Archiv der Kategorie: Kinder- und Jugendliteratur

Rees, Celia – Sommer im Haus der Wünsche

Amerika in den Siebzigern: Wie jedes Jahr verbringt der fünfzehnjährige Richard den Sommerurlaub mit seinen Eltern an einem kleinen Küstenort. Hier lebt auch sein Freund Dylan, dessen Vater der Campingplatz gehört. Früher durchstreiften sie gemeinsam die Wälder, doch jetzt muss der sechzehnjährige Dylan seinem Vater bei der Arbeit helfen. Richard macht seine Spaziergänge alleine. Dabei stellt er überrascht fest, dass einer ihrer Stammplätze, das verlassene „Wunschaus“, inzwischen wieder bewohnt ist. Hier lebt die exzentrische Künstlerfamilie Dalton, über die im Dorf die wildeste Gerüchte kursieren. Mutter Lucia ist eine rassige, attraktive Frau, die sich unbekümmert beim nackten Sonnenbaden zeigt und den verlegenen Richard sofort ins Haus einläd. Mir rauchiger Stimme verleiht sie dem Jungen den Spitznamen „Ricardo“. Vater Jay ist ein Maler, der sich nicht um die sexuelle Freizügigkeit seiner Frau kümmert. Der hagere Mann lebt nur für seine Kunst und ist stets auf der Suche nach neuen Objekten. Der jugendliche Sohn Joe teilt sich wie selbstverständlich einen Joint mit seiner Mutter und die bildschöne Clio, ein Mädchen in Richards Alter, begegnet ihm mit Abweisung. Richard ist verwirrt über das hippihafte Leben der Familie, die sich so ganz anders benimmt, als er es aus seinem Elternhaus kennt.

Bald drauf trifft er Clio in seinem Geheimversteck im Wald. Entgegen ihrer ersten Begegnung benimmt sie sich viel freundlicher, nähert sich ihm an, macht Avancen. Sie verabreden sich für den nächsten Abend und verbringen gemeinsam die Nacht. Der unerfahrene Richard ist fasziniert von der verführerischen Clio, gleichzeitig aber auch immer wieder verunsichert durch ihr Verhalten. Fast jeden Tag des Sommers verbringt er bei den Daltons, streift mit Clio durch die Wälder, nimmt an den ausgelassenen Partys teil und sitzt Jay Modell. Es ist der Beginn des aufregendsten Sommers seines Lebens, der die Schwelle zwischen Jugend und Erwachsensein bildet. Die Liebe zu Clio und die Bekanntschaft mit der Familie Dalton konfrontiert Richard mit neuen Erfahrungen, mit Sex, tiefen Gefühlen, Drogen und dem Tod.

Sechs Jahre später erhält Richard eine Einladung von Clio zu einer Vernissage. Das Wiedersehen und der Besuch der Ausstellung werden für ihn zu einer Reise in die Vergangenheit. Beim Betrachten der Bilder steigen schmerzhafte Erinnerungen in ihm auf, die sich nicht mehr verdrängen lassen …

Das Ende der Kindheit ist ein beliebtes Thema, das die Autorin hier aufgreift. Der letzte unbeschwerte Sommer, die erste Konfrontation mit dem Ernst des Lebens, der erste große Schmerz – all das sind die Facetten, die dieser Roman thematisiert und miteinander verwebt.

|Stärken und Schwächen der Charaktere|

Fast jeder Leser wird sich in den Erfahrungen des jungen Protagonisten wiederfinden. Richard ist ein typischer Fünfzehnjähriger, der zum ersten Mal im Leben nicht wirklich weiß, wo er sich einordnen soll, der in der Schwebe hängt zwischen Kindheit und Erwachsenendasein. Der Sommerurlaub mit seinen Eltern hat an Reiz verloren. Richard fühlt sich zu alt, um mit seinen Eltern Fernsehabende zu verbringen, und ist froh um jede Minute, die er außerhalb ihrer Reichtweite zubringen kann. Er entflieht der häuslichen Überwachung, die ihm in diesem Sommer bewusster ist als je zuvor.

Gleichzeitig aber macht er die schmerzhafte Erfahrung, dass er für seinen Freund Dylan zu jung ist. Dylan ist zwar nur ein gutes Jahr älter, doch der Sechzehnjährige ist in den vergangenen Monaten zu einem jungen Mann herangereift, der seinem Vater regelmäßig bei der Arbeit auf dem Campingplatz zur Hand geht und keine Zeit und keinen Sinn mehr für die Spiele mit Richard hat. Den Abend lässt er mit Freunden im Pub ausklingen, wo Richard wiederum noch nicht zugelassen ist. Obwohl sich die beiden immer noch gut verstehen, ist ein Bruch in ihre Freundschaft getreten. Die Interessen liegen zu weit auseinander, die Lebensumstände haben sich zu weit voneinander entfernt, als dass mehr als unverbindliches Plaudern möglich ist.

Das wilde Leben der Daltons bietet für Richard daher einen starken Reiz, eine neue Erfahrung, der er sich nicht entziehen kann. Jedes Familienmitglied übt auf seine Weise eine Faszination auf Richard aus, der sich mit einer völlig neuen Lebensweise konfrontiert sieht. Fast lächerlich scheint der Vergleich zwischen dem Künstler Jay, seiner frivolen Ex-Muse Lucia und auf der anderen Seite Richards spießigen Eltern. Vor allem die rassige Schönheit Lucia wird überzeugend und anschaulich geschildert. Ihre unverschämt roten Haare, so rot, dass sie „nie und nimmer echt“ sein können, ihre unbefangene Nacktheit und ihre herzlich-frivole Art, mit Richard umzugehen, lassen das unbeschwerte Leben der Hippies lebendig werden. Der wortkarge Jay ist nicht weniger interessant und noch erheblich mysteriöser für Richard. Bereitwillig sitzt er ihm stundenlang Modell, ist aber auch jedesmal froh, wenn die Sitzung beendet ist und er sich von Jay verabschieden kann. Für den Teenager ist unverständlich, dass Jay keine Eifersucht über die Affären seiner Frau zeigt, seine zeitweiligen Wutausbrüche verstören ihn.

Schwächer ist dagegen die Darstellung der zweiten Hauptperson, Clio. Bei der ersten Begegnung verhält sie sich abweisend und mürrisch, sagt Richard beim Abschied sogar direkt ins Gesicht, dass er sich in Zukunft von ihrer Familie fernhalten soll. Ganz anders dagegen ihr Auftritt bei ihrer Begegnung im Wald. Sie umgarnt Richard, unterhält sich begeistert mit ihm über Abenteuerromane und besteht darauf, die nächste Nacht gemeinsam in ihrem versteckten Lager zu verbringen. Für ihre radikale Haltungsänderung führt sie keinen plausiblen Grund an und Richard gibt sich mit den nichts sagenden Antworten zufrieden. Unbefriedigend ist auch seine Reaktion, als Dylan ihm gegenüber behauptet, er habe gleichfalls eine Affäre mit Clio. Zwar ist Richard im ersten Moment geschockt, doch es gelingt ihm, seine verletzten Gefühle vor Dylan zu verbergen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen, besser, als es angesichts seiner Lage realistisch wäre.

|Licht und Schatten im Aufbau|

Positiv ist die Spannung, die den Roman von Beginn bis Ende durchzieht. Sie entsteht hauptsächlich durch die Vorankündigungen aus der Gegenwart. Der Leser erfährt, dass Clios Vater Jay, dessen Werke auf der Vernissage ausgestellt werden, verstorben ist, dass es sich um einen „bizzaren Tod“ handelte, der unmittelbar nach der Bekanntschaft mit Richard eingetreten sein muss und der wilde Schlagzeilen in den Zeitungen hervorrief. Erst ganz allmählich rollt sich die Vergangenheit auf, so dass am Ende die Fäden zusammengeführt werden und man kurz vor Schluss erfährt, was es mit Jays Tod auf sich hat und welche Rolle Richard dabei spielt.

Bis dahin verfolgt man interessiert vor allem Richards Begegnungen mit Jay; automatisch stellt man Mutmaßungen an, wie der merkwürdige Künstler enden mag. Sind Drogen im Spiel, ist es Selbstmord, ein Unfall oder gar Mord? Alles scheint möglich bei diesem undurchschaubaren Menschen, den man im gesamten Roman nie wirklich einzuschätzen vermag; die Andeutungen, die man zu Beginn erfährt, sind nur vage. Ebenso undurchsichtig ist zunächst das Verhältnis von Richard zu Clio, da man nicht erahnen kann, welchen Verlauf ihre Beziehung bis zum Ende des Sommers genommen haben wird.

Auch Richards Gefühle sind sichtlich gespalten; die Aussicht auf ein Wiedersehen mit seiner einstigen Geliebten erfreut und verwirrt ihn zugleich. Er fragt sich, warum sie darauf verfallen ist, ihn einzuladen nach all der Zeit; in die Aufregung mischt sich auch Angst vor der Konfrontation mit der Vergangenheit, vor möglichen Begegnungen mit Lucia oder Clios Bruder Joe, mit den Menschen aus jenem Sommer, der sein Leben so sehr verändert hat. Im Geist hört er Jays Stimme, die ihn davor warnt, die Einladung anzunehmen, doch der Drang, Clio wiederzusehen, und seine Neugierde sind stärker.

So spannend die Umstände um Jays Tod gestaltet sind, so schwach ist dagegen die Einbettung eines weiteren Konfliktes, der erst kurz vor Schluss Erwähnung findet und dessen Wirkung verpufft. Durch Zufall macht Richard eine schockierende Entdeckung, die für ihn nur eine entsetzliche Interpretation zulässt. Seine spontane Reaktion sorgt dafür, dass er sich mitschuldig an Jays Tod führt. Auch der Grund, weshalb Jay vom ersten Moment an so fasziniert von Richard ist und ihn unbedingt als Modell nutzen will, klärt sich erst sehr spät und kommt recht überraschend, so dass diese Wendungen ihre volle Wirkung so knapp vor Schluss nicht mehr voll entfalten können.

Mankos liegen auch in der Geschwindigkeit, in der sich die Handlung entwickelt. Zunächst ist Richard befremdet über die vielen Besucher der Familie Dalton, mit denen er Clio teilen muss; befreundete Studenten, Jays Ex-Frau mit ihren Kindern, weitere Künstler und Hippiegenossen bevölkern abends die Umgebung des „Wunschhauses“ und verwirren den scheuen Jungen. In wenigen Sätzen wird jedoch abgehandelt, dass sich Richard immer mehr an diese Gesellschaft gewöhnt und bereitwillig seine Kleidung zum Nacktbaden ablegt. Zu hastig, zu gedrängt und zu komprimiert liest sich diese rasche Entwicklung, bei der man sich wünscht, die Autorn hätte etwas länger an diesen Stellen verweilt, um Richards gewandelte Einstellung plastischer darzustellen.

Der Roman wartet zudem mit der originellen Idee auf, die Gemälde der Ausstellung in die Handlung miteinzubauen. Jedem Kapitel ist ein Auszug aus Beschreibung und Interpretation des jeweiligen Werkes vorangestellt, mit den offiziellen Angaben zum Bild und passend zum entsprechenden Handlungsabschnitt. Leider funktioniert es nur bedingt, die Bilder zum Leser zu transportieren, der seine ganze Phantasie bemühen muss, um eine ungefähre Vorstellung zu erhalten, wie sie wohl aussehen mögen – und selbst das ist im Endeffekt unbefriedigend. Zu abstrakt und oberflächlich sind halbseitige Beschreibungen, etwa wenn Märchenwälder oder pflanzenreiche Gärten das Thema bilden. Ideal wäre gewesen, wenn echte Bilder beigesteuert wären, was vermutlich aber einen zu großen Aufwand bedeutet hätte.

_Unterm Strich_ bleibt ein durchaus lesenswerter, aber in keiner Hinsicht überdurchschnittlicher Roman über Jugend, erste Liebe, erste Leidenschaft und das Ende der unschuldigen Kindheit. Nicht nur Erwachsenen, sondern vor allem jungen Lesern ab etwa fünfzehn Jahren bietet das Buch Raum zur Identifikation mit dem Protagonisten, mit seinen Problemen mit seinen Wünschen. Die Charaktere sind interessant, handeln aber teilweise zu unrealistisch. Der Spannungsaufbau ist gelungen, einige Stellen werden jedoch deutlich zu hastig erzählt. Die Sprache ist unkompliziert und weitestgehend schnörkellos, so dass sich der Roman, auch dank des geringen Umfangs, schnell lesen lässt.

_Die Autorin_ Celia Rees wurde 1949 in England geboren. Sie unterrichtete zunächst jahrelang an einer Schule, bis sie selber zum Schreiben kam. Ihr Fokus liegt auf Jugendromanen, oft angereichert mit mystischen Elementen. Zu ihren weiteren Werken gehören u.a. „Hexenschwestern“, „Piraten!“, „Hexenkind“ und „Das goldene Labyrinth“.

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Pfeiffer, Boris – Die drei ???-Kids: In letzter Sekunde (Bd. 25)

Neben der originalen ???-Kult-Serie aus der Feder Robert Arthurs, die Kinder und Jugendliche seit ihren Anfängen in den Sechzigerjahren immer noch begeistert, hat sich seit August 1999 ein Seitenarm entwickelt, der sich eher an eine jüngere Leserschaft richtet. Deutschland ist seit Jahrzehnten die treueste Drei-Fragezeichen-Hochburg, daher erstaunt es nicht, dass es dieses (übrigens auch rein deutsche) Konzept auf mittlerweile beachtliche 30 Titel bringt. Fast alle davon wurden von Ulf Blanck verfasst – fast.

Diese als „Jumboband“ beworbene Jubiläumsausgabe zur Feier des 25. Falles wird hingegen von Boris Pfeiffer erzählt. „In letzter Sekunde“ bietet mit 180 Seiten (netto – ohne Cover, Vorsatz und Verlagswerbung) gut die doppelte Seitenzahl der anderen Bände, kostet jedoch nur ein wenig mehr als die Normalo-Fälle – 7,50 €, um genau zu sein. Bei der generellen Aufmachung orientiert man sich an dem Design, welches Aiga Rasch damals erschuf und das auch heute noch den Gutteil des Wiedererkennungswertes ausmacht. Das Hardcover erschien erstmals im Dezember 2005 im |Franckh-Kosmos|-Verlag. Wo auch sonst?

