereit und trotzt ihren Käschern zudem auch noch mit vorlautem Mundwerk und unbedachten Forderungen.

Dies mögen alles Trademarks sein, die auch schon die ersten beiden Bücher zierten, jedoch wurden sie dort noch in einem realistischer anmutenden Zusammenhang eingefügt. Nun aber übersteigt Viehl selbst im Rahmen der Möglichkeiten einer Science-Fiction-Story bisweilen die Grenzen der Authentizität, was die Geschichte über manche Strecken zu einem recht vorhersehbaren Ereignis macht. Die zwischenzeitlichen Wendungen wie der stets lauernde Verrat von Seiten Cherijos Freunden können dieser Entwicklung zwar immer wieder Einhalt gebieten, doch da jedes Unterkapitel zumindest mit einem kleinen Happy End für die unverwundbare terranische Ärztin abschließt, verliert die Erzählung an manch entscheidendem Punkt ein Stück weit Spannung und fällt folgerichtig auch ein ganzes Stück gegenüber ihren Vorgängern ab.

Was die Action sowie die Aneinanderreihung von Niederträchtigkeiten und Gemeinheiten betrifft, ist „Die Flucht“ indes der Höhepunkt der Serie. Viehl forciert eine recht aggressive Handlung und bemüht sich um eine schonungslose Demonstration all dessen, was gemeinhin als verachtenswert empfunden werden darf. Dies bleibt jedoch leider bis auf Weiteres die einzig markante Stärke des dritten Teils von „Stardoc“, wohingegen die Handlung inhaltlich leider in vielen Punkten verflacht.

Allerdings besteht dennoch Hoffnung auf Besserung; vier weitere Bände liegen seit geraumer Zeit in der Warteschleife und sollen den Plot Expertenmeinungen zufolge auf lange Sicht wieder richten können. Verlassen wir uns darauf ebenso wie auf die Tatsache, dass „Die Flucht“ der einzige Schwachpunkt dieser Reihe bleibt. Es wäre nämlich ziemlich schade, wenn die brillanten Figuren im Zuge mangelnder, herausfordernder Ideen mit einem Mal untergehen müssten …

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Stephan R. Bellem – Tharador (Die Chroniken des Paladins 1)

Handlung

Tharador Suldras ist Kommandant der Stadtgarde von Surdan. Doch er wird von ständig wiederkehrenden Albträumen geplagt, die ihn immer mehr dazu bringen, in den Norden gehen zu wollen. Also desertiert er zusammen mit seinem Freund Queldan und macht sich auf über das Gebirge in Richtung Norden. Dort treffen die beiden den Zwergenprinzen Khalldeg, der zur Gruppe der Berserkerzwerge gehört.

Währenddessen hat der Magier Tarvin Xandor alle anderen Magier in Surdan getötet und hilft den Orks und deren Häuptling Ul’goth mit seiner schwarzen Magie dabei, die Mauern von Surdan zu erstürmen und die Stadt einzunehmen. Xandors Plan sieht vor, die Orks weiter gen Süden zu schicken, und die anderen Städte in einen Krieg zu verwickeln, um von seinen Plänen. das mächtige Zauberbuch Karand zu finden, abzulenken. Doch Ul’goth will nicht weiter in den Krieg ziehen, sondern sich mit seinem Stamm in Surdan niederlassen.

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John Meaney – Tristopolis

In einer fernen Zukunft gewinnt die Menschheit ihre Energie aus den Knochen der Toten. Kriminelle Elemente haben es auf die Leichen besonders ‚energ(et)ischer‘ Zeitgenossen abgesehen, was eine kleine Gruppe von Polizisten zu verhindern sucht … – Nicht originelle aber einfallsreich variierte Mischung aus Science Fiction, Mystery & Thriller, die sich ein wenig zu offensichtlich diverser phantastischer Vorlagen aus Literatur und Film bedient: gern gelesen & genossen aber auch bald vergessen. John Meaney – Tristopolis weiterlesen

Abercrombie, Joe – Feuerklingen (The First Law 2)

Die |“The First Law“|-Trilogie:
Band 1: [Kriegsklingen 4190 (The Blade itself)
Band 2: _Feuerklingen_ (Before they are hanged)
Band 3: Königsklingen (Last Argument of Kings)

Die Lage für die Union spitzt sich dramatisch zu: Im Norden bedrängt König Bethod das Reich. Um den traumtänzerischen Kronprinz Ladisla ein wenig mehr Respekt bei der Bevölkerung zu verschaffen, will ihn Marschall Burr als Kriegsheld aufbauen und gleichzeitig an einen unbedeutenden Frontabschnitt versetzen und so aus dem Weg räumen, bevor er Unheil anrichten kann. Collem West wird zum Oberst befördert und der Aufpasser des Prinzen und inoffizielle Befehlshaber seiner Truppe. Logens Nordmänner schließen sich West an und entdecken Schreckliches: Bethod ist nahe und marschiert geradewegs auf Ladisla zu – der sich zum heldenhaften Kampf stellen will!

