Meyer, Axel S. – Buch der Sünden, Das

_Inhalt_

Paris, 845: Die Normannen überfallen Paris und bringen unsägliches Leid über seine Bewohner. Einer der bitter Betroffenen ist der kleine Odo, dessen Vater getötet und dessen Mutter verschleppt wird. Nur knapp überlebt der kleine Junge die furchtbaren Tage, und danach soll ihn sein Trauma für immer verändern.

Odo wird in die Obhut der Kirche gegeben, und Jahre später fällt ihm, der vom Rachedurst und von der Sehnsucht nach seiner vielleicht noch lebenden Mutter getrieben ist, in der Bibliothek des Klosters St. Gallen eine geheime Schrift in die Hände, die seinen Weg vorzuzeichnen scheint: Er führt ihn in den Norden hinauf, in die unmittelbare Nähe seiner Feinde, nach Haithabu, dem Tor nach Dänemark. Hier beginnt er mit seiner Aufgabe, von der er glaubt, dass Gott selbst ihn dazu ausersehen habe.

In Haithabu lebt der junge Helgi, der Sohn eines Schmieds. Er selbst hat eigentlich gar keine Lust, ebenfalls Schmied zu werden, aber es scheint, als bliebe ihm nicht viel anderes übrig. Und dabei möchte er doch viel lieber Ausschau halten nach der hübschen, unglücklichen Sklavin seines Nachbarn, des hässlichen Widersachers seines Vaters! Allein, dem Jüngling ist es nicht vergönnt, seiner heimlichen Liebe nachzuschauen, denn urplötzlich gehen in Haithabu unheimliche Dinge vor sich, die sich niemand erklären kann. Und Helgi selbst ahnt nicht, dass er eine der Hauptrollen in einer höchst verwickelten und mystischen Angelegenheit spielen soll, die ihn weit von zu Hause fortführen wird. Als es schließlich soweit ist, bleibt dem jungen Mann nur, sich den Winden des Schicksals anzuvertrauen und bestmöglich zu meistern, was sich ihm in den Weg stellt …

_Kritik_

„Das Buch der Sünden“ ist der Gewinner des von Rowohlt veranstalteten Wettbewerbs „Historischer Roman des Jahres“. Er ist ziemlich gut recherchiert, wenn man bedenkt, wie wenige Aufzeichnungen aus dem 9. Jahrhundert eigentlich überliefert sind, und auch an Spannung mangelt es nicht: Man möchte zu jedem Zeitpunkt wissen, wie es weitergeht, und sobald der Wahn des Antagonisten erst deutlich zu Tage tritt, überraschen auch die krassen Situationen nicht mehr.

Was mich allerdings störte, war die Vielzahl von Klischees, mit denen die Lücken zwischen den geschichtlichen Fakten gefüllt wurden. Sehr zu Anfang, als die Normannen Paris überfallen, ist die Rede von einem 14jährigen Mädchen, hübsch, mit großem Busen. Da war dann schon klar, dass sie keine zwanzig Seiten mehr hat, bis sie vergewaltigt wird (damit verderbe ich niemandem die Geschichte; das Mädchen hat keine tragende Rolle). Überhaupt ist Vergewaltigung offenbar immer ein guter Zeitvertreib im Frühmittelalter, und die Wikinger nehmen mehr Eigenblut zu sich als die Freunde Siegfrieds in Etzels brennendem Saal. Außerdem trinken sie andauernd aus Hörnern, was ja jedem Mittelaltermarktbesucher das Herz aufgehen lassen mag, letztlich aber so nicht richtig ist: Natürlich wurden Trinkhörner bei diversen religiösen Ritualen eingesetzt, aber die Erfindung des Bechers ist keine Raketenwissenschaft, und dass man Flüssigkeit besser in etwas füllt, das nicht umfällt, war sogar wilden Wikingern im 9. Jahrhundert klar.

Natürlich weiß ich, dass diese Meinung subjektiv ist und viele Leser eher Vergnügen an den Punkten haben werden, die mir Verdruss bereiten; nicht umsonst wird ein Roman den Wettbewerb gewonnen haben, der so viele populäre Ansichten in sich vereinigt.

_Fazit_

Axel S. Meyer hat einen umfangreichen, spannenden historischen Roman verfasst, angesiedelt im gefährlichen Grenzgebiet zwischen frühem Christentum und heidnischer Religion, der mit einer quasi-mystischen Kriminalgeschichte kombiniert ist und diverse kriegerische Auseinandersetzungen der damaligen Zeit mit einer sehr persönlichen Liebes-, Lebens- und Leidensgeschichte verquickt.

Dass er mir aus oben genannten Gründen nicht gefällt, sollte niemanden von der Lektüre abhalten, der diese Ansichten nicht teilt, abgesehen davon ist „Das Buch der Sünden“ nämlich gut geschrieben.

|Taschenbuch: 784 Seiten
ISBN-13: 978-3499253805|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

Walden, Conny – Bernsteinhändlerin, Die

_Lübeck im Jahre 1447:_ Die Tochter des Rigaer Bernsteinkönigs Heinrich Heusenbrink, Barbara, soll die Ehe mit dem Lübecker Kaufmannssohn Matthias Isenbrandt eingehen. Mit ihrem Vater reist Barbara Heusenbrink von Riga nach Lübeck, um die Verlobung zu feiern. Am Hafen angekommen, werden Barbara und ihr Vater von dem Schreiber und Sekretär der Isenbrandts, Thomas Bartelsen, in Empfang genommen und zum Haus der Isenbrandts geleitet. Barbara macht ihrem Unmut darüber Luft, dass ihr zukünftiger Verlobter es nicht für nötig hält, sie in Lübeck zu begrüßen. Auch der Empfang in dem Patrizierhaus fällt sehr kalt aus, und Matthias geht Barbara offensichtlich aus dem Weg, während sein Vater auf eine schnelle Eheschließung drängt.

Zur gleichen Zeit trifft der Ritter Erich von Belden in Lübeck ein, um sich als Söldner in der Lübecker Stadtwache zu verdingen. Kurz nach seiner Anstellung muss er eine Giftmischerin in Gewahrsam nehmen und dem Henker übergeben. Unter der Folter und der anschließenden Gerichtsverhandlung berichtet die Giftmischerin – neben vielen bereits vollzogenen Morden – von einem von Matthias Isenbrandt geplanten Giftmord an seiner zukünftigen Frau.

Der vom Lübecker Rat eingesetzte Richter Richard Kührsen schließt mit dieser Aussage plötzlich das Verfahren und alle Anwesenden werden bestochen, Lübeck auf schnellstem Wege zu verlassen. Erich kann es allerdings mit seiner Ehre nicht vereinbaren, die junge Barbara in ihr Unglück laufen zu lassen, und sucht diese am Abend ihrer Verlobung auf, um sie zu warnen. Kurz darauf bekommt Erich Besuch von einem Meuchelmörder in seinem Mietzimmer. Erich kann sich wehren und tötet den Mörder im Kampf. Er nimmt eine Münze an sich, die der Mörder um den Hals trägt. Diese zeigt drei Kreuze auf goldenem Grund mit schwarzem Rand.

Drei Jahre später: Barbara ist für ihren Vater geschäftlich unterwegs und auf dem Landweg auf dem Heimweg nach Riga. Auf der kurischen Nehrung wird sie mit ihrem Gefolge überfallen und alle Männer werden getötet. Als sie schon keine Hoffnung mehr hat, taucht plötzlich Erich von Belden auf und rettet sie. Schnell wird klar, dass Barbara niemandem mehr trauen kann, und sie begibt sich unter den Schutz von Erich. Eine abenteuerliche Reise durch das Baltikum beginnt. Nicht nur einmal begegnen sie den drei Kreuzen, die schon in Lübeck beider Leben bedrohten und in Zusammenhang mit den Bernsteinschmugglern zu stehen scheinen.

_Kritik_

Mit „Die Bernsteinhändlerin“ hat Conny Walden – ein Pseudonym für das Autorenehepaar Alfred und Silke Bekker – einen eindrucksvollen historischen „Debütroman“ geschrieben. Das Autorenduo baut ab der ersten Seite einen Spannungsbogen auf, der sich bis zum Schluss stetig steigert. Der Sprachstil passt sich der Zeit verständlich an und ist flüssig zu lesen. Findig eingewobene Intrigen rund um den Bernsteinhandel dieser Zeit und einen Geheimbund, der nach Macht und dem Gold der Ostsee giert, entsprechen der Erwartungshaltung, die der Leser an historische Romane richtet.

Conny Walden beschreibt in ihrem Roman „Die Bernsteinhändlerin“ eindrucksvoll und glaubwürdig den Bernsteinhandel, der durch das Monopol des Deutschen Ordens Schmuggler und manch andere kriminelle Energie auf den Plan rief. Die Schauplätze der Handlung werden aussagekräftig und lebendig beschrieben und die Zeit um 1450 dem Leser so nahegebracht.

Ein kleiner Fehler des Autorenduos: Das in dem Roman vorkommende Holstentor wurde erst ca. 20 Jahre, nachdem Barbara Heusenbrink dieses durchschreitet, gebaut – zumindest jener Teil der Toranlage, der heute unter diesem Namen bekannt ist. Dies ist verzeihbar, schließlich gehört das Holstentor als Wahrzeichen und Symbol zu Lübeck.

Erzählt wird der Roman aus der Sicht eines Beobachters, der sich auf die Erlebnisse der Protagonisten Barbara Heusenbrink und Erich von Belden konzentriert. Die Protagonisten sind für ihre Zeit realitätsnah konzipiert, bleiben aber aufgrund mangelnder Beschreibung und Tiefe ein wenig im Schatten ihrer selbst. Hier hätte das Autorenduo auf mehr charakterlicher Tiefe und Detailreichtum in etwaigen Nebengeschichten setzen sollen. So wären die Figuren nachhaltiger in Erinnerung geblieben.

Die Protagonisten Barbara Heusenbrink und Erich von Belden sind sympathisch, werden aber aufgrund der fehlenden Lebendigkeit schnell in die Vergessenheit gedrängt. Dies wird allerdings durch die spannende Handlung und den schön zu lesenden, dem Mittelalter angepassten Stil wieder wettgemacht. Die Beziehungen der einzelnen Charaktere sind klar umrissen und nachvollziehbar dargestellt.

Trotz kleiner Schwächen ist dem Autorenduo Conny Walden ein fesselnder und lesenswerter Debütroman gelungen, der die Zielgruppe von Lesern historischer Romane ansprechen wird.

_Fazit_

Conny Waldens Erstlingswerk „Die Bernsteinhändlerin“ ist ein durchaus lesenswerter Roman, der durch seine Schauplätze und die spannende Handlung besticht. Der Roman ist leicht zu lesen und bietet verwirrende Intrigen, eine glaubhafte Romanze und jede Menge Spannung, die auch ihren Höhepunkt findet.

Mir hat dieser Roman gut gefallen, und Lesern historischer Romane kann ich dieses Werk mit ruhigem Gewissen als leichte Lektüre ans Herz legen.

_Autor_

Conny Walden ist das Pseudonym für das Autorenduo Alfred und Silke Bekker. Alfred Bekker schreibt Fantasy, historische Romane, Kinder- und Jugendbücher. Seine Frau Silke Bekker veröffentlicht vor allem Humoresken und Erzählungen. Unter dem Pseudonym Conny Walden schreiben sie gemeinsam historische Romane. Weitere historische Romane des Autorenduos sind bei |Goldmann| in Vorbereitung.

|Taschenbuch, Broschur: 448 Seiten
ISBN: 978-3-442-47123-2|
[www.alfredbekker.de]http://www.alfredbekker.de
[www.goldmann.de]http://www.randomhouse.de/goldmann/

_Nadine Warnke_

John C. Higgins – Ein Fisch geht ins Netz

Um ein erpresstes Lösegeld zurückzuerlangen, setzt das FBI den festgesetzten Kidnapper zu üblen Strolchen in die Gefängniszelle. Als den Insassen ein Ausbruch gelingt, scheint das Gesetz das Nachsehen zu haben … – Aber keine Sorge, denn in diesem systemkonservativen „Law-&-Order“-Krimi bekommt jeder Strolch, was ihm zusteht: eine Kugel in den Leib oder die Todesstrafe. Trotz (oder wegen?) der brutalen Schwarz-Weiß-Zeichnung schreibt Higgins spannend und schnell: ein Krimi als Erinnerung an einen sehr speziellen Zeitgeist.
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Gloge, Andreas / Sassenberg, Volker – Point Whitmark: Der Seelenkünder (1/2) (Folge 29) (Hörspiel)

Der Hörspielmarkt boomt wie selten zuvor; neue Serien schießen wie Pilze aus dem Boden, etablierte Reihen finden immer mehr Zulauf, und während man vor lauter Auswahl schon fast den Überblick verliert, sind die Produktionsteams in der Pflicht, ihren bisherigen Meisterstücken immer noch eins draufzusetzen. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich in letzter Zeit allerdings auch eine Unsitte eingespielt, die in der Draufsicht sicherlich gar nicht mal so schlecht wirkt, bei näherer Betrachtung aber lediglich in den seltensten Fällen auch wirklich effektiv ist. Die Rede ist von Doppelfolgen, denen man zwar zutrauen darf, einen etwas komplexeren und breiteren Epos zuzulassen, die jedoch auch die Unart mit sich führen, phasenweise über echte Längen zu verfügen. Nach 28 straffen Episoden ist nun auch „Point Whitmark“ mit einem solchen Zweiteiler beehrt worden. Und siehe da: Einige der bekannten Probleme treffen auch auf „Der Seelenkünder“ zu!

_Story:_

Im benachbarten Hafenstädtchen Casa Vargas veranstalten Jay, Tom und Derek eine außergewöhnliche Radioshow in der direkten Nähe des Strands. Das Trio hat sich eine menschliche Nachahmung des einstigen Hofastronomen Ramiro Luiz del Santos geangelt, der das Publikum mit einigen Tricks und mystischen Darbietungen bei Laune halten soll. Doch während seines Auftritts geschieht etwas Unfassbares: Jay verschwindet plötzlich spurlos, während die Nebelmaschine ihren Betrieb beschleunigt. Und als die beiden Freunde ihn wiederentdecken, steht er immer noch unter Hypnose und verhält sich völlig eigenartig. Erst nach einiger Zeit kommen Tom und Derek wieder an ihn heran und nutzen die Trance zu ihrem Vorteil. Doch zu diesem Zeitpunkt ist ihnen bereits klar, dass ihr Pseudo-Astronom eine viel elementarere Rolle spielt als die des Entertainers. Stattdessen ist er auf der Suche nach dem schwarzen Okular, mit dessen macht man seine Mitmenschen angeblich beherrschen soll. Und offensichtlich hat das Artefakt seine Wirkung bei Jay bereits hinterlassen …

_Sprecher:_

Erzähler – Jürg LöwJay Lawrence – Sven Plate
Tom Cole – Kim Hasper
Derek Ashby – Gerrit Schmidt-Foss
Ramiro Luiz des Santos – Bodo Henkel
Inquisitor – Gerald Paradies
Arturo – Dominik Freiberger
Cesar Uria – Holger Michel
Nestor Benitez – Bert Stevens
Percy Briggs – Günter Burchert

Idee & Konzeption: Volker Sassenberg
Drehbuch: Andreas Gloge & Volker Sassenberg
Regie: Volker Sassenberg
Musik: Matthias Günthert, Volker Sassenberg, Markus Segschneider, Manuel Rösler
Ton & Schnitt: Volker Sassenberg & Marc Sander
Tonassistenz: Ramona Heinisch
Illustration: Ingo Masjoshusmann

_Persönlicher Eindruck:_

Nach dem mystischen, mittelalterlichen Intro steigen die Erwartungen an die neue „Point Whitmark“-Episode bereits exponentiell; der Querverweis in das Spanien des 17. Jahrhundert, dazu ein paar undurchdringliche Informationen, und schon ist die Grundlage für ein neues Abenteuer geschaffen. Allerdings hat Regisseur Volker Sassenberg diese Einleitung nur pro forma vorangeschoben, ohne im späteren Verlauf noch einmal näher darauf einzugehen – obschon ein gewisser Querverweis auf jene Ära in der Thematik der Handlung begründet ist. Stattdessen lässt er seine drei Helden Jay, Tom und Derek mit Vorliebe zum Zuge kommen und bereitet im Eiltempo die nächste Grundlage, auf der nun die tatsächliche, aktuelle Story fußt.

Und es geht in den nächsten Minuten enorm temporeich vorwärts; das Verschwinden von Jay, der Unfall bei der Radioshow, die nebulösen Bekanntschaften, die Tom und Derek innerhalb von wenigen Minuten machen und schließlich das eigenartige ‚Comeback‘ ddes Freundes, dessen Trance-Zustand schließlich den Ausschlag für die weiteren Ermittlungen der drei Hobbydetektive gibt. So weit, so gut. Jedoch ist das Problem mit den oben angeführten Längen trotz des ordentlichen Tempos relativ bald gegeben; die Handlung windet sich um ihren eigentlichen Kern und gibt zahlreiche Infos über das Okular und seine mögliche Herkunft, entwickelt sich aber auch mit durchgetretenem Gaspedal nicht so recht vorwärts. Immer wieder kehrt man zum Ausgangspunkt zurück, und auch wenn die Rollen der einzelnen Figuren mit wachsender Spieldauer klarer werden und auch der Background ein Stückweit gelüftet wird, hat man mehrfach das Gefühl, dass hier inhaltlich einiges gestreckt wurde, damit der Rahmen eines Zweiteilers auch nie gefährdet wird.

Der Plot hat indes genügend Potenzial, begründet durch die Thematik, schließlich aber auch durch die fantastische Performance der handelnden Akteure. Vor allem Sven Plate als verwirrter Jay Lawrence spielt seinen Part formidabel und glaubhaft und steht an der Spitze einer guten Teamleistung, die auch von Bodo Henkel und Dominik Freiberger in den Nebenrollen gut ausgekleidet wird. Nichtsdestotrotz könnte man einige Passagen womöglich kompakter ausfüllen und sich in der Breitenauslegung der Story ein wenig einschränken, damit der Fokus noch deutlicher herausgearbeitet wird. Dies macht sich vor allem dadurch bemerkbar, dass Erzähler Jürg Löw häufig ins Geschehen eingreift und mit einigen längeren Überleitungen das ausführt, was die Action alleine nicht mehr leisten kann. An der wirklich gut inszenierten Atmosphäre ändert dies Gott sei Dank nichts, wobei hier vor allem die jederzeit passend eingesetzten Effekte und die prima Soundkulisse eine bedeutsame Rolle spielen. Und trotzdem: Ohne das Projekt ‚Doppelfolge‘ als solches zu verurteilen, hat man im Gefühl, dass man hier in einigen Passagen direkter hätte agieren können.

