Archiv der Kategorie: Skurriles & Satirisches

Jacobs, A. J. – Britannica & ich

In der Mitte seiner Dreißiger zieht Arnold Jacobs, recht erfolgreicher Redakteur bei einer Zeitschrift für Popkultur, glücklich verheiratet und auf Nachwuchs hoffend, Bilanz. Er kommt zu dem erschreckenden Ergebnis, dass er sich zumindest intellektuell bereits auf dem absteigenden Ast befindet. Ein heroisches Projekt soll ihm die geistige Überlegenheit zurückbringen, die er, der einstige Philosophie-Student, seit jeher für sich gepachtet zu haben glaubt: Jacobs will sich durch die 32 Bände der „Encyclopaedia Britannica“ arbeiten. Dieses Lexikon gilt als qualitätvollste Sammlung der Erkenntnisse, die sich der Mensch bis heute aneignen konnte. Auf 33.000 eng bedruckten Seiten wird es in 65.000 Artikeln präsentiert – ein Opus manifestierten Wissens, das 44 Millionen Wörter umfasst.

Anderthalb Jahre dauert es, bis Jacobs sein Lektürepensum hinter sich gebracht hat. Was ihm bei seiner Expedition durch die „Encyclopaedia Britannica“ besonders in die Augen sticht, gibt er an uns, seine Leser, weiter. Dabei zitiert er nicht, sondern gibt das Erlernte in eigenen Worten wieder. Jacobs liest aber nicht nur, sondern hält darüber hinaus fest, was er erlebt, wenn er sein Lager verlässt. Er verbirgt sich nicht im stillen Kämmerlein, sondern informiert die Menschen in seiner Umgebung über seinen Plan, provoziert sie regelrecht damit und registriert deren Reaktionen, die vom fassungslosen Staunen bis zum kaum verhohlenen Stirntippen mit dem Zeigefinger reichen. Begeisterung oder offenen Zuspruch findet Jacobs nirgendwo. Selbst diejenigen, die seine Beweggründe nachvollziehen können, warnen ihn: Intelligenz und Wissen seien nicht identisch. Beide sind zwar auf einer bisher nicht wirklich erfassten Ebene miteinander verzahnt, doch sie müssen nicht zwangsläufig zusammenwirken.

Jacobs lässt sich nicht einschüchtern. Er geht seinen Weg, erlebt die Freuden, die das Lernen bringen und aus dem sich eine regelrechte Sucht entwickeln kann, ebenso intensiv wie die (genussvoll) ausgemalten Schattenseiten: die Einsamkeit des Studierens, die Langeweile angesichts wüstentrockener Themen, die Frustration im Angesicht der schieren Informationsmassen, die zudem einfach nicht im Gedächtnis haften bleiben wollen.

Die „Britannica“ wird ein fester Bestandteil von Jacobs‘ Alltag. Er integriert sie nicht nur, sie beginnt sogar sein Leben zu bestimmen. Jacobs bemerkt tatsächlich ein Zunehmen seines Wissen. Vor allem wächst sein Selbstvertrauen. Schließlich geht es sogar das Wagnis ein, sich zur US-Version von „Wer wird Millionär?“ anzumelden. Der Weg auf den „heißen Stuhl“ vor den TV-Kameras gestaltet sich komplizierter als gedacht. Als die damit verbundenen Hürden endlich aus dem Weg geräumt ist, muss Jacobs eine unerfreuliche Entdeckung machen: Sein mit Wissen vollgestopftes Hirn verweigert ihm den Dienst. Er versagt schmählich und muss sich letztlich doch der Frage stellen, welcher Sinn hinter seinem „Britannica“-Marathon steckt.

Freilich ist diese Frage wohl eher rhetorisch gemeint. Hat Jacobs wirklich gedacht, die Lektüre der „EB“ würde ihn zum „Know-It-All“ und „klügsten Menschen der Welt“ machen? (So lauten der Originaltitel bzw. der deutsche Untertitel.) Sicherlich nicht, denn auch ihm wird klar gewesen sein, welche Kreatur einer solchen Tortur viel besser als jeder Mensch gewachsen wäre: ein Papagei mit Festplatte im Hirn.

Vor der schieren Wucht der „EB“-Informationen – die letztlich auch nur eine Auswahl dessen umfassen, was der Mensch insgesamt an Erkenntnissen gewonnen hat – muss das Menschenhirn kapitulieren. Es ist auch nicht seine Aufgabe, als reiner Wissensspeicher zu funktionieren. Wie Autor Jacobs schmerzlich erfahren muss, lässt es sich auch nicht darauf trimmen, Informationen auf Abruf bereitzuhalten. Das Gehirn ist ein Organ, das mit dem „Mut zur Lücke“ vorzüglich seinen Dienst leistet. Diese Lücken lassen sich in Zahl und Breite vermindern, aber niemals gänzlich und auf Dauer füllen.

Doch diese Argumentation weist in eine Richtung, die uns weit fort führt von dem, was „Britannica & ich“ eigentlich vermitteln soll. Jacobs hat kein Sachbuch geschrieben – eine zunächst verblüffende Tatsache, weil das umfangreichste Lexikon der Welt thematisiert wird, aus dem der Autor ausgiebig zitiert. Halt, schon das ist so nicht richtig: Jacobs paraphrasiert wie schon gesagt, was er in der „EB“ gelesen hat, d. h. er gibt es mit eigenen Worten wieder. In einem weiteren Schritt kommentiert er die ausgesuchten Artikel. Paraphrase und Kommentar sind nicht in sachlichem Ton gehalten, sondern werden in humorvoller Weise dargestellt. Das kann recht komisch sein, muss aber und ist es leider oft auch nicht („Gymnasium: Die wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen lautet ‚Anstalt für Leibesübungen mit nacktem Körper‘. Weshalb es sich umso dringender empfiehlt, den Hometrainer vor Gebrauch gründlich abzuwischen.“ – S. 140). Jacobs benutzt die „EB“ im Grunde nur als Steinbruch. Hier findet er das Material, aus dem er sein eigentliches Produkt herstellt: die geistvoll-witzige Plauderei über eine Tätigkeit, welche bei nüchterner Betrachtung ebenso „nützlich“ ist wie der Versuch, möglichst viele Studenten in einen |VW Käfer| zu stopfen.

Es brauchte kein „Experiment“, um wie Jacobs zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Lektüre der „EB“ dich nicht klüger macht. Doch sein Unternehmen verschaffte ihm, was er dringender suchte: das Thema für ein Buch, mit dem sich Aufmerksamkeit erregen ließ. Jacobs schreibt u. a. Kolumnen, in denen er sich über die Absurditäten einer zunehmend trivialisierten Welt auslässt. Er ist also sein Job, witzig zu sein. Hier übt er ihn eben in Buchform aus.

Dabei wird auch das verfasserliche Privatleben einbezogen. A. J. Jacobs ist anscheinend ein Mensch, dem ständig seltsame und komische Dinge zustoßen. Auch hier greift das Stilmittel der Überspitzung, denn seltsam und komisch sind die geschilderten Ereignisse primär, weil Jacobs sie als geschickter Humorist dazu macht. Zwar fließen durchaus ernsthafte Erfahrungen ein. Jacobs‘ Verhältnis zu seinem Vater wird offenbar von einem lebenslangen Minderwertigkeitskomplex geprägt. Der Senior, ein berühmter Jurist, ist tatsächlich ein kluger Mann, der das auch im Alltag lebt und zumindest in der juristischen Welt tiefe Fußstapfen hinterlassen hat. Intellektuell ist ihm der Junior nicht gewachsen. „Britannica & ich“ stellt auch Jacobs‘ Versuch dar, mit sich und dem Vater ins Reine zu kommen. Der US-amerikanische und damit zwangsneurotisch optimistische Grundtenor dieses Buch lässt dies selbstverständlich mit einem Happy-End enden.

Das gilt auch für das zweite Problemchen, mit dem Jacobs die „Rahmenhandlung“ von „Britannica & ich“ unterfüttert. Ausführlich schildert er, wie er und seine Gattin Julie erfolglos ein Kind in die Welt zu setzen versuchen. Weil er immer wieder darauf zurückkommt, muss ihn das während seiner „EB“-Lektüre wirklich beschäftigt haben. (Ob das auf seine Leser ebenfalls zutrifft, fragt er sich leider nicht.) Doch umgehend werden wieder Witzchen gerissen, auf dass bloß kein Trübsinn aufkommt. Dies würde auch gar nicht zur Story passen, in der Jacobs seiner Julie eine fixe Rolle zugewiesen hat: Während er den halbwegs lebensuntauglichen Luftikus mimt, gibt sie die kluge, geduldige, ironisch kommentierende Frau an seiner Seite, die ihn immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Kein Wunder, dass sich Julie sowie die zahlreichen weiteren Mitglieder des Jacobs-Clans, die immer wieder Erwähnung finden, nicht gegen ihren „Auftritt“ in „Britannica & ich“ sträubten – sie haben mit den realen Personen sicherlich wenig gemeinsam.

Nein, „Britannica & ich“ ist – ich habe es nun schon mehrfach angesprochen – nichts als ein mehr als 400-seitiger Spaß. Als solcher funktioniert er, denn Jacobs beherrscht den unverbindlichen Plauderton, der unabhängig vom gewählten Thema unterhält. Man liest dieses Buch einfach gern, amüsiert sich oft und sieht gnädig über die nicht gerade zahlenarmen humoristischen Rohrkrepierer hinweg (oder schiebt sie auf die – insgesamt freilich gelungene – Übersetzung; auf S. 180 lese ich allerdings „Du weißt wohl doch nicht alles, was, Cliff Calvin“? Richtig muss es „Cliff Clavin“ heißen, und dies ist der ewig besserwisserische Postbote aus dem US-Sitcom-Klassiker „Cheers“). Und sobald das (in seiner deutschen Ausgabe „Britannica“-würdig mit Goldschnitt geschmückte) Buch zugeschlagen ist, ergeht es einem wie dem Verfasser mit der „EB“: Was man gelesen hat, ist schon wieder aus dem Gedächtnis entwichen – das untrügliche Zeichen dafür, dass es wohl nicht so wichtig war …

Arnold Stephen Jacobs, jr., wurde am 20. März 1968 in New York geboren. Er studierte an der Brown-Universität Philosophie. Nach seinem Abschluss arbeitete er für diverse Zeitschriften und schrieb u. a. eine Kolumne für „Entertainment Weekly“, in welcher er sich über Phänomene der modernen Popkultur ausließ. Zurzeit ist er leitender Redakteur beim „Esquire“. Mit seiner Gattin Julie Schoenberg und seinem Sohn Jasper lebt Jacobs weiterhin in New York. Über sein Werk informiert (inklusive Blog) die Website http://www.ajjacobs.com. Dort erfahren wir u. a. von seinem aktuellen Projekt: Für ein geplantes Buch mit dem Titel „A Year of Living Biblically“ will Jacobs ein Jahr streng nach den Vorschriften der Bibel leben – im 21. Jahrhundert wird sich dabei sicherlich ebenso viel Stoff für ein Buch finden lassen wie für „Britannica & ich“ …

http://www.ullsteinbuchverlage.de/listhc/

Douglas Adams – Der elektrische Mönch (Dirk Gently’s Holistische Detektei 1)

Das alltägliche Leben einiger Einwohner von Cambridge gerät durch seltsame Ereignisse aus den Fugen: Geschäftsmann Gordon Way wird von einem Unbekannten, der sich im Kofferraum seines Wagens versteckt hat, mit seiner eigenen Flinte erschossen. In Verdacht gerät sein Mitarbeiter Richard MacDuff, der als Programmierer mit seiner Arbeit stets in Verzug ist. Richard wendet sich an einen Bekannten aus der Collegezeit, Privatdetektiv Dirk Gently, um von ihm Hilfe bei der Aufklärung des Falles zu erhalten. Gently arbeitet holistisch, d. h. er glaubt bei allem an die grundsätzliche Verknüpfung der Dinge untereinander. Ihm wird schnell klar, dass ein Geist hinter diesem Mord und anderen seltsamen Vorkommnissen in Richards Leben steckt. So schleppt er den perplexen Richard mithilfe einer Zeitmaschine mit bei seinen unkonventionellen Ermittlungen, die durch die Zeit und zu diversen Orten rund um den Globus führen. Durch alle möglichen Szenarien irrt dabei ein elektrischer Mönch, der andauernd etwas anderes glaubt, mit seinem Pferd …

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Burgwächter, Till / Oidium, Jan – Wahrheit über Fußball, Die

_Hintergrund_

Auch nach der Fußball-WM ist das Thema Fußball in Deutschland populärer denn je. Zeit also, einmal die wahren Hintergründe des einflussreichen Ballsports zu beleuchten, Zeit für eine etwas exklusivere Berichterstattung, in der Dunkelziffern aufgedeckt, Scheinrealitäten analysiert und jahrelange Unzulänglichkeiten zum ersten Mal unverblendet ans Tageslicht gebracht werden. Denkt zumindest Till Burgwächter, der sich bereits seit einiger Zeit mit der Materie befasst und auf satirisch-kritische Art die echten Phänomene der Lieblingsbeschäftigung vieler Deutschen hinterfragt hat.