Im Süden übernimmt Superior Glokta die Befehlsgewalt in Dagoska. Eine riesige gurkhisische Armee rückt an, und in der Stadt wimmelt es nur so von potenziellen Verrätern. Sein Vorgänger Davoust verschwand eines Nachts spurlos, man geht davon aus, dass er getötet wurde. Doch wer hält die Fäden in der Hand? Die schöne Carlot dan Eider von der Händlergilde, der ehrgeizige Sohn des greisen Statthalters Vurms, der inkompetente General Vissbruck oder der käufliche, aber kompetente Söldnerführer Cosca? Zudem muss er die einheimische Bevölkerung, die von der herrschenden ausländischen Oberschicht diskriminiert wird, auf seine Seite ziehen, wenn er die Stadt halten will. Das scheint angesichts der Stärke des auf ihn zumarschierenden Heeres immer fragwürdiger, doch Erzlektor Sult besteht darauf, dass die Stadt unter allen Umständen gehalten wird. Glokta kommt den Verschwörern auf die Spur und erkennt, dass diese edlere Motive haben als das Königreich oder Sult.

Bayaz erreicht währenddessen Adua, die zerstörte alte Hauptstadt des von Juvens geschaffenen Kaiserreichs. Er will dort ein Artefakt bergen, mit dem er in den Krieg gegen Khalul ziehen kann, seinem Erzfeind und ebenfalls ein Magi-Schüler Juvens. Dieser verzehrt Menschenfleisch als Quelle seiner Macht und bricht somit das zweite Gesetz der Magie. Bayaz ist bereit, sich gegen das erste zu versündigen und ein Tor zur anderen Seite zu öffnen, nur um es mit ihm aufzunehmen. In Adua angelangt entdecken sie, dass die Stadt von den Schanka verseucht ist. Luthar erlebt seine erste Schlacht, ist völlig überfordert und wird schwer verletzt. Er lernt den Barbaren Logen zu schätzen, für den er zuvor wenig übrig hatte. Bayaz erzählt seiner Gruppe mehr über die glorreiche Vergangenheit und die Konflikte zwischen den Söhnen des göttlichen Euz und seinen Schülern. Khalul scheint jedoch nicht die einzige Gefahr zu sein, denn einige Nordmänner laufen zu der in Logens Abwesenheit von Dreibaum geführten Gruppe über, da sie die „Hexe“, dank deren Hilfe Bethod sich mit den Schanka verbünden konnte, fürchten.

_Der Autor_

Joe Abercrombie wurde 1974 in Lancaster geboren und studierte Psychologie an der Universität Manchester. Dort zeigte er einen recht ausgeprägten Spieltrieb, er liebt Würfel- und Computerspiele. In dieser Zeit entstand auch die Figur des Barbaren Logen Neunfinger, die ihm jedoch selbst als etwas zu aufgeblasen erschien und schnell verworfen wurde. Schließlich zog Abercrombie nach London, um als Cutter in einem Post-Production-Studio zu arbeiten. Nach zwei Jahren verließ er das Studio und arbeitet seitdem freischaffend im selben Beruf. Im Jahr 2002, dank seiner freischaffenden Tätigkeit mit mehr Freiraum für andere Dinge, schrieb er erneut über die tragischen Abenteuer Logens. Im Jahr 2004 vollendete er „The Blade itself“, den ersten Band der „First Law“-Trilogie, die seit 2005 von |Gollancz| und seit kurzem von |Heyne| auch auf Deutsch verlegt wird. Der Erstling war zugleich sein Durchbruch und ein Erfolg auf der ganzen Linie: Die Serie wird bereits in acht Ländern in sieben verschiedenen Sprachen vertrieben.

_Ein Königreich in Nöten_

Die Bedrohung der Union gewinnt durch die Beteiligung der Magi an den verschiedenen Fronten eine ganz neue Dimension, allerdings ist auch ohne diese verdeckte Bedrohung die Lage bereits kritisch. Ohne zu viel verraten zu wollen: Kronprinz Ladisla wird vernichtend geschlagen und muss mit den Nordmännern und West flüchten, der ihn zähneknirschend gegenüber dem berechtigten Spott der Nordmänner verteidigen muss. Wie wird das nur enden?

Glokta muss sich von einem reichen Bankhaus bestechen lassen, will er seinen Befehlen nachkommen und Dagoska verteidigen. Dafür wird er für die Zukunft um einen „Gefallen“ gebeten. Im Spiel um die Macht wird er erneut zur Figur. Seine Ermittlungen in Dagoska ergeben, wie nutzlos die Stadt für das Reich ist und welch verheerende Folgen Widerstand gegen Gurkhul für die Stadt hätte. Zumal die Gurkhisen anscheinend auch noch ehrlichen gemeinten Frieden anbieten, im Austausch gegen Dagoska. Doch obwohl dies im Sinne der Union wäre, torpedieren einige Gruppen insgeheim diesen Frieden …

Dank des recht pathetisch die Größe der Vergangenheit preisenden Bayaz, was sowohl bei seinem Lehrling als auch bei Ferro und Logen für Belustigung sorgt, erfährt der Leser einige interessante Details, die den Konflikten eine ganz neue Dimension und Bedeutung geben. Bayaz wird leider so gut wie nichts gelingen, der mächtige Magi steht schon bald ziemlich ratlos da.