Nichtsdestotrotz hat „Point Whitmark“ nun einmal einen Standard etabliert, den auch der erste Teil von „Der Seelenkünder“ problemlos halten kann. Womöglich wird die Fortsetzung, die nach einem nicht ganz so geschickt platzierten Cliffhanger angesetzt wird, auch die kleinen Schwierigkeiten der ersten Episode kaschieren können. Das Thema ist jedenfalls interessant, die Performer bestens aufgelegt und die atmosphärische Darstellung ebenfalls wieder stark. Fehlt nur noch ein wenig Zielstrebigkeit, damit die Kritik schnell wieder kaschiert werden kann!

|Audio-CD mit 64 Minuten Spieldauer
Empfohlen ab 8 Jahren
ISBN-13: 978-3-8291-2323-5|

_|Point Whitmark| bei |Buchwurm.info|:_
Folge 1: [„Die Bucht der 22 Schreie“ 5128
Folge 2: [„Die rote Hand des teufels“ 5256
Folge 22: [„Die blutenden Schlüssel“ 4793
Folge 23: [„Der Duft der Finsternis“ 5058
Folge 24: [„Am Tag der großen Flut“ 5410
Folge 25: [„Die fiebrigen Tränen“ 5551
Folge 26: [„Die Diener der Pest“ 5743
Folge 27: [„Eiland der Gespenster“ 5817
Folge 28: [„Der leere Raum“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6175

Fünf Freunde und das rätselhafte Sternbild (Folge 87)

_Story:_

Da Onkel Quentin sein Felsenhaus in diesem Sommer für sich beansprucht, verbringen die Fünf Freunde ihre Ferien ausnahmsweise bei Tante Fanny in Greenwich. Dort lernen sie alsbald Maxi, die Tochter eines Astronomen, kennen, die ihren neuen Freunden kurzerhand die wichtigste Errungenschaft ihres Städtchens, die berühmte Sternwarte, näher bringt. Doch der Besuch im Observatorium bringt einen skandalösen Fund: Eine der wichtigsten Sternkarten wurde anscheinend entwendet und durch eine spiegelverkehrte Kopie ausgetauscht. Maxi und die Feriengäste begeben sich rasch auf die Suche nach dem offensichtlich entwendenden Sternbild und reisen hierzu selbst zur berüchtigten Universität von Oxford, wo neue Spuren den Täterkreis einengen. Doch während die sechs Gefährten verdeckt ermitteln, kommt ihnen ständig die Aufseherin, Mrs. Harison, in die Quere. Ob sie womöglich ebenfalls in den Diebstahl involviert ist?

_Sprecher:_

Erzähler – Lutz Mackensy
Julian – Ivo Möller
Dick – Jannik Endemann
Anne – Theresa Underberg
George – Alexandra Garcia
Tante Fanny – Ursula Sieg
Loreena – Anja Topf
Maxi – Julia Fölster
Mr. lassell – Jürgen Holdorf
Mrs. Harison – Claudia Schermutzki
Sekretärin – Rhea Harder
Pförtner – Volker Bogdan
Guide – Wolfgang Kaven

Buch: Katrin Dorn
Redaktion: Hilla Fitzen, Wanda Osten
Produktion und Regie: Heikedine Körting
Effekte: André Minninger
Musik: Tonstudio EUROPA

_Persönlicher Eindruck:_

Man muss sich einfach wiederholen: Die „Fünf Freunde“ sind wohl derzeit die lebendigsten Seriendarsteller aus dem Hause Europa, zumindest was die klassischen Reihen aus der wohl wichtigsten Hörspiel-Schmiede der vergangenen Jahre betrifft. Mit der 87. Episode hat man kürzlich ein weiteres, richtig spannendes Schmankerl aufgelegt, welches sich thematisch auf „Fünf Freunde“-Neuland begibt, einige interessante neue Darsteller einführt, aber auch in Sachen Story-Arrangement absolut rund ist und selbst im durchschaubaren Mittelteil bzw. im vorhersehbaren Finale kaum Wünsche offen lässt. „Fünf Freunde und das rätselhafte Sternbild“, dies sei bereits vorweggenommen, wird keinen Liebhaber von Enyd Blytons berüchtigten Charakteren enttäuschen!

Die Geschichte um die Sternwarte zeichnet sich hierbei einmal mehr durch ein angenehm hohes Tempo und eine durchweg engagierte Leistung auf Seiten der Sprecher aus. Episode Nr. 87 bringt viele bekannte Sprachtalente auf den Plan, die ambitioniert, teilweise sogar schon fast übermotiviert an ihren Job herangehen, wie in diesem Falle Julia Fölster, die ihren Part als Maxi mit dem gleichen jugendlichen Hochmut ausfüllt, den man zuletzt noch bei den aktuellen Folgen von „TKKG“ kritisiert hatte – nur eben mit dem Unterschied, dass die Wirkung hier ungleich positiver ist.

Inhaltlich ist die Sache souverän über die Ziellinie gebracht, wobei man kritisch anmerken darf, dass der Plot relativ bald durchschaubar ist und man die Übeltäter ziemlich schnell entlarvt hat. Dies tut dem Spannungsaufbau aber keinen Abbruch, da „Fünf Freunde und das rätselhafte Sternbild“ nebenbei ein ganz ordentliches Infotainment bietet und vor allem das jüngere Publikum mit einem guten Mix aus spannendem Kriminal-Hörspiel, Abenteuerreise und Explorationsdurst füttert. Die wirklich sehr gut gelungenen Charakterzeichnungen sind zudem ein nennenswerter Bonus, der sich auch auf die Nebendarsteller ausweitet, wenngleich besagte Maxi mit ihrem besserwisserischen Gehabe vielleicht ein grenzwertiger Fall ist. Andererseits bringt ihr Part eine Menge Leben in die Story und in die allgemeine Inszenierung, so dass man an dieser Stelle von einer zu scharfen Kritik absehen sollte.

Erwähnenswert ist schließlich auch noch die gute Einbindung des Erzählers; Lutz Mackensy hält sich angenehm zurück, bringt entscheidende Hinweise, trägt die Last der Geschichte aber keineswegs zu deutlich auf seinen Schultern. Die Prioritäten sind gut auf die einzelnen Charaktere verteilt, was sich in sehr lebhaften Dialogen, einer generell sehr ausgewogenen Interaktion und einer, im Hinblick auf die Effekte, deutlichen Reduzierung von Nebengeräuschen.

Schlussendlich erhält man mit Folge 87 ein typisches „Fünf Freunde“-Hörspiel mit Wurzel-Charakter; denn auch wenn die Sprache angepasst wurde, ist „Fünf Freunde und das rätselhafte Sternbild“ ähnlich prickelnd wie die Sternstunden der Anfangszeit!

|Audio-CD mit 55 Minuten Spieldauer
Empfohlen ab 6 Jahren
ASIN: B003EADFPK|
[www.natuerlichvoneuropa.de]http://www.natuerlichvoneuropa.de

_Die |Fünf Freunde| bei |Buchwurm.info|:_
[„… verfolgen den Wilderer (Folge 74)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4674
[„… und die verlorenen Blüten (Folge 86“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6365

Dave Duncan – Die Jägersschenke

Die „Omar„-Romane:

„Die Straße der Plünderer“
„Die Jägersschenke“

auch als Sammelband erschienen: „Omar, der Geschichtenerzähler“

Die Handlung:

Unglückliche Umstände verschlagen den Geschichtenerzähler Omar ziemlich durchgefroren in die „Jägersschenke“. Unglücklich deshalb, weil er hier im Sommer zuvor nicht nur die Zeche geprellt hat, nachdem er seine Speisen nicht bezahlen konnte, sondern auch noch den Hund des Wirts erschlagen.

Verständlicherweise möchte sich der Wirt nun rächen und Omar nackt zurück in den Winter schicken, da kommt Omar auf eine Idee. In einem Geschichtenwettbewerb will er im Wechsel gegen die anwesenden Gäste antreten und so lange seine Geschichten als die besseren anerkannt werden, darf er bleiben. Und so fängt Omar an, um sein Leben zu erzählen. (Veränderte Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Nachdem die 1992 und 1995 erschienen zwei „Omar“-Bücher bei uns bereits 2007 als Sammelband bei Otherworld veröffentlicht wurden, entschied sich Bastei Lübbe nun dazu, die beiden Romane „Die Straße der Plünderer“ und „Die Jägersschenke“ noch einmal separat als preiswerte Taschenbuchausgaben zu veröffentlichen. In beiden Büchern steht der Geschichtenerzähler Omar im Mittelpunkt und beide können auch einzeln gelesen werden, ohne die jeweils andere Geschichte zu kennen.

Die Gäste in der „Jägersschenke“, gegen die Omar antritt, sind vom Autor interessant gezeichnet und sehr unterschiedlich. Sechs Geschichten hat der Geschichtenerzähler zu erzählen und tritt dabei gegen einen Soldaten, eine Schauspielerin, einen Spielmann, einen Rechtspfleger, eine Zofe und einen Pferdehändler an.

Das klingt auf den ersten Blick nach einer Menge Abwechslung, allein auf Grund der unterschiedlichen Charaktere, aber leider erzählen sowohl die Gäste als auch Omar im Prinzip eine einzige große Geschichte um ein kriegerisches Königreich immer ein Stückchen weiter. Natürlich werden von Omar immer neue Details eingefügt und er schmückt seine Geschichten ein wenig mehr aus als seine Gegner … muss er ja auch, denn er will ja gewinnen und nicht nackt hinaus in die Kälte geschickt werden. Dennoch hätte ich von einem Geschichtenerzähler, der mit geschilderten Abenteuern handelt, nach dem Lesen des Klappentextes erwartet, dass er nicht einfach die Vorlage der anderen Gäste aufgreift und einfach nur weiter erzählt, sondern völlig eigenständige Geschichten zum Besten gibt. Hierfür fehlten dem Autor entweder die Ideen oder er sparte sie sich für andere Bücher auf.

Dennoch ist Omar ein Charakter, dem man als Leser (dem er ja nichts getan hat) nicht böse sein kann, wenn er wieder einmal die Wahrheit so hindreht, wie sie ihm zuträglich ist. Auch die Zeche hat er ja nie geprellt, er wollte ja bezahlen …

Interessant ist auch, dass der Roman keine einfache Sammlung von aneinandergereihten Geschichten ist, sondern sich auch in der Gruppe der Gäste mit zunehmender Zeit eine eigene Dynamik und Anspannung bildet. Natürlich ist Omar auch hieran nicht ganz unschuldig. Und so wird zwischen den Geschichten eifrig diskutiert.

Mein Fazit:

Der Roman über den liebenswerten Wahrheitsverdreher Omar lässt sich trotz der zum Genre passenden altertümlichen Sprache flüssig lesen. Sobald der Geschichtenerzähler in seinem Element war, stellte sich bei mir unweigerlich ein dauerhaftes Grinsen ein und ich wünschte ihm, dass er den Wettstreit gewinnen würde.

Ein Fantasy-Roman ohne Trolle, Oger, Elfen und Orks in den Hauptrollen, sondern ein Charakterroman, der seine Aufgabe erfüllt: er unterhält, und das gut. Der geneigte Leser kann anschließend wie schon erwähnt problemlos zum Vorgänger- oder Sammelband greifen.

Taschenbuch: 480 Seiten
Originaltitel: The Hunter’s Haunt (1995)
Aus dem Englischen von Michael Krug
ISBN-13: 978-3404206261
www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

 

Diechler, Gabriele – Glaub mir, es muss Liebe sein

_Inhalt_

Franziska ist etwa vierzig, als ihr mit einem Mal bewusst wird, was in den Schatten ihrer lieblosen Ehe lange gelauert hatte: So geht es nicht weiter. Du kannst nicht ewig und drei Tage darauf warten, dass dein Mann sich wieder für dich interessiert, nachdem ihr schon mehrere Jahre lang nebeneinanderher gelebt habt. Warum solltet ihr jetzt plötzlich wieder Themen findet, über die ihr sprechen könnt, warum solltet ihr jetzt die Nähe wieder finden, die es einst gab und die unmerklich verschwunden ist? Gerade jetzt, wo er seine Libido in fremde Hände gegeben hat?

Franziska macht einen klaren, schmerzlichen Schnitt und verlässt den fremdelnden Gatten zusammen mit ihrer zwölfjährigen Tochter Melanie. Bei einem alten Schulfreund Franziskas, der sich nach einem Burn-out an den Tegernsee zurückgezogen hatte, finden sie eine neue Bleibe. Maja, die Besitzerin eines kleinen Lokals vor Ort, entwickelt sich rasch zur Freundin. In einer hoffnungsfreudigen Stimmung macht sich die frisch gebackene Single-Mutter daran, ihr Leben neu zu ordnen: Sie schreibt Drehbücher und ist völlig aus dem Häuschen, als das erste wirklich angenommen wird.

Jetzt fehlt ja eigentlich nur noch ein passender Mann, denn so ganz ohne Liebe ist es doch sehr einsam und traurig. Nur wo soll man nach einem angenehmen Exemplar suchen? Franziskas Job führt sie zu Recherchezwecken oder Konferenzen an die verschiedensten Schauplätze, und dadurch – wie auch durch ihr Sozialleben – trifft sie auf die unterschiedlichsten Menschentypen. Und Franziska hat ein großes, freundliches Herz, das gern lieben möchte, es immer wieder versucht und häufig genug Bruchlandung erleidet …

_Kritik_

Wir hatten ein ausgesprochen ambivalentes Verhältnis zueinander, dieses Buch und ich. Gabriele Diechler hat mit ihrer Franziska eine Figur erschaffen, die dem Zeitgeist sehr gut entspricht: Vor einem halben Jahrhundert mag es noch nicht gang und gäbe gewesen sein, sich trotz Kindes aus einer unglücklichen Ehe zu befreien; heute dagegen ist es kaum noch verpönt. Glück wird gesucht, verfolgt, eingefordert – man glaubt, Anspruch darauf zu haben. Das hat alles seine guten und schlechten Seiten, und es ist richtig und notwendig, dass jemand über dieses Thema schreibt, denn es ist ein Eckpfeiler unserer sozialen Gesellschaft. Manchmal zuckte ich jedoch zusammen, wenn eine Situation mit zu billigen Platituden beschrieben wurde: „Das Einzige, was ich machen konnte, war leben!“ (S.9) Urks. Dann wiederum gab es sehr originelle Wortbilder, von denen einige schön und andere eher unpassend waren – wie auch immer, es fiel auf und zeigte einen sehr eigenen Stil.

Die Suche Franziskas nach Liebe und Mister Right wirkt ausgesprochen deprimierend. Fast alle beschriebenen Versuche hinterlassen einen schalen Nachgeschmack, und die Tatsache, dass die Tochter während der mütterlichen Selbstfindungstrips immer beim netten Schulfreund abgeladen wird, verstärkt für mich die Trostlosigkeit des Ganzen. Das ist jetzt keine schlechte Wertung: Diese Entwicklung ist sehr lebensnah beschrieben.

Bedauerlicherweise muss ich sagen, dass die banale Pointe mich verärgert hat – es ist ein ziemlicher Gemeinplatz, der nach der 270 Seiten langen Kontemplation über die Suche nach dem Glück als Antwort präsentiert wird. Den findet man auch in Frauenzeitschriften im Wartezimmer beim Arzt. Gut, vielleicht ist das die Andeutung, dass es nun einmal kein Patentrezept gibt, aber unter diesen Umständen hätte man auf diesen Schmalspurpsychologiespruch auch verzichten können.

_Fazit_

„Ein wunderbares Plädoyer für die Liebe“, schrieb laut Klappentext jemand über diesen Roman. Hm. Vielleicht hat dieser Jemand quergelesen oder war mit den Gedanken nicht bei der Sache: Ein Plädoyer für die Liebe ist „Glaub mir, es muss Liebe sein“ nicht. Es ist ein Plädoyer für die Möglichkeiten, die die Gesellschaft momentan bietet, für die stete Chance zu einem Neuanfang. Außerdem ist es eine Sozialstudie, die späterhin Menschen als Quelle für die Rolle der Frau in der heutigen Zeit dienen mag. Ob man das Buch gut findet oder nicht, muss jeder selbst entscheiden, denke ich. Es polarisiert nicht, es stückelt vielmehr die Ansichten. Aber uninteressant ist es nicht. Gucken Sie ruhig mal, ob Sie damit warmwerden können.

|Broschiert: 276 Seiten
ISBN-13: 978-3839211076|
[www.gmeiner-verlag.de]http://www.gmeiner-verlag.de
[www.gabriele-diechler.at ]http://www.gabriele-diechler.at

Galenorn, Yasmine – Hexe, Die (Schwestern des Mondes 01)

_Schwestern des Mondes:_
Band 1: _Die Hexe_
Band 2: Die Katze
Band 3: Die Vampirin

Feen, Vampire und Dämonen in der Menschenwelt? Das kann ja nur Ärger bedeuten. Um diesen zu minimieren, hat der AND, der Anderwelt-Nachrichtendienst, drei Schwestern in die Menschenwelt abkommandiert, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Doch das ist nicht immer einfach, wie die Autorin Yasmine Galenorn in „Die Hexe“, dem ersten Band der Reihe „Schwestern des Mondes“, erzählt.

Camille ist eine Hexe, wenn auch keine besonders gute. Da sie halb Mensch, halb Elfe ist, neigen ihre Zauber dazu, nach hinten loszugehen. Ihre Schwestern Delilah und Menolly, die eine ist eine Werkatze, die andere ein Vampir, haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Deshalb wurden sie von ihrem Arbeitgeber, dem Anderwelt-Nachrichtendienst AND, in die Erdwelt nach Seattle versetzt. Dort sollen sie ermitteln, falls die Anderweltwesen Ärger machen.

Und den machen sie! Jocko, ein für den AND arbeitender Riese, ist erdrosselt worden. Als ob das noch nicht genug wäre, zeigt Chase Johnson, der örtliche Detective, der zur Zusammenarbeit mit dem AND abgestellt wurde, Camille die Tatwaffe: ein Lederriemen, der nach Dämon riecht. Camille ist alarmiert, denn Dämonen haben weder in der Erd- noch in der Anderwelt etwas zu suchen. Es scheint jedoch, als ob sich einige dieser böswilligen Wesen daran nicht halten wollen. Ausgerechnet Schattenschwinge, der Fürst der Unterirdischen Reiche, hat seine Fühler ausgestreckt und drei Dämonen in die Erdwelt geschickt. Nun ist es an den drei Schwestern, diese in ihre Schranken zu weisen …

„Die Hexe“ ist ein wenig wie Bridget Jones mit Zauberkräften. Trotz einer gehörigen Portion Fantasy hat Yasmine Galenorn einen leichtfüßigen und amüsanten Chick-Lit-Roman geschrieben, an dem man Gefallen findet oder eben nicht. Ihr Buch ist sicherlich keine große Literatur, aber unterhaltsam und lustig geschrieben. Harmlos, möchte man beinahe sagen, denn auch wenn der Roman nicht besonders gehaltvoll ist, kann man ihm nicht böse sein. Das beginnt bei den Protagonistinnen. Drei Schwestern leben unter einem Dach und könnten unterschiedlicher nicht sein. Trotzdem halten sie stets zusammen und bekämpfen gemeinsam das Böse. Im Mittelpunkt dieses Buchs steht Camille, die Ich-Erzählerin mit der Vorliebe für hohe Schuhe, Make-Up von MAC und Heavy-Metal-Musik. Sie ist eine umgängliche junge Frau, die immer eine heitere Bemerkung auf den Lippen hat und ihre Zauberunglücke mit Humor erträgt. Mit ihrer manchmal sarkastischen Art erinnert sie tatsächlich an eine Light Version von Bridget Jones, was aber nicht unbedingt ein Nachteil ist. Galenorn schafft es nämlich, sie geschickt auszubalancieren, so dass sie nicht übertrieben mädchenhaft wirkt.