_Meine Meinung_

Welcher Zeitpunkt wäre für Burgwächters Reportage wohl besser gewesen als der jetzige? Die Euphorie der Weltmeisterschaft ist noch immer nicht gänzlich abgeklungen, so dass der bissige Satiriker mit diesem Buch mitunter Leute erreichen wird, die im Regelfall nicht zur Zielgruppe des einschlägig bekannten Lästermauls gehören. Dieses Mal jedoch ist sein Humor noch persönlicher, soll heißen, Burgwächter agiert noch um ein Vielfaches angriffslustiger, wohl wissend, dass er hier vielen Leuten aus der Seele spricht, die mit dem Verein oder Spieler xy spinnefeind sind und sich in ihrer Rolle dadurch noch bestätigt fühlen. Ist ja auch cool, mal wieder gegen den FC Bayern zu lästern, die wirtschaftliche Misere von Borussia Dortmund an den Pranger zu stellen oder die alten Klischees zu Skandalclubs wie Hansa Rostock und dem FC St. Pauli zu beleben. Aber bis hierhin ist „Die Wahrheit über Fußball“ auch noch nichts Besonderes. Interessanter wird das Buch indes, wenn Burgwächter, der sich übrigens einmal mehr von Jan Oidium mit einigen witzigen Karikaturen unter die Arme greifen ließ, seine Lästerzunge zu altbekannten Helden der deutschen Fußballgeschichte in Bewegung setzt und sich dabei über die Eskapaden von Leuten wie Mario Basler und Stefan Effenberg ebenso lustig macht wie über das optische Erscheinungsbild von Koryphäen wie Günther Netzer und Paul Breitner. Desweiteren werden hier Namen wie Matthäus, Völler und Klinsmann durch den Kakao gezogen, dies jedoch mit einem erstaunlichen Hintergrundwissen, das entweder auf lange Recherche oder aber doch ein eigenes fundiertes Wissen schließen lässt. Zumindest liefert Burgwächter abgesehen von seiner wirklich manchmal überzogen bissigen Art kaum Angriffsfläche, was die faktische Nachvollziehbarkeit seiner Texte anbelangt. Der Mann kennt sich aus und baut seine Spötteleien stets auf tatsächlichem Basiswissen auf, was den Inhalt einerseits noch brisanter erscheinen lässt, den Autor andererseits aber auch in Sicherheit wiegt, denn auch wenn er manchmal ziemlich Heftiges vom Stapel lässt, so erzählt er doch nichts, was man ihm im Nachhinein als Produkt seiner eigenwilligen Phantasie anlasten könnte.

Der Punkt, in dem sich Burgwächter über die Spieler auslässt, ist dann aber auch schon der Höhepunkt dieses kurzweiligen Buches, was aber auch daran liegen mag, dass er hier auf Geschichten zurückgreifen kann, die eine ganze Menge Potenzial für pointierte Reflektionen bieten. Im nachfolgenden Kapitel, in dem dann die verschiedenen Vereine ihr Fett wegkriegen, spielen sich zwar ähnliche Szenen ab, weil der Autor sich dabei aber recht deutlich auf bereits mehrfach erwähnte Fakten, nennen wir sie mal Klischees, bezieht, ist deren Humorpotenzial nicht mehr ganz so groß wie im vorangegangenen Abschnitt. Wenn Burgwächter über graue Mäuse wie den VFL Wolfsburg, Arminia Bielefeld oder den MSV Duisburg ablästert, ist das nett zu lesen, aber nicht sonderlich einfallsreich, schließlich sind Witze auf Kosten dieser Vereine in den Stadien an der Tagesordnung. Zumindest versucht der Verfasser der verschiedenen Artikel, durch das Einbringen seiner eigenen Meinung ein paar neue Pulverfässer zu verteilen, aber wirklich begeisternd ist diese Episode von „Die Wahrheit über Fußball“ dann nicht.

Was folgt, sind leider mehrfache Hochs und Tiefs, angefangen beim peinlichen Rundumschlag „Stad(t)ionen“, in dem Burgwächter die Gelegenheit nutzt, und sich einfach noch mal kurz und bündig über die verschiedenen Spielstätten und –städte zu äußern, was aber letztendlich mehr oder weniger dazu dient, den Umfang des Buches etwas aufzustocken. Es geht immer noch sehr derbe weiter, aber es will irgendwie nicht so recht mit den übrigen Berichten harmonieren, die sich im weitesten Sinne ausschließlich mit dem runden Leder und seinen Protagonisten befassen. Glücklicherweise bekommt der Mann später wieder rechtzeitig die Kurve und verliert noch einige unterhaltsame Worte über die Nationalmannschaft sowie größere Skandale dieses Sports, so zum Beispiel in einem exklusiven Kapitel über einen gewissen Herrn Hoyzer, der sich neben seinem Schiedsrichterdasein vor einiger Zeit auch noch durch einige unlautere Aktionen bereichern wollte. So was darf natürlich von Burgwächter nicht ungeahndet bleiben, wobei auch hier gilt: Bei aller groben Stänkerei beruht auch hier der grundsätzliche Inhalt ausschließlich auf real geschehenen Ereignissen.

Nun, nach 120 Seiten voller übler Nachrede und niederträchtiger Anklage ist’s dann aber auch genug. Burgwächter hat die Zwerchfelle seiner Leser bisweilen ausschweifend beanspruchen können, dabei aber zwischendurch die Formel „weniger ist manchmal mehr“ außer Acht gelassen. Gerade in Kapiteln wie „Stad(t)ionen“ läuft die Sache nämlich aus dem Ruder und geht ausnahmsweise mal auf Kosten des Lesers, der ein wenig aussichtslos nach neuen humoristischen Formeln verlangt. Bekommt er aber nicht, bis Burgwächter sich dann in einem seltsamen Interview doch noch einmal von dem sich wiederholenden Schema abgrenzt und plötzlich auch wieder witzig ist.

Bevor jemand dies aber in den falschen Hals bekommt: „Die Wahrheit über Fußball“ ist über große Strecken ein gelungenes und auch tatsächlich sehr lustiges Buch und gefällt vielleicht gerade deswegen, weil hier kein Blatt vor den Mund genommen wird und sich der Autor herausnimmt, kompromisslos drauflos zu wettern. Und weil der Mann aufgrund seiner lockeren, unkomplizierten Art auch zu derjenigen Spezies gehört, die sich das auch erlauben darf, schlägt das Buch in eine ähnlich ansprechende Kerbe wie einst [„Die Wahrheit über Wacken“, 1589 Burgwächters bislang beste Veröffentlichung. Abseits von Floskeln wie „wer Burgwächter mag, wird ‚Die Wahrheit über Fußball lieben'“, möchte ich daher auch mal jeden Einzelnen, der den bedenklichen Entwicklungen in unserem Lieblingssport ebenfalls kritisch gegenübersteht, auf diese nette kleine Broschüre aufmerksam machen. Solange man nämlich immer noch drüber lachen kann, ist doch alles in Butter. Nicht wahr?

http://www.oidium-verlag.de/

Hacke, Axel – kleine Erziehungsberater, Der. Mit Bildern von Michael Sowa

Auf den ersten Blick: ein Buch über eine bundesdeutsche Familie, die ein Reihenhaus in einem Vorort von München bewohnt … Der Kulturschock ist vorprogrammiert, gerade auch deshalb: Es soll um Erziehung gehen!

Doch der erste Blick trügt, denn Axel Hacke, ein auf allen Ebenen überforderter Vater, den man wohl früher ein „stolzes Familienoberhaupt“ genannt hätte, weiß seinen Alltag in über einem Dutzend kurzen Anekdoten ganz vortrefflich zu beschreiben. Da bleibt kein Auge trocken!

„Der kleine Erziehungsberater“ liefert jedoch nicht nur Anlass zur köstlichen Unterhaltung, sondern malt ein ausgesprochen realistisches Bild von Kindererziehung. Eines, das die Rolle „Kind“ und „Erziehungsberechtigter“ mitunter stark zu verwischen in der Lage ist. Im nervenaufreibenden Spannungsfeld aus Autorität, Laissez-faire, Resignation und der schmerzlichen Erfahrung seitens der Eltern, dass die illusionäre Vorstellung eines unfehlbaren Vaters endlich überwunden ist, wachsen Hackes Kinder in einem reflektierten und liebevollen Familienumfeld auf – so scheint es zumindest.

„Der kleine Erziehungsberater“ ist eine unterhaltsame Lektüre, die im Gegensatz zu Super Nanny & Co. einen lohnenden Beitrag zu Kindererziehung leisten kann. Denn Lachen hat noch nie geschadet!

http://www.kunstmann.de/

Croix, Guillaume de la – Wie Tom Cruise mein Leben stahl

|“Du sollst zittern, kleiner Tom. Ich kenne das schreckliche Geheimnis, das du hinter deinem legendären Ultrabright-Lächeln und deiner fetten Sonnenbrille verbirgst. Ich weiß noch nicht, wie du es geschafft hast, aber denk nur nicht, dass du so einfach davonkommst, du Mistkerl. Du bist schuldig, und du wirst bestraft werden. Heute steht dein Name für Ruhm und Geld, morgen aber ruft er nur noch Wut und Ekel hervor. Man streicht ihn von allen Plakaten und aus allen Vorspannen der Filme, in denen du mitgespielt hast. Selbst deinen Bronzestern am Hollywood Boulevard wird man herausreißen. Was für ein Niedergang! Was für ein tragisches Ende für einen Mann wie dich, der vor Geld und Berühmtheit nur so zum Himmel stinkt!“|

Mit diesen Worten beginnt Guillaume de la Croix‘ Abrechnung mit Tom Cruise, der dem französischen Autor das Leben gestohlen hat. Das Leben gestohlen? Wie soll das denn gehen? Eine gute Frage, die ich mir vor dem Buchkauf auch gestellt habe, um sie von de la Croix beantwortet zu bekommen, doch Fehlanzeige. Um diese Frage laviert sich der Autor geschickt herum. Mag diese Frage auch der Aufhänger für viele Buchkäufer gewesen sein, so stellt der Leser dann fest, dass es in diesem Buch vordergründig doch um ganz etwas anderes geht als um den Diebstahl fremden Lebens, wie auch immer dieser vonstatten gehen mag.