_Zur Story_

Wieder einmal dürfen die Drei Fragezeichen Bobs Vater zu einem Interviewtermin begleiten. Der Sammler Mr. Pim gastiert mit seiner Ausstellung am Bahnhof von Rocky Beach. Am Bahnhof deswegen, da seine Kuriositätensammlung in einer Art Museumszug quer durch die USA tingelt. Sein neues Prunkstück ist eine überdimensionale, voll funktionstüchtige Kuckucksuhr, welche er kürzlich auf einer Auktion ergattern konnte. Gebaut hat sie ein berühmter Uhrmacher, der seit einer gewissen Zeit jedoch abgetaucht ist und gelobte, auch keine Uhren mehr bauen zu wollen, bis ihn jemand findet.

Mr. Pim hat die größte von Felix Blacktrees kunstvoll-raffinierten Kuckucksuhren erstanden, es ist jedoch nicht die einzige – und wie es scheint, sind die Uhren auch wirklich eine codierte Spur zu seinem Aufenthaltsort. Sofern man ihre Zeichen zu deuten versteht. Oder sind das doch alles nur Gerüchte? Klar, dass insbesondere Justus darauf brennt, ihnen ihr Geheimnis zu entreißen. Und tatsächlich ist „Kuckuck“ nicht das Einzige, was Mr. Pims Uhr zu bestimmter Stunde zum Besten gibt und die Neugier der drei Jungs entfacht. Doch als sie am nächsten Tag noch einmal genau hinhören wollen, ist die seltsame Uhr gestohlen worden. Samt Waggon.

_Meinung_

Die Originalserie spielt ursprünglich in den Sechziger- und Siebzigerjahren, wurde dann aber über die Jahrzehnte behutsam bis in die Neuzeit verfrachtet. Heute sind Justus, Peter und Bob in der laufenden Serie im Alter von etwa 17 Jahren und benutzen Computer, Handy & Co. Als sie erfunden wurden, da gab es solcherlei moderne Geräte noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt mögen sie so um die 12 oder 13 gewesen sein. Hier als knapp 10-jährige „???-Kids“ jedoch verwenden sie wie selbstverständlich das Internet und andere heutige Technik. Das passt von der Zeitlinie her überhaupt nicht ins Bild und ist überaus paradox. Zumindest hat es nicht im Entferntesten den Charme der alten Geschichten.

Kommen die „klassischen“ Fälle des fiktiven Jungdetektiv-Trios aus dem ebenso fiktiven kalifornischen Nest Rocky Beach gänzlich ohne Illustrationen daher, hat man bei den „???-Kids“ für optische Auflockerung gesorgt. Cover und die zahlreichen, zumeist putzigen, S/w-Zeichnungen im Comic-Stil stammen von Stefanie Wagner & Timo Müller bzw. Jens R. Nielsen. Allerdings hält man sich seitens der Illustrationen leider immer noch nicht an die Beschreibung der Originalfiguren. Künstlerische Freiheit nennt man das wohl – ist auch nicht weiter tragisch, reiht sich aber in die Liste der Kontinuitätsprobleme bei der „Kids“-Serie ein.

Die Story an sich ist dennoch gut durchdacht und wäre – modifiziert und an die etwas andere Altersstruktur angepasst – auch für die Hauptserie durchaus geeignet gewesen. Boris Pfeiffer spinnt sein Garn spannend und geschickt, um nicht nur den jüngeren Leser bis zum Schluss bei der Stange und somit in Leselaune zu halten. Wiewohl man als gestandener (erwachsener) Fan unter anderem die Elemente aus den Fällen „Rätselhafter Wecker“, „Superpapagei“ oder „Teufelsberg“ durchaus wiederfindet und der Plot als solcher natürlich alles andere als neu und unvorhersehbar ist. Gewürzt ist das Ganze (wie immer) mit kleinen pädagogischen Aha-Erlebnissen, die mal mehr und mal weniger augenfällig sind. Die Verbindung mit „Blacktree“ zu Schwarzwald und Kuckucksuhren ist schon sehr subtil.

_Fazit_

Dank Illustrationen und augenfreundlich großer Schriftart ist die Jubiläumsausgabe recht schnell gegessen – und das nicht nur aus der Sicht einer erwachsenen Leseratte, auch die angepeilte Leserschaft um die 10 Jahre herum dürfte sich den „Jumboband“ fix und entspannt durchziehen können und sich dabei gut unterhalten fühlen. Das Buch ist ein kurzweiliges Vergnügen und trotz der vielen kleinen Kollisionen in Sachen Logik und Kontinuität mit der Hauptserie durchaus eine der lesenswerten Geschichten der „???-Kids“.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Die drei ???® Kids – Band 25
„In letzter Sekunde“
Erzählt von Boris Pfeiffer
Illustrationen von Stefanie Wegner und Jens R. Nielsen
Lesealter: 8 bis 10 Jahre
Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 08/2005
196 Seiten Hardcover, ISBN: 3-440-10202-5
Preis: 7,50 Euro

Dirk Ahner- Hui Buh – Das Schlossgespenst

Einmal Fledermausturmkammer lüften, bitte!

Es ist wieder da, Hui Buh, das Schlossgespenst. Rotzfrech war es, verfressen, versoffen, tollpatschig, politisch höchst unkorrekt und Wortspiele durch die Gegend feuernd, dass man vor Lachen von seinem Hörersessel geplumpst ist. Gesprochen wurde jener ätherische Tunichtgut dereinst von Hans Clarin, der leider mittlerweile von uns gegangen ist.

2004 hat man Hui Buhs vermoderte Holztruhe dann endlich wieder entstaubt, die alten Hörspiele in Silber gepresst und der hungrigen Hörermeute kredenzt, die sich bis dato erbittertste Auktionsschlachten auf dem Kassettenflohmarkt zu liefern hatte, um in den Genuss der vergriffenen Kleinode zu gelangen.

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Clive Barker – Abarat

Das Tor zur Hölle ist zu!

Stattdessen hat Clive Barker das Tor zu einer anderen Welt aufgestoßen, zu Abarat, einem Archipel seltsamer Inseln, seltsamer Kriege, seltsamer Wesen und seltsamer Bräuche. Ein Auftakt ist dieser Band, und drei weitere werden folgen, werfen wir also einen Blick auf diejenige, um die sich alles dreht:

Fear and Loathing in Chickentown.

Candy Quackenbush lebt in Chickentown, Minnesota, und könnte sich nichts Langweiligeres vorstellen als das. Ihr Vater trinkt und schlägt sie, ihre Mutter hat sich schon längst in ihr Schicksal ergeben, und ihre Geschichtslehrerin piesackt sie mit der Hausaufgabe, Interessantes über ihre Heimatstadt herauszufinden. Nun, aber Candy denkt gar nicht daran, irgendwelche staubtrockenen Lehrbuchfakten zusammenzutragen, sondern wendet sich an eine tratschige Supermarkt-Kassiererin, um in skurrilere Tiefen ihrer Heimatstadt abzutauchen.

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DiCamillo, Kate – wundersame Reise von Edward Tulane, Die

Kate DiCamillo zählt im Kinder- und Jugendbuchgenre zu den ganz Großen. Bereits mit ihrem Debütwerk „Winn-Dixie“, welches auch verfilmt wurde, gelang ihr der internationale Durchbruch. Die wundervolle Geschichte von „Despereaux – Von einem, der auszog das Fürchten zu verlernen“ stand in den USA monatelang in den Bestsellerlisten und wurde in Deutschland mit Preisen überhäuft, aber „Die wundersame Reise von Edward Tulane“ steht dem in nichts nach …

Darf ich vorstellen – Edward Tulane: |“In einem Haus in der Egypt Street lebte einst ein Porzellanhase. Er hatte Arme aus Porzellan und Beine aus Porzellan. Er hatte Pfoten aus Porzellan und einen Kopf aus Porzellan, er hatte einen Porzellanbauch und eine Porzellannase. Seine Ellbogen und seine Knie ließen sich bewegen, weil die Gelenke mit Draht verbunden waren. Seine Ohren waren aus echtem Hasenfell und auch unter dem Fell steckten biegsame Drähte. Deshalb konnte man die Ohren so stellen, wie sie der jeweiligen Stimmung des Hasen entsprachen: fröhlich, müde, begeistert oder gelangweilt. Sein weiches, wohlgeformtes Hasenschwänzchen war ebenfalls aus Hasenpelz“.| Das ist also Edward Tulane, der Held der vorliegenden Geschichte.

Edward gehört der kleinen Abilene Tulane und ist ein ganz außergewöhnlicher Hase mit einer sehr exquisiten Garderobe aus feinen handgenähten Seidenanzügen. Jeden Morgen zieht Abilene Edward einen schicken Anzug an, setzt ihn liebevoll auf einen Stuhl, zieht seine Taschenuhr auf und zeigt ihm, wann sie wieder bei ihm zu Hause sein wird. Und jeden Abend zieht Abilene Edward einen Schlafanzug an und legt ihn behutsam in sein Hasenbettchen. Doch obwohl Abilene Edward über alles liebt und ihn wie einen Menschen behandelt, hat Edward wenig Gefühle für Abilene übrig, er mag sie zwar, aber wenn sie ihm etwas erzählt, hört er eher gelangweilt mit einem seiner biegsamen Hasenohren zu. Als Abilene mit ihren Eltern auf eine Kreuzfahrt geht, begleitet auch Edward seine Familie, doch an Bord wird er Opfer eines üblen Jungenstreiches. Ein paar freche Jungen entkleiden ihn völlig und werfen ihn über Bord. Edward fällt ins Wasser und sinkt und sinkt und sinkt.

Unten am Meeresboden liegt er dann für lange Zeit einsam und alleine und kann nicht einmal seine Augen schließen, weil diese ja nur aufgemalt sind und sich daher nicht zuklappen lassen. Auch die funkelnden Sterne kann Edward nicht mehr sehen, doch hat er die Hoffnung auf Rettung noch nicht aufgegeben. Bei einem Sturm wird Edward schließlich von einer Riesenwelle hoch gewirbelt und verfängt sich beim erneuten Sinken in einem Fischernetz. Edwards Rettung naht, denn der freundliche Fischer nimmt Edward zu seiner sympathischen Frau mit, die Edward kurzerhand Susanna nennt und den armen Edward in ein Rüschenkleid steckt …

Das ist natürlich noch nicht das Ende von Edward/Susanna Tulanes wundersamer Reise, doch soll jeder selbst lesen, welche Abenteuer Edward noch zu überstehen hat, welche Stationen er noch bereist und welchen Menschen er dabei begegnet. Selten habe ich ein so gefühlvolles und herzerweichendes Buch gelesen wie dieses. Kate DiCamillo beweist ein wunderbares Geschick und eine überragende Erzählkunst, in gefühlvollen Worten bringt sie uns Edwards stolzes, aber doch so verletzliches Wesen näher. Mit vielen Adjektiven wird die Erzählung ausgeschmückt, sodass wir uns alles ganz fantastisch vorstellen können. Unterstützt wird dies noch durch die herrlichen und lebensechten Zeichnungen von Bagram Ibatoulline, welche „Die wundersame Reise von Edward Tulane“ zu einem optischen Hochgenuss machen. In meist farbigen und überaus detailreichen Zeichnungen haucht Ibatoulline Edward und seinen Bekannten Leben ein, seine Bilder sehen fast aus wie Fotos, so hervorragend schafft es Ibatoulline, die Stimmungen und Gesichtszüge der Figuren einzufangen.

An diesem Buch stimmt einfach alles, jede Zeile ist ein echter Leckerbissen. Kate DiCamillo hat eine wunderbare Geschichte geschrieben, die unglaublich viel enthält. DiCamillo preist die Liebe und zeigt anhand von Edwards herzzerreißendem Schicksal, wie wichtig Liebe und Hoffnung sind, denn ohne die Liebe zu Menschen und die Hoffnung auf Rettung hätte Edward Tulane seine gefährliche Reise sicher nicht überstanden. Am Ende ist es dann eine antike Puppe, die Edward die aufgemalten Augen öffnet für seine Zukunft.

Zu Beginn des Buches ist Edward Tulane ein eingebildeter und verwöhnter Hase, der sein komfortables Leben für selbstverständlich hält, doch bereits die Bekanntschaft mit dem dunklen und einsamen Meeresboden zeigt ihm, wie wertvoll das Leben gewesen ist, das er einst leben durfte. Doch auch in den düstersten Stunden unter Wasser gibt Edward die Hoffnung nicht auf, eines Tages von Abilene gerettet zu werden. Edward lernt die verschiedensten Menschen kennen auf seiner Reise, von denen er immer wieder etwas Wichtiges lernt. Besonders beeindruckend verhält sich der kleine Bryce, der ein großes Opfer bringt, um Edward zu retten und der trotz seiner Jugend bereits richtig erwachsen wirkt.

Fein eingewoben in diese traumhaft schöne Geschichte entdeckt der aufmerksame Leser kleine Botschaften fürs Leben von Kate DiCamillo, die eher für den erwachsenen Leser geschrieben sind. Zwar wird das Lesealter der „wundersamen Reise von Edward Tulane“ ab acht Jahren angegeben, doch würde ich dieses wunderschöne Buch eher älteren Buchfreunden ans Herz legen, die auch die kleinen Feinheiten entdecken können. Schon nach wenigen Seiten ist dieses Buch in meine persönliche Bestsellerliste aufgestiegen und wird dort mit Sicherheit auch immer bleiben. „Die wundersame Reise von Edward Tulane“ habe ich zwar gerade erst ausgelesen, aber ich werde es gleich wieder von vorne beginnen und sicher noch viele weitere Male lesen. Bei diesem Buch gilt auf jeden Fall Elke Heidenreichs Motto: „Lesen!“.

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Freund, Peter – Stadt der vergessenen Träume, Die (Die Legenden von Phantásien)

Saranya ist eine Insomnierin und in Seperanza aufgewachsen. Das ist eigentlich schon ungewöhnlich, denn normalerweise sind Insomnier viel unterwegs. Doch in letzter Zeit kommt es so gut wie nicht mehr vor, dass einer von ihnen den Ruf verspürt, den unwiderstehlichen Drang, die Stadt zu verlassen und durch Phantásien zu ziehen. Im Gegenteil, immer mehr Insomnier drängen nach Seperanza hinein, denn das ist der einzige Ort, an dem sie vor dem Vergessen sicher sind. Ein Rat von Gelehrten ist seit langer Zeit schon damit beschäftigt herauszufinden, was es mit dem Ruf und dem Vergessen auf sich hat, bisher erfolglos.