Die Fantasiewelt, die Galenorn erschafft, ist ganz gut durchdacht und bezieht viel Spannung aus der Gegenüberstellung mit der Erdwelt. Die Autorin greift hauptsächlich auf Altbewährtes wie Dämonen, Drachen und ähnliches zurück, bringt aber auch den einen oder anderen eigenen Einfall. Obwohl vor allem die Idee mit dem AND angenehm auffällt, wird die Kulisse echte Fantasyfans nicht zufrieden stellen. Dazu ist sie doch etwas zu einfach.

Auch bei der Handlung sollte man nichts zu Kompliziertes erwarten. Galenorn steuert geradlinig auf die Eliminierung der drei frei gelassenen Dämonen zu, legt zwischendurch noch ein paar Spuren zu möglichen Hilfsmitteln aus und garniert das Ganze mit der einen oder anderen frivolen Szene. Camilles Ex-Lover Trillian, ein überaus attraktiver Svartaner, wird zum Dienst auf der Erdwelt abkommandiert und gleichzeitig erhalten die Schwestern Hilfe von dem mysteriösen Fuchsdämon Morio. Camille steht plötzlich zwischen den beiden Männern – was sie gerade überhaupt nicht gebrauchen kann. Fans von derartigen Chick-lit-typischen Liebeswirren kommen also ebenfalls auf ihre Kosten.

Der erste Band von „Schwestern des Mondes“ von Yasmine Galenorn ist vor allem für die interessant, denen „Bridget Jones“ und „Sex and the City“ zu magiefrei sind. Mit ein bisschen Urban Fantasy, einer frechen, jungen und (eigentlich) unabhängigen Hauptperson sowie etwas Spannung und allerlei (Liebes-)Fettnäpfchen ist „Die Hexe“ ein amüsantes Büchlein, das hartgesottene Fantasyfans vermutlich nicht überzeugt, dafür aber überaus unterhaltsam ist.

|Broschiert: 396 Seiten
Originaltitel: Witchling
Deutsch von Katharina Volk
ISBN-13: 978-3426501559|
http://www.knaur.de/
http://www.schwestern-des-mondes.de/
http://www.galenorn.com/

Saintcrow, Lilith – Höllenschlund (Dante Valentine – Dämonenjägerin 5)

_Dante Valentine – Dämonenjägerin:_
Band 1: [„Teufelsbraut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5288
Band 2: [„Höllenritt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5957
Band 3: [„Feuertaufe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6150
Band 4: [„Sündenpfuhl“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6353
Band 5: _Höllenschlund_

Dante Valentine kämpft nun mehr seit vier Büchern gegen Luzifer höchstpersönlich. In „Höllenschlund“, dem letzten Band der Reihe „Dante Valentine -Dämonenjägerin“, tritt sie dem Herrscher der Hölle ein letztes Mal gegenüber …

Als Dante aufwacht, ist sie ein körperliches und seelisches Wrack. Schwer verletzt ist sie aus der Hölle zurück gekommen. Der Zusammenstoß mit Luzifer hat sie beinahe getötet. Als ihr Geliebter, der mächtige Dämon Japhrimel, davon erfährt, beschließt er, dem Teufel, seinem ehemaligen Gebieter, den Krieg zu erklären und ihn zu töten.

Gemeinsam mit Dante und seinem Gefolge macht er sich auf nach Konstans-Stamboul. Dort wollen sie eine Waffe an sich bringen, die im Stande sein wird, den Fürsten der Hölle zu töten. Dass das nicht einfach sein wird, war den beiden klar, doch sie müssen sich mit mehr herumschlagen, als sie erwartet haben. Verräter in den eigenen Reihen, Heerscharen von Dämonen und dann ist da noch das kleine „Geschenk“, das Luzifer Dante mitgegeben hat …

Der letzte Band der Reihe fährt noch einmal alle Geschütze auf und überzeugt auf ganzer Linie, auch wenn es nicht unbedingt ein klassisches Happy-End gibt. Die Handlung der Serie war von Band 1 an komplex und hat sich mit der Zeit eher noch verkompliziert. Die verschiedenen Handlungsstränge, die Intrigen der Dämonen, die zahlreichen Wendungen – sie alle haben dazu beigetragen, dass die Geschichte zwar immer spannend, aber manchmal auch ein bisschen unübersichtlich wurde. Im letzten Band konzentriert sich Lilith Saintcrow zum Glück darauf, keine weiteren Erzählstränge einzuführen. Statt dessen nimmt sie die Wichtigsten und führt sie konsequent weiter bis zum Ende. Je weiter man liest, desto mehr erschließt sich die gesamte Reihe. Die Autorin löst zum Abschluss so gut wie alles auf, vergisst darüber aber nicht, Neues in die Geschichte einzubauen. Neue Verschwörungen, überraschende Wenden und eine große Anzahl von Actionszenen sorgen für die richtige Spannung und ein fantastisches Finale, das auch auf der handwerklichen Seite überzeugt.

Toll ist auch, dass Saintcrow erneut den Schauplatz wechselt. Die Welt, die sie in ihren Büchern geschaffen hat, ist eine Science-Fiction-Version der heutigen Welt, inklusive fliegender Skateboards und bösartiger Fantasywesen. Nach dem sie schon diverse Pendants zu gegenwärtigen Städten besucht hat, liegen dieses Mal Konstans-Stamboul und Paradisse auf der Reiseroute. Ersteres dürfte Istanbul, zweiteres Paris entsprechen. Beide verwandelt die Autorin in mehrstöckige Städte mit imposanten historischen Gebäuden, die trotz der Fortschrittlichkeit wie eine Brücke in die Alte Zeit wirken. Trotzdem haftet ihnen etwas Düsteres an, da Dante es jedes Mal schafft, in den kriminelleren Teilen der Stadt zu landen.

Was ihre Heldin angeht, foltert Lilith Saintcrow ihre Leser dieses Mal ganz besonders. Dante kommt am Anfang verletzt und mit zerstörten psinergischen Schutzschilden aus der Hölle zurück. Danach wird sie manchmal absichtlich, manchmal unabsichtlich in einen Kampf nach dem anderen hinein gezogen. Sie leidet fast die Geschichte durch, vor allem daran, dass sie immer noch nicht weiß, ob sie Japhrimel, eigentlich ihre große Liebe, vertrauen kann. Auch andere Leute enttäuschen sie und man merkt es ihr an. Ihr Zynismus ist noch stärker als sonst und sie wirkt erschöpft. Es fällt nicht schwer, sich in sie hinein zu versetzen und mit dieser außergewöhnlichen Heldin zu fühlen.

Der Schreibstil ist so dicht und flüssig wie eh und je. Aus der Sicht von Dante erzählt, fließen immer wieder ihre Gedanken und sarkastischen Bemerkungen mit ein. Die Beschreibungen sind sehr detailliert und zeugen von einem großen Wissen der Autorin. Sie helfen, sich die fremde Welt sehr gut vorzustellen und nach fünf Bänden ist man auch mit dem besonderen Vokabular vertraut. Saintcrow hat sehr vielen Dingen eigene Namen gegeben, vor allem Fahrzeugen und Materialien. Nicht jedes davon wird im Glossar am Ende des Buches erklärt. Dieses bezieht sich hauptsächlich auf die verschiedenen Wesen im Buch und ist auch bei der Auffrischung von Wissen sehr nützlich.

Mit „Höllenschlund“ ist Lilith Saintcrow ein fantastisches Finale ihrer Reihe um die Dämonenjägerin Dante Valentine gelungen. Sie führt erneut interessante Schauplätze ein und bringt die Fäden der Vorgängerbände zusammen, um sie sicher zu einer Auflösung zu führen. Damit gehört die Serie definitiv zum Besten, was die Urban Fantasy zu bieten hat. Abseits von romantischen Vampirgeschichten und verzauberter Chic-Lit erzählt sie eine düstere und spannende Geschichte, die sicherlich nicht nur Frauen ansprechen wird.

|Broschiert: 427 Seiten
Originaltitel: To Hell and Back
Deutsch von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
ISBN-13: 978-3802583056|
http://www.egmont-lyx.de

About Lili

Lindqvist, John Ajvide – Im Verborgenen

_Das geschieht:_

Dünn wie Papier ist die Barriere zwischen der Realität und dem Phantastischen. In zehn Geschichten erzählt der schwedische Autor von Menschen (oder anderen Kreaturen), die es dorthin verschlägt, wo diese Grenze verschwimmt oder sich auflöst:

|“Grenze“ („Gräns“)|, S. 9-95: Dass sich Tina in ihrem Leben nie wohlgefühlt hat, liegt womöglich daran, dass sie gar nicht von dieser Welt ist …

|“Dorf auf der Anhöhe“ („By på höjden“)|, S. 97-132: Ein altes Hochhaus erweist sich als idealer Schlupfwinkel für eine Kreatur, die sich hier ihren Bau einrichtet …

|“Äquinoktium“ („Equinox“)|, S. 134-168: Der Leiche kann die unzufriedene Frau endlich ihren Willen aufzwingen, doch als sie dies übertreibt, schlägt die Leiche zurück …

|“Sieht man nicht! Gibt es nicht!“ („Syns inte! Finns inte!“)|, S. 169-189: Ist ein Wunsch stark genug, kann er zur Realität werden – und gleichzeitig unerfreuliche Hirngespinste real werden lassen …

|“Die Vertretung“ („Vikarien“)|, S. 191-225: Was wäre, wenn die Welt von mehr oder weniger menschenähnlichen aber nur ansatzweise lebensechten Wesen bevölkert wäre …?

|“Ewig/Liebe“ („Evig/Kärlek“)|, S. 227-288: Man kann zwar den Tod überlisten, aber er wird trotzdem das letzte Wort behalten – und sein Sinn für Humor ist bizarr …

|“Dich zu Musik umarmen zu dürfen“ („Att få hålla om dig till musik“)|, S. 289-292: Endlich hat der verrückte Priester Helfer gefunden, die ihn Christus wie ersehnt nahebringen – am Kreuz …

|“Majken“ („Majken“)|, S. 293-355: Vom System beiseitegeschoben und aussortiert, beschließen zwei alternde Frauen, buchstäblich mit einem Knall abzutreten …

|“Pappwände“ („Pappersväggar“)|, S. 357-366: Eine Übernachtung im Wald konfrontiert den abenteuerlustigen Jungen mit dem wahren, grausamen Leben …

|“Die Entsorgung“ („Sluthanteringen“)|, S. 367-497: Vor einigen Jahren stiegen 2000 Zombies aus den Gräbern Stockholms. Die Regierung hat ein Lager für sie eingerichtet. Einige misstrauische Bürger fragen sich, was dort vor sich geht. Ihre Nachforschungen enthüllen Geheimnisse und Gräuel, die sie veranlassen, sich dem Tod als Handlanger zur Verfügung zu stellen …

Nachwort, S. 499-508

_An einem Finger über dem Abgrund hängend_

„Im Verborgenen“ heißt diese Sammlung von kürzeren und längeren Geschichten, denen ein Kurzroman beigegeben wurde. Vermutlich sollte der Titel wenigstens ansatzweise auf den Inhalt hinweisen, denn der deutsche Leser – und ganz besonders der Freund des Phantastischen – ist auf solche subtile Unterstützung angewiesen, da er in seiner Mehrheit zu unempfänglich (vulgo: zu dumm) für andeutungs- und subtextreiche Buchtitel ist.

Lassen wir die Ironie, bleiben wir sachlich: Hinter dem Titel „Pappwände“ mag man zwar nicht sogleich gerade eine Kollektion unheimlicher Geschichten vermuten. Dennoch trifft Verfasser John Ajvide Lindqvist mit diesem einen Wort den Nagel auf den Kopf: Es beschreibt die Konsistenz, die jene Grenze annehmen kann, die den ’normalen‘ Menschen in seinem realen Leben flexibel umgibt. Er bemerkt sie in der Regel gar nicht, weshalb ihm ihre eigentliche Funktion erst aufgeht, wenn sie ihren Dienst versagt: Sie schützt ihn vor dem, was in den Sphären der anderen Seite lauert.

Aufruhr im Menschenhirn, verursacht durch persönliche Krisen, macht es empfänglich für Signale von ‚drüben‘. Die Sinne scheinen sich neu auszurichten; sie durchdringen die Grenze und fangen bisher unbemerkte Signale von der anderen Seite auf. Die Folgen sind fatal, denn jenseits der Grenze liegen die Reiche des Unerklärlichen und Unfassbaren. Auf ‚unserer‘ Seite manifestieren sich seine Bewohner meist von ihrer unfreundlichen Seite, wobei Lindqvist gern offen lässt, ob sich dahinter echte Bosheit oder fremdartige Gleichgültigkeit (wie in „Die Vertretung“) verbirgt.

|Der Schrecken hat viele Gesichter|

Das Seltsame kann stofflich und handfest wie in „Dorf auf der Anhöhe“ oder „Pappwände“ daherkommen. Dann dringt es in eine Welt ein, die unvorbereitet ist, verbreitet Schrecken oder bringt den Tod. Manchmal ist es andersherum. „Grenze“ beschreibt das Drama eines Wesens, das über die Grenze ins Menschenreich kam und von dieser vereinnahmt wurde: Der Schrecken geht plötzlich von der diesseitigen Realität aus.

Noch stärker kommt dieser Aspekt in „Die Entsorgung“ zum Tragen. In dieser novellenlangen Fortsetzung des Romans „So ruhet in Frieden“ (2005) erzählt Lindqvist, was mit den Zombies geschah, die zwar aus ihren Gräbern gestiegen waren, aber eher Abscheu oder Mitleid als Angst erregten. Eine unbekannte Macht hatte sie aus ihrer Totenruhe geweckt. Gern wären sie zurückgekehrt, doch sie konnten es nicht. Stattdessen fielen sie den Lebenden in die Hände. In der Mehrheit erschrocken und angewidert aber nie bedroht, sperrten diese die „Wiederlebenden“ in ein Lager ein, das Lindqvist wie ein KZ der Nazi-Zeit beschreibt. Statt zu versuchen, Kontakt mit den Untoten aufzunehmen, werden sie isoliert, damit man mit ihnen experimentieren kann. Sie sind ja schon tot, weshalb man sich keinerlei Zurückhaltung auferlegt.

Lindqvist zeichnet ein überaus genreuntypisches Zombie-Bild. Diese sind eindeutig Opfer. In „Die Entsorgung“ verstärkt er den phantastischen Aspekt des Geschehens. Während er in „So ruhet in Frieden“ die Existenz übernatürlicher Entitäten nur andeutete, lässt er sie dieses Mal offen auftreten. Damit schwächt er allerdings den Eindruck des mystisch Rätselhaften, den er im Roman zu wahren wusste. Wie Stephen King – mit dem man Lindqvist gern vergleicht, wie er in seinem Nachwort amüsiert anmerkt – personifiziert der Autor das Fremde. Immerhin begründet er dies mit Hilfe von ‚Technobabbel‘, den es auch im Horror-Genre gibt, einleuchtender als befürchtet.

|Wer mit dem Teufel am Tisch sitzen will …|

Manchmal überschreitet der Mensch im vollen Bewusstsein seiner Tat die Grenze. Im Popcorn-Horror würden prompt Monster und andere Metzel-Mächte ihn dort erwarten. Lindqvist arbeitet subtiler: Der Übergang wirkt bei ihm zunächst verlockend, weil er einen Ausweg aus persönlichen Nöten zu bieten scheint. Allerdings bahnt sich typisch menschlicher Eigennutz sogleich seinen Weg. In „Äquinoktium“ findet die Hauptfigur endlich jemanden, an dem sie ihre Frustration auslassen kann. Aber die Kreaturen der anderen Welt lassen sich zumindest in ihrem eigenen Reich nicht instrumentalisieren. Dies gilt selbstverständlich erst recht, wenn man sich mit dem Tod persönlich anlegt („Ewig/Liebe“ – eine Geschichte, die wie eine Vorlage zu Lindqvists „Menschenhafen“ wirkt).

Die Grenze muss nicht zwangsläufig durch Zeit und Raum verlaufen. Sie existiert ebenso im menschlichen Hirn. Dort hält sie im Zaum, was ins Unterbewusstsein verbannt wurde, wo es nicht nur weiter lauern, sondern sich entwickeln kann. „Der Wunsch ist der Vater des Gedankens“, lautet ein Sprichwort. Dieser Vater zeigt sich oft wenig fürsorglich. „Sieht man nicht! Gibt es nicht!“ nennt Lindqvist eine gelungene Geschichte, deren Handlung den Titel besonders eindrucksvoll Lügen straft.

Mit „Dich zu Musik umarmen zu dürfen“ und „Majken“ geht der Autor noch einen Schritt weiter: Die inneren Dämonen müssen das Hirn nicht verlassen. Womöglich gibt es gar keine Dämonen, sondern eine zweite Grenze, die Vernunft und Wahnsinn trennt. In den beiden genannten Geschichten gibt es keine phantastischen Elemente. Die Figuren handeln aus eigenem Antrieb, und was sie dazu treibt, sind bekannte, nicht übernatürliche, sondern menschengemachte Schattenseiten. Die Schwachen werden von den Starken beiseite gedrückt. Faktisch befinden sich Majken und ihre Leidensgenossinnen in derselben Situation wie die Zombies aus „Die Entsorgung“. Im Unterschied zu ihnen sind sie jedoch in der Lage zu handeln. Ihr Fazit ist ebenso fatal wie nachvollziehbar: |“Man kann Menschen nicht unsichtbar machen. Am Ende fordern sie, sichtbar werden zu dürfen, und dann knallt es …“| (S. 346/47)

|Sanfter Transit in die Düsternis|

Lindqvists Horror entsteht trügerisch langsam aber sicher. „Dich zu Musik umarmen zu dürfen“ bildet mit dem direkten Sprung ins Grauen eine Ausnahme. Der Vergleich mit Stephen King basiert sicherlich auf dem Geschick, mit dem beide Autoren den Alltag zu schildern vermögen, den sie anschließend ins Irreale kippen. Selbst wenn man die Hauptfiguren in „Äquinoktium“ oder „Sieht man nicht! Gibt es nicht!“ unsympathisch findet, nimmt man doch Anteil an ihrem Schicksal; sie lassen uns nicht gleichgültig. Das gilt erst recht für die ansprechenden Figuren. Um sie bangt man besonders intensiv, da Lindqvist sie nie schont. Selbst wenn sich das Böse wie in „Pappwände“ nur andeutungsweise zeigt, deutet der Autor an, dass es Folgen hinterlassen wird.