Joe Abercrombie spinnt seine Geschichte geschickt weiter; ich habe einige entscheidende Details wie das Schicksal von Prinz Ladisla, das intrigante Bankhaus, Khalul oder die „Hexe“ im Dienste Bethods nur am Rande erwähnt. Wie sich diese Geschichten entwickeln, zeigt erneut Abercrombies große Kunst, den Leser stets im Ungewissen zu lassen. Man kann nie sicher sein, wie sich die Dinge entwickeln werden, besonders Bayaz muss gehörig improvisieren und umplanen. Das macht Abercrombies Welt so lebendig. Negativ fällt mir mittlerweile das Fehlen einer Karte Anglands auf, da die Handlung aufgespalten auf viele weit voneinander entfernte Orte ist, die ich nur noch mit Mühe geographisch zuordnen kann. Obwohl Abercrombie die Weichen für den dritten Band stellt und vieles enthüllt, kann man dennoch keine Vorhersagen über die zukünftige Handlung machen, was sich langsam zu seinem Markenzeichen zu entwickeln scheint. Das ist neben den ausgefeilten Charakteren seine große Stärke.

_Fazit:_ Die Handlung wird immer komplexer, man erhält neues Wissen und so wesentlich mehr Durchblick über das große Ganze als im ersten Band, dennoch bleibt sie unvorhersehbar – Respekt! Auch die Charaktere entwickeln sich in sehr positiver Weise weiter. Abgesehen von der zickigen Ferro, mit der ich nie so richtig warm werde, zeigt sich das besonders bei Glokta und Luthar. Insbesondere bei Glokta könnte ich mir eine Abwendung von Erzlektor Sult im letzten Band vorstellen, während Luthar ordentlich seine Hofschranzen-Attitüden ausgetrieben worden sind. Aber auch der mittlerweile zum Oberst beförderte West hat beträchtlich an Profil und Charakter gewonnen und wird zu einer zentralen Figur im Kampf gegen Bethod. Bis auf das schmerzliche Fehlen einer Karte habe ich an „Feuerklingen“ nichts auszusetzen; wer im ersten Band eine klare Linie vermisste, wird jetzt nicht mehr ganz so arg im Dunkeln gelassen, ohne dass Abercrombie vorhersehbar würde, was mir sehr gut gefällt.

In seinem Blogeintrag vom 12. September schreibt Joe Abercrombie übrigens über „Feuerklingen“ und gibt ein paar interessante Gedanken zur deutschen Fassung und Fantasy im Allgemeinen zum besten: |“The slightly-abstract-titles-derived-from-quotes approach evidently doesn’t work for our cousins across the channel. (…) The Germans have gone stripped-down and ready for battle with Kriegsklingen, Feuerklingen, and I don’t know what they’re planning to call Last Argument of Kings, but I bet it’s got Klingen on the end of it. Not enormously closely related to the content, but looking at titles and covers of current German fantasy series, there does seem to be a trend over there for these simple, punchy, repetitive series titles and these dark, graphicy covers. A linguistic thing? A cultural thing? Who knows, but one can only assume that the publishers know their own markets, and brand their products accordingly …“|

|Originaltitel: Before they are hanged
Übersetzt von Kirsten Borchardt
Mit Illustrationen von Dominic Harman
Paperback, 800 Seiten, 13,5 x 20,6 cm|
http://www.heyne.de/

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Abercrombie, Joe – Kriegsklingen (The First Law 1)

Die |“The First Law“|-Trilogie:
Band 1: _Kriegsklingen_ (The Blade itself)
Band 2: [Feuerklingen 4199 (Before they are hanged)
Band 3: Königsklingen (Last Argument of Kings)

Fast hätte ich Joe Abercrombie in die Kategorie „noch ein britischer Fantasy-Jungautor“ eingeordnet. Denn der Klappentext von „Kriegsklingen“ klang so klischeehaft wie der Titel, der mit dem englischen „The Blade itself“, einem verkürzten Homer-Zitat („The Blade itself leads to violent action“), nur sehr wenig zu tun hat. Als ich dann die Auflistung „Ein Barbar. Ein Inquisitor. Ein Magier.“ auf den Buchrücken las, habe ich das Buch erst einmal zur Seite gelegt. Ein schwerer Fehler. Denn als ich es dann erst einmal in den Händen hatte, konnte ich mich kaum noch davon losreißen – und habe anschließend ungeduldig auf den mittlerweile erschienenen zweiten Band „Feuerklingen“ gewartet.

_Der Autor_

Joe Abercrombie wurde 1974 in Lancaster geboren und studierte Psychologie an der Universität Manchester. Dort zeigte er einen recht ausgeprägten Spieltrieb, er liebt Würfel- und Computerspiele. In dieser Zeit entstand auch die Figur des Barbaren Logen Neunfinger, die ihm jedoch selbst als etwas zu aufgeblasen erschien und schnell verworfen wurde. Schließlich zog Abercrombie nach London, um als Cutter in einem Post-Production-Studio zu arbeiten. Nach zwei Jahren verließ er das Studio und arbeitet seitdem freischaffend im selben Beruf. Im Jahr 2002, dank seiner freischaffenden Tätigkeit mit mehr Freiraum für andere Dinge, schrieb er erneut über die tragischen Abenteuer Logens. Im Jahr 2004 vollendete er „The Blade itself“, den ersten Band der „First Law“-Trilogie, die seit 2005 von |Gollancz| und seit kurzem von |Heyne| auch auf Deutsch verlegt wird. Der Erstling war zugleich sein Durchbruch und ein Erfolg auf der ganzen Linie: Die Serie wird bereits in acht Ländern in sieben verschiedenen Sprachen vertrieben.