Saranya möchte allerdings etwas ganz Anderes wissen, nämlich, warum das Ehepaar, das sie für ihre Eltern hielt, ihr so lange verschwiegen hat, dass sie ein Findelkind ist! Und was hat die Verbannung des einstigen Gelehrten Philonius Philippo Phantastus mit dieser Sache zu tun?

Während Saranya verbotenerweise in den Saal der Weisheit eindringt, um dort nach Antworten auf ihre vielen Fragen zu suchen, sind zwei andere Insomnier-Kinder auf dem Weg nach Seperanza, um dem Vergessen zu entgehen. Doch sie werden von Traumfängern verfolgt! So sehr sie sich auch abmühen, und obwohl ein Lawinenwicht die Kinder unterstützt, gelingt es den Traumfängern, das Mädchen Elea einzufangen. Natürlich will ihr Bruder Kayún sie auf keinen Fall aufgeben. Gemeinsam mit einem Gräuelgruseler namens Atrox macht er sich an die Verfolgung der Traumfänger …

Saranya ist ein typisches, behütetes Kind. Sie spielt mit ihrer Freundin Colina Schwebeball, geht für ihre Mutter auf den Markt, bringt ihrem Vater das Mittagessen ins Büro und ägert sich, dass sie auf die meisten ihrer Fragen nur ein „wenn du größer bist“ oder „das verstehst du noch nicht“ erhält. Ganz klar, dass sie wütend ist, als sie von ihrer geheimnisvollen Herkunft erfährt, und ebenso klar, dass sie mit allen Mitteln die Wahrheit erfahren will.

Kayún dagegen hat es nicht so leicht. Seine Eltern sind dem Vergessen anheim gefallen, jetzt ist er allein verantwortlich für seine jüngere Schwester und muss außerdem den Weg nach Seperanza finden. Obwohl seine Situation schwierig genug ist, hat er immer noch genug Zeit, sich darüber zu ärgern, dass Atrox ihn wie ein Kind behandelt.

Mit anderen Worten: Beide sind typische Teenager! Tiefer geht die Charakterzeichnung allerdings nicht.

Die Handlungsstränge dieser beiden Charaktere laufen fast das ganze Buch über parallel nebeneinander, ohne sich zu berühren. Erst gegen Ende treffen sie sich scheinbar rein zufällig. Es ist, als würde man zwei Geschichten gleichzeitig lesen. Aber nur fast. Im Grunde sind es zwei halbe Geschichten.

Der Handlungsstrang um Saranya beschäftigt sich nicht nur mit deren Herkunft, sondern auch mit dem Rätsel der Insomnier, mit dem Ruf und dem Vergessen. Denn diese Fragen sind bei weitem nicht so ungelöst wie allgemein angenommen. Und so kommt es, dass Saranya gleichzeitig nicht nur ihre wahre Herkunft aufdecken kann, sondern auch die Wahrheit über das Wesen der Insomnier. Saranya liefert sozusagen die Theorie. Der Handlungsstrang um Kayún dagegen liefert die Praxis. Er beschäftigt sich mit der Bedrohung durch die Traumfänger, sozusagen der Durchführung dessen, was Saranya herausgefunden hat.

So ist der Leser auf der einen Seite mit Detektivarbeit beschäftigt, während er auf der anderen Seite eine Menge Abenteuer zu bestehen hat.

Die Abenteuer selber sind eher unspektakulär. Denn fast alle Geschöpfe, denen Kayún und Eala begegnen, sind harmlos. Sogar der Gräuelgrusler ist ein im Grunde harmloses Geschöpf, das keine schlimmere Aufgabe hat als andere Geschöpfe zu erschrecken. So wundert es nicht, dass die Kinder von allen möglichen Seiten Unterstützung erhalten und immer wieder entkommen können. Allein das Irrlicht Trausdumir wird seinem Ruf gerecht und sorgt so dafür, dass die Traumfänger endlich Elea erwischen.

Die Traumfänger sind die einzige wirkliche Bedrohung, Wergeschöpfe, die wie der Gmork zwischen den Welten wandern können. Ihr Auftrag, Insomnier zu fangen, stammt von Xayide. Denn die Insomnier sind die verkörperten Träume der Menschen. Xayide will sie bei Vollmond in die Menschenwelt verschleppen und sie dadurch zu falschen Träumen machen, zu Optasomniern, langweiligen austauschbaren Geschöpfen, die alle gleich aussehen. Und außerdem will sie Bastian abfangen, bevor er in seine Welt zurückkehren kann …

An dieser Stelle gerät die Sache ins Schwimmen. Zunächst einmal fragte ich mich – wie übrigens schon bei „Die Seele der Nacht“ von Ulrike Schweikert -, wie es sein kann, dass Geschöpfe, die einer Macht außerhalb Phantásiens dienen, sich einer Phantásierin unterwerfen, und das in diesem Fall offenbar regelmäßig. Außerdem: Warum sollte Xayide mit Wergeschöpfen gemeinsame Sache machen? Die Macht, der diese dienen, will Phantásien zerstören, Xayide aber will es beherrschen! Abgesehen davon scheint es, als könne der Autor sich nicht recht entscheiden, welchen Plan Xayide nun eigentlich verfolgen soll.

Wenn sie einfach nur die Insomnier in die Menschenwelt verfrachten lassen will, wofür schleppt sie sie dann mühsam in die einsamste Gegend Phantásiens, anstatt sie bis zum Vollmond einfach irgendwo einzusperren? Braucht sie die Grube Nimroud, den Ort, an dem die vergessenen Träume der Menschen lagern, um die Insomnier in die Menschenwelt zu schicken? Wenn ja, dann erfährt der Leser jedenfalls nicht, warum.

Auch war mir nicht klar, was genau Xayide mit all dem eigentlich bezweckt. Die Insomnier mögen etwas Besonderes sein, weil sie Träume verkörpern, die schlafend geträumt werden. Zumindest weist ihr Name darauf hin. Da der Autor aber nirgendwo erwähnt, ob diese besonderen Wesen auch eine besondere Funktion innerhalb Phantásiens erfüllen und wenn ja, welche, ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für irgendwelche Konsequenzen, die sich aus der Verzerrung der Insomnier für Phantásien ergeben könnten.

Ist Xayide also wegen Bastian nach Nimroud gekommen? Warum? Wäre es nicht einfacher, ihn schon auf dem Weg dorthin abzufangen? Außerdem besteht zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, Bastian als Marionette für ihre eigene Herrschaft zu benutzen, längst nicht mehr. Also wozu braucht sie ihn noch? Der einzige Grund, ihn zurückzuhalten, wäre Rache. Allerdings kann der Leser darüber nur spekulieren, denn der Autor verliert darüber kein einziges Wort! Und dafür hat er Michael Endes Vorgaben umgangen und Xayide mit einem Trick sozusagen wieder auferstehen lassen?

Auch viele andere Fragen – wie zum Beispiel die, warum die Insomnier in Seperanza vor dem Vergessen sicher sind oder warum Mädchen für die Traumfänger besonders wertvoll sind – werden nicht beantwortet.

Eigentlich schade, dass Peter Freund seine Ansätze so in der Luft hängen gelassen hat. Seine Geschichte beinhaltet viele interessante Ideen, allen voran der Lawinenwicht und sein Tausendleuchter, der sinnigerweise den Namen Osmar trägt, sowie das rasende Gerücht und die Wolkenweber. Leider hat der Autor auch sie nur mit knappen Worten umrissen, viele andere sogar nur am Rande erwähnt. Nichts davon wurde detallierter ausgebaut, alle sind nur kurze Durchgangsstationen. Das verleiht der Geschichte etwas Hektisches, Atemloses und hinterlässt einen Eindruck von Lieblosigkeit. Durch Fehler wie „mondäugige Gebieterin der Wünsche“ oder die Bezeichnung der Zauberin Xayide als dunkle Prinzessin wird dieser Eindruck noch unterstützt. Dazu kommt, dass alle seine erdachten Wesen offenbar einen Hang zur Ungeduld und Unfreundlichkeit haben. Die Art und Weise, wie sie mit Kayún reden – und auch seine Art zu antworten -, klingt gelegentlich fast grob und führt zu Abstrichen in der Sympathie!

Die ständige Erwähnung von Wesen, die auch in der „Unendlichen Geschichte“ auftauchen, soll wahrscheinlich einen Bezug zur Vorlage herstellen, wirkt aber eher ein wenig gekünstelt. Vor allem Kayúns Kritik an Bastian empfand ich als ziemlich lästig. Schließlich sind neue Ideen nicht dem in Phantásien anwesenden Menschenkind vorbehalten. Wenn aber die Ideen aller Menschen in Phantásien wahr werden, bedeutet das, dass Phantásien sich ständig verändert – was es laut Michael Ende ja auch tut! Kayún sollte also daran gewöhnt sein. Abgesehen davon dürfte er die Veränderungen eigentlich gar nicht bemerken, denn ab dem Zeitpunkt, da etwas Neues entstand, war es schon immer da und müsste also bekannt sein!

Der abrupte Schluss, der keinerlei Lösung verrät, weder im Hinblick auf diejenigen Insomnier, die dem Vergessen anheim gefallen sind, noch im Hinblick auf diejenigen, die noch in Seperanza auf einen neuen Ruf warten, tut ein Übriges und lässt den Leser mit einem Gefühl der Unzufriedenheit zurück.

Kurz und gut: Hier wurde eine Menge Potenzial verschenkt. Die handelnden Personen bleiben blass und flach und wecken keine echte Sympathie, die den Leser mitfiebern ließe. Die meisten Ideen wurden nur kurz angedacht, die Grundaussage nicht konsequent zuende geführt, und am Schluss bleibt der Leser auf der Aussage sitzen, er solle sich an seine wahren Träume erinnern und den falschen Träumen abschwören. Als ob der Leser sich seine Schlafträume aussuchen könnte!

Damit wurde dem Vorsatz, Phantásien bunter und lebendiger zu gestalten, gerade mal ansatzweise entsprochen, und gleichzeitig die Hoffnung des Lesers auf eine interessante Geschichte durch Oberflächlichkeit und Desinteresse enttäuscht. Es scheint, als hätten dem Autor entweder die Lust oder die Geduld gefehlt, dem Thema mehr als flüchtige Aufmerksamkeit zu widmen. Schade!

Peter Freund lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin und ist seit 1980 in der TV- und Filmbranche tätig. Unter anderem schrieb er Drehbücher und Bücher zum Film. Seit 2002 erscheinen auch Jugendromane von ihm. Sein Zyklus um Laura Leander umfasst inzwischen vier Bände, der fünfte Band soll im November diesen Jahres erscheinen.

Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3-426-19644-1

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Freund, Peter – Stadt der vergessenen Träume, Die (Die Legenden von Phantásien)

„Die Legenden von Phantásien“ – klingt das bekannt? Yep. Peter Freund lehnt sich mit dem Roman „Die Stadt der vergessenen Träume“ an keinen geringeren Fantasyklassiker als „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende an.

Auch ich habe „Die unendliche Geschichte“ natürlich gelesen, doch das liegt mittlerweile so weit zurück, dass die Erinnerungen in meinem alternden Gehirn nur noch sehr blass vorhanden sind. Ich leide quasi am Großen Vergessen, einer Krankheit, die das Völkchen der Insomnier ebenfalls befällt. Doch anders als bei mir, bei der nur die Gehirnareale geputzt werden, verschwinden die Insomnier, sobald das Vergessen Besitz von ihnen ergreift. Die einzige Hoffnung, die sie haben, ist die Stadt Seperanza, wo sie sicher sind, bis sie den Ruf hören, der ihnen erlaubt, die Stadt wieder zu verlassen.

Doch etwas hat sich geändert. Niemanden erreicht mehr der Ruf und die Stadt der vergessenen Träume platzt aus allen Nähten, obwohl sie die Pforten für weitere Insomnier bereits geschlossen hat. Trotzdem versucht Kayún mit seiner Schwester die Stadt zu erreichen, nachdem ihre Eltern vom Vergessen dahingerafft worden sind und sich einfach in Luft aufgelöst haben. Die Reise nach Seperanza ist beschwerlich, denn sie führt über das Eisige Gebirge, und große, düstere Gestalten, die Traumfänger genannt werden, verfolgen sie. Doch in Phantásien gibt es nicht nur üble Wesen. Der eine oder andere ist den Geschwistern auch wohlgesonnen oder scheint es jedenfalls zu sein …

Unabhängig davon erzählt ein zweiter Erzählstrang von dem Mädchen Saranya, das in Seperanza wohnt und das Kind des höchsten Stadtherrn ist. Eines Tages findet sie heraus, dass sie gar nicht dessen echte Tochter, sondern ein Findelkind ist. Ihre Welt bricht zusammen, und weil ihre Zieheltern auf ihr Warum? nur Ausflüchte vorbringen, ahnt sie, dass etwas Größeres hinter dieser Geschichte steckt. Gibt es etwa einen Zusammenhäng zwischen dem Geheimnis ihrer Herkunft und dem einzigen Bürger, der jemals der Stadt verwiesen wurde? Magister Philonius Philippo Phantastus, der sich mit dem Ruf und dem Phänomen des Vergessens auseinander gesetzt hatte, ein weiteres Geheimnis, auf das niemand ihr eine Antwort geben kann …

„Die Stadt der vergessenen Träume“ baut explizit auf der unendlichen Geschichte auf, so dass der Vorwurf mangelnder Eigenkreativität, wie ich ihn gerne an frühere Bücher von Peter Freund gestellt habe, sich von selbst aufhebt. Die Handlung, die in einer sehr detailverliebten Fantasiewelt stattfindet, die manchmal schon fast wieder zu überborden mit Fantasiewesen wie Rasenden Gerüchten oder Lawinenwichteln besetzt ist, hat durchaus ihre Momente, auch wenn Saranyas Geschichte dem Leser ziemlich schnell klar wird. Kayúns Reise baut ebenfalls kaum auf Spannung auf, doch immerhin wird der Weg der beiden Geschwister sehr schön beschrieben und über Langeweile kann man sich nicht beklagen. Einzig – worauf der Autor hinauswill, bleibt mir etwas schleierhaft. An manchen Stellen wirkt das Buch hier doch etwas diffus.