Lindqvist liebt es, Nachwörter zu schreiben, wie er selbst anmerkt. Allerdings lässt er sich kaum über seine Geschichten aus. Deren Interpretation überlässt er den Lesern. Dabei ist er bereit, Risiken einzugehen. So berichtet er, dass „Dich zu Musik umarmen zu dürfen“ seine Testleser durchweg ratlos zurückließ. Auch „Pappwände“ irritiert durch ein Ende, dessen ‚Sinn‘ offen bleibt.

Die Freunde des eher handfesten Horrors kommen ebenfalls auf ihre Kosten. Lindqvist greift durchaus auf klassische Gruselgestalten zurück, die herz- und lungenhaft zulangen. Die detailreiche Schilderung, wie ein Menschenkörper mit welchen Folgen durch den Abfluss einer Norm-Toilette gezerrt wird („Dorf auf der Anhöhe“), ist idealer Stoff für Splatter-Filme (oder Albträume). Mit „Im Verborgenen“ deckt Lindqvist die gesamte Palette der Phantastik ab. Was die Werbung allzu gern behauptet, löst er nicht nur ein, sondern vermag dem Horror eine (moderne) Stimme zu geben.

_Autor_

John Ajvide Lindqvist wurde 1968 in Blackeberg, einem Vorort der schwedischen Hauptstadt Stockholm, geboren. Nachdem er schon in jungen Jahren als Straßenmagier für Touristen auftrat, arbeitete er zwölf Jahre als professioneller Zauberer und Comedian.

Sein Debütroman „Låt den rätte komma” (dt. „So finster die Nacht“), eine moderne Vampirgeschichte, erschien 2004. Bereits 2005 folgte „Hanteringen av odöda“ (dt. „So ruhet in Frieden“), ein Roman um Zombies, die in Stockholm für Schrecken sorgen. „Pappersväggar” (2006; dt. „Im Verborgenen“) ist eine Sammlung einschlägiger Gruselgeschichten. Lindqvist schreibt auch Drehbücher für das schwedische Fernsehen. Das prädestinierte ihn dafür, das Script für die erfolgreiche Verfilmung seines Romanerstlings zu verfassen, die 2008 unter der Regie von Tomas Alfredson entstand.

Als Buchautor ist Lindqvist in kurzer Zeit über die Grenzen Schwedens hinaus bekannt geworden. Übersetzungen seiner Werke erscheinen in England, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen und Russland. Über seine Werke informiert Lindqvist auf [dieser Website]http://www.johnajvide.se .

|Taschenbuch: 508 Seiten
Originaltitel: Pappersväggar (Stockholm : Ordfront Förlag 2006)
Übersetzung: Paul Berf
ISBN-13: 978-3-404-16452-3|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_John Ajvide Lindqvist auf |Buchwurm.info|:_
[„So finster die Nacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5218
[„So ruhet in Frieden“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5364
[„Menschenhafen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5938

Sterling, Bruce – Visionary in Residence. Erzählungen

Visionen der nahen Zukunft und der Vergangenheit

Die jüngste Erzählungssammlung des interessantesten amerikanischen SF-Autors der letzten 30 Jahre präsentiert 13 Beiträge. Bis auf zwei sind alle Storys für jeden deutschen Leser mit mittleren Englischkenntnissen leicht lesbar. Doch besagte zwei Storys haben es wirklich in sich.

– Die Story einer verbotenen Liebe
– Storys über Design und Architektur der nahen Zukunft
– Über das Ende der Welt und der Menschheit
– Über die Zukunft, die jetzt Vergangenheit ist: in Alt-Ägypten, in der Türkei und in Palästina
– Über die Zukunft des Schwarzen Kontinents
– Über die Zukunft des Silicon Valley
– Und vieles mehr.

Der Autor

Bruce Sterling, der Mitbegründer der Cyberpunk-Bewegung der achtziger Jahre, ist der Autor von neun Romanen, wovon er einen, „Die Differenz-Maschine“, zusammen mit William Gibson schrieb. Er veröffentlichte drei Storysammlungen (darunter „A Good Old-fashioned Future“) und zwei Sachbücher, darunter das bekannte „The Hacker Crackdown“ (1992) über die Verfolgung von Hackern und Crackern.

Er hat Artikel für die Magazine Wired, Newsweek, Fortune, Harper’s, Details und Whole Earth Review geschrieben. Den Hugo Gernsback Award für die beste Science-Fiction-Novelle gewann er gleich zweimal, u. a. für „Taklamakan“. Er lebt in der Universitäts- und Industriestadt Austin in Texas und hat schon mehrmals Deutschland besucht. Eine seine Storys spielt in Köln und Düsseldorf. Ich habe ihn 2007 persönlich in München bei einem Interview kennengelernt.

Die Erzählungen

1) In Paradise (2002)

Felix Hernandez, ein junger Klempner, sieht das Muslimmädchen das erste Mal an der Sicherheitsschleuse zum Gebäude, in dem er einen Auftrag erledigen soll. Während ihre zwei erwachsenen Begleiter – Vater und Onkel? – auf sie warten, fällt der Strom und ihr Akku streikt. Felix ist so nett, ihr den Akku seines eigenen Handys der gleichen Marke zu geben und erhält dafür ihren. Dabei merkt er sich nicht nur ihre Telefonnummer, sondern auch ihr wunderschönes Gesicht. Sein Herz ist entflammt.

Später ruft er sie wieder an und – oh Wunder der Technik – ihr finnisches Handy übersetzt seine poetische Liebeserklärung automatisch in Farsi, also die persische Sprache. So schöne Worte hat der 19-jährigen Perserin noch niemand gesagt, und sie ist bereit, mit ihm auszureißen. Zehn paradiesische Tage im Bett und am Handy folgen. Dann kommt die kalte Dusche, sozusagen die Schlange.

Ein Agent des Heimatschutzministeriums meint es gut mit Felix, doch seine zwei Begleiter vom iranischen Geheimdienst weniger. Enttäuscht darüber, dass das Mädchen nicht da ist, stellen sie Felix’ Wohnung auf den Kopf, bevor sie wieder abziehen. Der DHS-Agent macht Felix klar, dass das Mädchen, die Tochter eines Mullahs, sich illegal in den USA aufhält und alle Ausgänge und Transportwege sowie Kreditkarten überwacht werden. Der Agent schaltet sich später sogar in das Gespräch zwischen Felix und seiner Herzensdame ein – und schaltet per Fernsteuerung ihre Handys aus!

Nun ist guter Rat wahrlich teuer, doch wahre Liebe findet stets einen Weg, sogar in einer Republik der totalen Überwachung …

Mein Eindruck

Eine warnende und ironische Story über Liebe in Zeiten der totalen Überwachung. Wenn sogar die Handys per Fernsteuerung ausgeschaltet werden können (vom Abhören ganz zu schweigen), dann haben es Adam und Eva nicht leicht, der Schlange in ihrem Eden zu entkommen. Aber es geht – mit Hilfe primitiver Mittel, auf die die Agenten nie im Leben kommen würden.

Im Übrigen ist die automatische Sprachübersetzung im Handy durchaus eine Technik der nahen Zukunft, und die Fernabschaltung sowie Speicherlöschung lässt sich bereits heute bei vielen Smartphones und Handys realisieren.

2) Luciferase (2004)

Vinnie ist ein Leuchtkäferchen, das in der Nacht hell leuchtet. Jedenfalls solange es nicht gefressen wird, und diese Gefahr lauert überall. Da wäre beispielsweise sein alter Bekannter Peck, die Spinne. Peck ist hungrig, aber auch unglücklich. So ein einsamer Wolf hat’s eben nicht leicht bein den Frauen. Da ist der helle Vinnie schon besser dran: Die Frauen fliegen auf ihn! Nach ein paar Ratschlägen für Peck saust er weiter.

Auf einer Nesselblüte erspäht er eine kesse Braut, die ihn besonders hell anstrahlt. Zu spät erkennt er, dass es sich um eine Falle handelt. Sie ist eine Photuris, die auf das Fressen von Photinussen wie Vinnie spezialisiert ist. Zunächst balgen sie sich, doch dann herrscht Stillstand: Matt beide. Sie heißt Dolores und ist scharf ihn. Natürlich nur auf seine Fleisch. Aber er bringt ihr bei, dass es mehr gibt als nur fleischliche Gelüste, nämlich Kunst.

Als ein männlicher Photuris eintrifft, der von Dolores verlangt, sie solle Vinnie töten und ihm die Hälfte abgeben, weil er ja so toll ist, hat Vinnie ein ausgezeichnetes Ziel, um Dolores zu demonstrieren, was er meint. Dieser Geck ist ein Dampfplauderer – und gleich darauf ein Opfer von Peck, der Spinne …

Mein Eindruck

Man könnte die witzige Geschichte für eine Fabel halten, wenn sie bloß auch eine Moral hätte, Aber davon ist weit und breit nichts zu sehen. Vielmehr unterhalten sich die Tierchen so, als befänden sie sich in einer texanischen Bar (der Autor ist Texaner) über die Frauen, das Leben und den ganzen Rest. Das tun sie im typisch amerikanischen Umgangston. Vinnie behält die Oberhand, was uns richtig aufbaut – er ist ein authentischer Künstler, nicht wie die anderen Imitatoren und Epigonen. Möge ihm eine lange Nacht vergönnt sein!

Luciferase ist übrigens eine im Text vorkommende chemische Substanz, die der biologischen Lichterzeugung dient.

(3 kurze Stücke für die Zeitschrift NATURE)

3) Homo sapiens declared extinct (1999, „Menschen für ausgestorben erklärt“)

Im Jahr 2350 wird die Menschheit für ausgestorben erklärt – na und? Kein Grund sich aufzuregen, finden die posthumanen KIs und Entitäten, schon gar nicht die Blutbader in der Oort’schen Wolke, die seit jeher auf die „federlosen Zweibeiner“ herabgeschaut haben. Eine Grabrede wäre jedoch angebracht, findet die Poetware: „Sie waren sehr, sehr sonderbar und nicht sonderlich mit Weitsicht gesegnet.“

Mein Eindruck

Nicht gerade eine Story, aber wenigstens ein Nachruf auf die Menschheit. Allerdings erfahren wir nicht, was zum Aussterben des Menschen geführt hat.

4) Ivory Tower (2005, Elfenbeinturm)

Im Jahr 2050 stürzen sich die Net-Geeks auf das Gebiet der Quantenphysik – natürlich in ihrer typischen Manier. Erst googeln sie alles Wissen zusammen, speichern alles in Storage-Einheiten, tauschen sich in sozialen Netzwerken und Blogs aus. Schließlich errichten sie irgendwo in Rajastan, Indien, ihre eigene Forschungseinrichtung, einen Teilchenbeschleuniger. Ihre Programme sind Open-Source und kostenlos, ihre Hardware ist Abfall, ebenso wie die Technik, die sie für die Errichtung des Supercolliders nutzen. Ihr Essen ist ebenso recycelt wie ihre Möbel und alles andere.

Man sollte erwarten, dass eine derart auf Lösungen fixierte, geradezu mönchische Männergemeinschaft die Frauen abschrecken würde, aber weit gefehlt! Die Ladys finden die Sache cool und machen schon bald einen großen Teil der Kolonie aus – natürlich nicht unter den Physikern. Das war ja schon immer so. Und was nachts passiert, geht keinen was an.

Das Einzige, was man hier nicht haben will, sind Typen, die an der Atombombe forschen. Diese 100 Jahre alte Technik ist nun wirklich nicht cool.

Mein Eindruck

So ein moderner Elfenbeinturm ist auch nicht mehr das, was er mal war. Diesmal haben sich die Geeks die Hochtechnologie der Teilchenbeschleunigung vorgenommen, sozusagen den teuersten Bereich der Physik – siehe CERN bei Genf. Dass man solch eine Forschungseinrichtung auch ganz anders aufziehen kann als bisher, zeigen die modernen Geeks aus Kalifornien. Dass sie das erst 2050 tun sollen, ist das einzige Unwahrscheinliche an der Geschichte.

5) Message found in a bottle (2006)

Diese „Flaschenpost“ stammt aus dem Tank eines Warmwassersboilers aus einer Bibliothek in Schottland, gefunden unter dickem Eis. Geschrieben hat sie ein Klimawissenschaftler, der uns berichtet, dass er Wissenschaftsmagazine wie NATURE verbrannt hat, um heizen zu können. Denn über Europa ist durch den Treibhauseffekt nicht die Hitzewelle gekommen, sondern die Eiszeit.

Der Grund für die Eiszeit ist ebenso simpel wie tödlich: Die Wälder Russland und Brasiliens sind niedergebrannt und haben dabei Unmengen von Ruß und CO2 freigesetzt, so dass sich daraus eine dicke Wolkendecke ergab, die keinen Sonnenstrahl mehr durchlässt – ähnlich wie ein Nuklearer Winter. Deshalb gibt es in Schottland Eis, von Deutschland ganz zu schweigen. Der wärmende Golfstrom scheint völlig versiegt zu sein, wird aber nicht erwähnt.

Die geistige Verfassung der Überlebenden sieht jetzt offenbar so aus, dass der kleine Stamm, dem der Klimawissenschaftler angehört, inbrünstig zu Gott um Vergebung seiner Sünden betet. Ein bisschen spät, findet er. Denn die Sünden wurde ja schon weit in der Vergangenheit begangen, als man den Klimawandel noch hätte dämpfen können.

Mein Eindruck

Sterling ist ein Schelm: Er schrieb diesen Text für das Magazin NATURE und lässt doch den Urheber der Flaschenpost, Magazine wie NATURE verbrennen, um heizen zu können. Ein weiteres ungewöhnliches Merkmal dieses Textes ist die Theorie, dass uns der Klimawandel nicht die große Hitzewelle bringt, sondern die Eiszeit.

Diese Prophezeiung hat durchaus etwas für sich, wenn man die ungeheuren Rußmengen bedenkt, die das Abfackeln der Wälder des Amazonas, Indonesiens und der Taiga Russlands bedenken. Dieser Prozess hat bereits begonnen, wie im Sommer 2010 in Russland beobachtet werden konnte, als dort die Wälder brannten und über 1700 Kilometer hinweg den Himmel verdunkelten. Das gleiche Schicksal könnte das Amazonesbecken ereilen, das ja ebenfalls schon unter ein oder zwei Dürren hat leiden müssen – ungewöhnlich für eine so regenreiche Region.

Obwohl die „Flaschenpost“ mit 2,5 Seiten ziemlich kurz ist, bietet sie doch eine Menge Stoff zum Nachdenken.

6) The Growthing (2004)

Im Jahr 2045 steht irgendwo im ausgetrockneten West-Texas eine sehr sonderbare Anlage: Der einzige Ort weit und breit, wo sich Feuchtigkeit findet, denn sie wird von genetisch veränderten Bakterien im Treibhaus erzeugt, der Wind wird gefangen und die Feuchtigkeit im ganzen Wohngebäude verteilt. Die ganze blasenförmige Architektur erhebt sich über einem Brennstoffreservoir, dessen Hüter Milton ist, ein Architekt und Designer.

Heute ist der letzte Tag, an dem seine Tochter Gretel ihn besuchen darf, die sonst in New Jersey bei seiner geschiedenen Frau leben muss. Der Zeppelin holt sie ab, ohne zu landen. Aber wenig später taucht ein weiteres Mädchen auf, dem Gretel eine E-Mail geschickt hat. Dieses Mädchen gehört zu einem wandernden Stamm von Westtexanern, die Wasser suchen, und sie sucht das blasenförmige Gebäude Miltons. Hier will sie Schafe züchten. Milton ist nicht abgeneigt, den Stamm aufzunehmen.

Mein Eindruck

Die Zukunft von West-Texas, die der Texaner Sterling hier entwirft, ist wahrlich nicht wünschenswert: die unterirdischen Wasserläufe sind versiegt, ebenso das Erdöl (deshalb der Zeppelin), und deshalb muss es neue Wege geben, die geringen Ressourcen zu nutzen und neue zu erzeugen. Ganz nebenbei stellt er die Objekte seines Bekannten, des Öko-Architekten greg Lyn vor. Denn dieser Text wurde für das Architekturblatt „Metropolis“ geschrieben.

7) User-Centric (1999, „Benutzerorientiert“)

Das 21. Jahrhundert lässt eine bestimme US-Firma sich fragen, was sie mit der neuen MEMS-Technologie anfangen könne. MEMS sind heute besser als RFID-Funketiketten bekannt, also als Chips, die per Funk Daten liefern, empfangen und speichern können. Das siebenköpfige Designteam wird vom Chefkoordinator dazu angehalten, an den Nutzer zu denken: Welche Nutzung wäre welchem Nutzer am liebsten – und welche Vorteile könnte man daraus ziehen? Dazu muss man erstmal eine geschichte erfinden sowie zwei Nutzertypen – nennen wir sie Al und Zelda. Er ist etwa 34 und technikorientiert, sie ist über 65 und haushaltorientiert. Zusammen sind sie daran interessiert, alle ihre Besitztümer mit Funkchips zu versehen und zu überwachen.

Soweit, so schön, doch dann setzt der Autor den Entwurf in die fiktionale „Realität“ um. Al muss eine Maske aufsetzen, die ihn älter macht als seine Zelda. Sie hat zwar einen göttlichen und stark verjüngten Body, doch wer würde ihr den jungen Gatten abnehmen, wenn sie schon Enkelkinder hat? Er spielt den Sugardaddy, der sie aushält, aber nur mit Maske. Zusammen sorgen sie dafür, dass das Haus in Tiptop-Zustand ist und alles per Funkchips überwacht wird. Al verzweifelt, hat Albträume, doch Zelda tröstet ihn: Es gibt keine Happy-Ends, Lieber, es gibt nur Methoden, mit den Dingen fertigzuwerden.

Mein Eindruck

Das Brainstorming per E-Mail zeigt eine typische amerikanische Hitschmiede, komplett mit Marketing, Programmierer, Rechtsberater, Designerin, Grafikerin und sogar einer Sozialanthropologin. Doch der ganze Prozess führt lediglich zu einem Entwurf, dessen Absurdität und Inhumanität sich sofort anhand der fiktionalen Umsetzung zeigt. Das ist Satire in Reinkultur, ohne den belehrenden Zeigefinger zu heben. Die Botschaft ist deutlich: Wer im Elfenbein entwirft, braucht sich nicht zu wundern, wenn Müll herauskommt, den niemand kaufen will, ja, der sogar antihuman ist.