Doch Guillaume de la Croix‘ Rache ist mit dieser Drohung noch lange nicht beendet. Als der etwas übergewichtige französische Autor im Fernsehen Tom Cruise sieht, fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Tom Cruise ist |er|, der berühmte Hollywood-Star hat ihm, dem unbekannten und bemitleidenswerten Guillaume de la Croix, das Leben gestohlen! De la Croix beschließt, den berühmten Schauspieler vor Gericht anzuklagen. Als Tom Cruise den besten Anwalt Hollywoods engagiert und de la Croix‘ Anwalt darauf besteht, eine dubiose Astrologin als Zeugin der Anklage aussagen zu lassen, sieht de la Croix seine Felle schwimmen. Als jedoch überraschend Gott als Zeuge gegen Cruise aussagt, ist das Urteil gefällt. Tom Cruise verschwindet fortan in der Versenkung, während bei Guillaume de la Croix schon bald Steven Spielberg anklingelt, um dem neuen Star Hollywoods zu seiner ersten Filmrolle zu verhelfen.

Für Guillaume de la Croix beginnt eine scheinbar wunderbare Zeit, er wird der bekannteste Schauspieler Hollywoods. Bis auf eine Ausnahme sackt er jedes Jahr den Oscar für den besten männlichen Hauptdarsteller ein, in einem Jahr sogar den Oscar für die beste weibliche Hauptdarstellerin, als er einen Transvestiten spielt. De la Croix räumt in Hollywood ab, was es abzuräumen gibt. Im Buch abgedruckt sind bereits einige Zeitungszitate von Guillaume de la Croix, die seine unglaubliche Popularität dokumentieren, und auch Bildunterschriften, die im Laufe der kommenden Jahre vom Leser mit den entsprechenden Zeitungsfotos zu ergänzen sind.

Je weiter die Handlung fortschreitet, umso abstruser werden die Dinge, die uns Guillaume de la Croix zu präsentieren hat. Sein Ruhm erreicht bislang unbekannte Grenzen, er kann jede Frau haben, die er sich wünscht und hat trotzdem eine liebende Frau an seiner Seite, die bis zuletzt zu ihm hält. De la Croix wird so berühmt, dass sogar Kaugummi mit dem mutmaßlichen Geschmack seines Spermas produziert wird. Doch zum Ende hin muss der Star erkennen, dass Ruhm und Popularität vielleicht doch nicht alles sind. Besonders bitter fällt Guillaume de la Croix‘ zweites Treffen mit Gott aus, als er erfährt, was eigentlich wirklich gespielt wurde. Mit diesem Ende hatte wohl niemand gerechnet, schon gar nicht de la Croix, der diesen Schlag erst einmal zu verdauen hat …

Als hätte es Guillaume de la Croix geahnt, erscheint seine „Lebensbeichte“ zu einer Zeit, in der Tom Cruise fast ausschließlich negative Schlagzeilen schreibt und kurz vor seinem Rauswurf bei Paramount Pictures steht, denen seine übertriebene Scientology-Werbung zu viel des Guten wurde. Fast könnte man vermuten, de la Croix hätte seine Finger im Spiel gehabt, denn die Sterne scheinen für Cruise im Moment tatsächlich nicht so gut zu stehen, während Guillaume de la Croix mit seinem spitzfindigen Roman aufhorchen lässt.

Spritzig und voller Wortwitz wird uns die wahre Geschichte Hollywoods erzählt, eine Geschichte, die auf den ersten Blick voller Geld und Glamour steckt, die hinter der Fassade allerdings viel mehr offenbart. Hollywood bedeutet nicht nur Erfolgsgeschichten, der Stern eines Stars kann schneller sinken, als es ihm lieb ist, außerdem droht das nahende Alter, das in Hollywood als schwerwiegender als eine Krebserkrankung betrachtet wird. Guillaume de la Croix verrät uns zwar nicht, wie Tom Cruise es geschafft hat, ihm sein Leben zu stehlen, aber er zeigt dafür ganz andere Dinge auf. Völlig schonungslos deckt er die Macken der Hollywoodstars auf und ihre übertriebene Dekadenz; Guillaume de la Croix nimmt kein Blatt vor den Mund und spielt den Prototypen des arroganten Schauspielers, der ohne Ende Geld scheffelt, gleichzeitig aber alle andere Menschen ausnutzt und sich fast ausschließlich von Alkohol und Drogen ernährt. Das makellose Bild Hollywoods beginnt durch Guillaume de la Croix‘ Feder zu bröckeln.

Auch wenn man also mit falschen Erwartungen an dieses Buch herangeht, beschert es einem doch eine vergnügliche Lesezeit, die angesichts des stolzen Taschenbuchpreises von 12 € allerdings sehr gering ausfällt. Das schmale Büchlein umfasst gerade einmal 280 Seiten, von denen etliche leider unbedruckt geblieben sind. Schade, dass dieser überteuerte Preis sicher einige Leser von diesem Buch abhalten wird, denn auch wenn wir wohl niemals erfahren werden, wie Guillaume de la Croix sich den Diebstahl fremden Lebens vorstellen mag, hält dieses Buch doch einige positive Überraschungen bereit und bringt unsere Vorurteile gegenüber Hollywood in amüsanter und lesenswerter Weise auf den Punkt.

http://www.piper.de

Gärtner, Stefan – Man schreibt deutsh. Hausputz für genervte Leser

|“Wenn die Worte nicht stimmen, so sind die Begriffe nicht richtig; sind die Begriffe nicht richtig, so kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen Moral und Kunst nicht, so trifft die Justiz nicht, so weiß die Nation nicht, wo Hand und Fuß zu setzen. Also dulde man nicht, dass in den Worten etwas in Unordnung sei.“|
(Konfuzius)

Wenn man jemanden kennt, der gelegentlich öffentlich sprechen muss, und feststellt, dass derselbe Mensch, der eben noch in kleiner Runde klar und verständlich in eigenen Worten geredet hat, nun vor Publikum Phrasen ablässt, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, dann weiß man, dass irgend etwas nicht stimmt. Und dass man die angefangenen Phrasen auf Anhieb wiedererkennt und im Kopf vorwegnehmen kann, sollte einen erst recht beunruhigen.

Stefan Gärtner, Redakteur des satirischen Magazins „Titanic“, knöpft sich in seinen Buch „Man schreibt deutsh“ (Man erkennt den Titel von Gerhard Polts satirischem Film „Man spricht deutsh“ wieder.) den Sprachverfall in veröffentlichten Texten überwiegend aus den Bereichen Literatur und Publizistik vor. Mit sicherem Wissen in Semantik, Grammatik und Literatur kritisiert er den dortigen Sprachgebrauch. Die Texte des Buches waren teilweise bereits in der „Titanic“ zu lesen, womit klar sein dürfte, dass „Man schreibt deutsh“ kein Sachbuch mit wissenschaftlichem Anspruch ist, sondern eine Satire, die aber meist auf hohem Niveau ausgewählte sprachliche Fehltritte kommentiert und persifliert.

Im ersten Kapitel ‚Zunehmend Barbaren Welt‘ setzt Gärtner zum Rundumschlag gegen Fernsehen, Zeitungen, Magazine und Literatur an. Er führt den täglichen Ramsch aus Tautologien („verschmutztes Schlammwasser“), Setzkasten-Deutsch („Bush-Besuch“ statt „Bushs Besuch“), barocken Aufblähungen („zunehmend wichtig“ statt „wichtiger“) und unsinnigen Metaphern (der schlaffe Testballon platzt) vor. Schlechtes Formulieren ist immer ein Zeichen für schlechtes oder mangelndes Denken. Gefährlicher als einzelne missglückte Ausdrücke ist insofern das Formulieren in vorgestanzten Phrasen, was offenbart, dass Leute, deren Aufgabe es ist, uns zu informieren, weder die berichteten Ereignisse noch ihre Worte darüber ausreichend überdenken. Oder in Gärtners Worten: Aus dem Journalisten plappert es in mechanischer Gewohnheit heraus, „weil er Einschnitte schon gar nicht mehr anders kennt als |notwendige|“ (S. 17). Dass Gärtner nicht in journalistischer Kumpanei die Beispiele schlechten Deutschs anonym vorführt, sondern die Verfasser und Veröffentlicher dieser Peinlichkeiten nennt, ist ihm hoch anzurechnen. Allein schon für dieses erste Kapitel lohnt sich die Anschaffung des Buches. Dieser Text sollte Pflichtlektüre im Deutschunterricht werden.

Die folgenden Kapitel behandeln an ausgewählten Beispielen verschiedene Textarten wie politische Kommentare, Feuilletonsbeiträge, Romane oder Klappentexte. Gärtner arbeitet den jeweils typischen nachlässigen Umgang mit der deutschen Sprache heraus und zeigt dessen Ursachen wie Ignoranz, Geschwätzigkeit, Wichtigtuerei, Selbstverliebtheit oder – vor allem kommerziell motivierte – Beeinflussung des Lesers. Eine seiner Lieblingszielscheiben ist dabei die aufgeblasene, blumige Sprache der Kulturedaktionen. Wenn ihm deren Geschwafel zu viel wird, gibt Gärtner den Kalkofe des gedruckten Wortes und schiebt statt einer Analyse dem Originalzitat eine bissige Parodie hinterher. Auch im Weiteren hat der Autor keine Angst vor großen Namen und demonstriert den schlampigen Umgang mit der Sprache auch in angesehenen Zeitungen und in den öffentlich-rechtlichen Medien, die zwar jedem „Rundfunkteilnehmer“ 51 Euro je Quartal an Zwangsgebühren abknöpfen, aber in ihren Redaktionen immer noch keine journalistische oder sprachliche Qualitätssicherung haben.

Eine Auswahl, wie sie Gärtner vornimmt, ist natürlich immer „ungerecht“, aber nach der Lektüre ist der Leser vielleicht hellhöriger und kann diejenigen aufspüren, die hier ungeschoren geblieben sind. Sicher ist auch Gärtners Kritik im Einzelnen selber kritikwürdig; insbesondere beim Schriftsteller Durs Grünbein schießt er bei allen berechtigten Bemerkungen gelegentlich etwas übers Ziel hinaus. Weiterhin behelligt er den Leser stellenweise schon etwas arg mit seiner politischen Meinung.

Trotzdem ist „Man schreibt deutsh“ ein ebenso nützliches wie unterhaltsames Buch. Wer etwas Derartiges schreibt, muss natürlich selber gut formulieren, und das gelingt Stefan Gärtner auf jeden Fall. Präzise legt er das „Dummdeutsch“ (Eckhard Henscheid) dar und korrigiert es. Man kann bei dieser Schrift von „intelligenter Unterhaltung“ sprechen, ohne floskelhaft zu werden, denn Gärtner schreibt seine Satire in einem gediegenen, vereinzelt schon etwas altertümlichen Deutsch, um dann bei nächster Gelegenheit einen kräftigen Kalauer loszulassen. Durch Anspielungen und witzige Pseudo-Zitate belustigt der Text auch noch in den Nebenbemerkungen.

Sympathisch macht das Buch, dass Gärtner zwischen seinen Attacken selbstironisch einräumt, dass es natürlich größere Probleme auf der Welt gibt oder auch ihm selbst Fehler im Buch unterlaufen sein können. Und er ist sich auch nicht zu schade, Autoren und Zeitschriften, die er eben noch kritisiert hat, für gute Beiträge zu loben.