Die Charaktere sind nicht wirklich ausgearbeitet, werden aber liebevoll in Szene gesetzt. Immerhin hat Freund damit aufgehört, seine Helden mit übertriebenen Kräften auszustatten, was mich an Laura Leander, der Romanfigur, die ihn bekannt machte, immer gestört hat. Saranya, Kayún und Elea benehmen sich wie normale Kinder und haben weder großartige Macken noch fallen sie durch Besonderheiten auf. Das ist natürlich schade, doch fällt es nur wenig ins Gewicht.

Was mich viel mehr irritiert, ist der Schreibstil. Das Buch ist als Kinderbuch ausgezeichnet und für junge Leser ab 12 Jahren, laut Verlag, geeignet. Der erhabene, stellenweise geschwollene Schreibstil spricht allerdings eine andere Sprache. Freund lehnt sich an diese gewisse bedeutungsschwangere Stimmung mit einem Hang zu Archaismen an, die gerade Fantasyschinken gerne durchzieht. Ob das wirklich kindgerecht ist, stelle ich in Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit zwölf Jahren Wörter wie „Unbilden der Witterung“ (Seite 15), „Folianten“ (Seite 138) oder „Äonen“ (Seite 260) gekannt hätte. Natürlich kann man auf der Gegenseite anführen, dass der Horizont der jungen Leser dadurch erweitert wird, doch welches Kind würde ein Buch freiwillig lesen, wenn ständig Begriffe vorkommen, mit denen es nichts anfangen kann?

Trotz dieses nicht unerheblichen Mankos ist „Die Stadt der vergessenen Träume“ ein lesenswertes Buch für Fans von kindlicher Fantasie, d.h. für jene, die gern in völlig fremde, magische Welten eintauchen. Peter Freund ist zwar nicht der große Wurf gelungen, doch diese Legende aus Phantásien ist nette Unterhaltung für ein paar Stunden.

Schwindt, Peter – Gwydion 01 – Der Weg nach Camelot

Das Leben hat es nicht gut mit dem jungen Schweinehirten Gwyn gemeint. Bereits seine Geburt war ein tragisches Ereignis, dem seine Mutter zum Opfer fiel, aber auch seine Kindheit war nicht sonderlich glücklich, denn immerzu stand er im Schatten seines älteren Halbbruders. Mittlerweile hat er sich damit abgefunden, sein Leben lang auf dem Hof seines Vaters zuzubringen – bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem die Sachsen sein Heimatdorf angreifen und auch den Hof der Familie Griflet ausrauben und zerstören.

Die Spuren der Verwüstung, die Mordred, der zurückgekehrte Sohn von König Artus, hinterlässt, sind für ganz Britannien verheerend, und jetzt, wo auch Gwyn von den jüngsten Ereignissen in der Monarchie betroffen ist, entschließt sich dieser, selber Ritter zu werden, um eines Tages in die legendäre Tafelrunde aufgenommen zu werden. Zur Seite steht ihm hierbei sein neuer Gefährte Humbert, der ihn auf seinem langen Weg begleitet, sowie später auch Merlin, der anscheinend einige Geheimnisse vor Gwyn verbirgt. Vom berüchtigten Zauberer erfährt er schließlich auch die Bedeutung des Medaillons, das ihm seine Mutter vererbt hat, und somit auch von seinem Schicksal als Hoffnungsträger für das gesamte Land. Der Legende nach soll nämlich eines Tages ein Held mit dem Einhorn namens Gwyndion über die Zukunft Britanniens entscheiden. Und auf Gwyn’s Medaillon befindet sich jenes Einhorn …

_Meine Meinung_

Wie eigentlich bei jedem Roman und jeder Buchreihe zur Artus-Saga stellt sich die Frage, ob die Materie mittlerweile nicht zu Genüge abgearbeitet wurde. So viele Autoren befassen sich mit der uralten Legende, doch nur wenigen gelingt es, der Story noch neue interessante Werte abzugewinnen bzw. dem Plot noch weitere frische Impulse zu verleihen. Peter Schwindt, Verfasser von [„Justin Time“, 314 hat die Sache jedoch ziemlich geschickt angepackt. Er nämlich orientiert sich nicht nur an der klassischen Sage, sondern erzählt die Geschichte aus Sicht eines jungen, unabhängigen Protagonisten, der indirekt mit Artus, der Tafelrunde und der gesamten Geschichte in Verbindung steht, sich darüber aber absolut nicht im Klaren ist. Sein Leben war bisher nur geprägt von Armut und dem selten glücklichen Leben auf dem Bauernhof seines Vaters, wo er tagtäglich den Alltagstrott eines Schweinehirten durchlebte. Schicksalsschläge waren für ihn des Öfteren auf der Tagesordnung, und dies bereits von der traurigen Geburt an. Und ein solcher hat ihm dann auch erst richtige Einblicke in das Leben eines Ritters gegeben, welche später von Humbert noch verschärft und bei der Erkenntnis seines vorbestimmten Lebensweges zur Realität werden.

Gwyn ist dabei zunächst einmal alles andere als ein gewöhnlicher Held. Durchsetzungsvermögen war nie so wirklich seine Stärke, und auch der Traum des Ritterdaseins schein bis auf weiteres auch nur ein Traum zu bleiben. Erst nach und nach wächst er in diesem ersten Band der „Gwyndion“-Reihe in diese Rolle hinein und ist einem währenddessen auch unablässig sympathisch. Gwyn ist weder arrogant noch überheblich, nicht bösartig und in seinen Handlungen auch nicht unüberlegt und bringt schlussendlich trotz seines bescheidenen Lebens die besten Voraussetzungen mit, um den Part der Identifikationsfigur überzeugend auszufüllen, besonders nach seinem ersten Aufeinandertreffen mit Merlin.

Kritiker werden sich jetzt trotzdem fragen, warum „Gwyndion“ so anders sein soll als die übrigen Abhandlungen zur Artus-Sage. Nun, so groß sind die Unterschiede zu vergleichbarem Material tatsächlich nicht, allerdings pflegt der Autor dieses Buches einen sehr lebendigen Schreibstil, der sich in Kombination mit dem recht eiligen Erzähltempo und den wunderschön ausgemalten Charakterzeichnungen immer besser entfalten kann und so bezüglich der Handlung auch von einem Höhepunkt in den nächsten rast. Gwyn hat in der quantitativ vergleichsweise knappen Story relativ viele Abenteuer zu bestehen, und gleichzeitig werden dem Leser in ähnlicher Weise ziemlich viele überraschende Erkenntnisse offenbart, dass ihm zwischenzeitlich kaum noch Raum zum Luftholen (sprich zum Weglegen des Buches) bleibt.

Lediglich der Unterschied der verschiedenen Kasten wird in „Gwyndion 01 – Der Weg nach Camelot“ etwas unbefriedigend aufarbeitet. Schließlich ist Gwyn ein Bauersjunge, und als solcher sollte er es ungleich schwerer haben, über den Weg des Knappen in den Ritterstand gerufen zu werden (sofern ihm dies gelingt …). Schwindt indes stellt dem abenteuerlustigen Hauptakteur keine ganz so hohen Hürden in den Weg, so dass dieser sich enorm schnell entwickeln und seine Ziele oft ohne größere Schwierigkeiten erreichen kann. Auch wenn das der Geschichte ein wenig die Spannung raubt, darf man es im Gesamtüberblick nicht als Manko werten, denn schließlich trägt dies immer noch nicht dazu bei, dass der Plot allzu vorhersehbar gerät. Das ist er nämlich wider aller Erwartungen nicht!

Summa summarum kann man also von einem sehr gelungenen Auftakt dieser neuen Reihe aus dem Ravensburger Buchverlag reden. Peter Schwindt verbindet in seiner neuen Serie viele Elemente der klassischen Artus-Sage mit neuen, vielleicht auch etwas moderneren Ideen und umschifft somit auch sehr geschickt die eventuell auftauchenden Vorwürfe eines weiteren „Plagiats“. „Gwyndion“ hat auf jeden Fall eine Daseinsberechtigung und darf letztendlich auch als Bereicherung für die große Welt von König Artus und seinen Erben bezeichnet werden. Selbst diejenigen, die der Legende mittlerweile eigentlich überdrüssig sind, sollten mal darüber nachdenken, in Peter Schwindts neuestes Werk einzusteigen.

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Heine, E. W. – Papavera – Der Ring des Kreuzritters

Die rothaarige Papavera hat es schwer. Die fünfzehn Jahre junge Herrin von Burg Falkenstein wird wegen ihrer Haarfarbe und weil sie die Gesellschaft ihres Pferdes Tassilo der von Männern vorzieht von der Bevölkerung misstrauisch beäugt. Der ältere Gaugraf von Randersacker stellt ihr dreist nach, er sieht in ihr die Gelegenheit, seinen Besitz zu mehren, denn ihr Vater ist, seit er mit einem Kreuzzug in das Heilige Land aufbrach, verschollen.

Ein geheimnisvoller Ring mit einer ungewöhnlichen Inschrift, der ihrem Vater gehört, wirft Fragen auf. Ging er etwa nicht freiwillig auf den Kreuzzug? Als Papavera von dem Gaugrafen zwecks Heirat entführt wird, aber quer durch den Bärenzwinger des Grafen entkommen kann, eskaliert die Situation. Randersacker bezichtigt sie der Hexerei und setzt einen mit ihm verwandten Inquisitor auf sie an, dem Papavera jedoch immer wieder entkommen kann, was seinen Glauben, sie sei wahrlich eine Hexe, nur noch bestärkt.

Papavera muss fliehen und macht sich auf in das Heilige Land, auf der Suche nach ihrem Vater. Gejagt vom Inquisitor, lernt sie auf der Flucht den Liliputaner und Überlebenskünstler Leichtfuß kennen, mit dem sie über Venedig, wo sie einen reizenden jungen Mann kennen lernt, bis nach Akkon reist. Ihr rotes Haar erregt unter den Moslems Aufsehen, bis hin zu Kaiser Friedrich II. und dem Sultan verschlägt es Papavera auf abenteuerliche Weise.

Der in Berlin geborene E. W. Heine arbeitete einige Jahre als Architekt in Südafrika und arabischen Ländern. Bekannt wurde er vor allem durch seinen Mittelalter-Roman „Das Halsband der Taube“. Ein gewisser Hang zum Makabren zeichnet seine Werke aus, und obwohl „Papavera“ im Gegensatz zum „Halsband der Taube“ ein Jugendroman ist, geht er auch hier nicht zimperlich mit seinen Charakteren um.

„Papavera“ ist kein weichgespülter Jugendroman, für Spannung und Aufregung wird oft durch drastische physische Bedrohung oder den Tod von Nebencharakteren gesorgt, der unverhofft jeden ereilen kann. Sehr schön beschreibt E. W. Heine das Leben im Altmühltal um 1200-1250. Dabei bleibt er historisch exakt und versteht dies blendend in die Erzählung einzubauen. So leidet Papavera unter der gesellschaftlich Männern untergeordneten Rolle der Frau und der Furcht vieler Menschen vor ihrem ungewöhnlichen roten Haar.

Obwohl Heine seine Charaktere in einer altertümlichen, schroffen und rauen Sprachweise reden lässt, verwendet er oft auch moderne Redewendungen wie „Weichei“ und lässt sie bemerkenswert fortschrittlichen Gedanken nachgehen. Wie in vielen Historienromanen, denkt auch Papavera wie ein Mensch unserer Zeit, nur Nebencharaktere folgen mittelalterlichen Denkansätzen, die deshalb oft ungerechtfertigt klischeehaft und primitiv wirken. Als Fünfzehnjährige ist sie für die damalige Zeit zum Beispiel keineswegs zu jung für eine Heirat.

Die Handlung hat einen ausgeprägten Reisecharakter, vom Altmühltal über Venedig bis in das Heilige Land in die Hände der Heiden verschlägt es Papavera. Dabei nützt Heine jede Station, um neue interessante Facetten der damaligen Welt und ihrer Menschen vorzustellen. Seine humorvolle Erzählweise gefiel mir dabei besonders gut. Liebenswerte Begleiter wie Leichtfuß, das Frettchen Friederike oder der Hengst Tassilo werden intelligent in die abwechslungsreiche Handlung eingebunden und dürften nicht nur jüngere Leser entzücken. Der verfolgende Inquisitor wirkt leider etwas aufgesetzt, es ist klar, dass er nur als Kraft dient, die Papavera vorantreibt; trotz handfester Bedrohung ihres Lebens konnte ich ihn zu keiner Zeit als Gefahr ernst nehmen.

„Papavera“ ist ein intelligenter, spannender und sehr abwechslungsreicher Roman, der das Mittelalter in voller Breite vor dem geistigen Auge des Leser wiederauferstehen lässt. Leider hat E. W. Heine zugunsten jüngerer Leser einige Konzessionen hinsichtlich Ausdruckweise und Weltbild seiner Hauptfiguren gemacht, was jedoch heute so üblich ist in historischen Romanen, dass es vermutlich nur wenige stören wird. Seine makaber-humorige Ader sorgt für gute Unterhaltung und ist das i-Tüpfelchen auf einer spannenden und lehrreichen Geschichte, die am Ende ein Familiengeheimnis aufdeckt und mit einer positiven moralischen Erkenntnis aufwartet.

Wem „Das Halsband der Taube“ gefallen hat, wird auch an „Papavera“ viel Freude finden, auch wenn das Buch deutlich auf jüngere Leser zugeschnitten und dementsprechend leichter zugänglich ist.

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Andreas Eschbach – Die gläsernen Höhlen (Das Marsprojekt 3)

Bei Erscheinen von Andreas Eschbachs erstem Jugendroman „Das Marsprojekt“ hätte noch niemand erwartet, dass er daraus eine spannende Serie entwickeln würde. Die Geschichte um die Marskinder nimmt an Faszination zu, je mehr Geheimnisse der Mars freigibt.

Das Marsprojekt geht weiter!

Im vorliegenden dritten Band der fünfteilig geplanten Serie stößt man auf weitere Artefakte, kleine, scheinbar aus geschmolzenem Sand bestehende Scheiben, die nun aber mit Namen versehen sind. Die Kinder behalten ihre Entdeckung vorläufig für sich, zumal bisher nur ihre Namen erscheinen.