_Eine Welt mit ungewöhnlich komplexen Beziehungsgeflechten_

Joe Abercrombie erzählt stets aus der Perspektive eines seiner zahlreichen ausgefeilten Hauptcharaktere, die zu Beginn getrennt voneinander an völlig verschiedenen Orten agieren. Dabei wechselt er jedoch nie in die Ich-Perspektive.

Dankenswerterweise beginnt die Geschichte recht einfach mit Logen Neunfinger, dem vermeintlich archetypischen Barbaren. Sein Stamm wurde gerade von den „Plattköpfe“ genannten Schanka, einer Art Orks, überrannt. Alleine und getrennt von seiner Jagdtruppe, die er für tot hält, kämpft Logen um sein Überleben. Im weiteren Verlauf der Handlung erfahren wir die Geschichte Logens, der sich als der „Blutige Neuner“ – einen Finger hat er bereits in der Schlacht verloren – einen Namen gemacht hat. Er diente auch unter Bethod, der sich selbst zum König des Nordens ausgerufen hat – ein Unding, denn so etwas gab es noch nie. Jeder Krieger oder Clan folgt nach alter Tradition einem von ihm selbst aufgrund seiner Fähigkeiten oder seines Rufes anerkannten Häuptling. Doch Bethod will mit seinen Mannen über den ganzen Norden herrschen, und er hat sein Auge auf die geschwächte Union im Süden gerichtet. Logen hat zudem noch ein Problem mit Bethod, mit dessen Söhnen er eine seiner zahlreichen Fehden führt.

Im Süden leidet die reiche von Adelsfamilien beherrschte Union unter ihrem schwachen König, der vor sich hin kränkelt und nur zwei leidlich geeignete Söhne hat. Die wahre Macht liegt bei der Inquisition, den Bluthunden des Königs. Diese hat das Recht, in der Art einer Staatspolizei jeden mutmaßlichen Feind des Königreichs unter der Folter zu befragen – und macht davon reichlich Gebrauch. In Sachen Religion hält sich Abercrombie bedeckt, sie ist unbedeutend und wird kaum thematisiert.

Großinquisitor Sand dan Glokta, ein verkrüppelter und von den Gurkhisen gefolterter ehemaliger Kriegsheld, ist der erfolgreichste Mann von Erzlektor Sult. Mit Gloktas Hilfe gelingt es ihm, die Macht der Tuchmachergilde zu brechen und der Inquisition noch mehr Macht im Inneren Rat zu verschaffen. Glokta sollte ein gebrochener Mann sein, er hat keine Zähne und keine Zehen mehr, humpelt und wird von Muskelkrämpfen gepeinigt. Doch sein zynischer Selbsthass macht ihn zu einem exzellenten Folterknecht, der seinem alten Leben als Liebling des Hofes und Kriegsheld nachtrauert. Die Gurkhisen haben ihn zu einem körperlichen Wrack gefoltert, und die wenigsten seiner alten Freunde wollen noch etwas mit ihm zu tun haben. Gemeinsam mit seinen Praktikalen (Schläger, Folterknechte und Diener in Personalunion) Frost und Severard klärt Glotka die vertracktesten Fälle, nur um festzustellen, das er von Erzlektor Sult für höchst eigennützige Ziele benutzt wird. Doch so schlau Glokta auch sein mag, er muss dieses perfide Spiel mitspielen – denn irgendwie hängt er trotzdem noch am Leben.

Der junge Adelige Jezal dan Luthar ist das, was Glokta einmal war: ein Frauenheld, Säufer, Zocker und Tunichtgut, der allerdings das Zeug zu einem begabten Degenfechter hat. Er soll wie einst Glokta das jährliche Fechtturnier gewinnen und wird deshalb von Marschall Burr zu einem harten Training verdonnert. Burr selbst hält abgesehen davon nicht viel von ihm, dafür aber umso mehr von seinem fechterisch nicht ganz so begabten, aber dafür vernünftigen und verantwortungsbewussten bürgerlichen Freund Collem West, der unter seinen Fittichen Karriere macht. Dessen hübsche Schwester Ardee verdreht Jezal gehörig den Kopf, für den es eine verstörende Erfahrung ist, dass eine Frau mit ihm spielt, und nicht umgekehrt. Doch die Affäre kommt West zu Gehör, und er verpasst Ardee eine ordentliche Maulschelle, während sich Jezal eingestehen muss, dass er Ardee trotz des in seinem bornierten Weltbild unüberbrückbaren gesellschaftlichen Unterschiedes liebt.