Auch bei seinen kleinen Schwächen ist „Man schreibt deutsh“ unbedingt eine weite Verbreitung zu wünschen. Jetzt fehlen noch entsprechende Schriften über Politiker- und Werbesprech.

http://www.rororo.de

Dreykopf, Marcel – Fußball. Das Allerletzte

„Fußball. Das Allerletzte“ – der Titel macht schon deutlich, dass hier keine Nettigkeiten über die wichtigste Nebensache der Welt berichtet werden. Der Verfasser, der das Pseudonym Marcel Dreykopf gewählt hat und laut Verlagsinformation einer „der bekanntesten Sportjournalisten Deutschlands“ ist, hat allerlei Skandale, dumme Sprüche und andere weniger schmeichelhafte Geschichten aus der Welt des Fußballs zusammengetragen. Es begegnen einem traurige Klassiker wie die tödlichen Krawalle im Brüsseler Heyselstadion 1985, das deutsch-österreichische Skandalspiel bei der WM 1982 in Spanien und die Bestechungsaffäre um das Riesenbaby Hoyzer, das sich für 30 Silberlinge und einen Plasmafernseher für alle Zeit in der Fußballwelt unmöglich gemacht hat; ebenso aber lustige alte Bekannte wie Horst Szymaniaks berühmt-berüchtigte Mathematik („Ein Drittel? Ich will mindestens ein Fünftel!“) oder Fangesänge gegen die Oranje-Auswahl.

Aber auch einige Überraschungen sind zu entdecken. Oder wer hat gewusst, dass bei der ersten Fußball-WM 1930 in Uruguay Ersatzspieler nebenbei als Reporter arbeiteten und sich bei dieser Gelegenheit ein eifersüchtiger französischer Spieler-Reporter in seinen offiziellen Berichten selbst „eingewechselt“ hat (erzählt im Abschnitt ‚Aus der Fußball-Geschichte gemobbt‘)? Der französische Fußballverband hat es jedenfalls erst nach mehr als einem halben Jahrhundert entdeckt.

Leider sind die gesammelten Geschichten weder zeitlich noch geographisch noch inhaltlich gegliedert. Neue Schlaumeiersprüche reihen sich an alte Anekdoten, deutsche Negativrekorde an italienische Skandale. So huscht das Erzählte an uns vorüber, löst mal ein heiteres, mal ein bitteres Lachen aus, aber trägt kaum zu einer bleibenden Erkenntnis über diesen Sport bei. Eine zeitliche Ordnung etwa hätte die Vergangenheit etwas lebendiger werden lassen. Die verstreuten Episoden aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg mit ihren skurrilen Typen, den Keilereien oder dem Besäufnis bei der Gründung des DFB (‚Der Suff der ersten Stunde‘) lassen jedenfalls eine verrückte Epoche erkennen, welcher der Fußballsport bis heute seinen rauhbeinigen Charme verdankt.

Was das Buch aber immer wieder unangenehm macht, sind der manchmal denunziatorische Tonfall und der verschwitzte Eifer, mit dem der Verfasser vermeintliche Skandale „aufdecken“ will. Gibt man das Stichwort „Fußballersprüche“ in eine Suchmaschine ein, findet man Dutzende von Sammlungen nicht allzu schlauer Kickerzitate, die aber mit einem Augenzwinkern wiedergegeben werden. Dieser unbeschwerte Humor geht Dreykopf ab, er präsentiert keine misslungenen Aussprüche zum Mitlachen, er „entlarvt“ beflissen Dummheit oder Bosheit des Zitierten. Wenn ein Verein, der fast pleite ist, seine finanzielle Situation durch Preisaufschläge auf Eintrittskarten verbessern will oder ein respektierter Trainer in seiner langjährigen Karriere natürlich auch mal ein junges Talent verkennt, so wird das hier genauso anklägerisch gepetzt wie die echten Skandale. Allzu oft enden die Beiträge mit einer gehässigen Bemerkung der Art „Bald darauf verlor er seinen Posten“, auch wenn das mit der berichteten Geschichte überhaupt nichts zu tun hat.

„Fußball. Das Allerletzte“ ist kein Sachbuch, sondern eine Sammlung schräger Begebenheiten. Es ist eine leichte Sommerlektüre für Fußballhasser und für solche Fußballfans, die wissen, dass alles zwei Seiten hat, und die verbale Fouls in Büchern genauso ignorieren können wie in den Spielberichten gewisser Sportjournalisten.

http://www.neuer-europa-verlag.de/

Cilauro, Santo / Gleisner, Tom / Sitch, Rob – Phaic Tan – Land des krampfhaften Lächelns

Mal ehrlich: Alle kommenden (oder vorangegangenen) Fernreisenden haben sich bestimmt den einen oder anderen Reiseführer zugelegt, der nach der Reise im Keller oder im Buchregal nur noch als Staubfänger dient. Für diese Weltenbummler im Speziellen, aber auch für die Daheimgebliebenen im Ganzen hat der |Jetlag|-Verlag gemeinsam mit |Heyne| ein sehr unterhaltsames Buch herausgebracht: „Phaic Tan – Land des krampfhaften Lächelns“. Nun wird der eine oder andere Asienkenner gleich den nächsten Atlas zücken und danach suchen. Um ehrlich zu sein: Phaic Tan gibt´s nicht! Das sollte aber keineswegs die Leselust auf das Buch vermindern, eher im Gegenteil. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Stellt euch vor, Mel Brooks („Spaceballs“) hätte sich die Mühe gemacht, einen imaginären Reiseführer in Buchform herauszubringen. Dabei steht also in erster Linie der Spaß im Vordergrund.

Was den Aufbau angeht, so kann man auf Anhieb den Unterschied zwischen einem seriösen Reiseführer und der Persiflage nicht erkennen. Zu detailverliebt sind die Bilder, Kommentare und Anmerkungen, die die drei Autoren zusammengetragen haben. Des Weiteren ist das Buch mit Sonderbeiträgen von Personentypen gespickt, denen der eine oder andere auf seinem Asientrip bestimmt schon mal begegnet ist. Als Erstes ist da Pilippe Miseree zu nennen, für den das „authentische Reiseerlebnis“ an vorderster Stelle steht. Tina Payne ist das ideale Gegenstück zu Philippe und reist nach der Devise: „Vorsicht ist besser als Nachsicht …“. Und dann ist da noch der klassische Schnäppchenjäger Sven Teitarssen zu nennen, der glatt als Erfinder der „Geiz ist geil“-Kampagne durchgehen könnte. Zu guter Letzt ist noch Jonathan Quibble zu nennen, der sich für den „Luxusreisenden“ verantwortlich fühlt und nützliche Tipps für diejenigen ausspricht, die nicht auf jeden Cent achten müssen.

Kaum hat man sich mit den Autoren vertraut gemacht, beginnt auch schon der Spaß. Ich weiß nicht, wie´s im englischen Original der Fall ist, aber allein der Wortwitz, der hinter den Ortsnamen steckt, rechtfertigt den Kauf und die Lektüre des Buches. Und wie es sich für eine gute Persiflage gehört, wird alles, wirklich alles auf´s Korn genommen: die Königsfamilie (die thailändische), die Religion, Musik, Gesundheit & Sicherheit, Sprache, Geschichte, Architektur, Wirtschaft, etc. pp. Natürlich dürfen auch nützliche Tipps in Sachen Unterkunft, Restaurants, Nachtleben und Sehenswürdigkeiten nicht fehlen.

Besonders kurios sind die Glücks- und Unglückszahlen, und wie es sich für einen gescheiten Reiseführer gehört, ist am Ende ein kleines Wörterbuch vorhanden, wo neben Grußfloskeln auch nützliche Formeln im Restaurant und im Taxi zu finden sind.

Einzelne Kapitel herauszuheben, ist dabei sehr schwer, da sich das Buch durchgehend gut liest. Dabei lohnt es sich, alle Bilder und Kommentare genau anzuschauen, da man zwei-, dreimal drüberlesen muss, um die genaue Bedeutung herauszufiltern. Den einen oder anderen Muskelkater im Zwerchfell hat die Lektüre in jedem Falle verursacht. Ein idealer Begleiter für alle, die nach Asien oder anderswo reisen, daheim bleiben oder an den Badesee und ins Schwimmbad gehen. Da es sich nicht um eine durchgehende Geschichte handelt, kann man während der Lektüre das Gehirn auf „standby“ schalten und genießen.

Einen kleinen Vorgeschmack findet ihr auf der [Homepage des Verlags,]http://www.randomhouse.de/dynamicspecials/phaic__tan/ wo ihr erste Eindrücke sammeln könnt. Viel Spaß in der „Achselhöhle Asiens“!

Walter Moers – Adolf: Der Bonker

Das geschieht:

Berlin, Ende April 1945. Der Krieg ist für das Deutsche Reich an allen Fronten längst verloren, der Feind steht bereits hinter den Toren der Hauptstadt Berlin. Dort sitzt in seinem „Bonker“ Adolf, die Nazi-Sau, einst „Größter Feldherr aller Zeiten“, nun ein geschlagener Diktator, der partout nicht einsehen will, dass seine Herrschaft zu Ende ist.

Keiner nimmt Adolf mehr Ernst. Der britische Premierminister Winston Churchill spielt ihm fiese Telefonstreiche, auf die der humorlose Tyrann stets hereinfällt. Freundin Eva Braun schläft mit jedem außer ihm, für den nur maulige Vorwürfe abfallen, wann der lästige Krieg endlich vorüber sei. Ehemalige Kampfgefährten wie Hermann Göring, Benito Mussolini oder der japanische Kaiser versuchen den störrischen Diktator zur Kapitulation zu bewegen. Aber sowohl sie als auch der Tod, Gott oder Michael Jackson, die in ähnlicher Mission im „Bonker“ auftauchen, bleiben erfolglos. Walter Moers – Adolf: Der Bonker weiterlesen

Tufts, Gayle – Miss Amerika

Wer in Berlin aufmerksam Radio hört, aber auch wer das deutsche TV-Showgeschäft im Auge behält, dem dürfte Gayle Tufts schon mal begegnet sein. Die schnell sprechende Frau mit dem breiten amerikanischen Akzent wundert sich dort schon seit etwa drei Jahren öffentlich über die Eigenarten von Amerikanern und Deutschen. Das scheint bei ihr so eine Art Bestimmung zu sein, denn schon der Titel ihres ersten Buches von 1998 „Absolutely unterwegs – Eine Amerikanerin in Berlin“ zeigt sehr deutlich, was bei Gayle Tufts Programm ist.

Tufts ist gelernte Schauspielerin, die sich in Deutschland mittlerweile als Entertainerin und Schauspielerin einen Namen gemacht hat. Sie stand für Disneys „Glöckner von Notre Dame“ zusammen mit Dirk Bach auf der Bühne und wirkte bei den „Vagina Monologen“ mit. Die Amerikanerin lebt seit 1991 in Berlin und hat Deutschland ganz offensichtlich so sehr ins Herz geschlossen, dass sie sich gar nicht mehr losreißen kann. Im Laufe der Jahre ist sie mit mittlerweile zwölf Bühnenprogrammen durch die Lande getourt, bei denen jeweils das Comedy- und Grand-Prix-Urgestein Thomas Hermanns als Regisseur beteiligt war.

In „Miss Amerika“, Gayle Tufts‘ aktuellem Buch, widmet sie sich wieder einmal dem ganz normalen Alltagswahnsinn, wie sie ihn als Amerikanerin in Deutschland erlebt. Dabei wundert sie sich über so manche Eigenart der Deutschen, denn streng jahreszeitliche Ernährungsgewohnheiten wie die Spargelzeit sind ihr nicht minder fremd als die allgemein so klar und gut durchstrukturierte Lebensweise, die sie mit den Deutschen verbindet.