Carl nimmt an einer Expedition teil, die sich um den Ursprung der geheimnisvollen untermarsischen Röhrengangsysteme kümmern will. Er ist den Wissenschaftlern als Marsgeborener eine Hilfe bei der Beurteilung der Wegsamkeit ihrer Route. Schließlich entdecken sie eine gigantische Ruinenlandschaft, die ebenfalls, gleich den blauen Türmen, unter einem von oben undurchdringlichen Tarnfeld liegt. Ein Sandsturm, der durch illegale Aktivitäten der anderen Kinder nicht rechtzeitig bemerkt wird, trennt Carl vom Team und treibt ihn zu einem überhängenden Felsen. Überraschend entdeckt er dort eine Trennwand aus demselben glasartigen Material, aus dem die Türme bestehen. Ein (Wind?-)Stoß drückt ihn dagegen – und hindurch! Die beschrifteten Artefakte entpuppen sich als Schlüssel zu den fremden Bereichen. Carl macht die umwälzendste Entdeckung des Jahrtausends: In einer dieser Höhlen liegen konservierte Aliens …

Neben der eigentlichen Handlung beschäftigt Andreas Eschbach sich auch mit den zwischenmenschlichen Beziehungen, die einen Jugendlichen interessieren könnten, wie die Gefühle von Ariana und Urs zueinander, der Weg bis zum gegenseitigen Eingestehen, erste Küsse etc.

Die Geschichte ist spannend erzählt, allerdings war das Auftauchen wirklicher außerirdischer Wesen sehr überraschend. Hinterlassenschaften, Roboter, Welten … alles fügt sich zusammen, aber die Wesen selbst kommen unerwartet.

Carl, der durch Urs‘ Auftauchen etwas in den Hintergrund gedrängt wurde, bekommt wieder mehr Gewicht durch seine Teilnahme an der Expedition. Er entdeckt die gläsernen Höhlen und einen Sinn in den Artefakten, er entdeckt die fremden Wesen und betritt als Erster ihren Bereich, und er erlebt als Erster den Transfer zwischen weit entfernten Orten ohne Zeitverlust. Dafür kommt Ronny, der Jüngste der Gruppe, wieder etwas zu kurz, aber so bekommt jeder der Romane seinen schwerpunktmäßigen Charakter.

Die Beschreibungen von physikalischen, technischen und astronomischen Details gelingt Eschbach auf jugendfreundliche und interessante Weise, und auch für Erwachsene bieten sie Hintergrundinformationen genug, um den Roman realistisch zu gestalten. Eschbach bewegt sich weitgehend im vorstellbaren Bereich, auch wenn bestimmte Dinge wie Kernfusionsreaktoren noch echte Wunschträume sind. Für die plötzlich im 21. Jahrhundert erfolgte Einigung der Menschheit durch einen Umschwung im Denken liefert er einen mysteriösen, im Bezug auf die Science-Fiction-Geschichte aber glaubwürdigen oder zumindest interessanten Erklärungsansatz: Ist der Einfluss von Außerirdischen, die die Menschen auf einen Kontakt mit sich vorbereiten wollen, wirklich auszuschließen?

Insgesamt greift Eschbach viele, auch alte Themen der SF auf und verarbeitet sie in jugendfreundlicher und aktueller Form. Damit legt er bei seiner Zielgruppe den Grundstock eines SF-Verständnisses, quasi als Einstieg in die großartigen Tiefen des Genres. Und dass er dabei auch gute Geschichten erzählen kann, dürfte bekannt sein. Etwas Besseres kann man sich kaum wünschen.

gebunden, 324 Seiten
Originalausgabe

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Curley, Marianne – Hüter der Zeit, Die

Die Australierin Marianne Curley verbindet auch in ihrem zweiten Buch der „Zeithüter“-Reihe Geschichtliches mit der Gegenwart, doch stellt sie dem jungen Ethan diesmal eine Mitstreiterin an die Seite.

Ethan wirkt nach außen vielleicht wie ein ganz normaler Junge, doch auf seinen Schultern lastet eine schwere Aufgabe. Er ist ein Zeithüter, das bedeutet, er ist mit magischen Kräften ausgestattet, die es ihm erlauben, zurück in die Zeit zu reißen und dort einzugreifen. Die Gegenspieler der Zeithüter, die Göttin Chaos und ihr Gefolge, versuchen nämlich, Verderben in die Welt zu bringen, indem sie bestimmte historische Ereignisse ändern. Die Auswirkungen auf die Gegenwart wären in jedem Fall enorm, deshalb müssen Ethan und seine Wachen immer auf der Hut sein.

Dieses Jahr wird Ethan eine große Ehre zuteil. In seiner Karriere als Wächter erklimmt er die nächste Stufe und bekommt eine Schülerin an seine Seite gestellt. Erschrocken stellt er fest, dass es sich dabei um Isabel handelt, die Schwester seines einst besten Freundes Matt, der sie wie ein Augapfel hütet. Damals hat ein Mädchen die beiden Freunde auseinander gebracht und natürlich ist es Matt nicht besonders recht, als Ethan plötzlich jeden Tag mit Isabel an einem „Geschichtsprojekt“ arbeitet.

Trotzdem schafft er es, das kluge Mädchen zu einer Heilerin auszubilden und sie auf die Missionen, also die Zeitreisen, vorzubereiten. Am Anfang sind es harmlose, kleine Aufträge, doch plötzlich kommt der Riese Marduke ins Spiel, der vor über zehn Jahren Ethans große Schwester umgebracht hat. Er träumt, wie Marduke Isabel in seine Gewalt bringt, doch Marduke erweist sich als ausgesprochen reale Bedrohung und plötzlich ahnt Ethan, dass es mit dem veränderten Verhalten seines Vaters seit dem Tod seiner Tochter etwas ganz anderes auf sich haben könnte. Schließlich kommt es zur all entscheidenden Schlacht …

„Bildgewaltige Verquickung von Fantasy und Geschichte […]“, behaupten die Westfälischen Nachrichten auf dem Buchumschlag, doch davon ist nicht wirklich viel zu spüren. Aufgrund der spartanischen Beschreibungen von Situationen und Orten verkommt die Geschichte mehr als Mittel zum Zweck und ist zu wenig ausgebaut, um als eigenständige Komponente durchzugehen.

Möglicherweise ist das aber nicht zum Schaden des Buches, denn das Weglassen von Nebenhandlungen und großartigen Ausführungen lässt „Die Hüter der Zeit“ zu einem geradlinigen, spannenden Jugendfantasybuch ohne viel Handlungstiefe werden. Der Verzicht auf kompliziert aufgebaute und durchkomponierte Welten kann zur Abwechslung mal sehr entspannend sein. Abgesehen von einigen Längen am Anfang und dem Fehlen eines wirklichen Höhepunkts, der stattdessen durch nhaltende Spannung auf hohem Niveau ersetzt wird, lassen sich die knapp 400 Seiten flüssig lesen und erfreuen durch Kurzweil.

Ein kleines Manko ist jedoch die Uneigenständigkeit von Curleys Literatur. Sie schreibt zwar auf hohem Niveau, doch ein wirklich eigener Stil möchte sich nicht einstellen. Der fehlende Handlungstiefgang lässt das Buch stellenweise sehr an der Oberfläche schwimmen, obwohl die Autorin anhand der beiden Ich-Erzähler-Perspektiven das Gegenteil bewirken möchte. Der knappe, schön schildernde Erzählstil legt viel Wert auf Gedanken und Gefühle von Isabel und Ethan. Schülerin und Ausbilder für diese Perspektiven zu benutzen, ist sicherlich ein geschickter Schachzug, doch leider fehlt es den beiden an Individualität in Bezug auf Persönlichkeit und Stil. Das ist stellenweise sehr verwirrend und manchmal fällt der Übergang von einer zur anderen Ich-Perspektive schwer.

Die massenhaft benutzte rhetorische Frage zur Auflockerung und Darstellung von extremen Gefühlen nutzt sich schnell ab und stört das Lesevergnügen an einigen Stellen empfindlich. Gleiches gilt für die Dialoge, die seltsam hölzern, manchmal geradezu gekünstelt wirken. Das mag eventuell auch an der Übersetzung liegen, aber sie schwächen das eigentlich positive Gesamtbild.

Doch es gibt nicht nur Negatives zu sagen. In der Summe ist „Die Hüter der Zeit“ ein gutes, aber nicht herausragendes Buch, dessen Handlung sich sehen lassen kann. Die fehlende Eigenständigkeit ist ärgerlich, doch für ein leichtes Lesevergnügen ist das Buch durchaus geeignet. Und zwar nicht nur für Jugendliche.

http://www.dtv.de

Crossley-Holland, Kevin – Artus – Im Schatten des Kreuzes (Band 3)

Band 1: [„Der magische Spiegel“ 2420
Band 2: [„Zwischen den Welten“ 2431

_Story_

Artus ist am Ziel seiner Träume angelangt. Auf einer Insel vor Venedig stationiert, bereitet er sich auf den Zug in die Heilige Stadt vor und wird in einem feierlichen Akt zum Ritter geschlagen. Doch schon bald merkt er, dass seine neue Position nicht nur mit Ruhm und Glorie verbunden ist. Die Motive der Kreuzzüge scheinen nämlich weitaus unehrenhafter zu sein, als Artus sich dies in seinen Träumen ausgemalt hatte. Innerhalb der eigenen Reihen kommt es zu Streitigkeiten und Rivalitäten, und statt gemeinsam gegen den Feind vorzugehen, stürzen sich die gekränkten Christen auf ihre eigenen Leidensgenossen.

Artus hingegen sitzt mit seiner Flotte in einer Seeenge bei San Nicola fest und muss darauf hoffen, dass die Verhandlungen mit dem Dogen der Stadt Venedig sich nicht allzu lange hinziehen. Doch immer mehr schwindet Artus‘ Hoffnung, als glanzvoller, prächtiger Ritter in Jerusalem einzumarschieren, denn die Verstrickungen in den eigenen Reihen nehmen langsam aber sicher überhand und die Zukunft des Kreuzzuges wird immer ungewisser. Und als die riesige Armee dann ein weiteres Mal erschüttert wird, rückt die Heilige Stadt für Artus de Caldicot in immer weitere Ferne …

Dem König Artus von Camelot ergeht es ähnlich wie seinem Namensvetter zu See. Er ist in einem Stein gefangen und nimmt alles andere als die edelmütige Haltung eines Ritters ein. Artus de Caldicot fühlt sich mit ihm verbunden, versteht aber immer noch nicht die direkten Zusammenhänge zwischen dem Lebensweg des Königs von Camelot und seinem eigenen Schicksal als einfacher Ritter im Namen des Kreuzes. Dann trifft er aber noch ein letztes Mal auf seinen alten Freund, den Zauberer Merlin, und plötzlich lernt der mit 16 Jahren immer noch sehr junge Held die gesamte Wahrheit, die sich unter der Oberfläche des Obsidians verbirgt, kennen.

_Meine Meinung_

Welch toller Abschluss dieser bezaubernden Jugendbuchreihe! Würdevoll wie die Entwicklung des Artus de Caldicot beschreibt Kevin Crossley-Holland die letzten Schritte zur Ritterehre des einstigen Knappen und die daraus resultierende Euphorie. Und ebenso feinfühlig bremst er den Hochmut dann auch wieder aus, indem er sein umfangreiches Hintergrundwissen zu den Kreuzzügen in die Handlung einbringt und dem Leser die zweifelhaften Ideale der Kreuzzüge nahe bringt; dies jedoch weitestgehend in reduzierter Form, die erst gar keine Diskussionen zu diesem Thema aufkommen lassen. Der Autor stellt nämlich keine Thesen oder Vermutungen auf, sondern verbindet die ernüchternde Realität sehr harmonisch mit der recht zügig voranschreitenden Heldensaga um den Jüngling de Caldicot, und dies funktioniert wie auch schon in den beiden Vorgängerbänden sehr, sehr gut.

Was man (wie im Übrigen auch schon bei „Zwischen den Welten“) kritisieren kann, ist die manchmal doch recht einfache Erzählsprache, mit der Artus die Geschehnisse in einer Art Tagebuch aus seiner eigenen Perspektive berichtet. Er erzählt von der niederträchtigen Stimmung innerhalb der Flotte, beschreibt, wie er langsam aber sicher selber den Mut verliert, und wie sich die Atmosphäre generell mit seiner Vorstellung des Ritterlebens vereinbaren lässt, bedient sich dabei aber stets eines eingeschränkten Wortschatzes, der letztendlich auch die klare Trennlinie zwischen Jugendbuch und Erwachsenenliteratur zeichnet. Was allerdings nicht bedeuten soll – ich erwähnte es schon in den vorangegangenen Rezensionen – dass „Im Schatten des Kreuzes“ für ältere Jahrgänge nicht geeignet ist. Das genaue Gegenteil ist nämlich der Fall!

Was im letzten Band doch ein wenig auffällt, ist, dass das Augenmerk der Geschichte vorrangig auf den jugendlichen Artus gelegt wird, was zur Folge hat, dass der gedanklich Verbündete aus Camelot und dessen Legende nicht mehr ganz so ausführlich beleuchtet werden. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, in dem die lange erahnten Zusammenhänge endlich auch vom Autor bestätigt werden. Doch dies muss der Leser selber herausfinden, nachdem er sich durch diese durchweg überzeugende Trilogie mit all ihren verschiedenen Teilepisoden gekämpft hat.

„Im Schatten des Kreuzes“ entführt den Leser ein letztes Mal in eine Welt zwischen den Welten und zeigt aller Skepsis zum Trotze, dass man der viel zitierten Artus-Sage tatsächlich noch etwas Neues abgewinnen kann – sofern man nur die richtigen, in diesem Fall sehr lebendigen Ideen hat. Und dass die Trilogie alles in allem ziemlich leichte Kost ist, macht die Sache irgendwie noch charmanter, schließlich haben sich schon zu viele Autoren und andere Künstler zu verkopft an die Heldensaga herangemacht. Kevin Crossley-Holland indes hat den perfekten Mittelweg zwischen historischem Jugendbuch und unterhaltsamem Ritterepos gefunden und damit eine überaus symapthische Romanreihe erschaffen. Unbedingt empfehlenswert!

http://www.dtv.de

Preußler, Otfried – Krabat

Die Geschichte spielt in der Gegend um Hoyerswerda in Schlesien, Ende des 17. Jahrunderts: Der vierzehnjährige Krabat ist ein Waisenknabe. Gemeinsam mit zwei anderen Jungen zieht er nach Neujahr als Dreikönig durch die Gegend. Sie kehren auf Höfen ein, singen ihre Lieder und verdienen sich damit ihr Essen. Eines Nachts hat Krabat einen seltsamen Traum von elf Raben und einer heiseren Stimme, die ihn beschwört, zur Mühle in Schwarzkolm zu kommen. Krabat ignoriert den Traum zunächst, doch nachdem er sich in den folgenden Nächten wiederholt, folgt er dem Ruf. Obwohl ihm unterwegs geraten wird, die Mühle zu meiden, lässt er sich von seinem Vorhaben nicht abbringen.