Die verschiedenen Charaktere treffen sich schließlich in der Hauptstadt der Union. Logen wurde von dem mächtigen Zauberer Bayaz, einem Schüler des mächtigen Juvens selbst, als Leibwächter angeworben. Doch niemand glaubt dies dem kahlköpfigen und ganz und gar nicht mächtig aussehenden Bayaz. Er muss erst mit einem misstrauischen Glokta und Luthar als Zeugen das seit Jahrhunderten magisch versiegelte Haus des Meisterschöpfers Kanedias öffnen, um sein Anrecht auf einen Sitz im Inneren Rat geltend zu machen.

Hier endet die Geschichte vorerst, und auch die Wege der Hauptpersonen trennen sich erneut. West wird mit Kronprinz Ladisla in den Norden geschickt, um der Bedrohung durch Bethod zu begegnen. Ardee bleibt zurück, während Luthar mit Bayaz, Logen und der auf Rache sinnenden Südländerin Ferro Maljinn in den Süden aufbricht, um einer vorerst von Bayaz diffus beschriebenen Bedrohung zu begegnen. In den Süden verschlägt es auch Glokta, der im Auftrag des Erzlektors die Stadt Dagoska gegen seine Erzfeinde, die Gurkhisen, verteidigen soll – angesichts der widrigen Umstände ein wahres Himmelfahrtskommando.

_Der Anfang einer unvorhersehbaren Geschichte_

Um was es eigentlich in dieser Trilogie geht, wird im ersten Band noch nicht ersichtlich. Vorerst baut Abercrombie seine faszinierenden Charaktere auf. Egal ob es Glokta, Logen oder Luthar sind – sie sind alle frisch und unverbraucht, man kann sie genauso wenig in Stereotypen pressen wie die Handlung. Diese entwickelt sich dynamisch, man weiß nie, wie es weitergeht. Das ist das herausragende Talent Abercrombies neben seiner Gabe, interessante und vielschichtige Charaktere zu schaffen. Seine Welt lebt, die Dinge entwickeln sich zeitgleich und man kann die Bedrohung nicht sofort im Sinne eines allwissenden Lesers identifizieren. Nur bruchstückhaftes Wissen erhält man appetitlich häppchenweise vorgesetzt, den Rest der Zeit verwendet Abercrombie auf seine Charaktere und die Kultur der Nordmänner, ihre Beziehungen untereinander und die Situation in der dekadenten Union, die zusätzlich von einem zwielichtigen Kaiser aus dem Süden bedroht wird – Khalul, wie Bayaz ein ehemaliger Schüler von Juvens. Dieser hat sich über einige Gesetze hinweggesetzt, die von Juvens und den anderen Söhnen des Euz propagiert wurden. Dazu gehören Gebote, kein Tor zu der „anderen“ Seite zu öffnen, dem Reich der Dämonen, oder kein Menschenfleisch zu verzehren. Leider ist jegliche Form der Magie letzen Endes ein Zugriff auf diese Mächte, was mitunter zu recht großzügiger Auslegung des ersten Gesetzes geführt hat …

Der von Kirsten Borchardt sehr gut übersetzte 796 Seiten dicke Schmöker ist somit keine abgeschlossene Geschichte, sondern der Anfang einer Trilogie. Trotz des martialischen Titels und des bei einem Folterknecht und Barbaren zu erwartenden Gemetzels machen blutige Schlachten und Folterszenen nur den geringsten Teil des Buchs aus; der Fokus liegt auf der Charakterisierung seiner Figuren, Abercrombie legt keinerlei Wert auf Splatter um des Splatters willen, wie in den oft nur aus aneinandergereihten Kampfeinlagen bestehenden |D&D|-Romanen der schlechteren Art – er spielt mehrere Klassen höher. Die Handlung geht so leider etwas unter, und mancher Leser mag sich deshalb etwas orientierungslos vorkommen, allerdings möchte ich keine Seite missen, auf der Abercrombie sein einzigartiges Talent zur Charakterisierung zeigt. Er bietet nicht nur abwechslungsreiche Geschichten einzelner Charaktere wie Logen, Luthar, Glokta oder Ferro, er verknüpft sie geschickt miteinander und schafft so eine lebendige und realistische Welt voller Dramatik garantierender Beziehungsgeflechte.

Nach und nach wird dem Leser die Haupthandlung klarer, während die Charaktere an ganz unterschiedlichen Orten nur individuelle Teile des großen Ganzen erleben. Diese geschickte und unvorhersehbare Handlungsführung ist neben der Charakterisierung der größte Pluspunkt des Romans und setzt neue Akzente in einem vor Stereotypen sonst nur so strotzendem Genre. Der zynische und selbstironische Humor Gloktas, seine messerscharfen Einsichten und der für einen Barbaren auf praktische Weise recht kluge Logen runden das positive Bild ab. Sogar der geckenhafte Luthar wird menschlich beschrieben und nicht zum Gespött gemacht, er ist glaubhaft und keine Witzfigur. Er wird von allen Charakteren in der Folge wohl die deutlichste Wandlung durchmachen.

_Fazit:_ Joe Abercrombie scheint Klischees zu bedienen – und zeigt, was man aus altbekannter Machart mit ein paar Kniffen in der Erzählweise, Handlungsführung und begnadeter Charakterisierung machen kann. Wenn er mit George R. R. Martin und Glen Cook und anderen Größen verglichen wird, ist das keineswegs anmaßend – Abercrombie selbst ist bekennender Leser und Kenner derselben und in dem dezidierten Martin-Forum http://www.westeros.org/ und bei [SFFWorld]http://www.sffworld.com/ aktiv an Diskussionen beteiligt. Auf seiner Webseite und in seinem Blog findet sich viel Lesenswertes über den Autor und seine Serie.