Nun könnte man meinen, dass es nicht unbedingt neu ist, die Deutschen mitsamt ihren klischeebeladenen Eigenarten humoristisch aufs Korn zu nehmen, doch Gayle Tufts geht die Sache auf ihre ganz eigene und obendrein sehr erfrischende Art an. Ihr Markenzeichen ist das „Dinglish“. Sie plaudert in atemberaubendem Tempo einfach wild drauf los und mixt dabei ohne Rücksicht auf Verluste Deutsch und Englisch. Beispiel gefällig?

|“In Deutschland gibt es dagegen feste Regelungen. Winterschlussverkauf wird zu Winterschlussverkaufszeiten gefeiert. Jawoll! Ende Januar, alles ist dunkel und trübe, das Wetter ist scheiße – let’s go give unser Geld aus!“| (S. 39)

Tufts Art, einfach wild drauflos zu plaudern hat etwas wunderbar Offenes. Sie wirkt absolut unverfälscht und ehrlich und lebt ihren Humor im Wesentlichen in Alltagsgeschehnissen aus. Da findet man herrlich treffsichere Beobachtungen, die Tufts mit einem Humor verknüpft, der gleichermaßen abgründig wie feinfühlig ist. Mal mag man vor Lachen laut losprusten, mal schmunzelt man leise in sich hinein. Tufts beherrscht wunderbar treffsichere Vergleiche und krönt ihre Beobachtungen auf diese Weise stets mit einem humoristischen Sahnehäubchen.

Gayle Tufts ist eine lebhafte und temperamentvolle Frau mit einem ebenso charmanten wie knallhartem Humor, den man binnen kürzester Zeit lieb gewinnt. Sie ist gnadenlos ehrlich, lässt aber immer wieder auch einen gewissen Respekt durchblicken, beispielsweise, wenn sie das wohlorganisierte Alltagsleben der deutschen „Wirtschaftswunder-Hausfrauen“ mit ihrem eigenen alltäglichen Chaos vergleicht.

„Miss Amerika“ vereint unterschiedliche Aspekte auf seinen knapp 250 Seiten. Zum einen Gayle Tufts‘ Beobachtungen in ihrem deutschen Lebensalltag, zum anderen Tufts‘ Erlebnisse mit dem „Reverse-Cultureshock“, wie sie ihn erlebt, wenn sie zurück in ihre Ex-Heimat kommt. Gerade auch das Thema Bush und Tufts‘ Unglauben darüber, dass so ein Mann wiedergewählt werden konnte, kommen mit einem humoristischen Unterton immer wieder zum Ausdruck. Auch die Tücken des Alterns, die im Leben einer Mittvierzigerin logischerweise immer wieder durchschimmern, sind ein Thema.

Tufts „Dinglish“ ist dabei anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, wirkt aber weniger lächerlich, als man auf den ersten Blick meinen mag. Gerade wenn man sich einmal die Autorenlesung zum Buch aus dem |DAV| vornimmt, offenbart sich die liebenwürdige Schrulligkeit dieses Sprachmixes so richtig. Tufts erweckt eben den Eindruck, als wäre sie auch in ihrer Art zu Reden ganz sie selbst, ohne sich zu verstellen.

Zumindest ist sie für mich die Einzige, der ich „Dinglish“ zugestehen mag. Bei ihr ist es einfach nett und sympathisch. Wenn sonst im alltäglichen Sprachgebrauch Deutsch und Englisch gnadenlos verquirlt werden und teilweise unsinnige Sprachgebilde entstehen, wirkt es meistens albern, obwohl es doch stets so wahnsinnig cool sein soll. Nicht so bei Gayle Tufts. Ihr kauft man ihr Dinglish ab. Bei ihr wirkt es einfach echt und goldrichtig.

„Miss Amerika“ kann man dabei durchaus in den unterschiedlichen Darreichungsformen empfehlen. Das Buch enthält logischerweise die vollständigen Texte, die CD dafür eine wesentlich besser erlebbare Portion Gayle Tufts. Wenn man die Texte von ihr selbst vorgelesen bekommt, hat das noch einmal einen besonderen Reiz, wenn die Gags und Pointen auch noch mit Tufts individueller Betonung und ihrem Sprachwitz garniert werden.

Unterm Strich kann man Gayle Tufts‘ „Miss Amerika“ getrost weiterempfehlen, sowohl zum Lesen, als auch zum Hören. Tufts Humor weiß zu überzeugen, ist weder zu derb noch zu lahm. Die Amerikanerin versteht sich auf eine genaue Beobachtungsgabe und wohlakzentuierte Pointen. Sie trifft den Nagel stets auf den Kopf und lässt dabei immer wieder einen liebenswerten und lebensfrohen Charakter erkennen. Fazit: Ein absolut liebens- und empfehlenswerter Beitrag zur Völkerverständigung. Oder noch kürzer auf den Punkt gebracht: Awesome!

Buch:
Gustav Kiepenheuer Verlag
ISBN [3-378-01080-0]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3378010800/powermetalde-21
http://www.aufbau-verlag.de

CD:
Der Audio Verlag
ISBN [3-89813-520-9]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3898135209/powermetalde-21

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Gerber, Michael – Barry Trotter und die schamlose Parodie

Die höchste Form des Lobes ist bekanntlich das Plagiat, auf die Parodie kann das bedenkenlos ausgeweitet werden. Wenn man der groß angelegten Verballhornung durch schreibende Scherzkekse anheimfällt, hat man es in den Bekanntheits-Olymp geschafft. Was J. K. Rowling mit ihren Harry-Potter-Publikationen trefflich gelungen ist, versucht Michael Gerber, seit Veröffentlichung des ersten Bandes seiner Potter-Parodie im Jahre 2002, immer noch zu erreichen. Wobei er den damaligen Hype geschickt ausnutzte, um mit seiner Publikation in JKRs Kielwasser mitzusegeln. Jüngst sollte übrigens auch C. S. Lewis‘ „Chroniken von Narnia“ nicht vor ihm sicher sein.

Aus „Barry Trotter and the unauthorized parody“ (US-Originaltitel), wurde in England ein verkaufsförderndes „shameless“. Hieran lehnten sich die beiden Übersetzer an und übernahmen das „schamlos“ für den Titel der deutschen Ausgabe, die erstmals 2003 bei |Goldmann| als Hardcover erschien. Die günstigere Taschenbuchausgabe ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Die Story mit ihren schrägen Figuren fand offenbar so viel Anklang, dass Michael Gerber „… und die überflüssige Fortsetzung“ nachschob (dt. VÖ 11/2005), und ein Prequel („… und der unmögliche Anfang“ – voraussichtliche VÖ 07/2006) wird auf der Website von |Random House| bereits angekündigt.

_Der Autor_

Michael Wer? Sein parodistisches Coming-out „What we talk abbout when we talk about Doughnuts“ dürfte hierzulande jedenfalls weitgehend unbekannt sein. Gerber – Baujahr 1970 – schrieb bisher für seinen täglichen Broterwerb ansonsten für den „New Yorker“ und das „Wall Street Journal“; was er da so genau vor sich hintippselte – ob nun absolut bierernst oder als Ulknudel vom Dienst -, verrät uns die Autoren-Verlagsinfo leider nicht. Er selbst sieht sich humoristisch eher in der Ecke Monthy Pythons; wie jeder weiß, Kult-Institution an trockenem und skurrilem Humor. Very british eben. Ziemlich große Schuhe, um (ausgerechnet auch noch als Amerikaner) hineinzuschlüpfen.

_Zur Story_

Das Leben auf der Zauberschule Hogwash könnte für den 22-jährigen Oberfaulpelz Barry Trotter so schön sein. Könnte. Direktor Alpo Bumblemore gewährte ihm lebenslanges Wohnrecht im Schloss, denn der ist immer ebenso klamm wie das olle Gemäuer selbst. Barry hatte der Autorin J. G. Rollins seine Abenteuer aus der Zauberwelt erzählt, insbesondere seinen Dauerzwist mit dem Doofen Lord Valumart, was diese zu einer sagenhaften Buchreihe ausschlachtete. Die dabei abfallende Kohle und der Ruhm brachten zunächst alle in Hogwash weiter. Fanpost, massenhaft willig zu poppende Muddel-Groupies und ein Leben vollkommen ohne Job – sprich: Existenzangst.

Leider ist Barry – wiewohl ein talentierter Zauberer – nicht ganz der Saubermann aus den Romanen, und mit Geld umgehen kann er schon gar nicht. Außerdem gibt sich sein vollkommen bekloppter Patenonkel Serious Blech die allergrößte Mühe, bei äußerst fragwürdigen Geschäftsbeteiligungen möglichst viel Kohle zu verbrennen. Barrys Geld versteht sich – und der lässt sich auch fast jedes Mal belabern und anpumpen. In der Konsequenz verscherbelt Barry allerhand Zeugs aus der Zauberwelt an Muddel. Sein letzter Coup allerdings war ein Schuss nach hinten: Er hatte der Boulevardpresse (natürlich gegen Zaster) den Weg nach Hogwash gesteckt.

Jetzt tummeln sich Fan-Scharen von stinkenden Nichtmagiern vor (und in) dem Schloss herum, urinieren (sowie Schlimmeres) auf dem ehemals sauber gepflegten Rasen und beschmieren die altehrwürdigen Hallen mit obszönen Graffities. Lediglich das Seeungeheuer und die Päderasten-Pappel scheinen wenigstens noch ein wenig Spaß aus der Situation ziehen zu können. Bei allen anderen liegen die Nerven nahezu blank. Erst recht, als die Ankündigung kommt, dass die Wagner Brothers einen Kinofilm über Barry planen. Noch mehr Muddels, die das Schloss auf der Jagd nach Andenken Stein für Stein demontieren. Die hielte selbst der stärkste VerpissDich-Zauber nicht ab.

Das Ende von Hogwash!? Bumblemore setzt Barry die Pistole – ähem, den Zauberstab auf die Brust: Film verhindern oder aus der Schule fliegen! Für den hochverschuldeten Barry wäre die einzige Alternative, sich einen richtigen Job zu suchen. Schluss mit laissez-faire. Alles sträubt sich in ihm dagegen und das Fragrufzeichen auf seiner Stirn pocht auch dieser Tage immer heftiger. Hat Der-der-stinkt etwa die teutonische Hand im Spiel? Zunächst gilt es jedoch für das alte Triumvirat sich zusammenzurotten, sein treudoofer Freund Lon Measley (nach einem Unfall nur noch mit einem Hundehirn ausgestattet) und die nymphomane Hermeline Cringer begleiten Barry. Sie wollen J.G. Rollins entführen und damit den Stopp des Films erzwingen.

_Meinung_

Zu Beginn liest sich das Ganze ganz gut an und die Gags sind nette kleine und vor allem wohldosierte Rippenstöße in Richtung des Originals. Undogmatische Potter-Fans, die Verballhornungen aller Art an ihrem Helden nicht als Häresie sehen, werden anfänglich ob des spitzbübischen Humors doch den einen oder andern Schenkelklopfer antreffen. Leider geht’s dem Buch, wie so vielen anderen: Nicht etwa Ideenmangel ist das Problem, sondern eher das Gegenteil. Zu viele schräge Einfälle, die nach Sicht des Autors unbedingt mit hineinmüssen, tun der Story selten Gutes. Die Gefahr, in einer simplen Aneinanderreihung von platten Albernheiten zu landen, ist groß.

Zur Mitte hin nimmt dann schon die Dichte der vermeintlich witzigen Passagen zu, die ihr Komik-Potenzial verstärkt aus üblen Körpergerüchen und Ähnlichem schöpfen. Wobei hier zu sagen ist, dass alles fein sauber bleibt und Michael Gerber keine verbalen Entgleisungen in Richtung Fäkalsprache oder irgendwelcher Obszönitäten unterlaufen. Das überlässt er weitgehend der – mehr oder minder schmutzigen – Phantasie seiner Leser. Man spürt durch die dauernde Verzettelei ein wenig den Zwang zum Ende hin, die erzähltechnische Kurve zu kriegen und dabei unbedingt noch ein paar Lacher mit dem Holzhammer einzupassen, wobei es besser gewesen wäre, die ohnehin skurrile und teils unübersichtliche Story einfach mal laufen zu lassen.