In der abgeschiedenen Mühle empfängt ihn der Meister, ein schwarz gekleideter Mann mit Augenklappe und unheimlicher Ausstrahlung. Krabat wird als Lehrjunge aufgenommen. Außer ihm leben und arbeiten noch elf andere Jungen dort. Zum ernsten und vernünftigen Altgesell Tonda fasst Krabat rasch Vertrauen. Umso misstrauischer steht er dagegen dem dürren Lyschko gegenüber, der jede Heimlichkeit dem Meister zuträgt. Außerdem gibt es da noch die beiden starken und gutmütigen Vettern Michal und Merten, den Spaßvogel Andrusch, den kräftigen Hanzo, den handwerklich geschickten Petar, den wieselflinken Staschko, den ewig mies gelaunten Kito, den schweigsamen Kubo und den scheinbar dummen Juro.

Nach dem Ende seiner Probezeit wird Krabat vom Lehrjungen zum Schüler befördert. Nun darf auch er am Unterricht der Schwarzen Künste teilnehmen. Krabat ist stolz auf sein neues Können – doch er spürt auch, dass über der Mühle und dem Meister ein bedrohlicher Schatten liegt. Was hat es mit den Knochensplittern auf sich, die er eines Morgens in einem Mühlgang findet? Wer ist die schwarze Gestalt mit der Kutsche, die in Neumondnächten vorfährt und die selbst der Meister fürchtet? Krabat ahnt, dass sein Lehrherr einen dunklen Pakt abgeschlossen hat, der ihrer aller Leben in Gefahr bringt. Nur die Liebe einer Frau kann Krabat aus seiner Not erlösen …

Die Macht der Liebe gegen dunkle Mächte, der Kampf zwischen Gut und Böse – das sind die bewährten Grundthemen dieses Romans, die in einen unheimlichen und märchenhaften Rahmen eingebettet werden, der für Jugendliche wie für Erwachsene reizvoll ist.

|Sorbischer Sagenschatz|

Die Grundlage des Krabat-Stoffes reicht in seinen Wurzeln über Jahrhunderte hinweg bis ins alte Indien zurück. Es ist die uralte Geschichte vom Kampf eines Zauberlehrlings gegen seinen Meister. Aber nicht nur das Grundthema, sondern auch die Gestalt des Lehrjungen und Zauberschülers Krabat besitzt eine lange Tradition. Der Autor Otfried Preußler begegnete Krabat das erste Mal in einem Sagenbuch mit sorbischen Volkserzählungen. Krabat ist in dieser Gegend als guter und hilfreicher Zaubermeister bekannt, um den sich viele Erzählungen ranken. Der historische Kern dieser Figur liegt in einem kroatischen Oberst, der dem Kurfürst Friedrich August I. – auch bekannt als „August der Starke“ – treue Dienste leistete und wegen seiner fremden Herkunft und seiner Eigenheiten als Zauberer angesehen wurde.

|Tradition statt Innovation|

Die Themen sind nicht wirklich neu, aber wie so oft bei Sagen- und Märchenstoffen ist es nicht Innovation, sondern Tradition, die den Reiz ausmacht. Statt ausgefeilter Handlungsstränge beschränkt sich die Erzählung auf das Wesentliche, auf die großen alten Themen wie Liebe, das Böse, der Wert der Freundschaft und der mutige Versuch eines Jungen, sich und seine Freunde aus Fängen der dunklen Mächten zu befreien. Dabei verzichtet der Autor bewusst auf blumige Ausschmückungen, sowohl was den Stil als auch was die Handlung betrifft. „Krabat“ ist kein Harry Potter, dessen Stärken im Phantasiereichtum liegen und dadurch allerdings auch stärker polarisieren. Preußlers Roman greift auf alte Sagen zurück und bewahrt ihren einfachen, für jeden zugänglichen Stil. Diese Reduziertheit überträgt sich auch auf die Geschichte, die in sehr konzentrierter Form dargeboten wird. Es erfolgen keine ausführlichen Beschreibungen, weder der Orte noch der Figuren. Die eher auf Knappheit beschränkten Informationen lassen viel Raum für eigene Phantasie. Die Figuren und die Umgebung werden in der Vorstellung des Lesers lebendig. Bereits nach wenigen Seiten ist man gefangen in der rauhen Welt und der dichten Atmosphäre der Mühle und dem Leben ihrer Bewohner. Voller Spannung begleitet man Krabat über die Jahre hinweg auf seinem Weg vom einfachen Bettelknaben zu einem respektablen Zauberlehrling, der sich auf einen Kampf auf Leben und Tod einlässt, um sich aus den Klauen des Bösen zu befreien.

Trotz vieler märchenhafter Elemente wie dem sich wiederholenden Jahresablauf, die Alltagszaubereien, die magischen Gegenstände und die Erlösung durch die Liebe ist der Roman insgesamt weitaus differenzierter als ein gewöhnliches Märchen. Krabat ist kein austauschbarer Held, sondern eine Entwicklungsfigur, die im Verlauf dazulernt. Vor allem aber herrscht hier kein simples Schwarz-Weiß-Schema vor, das eine exakte Einteilung ermöglicht.

|Keine Schwarz-Weiß-Charaktere|

Mit Krabat ist dem Autor eine Titelfigur gelungen, die sich jedem Leser sofort als Identifikationsfigur anbietet. Preußler verliert nicht viele Worte, um seinen jungen Protagonisten vorzustellen. Es ist ein Junge wie jeder andere, vorbehaltlos, neugierig und gerne bereit, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Jeder Leser kann nachvollziehen, warum der mittellose Betteljunge dem Ruf zur Schwarzen Mühle folgt. Ebenso verständlich ist seine Neugierde, als er herausfindet, dass an diesem Ort nicht nur das Müllern, sondern auch mysteriöse andere Künste gelehrt werden. An keiner Stelle des Buches gerät man in Gefahr, den Bezug zu Krabat zu verlieren. Stattdessen hofft, fürchtet, leidet und freut man sich mit dem Jungen, der nie einen unrealistischen Helden abgibt. Krabat vereint dankenswerterweise nicht nur positive Eigenschaften in sich, sondern tritt zuweilen auch naiv oder unvernünftig auf. Die anderen Lehrjungen sind ein bunt zusammengewürfelter Burschen aller möglichen Charaktere. Dabei stechen vor allem der ruhige Tonda, sein Altgesell-Nachfolger Michal und der dumme Juro hervor, der letztlich gar nicht so dumm ist, wie es scheint. Eine weitere positive Figur ist der Pumphutt, ein freier Müllersbursche, der den Meister in einem Zauberduell besiegt und dafür Sorge trägt, dass die Burschen gut behandelt werden. Er steht im direkten Gegensatz zum Meister, der seine Macht in der Mühle auslebt, während der Pumphutt umherzieht und seine Kräfte dafür einsetzt, um den Bedürftigen zu helfen.

Mindestens ebenso interessant wie die „guten“ Charaktere sind die „bösen“ unter ihnen, allen voran der Müllermeister und der Herr Gevatter. Preußler vermeidet eine reine Schwarz-Weiß-Malerei und trägt dadurch erheblich zum Spannungscharakter der Erzählung bei. Der Meister ist ohne Frage ein finsterer Mensch, der den Jungen Unheil bringt. Doch er kennt auch menschliche Züge wie Lob, Großzügigkeit und sogar Angst. So herrisch er in seiner Mühle gegenüber den Schülern auftritt, so duckmäuserisch verhält er sich wiederum gegenüber dem Herrn Gevatter, vor dem er echte Furcht empfindet. Der Herr Gevatter, auch „der mit der Hahnenfeder“ genannt, wird durch die Unaussprechlichkeit seines wahren Namens zu einer noch mysteriöseren Gestalt stilisiert. Ist es der Teufel, ist es der Tod? In jedem Fall geht von ihm eine unheimliche Macht aus, der sich selbst der Meister nicht zu widersetzen vermag. Auch er ist nicht einfach das personifizierte Böse, wie sich zeigt, als er den Meister für die Misshandlung eines der Lehrjungen tüchtig bestraft. Gerade diese Undurchsichtigkeit ist es, die bei seinem Auftauchen für den wohligen Grusel sorgt.

|Finstere Handlung|

Am Ende dieses spannenden Leseabenteuers warten der märchenhaft gute Ausgang und die ersehnte Erlösung durch die Allmacht der Liebe, der der böse Zauber des Meisters hoffnungslos unterlegen ist. Doch bis dahin geschehen allerleih finstere Dinge, die in einem Kinderbuch keine Berechtigung haben. Spätestens mit Tondas Tod wird offensichtlich, dass „Krabat“ tatsächlich ein Jugend- und Erwachsenenroman ist. Tonda ist eine melancholische, verlässliche und kluge Gestalt, zu der sowohl der Leser als auch Krabat rasch Vertrauen fassen. Sein gewaltsames Ableben hinterlässt Spuren bei Krabat, der sich ohne seinen bewunderten Freund einsamer denn je fühlt. Tonda ist nicht der letzte Tote in der Mühle, Krabat wird im späteren Verlauf noch einen weiteren Freund verlieren. Der Teufelspakt des Meisters und die jährlichen Opferungen der Jungen sind erschreckende Elemente, die allzu junge Leser überfordern und ängstigen.

Unterm Strich ist „Krabat“ ein düsterer und über weite Strecken trauriger Roman. Der einfache Stil mag zwar bereits für Grundschulkinder zu bewältigen sein, doch die Thematik ist erst für Jugendliche ab etwa zwölf Jahren zu empfehlen. Durch die vielen interpretatorischen Ansätze und Diskussionspunkte über die Charaktere, über die Symbolik und den sagenhaft-historischen Hintergrund eignet sich der Roman hervorragend als Schullektüre und wird als solche auch gerne verwendet.

_Fazit:_ „Krabat“ ein leicht geschrieber märchenhafter Roman über den alten Kampf zwischen Gut und Böse und die Erlösung durch die wunderbare Macht der Liebe. Trotz des einfachen Stils ist das Werk aufgrund der düsteren Thematik nicht für Kinder unter zwölf Jahren geeignet. Auf Jugendliche und Erwachsene dagegen wartet ein wunderbares Leseabenteuer, das besonders in die kalte Jahreszeit passt und zu Recht bereits zu Lebzeiten des Autos ein Klassiker geworden ist.

_Otfried Preußler_ zählt zu den bekanntesten Kinderbuchautoren Deutschlands. Er wurde 1923 in Böhmen geboren. Später zog er nach Oberbayern, wo er noch heute zuhause ist. Bis 1970 arbeitete er als Volkschullehrer, ehe er sich dem Schreiben widmete. „Der kleine Wassermann“ war sein erstes Kinderbuch. Es folgten zahlreiche weitere Werke, die allesamt erfolgreich wurden, u.a.: „Die kleine Hexe“, „Das kleine Gespenst“, „Der Räuber Hotzenplotz“, „Hörbe mit dem großen Hut“ und „Die Abenteuer des starken Wanja“.
Für den „kleinen Wassermann“ erhielt Preussler den Deutschen Kinderbuchpreis. Es folgten zahlreiche weitere Auszeichnungen, u.a. der Deutsche sowie der Europäische Jugendbuchpreis („Krabat“), Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse, Eichendorff-Literaturpreis, Konrad-Adenauer-Preis für Literatur der Deutschland-Stiftung e.V.
Viele seiner Werke wurden erfolgreich vertont bzw verfilmt.

Mehr über den Autoren erfährt man auf seiner Homepage: http://www.preussler.de.

Nimmo, Jenny – Charlie Bone und die magische Zeitkugel (Die Kinder des roten Königs 2)

Die Kinder des roten Königs 1: [„Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ 1992

Nach den turbulenten Ereignissen in der Ruine der Bloor-Akademie hat Charlie seine Ferien so richtig genossen. Aber jetzt ist Weihnachten herum, und obwohl draußen beinahe arktisches Wetter herrscht und in Benjamins Schule der Unterricht ausfällt, holt Charlie die Schule wieder ein.

Und gleich am ersten Abend stolpert er über das nächste Abenteuer in Form eines Jungen, der plötzlich in der Eingangshalle wie aus dem Nichts auftaucht. Der Junge heißt Henry, sieht Charlie ziemlich ähnlich und ist auch ungefähr genauso alt. Bald stellt sich heraus, dass er Charlies Urgroßonkel ist. Eine magische Zeitkugel hat ihn um neunzig Jahre in die Zukunft versetzt.

Jetzt gilt es, Henry schleunigst zu verstecken. Denn die beiden wurden von Billy Raven beobachtet, und Charlie hat längst gemerkt, dass mit Billy in letzter Zeit etwas nicht stimmt. Tatsächlich suchen schon am nächsten Tag sämtliche Bloors nach Henry, und natürlich vor allem auch nach der magischen Zeitkugel. Um diese beiden in Sicherheit zu bringen, müssen Charlie und seine Freunde sich ganz schön anstrengen …

Jenny Nimmo baut ihren Zyklus sehr vorsichtig weiter aus. Bei den Charakteren sind drei Neuzugänge zu verzeichnen.

Zunächst natürlich Henry, der gleichaltrige Urgroßonkel. Seine Verwirrung angesichts der fremdartigen Welt, in die er geraten ist, hält sich in Grenzen. Das kommt wahrscheinlich daher, dass ihm als einem Verwandten der Bloors Magie nicht völlig fremd ist. Er weiß, wie die Zeitkugel funktioniert, was ihn aber nicht davon abgehalten hat, trotzdem hineinzuschauen. Kinder sind eben oft einfach noch unvernünftig und die Neugier stärker als die Angst. Insofern ist Henry gut getroffen.