8) Code (2001)

Die Gegenwart, Austin, Texas. Louis, der Hauptprogrammierer der Softwarefirma Vintelix, hat den Löffel abgegeben: Herzinfarkt. Kein Wunder bei 150 Kilo Lebendgewicht, denkt sich Van, sein wichtigster Stellvertreter. Was soll er jetzt bloß mit der Leiche machen? Da tritt das Mädchen vom Empfang ein, Julie, sie denkt praktischer: Er soll die Cops rufen. Ach ja, und den Vorstandsvorsitzenden (CEO) informieren. Aber vorher durchsuchen sie noch Louis’ massiven Schreibtisch: Bingo – Tabletten von LSD, vulgo: Acid. Sie teilen sich die 400 Trips.

Der CEO gibt ihnen frei, aufgrund besonderer psychischer Belastung. So können sie sich per Webcam und Telefon unterhalten. Julia ist wagemutig. Wie viele Trips soll sie einwerfen – vier oder fünf? Van ist eher vorsichtig und vernünftig: einer dürfte erstmal reichen. Und tatsächlich: Schon bald schüttet ihm Julia ihr Herz aus. Und wie romantisch sie ist! Liest und empfiehlt Liebesratgeber. Sie wird richtig aufgedreht. Dann muss er ins Fitness-Studio. Als er zurückkehrt, steht sie vor seiner Tür. Klar darf sie mir reinkommen. Aber sie schlafen nicht miteinander. Noch nicht.

Am nächsten Tag befördert der CEO Van zum Chefprogrammierer, was zwar mehr Aktienoptionen einbringt und einen neuen, wertlosen Titel, aber auch mehr Arbeitsbelastung. Und der Code, den Louis hinterlassen, ist ein Tohuwabohu – sein Baby. Und keiner blickt da durch. Alles auslagern, nimmt sich Van vor, bevor ihm die zwei bestellten Ehe-Ratgeber geliefert werden. „The Code“ – wertloser Schmonzes, doch „The Rules“ ist bitter und grimmig, eine wahre Gebrauchsanleitung zur Selbstbehauptung der geplagten, unterdrückten Frau gegen das brutale Regime des Mannes.

Genau das Richtige, um ein neues Betriebssystem zu schreiben und Julia zu seiner wichtigsten Mitarbeiterin zu machen, auch privat.

Mein Eindruck

Die Story könnte direkt aus einem Kapitel von Douglas Couplands Klassiker „Mikrosklaven“ stammen, so exakt werden die Arbeitsverhältnisse in der Softwarefirma beschrieben. Aber dann kommt der praktische Sterling-Touch hinzu: Wie sich menschliche Beziehungen nutzbringend mit der Arbeit verbinden lassen. Arbeit und Liebe müssen einander nicht ausschließen, ganz im Gegenteil.

(Kollaborationen)

9) The Scab’s Progress (mit Paul Di Filippo, 2001)

Nach dem Zusammenbruch der planetaren Ökosphäre und der Ölindustrie mussten die Überlebenden andere Technologien finden, um erstens Ernährung sicherzustellen und zweitens Informationstechnik. In der Verbindung aus beiden Anstrengungen entstand die fortgeschrittenste Biotechnologie, die man sich vorstellen kann.

Natürlich haben auch die Halb- und Unterwelt sowie die semilegalen Selbständigen ihren Anteil an der „Immunosance“, wie die Gesamtheit aller Bio- und Gentechniker jetzt genannt wird. Fearon und Malvern sind zwei solche halblegale „Scabs“, und als Malvern an Fearons Tür klopft, herrscht Alarmstufe Rot: In dem Slum Liberty City am Rande von Miami ist ein Biotechlabor explodiert, das ihren Kunden gehörte. Sie müssen schnell hin, um zu retten, was noch zu retten ist, bevor die Cops und Behörden Asche daraus fabrizieren, um eine Kontamination der Umgebung zu verhindern.

Wie sich schnell zeigt, ist das interessanteste Objekt bei Mixogen die Chefin. Ihr Gehirn ist, wie man an dem angeschwollenen Schädel erkennen kann, genetisch aufgemöbelt worden. Sie entnehmen dem Gehirn eine Gewebeprobe und verduften, denn schon ist der erste Cop-Späher eingetroffen. Leider ist Fearons Labor nicht in der Lage, aus der Gehirn-DANN einen Sinn herauszulesen. Deshalb schlägt Malvern, den alten Kemp Kingseed zu konsultieren. Er lebt in einer aufgelassenen Erdölraffinerie, bewacht von seiner Riesenspinne Shelon (aus „Herr der Ringe“).

Kemp Kingseed erinnert die beiden Möchtegern-Genies an jene heroischen Zeiten, als Linux, Napster und Freenet erfunden wurden – lang ists her. Aber Kemp kann die Botschaft aus der Hirn-DANN der Mixogen-Chefin lesen, mit Hilfe eines entsprechenden Raben. Demzufolge wurde die wertvollste DNA des Planeten, nämlich die der letzten Wildtiere des im Chaos untergegangenen Kontinents Afrika, in einem geheimnisvollen Gebilde namens Panspecific Mycoblastula. Sie müsse sich in Sierra Leone befinden.

Weil Fearon die Datenverbindung zu seinem gentechnisch aufgemotzten Hausschwein Weeble offengelassen hat, konnte jedoch sein härtester Konkurrent, Ribo Zombie, alles, was der Rabe sprach, mithören. Mist! Wegen Fearons Blödheit könnte ihnen der Rivale den DNS-Schatz vor der Nase wegschnappen. Kemp, der alte Kämpe, beruhigt die beiden junge Biotechkämpfer: Sein Mann vor Ort erwartet sie bereits und werde ihnen helfen.

Fearon und Malvern machen sich auf in ein Wettrennen um einen Schatz, der in einer der unzivilisiertesten Gegenden des Planeten liegt: im Herzen der Finsternis, wo unbekannte Gefahren lauern …

Mein Eindruck

Die turbulente Novelle spielt in einer radikal veränderten Welt, die vielleicht aber nur 30 oder 40 Jahre entfernt liegt und beängstigende Umwälzungen ahnen lässt. Der Treibhauseffekt hat voll zugeschlagen, die Ölindustrie ist nur noch Erinnerung, dafür hat die Biotechnologie die Informationstechnik abgelöst. Vor diesem Hintergrund rackern sich unsere zwei wackeren Helden redlich ab, um sich über Wasser zu halten – obwohl: Fearon hat mit seiner Frau Tupper, einer reichen Erbin, wirklich das große Los gezogen.

Und dennoch will er alles aufs Spiel setzen? Auf der Jagd nach etwas, was der Leser nur als eine Art MacGuffin bezeichnen kann, begegnet Fearon nicht nur Fossilien wie Kemp Kingseed und dessen afrikanischem Klon Herbie Zoster, sondern, viel schlimmer, einem Despoten, der alle Albträume von afrikanischen Tyrannen in sich vereint: menschliche DNS ist kaum noch vorhanden, sondern dominiert von Ameisen-Erbgut, ebenso wie bei seinen Untergebenen. Denn wenn eine Spezies das aufgegebene Afrika erobert hat, dann ist es die Ameise. (Diese Idee erinnert an gewisse postviktorianische „Tarzan“-Abenteuer.)

Diese Welt ist post-human, aber auch post-natürlich – komplett überarbeitet von Biotechnologie, die aus dem Ruder gelaufen ist. Die einzigen, die damit noch gut zu Rande kommen werden, sind die Kinder von Fearon und Tupper. (Siehe dazu auch die schöne Geschichte über die Nekropole von Theben.) Ach ja – Ribo Zombie! Er hat seinen großen medienwirksamen Auftritt. Mehr darf darüber nicht verraten werden.

10) Junk DNA (mit Rudy Rucker, 2003)

Silicon Valley ist auch nicht mehr das, was es mal war: das Tal der vergoldeten Träume eines digitalen Goldrauschs. Selbst Leute mit Ideen müssen sich jetzt als sterbliche Angestellte ausbeuten lassen, klagt Janna Gutierrez, die informationelle Gentechnik studiert hat. Sogar ihr Dad muss sich in der Wetware-Industrie abrackern. Der einzige Freund, den Janna abzubekommen schien, war ein Koreaner – jedenfalls solange, bis dessen Mutter eine nordkoreanische Erbin als Braut anschleppte. Die Zukunft sieht trübe aus.

Da schneit Veruschka Zipkin aus St. Petersburg in Jannas Firma herein. Obwohl Veruschkas Angebot eines gemeinsamen Gentechnikprojekts abgelehnt wird, tut sie sich doch mit ihrer neuen Freundin Janna zusammen, um eine neue Firma aufzuziehen. Veruschka zieht bei Janna und ihrem Dad ein, und als sie entdecken, dass Dad eine halbe Million Dollar für seine Rente zurückgelegt hat, dauert nicht sehr lange, bis sie den Start einer eigenen Firma finanzieren können. Alle drei sind gleichberechtigte Teilhaber.

Veros Idee besteht in folgendem: Sie kann eine formbare Biomasse mit menschlicher DNS und dem patentierten Universellen Ribosom imprägnieren und auf diese Weise süße kleine Wonneproppen erschaffen, die beliebige Eigenschaften haben können. Mit Dads Hilfe lassen sich die „Pumptis“ färben und verformen, wie es dem Benutzer gefällt. „Tamagotchis“ und „Pokémons“ sind Hühnerdreck dagegen! Das beste ist jedoch, dass die benutzte menschliche Erbsubstanz nicht diejenige ist, die einen Menschen formen – das wäre ja illegal und unmoralisch – sondern aus den unterdrückten und ungenutzten Stücken des Erbguts besteht, wie der homo sapiens sie aus seiner Evolution übrigbehalten hat: Junk-DNS. Wie sich zeigt, wird diese Art der Neuschöpfung von den Behörden genehmigt.

Nach einem vielversprechenden Start durch Straßenverkauf, Mundpropaganda und virales Marketing kommt es allerdings zu fatalen Geschäftsfehlern: Die Qualität stimmt nicht, Betrüger und Raubkopierer schnappen sich die Ideen und Profite, schon bald steht die kleine Firma Magic Pumpkins vor dem Aus. Doch wer könnte ihnen aus der Patsche helfen, wenn sich kein Risikokapitalgeber dazu bereitfindet? Die Antwort besteht in Ctenephore Industries. Janna und Vero müssen sich verkaufen – und werden nach allen Regeln der Kunst über den Tisch gezogen. Ihnen bleibt die Aussicht auf ein Angestelltengehalt mit einem nichtssagenden Titel.

Haben sie das verdient, fragen sie sich. Niemals! Dieses Unrecht schreit nach RACHE. Und Veruschkas, stets die praktische und unverwüstliche des Dynamischen Duos, hat die Lösung: Gentherapie für die beiden Feinde, Revel Pullen und Tug Mesoglea. Und nach ein paar Wochen der Rekonvaleszenz ihrer Firma – die Pumptis können auch digitale Daten empfangen, senden und verarbeiten – ist der Moment der Vergeltung gekommen. Die Wirkung ist jedoch nicht ganz die erwartete. Junk-DNS folgt eben ihren eigenen Gestzmäßigkeiten …

Mein Eindruck

Keine Angst, dieses Märchen geht wie alle Märchen gut aus, nur eben nicht auf die erwartete Weise. Denn es ist ein Silicon-Valley-Märchen, in dem Valley-Träume auf eine Russin treffen, die Erfahrung mit der russischen Mafia hat. In Russlands Genetiker-Schwarzmarkt werden die Dinge etwas anders gehandhabt als im Goldenen Westen.

Die Novelle weiß den entsprechend beschlagenen Leser, der sich mit Biotechnologie, Genetik, Mathematik und Software auskennt, mit etlichen witzigen Einfällen zu erfreuen. Dazu gehört die Idee mit der Junk-DNS, dem Universellen Ribosom und den süßen kleinen Pumptis. Der Schauplatz San Francisco ist mir bestens vertraut: Wer es hier nicht schafft, um den neuesten technischen Schnickschnack zu erschaffen, der wird es weder an der Ostküste noch in Hongkong schaffen – das sind die Orte, auf die es heutzutage ankommt. (Von Europa ist kaum die Rede, außer eben als Veruschkas Herkunft.)

Richtig bizarr sind die Ideen, die den beiden Inhabern von Ctenophore einfallen. Der eine, Pullen, will eine Hochsicherheitszone für das bürgerliche Zuhause verwirklichen; der andere will berührungsempfindliche Geldnoten entwickeln, die von ihren Benutzern DNS-Proben nehmen – wunderbar in der Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung, oder? Zu blöd, dass heute kaum noch mit Geldscheinen bezahlt wird.

Der groteske Höhepunkt der Entwicklung, dem Janna mit Grausen entgegensieht, besteht in der Gentherapie für Tug und Revel, die beiden vermeintlichen Feinde. Hier zeigt die Junk-DNS, was sie wirklich draufhat. Mehr darf hier nicht verraten werden, um nicht das Vergnügen zu schmälern. Rudy Rucker, von Haus aus Mathematiker, lässt aber auch die Sau raus, und das gibt der Story eine unverwechselbare Note. Ich habe sie mit großem Spaß gelesen.

(Historische Fiction)

11) The Necropolis of Thebes (2003)

Am Westufer des Nils liegt die Totenstadt von Theben, und der alte Shabti-Figurenschnitzer Apepi fährt mit einem Streitwagen zum Pharaonengrab, um es wie stets seines Metalls zu berauben. Denn Apepi ist zum Steuereintreiber der Eroberer, der Hyksos, ernannt worden und muss sein Soll erfüllen. Da sein Volk aber schon längst bis zum letzten ausgequetscht ist, muss er nun auch die Toten berauben.

Das Gold ist längst fort, ebenso das Silber, aber die Shabti-Figuren wird er niemals anrühren. Nicht nur, weil sonst der Pharao niemanden hat, der ihm Jenseits dient, sondern weil die Hyksos für die ägyptischen Totenriten nur Verachtung übrig haben. Und eines Tages wird Apepis Sohn eine Shabti-Figur schnitzen, die einen Wagen und seinen Lenker zeigt und dann …

Mein Eindruck

Die Erzählung ist ein Beispiel dafür, wie der Zukunftsschock den Historiker getroffen hat, sagt der Autor in seiner Anmerkung. Die historische Erzählung zeigt nicht nur dies, sondern den Weg, wie man den Zukunftschock, den die Hyksos bedeuteten, durch eine neue Generation Kinder überwindet: Sie kennen nichts anderes. Und sie werden die neue Technologie der Eroberer dereinst gegen sie verwenden (und so geschah es auch).

12) The Blemmye’s Stratagem (2005)

Im Heiligen Land ist Jerusalem gefallen, und Saladins Krieger jagen die Kreuzritter, bis diese sich nur noch in ihren Festungen verkriechen können. Der Oberste der Assassinen, der Alte vom Berge, trägt seinen Teil dazu bei, die Christen zu verjagen, die fast 90 Jahre lang Palästina besetzten. Deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass seine engste Vertraute eine Christin ist, die Äbtissin Hildegart. Sie ist nicht nur das Oberhaupt des Ordens der Hospitaller (nicht der Templer), sondern auch eine Kauffrau, die Investitionen von Sevilla bis Sumatra ihr Eigen nennt. Mit Zahlen kann sie viel besser umgehen als Sinan, der Assassine, doch der bessere Poet ist sicherlich er.

Beide stehen in Diensten jenes seltsamen Diplomaten und Kaufmanns, der ihnen vor vielen Jahrzehnten den Trank des langen Lebens zuteilwerden ließ: der Blemmye. Gerüchte besagen, dieses Wesen komme aus dem afrikanischen Königreich von Prester John. Es trägt keinen Kopf, sondern sein Gesicht im Oberkörper, mit Augen, Nase und Mund. Da es nicht sprechen kann, schreibt es alle Botschaften auf, und Hildegart ist die beste Leserin dieses Gekritzels. Mit seinen ausgedehnten Handelsniederlassungen verständigt sich der Blemmye per Brieftaube, genau wie es seine Diener Hildegart und Sinan tun.

Das Ende des Alien

Er hat sie zu sich gerufen, denn sein Ende sei gekommen, schreibt er. Was seine zwei Diener verstört, ist der Befehl, die Pferde zu töten – sie hätten dann kein Mittel mehr, aus der Wüstenei am Toten Meer, wo der Blemmye seine Oase geschaffen hat, wegzukommen. Doch das Rätsel wird gelöst, als er ihnen offenbaren will, was ihn all die Jahre hier gehalten hat: seine Geliebte von den Sternen und ihre Brut. Sie hat das Zeitliche gesegnet, doch ihre Brut vermehrt sich – unter anderem durch Futter in Form von Pferdefleisch. Hildegart traut sich nicht ins Innere der Bruthöhle, doch Sinan beschreibt es als eine Art Hölle, voller Skelette und Dämonen. Dämonen mit Panzern, scharfen Zangen und giftigen Schwänzen. Nach dieser Enthüllung seiner außerirdischen Herkunft begibt sich der Blemmye in die giftigen Wasser des Toten Meeres zum leeren Panzer seiner Geliebten.

Aber Hildegart hat ein gefährliches Problem erkannt: Die Dämonenbrut werde sich über die Erde verbreiten, sollte man ihr nicht Einhalt gebieten. Sinan ist ganz ihrer Meinung. Er kennt die alte Sage vom König, der zuließ, dass ein Schachbrett mit einer sich verdoppelnden Menge von Reiskörnern bedeckt wurde. Für das letzte Feld des Bretts wurde das ganze Königreich geplündert. Eine letzte Schlacht soll die Dämonenbrut vernichten. Doch wer wird sich bereitfinden, solch einen Kampf zu wagen? Eigentlich bloß die verzweifelten Glücksritter unter den Kreuzfahrern, oder? Aber Sinan hat einen Trumpf im Ärmel …

Mein Eindruck

Auf gänzlich unerwartete Weise behandelt der Autor in dieser Novelle das Problem des Fremden und des Fremdlings. Im Heiligen Land treffen die unterschiedlichsten Völkerschaften aus Okzident und Orient aufeinander, ohne einander zu verstehen. Und doch gibt es abseits der Schlachten und Gemetzel eine funktionierende Infrastruktur für die Telekommunikation: Brieftauben. Sie gehören dem Blemmye und seinen zwei Dienern. Sie ermöglichen Handel und Reichtum trotz des Krieges. Und dabei stört es gar nicht, dass der Blemmye ein Außerirdischer ist. Er kann sich immerhin wie ein Mensch verständigen.

All dies ändert sich mit dem Ende des Aliens. Der Handel bricht zusammen, die Investitionen lösen sich in Luft auf, die Ernten werden vernichtet und so weiter. Offenbar hat er geahnt, was der Welt fehlt. Kein Wunder, denn er ist selbst vor einem Krieg mit einer Alienrasse zur Erde geflohen, und seine Geliebte gehörte eben dieser Rasse an, quasi wie Romeo und Julia. Doch ihre Dämonenbrut, die eine Metapher für den fehlenden Frieden darstellt, droht nun die Welt zu verschlingen. Es liegt nahe, dass die Sachwalter des Blemmyes die Aufgabe ihrer Vernichtung übernehmen, damit der Erde wenigstens die Heimsuchung der gefräßigen Aliens erspart bleibt.