Ich kann das Buch nur ausdrücklich empfehlen. Ein derartiges Lesefieber habe ich sonst nur bei meinen Favoriten George R. R. Martin, David Gemmell oder Raymond Feist erlebt.

|Originaltitel: The Blade Itself – The First Law Book 1
Originalverlag: Orion
Aus dem Englischen von Kirsten Borchardt
Mit Illustrationen von Dominic Harman
Paperback, 800 Seiten, 13,5 x 20,6 cm|
http://www.heyne.de

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Blazon, Nina – Sturmrufer, Die (Die Meerland-Chroniken 1)

Nina Blazon ist ein Arbeitstier. Alleine dieses Jahr erschienen von ihr vier Bücher, darunter die historischen Romane „Der Maskenmörder von London“ und „Katherina“ und in der Reihe |Die Taverne am Rande der Welt| die beiden Bände „Die Reise nach Yndalamor“ und „Im Land der Tajumeeren“. Mit „Die Sturmrufer“ begibt sich die Autorin zurück zu ihren Wurzeln. Der Fantasyroman für Jugendliche ist der erste Band der Reihe |Die Meerland-Chroniken|.

Die Geschichte beginnt an einem wohlbekannten Ort. Die Küstenstadt Dantar spielte schon im ersten Teil der |Woran|-Saga, „Im Bann des Fluchträgers“, eine kleine Statistenrolle. Dieses Mal steht sie im Vordergrund, denn Amber, ein junges Mädchen aus den Bergen, möchte Bürgerin der Stadt werden und dort leben und arbeiten. Dumm nur, dass sie einen Bürgen braucht, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Noch dümmer, dass sie erstens noch niemanden in der großen Stadt kennt und sich zweitens mit ihrer kratzbürstigen Art und dem Talent, Menschen ständig vor den Kopf zu stoßen, keine Freunde macht.

Als ein heftiger Sturm mit einer riesigen Flutwelle über die Stadt hinwegfegt, lernt sie in ihrem Versteck den jungen Seiler Inu kennen. Sie benimmt sich ihm gegenüber abweisend. Dennoch besorgt er ihr einen Job als Ruderin, denn bei dem Unwetter sind Handelsschiffe gesunken. Nun sollen Taucher nach den wertvollen Ladungen suchen. Gemeinsam mit Inu, der stolzen Taucherin Sabin und dem freundlichen Navigator Tanijen rudert Amber zu einer Sandbank, wo Sabin teuren Schmuck aus einem Wrack holen soll.

Doch das Wetter macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Ohne Vorwarnung zieht ein neuer Sturm auf und schwemmt das kleine Boot der vier an eine unbekannte, anscheinend unbewohnte Insel. Sie finden Zuflucht in einer verlassenen Festung, die irgendwie unheimlich ist. So wie die ganze Insel. Vögel, die Wind machen, ein Schiffsfriedhof, Bäume, aus denen Fischen schlüpfen – hier geht es augenscheinlich nicht mit richtigen Dingen zu.

Die Versuche, die Insel zu verlassen, scheitern. Erst als Tanijen dem Geheimnis des verwunschenen Ortes auf die Spur kommt, scheint auch die Flucht in greifbare Nähe zu rücken. Doch weder Tanijen noch die anderen drei ahnen, wie gefährlich dieses Geheimnis ist …

Nina Blazon konzentriert sich dieses Mal hauptsächlich auf die vier Jugendlichen, die sehr unterschiedlich sind. Eines haben sie jedoch gemeinsam: Konflikte. Während Amber und Sabin mit Erlebnissen in ihrer Vergangenheit zu kämpfen haben, steht zwischen Tanijen und Inu das Ende der gemeinsamen Freundschaft. In der Abgeschiedenheit brechen diese Konflikte erneut auf und es kommt erschwerend hinzu, dass gerade die Mädchen sehr einzelgängerisch sind.

Emotionaler Zündstoff ist dementsprechend vorhanden, und die Stuttgarter Autorin nutzt das für ihre Zwecke aus. Sie flicht ein dichtes, authentisches Netz aus Problemen und Konflikten, das aus seiner Tiefe Spannung bezieht. Sie weiß genau, wie sie die einzelnen Personen zueinander platzieren muss, um den Leser in den Bann zu ziehen.

Das ist natürlich eng mit den Personen selbst verbunden, die bestechend gut ausgearbeitet sind. Sie besitzen Ecken und Kanten, und Blazon hat jede mit einer traurigen Geschichte ausgestattet. Die Figuren werden richtiggehend lebendig und geben dem Leser – obwohl sie in einer ganz anderen Welt leben – die Möglichkeit, sich mit ihnen zu identifizieren.