Desweiteren wäre Mrs. Bloor zu nennen. Die Misshandlung und Unterdrückung durch die Familie ihres Mannes, der sie aus reiner Geldgier geheiratet hat, haben aus ihr ein verhuschtes, trübseliges Geschöpft gemacht. Dass aber sogar Manfred mit Begeisterung seine eigene Mutter quält, obwohl er gleichzeitig wohl eine gewisse Zuneigung zu ihr empfindet, zeigt schon einen recht verqueren Charakter! Kein Wunder, dass Mrs. Bloor die unverhoffte Gelegenheit der Zeitkugel nutzt, um schleunigst zu verschwinden!

Der wichtigste Zuwachs ist die Köchin. Eine mütterliche und gleichzeitig resolute Frau, der es ein großes Bedürfnis ist, Kinder zu beschützen, vor allem, wenn sie es schwer haben. Wie zum Beispiel der verfolgte Henry … Dabei bietet sie sogar Manfred die Stirn, was nicht weiter verwundert, denn offenbar ist auch die Köchin sonderbegabt. Sie wohnt in einer kleinen gemütlichen Wohnung innerhalb der Akademie, deren Zugang hinter einem Küchenschrank versteckt ist. Wie weit die Absonderlichkeiten im Hinblick auf diese Frau den Bloors bekannt sind, ist nicht ganz klar, jedenfalls kommt keiner von ihnen auf die Idee, Henry bei ihr zu suchen. Nicht einmal der Hund von Manfreds Großvater ist bereit, sie zu verraten.

In welchem Umfang Henry in den folgenden Bänden noch eine Rolle spielen wird, ist nicht sicher. Zwar ist er noch in Reichweite, aber da er keine Sonderbegabungen hat, gibt es eigentlich keinen Grund mehr für ihn, noch einmal aufzutauchen. Mrs. Bloor hat sich wie gesagt aus dem Staub gemacht.
Der einzige auf Dauer relevante Neuzugang dürfte deshalb die Köchin sein. Die ist aber auch wirklich interessant und ein echter Gewinn. Eine Verbündete innerhalb der Akademie, dann auch noch in einem solchen Versteck und mit einer Sonderbegabung, das klingt vielversprechend!

Auch im Hinblick auf die Handlung und die „Ausstattung“ erfolgte der Ausbau eher zurückhaltend.

Neu ist natürlich die Zeitkugel. Eine nette Idee, die die Handlung für diesen Band gestiftet hat, ähnlich wie der Roboter und der Metallkasten im ersten Teil. Genau wie diese ist auch die Zeitkugel am Ende des Buches wieder verschwunden und macht Platz für einen neuen Handlungsmotor.

Eine nachhaltigere Neuerung ist die Tatsache, dass Charlie inzwischen nicht nur die Leute auf Fotos und Gemälden hören, sondern auch in die Bilder eintreten kann. Er befindet sich dann tatsächlich an dem Ort auf der jeweiligen Abbildung und in Gegenwart der dort anwesenden Personen, die ihn auch wahrnehmen können. Nur der Rückweg bereitet ihm noch ziemliche Schwierigkeiten. Seinen ersten Versuch wagt er mit einem Gemälde, das seine Großmutter Bone absichtlich in der Küche liegen gelassen hat. An sich bereits ein ziemliches Wagnis, wenn man bedenkt, dass diese Großmutter nicht unbedingt seine Freundin ist! Wie war das noch mal mit dem kindlichen Leichtsinn? Trotzdem ist es Charlie gelungen, mit genau dem Werkzeug aus dem Bild zurückzukehren, das er braucht, um Henry zu helfen, anstatt sich von dem Magier im Bild zu einer Dummheit überreden zu lassen. Immerhin!

Das Werkzeug ist die zweite Neuerung, die langfristigere Auswirkungen besitzt. Es handelt sich um einen weißen Zauberstab, der einst einem walisischen Zauberer gehört hat. Jetzt hat Charlie nicht nur seine Sonderbegabung, sondern auch außerhalb dieser Zugriff auf Magie. Zumindest so lange, wie er den Stab vor den Bloors geheimhalten kann.

Die Erweiterung der Rahmenhandlung schließlich kommt sandkörnchenweise daher. Neu sind eigentlich nur der Baum mit den rotgoldenen Blättern, das Café der glücklichen Haustiere und sein Geheimgang in die Ruine des Bloors sowie der Schatten hinter dem Bild des roten Königs im Hausaufgabenzimmer der Sonderbegabten, dem einzigen Bild, das Charlie nicht reden hören kann. Hier lässt die Autorin sich besonders viel Zeit, aber schließlich soll der Rahmen ja wohl noch für einige weitere Bände reichen.

Was den Aufbau der Geschichte angeht, hat sich Jenny Nimmo an ihr Konzept vom ersten Band gehalten. Beschreibungen von Gegenständen und Charakteren oder auch Erklärungen von Funktionsweisen – etwa der Zeitkugel – wurden zugunsten der eigentlichen Handlung eher knapp gehalten. Die Handlung selbst ist nicht mit so vielen Überraschungen gespickt wie im ersten Teil, macht dafür aber einen etwas atemlosen Eindruck, vor allem, weil Henry sich ständig aus seinen Verstecken davonschleicht und jedes Mal entdeckt wird! Charlies Rettungsversuche werden oft genug vereitelt, nicht nur durch Billys Spionage, sondern auch durch die aufmerksame Bewachung, die ihm tagsüber durch Manfred, nachts durch seine Tante Lucretia zuteil wird. So verwundert es nicht, dass Henrys Rettung letztlich außerplanmäßig auf ganz unkonventionelle Weise erfolgt …

Der einzige Knacks, über den ich gestolpert bin, betrifft den Speisesaal. Im ersten Band saßen noch alle im selben Raum, jeder Schulzweig an seinem Tisch. Jetzt erwähnt die Autorin plötzlich einen eigenen Speisesaal für jeden Zweig, und sogar für jeden der drei Speisesääle eine eigene Küche. Wie in diesem Fall allerdings Olivia Manfreds bissige Bemerkung über ihre Haare gehört haben soll, und wo bei einer solchen Aufteilung die Lehrer sitzen, das ist ziemlich unklar. Ich denke aber nicht, dass solche Dinge auch Kindern zwischen acht und zwölf auffallen.

Im Vergleich zu Rowlings Blockbuster, der sich aufgrund der doch recht starken Ähnlichkeiten immer wieder aufdrängt, klingt das alles ziemlich bescheiden. Andererseits hat Charlie Bone am Ende des ersten Bandes gerade mal ein paar Wochen am Bloor verbracht, der zweite Band umfasst nur drei Wochen. Harry hat nach zwei Bänden bereits zwei ganze Schuljahre hinter sich.

Spätestens hier zeigt sich deutlich, dass Charlie Bone für jüngere Kinder geschrieben wurde. Und während Harry seiner ursprünglichen Leserschaft spätestens im fünften Band aus den Schuhen rauswächst, wird Charlie Bone wohl noch länger Kind und damit seinen Fans treu bleiben.

Jenny Nimmo arbeitete unter anderem als Schauspielerin, Lehrerin und im Kinderprogramm der BBC. Geschichten erzählte sie schon als Kind, Bücher schreibt sie seit Mitte der Siebziger. Unter anderem stammt der Zyklus |Snow Spider| aus ihrer Feder, sowie „Im Garten der Gespenster“, „Der Ring der Rinaldi“ und „Das Gewächshaus des Schreckens“. „Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ ist der erste Band des Zyklus |Die Kinder des roten Königs| und hat sie auch in Deutschland bekannt gemacht. Seither sind drei weitere Bände von Charlie Bone erschienen, „… die magische Zeitkugel“, „… das Geheimnis der blauen Schlange“ und im Februar dieses Jahres „… und das Schloss der tausend Spiegel“.

http://www.ravensburger.de

Crossley-Holland, Kevin – Artus – Zwischen den Welten (Band 2)

Band 1: [„Der magische Spiegel“ 2420

_Story_

Es ist erst ein Jahr ins Land gezogen, seit Artus von Merlin den geheimnisvollen Obsidian geschenkt bekommen hat, und dennoch hat sich in dieser Zeit unheimlich viel ereignet. Artus hat über sein gleichnamiges Spiegelbild in der anderen Welt bereits eine Menge in Erfahrung bringen können, versteht aber noch immer nicht ganz die Zusammenhänge, die sich für sein eigenes Leben dadurch ergeben. Gleichzeitig muss er die Wahrheit seiner Herkunft verarbeiten, denn in Wirklichkeit ist Lord Stephen sein leiblicher Vater, wohingegen die Frage nach seiner richtigen Mutter noch geklärt werden muss. Dadurch ergeben sich auch Komplikationen für die vielen Verehrerinnen Artus’; die schwärmende Grace ist aus dem Rennen ausgeschieden, wohingegen mit der rothaarigen Winnie eine neue Bewerberin hinzugekommen ist. Zunächst bleibt Artus von Caldicot allerdings noch seiner derzeitigen Freundin Gatty treu …

Währenddessen ist Artus auf dem Weg zum Ritter ein ganzes Stück weitergekommen; Stephen hat ihn zum Knappen beordert und ihm wichtige Fertigkeiten in seiner Ausbildung zum Schwertkämpfer beigebracht. Gleichzeitig widmet sich Artus aber auch der Poesie, die ihm von seiner Tätigkeit am Hofe auch abverlangt wird. Doch für Romantik ist in Großbritannien nicht mehr viel Zeit; nach der Ära von Richard Löwenherz ist das Reich am Boden und die sind Menschen von Tag zu Tag unzufriedener. Als Papst Innozenz schließlich die Kreuzzüge einberuft, schließt sich Artus seinem Vater an, begleitet ihn nach Frankreich und leistet dort einen Schwur auf das Kreuz ab. Und damit sind seinem Ziel, als tapferer Ritter für sein Land zu kämpfen, kaum noch Hindernisse im Weg.

Zur gleichen Zeit hat Artus aber auch hart an der verbotenen Suche nach seiner Mutter zu knabbern. Er spürt, dass er einem undurchdringlichen Mysterium auf der Spur ist, das mit ihrem Verschwinden in direktem Zusammenhang steht. Weil ihm die Entwicklungen in der Heimat aber keine andere Wahl lassen, stellt er dieses Thema erst mal wieder hinten an. Die Ereignisse, die er im Spiegelstein von Merlin sieht, lassen ihn indes auch bei seinem Aufbruch zu den Kreuzzügen keine Ruhe. Dort nämlich wird ihm zum ersten Mal das Bild einer mächtigen Tafelrunde offenbart, an der auch ein Ritter namens Artus teilnimmt …

_Meine Meinung_

Kevin Crossley-Holland vertieft im zweiten Teil seiner Artus-Trilogie die Geschehnisse in der von Artus erblickten Parallelwelt und führt den jungen Artus immer mehr an sein eigenes Schicksal heran. Ständig wechselt der Autor zwischen der Erzählung der Legende um König Artus und der Entwicklung des schmächtigen Knappen am Hofe von Lord Stephen und hält so in beiden Hauptsträngen die Spannung auf einem konstant hohen Level.

Insgesamt aber ist „Zwischen den Welten“ noch einmal um einiges umfangreicher als der vorangegangene Band, und das nicht etwa nur wegen der etwas größeren Seitenzahl. Crossley-Holland bearbeitet wesentlich mehr Themen und erforscht vor allem die Herkunft des 13-jährigen Artus und die sich daraus ergebenden Konsequenzen etwas genauer. Zudem rückt das Liebesleben des angehenden Ritters etwas weiter in den Vordergrund, zumal hier auch neue weibliche Charaktere, allen voran Stephens Nichte Winnie, in den Plot eingeführt werden und ihn entscheidend verändern. So fühlt sich Artus zwischenzeitlich hin- und hergerissen zwischen der Treue zu seiner derzeitigen Herzensdame Gatty und der Frau, in die er sich bei Ankunft auf dem Hofe des leiblichen Vaters sofort verliebt hat.

Der wichtigste Punkt der Handlung ist aber natürlich die weitere Ausbildung zum Ritter, bei welcher der ehrgeizige Jüngling ein erstaunliches Talent zeigt und dementsprechend auch große Fortschritte macht. Daher sind die Zweifel, die Artus anfangs noch an seinem Zukunftsweg hegte, mittlerweile auch völlig verschwunden, erst recht ab dem Moment, in dem der junge Knappe realisiert, dass ihm die Ehre zuteil wird, als Ehrenmann in die Kreuzzüge aufzubrechen. Der romantische Zwiespalt muss hintanstehen, denn die Verwirklichung der selbst auferlegten Bestimmung ist das Nahziel, und bevor Artus sich versieht, wird ein Traum endlich Wirklichkeit – ähnlich wie beim jungen König Artus, dessen Abenteuer der Sohn des Lords weiterhin durch den Obsidian Merlins beobachtet.

Der Autor hat den Plot nicht nur logisch weiterentwickelt, sondern ihn auch um viele neue Binnenhandlungen bereichert. Die Schwerpunkte werden dabei gleichmäßig verteilt und beschreiben die Hauptperson sowohl in der Rolle des mutigen und wissbegierigen Ritteranwärters, als auch in der Figur des emotionalen Jünglings, der ebenso mit den Schatten der Vergangenheit wie mit den durch die verschiedenen Liebeleien aufgeworfenen Beziehungsschwierigkeiten umgehen muss – und dies alles, während im parallel ablaufenden Strang die Legende von König Artus erzählt wird. Stark gemacht! Wenn man „Zwischen den Welten“ überhaupt etwas anlasten kann, dann ist es der manchmal doch etwas kindliche Stil des Autors, doch weil weder die Atmosphäre noch die Story selber darunter leiden, ist dies kein Nebeneffekt, der nicht zu verschmerzen wäre. Insofern: sehr schöner zweiter Teil einer bis dato herausragenden Jugendbuchtrilogie.

http://www.dtv.de/

Kevin Crossley-Holland – Artus – Der magische Spiegel (Band 1)

Wer sich einmal etwas näher mit der Artus-Sage befasst hat und einen der unzähligen Romane zu diesem bereits unzählige Male verarbeiteten Thema gewälzt hat, wird der Geschichte sicherlich kaum noch etwas abgewinnen können. Schließlich unterscheiden sich die verschiedenen Abhandlungen nur in geringen Details voneinander. Warum also jetzt einen weiteren Anlauf starten, gerade wo die hier vorliegende Auflage in erster Linie auf ein eher jugendliches Publikum zugeschnitten ist? Nun, ganz einfach: Autor Kevin Crossley-Holland betrachtet die Sage aus einer ganz anderen Perspektive und kopiert die vielen Vorlagen nicht blindwegs nach. In seiner mittlerweile schon zum dritten Mal aufgelegten Trilogie (hier erstmals im Taschenbuchformat erhältlich) beschreibt er die Geschichte aus der Sicht des jungen Artus. Und dies liest sich im ersten Band „Der magische Spiegel“ wie folgt:

Story

Kevin Crossley-Holland – Artus – Der magische Spiegel (Band 1) weiterlesen

Seidel, Jürgen – Harry Heine und der Morgenländer

_Der Autor_

Jürgen Seidel, geboren, 1948 in Berlin, lebte nach schulischer und handwerklicher Ausbildung drei Jahre in Australien und Südostasien, bevor er Germanistik und Anglistik studierte und 1984 promovierte. Seither arbeitet er als freier Autor und veröffentlichte Romane, Hörspiele und Rundfunkbeiträge. Bei |Beltz & Gelberg| sind bereits die Romane „Young Nick“, „Pickel“, „Clou & Woyzeck“, „Die Kopfrechnerin“ sowie zuletzt „Das Geheimnis um die Seelenpest“ erschienen.