Die Erzählung ist leicht zu lesen, aber es lohnt sich, die Geschichte des Heiligen Landes und der Kreuzzüge wenigstens rudimentär zu kennen, um die zahlreichen Namen zuordnen zu können. Erstaunlich, welche detaillierte Sachkenntnis der Autor an den Tag legt, der doch früher für abegfahrene SF-Ideen bekannt war. Die Story unterhält selbst den SF-Freund und ist spannend bis zum Schluss.

13) The Denial (2005, „Die Leugnung“)

Die Türkei im 15. oder 16. Jahrhundert, nur wenige Jahrzehnte nach der Eroberung Konstantinopels. In Yusufs kleiner Stadt leben Muslime neben Juden, Katholiken und orthodoxen Christen friedlich zusammen. Nur die Gnostiker, christliche Ketzer, wurden in die Berge getrieben und fristen ein kümmerliches Dasein.

Als eine große Flut das Dorf überschwemmt, gelingt es Yusuf, den Fassmacher, seine Kinder auf den höhergelegenen Grund von Onkel Mehmets Hütte zu bringen und so zu retten. Doch seine Frau hat ihm den Gehorsam versagt und wurde von den Fluten mitgerissen. Er findet sie danach im Uferschlamm und bringt sie zurück ins Dorf. Dort schlägt sie plötzlich Augen auf und ist wieder quicklebendig. Sofort macht sie sich an den Wiederaufbau des Hauses und seines Unternehmens.

Doch Yusuf wird trotz des erneuten Aufschwungs immer unglücklicher. Diese Frau ist offensichtlich nicht seine Frau, denn die erste Frau war eine zeternde Furie, diese aber ist sanft und lieb wie ein Lämmchen. Diese Frau hier muss eine Wiedergängerin sein. Was ist zu tun? Nur der jüdische Rabbi weiß Rat: Yusuf soll die Gnostiker in den fernen Hügeln aufsuchen. Sie sind die einzigen, die sich mit Geistern auskennen.

Nachdem ihm der Pastor der Bogomil-Familie erklärt hat, wie der gnostische Glaube aussieht, rät er ihm, seiner Frau einen Pflock durchs Herz zu treiben. Das lehnt Yusuf kategorisch ab. Der Pastor erklärt, wie es sich mit der Trennung von Körper und Seele verhält und gibt ihm einen Talisman: eine hölzerne Handfessel.

Nach seiner Rückkehr führt Yusuf seine Frau auf den Gottesacker, der einzige Ort, wie sie ungestört sind. Er legt ihr die Fessel an, die sie wie verbrannt wieder abstreift – ein gutes Zeichen. Aber er legt sie sich aus Trotz ebenfalls an: keine gute Erfahrung. Denn nun schwant ihm, was er längst hätte erkennen müssen und was ihm seine tote Frau nun wütend unter die Nase reibt: Er ist nämlich in jener Flut ebenfalls gestorben. Tja, und wie kommen sie aus diesem Schlamassel wieder raus?

Mein Eindruck

Ist dies eine Geistergeschichte, fragt man sich. Möglicherweise, denn um Magie geht es ebenfalls. Aber die Wahrheit liegt tiefer: Das eigentliche Thema ist nämlich die Entfremdung von einer Unperson, die man nicht als sich selbst zugehörig wahrnimmt. Diese Entfremdung kann in tödlichen Hass umschlagen, wenn die richtigen Faktoren und Mittel hinzukommen. Aber hätte Yusuf einmal sein Herz erforscht, dann hätte er den Splitter im eigenen Auge erkannt – dass er genauso ist wie seine Frau.

Unterm Strich

Diese Erzählungssammlung des bekannten Autors und Beraters umfasst eine große Vielfalt von Themen und Stilen, aber die verschiedenen Sektionen sind folgerichtig aufgebaut. Von „Science Fiction“ geht die Fahrt zu „Fiction about Science“ und „Fiction for Scientists“. Danach widmet sich Sterling seinen Interessensgebieten, insbesondere Architektur und Design.

Nach einer Verschnaufpause im Mainstream dreht er jedoch voll auf: „Cyberfunk to Ribofunk“ heißt die Überschrift für seine zwei großen Kollaborationen mit den Kollegen Paul Di Filippo und Rudy Rucker. Diese zwei Storys sind sowohl in der Sprache als auch hinsichtlich ihres geistigen Hintergrunds höchst anspruchsvoll für den deutschen Leser.

Lediglich ihr Plot und ihre Aussage könnte simpler nicht sein. „The Scab’s Progress“ schildert eine Expedition in ein zukünftiges Afrika, und „Junk DNA“ ist ein Märchen über die biotechnische Zukunft des Silicon Valley, das bis dahin schon seine besten Tage gesehen hat. Auch wenn dies die beiden sprachlich anspruchsvollsten Texte der Sammlung sind, so haben sie mir doch am meisten Spaß gemacht: das Vergnügen des Intellektuellen an abgefahrenen Ideen.

Die letzte Sektion trägt den Titel „The Past Is a Future That Already Happened“. Hier finden sich also Erzählungen über die Vergangenheit. Neben der Geschichte über Apepi und Yusuf beeindruckte mich besonders die Novelle über die Kreuzfahrerzeit, in der ein Alien eine offenbar segensreiche Role spielt. Die Aussage lautet mehr oder weniger, dass richtig organisierte Kommunikation für ein gewisses Maß an Frieden sorgt. Ganz gleich, ob diese Kommunikation von einem unabhängigen Fremdwesen oder von einem parteiischen Menschen organisiert wird.

Unterm Strich liefert die Collection dem SF-Interessierten und dem, der neugierig auf neue Ideen ist, einen bunten Strauß von meist gelungenen Erzählungen, in denen Unterhaltung, Einfallsreichtum und vor allem Humor und Menschlichkeit (sogar bei Leuchtkäferchen) spannend und anrührend präsentiert werden. Obwohl der Preis mit 16 US-Dollar ziemlich hoch ist, so habe ich doch den Kauf zu keiner Zeit bereut.

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Taschenbuch: 294 Seiten
Originaltitel: Visionary in Residence
ISBN-13: 978-1560258414

_Bruce Sterling bei |Buchwurm.info|:_
[„Inseln im Netz“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=736
[„Die Differenzmaschine“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1339
[„Brennendes Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1542
[„The Zenith Angle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1574

Göllner, Marco – Schwestern der Gnade (Dorian Hunter 11) (Hörspiel)

_Story:_

Dorian Hunters Frau Lilian soll endlich von ihrem Leiden befreit werden und wird auf Geheiß ihres Gatten in das Sanatorium von Dr. Demming eingewiesen, der feststellen soll, ob Lilian je wieder in der Lage sein wird, ein normales Leben zu führen. Doch in der Heilanstalt gehen merkwürdige Dinge vor sich, und als Lilian beobachtet, dass ein schwarzer Engel umhergeht und die Insassen der Nervenklinik tötet, kommt auch Dorian wieder ins Spiel.

Unter verdecktem Namen lässt er sich in der Person des Gary Stack ebenfalls einweisen und wird Zeuge der grausamen Ereignisse, von denen der Oberarzt aber anscheinend gar nichts wissen mag. Weitere Morde folgen, und als Dorian alias Gary endlich klarsieht und nach Hilfe ruft, wird er wegen seiner angeblich wahnhaften Vorstellungen vom Personal nur müde belächelt. Erst als ihm klar wird, dass nicht nur der Doktor, sondern auch einige Schwestern ein falsches Spiel treiben, sieht sich Hunter genötigt, zu einigen persönlichen Geheimwaffen zu greifen – und den Verrückten tatsächlich überzeugend zu mimen …

_Persönlicher Eindruck:_

Nach der epischen Doppelfolge aus dem Mittelalter ist Dorian Hunter in der elften Episode der Hörspiel-Serie wieder in der Gegenwart angekommen und wird dort auch wieder von der harten familiären Realität getroffen. Seine Frau steht erneut im Fokus, und ihre Krankheit beschäftigt den Dämonenjäger mehr als alles andere. Doch die Lösung des Problems bringt nur noch mehr Schwierigkeiten – und in null Komma nix ist ein neuer Komplex aufgerissen, der sich bis zu den Anfängen der Geschichte erstreckt.

Genauer gesagt wird man sogar an das Debüt herangeführt, in dem Lilian Hunter ebenfalls eine tragende Rolle spielte und in dem der Wahnsinn, der sie umgibt, zum ersten mal erwähnt wurde. Nach wie vor ist sie besessen und benötigt dringend Hilfe, um aus ihrem nervlichen Unheil entfliehen zu können. Und immer noch steht der sonst so souveräne Hunter diesem Umstand nahezu hilflos entgegen und sucht händeringend nach Möglichkeiten, dieses Dilemma endgültig zu besiegen.

Doch die Beziehung der beiden steht letzten Endes nicht im Mittelpunkt des aktuellen Hörspiels „Schwestern der Gnade“. Vielmehr präsentiert sich die Reihe an dieser Stelle als rasanter Fantasy-Krimi, der den inhaltlichen Wahn in eine atmosphärisch völlig eigenwillige Geschichte ummodelliert und ihn dazu nutzt, eine größtenteils durchgedrehte Stimmung zu produzieren, von der die Story aber maßgeblich profitiert. Wenn die beiden seltsamen Schwestern Mercy und Hercy beispielsweise von ihren Vorlieben für bestimmte Teesorten schwadronieren, hat dies einen völlig zynischen Charakter, der die Handlung als solche auch sehr gut beschreibt.

Hunters Action-Vorlieben kommen dementsprechend häufig zur Geltung, selbst wenn die vielen Szenen, die einem flotten Arrangement bedürfen, nicht direkt mit einer temporeichen Action-Sequenz gekoppelt werden. Das blühende Leben in „Schwestern der Gnade“ geht letzten Endes nämlich zu einem mindestens gleichwertigen Teil von den außergewöhnlichen Dialogen aus, die nicht nur inhaltlich sehr stark sind, sondern auch in der Performance das mitunter beste sind, was der Hörspiel-Markt derzeit zu bieten hat – und das lässt sich allgemein auch für den „Dorian Hunter“-Backkatalog bestätigen. Die Leistung in Folge 11 sind durchaus Referenz.

Die Story selbst glänzt in allen relevanten Eckpunkten, hält die Spannung ungewöhnlich lange auf dem Extrem-Niveau und ist von zahlreichen Wechseln und Überraschungen gezeichnet. Die Atmosphäre ist dabei das Sahnehäubchen und windet sich wie ein Chamäleon durch sämtliche Stimmungen, ist düster, dann wieder einfach nur mitreißend, schließlich aber auch bedrückend und zwischenzeitlich von ironischer Natur – ganz so, wie die Story es permanent einfordert. Dass offene Ende ist zu guter Letzt keine große Neuerung mehr, sondern steigert die Vorfreude auf all das, was unter dem Titel „Dorian Hunter“ noch passieren wird. Allerdings wird man sich in künftigen Produktionen ziemlich anstrengen müssen. Die Messlatte, die mit „Schwestern der Gnade“ gesetzt wurde, liegt wirklich immens hoch!

_Sprecher:_

Dorian Hunter – Thomas Schmuckert
Lilian Hunter – Iris Artajo
Dr. Demming – Peter Matic
Schwester Hercy – Luise Lunow
Schwester Mercy – Jessy Rameik
Arnie – Stefan Fredrich
Marvin Cohen – Frank Gustavus
Gene Hallowell – Eckart Dux
Deborah Ashton – Kirstin Hesse
John Storm – Jörg Reichlin
Danny Dean – Leonhard Mahlich
Kitty – Simona Pahl
Trevor Sullivan – Konrad Halver
Coco Zamis – Claudia Urbschat-Mingues
Donald Chapman – Frank Felicetti
Phillip Hayward – Tim Kreuer
Sekretärin – Anette Gunkel

Aufnahmen: Alexander Rieß & Bruno Guozzi
Produktion: Dennis Ehrhardt, Zaubermond Verlag
Skript, Regie und Tonproduktion: Marco Göllner
Musik: MoorlandMusic
Titelmusik: Joachim Witt
Illustrationen: Mark Freier
Layout: Sebastian Hopf
Product Management: dp

|Audio-CD mit ca. 75 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 978-3829123792|
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de
[www.marcogoellner.de]http://www.marcogoellner.de
[www.universal-music.de]http://www.universal-music.de

_“Dorian Hunter“ bei |Buchwurm.info|:_
[„Im Zeichen des Bösen“ (Folge 1) 5432
[„Das Henkersschwert“ (Folge 2) 5477
[„Der Puppenmacher“ (Folge 3) 5585
[„Der Folterknecht – Die Nacht von Nancy“ 6382 (Folge 10, Teil 1 von 2)
[„Der Folterknecht – Hexenhammer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6384 (Folge 10, Teil 2 von 2)

Jack Slaughter 11: Im Haus des Todes

Jack Slaughter:

Folge 1: „Tochter des Lichts“
Folge 2: „Tochter des Lichts 2: Professor Dooms Erwachen“
Folge 3: „Das Tor zur Hölle“
Folge 4: „Virus in Jacksonville“
Folge 5: „Am Ende der Welt“
Folge 6: „Im Land der Vampire“
Folge 7: „Dr. Jekyll und Mrs. Hyde“
Folge 8: „Das Herr der Finsternis“
Folge 9: „Die Wurzel des Bösen“
Folge 10: „Werwolf im Schafspelz“
Folge 11: „Im Haus des Todes“

Story:

Jack Slaughter 11: Im Haus des Todes weiterlesen

Gnann, Nathalie – Einhornblut (Weltenwanderer 4)

_Inhalt_

Es gibt ein uraltes Bündnis zwischen den Einhörnern, den Wölfen und den Menschen: Nach einem langen Krieg unter den drei Völkern gab es eine Einigung darauf, dass die Einhörner und die Wölfe den Wald bevölkern, während die Menschen aufgrund ihrer hohen Zahl das restliche Land für sich in Anspruch nehmen. Der Friedenspakt besagt auch, dass sich die drei Völker gegenseitig nicht angreifen dürfen …

Als das Einhornmädchen Nienna nachts durch den Wald streift, trifft sie auf eine Jagdgesellschaft, die sie beinahe zu Tode hetzt. Völlig erschöpft und verwundet wird sie von Ferris, einem Wolfsmenschen, zurück in ihr Dorf gebracht, wo die schreckliche Neuigkeit schnell die Runde macht. Da zudem noch Niennas Bruder Cewal vermisst wird, ist schnelles Handeln gefragt. Der Häuptling des Einhornclans beruft eine Versammlung mit den Wölfen ein und schickt daraufhin Nienna und Ferris nach Melduin, in die Hauptstadt der Menschen, um dort den Truchsess von dem Verstoß gegen das Bündnis zu unterrichten und Cewal zu finden. In Melduin erwartet die beiden allerdings eine bittere Wahrheit …

_Eindrücke_

„Einhornblut“ ist der vierte Band einer Kurzromanreihe, die beim |Arcanum|-Fantasy-Verlag unter dem Thema „Weltenwanderer“ erschien. Jeder beteiligte Autor hat, unabhängig von den anderen Kurzromanen, eine völlig eigene Geschichte dazu geschrieben, und somit sind die einzelnen Hefte allesamt als eigenständiges Werk anzusehen. Man muss also keinen der vorherigen Heftromane kennen, um „Einhornblut“ verstehen zu können.

In „Einhornblut“ erzählt Nathalie Gnann eine schöne und kurzweilige Geschichte über Einhörner und Wölfe, die sich gegen die Feindseligkeit der Menschen wehren müssen. Allerdings sind die Einhörner hier nicht nur einfache magische Pferde, genauso wenig wie die Wölfe einfache Tiere sind: Beide Völker sind dazu in der Lage, sich in Menschen zu verwandeln. Das ist zwar nicht gerade etwas völlig Innovatives im Fantasygenre, aber dennoch nichts allzu Bekanntes. Gerade Einhörner spielen, aus welchen Gründen auch immer, mittlerweile generell eher selten eine Rolle in Fantasybüchern, sodass die Autorin mit ihrer Geschichte ein klassisches, aber schon fast vergessenes Fabelwesen wieder zum Leben erweckt hat.

Die beiden Protagonisten der Erzählung sind Nienna und Ferris. Die Mühe, die sich Nathalie Gnann mit ihrer Charakterzeichnung gegeben hat, ist eindeutig erkennbar. Obwohl ihre Geschichte so kurz ist, erweckt sie ihre Protagonisten zum Leben, sodass der Leser stets mit den beiden mitfiebert. Nienna ist eine sehr zarte Kreatur, die allerdings Mut besitzt und ihren Willen durchzusetzen weiß. Ferris hingegen übernimmt die typischen Charakterzüge eines Wolfes.

Allerdings gibt es in Einhornblut auch einige Schwächen, die sich insbesondere im Schreibstil zeigen. Gnanns Erzählstil ist noch ein bisschen unsicher, und an ihm merkt man besonders, dass sich die Autorin noch am Anfang ihrer Schreibkarriere befindet. Sie vertieft sich immer wieder zu sehr in poetische Beschreibungen, die zwar an manchen Stellen noch ganz schön wirken können, irgendwann aber doch zu übertrieben und kitschig sind. In manchen Szenen, insbesondere dann, wenn ernste Angelegenheiten besprochen werden müssen, wirkt die Figurenrede auch etwas zu steif und nicht lebendig genug.

Auch Klischees findet man in „Einhornblut“ leider immer wieder. Die liebevolle und fürsorgliche Mutter, der strenge Vater. Nienna ist die Tochter des Häuptlings vom Einhornclan, Ferris der Sohn des Clanführers der Wölfe. Es gibt einen tyrannischen und bösartigen Truchsess. Wer sich in der Fantasyliteratur auskennt, der wird einige dieser Muster schnell wiedererkennen.

Was ich auch etwas schade fand, war das offene Ende. Die eigentliche Mission haben Nienna und Ferris zwar erfüllt, aber es bleibt noch sehr viel Stoff für eine Fortsetzung übrig, die es allerdings, so weit ich weiß, nicht geben wird. Die Seitenanzahl, welche die Geschichte haben durfte, war leider zu begrenzt, als dass man das Ende noch etwas besser hätte abrunden können. Auch viele Fragen, die man sich während des Lesens gestellt hat, bleiben offen.

_Fazit_

Bis auf einige Schwächen handelt es sich bei „Einhornblut“ um eine unterhaltsame Fantasygeschichte, die insbesondere Fans der klassischen Fantasyliteratur ansprechen dürfte.