_Fazit_

Alles in allem eine dennoch witzig geratene Parodie. Die an sich krude Story ist hierbei eigentlich eher nebensächlich und mit der heißen Nadel genäht, sie dient nur als Transportmittel für das angepeilte Gagfeuerwerk. Obschon sie recht gut und mit subtilen Seitenhieben auf den Potter-Hype anfängt, wobei Gerber kaum ein Klischee auslässt, flacht das Ganze bereits zur Mitte hin hab und kann sich am Ende noch gerade so eben über die Runden retten. Mit dem Witz ist das so eine Sache – es kann auch einfach zu viel des Guten sein. Wenn Gerber in die Liga von Monthy Python oder Douglas Adams aufsteigen will, hat er noch so einiges zu lernen, gute Ansätze zeigt er durchaus schon.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „Barry Trotter and the unauthorized parody“
Simon & Schuster, New York / 2002
Übersetzung: Heinrich Anders und Tina Hohl
Europa/Goldmann, Hamburg 2003
Taschenbuch ca. 258 Seiten
ISBN: 3-4424-5815-3
http://www.randomhouse.de/goldmann/

Sarah Kuttner – Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens

Man kann sie lieben oder hassen, aber man kann ihr ihren Erfolg nicht absprechen. Sarah Kuttner hat es geschafft. 2001 begann sie ihre Fernsehlaufbahn als lausige |Viva|-Moderatorin zwischen lauter pseudowitzigen, jungen Menschen, doch konnte sie sich schon bald durch ihre freche Art von den anderen – und vom Image des Senders – absetzen. 2004 bekam sie schließlich ihre eigene Show, die nach der Fusion mit |MTV| dort ihren Platz fand und seit Herbst unter dem Titel „Kuttner.“ dienstags und donnerstags läuft. Außerdem moderierte die siebenundzwanzigjährige Ostberlinerin 2004 den deutschen Vorentscheid des „European Vision Song Contest“ und hat im letzten Jahr bereits zum zweiten Mal ihre eigene Revue „Kuttner on Ice“ zelebrieren dürfen.

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Helsing, Falk van – Fall Larry Popper, Der

Wehe, wenn einem (deutschen) Juristen versehentlich ein vermeintliches Kinderbuch statt dem BGB in die Hände fällt und er es peinlich genau durchleuchtet. So geschehen 2004 im |Eichborn|-Verlag, wo ein amtierender Richter sich nicht vor allen Kollegen als Potter-Fan outen möchte und daher unter dem Pseudonym „Falk van Helsing“ J.K. Rowlings Dauerbrenner unter die streng-ironische Lupe nimmt. Nein, ganz so verhält es sich mit dem Pseudo nicht, denn unter diesem hat er schon eine ganze Reihe humoristischer Rechtsbücher veröffentlicht, nicht nur dieses eine.

Heraus kam hierbei diesmal „Der Fall Larry Popper – Juristisches Gutachten über die Umtriebe zaubernder Jugendlicher“. Dabei geht es nicht um eine strafrechtliche Aufarbeitung sämtlicher bisher erschienenen Bände – das wäre sicher zu umfangreich – sondern lediglich Teil 1 „… und der Stein der Weisen“. Pardon. „Larry Popper und der Stein der Meisen“ muss es korrekt heißen.

Da die zugkräftigen Eigennamen mittlerweile alle eingetragen sind und deren Nutzung sicher nicht billig ist, wurde mal eben ein wenig herumgebogen, sodass kein Lizenzinhaber ob etwaiger Copyrightverletzung gepeinigt aufheulen muss, jedoch nur so weit, dass sie erkennbar bleiben. Verdammt praktisch, wenn Juristen sich an an solches Projekt wagen, die sind mit allen Wassern gewaschen. So erkennt der Leser des Buches beispielsweise in Larry, Roy, Herlinde Grips, Hägar, Onkel Verner Dumm, Tante Begonie Dumm und natürlich auch Lord Vieltod die Originalfiguren mühelos wieder.

Das nächste Problem ist der Gerichtsstand. In England/Schottland, wo die „Straftaten“ eigentlich begangen wurden, gilt (Überraschung!) irgendwie kein deutsches Recht. Weswegen das Ganze – etwa die „Warzenschwein-Zauberschule“ – kurzerhand in die „[…] Nähe von Frankfurt“ verlegt wird. Warum, das erklärt der Herr Vorsitzende im Vorwort und belegt seine amüsant-gewagte Hessen-These sogar mit äußerst realen Quellenangaben. Dass ein Teil der „Angeklagten“ noch gar nicht strafmündig ist, wischt er ebenso elegant mit dem Argument beiseite, dass das Strafmündigkeitsalter in Zukunft sowieso von 14 auf 10 herabgesetzt werden soll/wird.

_Inhalt_

Wer meint, Harry Potters Zauberwelt sei niedlich, harmlos und die Handelnden würden für Jugendliche zum Vorbild gereichen, bessere Menschen zu werden, irrt. Gewaltig. Der (meist minderjährige) Leser findet in der Potterschen Lektüre einen wahren Sündenpfuhl vor, mit (Straf-)Taten, deren Nachahmung nicht wirklich geeignet ist ,- es sei denn man möchte bereits im Kindesalter eine steile Knastkarriere starten. Da es Hexerei im deutschen Rechtswesen nicht (mehr) gibt, müssen andere Erklärungen gefunden werden, daher nimmt es sich schon höchst amüsant, wenn Euer Ehren versucht, zum Teil paranormale Vorgänge in ein physikalisch-technisches Beamtendeutsch zu transferieren, um seine Anklageschriften zu erstellen.

So wird etwa aus dem berüchtigten gegen Harrys Eltern eingesetzten „Avada Kedavra“-Todesfluch furztrocken: „Freisetzung von Druckenergien mit ungewöhnlicher Beschleunigung nach außen“, mit Todesfolge versteht sich (strafbar übrigens gemäß §212 StGB). Da der umtriebige Lord dieses zielgerichtet einsetzen kann, wird er nicht wegen „Mord mit gemeingefährlich Mitteln“ verknackt, wohl aber wegen „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“ (§308 StGB – paranormale Energien gelten im weitesten Sinne auch als „Explosionsstoff“), „Mord aus niederen Beweggründen“ (§211 StGB) sowieso. Gegenüber Harry macht er sich der gefährlichen, schweren Körperverletzung (die zurückbleibende Narbe – §223 Abs.1, §224 StGB) und versuchtem Mord schuldig. Dass er das Haus in Schutt und Asche legte, bleibt straffrei, weil nach fünf Jahren verjährt.

Doch nicht nur die Großen erwischt es, auch die magischen Dreikäsehochs leisten sich einen Lapsus nach dem anderen. Zwar sind dies meist keine wirklichen Kapitalverbrechen und sollten mit ein paar Sozialstunden wieder ins Lot zu bringen sein, doch das Reiten auf dem Besen (zumal ohne gültige Piloten-Lizenz und nicht von der Prüfstelle abgenommenem Fluggerät) ist ein gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr, was nach § 60 Abs. 1 LuftVG nicht ohne ist. Hagrids Einbruch bei den Dursleys in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, zweifacher Sachbeschädigung und Körperverletzung bringt ihn locker drei Jahre hinter Gitter. Ungeklärt bleibt allerdings, ob Dursley die Knarre überhaupt besitzen durfte, die Hagrid ein wenig verformt. Schlampig ermittelt, Euer Ehren!

Snape kriegt wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes einen auf die unförmige Runkel – Zaubertränke sind Designerdrogen: hundert Tagessätze Geldstrafe. Harry kommt auch nicht ungeschoren davon, kann aber – summa summarum – für all seine im Roman begangenen Missetaten mit vergleichsweise milden vier Wochen Jugendarrest rechnen. Malfoy, der ebenfalls mit dem Besen durch die Lüfte karriolt, fängt sich dafür zwanzig Sozialstunden ein. Sogar der unbefugt eingedrungene Troll würde wegen Hausfriedensbruchs und versuchtem Totschlags zur Räson gebracht und vor den Kadi gezerrt – notfalls an den Haaren, wenn er denn welche hätte.

_Fazit_

Simple Ordnungswidrigkeiten bleiben in dem 120 Seiten starken Buch gottlob unberücksichtigt, sonst hätte es ohne Zweifel Telefonbuchformat erreicht. Das 7,95 € teure Taschenbuch braucht man nicht in einem Rutsch durchackern, es ist in kleinere Themenkomplexe gegliedert. Leider greift sich der Originalitätsfaktor bereits nach ein paar der Fälle merklich ab, zu sehr gleicht sich das Procedere der Aufarbeitung, und auch die überaus witzigen juristischen Beschreibungen übernatürlicher Begebenheiten zünden irgendwann nicht mehr so wie anfangs. Geeignet ist es zudem nur für kundige Leserschaft, denn ohne Kenntnis des Romans bleibt man außen vor. Somit ist der Fall Larry Popper ein typischer Vertreter der Read-once-and-forget-Fraktion, welches auch der Fan nach einmaligem Lesen vermutlich im Regal verstauben lässt.

http://www.eichborn.de/

Alef, Rob – Bang Bang stirbt

„Entweder Schwein essen oder Mensch werden!“ Die Rote Bete Fraktion, eine Truppe von Fun-Guerilleros, wütet in Berlin und macht der SoKo für Veganischen Terrorismus schwer zu schaffen. Steakhäuser, Hutgeschäfte, Zoohandlungen und Metzgereien werden überfallen, um die fleischlose Message zu verbreiten. Der Spaß hört spätestens dann auf, als der Panda Bang Bang, Publikumsliebling im Zoologischen Garten, gekidnappt wird – eine nicht ganz ungefährliche Angelegenheit, denn obwohl der behäbige Bang Bang im Zuge der Resozialisierung inzwischen am liebsten vom Sofa aus Videos wie „Peking Opera Blues“ und „Rasierte Thai-Muschis IV“ guckt, war er doch einst ein skrupelloser Mafiakiller.

Kein leichter Fall also für Kommissar Pachulke, der die Tage bis zur Pensionierung ebenso gewissenhaft zählt wie seine Büroklammern und eigentlich nur der einen Frau sehnsuchtsvoll hinterher jagt, (Ähnlichkeiten zu Judith Kuckarts „Bibliothekar“ mögen rein zufälliger Natur sein, lesen sich aber so oder so beeindruckend). Aber auch Pachulkes Team, Zabriskie und Dorfner, ist nicht immer ganz bei der Sache: Zabriskie trinkt ihren Whiskey immer ’straight‘ und sucht bei attraktiven, kooperationsbereiten Zeugen zweckdienlich gern den intimeren Kontakt; während Dorfner völlig in der Arbeit für den von ihm gegründeten ‚Freundeskreis für rechtsstaatliche Folter unter Beachtung der Menschenwürde‘ aufgeht.

Der entführte Bang Bang wird zwischenzeitlich zum Politikum. Sollte es möglich sein, dass gar der ‚Regierende Bürgermeister Und Geliebte Bausenator‘, Staatssekretär Prunk oder der windige Blaschko von Goltz Dreck am Stecken haben? Um die Täter zu überführen, kann Pachulke lediglich auf zwei Beweisstücke zurückgreifen, auf eine Gabel und einen Klops. Und er sollte sich beeilen, denn mittlerweile pflastern Leichen den steinigen Ermittlungsweg …

Der ‚Ausschuss für Alles‘ beschließt frenetisch, endlich erpressbar zu sein, und unter der Ägide des ‚Regierenden Bürgermeisters Und Geliebten Bausenators‘ werden organisierte Selbstmordkommandos zum wichtigen Wirtschaftsfaktor, und Trümmerfrauen und -Männer bekommen endlich wieder eine Aufgabe. Was macht es da für einen Unterschied, ob man in 123 oder 321 Jahren den Schuldenberg abgetragen hat – die Wirtschaft boomt – hemmungslos – ebenso wie die Dolcevita.