_Story_

Düsseldorf, 1816: Der Tod der erst 18-jährigen Josefa Edel, genannt Sefchen, versetzt die Düsseldorfer Stadtväter in Panik. Einst haben sie sich selber des Nachts häufig an die junge Dame herangemacht, und nun ist Edel plötzlich tot. Damit erst gar niemand in den Verdacht gerät, mit der Sache in Verbindung zu stehen, wird der Todesfall auch schnell als Selbstmord abgehakt, so dass sich die mächtigen Herren in Sicherheit wiegen können.

Harry Heine und sein Freund Christian Sethe, beide im selben Alter wie die Verstorbene, wollen dem Urteil der Stadtväter aber nicht so recht Glauben schenken. Sie beginnen auf eigene Faust zu ermitteln und entdecken in der Kammer, in der Josefa gefunden wurde, einige Blutspuren, die auf ein Gewaltverbrechen hindeuten. Ihr Handeln bleibt jedoch von den einflussreichen Bürgern der Stadt nicht unbemerkt. Ihr Zorn und die Angst, dass die wahren Hintergründe von Sefchens Tod an die Öffentlichkeit gelangen, wird den beiden Jungen zum Verhängnis. Noch bevor Christian und Harry weitere Nachforschungen anstellen können, begeben sie sich in große Gefahr. Und dabei wollte der junge Heine lediglich ein spannenderes Leben führen als das seines jüdischen Vaters, der seit jeher als Tuchhändler seinen Unterhalt sichert …

Der Verlag |Beltz & Gelberg| scheint ein ausgesprochenes Faible für den berühmten deutschen Dichter Heinrich Heine zu haben. So erschien mit „Heine ist gut“ vor nicht allzu langer Zeit bereits bereits ein Buch, das sich mit dem Werk des einflussreichen Poeten auseinander setzte. Jürgen Seidel hingegen geht bis in die Jugendjahre Heines zurück und beschreibt in „Harry Heine und der Morgenländer“ den Zwiespalt, in dem sich der junge Heine befindet. Obwohl er seinen Vater liebt, möchte er nicht in dessen Fußstapfen treten. Er sieht sich zu Höherem berufen, ist sich aber noch nicht schlüssig, wohin ihn der Weg führen soll.

Daher kommt ihm der Fall mit der offenbar ermordeten jungen Frau gerade recht. Heine und sein Freund Christian vermuten, dass sich in den einflussreichsten Kreisen der Stadt Düsseldorf Geheimnisvolles abspielt und Josefa Edel lediglich das Opfer gemeiner, hinterhältiger Intrigen geworden ist. Jedoch fehlt es den beiden zunächst an Beweisen, so dass vor allem Heine seiner Phantasie freien Lauf lassen und sich nicht nur als Ermittler behaupten kann. Sein Gespür und sein Scharfsinn bringt das Ermittlerduo schließlich auch auf die richtige Fährte, gleichzeitig aber auch in große Gefahr.

Nicht nur einmal bekommen Christian und Harry zu spüren, dass der Einfluss der Obersten noch weiter reicht, als diese sich das ausgemalt hätten. Und damit wird Harrys gedanklicher Zwiespalt noch größer: Ist er wirklich zum Abenteurer berufen? Gibt ihm seine weit reichende Phantasie tatsächlich die Bestätigung, ein Leben als Dichter zu führen? Oder sollte er doch besser ein herkömmliches Leben als Kaufmann führen?

Jürgen Seidel hat in diesem Roman zwei sehr schön miteinander harmonierende Handlungsstränge aufgebaut, bei denen vor allem der Charakter des jungen Heine sehr schön herausgebildet wird. Harry ist ein sehr gebildeter Junge und in vielerlei Hinsicht ein Naturtalent, dem nur manchmal das erforderliche Selbstvertrauen fehlt. Dies jedoch kann er im Zuge des ‚Kampfes‘ gegen die Stadtväter mehr und mehr für sich beanspruchen. Er wird zielstrebiger und entscheidungskräfiger, entschlossener und in seiner Position stärker und kann sich letzten Endes sowohl gegen die eigenen Zweifel als auch gegen die mächtigen ‚Gegner‘ durchsetzen.

Die zweite Handlungseinheit besteht natürlich aus dem Kriminalroman an sich, und auch hier hat der Autor in der Kürze der Seitenzahl ganze Arbeit geleistet. „Harry Heine und der Morgenländer“ liegt ein sehr schöner Spannungsaufbau zugrunde, der mit Highlights und geschickten Wendungen nicht geizt. Man hat zwar eine gewisse Vorahnung, was die Entwicklung und die von Heine und Sethe ersuchte Wahrheit anbelangt, doch man kann sich trotz allem nie sicher sein, ob Seidel den gradlinigen Ablauf der Geschichte nicht urplötzlich durch eine überraschende Richtungsänderung unterbricht.

Hierbei wird allerdings auch klar, dass der Autor trotz des historischen Hintergrunds ganz klar ein jugendliches Alter mit diesem Buch anvisiert. Es geht nämlich auch hier um den so oft zitierten Kampf zwischen Bürgertum (verkörpert durch die dementsprechend junge Figur des Harry Heine) und Machthabenden (hier durch ein bekanntes Gremium wie die Stadtobersten vertreten), der durch seine etwas vereinfachte Darstellung auch für jüngeres Publikum bestens geeignet ist. Zudem sind die beiden Jugendlichen, die sich hier den Stadtvätern widersetzen, natürlich tolle Identifikationsfiguren und in ihrem Handeln auch echte, waghalsige Helden, die sich durch nichts wirklich einschüchtern lassen.

Im Grunde genommen spricht Jürgen Seidel mit „Harry Heine und der Morgenländer“ aber mehrere Generationen an; die einen werden sich lediglich an der Kriminalgeschichte laben, die anderen werden die Vermischung aus fiktiver Erzählung und historischen Fakten genießen. Und aus diesem Grunde kann man dem Autor auch nur dazu gratulieren, ein schönes, spannendes, buntes und hinsichtlich der Dramaturgie ziemlich kompaktes Buch geschrieben zu haben, das ich an dieser Stelle auch nur weiterempfehlen kann!

|Empfohlen ab 14 Jahren|
[Beltz: Gulliver]http://www.beltz.de/gulliver/index.htm

Blazon, Nina – Bund der Wölfe, Der

Nina Blazon war bisweilen nur als Fantasyautorin (und Wolfgang-Hohlbeinpreisträgerin) bekannt, doch mit „Der Bund der Wölfe“ gibt die Stuttgarterin ihr Thrillerdebüt.

Auch dieses Mal schreibt sie für Jugendliche. Blanka, die sechzehnjährige Protagonistin, bekommt ein Stipendium für eine hochangesehene Europa-Schule, in der sich Schüler aus ganz Europa tummeln. Trotz der Modernität hat sich seit dem Mittelalter eine Verbindung namens „Die Wölfe“ gehalten, ältere Schüler, die Blanka von Anfang an nicht besonders zu mögen scheinen. Als sie Opfer einer Mutprobe wird, stößt sie auf eine Frau, die wegen eines Treppensturzes gestorben ist. So sagt es jedenfalls die Zeitung, denn Blanka ist fest davon überzeugt, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Im Internat trifft sie allerdings nur auf verschlossene Ohren. Dort möchte niemand etwas von einem Mord wissen. Nur Niklas, ein Student der nahen Universität, glaubt ihr, denn auch er hat seine Probleme mit den Wölfen. Genau wie bei Blanka verschwinden seine Arbeitsblätter, Noten werden gefälscht und er wird bedroht. Zusammen kommen sie einer Verschwörung auf die Spur, die ihre Wurzeln im Mittelalter hat und die, wie es scheint, mehr mit Blanka zu tun hat, als sie ahnt …

Mit der Erzählperspektive eines gewissen „Es“ schafft Blazon es gleich zu Anfang, eine gewisse Spannung aufzubauen, die im Laufe des Buches wieder etwas abflacht. Trotz einiger Actionelemente ist der Plot stellenweise sehr zäh, da er viel Zeit mit Blankas trockenen Recherchen zu den Hexenprozessen verliert. Zudem fehlt ein authentischer Auslöser, wieso Blanka überhaupt mit den Ermittlungen beginnt. Die bloße Ahnung, dass an diesem Fall etwas nicht stimmen kann, reicht nicht aus, wenn man bedenkt, dass Blanka sich auch sonst sehr von ihrer Umwelt abschottet. Hinzu kommen einige voreilige Entschlüsse und Ungereimtheiten, die nicht ganz in die sonst glatte Struktur der Handlung passen wollen. Denn allen Kritikpunkten zum Trotz ist „Der Bund der Wölfe“ ein richtiger Pageturner.

‚Schuld‘ daran ist Blazons fantastischer Schreibstil, der mich schon in ihren Fantasybüchern gefesselt hat. Man merkt, dass sie als Journalistin arbeitet, denn sie besitzt die großartige Fähigkeit, mit sehr wenigen Worten einen Sachverhalt punktgenau darzustellen. Das fällt vor allem immer wieder in Bezug auf ihre Beschreibungen von Schauplätzen und Zuständen auf.

|“An ihrem Leseplatz in der Bibliothek hatte Blanka ein Gebirge von Büchern aufgebaut. Zwischen den Seiten ragten gelbe Post-its hervor.“| (Seite 58)

|“Blanka kam es so vor, als würde ihre Mitbewohnerin den Geruch nach Magnesiumpulver und dem abgegriffenen Leder der Bälle aus dem Sportraum noch mit sich tragen.“| (Seite 31)

Die Autorin benutzt für derartige Schachzüge ab und an eine sehr bildreiche Sprache, die mich in ihren Fantasyromanen oft gestört hat, doch in „Der Bund der Wölfe“ trifft sie mit ihren Metaphern und Vergleichen zumeist zielsicher ins Schwarze.

|“Frau Lallemande runzelte die Stirn. Blanka hatte das Gefühl, dass sie ihre Worte analysierte, sie in Gedanken gegen das Licht hielt und hin und her wendete wie ein Arzt, der ein Röntgenbild betrachtet.“| (Seite 20)

Das Gleiche gilt für die Beschreibungen der Charaktere, die allesamt sehr gut und sehr tief ausgearbeitet sind. Sie wirken authentisch und nicht stereotyp und sind trotz ihrer Schwächen sympathisch. Blanka ist zum Beispiel eigentlich eine Streberin. Sie ist sehr zielstrebig, was ihren späteren Traumberuf Psychologin angeht, und geht dafür im übetragenen Sinne über Leichen. Aufgrund eines Geheimnisses in ihrer jüngsten Vergangenheit benimmt sie sich sehr schroff und abweisend gegenüber ihren Mitmenschen und schafft sich mit ihrer bissigen Schlagfertig nicht nur Freunde.

Doch ein hervorragender, nüchterner Schreibstil und gut ausgearbeitete Figuren machen noch lange kein gutes Buch. Zwar ist die Handlung eine geradlinige Angelegenheit, doch einige kleine Fehler wie die Ungereimtheiten und die zähen Längen, die durch Blankas Nachforschungen in Büchern entstehen, sorgen dafür, dass sie qualitätstechnisch nicht über den Durchschnitt hinauskommt. Trotz allem hat Nina Blazon allerdings gezeigt, dass sie nicht nur Fantasy, sondern auch Realitätsliteratur schreiben kann, ohne die beiden Genres dabei in irgendeiner Weise zu vermischen. Einziger gemeinsamer Nenner bleibt ihr hervorragender Schreibstil.

http://www.patmos.de

Tonke Dragt – Das Geheimnis des siebten Weges

Bei meiner Recherche zu diesem Titel habe ich erfahren, dass es seinerzeit bereits eine TV-Serie namens „Das Geheimnis des siebten Weges“ gegeben haben muss. Keine Stunde später erzählte mir mein Bruder, dass er die Serie damals im Ersten Deutschen Fernsehen gesehen hat und recht begeistert war. Für all diejenigen, die das damals verpasst haben, trotzdem aber interessiert sind, gibt es nun zwei Möglichkeiten. Entweder man schreibt sich im Internet auf der TV-Wunschliste für diese Serie ein und wartet oder man wählt die schnellere Variante und greift nun das gleichnamige Hörbuch ab, in dem die Geschichte um den beliebten Lehrer Franz van der Steeg neu belebt wird.

Story

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Joseph Delaney – Spook – Der Schüler des Geisterjägers

Geschichten über Zauberer, Magie und unheimliche Wesen sind am Kinder- und Jugendbuchmarkt der Renner – spätestens seit ein gewisser Harry Potter, besenschwingender Zauberernachwuchs, die Bestsellerlisten unsicher macht. Wem Harry Potter noch nicht gruselig genug ist, der sollte einmal Tom Ward bei seinem ersten Abenteuer begleiten. Tom ist ein junger Auszubildender. Das mag im ersten Moment sterbenslangweilig klingen, aber Tom ist nicht irgendein Auszubildender in irgendeinem Durchschnittsberuf.

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