Anders als in ihren vorherigen Büchern schlägt die Autorin einen ernsteren, erwachseneren Ton an. „Die Sturmrufer“ ist sicherlich nicht so witzig und leichtfüßig wie ihre Reihe |Die Taverne am Rande der Welten|, dafür aber dementsprechend tiefgehender. Der Schreibstil bleibt im Großen und Ganzen der Gleiche. Blazon verzichtet – aufgrund der Ernsthaftigkeit des Buches – auf ihren köstlichen Humor und überdrehte, beinahe satirische Fantasyelemente. Trotzdem schreibt sie bunt und lebendig, auch wenn sich dies eher auf das Innenleben der Charaktere bezieht als auf die Welt, in der die Geschichte spielt.

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Küstenstadt Dantar und die geheimnisvolle Insel blasse Örtchen in einer wässrigen Fantasywelt wären. Im Gegenteil stattet die Autorin den Schauplatz erneut mit vielen wunderbaren Details aus und beweist ein ums andere Mal, wie fantasievoll sie sein kann. Ihr Einfallsreichtum hört nicht einfach so beim Hintergrund der Geschichte auf, sondern reicht weit in den Schreibstil hinein. Immer wieder benutzt sie Elemente der Umgebung um Dantar, um daraus bildhafte, leicht verständliche Metaphern zu bauen, welche die Geschichte sehr anschaulich werden lassen.

Bei all dem Lob gibt es aber auch etwas zu bemängeln. Manchmal scheint sich die Autorin, die 2003 den Wolfgang-Hohlbein-Preis gewann, ein wenig zu sehr auf dem Beziehungsgeflecht der vier Protagonisten auszuruhen. Die Handlung besteht zwar aus sehr vielen guten Einfällen, aber diese sind zumeist nicht sauber kombiniert. Oft fehlt es an Glaubwürdigkeit und an Ordnung, obwohl der Anfang sehr vielversprechend ist. Dadurch wirkt das Buch manchmal recht beliebig, beinahe kraftlos, und es kommt dementsprechend nur wenig Stimmung auf.

Gut, dass man sich aber trotzdem bei Nina Blazon immer auf zwei Dinge verlassen kann: originelle Charaktere und einen fesselnden Schreibstil. Davon gibt es auch in „Die Sturmrufer“ wieder eine hochwertige Kostprobe. Da dies der erste Band der Trilogie |Die Meerland-Chroniken| ist, bleibt nur zu hoffen, dass die Charaktere uns erhalten bleiben und in den beiden folgenden Büchern Abenteuer erleben, wie man sie von Blazon gewohnt ist.

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_Alle Bücher von Nina Blazon auf |Buchwurm.info|:_

[„Im Bann des Fluchträgers (Woran-Saga 1)“ 2350
[„Im Labyrinth der Könige (Woran-Saga 2)“ 2365
[„Im Reich des Glasvolks (Woran-Saga 3)“ 2369
[„Der Bund der Wölfe“ 2380
[„Die Rückkehr der Zehnten“ 2381
[„Der Spiegel der Königin“ 3203
[„Die Reise nach Yndalamor (Die Taverne am Rande der Welten 1)“ 3463
[„Im Land der Tajumeeren (Die Taverne am Rande der Welten 2)“ 3980
[„Der Maskenmörder von London“ 3983

Marzi, Christoph – Malfuria – Die Hüterin der Nebelsteine

Mit [„Malfuria“ 3398 hat Christoph Marzi vor ein paar Monaten den ersten Teil einer neuen, vielversprechenden Trilogie geschaffen. Eine Fantasygeschichte, die sich für Jugendliche wie auch für Erwachsene angenehm liest und von den Abenteuern der Catalina Soleado berichtet.

Catalina lebt in Barcelona in einer Zeit voller Wunder und hat eine besondere Fähigkeit: Mit einem einzigen Federstreich kann die junge Kartenmacherin die Welt verändern. Darum kamen die Schatten nach Barcelona und suchten das Mädchen. Doch Catalina ist den Schatten entwischt. Ihren neu gewonnen Gefährten, den Lichterjungen Jordi, hat sie dabei leider aus den Augen verloren, doch kurz bevor die Schatten sie zu packen bekommen konnten, gelang Catalina die Flucht nach Malfuria.

Malfuria ist kein spezifischer Ort, sondern ein Sturm aus wirbelnden Rabenfedern, deren Form und Erscheinungsbild sich stetig verändern. In Malfuria trifft Catalina die Zigeunerhexe Makris de los Santos und die große Hexe Agata la Gataza. Mit Makris schließt Catalina schon bald Freundschaft, und gemeinsam machen sich die drei auf die Suche nach Catalinas Großmutter Nuria Niebla, eine verschollene mächtige Hexe, die im Kampf gegen die Schatten helfen soll …

Währenddessen irrt Jordi durch die zunehmend von der Dunkelheit verschluckten Gassen Barcelonas. Er hat seine Erinnerung verloren, weiß weder, wer er ist, noch kann er sich an Catalina erinnern. Er trifft zufällig auf einen Mann namens Kopernikus, dem die Schatten eigenartigerweise nichts anhaben können. Gemeinsam mit dem Mann flieht Jordi in Richtung Hafen und trifft im Leuchtturm auf einen verloren geglaubten Teil seines alten Lebens: seinen Vater, der ihnen bei der weiteren Flucht vor den alles verschlingenden Schatten hilft …

„Die Hüterin der Nebelsteine“ knüpft nahtlos an die Geschehnisse des ersten Bandes an, was insofern sehr gut ist, als dieser sehr abrupt endete. Man kann also direkt weiterlesen, was auch durchaus ratsam ist, da Marzi nicht viel Zeit auf Wiederholungen und Zusammenfassungen verschwendet. Man sollte also schon noch halbwegs frisch im Gedächtnis haben, was im ersten Teil passiert ist, damit man nicht den roten Faden verliert.