Ein nervenaufreibender ‚zynischer Politthriller‘, wie es der Verlag behauptet, ist „Bang Bang stirbt“ nicht unbedingt. Eher eine Polit-Satire, eine famos komponierte, sarkastische Retrospektive, die auf die nahe Zukunft projiziert wird. Brillant geschrieben und überzeugend bis ins abstruseste Detail, führt „Bang Bang stirbt“ in ein haarsträubendes Berlin, das mit ausgefeilten Spitzfindigkeiten, echten Typen von nebenan und zynisch überspannten Visionen die Gegenwart ebenso seziert und zitiert wie eine völlig normale (?) Zukunft anvisiert.

Aber was ist mit Bang Bang? Muss Bang Bang wirklich sterben? Kann Pachulke den Fall lösen? Nun, die Auflösung ist weitaus realistischer als in manch einem anderen Krimi – und wenn der Spannungsbogen auch ab und an ein wenig ins Wanken gerät, einige Handlungsstränge sich im Sand oder sonst wo verlieren; das alles überspielt Alef mit seinem furiosen Stil, der ihm wie en passant aus der Feder zu fließen scheint. Der lustschwache, kulinarisch verwöhnte Bambusbär – der in Gefangenschaft tatsächlich durch Panda-Pornos zur Reproduktion animiert wird – ist Kult. Und „Bang Bang stirbt“ ein Muss!

© _Anna Veronica Wutschel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ veröffentlicht.|

Stewart, Paul & Riddell Chris – Helden von Muddelerde, Die

Eigentlich bin ich immer viel zu faul, um mir nach dem Genuss eines Filmes auch noch das dazugehörige Buch zu besorgen und durchzuarbeiten, schließlich kennt man die gesamte Handlung schon und die Spannung ist quasi komplett verpufft. Und so ähnlich verhält sich dies auch bei Hörbüchern und den entsprechenden Schriftversionen … Daher habe ich mich auch eine Weile dagegen gesträubt, mir die ‚Papier-Variante‘ von „Die Helden von Muddelerde“ zur Brust zu nehmen, schließlich habe ich vor einiger Zeit auch schon die [Audiofassung 1947 zur einmaligen Fantasy-Geschichte von Paul Stewart gehört und für euch rezensiert. Letztlich aber schnappte ich mir am vergangenen Wochenende das 450 Seiten starke Buch, zog mich auf die Couch zurück und verschlang die Geschichte um den zerstreuten Magier Randalf und den Anti-Helden Joe Jefferson an nur einem Nachmittag. Mein vorläufiges Resümee: Ich bin froh, die Buchfassung doch noch gelesen zu haben, denn der Autor hat hier wirklich eine außergewöhnliche Erzählung erschaffen, von der man sich nach dem reibungsfreien Einstieg gar nicht mehr losreißen kann! Und genug bekommen kann man von Paul Stewart, sobald man einmal Blut geleckt hat, sowieso nicht mehr, was in meinem Falle wohl auch am mehrfachen Konsum der bei uns vorgestellten „Klippenland-Chroniken“ liegt. Und deren Niveau erreicht „Die Helden von Muddelerde“ spielerisch …

_Story_

Muddelerde ist in Gefahr und braucht dringend einen Helden – ansonsten wird der grauenhafte Dr. Knuddel sehr bald die Herrschaft an sich reißen. Der ziemlich zerstreute Magier Randalf der Weise sieht sich deswegen in der Pflicht und zaubert einen Helden dabei. So findet sich der ganz normale Schuljunge Joe Jefferson urplötzlich in einer fremden Welt statt in seiner Schuklasse wieder – und seinen Hund Henri hat er auch direkt mitgebracht.

Das Team von der Erde hat jedoch nicht lange Zeit, sich großartig auf die neue Umgebung umzustellen, denn auch wenn Randalf von seinem seltsamen Helden nicht gerade begeistert ist, verlangt er von ihm, dass er als Heldenkrieger „Joe, der Barbar“ das große Zauberbuch beschafft und Dr. Knuddel und seine Besteckarmee von ihren schrecklichen Plänen abhält.

Gemeinsam mit dem Zauberer, dem trotteligen Oger Norbert, dem vorlauten Wellensittich Veronika und seinem Gefährten Henri macht sich Joe schließlich auf den Weg, um die für ihn völlig fremde Welt vor ihrem dunklen Schicksal zu retten …

_Meine Meinung_

Das Buch zu „Die Helden von Muddelerde“ ist ein wenig umfangreicher als das vierteilige Hörbuch und seinem genialen Pendant daher auch absolut ebenbürtig. Zwar vermisst man anfangs etwas die lockere Atmosphäre, die der stimmliche Gestaltenwandler Volker Niederfahrenhorst im gleichnamigen Hörspiel kreiert, doch dies gibt sich eigentlich auch schon wieder ab dem Moment, in dem Joe Jefferson sich plötzlich in der seltsamen Welt Muddelerde wiederfindet.

Einen sehr guter Ersatz für die Erzählstimme bieten allerdings die zahlreichen Skizzen, die Paul Stewarts Compagnon Chris Riddell zu diesem Buch beigetragen hat. Riddel zeichnet die verschiedenen Charaktere in allen möglichen Situationen und zeigt dabei ein besonderes Gespür für simplen, aber effektiven Humor. Die Hauptfigur Joe in improvisierter Ritterrüstung oder Randalf als Sinnbild der totalen Verwirrung sorgen für weitere Lacher einer ohnehin schon ziemlich witzigen Handlung und werten das Buch enorm auf. Gerade das jüngere Publikum, das Stewart mit diesem Buch sehr deutlich anspricht, sollte an den feinen Bildern seine Freude haben, zumal sie ihnen helfen, eine Vorstellung vom äußeren Erscheinungsbild der Figuren zu gewinnen. Nicht jeder kann sich ausmalen, wie der tollpatschige Oger Norbert tatsächlich aussieht, und auch die Beschreibungen vom finsteren Dr. Knuddel sind nicht so eindeutig, als dass man sie direkt verinnerlichen könnte. Alleine deswegen lohnt sich ein genauer Blick auf die Skizzen, die sehr oft in die Seiten der Geschichte eingefügt wurden und somit auch jeweils der Situation entsprechend wiederkehren. Damit soll natürlich nicht suggeriert werden, dass der Autor bei der Charakterisierung seiner Akteure irgendwelche Defizite zeigte, denn dies ist ganz bestimmt nicht der Fall!

Ich fühle mich jetzt immer wieder dazu geneigt, das Buch mit dem Hörspiel zu vergleichen, doch es gibt hier einfach keine wirklichen Unterschiede abseits des Handlungsumfangs. Die Stärken der Audio-Version kann das Buch durch die zeichnerische Veranschaulichung der Hauptpersonen wieder ausgleichen. Und wo das Buch durch seinen größeren Umfang etwas mehr ins Detail gehen kann, kaschiert das Hörbuch dies wieder durch seine ganz besondere Atmosphäre. Lohnenswert sind auf jeden Fall beide Fassungen, und wie ich jetzt selber festgestellt habe, empfiehlt es sich durchaus auch, sich mit beiden Varianten auseinander zu setzen.

„Die Helden von Muddelerde“ ist in erster Linie natürlich ein Jugendbuch, und die Zielgruppe von Stewart und Riddell dürfte auch größtenteils noch die Schulbank drücken. Dafür spricht auch das recht große Schriftbild, bei dem es durchaus möglich ist, in einer Stunde ganze hundert Seiten zu verschlingen. Trotzdem aber sollten sich auch die älteren Jahrgänge mit den lustigen Wesen aus Muddelerde vertraut machen und sich an dem netten Wortwitz und den humorvoll gestalteten Zeichnungen erfreuen. Man sollte allerdings in diesem Buch keinen satirischen Seitenhieb auf „Der Herr der Ringe“ erwarten, denn damit hat „Die Helden von Mudddelerde“ nur bedingt etwas zu tun. Von der Klasse her gemahnt es aber fast schon an diese legendäre Trilogie und löst so natürlich auch die Hoffnung aus, irgendwann einmal fortgesetzt zu werden. Doch so weit sind wir noch nicht; erst einmal gilt es, Joe, seinen Hund, Randalf, Norbert und Veronika auf ihrer Reise durch die Fabelwelt und im Kampf gegen Dr. Knuddel zu erleben, und dabei wünsche ich allen Interessierten viel Spaß – auch denjenigen, die das Hörbuch schon lieben gelernt haben!

Pratchett, Terry – Ab die Post

Ein Buch, das mit einer Hinrichtung beginnt, hat schon etwas Eigenartiges an sich. Stammt das Werk auch noch aus der Feder von Terry Pratchett, kann man sicher sein, dass es mit den Merkwürdigkeiten nicht allein dabei bleibt. „Ab die Post“ heißt der neue Roman des humorvollen Briten, der im |Manhattan|-Subverlag bei |Goldmann| erschienen ist und als ein 444 Seiten starkes, gebundenes Hardcover daherkommt. Das sehr hübsche Titelbild von Paul Kidby zeigt den Helden des Romans und seine Mistreiter auf einem riesigen Haufen Briefe.

Feucht von Lipwig heißt der junge Mann, der zu Beginn der Ereignisse von „Ab die Post“ den Kopf von einem freundlichen Henker durch die Schlinge gelegt bekommt. Doch das Schicksal meint es gut mit dem Kleinkriminellen, denn anstatt dem Sensenmann entgegenzutreten, wird die Hinrichtung nur vorgetäuscht und er landet beim Patrizier, der ihm die freie Stelle des Postministers von Ankh-Morpork anbietet. Bei der Auswahl zwischen Erhängen und einem Job bei der Post fällt es dem versierten Betrüger nicht schwer, sich für die gesündere der beiden Alternativen zu entscheiden. Wobei er aber schon einen Fluchtplan schmiedet, der jedoch jäh durch Herrn Pumpe, einen stattlichen Golem, gestoppt wird, der vom Patrizier engagiert wurde, um Feucht von Lipwig von nun an zu begleiten/bewachen.

Als der sympathische Gauner dann seine zukünftige Arbeitsstätte und sein Personal begutachtet, fällt er aus allen Wolken: Das Postamt ist bis unters Dach gefüllt mit Briefen, die seit zwanzig Jahren auf ihre Zustellung warten, und bei den beiden übrig gebliebenen Angestellten handelt es sich um einen uralten Mann, Herrn Grütze, und einem Nadeln sammelnden und leicht einfältigen Jungen, der sich Stanley nennt.

Nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten beginnt Feucht von Lipwig Gefallen an der Sache zu finden, denn seine Fähigkeiten im Umgang mit Menschen (oder besser gesagt in der Manipulation der Menschen) machen aus ihm einen ganz ordentlichen und sogar beliebten Postminister. Als er sich auch noch in die „Golemrechtlerin“ Fräulein Liebherz verguckt, legt er sich richtig ins Zeug, um den Postladen wieder auf Vordermann zu bringen.

Doch es gibt da eine Partei, die ganz und gar nicht mit den Bemühungen des neuen Postministers glücklich ist, nämlich die Betreiber des Großen Strangs, der Semaphorengesellschaft, die bisher mit ihren Klackertürmen das Monopol der Nachrichtenübermittlung in Ankh-Morpork und der weiteren Umgebung besaßen.

Der Kopf dieser Gesellschaft, Reacher Gilt, ist ein machthungriger, skrupelloser Geschäftsmann, dem man nachsagt, dass er ein Auge auf den Thron des Patriziers geworfen haben soll. Seit die Semaphorentürme in seiner Hand sind, kommt es immer wieder zu Ausfällen, die vor allem durch die sehr einschneidenden Einsparungen verursacht werden, die Gilt der Gesellschaft auferlegt hat. Bisher war das allerdings kein Problem, doch nun läuft dem Strang die Kundschaft weg, die nun lieber Briefe verschickt und sogar anfängt, Briefmarken zu sammeln. Als Feucht von Lipwig dann den Großen Strang noch herausfordert – er behauptet, er könne eine Nachricht schneller nach Gennua bringen als der Strang –, sieht Gilt die Chance, den Postminister endlich loszuwerden. Doch dieser bekommt von unerwarteter Seite Hilfe.