_Nathalie Gnann_

Nathalie Gnann wurde am 18. Juli 1989 in Rottweil geboren. Schon früh entdeckte sie ihre Leidenschaft für phantastische Literatur, woraufhin sie sich schon bald selbst am Schreiben versuchte. Erste Erfolge erfuhr sie, als die ein oder andere Kurzgeschichte in einer Anthologie erschien. Ihr erster Heftroman, „Einhornblut“, erschien in der Kurzroman-Reihe „Weltenwanderer“, einem Wettbewerb des |Arcanum|-Fantasy-Verlags. Momentan studiert sie Musikwissenschaft und Germanistik in Bonn.

|71 Seiten
ISBN-13: 978-3-939139-34-8|

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Camilleri, Andrea – schwarze Seele des Sommers, Die. Commissario Montalbano blickt in den Abgrund

_Commissario Montalbano:_

01 [„Die Form des Wassers“ 306
02 [„Der Hund aus Terrakotta“ 315
03 [„Der Dieb der süßen Dinge“ 3534
04 [„Die Stimme der Violine“ 321
05 [„Das Spiel des Patriarchen“ 312
06 [„Der Kavalier der späten Stunde“ 670
07 [„Das kalte Lächeln des Meeres“ 594
08 „Die Passion des stillen Rächers“
09 [„Die dunkle Wahrheit des Mondes“ 4302
10 [„Die schwarze Seele des Sommers“ 5474
11 [„Die Flügel der Sphinx“ 5875
12 [„Die Spur des Fuchses“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6461
13 „Il campo del vasaio“ (bislang nicht auf Deutsch erschienen)
14 „L’età del dubbio“ (bislang nicht auf Deutsch erschienen)
15 „La danza del gabbiano“ (bislang nicht auf Deutsch erschienen)
16 „La caccia al tesoro“ (bislang nicht auf Deutsch erschienen)

„Die Nacht des einsamen Träumers – Kurzkrimis“

_Inhalt_

Livia, Commissario Montalbanos Langzeitfreundin, hat Urlaub, und den würde sie gern bei ihrem Liebsten verbringen. Allerdings kennt sie ihren Salvo nach all den Jahren gut genug, um zu wissen, dass bei ihm immer ein Mord dazwischen kommen kann und dass sie dann allein in seinem hübschen Haus am Strand sitzen würde. Um dem dann unausweichlich folgenden Streit aus dem Weg zu gehen, beschließt Livia, das Angenehme mit dem Angenehmen zu verbinden und die Familie ihrer Freundin Laura einfach mitzubringen. Sie kann nicht ahnen, dass in der hübschen Villa am Meer, in der Laura sich mit Gatten und Sohn niederlässt, etwas wartet, dass ihr nicht nur den Urlaub vermiest: In einem verborgenen Zimmer stolpert der Commissario auf der Suche nach dem verschwundenen Sohn Lauras über eine Leiche.

Die Situation eskaliert, und zornesbebend reist Livia ab. Montalbano verschiebt die Sorge darüber auf später; hier hat er die Überreste eines jungen Mädchens entdeckt, das zu Lebzeiten hinreißend gewesen sein muss. Diese Vermutung bestätigt sich kurze Zeit später, als die Zwillingsschwester der Ermordeten vor ihm steht und ihn um Hilfe bittet. Adriana ist zweiundzwanzig, hinreißend und wild entschlossen, den Mörder ihrer Schwester zu finden. Wie so oft führen Salvo seine Ermittlungen in einen Sumpf aus Korruption und Verschleierungen, in ein Milieu, in dem ein Menschenleben nicht viel Wert ist und zu einem Mann, der Vorlieben hat, für die Montalbano ihn gern vierundzwanzig Stunden täglich verprügeln würde. Aber es heißt vorsichtig sein; dunkle Mächte halten die Hand über den Verdächtigen, der außerdem ein Alibi hat.

Montalbano befindet sich in einem Ausnahmezustand der Erschöpfung: Die glühende Hitze des sizilianischen Sommers setzt ihm zu, er traut seinem Urteilsvermögen nicht, weil er um seine Voreingenommenheit weiß, Livias Schweigen macht ihm zu schaffen, und dann ist da noch Adriana, die mit verwirrender Stetigkeit um ihn herumschwirrt. Es ist ein tiefer Abgrund, der sich diesmal zu Montalbanos Füßen auftut, mit einer Plötzlichkeit, dass es fraglich ist, ob der Commissario noch anhalten kann …

_Kritik_

Wer Camilleri kennt, ist wie gehabt von Anfang an gebannt (wer Camilleri nicht kennt, sollte das schleunigst ändern; er ist eine Bereicherung). Das übliche Hin und Her mit Livia, diese beiden so unterschiedlichen Charaktere, die immer wieder aufeinander prallen und doch nicht voneinander lassen können, ist großartig gemacht. Entsprechend sorgenvoll betrachtet man Livias Schweigen – oh bitte, kein krasser Ärger bei den beiden! Aber über den Ereignissen hat man das schnell wieder vergessen: Speziell die Stimmung, die die drückende Hitze verbreitet, die einem das Gehirn kocht und die einfachsten Bewegungen zur Unmöglichkeit macht, ist hervorragend ausgearbeitet – ein bisschen wie in Felicitas Mayalls „Hundszeiten“, nur noch krasser; sizilianischer eben.

Camilleri lässt seinen Montalbano nicht zum ersten Mal im korruptionsverseuchten Baugewerbe ermitteln, diesmal aber garniert er ihm diesen wenig hübschen Weg noch dazu mit einem so widerwärtigen Gegenspieler, dass alles irgendwie auf die Spitze getrieben erscheint. Dass Adriana dann zusätzlich als Circe durch die Gegend läuft und alle verbliebenen Sinne verwirrt, verleiht der sonnendurchglühten trägen Hysterie der Seiten noch den letzten Dreh.

Die üblichen Zutaten, die einen guten Camilleri ausmachen, muss man wohl kaum noch erwähnen, wenngleich sie alle vertreten sind: Die liebenswert-nervenaufreibende Zusammensetzung des Kommissariats, das schwelgerisch-wundervolle süditalienische Essen und die ausgesprochen eigentümlichen Einfälle, die den Commissario immer wieder ans Ziel bringen und ihn von seinen Männern abheben.

_Fazit_

Was gibt es zusammenfassend über Commissario Montalbanos zehnten Fall noch groß zu sagen? Lest ihn, Leute. Lest, was immer ihr von Andrea Camilleri in die Finger kriegen könnt; er ist einer der ganz Großen unserer Zeit und sollte mit Andacht betrachtet werden. Er ist nicht nur lebensklug, belesen und wortgewandt wie nur wenige neben ihm, er hat auch einen Humor, der seinesgleichen sucht. Der Mann ist auf dem Buchmarkt, der immer wieder so viele Fragwürdigkeiten hervorbringt, Gold wert.

|Taschenbuch: 288 Seiten
Originaltitel: La Vampa d’Agosto
aus dem Italienischen von Moshe Khan
Besprochene Auflage: 2. Auflage, Juli 2010
ISBN-13: 978-3404164547|
[www.luebbe.de]htpp://www.luebbe.de
[www.andreacamilleri.net]http://www.andreacamilleri.net

Schacht, Michael – Hansa (Gesellschaftsspiel)

Michael Schacht gehört definitiv zu den Spielautoren, die man zwar als Insider kennen muss, dessen Titel aber bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit erlangt haben wie die Produkte der Herren Knizia oder Teuber – bis schließlich vor drei Jahren mit „Zooloretto“ der Durchbruch gelang. Drei Jahre zuvor hatte Schacht mit „Hansa“ ebenfalls via |Abacus| veröffentlicht und ein Spiel entworfen, dessen taktische Tiefe mindestens ebenbürtig zum Spiel des Jahres 2007 ist – nur eben gab es schon damals das bekannte Problem mit der Aufmerksamkeit …

_Spielidee:_

Wir schreiben das 14. Jahrhundert: Die Vorherrschaft in den Hansestädten ist hart umkämpft, während der Handel in der Ostsee blüht. Die Spieler reisen auf der Suche nach günstigen Gelegenheiten mit dem Schiff durch die See und kreieren ein Netz von Niederlassungen, um die eigene Handelsroute immer weiter auszubauen und die Präsenz zu verdichten. Waren werden gekauft, Marktstände errichtet, und genau dort später auch wieder das eigene Angebot zum Verkauf freigegeben. Doch die Wege sind begrenzt, da jede Bewegung wertvolle Taler kostet. Ziel ist es daher, das eigene Netz konstruktiv zu nutzen und auf möglichst engem Raum den Handel zu betreiben. Wer hierbei die lukrativsten Waren anschafft und gewinnbringend verkauft und somit später die meisten Siegpunkte einfährt, wird schließlich die Vorherrschaft in den Hansestädten für sich beanspruchen können.

_Spielmaterial:_

78 Warenmarken
60 Marktstände
22 Taler
4 Geldsäcke-Plättchen
1 Handelsschiff

Das Spielmaterial, ebenso wie der Spielplan, ist relativ schlicht gehalten und legt den Fokus ganz klar auf Übersichtlichkeit und eine möglichst simple Darstellung. Teilweise fühlt man sich hierbei an die alten Strategiespiel- und Wirtschaftsklassiker aus den späten 80ern und frühen 90ern erinnert, was das Design betrifft. Dies geht so weit in Ordnung, wenn man einmal von der Tatsache absieht, dass die Atmosphäre, die man bei diesem Thema erwartet, nicht ganz so dicht transferiert wird, wie es die Spieltiefe parallel hierzu einfordert. Weiterhin ist die Farbgebung bei den Warenmarken nicht so günstig, da man die rosafarbenen und orangenen Plättchen schon mal schnell verwechselt. Insofern: Optisch ist „Hansa“ nicht der Schmankerl, den man im späteren Spielverlauf kennen lernt. Aber Gott sei Dank spielt die Optik auch nur eine nebensächliche Rolle in einem wirtschaftlich motivierten Spiel!

_Vorbereitung:_

Das Spielmaterial besteht aus insgesamt 78 Warenmarken in sechs unterschiedlichen Farben. Lediglich bei vier Spielern werden all diese Marken verwendet, ansonsten wird jeweils eine Farbe pro fehlenden Mitspieler aussortiert. Die Marken werden schließlich gemischt und verdeckt auf die zugehörigen Felder der neun Städte auf dem Spielplan gelegt. Dabei bleibt ein großer Stapel übrig. Der in fünf gleichgroßen Haufen auf die dafür vorgesehene Auslage gelegt wird. Jeder Spieler erhält nun 15 Marktstände in seiner Farbe sowie einen Geldsack mit dem Startbestand von 3 Talern. Nachdem der Startspieler gewählt wurde, beginnt dieser mit der ersten Runde.

_Spielablauf:_

Der Ablauf eines Spielzugs gliedert sich in „Hansa“ in genau vier Phasen, die jedoch nicht allesamt zwingend durchgeführt werden müssen.

1. |Einkommen nehmen|

Der Spieler bekommt in jeder Runde 3 Taler, um seine anstehenden Kosten zu decken. Womöglich hat er zudem noch einen Restbestand von bis zu 3 weiteren Talern aus der Vorrunde, die er nun gekoppelt verwenden kann.

2. |Angebot auffüllen|

Im Laufe des Spiels werden die angebotenen Waren in den Städten von den Spielern aufgekauft, ohne dabei automatisch nachgefüllt zu werden. Sollte sich nun ein Spieler dazu entschließen, das Angebot wieder aufzufüllen, muss er hierzu einen Taler berappen und alle Städte mit neuen Waren bestücken.

3. |Aktionen durchführen|

Insgesamt gibt es in „Hansa“ drei elementare Aktionen, die man in den einzelnen Städten auf dem Spielplan durchführen kann – und das in beliebiger Reihenfolge. Man ist jedoch nicht verpflichtet, eine Aktion auszuführen, und kann sich die hierzu benötigten Taler auch für die nächste Runde aufsparen. Wichtig ist zudem, dass in jeder Stadt bei jedem Aufenthalt nur eine Aktion durchgeführt werden kann. Wer also in Copenhagen zweifach aktiv werden möchte, muss im gleichen Zug noch einmal in die Stadt zurückkehren.

Nun überlegt man, ob man für den Preis von einem Taler eine Warenmarke aus einer Stadt kaufen möchte, einen Marktstand in einer Stadt errichtet und dabei eine solche Warenkarte investiert oder aber Waren weiterverkauft, indem man mindestens zwei Waren einer Farbe in einer Stadt anbietet, in der man bereits einen Marktstand besitzt. Diese Aktion kostet keinen Taler, fordert aber den Einzug eines Marktstands zum eigenen Bestand. Ferner kann man den Gegnern schaden, falls man Waren verkauft, die noch in ihrer offenen Auslage auf den Verkauf warten. Für jede Farbe, die hier identisch ist, müssen die Mitspieler nämlich jeweils eine Marke abgeben.

Damit man in einer Runde mehrfach aktiv werden kann, ist es erforderlich, das Schiff weiter zu versetzen und auf den vorgegebenen Routen zu reisen. Auch diese Aktion kostet einen Taler, so dass man sich immer wieder gut überlegen muss, wie man mit seinen Finanzen haushält. Auch beim Kauf der Waren ist Abwägen an der Tagesordnung, da die Waren zum gleichen Kaufpreis einen unterschiedlichen Wert für den Weiterverkauf haben und daher stets die Frage nach der tatsächlichen Nutzen stellen muss. Ab und zu macht es nämlich auch Sinn, einen schnellen Kauf zu tätigen, damit man von einer bestimmten Farbe einen zweiten oder dritten Artikel erhält und nun die Option hat, weiterzuverkaufen. Dies ist schließlich erst ab zwei gleichfarbigen Marken möglich!

4. |Steuern und Zölle|

Wenn man nun seine Aktionen durchgeführt hat, wird festgelegt, ob man noch Gebühren für Zoll oder Steuern abgeben muss. Am Ende jedes Spielzugs darf man nämlich nur drei offene (nicht verkaufte) Waren und ebenso viele Taler besitzen. Jeglicher Überschuss geht zurück in die Spielschachtel. Anschließend beginnt der nächste Spieler und vollführt ebenfalls diese vier Spielphasen.

Sobald der letzte Stapel der noch aufzufüllenden Warenmarken angebrochen wird, spielt man die aktuelle Runde noch zu Ende. Anschließend folgt die Wertung. Für jede offene Ware erhält man jeweils einen Punkt. Verkaufte Waren bringen einen Punkt für die Marke plus jeweils einen Punkt für jedes Fass auf der Marke. Für Marktstände in einer Stadt erhält man noch einmal zwei Punkte; sollte man hier ein Monopol besitzen, sogar doppelter Punkte.

_Persönlicher Eindruck:_

„Hansa“ ist einfach ein klasse Spiel – und das sogar in der oft so ungeliebten Fassung zu zweit! Die verarbeiteten Ideen mögen zwar nicht wirklich originell sein, der strategische Aspekt ist indes so gut ausgearbeitet, dass man selbst bei klugem taktischem Vorgehen bis zum Ende hin mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen rechnen muss, bis der Sieger ermittelt wird. Ein besonderer Kniff im Spielaufbau ist hierbei, dass man seinen Zug nie zu weit im Voraus planen kann. Es besteht zwar die Möglichkeit, vage einzuschätzen, wo genau man Schwerpunkte wird setzen können, doch da man besonders in der Partie mit drei oder vier Spielern sehr schlecht überblicken kann, wo der nächste Zug beginnt (also wo das Schiff steht, von dessen Standort aus die Aktionen nur ausgehen können), muss man hier spontan mehrere Optionen parat haben, um aus einer Reaktion einen gewinnbringenden Zug zu machen – oder einfach auch mal den Mut aufzubringen, auf einen Zug zu verzichten.

Ebenfalls gut ausgewogen ist das Verhältnis von Besitz und Aktionsradius. Dadurch, dass man zum Ende einer jeden Runde Steuern abgeben muss, kommt man nie in die Position, plötzlich übermächtig zu werden und einen Alleingang vorzunehmen. Und da es schließlich auch Punkte über mehrere Varianten zu ergattern gilt, heißt eine gute Verkaufsstrategie nicht zwingend auch die Vorreiterrolle in der Schlussphase. Letzten Endes führen mehrere Möglichkeiten zum Sieg, wobei beispielsweise eine gute Verteilung von Marktständen nicht zu unterschätzen ist – oder einfach mal das Wagnis, ein paar schwächere Waren abzugreifen, da die Masse am Ende auch Punkte bringen kann.

Für Taktiker ist „Hansa“ daher auch ein gefundenes Fressen, das auch die entsprechende Tiefe und Vielfalt aufweist – und das bei einer jederzeit garantierten Übersichtlichkeit. Wäre das Design der Materialien jetzt noch etwas spektakulärer, müsste man Michael Schacht zu einer rundum perfekten Brettspiel-Produktion gratulieren. Die marginalen Abstriche bedeuten aber keinesfalls, dass der Rezensent an dieser Stelle von einer unbedingten Empfehlung Abstand nimmt. Wer nach einem vergleichsweise preiswerten Strategiespiel Ausschau hält und mehr als nur einen Geheimtipp sucht, ist bei „Hansa“ an der richtigen Adresse!

|Für 2 bis 4 Spieler
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Empfohles Spieleralter: ab 10 Jahre|
[www.abacusspiele.biz]http://www.abacusspiele.biz

Hyland, Tara – Haus der Melvilles, Das

_Inhalt_

Die junge Irin Katie O’Dwyer ist glücklich, einen Job als Verkäuferin in dem mondänen Modehaus Melville bekommen zu haben – doch sie kann nicht ahnen, dass diese Arbeit ihr Leben für immer verändern wird: Sie lernt den Besitzer William Melville kennen und lieben. Und obwohl sie genau weiß, dass eine Affäre mit einem verheirateten Mann und Familienvater für sie nur schlecht ausgehen kann, kann sie dem Charisma Williams nicht widerstehen.

Das erwartete Ende folgt auf dem Fuße. Schwanger und einsam kehrt Katie nach Irland zurück, um ihr Kind allein aufzuziehen. Anderthalb Jahrzehnte später ist sie tot und hinterlässt eine fünfzehnjährige Tochter, die noch völlig traumatisiert von ihrem unbekannten Vater nach London geholt wird: In ein fremdes, großes Haus, zu einer fremden Frau, zu zwei fremden Schwestern. Caitlin ist einsam, die drei Mädchen grundverschieden. Sie durchlaufen dieselbe Schulausbildung, doch dann werden die Weichen neu gestellt. Ihre Lebenswege ähneln sich kaum, wenn auch alle auf dem Weg zu ihrem jeweiligen Traum durch verschiedene Höhen und Tiefen müssen. Niemand hätte gedacht, dass sich die Wege aller Familienmitglieder später so schicksalhaft wieder kreuzen würden – und doch besteht eine unnennbare Verbundenheit zwischen den Melvilles, eine Bereitschaft zum Kampf Schulter an Schulter, mit der die Initiatoren einer niederen Intrige nicht gerechnet haben …

_Kritik_

Tara Hyland ist eine beachtliche Erzählerin. Sie schafft es, eindrückliche Bilder heraufzubeschwören, ohne bis ins letzte Detail zu beschreiben, so dass der Phantasie des Lesers genug Raum zur freien Entfaltung bleibt. Die Unterschiede in den Charakteren der drei Mädchen sind reizvoll, vor allem, weil sie alle drei letztendlich eines verbindet: Die Suche nach Anerkennung und Liebe. Dass die fast krankhaft ehrgeizige Elizabeth, die zutiefst verkorkste, kreative Caitlin und die leichtfertige Grenzgängerin Amber sich gänzlich verschiedene Wege zum Glück suchen, ist folgerichtig und meist auch nachvollziehbar dargestellt. Und wenn man doch mal über eine Entscheidung der Charaktere stolpern sollte, dann macht das nichts, denn die Geschichte spült die Zweifel schnell wieder fort: Es geschieht nur, was geschehen muss.