Jordi und Catalina gehen nun getrennter Wege. Der Plot gabelt sich in zwei unterschiedliche Erzählstränge, wird zum Ende hin aber wieder zusammengefügt, wenn sich die Wege der unterschiedlichen Protagonisten erneut kreuzen. Catalina flieht mit den beiden Hexen und Malfuria aus Barcelona und macht sich auf die Suche nach ihrer Großmutter. Sie werden von den Schatten verfolgt und begegnen einigen eigenartigen feindlichen Kreaturen, z. B. magischen Buchstabenwesen und unheimlichen Mosaikschlangen.

Malfuria und damit dem gesammelten Wissen der Hexenheit droht Gefahr. Agata la Gataza weiß um diesen Umstand, und darum müssen die drei Frauen Catalinas Großmutter finden, die nach dem von Catalinas Mutter begangenen Verrat von entscheidender Bedeutung wäre.

Insgesamt betrachtet passiert in diesem Handlungsstrang eigentlich eher wenig. Catalina ist in Malfuria sicher vor den feindlichen Häschern, wenngleich sie über den Verlust von Jordi sehr unglücklich ist. Und so läuft Jordi Catalina in diesem Band ein bisschen den Rang ab; seine Geschichte ist wesentlich spannender. Seine Flucht mit Kopernikus führt ihn zunächst auf den Leuchtturm seines Vater und dann hoch hinaus in die Lüfte.

Auch Kopernikus als sein rätselhafter Begleiter ist als Figur interessant. Er ist immun gegen die Macht der Schatten, was allerdings nicht bedeutet, dass die beiden vor den dunklen Mächten sicher wären. So verläuft dieser Handlungsstrang recht spannend und unterhaltsam, während die Erzählung um die eigentliche Hauptfigur Catalina gemächlich vor sich hinplätschert.

Konnte der erste Band noch durch seine schön skizzierte Welt und seine fantastischen Einfälle überzeugen, so liefert Marzi im zweiten Teil leider nicht viel Neues. Der Funke mag nicht so recht überspringen, und es schleicht sich das Gefühl ein, „Die Hüterin der Nebelsteine“ könnte ein etwas unausgegorener Schnellschuss sein. Fand ich bislang noch alle Marzi-Romane sehr gelungen, so kam mit diesem Band zum ersten Mal eine gewisse Langeweile auf.

Der Plot ist nicht so temporeich, Marzis Einfälle wirken blasser und farbloser als sonst und nicht zuletzt ist es auch die Hauptfigur Catalina, die einen faden Beigeschmack hinterlässt. Sie tappst irgendwie leidenschaftslos durch den Plot, tut nicht viel, aber wenn, wird sie nur durch ihre Intuition gesteuert und macht – ohne dass viel erklärt würde, warum – direkt alles richtig. Wäre als Gegengewicht nicht noch der Plot um Jordis Erlebnisse mit Kopernikus, so wäre „Die Hüterin der Nebelsteine“ eher als Schlafmittel denn als unterhaltsame Lektüre geeignet.

So schafft man es dann leider auch nicht so recht, in die Geschichte einzutauchen und mitzufiebern. Marzi reicht mit dem zweiten Band der „Malfuria“-Reihe bei weitem nicht an die Qualitäten des ersten Bandes heran, und das drückt leider ziemlich die Motivation, die Geschichte weiterzuverfolgen. Man schlägt das Buch am Ende ziemlich unbeeindruckt zu und staunt höchstens über das viele verschenkte Potenzial in Anbetracht der Vorzüge des ersten Teils.

Bleibt also unterm Strich ein schwacher Eindruck zurück. „Malfuria – Die Hüterin der Nebelsteine“ setzt leider nicht konsequent fort, was Marzi in „Malfuria“ angefangen hat. Die Geschichte plätschert teilweise spannungsarm und unmotiviert vor sich hin. Die Figuren (insbesondere Protagonistin Catalina) wirken teilweise blass und aufgesetzt. An Ideen liefert Marzi nicht viel Neues und man fiebert kaum mit. Der Erzählstrang um die Erlebnisse von Jordi kann zwar noch einiges wettmachen, dennoch ist „Malfuria – Die Hüterin der Nebelsteine“ allenfalls als mittelmäßig zu bezeichnen. Schade, denn eigentlich wissen wir mittlerweile ja, dass Christoph Marzi es wesentlich besser kann, aber hier wird er den Erwartungen einfach nicht gerecht. Hoffen wir, dass das nur ein Ausrutscher war und die nächsten Bücher wieder fesselnder und leidenschaftlicher ausfallen.

http://www.malfuria.de/
http://www.christophmarzi.de/
http://www.arena-verlag.de

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