Dass das Böse sich mit freundlichem Gesicht nähert, ähnlich natürlich präsent ist wie die Schlange im Garten Eden, erklärt das Vertrauen, mit dem alle annehmen, dass es keine Bedrohung am Horizont gibt außer den ganz persönlichen Sorgen und Ängsten, von denen ja auch jeder sein Bündel zu tragen hat. Dass die Geschichte der Melvilles sich vor dem Hintergrund des riesigen, mondänen, gefährdeten Modeunternehmens abspielt, macht die Familiengeschichte noch reizvoller. Hier gibt es Nischen für jeden und unzählige Ausgangspunkte für neue Seitenarme der Saga.

Schließlich und endlich bleibt zu sagen, dass Tara Hyland sich eines angemessenen Stils bedient: Sie erzählt sicher und sauber, ohne in wilde Wortakrobatik oder in Slang zu verfallen; ihr Schreibstil ist das perfekte Gerüst für einen spannenden, romantischen, schrecklichen, schönen Sommerschmöker.

_Fazit_

Es gibt keinen Grund, aus dem man „Das Haus der Melvilles“ nicht lesen sollte. Hier vereinen sich Spannung, Skandale, Tragödien, Romanzen, Enttäuschungen, wilde Entschlossenheit, Hoffnung, Tränen, Familienbande und -zwistigkeiten sowie wirklich hinreißende Beschreibungen von Kleidern (Hallo, Mädels!) zu einer perfekten Erzählung für den Strand. Oder wahlweise die kuschelige Wolldecke auf dem Sofa, wenn der Sommer sich von seiner regnerischen Seite zeigt.

Ich wage zu prophezeien, dass wir von Tara Hyland noch länger hören werden. Sie hat das Talent, in epischer Breite zu erzählen, ohne langatmig zu werden oder in endlose Introspektionen zu verfallen. Man darf gespannt sein, ob ihre nächsten Ideen wieder so viele ausgefeilte Charaktere beinhalten werden, denn das Imperium, das sie mit der Melville-Firma und der Familie erschaffen hat, ist schon von beträchtlicher Größe. Hut ab!

|Gebundene Ausgabe: 608 Seiten
Originaltitel: Daughters of Fortune (01)
Aus dem Englischen von Christoph Göhler
ISBN-13: 978-3809025825|
[www.randomhouse.de/limes]http://www.randomhouse.de/limes
[www.tarahyland.com]http://www.tarahyland.com

Mull, Brandon – Gesellschaft des Abendsterns, Die (Fabelheim 2)

_Die „Fabelheim“-Bücher:_

Band 1: [„Fabelheim“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5819
Band 2: „Die Gesellschaft des Abendsterns“
Band 3: „Grip of the Shadow Plague“ (bislang nicht auf Deutsch angekündigt)
Band 4: „Secrets of the Dragon Sanctuary“ (bislang nicht auf Deutsch angekündigt)
Band 5: „Keys to the Demon Prison“ (bislang nicht auf Deutsch angekündigt)

_Für die Geschwister_ Kendra und Seth Sorensen brechen die letzten Schultage vor den großen Ferien an, als in Kendras Klasse ein neuer Schüler auftaucht. Kendra kann ihren Ekel von Chase Hancock kaum verbergen, denn dieser hat einen kahlen Schädel und das mit Eiterpusteln übersäte Gesicht erinnert an eine aufgeplatzte Kartoffel. Merkwürdig, dass sich alle ihre Mitschüler um Case geradezu zu reißen scheinen. Ihre Freundin Alyssa verliebt sich augenblicklich und Kendra kann dies nur für einen schlechten Scherz halten.

Auch ihr Bruder Seth bemerkt das sonderliche Aussehen von Case nicht, was Kendra die Augen öffnet: Sie ist als Einzige in der Lage, Case‘ wahre Natur zu sehen, folglich muss Case ein Wesen Fabelheims sein. Nach den Erlebnissen im letzten Sommer ist Kendra nämlich in der Lage, Fabelwesen als solche zu erkennen, da sie von den Feen geküsst wurde.

Daraufhin versucht Kendra dringend, ihren Großvater zu erreichen, aber das Telefon scheint defekt und auch die Post, die Kendra an ihren Großvater Stan Sorensen schreibt, scheint nicht den Empfänger zu erreichen.

In ihrer Not nimmt sie die Hilfe von Errol Fisk an, einem Klabauterjäger, der vorgibt, ein alter Freund von Stan zu sein. Laut Errol soll die einzige Möglichkeit, den Klabauter Case loszuwerden, eine Froschstatue sein. Diese besagte Statue soll laut Errol die Kraft haben, Case zur Flucht zu bewegen. Der Einzige, der in der Lage ist, diese Froschstatue zu bekommen, ist Seth. Aufgrund seines Alters kann er den Zauberbann, der diese schützt, überwinden.

In der folgenden Nacht machen sich Errol, Kendra und Seth auf, diese Statue zu stehlen, was Seth auch gelingt, allerdings wird er dabei von der Statue gebissen. Errol sagt Kendra, sie solle Case die Statue als Geschenk überreichen, dann würde er augenblicklich verschwinden. Kendra tut, wie ihr geheißen, und als Case die Statue in den Händen hält, läuft er tatsächlich augenblicklich mit dieser davon.

Später meldet sich dann endlich Großvater Stan bei Kendra und Seth und es stellt sich heraus, dass Errol keinesfalls ein Freund Stans ist, sondern ein Verbündeter der Gesellschaft des Abendsterns, eine der größten Gefahren für die Welt Fabelheims. Kendra und Seth erzählen Stan sofort von der Statue und davon, dass diese Seth gebissen hat. Dies hat furchtbare Konsequenzen für Seth, und er wird nur noch in Fabelheim sicher sein. Die Froschstatue ist nichts Geringeres als ein Dämon namens Ollock der Vielfraß. Daher machen sich Kendra und Seth sofort reisefertig, und Stan schickt eine seiner Verbündeten, Vanessa, um die Kinder abzuholen.

In Fabelheim angekommen, erfahren Kendra und Seth, dass die Gesellschaft des Abendsterns versucht, an das geheimnisvolle Artefakt Fabelheims zu kommen, um die Tore für die Dämonen zu öffnen. Diese sind nur durch die verschiedenen Artefakte, die in den verschiedenen Reservaten für magische Wesen wie Fabelheim versteckt liegen, zu öffnen. Um Fabelheim und das geheime Artefakt zu schützen, hat Stan noch Vanessa, die Züchterin magischer Tiere, Tanu, der Zaubertränke brauen kann, und Coulter, einen Spezialisten für magische Artefakte, zum Schutze Fabelheims hinzugezogen. Außerdem sollen Kendra und Seth von den Dreien lernen.

Während der Suche nach dem Artefakt taucht noch ein weiteres Problem auf: Fremde sind in Fabelheim eingedrungen, unter anderem der Dämon Ollock. Dies kann nur eines bedeuten: Verrat! Das Reservat kann nämlich nur betreten werden, wenn man in das Besucherbuch eingetragen ist!

_Kritik_

Mit „Fabelheim – Die Gesellschaft des Abendsterns“ hat Brandon Mull den spannenden und fantastischen zweiten Teil seiner All-Age-Saga rund um Fabelheim geschrieben. Langsam nimmt das Buch zunächst an Fahrt auf, um, kaum in Fabelheim angekommen, rasant an Geschwindigkeit zuzulegen. Mit seinen schrägen Ideen und einem herrlich leicht zu lesenden Schreibstil erschafft der Autor eine fantastische Welt, die sich mit der Realität vermischt.

Der Spannungsbogen beginnt schön gemächlich, um sich dann bis zum Finale rasant aufzubauen und den Leser so auf eine spannende, fantasievolle und überzeugende Reise mitzunehmen. Der Plot schließt sich dem ersten Teil an, und man lernt die Bewohner, magisch wie menschlich, besser kennen, und auch neue Gesichter tauchen auf.

Die einzelnen Protagonisten sind einleuchtend konzipiert, sympathisch und anziehend ausgearbeitet. Die Helden dieser Geschichte sind die Geschwister Kendra und Seth; beide haben sich glaubwürdig weiterentwickelt und sind auch reifer geworden. Kendra, die aufgrund der Ereignisse im ersten Teil feenartig geworden ist, probiert ihre neuen Fähigkeiten aus und erlernt Neues, zudem ist sie der vernünftige Part der beiden Geschwister. Detailreich und lebendig beschrieben, macht sie einen liebenswerten Eindruck, und man fiebert mit der kleinen Heldin mit. Ihr Bruder Seth ist in diesem Teil ein wenig vernünftiger geworden und hat nicht mehr allzu viele Flausen im Kopf; so wird auch er sympathischer und sein Mut ringt dem Leser Bewunderung ab.

Die Großeltern der beiden, Stan und Ruth, sind ebenfalls herzlich in ihrem Wesen, beiden fehlt es aber dennoch etwas an Tiefe, was der Geschichte aber keinen Abbruch tut. Die neuen Charaktere Vanessa, Tanu und Coulter sind recht geheimnisvoll gezeichnet. Noch mehr Raum könnte den mystischen Fabelwesen zustehen. Die Geschichte spielt zwar in Fabelheim, trotzdem sind diese Wesen teilweise nur schwache Randfiguren, die kaum erklärt werden.

„Die Gesellschaft des Abendsterns“ ist eine äußerst gelungene Fortsetzung der „Fabelheim“-Serie, die es versteht, den Leser zu fesseln und infolge der Ereignisse bis zur letzten Seite kaum loslässt. Auch wenn manche Protagonisten noch leichte Schwächen haben, werden Fabelheim und seine menschlichen Bewohner greifbar und quicklebendig präsentiert. Der Autor versteht es, die einzelnen Geschehnisse scharfsinnig und deutlich miteinander zu verweben, so dass ein absolut lesenswertes Gesamtbild erscheint.

_Fazit_

Brandon Mull hat mit „Fabelheim – Die Gesellschaft des Abendsterns“ eine würdige Fortsetzung zu „Fabelheim“ geschaffen, die Erwachsene sowie jugendliche Leser in den Bann ziehen wird. Allen Fantasy-begeisterten Lesern kann ich diesen durch neue Ideen gewürzten Roman nahelegen. Man sollte allerdings auch den ersten Teil gelesen haben.

Ansonsten bleibt nur zu sagen: Brandon Mull versteht sein Handwerk, und ich hoffe, dass bald der nächste Teil erscheinen wird.

_Autor_

Der internationale Bestsellerautor Brandon Mull hat schon von Kindheit an davon geträumt, eines Tages ein erfolgreicher Schriftsteller zu sein – ein Traum, der sich bereits mit der Veröffentlichung seines Debütromans erfüllt hat. Sechs Monate nach Erscheinen der amerikanischen Ausgabe von „Fabelheim“ konnte er seinen Angestellten-Job an den Nagel hängen und widmet sich seither ausschließlich dem Schreiben. Mull lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in einem friedlichen kleinen Tal, unweit der Mündung eines Canyons. (Verlagsinfo)

|Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel: Rise of the Evening Star
Aus dem Englischen von Hans Link
ISBN-13: 978-3764530358|
[www.randomhouse.de/penhaligon]http://www.randomhouse.de/penhaligon

_Nadine Warnke_

Charles L. Harness – Die in der Tiefe

Harness Tiefe Cover klein3000 Jahre nach dem III. Weltkrieg sieht sich die neu entstandene Zivilisation durch mutierte Nachkommen der alten Herrscherkaste aus dem Untergrund bedroht … – Die inhaltlich bekannte Geschichte vom bedrohlichen Erbe einer gewaltreichen Vergangenheit wird als spannendes Abenteuer erzählt und angenehm kurz gehalten: kurzweilige „Post-Doomsday“-SF schon älteren Datums, die auf politisch korrektes Moralisieren gänzlich verzichtet.
Charles L. Harness – Die in der Tiefe weiterlesen

Hawkins, Rachel – Wilder Zauber (Hex Hall 1)

_|Hex Hall|:_
Band 1: „Hex Hall – Wilder Zauber“
Band 2: „Hex Hall – Dunkle Magie“ (erscheint im März 2011)
Band 3: „Triple Hexxx“ (vorläufiger Titel, erscheint 2012)

_Die 16-jährige Sophie Mercer_ ist eine Hexe. Sie lebt zusammen mit ihrer Mutter, einer Normalsterblichen, während ihr Vater Vorsitzender des Rates der Prodigien ist. Ihren Vater hat Spohie allerdings nie kennengelernt, da ihre Mutter sich schon vor ihrer Geburt von ihrem Vater getrennt hat.

Als Sophie für eine ihrer Mitschülerinnen einen Liebeszauber wirkt, der gründlich in die Hose geht, beschließt ihr Vater, sie in Hecate Hall, kurz Hex Hall, einer Besserungsanstalt für junge Prodigien (Hexen, Zauberer, Feen, Gestaltenwandler), unterzubringen, schließlich ist es nicht das erste Mal, dass Sophie mit einem ihrer Zauber auffällig wird. Sie und ihre Mutter mussten bereits 19-mal aufgrund fehlgeschlagener Zauber von Sophie notgedrungen umziehen.

Sophies Mutter bringt sie auf die Insel Greymalkin Island, wo das Internat Hecate Hill bereits 1854 erbaut wurde. Als Sophie dann in Hex Hall ankommt, gerät sie sofort in Schwierigkeiten, denn ein Gestaltenwandler greift sie an. Der gutaussehende Zauber Archer Cross rettet sie, nicht ohne sie danach zu verspotten, was für eine schlechte Hexe sie wäre.

Ihr Zimmer soll sich Sophie mit Jenna Talbot, der einzigen Vampirin in Hex Hall, teilen. Diese zeigt Sophie dann auch direkt ihr gemeinsames Zimmer, das zu Sophies Überraschung komplett in Pink gehalten ist. Sophie richtet sich ein wenig ein und geht dann auf Entdeckungsreise. Kurz darauf versuchen die drei dunklen Hexen Anna Gilroy, Chaston Burnett und Elodie Parrisdie, sie für ihren Hexenzirkel zu gewinnen. Diese sind Sophie allerdings nicht sehr sympathisch, so dass sie erst einmal ablehnt.

Sophie freundet sich stattdessen mit Jenna an. Dieser wird nachgesagt, ihre Freundin Molly im letzten Jahr getötet zu haben, was Jenna allerdings abstreitet. Als wieder Morde an Hex Hall geschehen, wird Jenna natürlich wieder verdächtigt. Auch diesmal besteht Jenna auf ihre Unschuld, und Sophie glaubt ihr das. Aber wer tötet auf Hex Hall?

_Kritik_

Mit „Hex Hall – Wilder Zauber“ hat Rachel Hawkins den gelungenen Auftakt zu einer neuen, mystischen Internatsserie geschrieben. Der jugendliche Schreibstil der Autorin erschafft eine mystische Welt voller Fabelwesen, in die man schnell eintauchen kann. Ab der ersten Seite wird ein Spannungsbogen erzeugt, der den Leser an die Welt von Hex Hall fesselt und nicht mehr loslässt. Trotzdem der Plot nichts wirklich Neues ist, versteht es die Autorin, eine eigene Welt zu kreieren, die mit neuen Ideen hervorsticht. Romantik und eine Prise Witz vervollständigen das Bild dieses spannenden Romans.

Die Geschichte ist leicht zu lesen und passt mit der jugendlichen, unverfälschten Sprache hervorragend zu der jungen Protagonistin Sophie. Erzählt wird das Ganze aus der Sicht von Sophie, was natürlich eine enge Bindung zu diesem Charakter schafft, und so kann der Leser den Gefühlen und Handlungen dieser Person gut folgen.

Die Figuren sind einnehmend, glaubwürdig und lebendig aufgebaut und bekommen den für die Geschichte nötigen Raum zugestanden. Manchmal fehlt es zwar bei manchen Figuren noch an Tiefe, aber da es der erste Roman dieser Reihe ist, bleibt in den weiteren Teilen hoffentlich noch Zeit, auch diese zu erreichen. Sophie, die junge Protagonistin, ist der wohl gefestigste Charakter. Liebenswert und chaotisch, wird sie sehr lebensnah beschrieben und die Leser bekommen direkten Zugang zu ihr. Ihre Freundin Jenna wird uns mit ihren Ängsten, die sie hinter viel Pink versteckt, ebenso nahegebracht. Als einzige Vampirin hat sie es nicht leicht. Sophies Retter und heimliche Liebe Archer ist ebenfalls einnehmend konzipiert, allerdings bleiben bei ihm schon ein paar Fragen offen. Die übrigen Nebencharaktere lernt man nur wenig kennen, allerdings war dies für die Geschichte annehmbar.

Rachel Hawkins hat eine zauberhafte Welt geschaffen, in der einige Fabelwesen ihr Zuhause finden. Hex Hall und seine Bewohner werden anschaulich und für den Leser begreifbar beschrieben und zeigen einiges an neuen Ideen auf. Auf jugendliche Leserinnen ab 14 Jahren ausgerichtet, bietet dieser Jugendroman alles, nötig ist, um zu fesseln und Lust auf mehr zu machen. Aber auch bereits erwachsene Leser können an diesem Roman viel Freude und kurzweiligen Lesespaß haben.

_Fazit_

Rachel Hawkins hat mit „Hex Hall – Wilder Zauber“ ein fantastisches Debüt vorgelegt, das den Leser zu fesseln weiß. Dieser Roman bietet neben dem spannenden Hauptplot Witz und Romantik in der richtigen Mischung.

Auf den im März 2011 erscheinenden zweiten Teil „Hex Hall – Dunkle Magie“ kann man sich nach diesem spannenden ersten Teil nur freuen.

_Die Autorin_

Rachel Hawkins wurde in Virginia geboren und ist in Alabama aufgewachsen. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst als Englischlehrerin und begann 2007 zu schreiben. „Hex Hall – Wilder Zauber“ ist ihr Debüt als Fantasy-Autorin. (Verlagsinfo)

|Taschenbuch: 295 Seiten
Originaltitel: Hex Hall
Aus dem Englischen von Michaela Link
ISBN-13: 978-3802582394|
[www.egmont-lyx.de]http://www.egmont-lyx.de
[www.rachel-hawkins.com ]http://www.rachel-hawkins.com

_Nadine Warnke_