Auf den ersten Blick erscheint die Geschichte des jungen Gauners, der einen Laden wieder auf Vordermann bringt, sich dabei verliebt und letztendlich dabei seine gute Seite entdeckt, sehr hollywoodesk – und ja, sie ist es auch. Doch wer Pratchett kennt, der weiß, dass es auch zwischen den Zeilen viel zu entdecken gibt, und so auch in seinem neuesten Werk, das nur so von Andeutungen und Anspielungen auf die wirtschaftlichen Zusammenhängen unserer schönen globalen Welt strotzt. In den humoristischen Schafspelz der Scheibenwelt verpackt, erzählt er von Vorständen, die sich auf dem Rücken eines Unternehmens bereichern, von egoistischen Geschäftsgebaren, von feindlichen Übernahmen und ausgebeuteten Belegschaften. Also alles Themen, denen es weder an Aktualität noch an Brisanz mangelt. Es ist auch immer wieder faszinierend, wie Pratchett Dinge aus ‚unserem modernen und zivilisierten Leben‘ nimmt und sie in seine Fantasywelt einflechtet; wer sich bei den Jungs des „Rauchenden Gnus“ an die „einsamen Schützen“ aus der Akte-X-Serie erinnert fühlt, dürfte da gar nicht so verkehrt liegen. Die beliebten Darsteller der Scheibenwelt-Serie (Rincewind, die Wache, die Hexen) kommen in „Ab die Post“ gar nicht oder nur am Rande vor, was vielleicht den einen oder anderen Fan nach „Kleine freie Männer“ und dem „Weiberregiment“, in denen sie auch nicht vorkamen, ein wenig enttäuscht. Diese können sich aber freuen, denn der nächste Scheibenweltroman wird ein waschechter Stadtwachen-Krimi.

Was Pratchett in „Ab die Post“ abgeliefert hat, ist ein sehr netter Roman, der die Vielseitigkeit der Scheibenwelt um eine weitere Facette ergänzt. Es gelingt ihm in gewohnt gekonnter Manier, Sachverhalte aus der realen Welt in die Scheibenwelt einzubauen, ohne dabei lächerlich oder gar albern zu wirken. Obwohl das Buch einige Längen hat, ist es für jeden Terry-Pratchett-Fan ein Muss.

© _David Grashoff_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ veröffentlicht.|

Burgwächter, Till – Sorry, aber so isses! – Böse Texte für den Rest der Welt

Das Lieblingslexikon für Onliner namens Wikipedia lehrt uns über den Witz, dass dieses Wörtchen vom Althochdeutschen stammt, wo wizzi gleich Wissen hieß. Gemeint ist mit dem Witz als solchem ein kurz formulierter Sachverhalt, der in der „Pointe“ die plötzliche Option eröffnet, der angebotenen Information nicht mehr mit dem gebotenen Ernst zu begegnen – wobei die Betonung auf „plötzlich“ liegt.

Warum Heavy-Metal-Humorist Till Burgwächter diese Definition des Witzes einmal lesen sollte? Seine Satiren in „Sorry, aber so isses! – Böse Texte für den Rest der Welt“ sind zwar annehmbar für Leute, die sich ein wenig lustig machen wollen über das Treiben auf der Erde und dabei einfach einmal ihre eigenen Vorurteile bestätigt wissen möchten – aber im eigentlichen Sinne komisch schreibt er nicht. Burgwächters Texte sind zu vorhersehbar. Die Pointen lächeln schon Zeilen vorher um die Ecke und basieren ausschließlich auf Klischees. Da geht es gegen Rentner in ihren langsamen Autos. Gegen Beamte. Gegen Gospelchöre. Gegen Polizisten. Gegen alte Damen in Cafés. Eben gegen Menschen, die sich sowieso nicht wehren können und wunderbare Opfer für jeden Stammtisch sind – die alle zieht Burgwächter mal mehr, mal weniger gelungen durch den Kakao. Auch Sportler oder Schauspieler bekommen bei so einem Rundumschlag ihr Fett weg, keine Frage. Doch wirkt Burgwächter in seinen Texten nie souverän, sondern eher wie jemand, der sonst keinen Spaß in seinem Leben hat und deshalb möglichst sarkastisch, mitunter sogar zynisch gegen das wettert, was ihm an seinem Dasein nicht passt.

Damit ist er weit entfernt von den Qualitätsstandards, die einst etwa ein Dieter Hildebrandt in seinem unvergessenen „Scheibenwischer“ setzte, aber auch noch lange nicht an dem genialen Punkt, den heute etwa die Satirezeitschrift „Titanic“ durch ihre absolute Überhöhung des Sarkasmus mit jeder Ausgabe erreicht. Ein Vergleich tut da Not: Ein „Titanic“-Redakteur etwa raucht locker einen Joint und schreibt dabei über das neue Projekt von „DIE PARTEI“ – die Partei, die es auch wirklich gibt und die laut ihrem Programm die Mauer zwischen Ost und West wieder mit den Steinen der niederzureißenden Dresdner Frauenkirche aufbauen will. So etwas ist cool, das hat provokativen Stil. Burgwächter dagegen schreibt von der Bundeswehr, wie blöde alle sind, die dort arbeiten – das mag für ein Klischee stimmen und wohl auch in Wirklichkeit so sein. Aber was ist an dieser Erkenntnis witzig oder neu?

Das ist denn auch das Hauptproblem an „Sorry, aber so isses!“ – die meisten Themen sind zu oft schon durch den Kakao gezogen worden, Burgwächter überrascht kaum mit neuen Sichten auf die Welt. Freilich, an sich sind seine Texte recht anschaulich beschrieben, seine Sprache abwechslungsreich und ausdrucksstark. Dennoch langweilt Burgwächters Buch auf Dauer; manchmal, wenn die Weltsicht des Autoren zu sehr von der eigenen Meinung abweicht, ist es sogar regelrecht ärgerlich – und manches Gesabbel wie „Nur die Liebe zählt …“ oder „Die Dritten“ ist schlicht so an den Haaren herbeigezogen, dass es nicht mehr glaubwürdig klingt. Burgwächter ist damit wie sein satirelnder Gothic-Autoren-Kollege Christian von Aster bei dem Versuch gescheitert, gelungene Glossen eben nicht nur über die eigene Musik zu schreiben – schade eigentlich.

Ankowitsch, Christian – Dr. Ankowitschs kleines Universal-Handbuch

Nach dem „kleinen Konversations-Lexikon“ hat Christian Ankowitsch alias Dr. Ankowitsch nun einen weiteren Ratgeber herausgebracht, der einem wohl selbst in den prekärsten Lebenslagen aus der Patsche hilft. In „Dr. Ankowitschs kleines Universal-Handbuch“ hilft der Autor dem Leser selbst in den Situationen weiter, die einem im Normalfall ein Rätsel aufgeben würden.

Ein Beispiel: Man sitzt als Nicht-Mediziner mit weit geöffnetem Mund auf dem Folterstuhl beim Zahnarzt, und dieser gibt seiner Kollegin eine Reihe von Zahlen durch, die wohl für Zähne stehen. Die ganze Zeit fragt man sich, wovon genau der Mann da eigentlich erzählt, und in diesem Buch findet man nun endlich die Antwort.

Nächstes Beispiel: Man reist ohne Reiseführer in die entlegendste Republik und muss am Flughafen mal die Örtlichkeiten aufsuchen. Doch welche Aufschrift muss nun das Türschild haben, hinter dem sich die Stelle, an der man seine Notdurft verrichten darf, verbirgt? Dr. Ankowitsch hilft uns hier weiter.

Für den Online-Redakteur enorm wichtig: Wie führe ich ein Interview? Wie steige ich ins Gespräch ein, wo setze ich Schwerpunkte, wie nehme ich mir die Nervosität, wenn ein verehrter Künstler mit seinem Anruf droht? Nun, ich danke Ihnen, Herr Ankowitsch, erst vorgestern Abend hat ihr Ratgeber diesbezüglich die Bewährungsprobe bestanden.

Nächstes Szenario: Bundeswehr, man ist gerade aus Mamis Obhut entflohen und soll nun seine Hemden bügeln, damit der Kommandant einen nicht die Räumlichkeiten mit der Zahnbürste schrubben lässt. Aber wie falte und bügele ich jetzt ein Hemd richtig? Nun, es steht auf Seite 94 …

Man geht ins Edel-Restaurant, rundherum liegen zahlreiche Gabeln, und weil man sich an die Förmlichkeiten halten möchte, braucht man wohl irgendwie auch Unterstützung, um zu wissen, welche Gabel nun welchem Verwendungszweck zugeführt werden soll. Gut, wenn man dieses rote Büchlein mit sich führt.

SPAM allerorts, man verliert die Kontrolle über den Posteingang und hat absolut keinen Durchblick mehr. Was nun? Tja, auch hierauf hat Dr. Ankowitsch die passende Antwort.

„Dr. Ankowitschs kleines Universal-Handbuch“ ist ein echtes Schmuckstück und tatsächlich universell einsetzbar. Wegen seiner optimalen Größe kann der feine Ratgeber außerdem immer in der Jackentasche mitgeführt und im Problemfall ausgepackt werden. Man gerät also nie ins Schwitzen …

Aber mal im Ernst: Dieser Ratgeber enthält alles, was man von einem ebensolchen Buch erwartet: eine gesunde Prise Humor, umfangreiche Unterhaltung, nützliche Infos bis zum Abwinken und einen sehr strukturierten, übersichtlichen Aufbau. Die Idee scheint auf den ersten Blick nicht sonderlich revolutionär zu sein, doch sobald man erst einmal in die logisch aufgebaute Welt des Christian Ankowitsch eingetaucht ist, wird man schnell bemerken, dass man etwas Vergleichbares noch nie zuvor vor die Lesebrille bekommen hat. Einzigartig, witzig und enorm hilfreich ist er, dieser Ratgeber, und wer noch ein richtig originelles Weihnachtsgeschenk sucht, landet hier einen Volltreffer – und bekommt eine umfassende Ansammlung von Argumenten, die dabei helfen, sein Gegenüber von der Richtigkeit des eigenen Handelns zu überzeugen …

Dave Barry – Dave Barry erklärt, was ein echter Kerl ist

Es gibt Männer und es gibt Kerle – dies ist die Prämisse, von der Dave Barry ausgeht. Während Erstere relativ unauffällig daherkommen, sind es Letztere, die als politisch unkorrekte Quertreiber gegen die Regeln einer auf Gleichberechtigung und Gleichbehandlung ausgerichteten Gesellschaft auftreten. Kerle sind geistig einfach gestrickt – wortkarg, wenn es um Gefühle geht, aber offen in der Präsentation diverser Körperfunktionen; sie haben eine eigenwillige Auffassung von körperlicher Hygiene, zwischenmenschlichen Beziehungen und ehelicher Treue. Sport steht bei ihnen zuzeiten höher im Kurs als die Bedürfnisse ihrer Familie, sinnlose Wetten mit vorprogrammiert peinlichem Ausgang locken sie an wie das Licht die Motten.

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Barkawitz, Martin – Blutgräfin, Die

|Gräfin Vanessa ist sexy, intelligent, charmant – und seit Jahrhunderten tot. Jede Nacht liefert sich die rumänische Vampirlady gnadenlose Schlachten mit den grausamen Rattenleuten – mutierten Halbwesen aus der Kanalisation von Bukarest. Schließlich setzt sich die Gräfin mit ihrem treuen Erdgeist Wolopec nach New York ab, wo sie sofort in einen Kampf zwischen Vampirclans verwickelt wird. Und dort lernt sie den Blutsauger ihres ewigen Nachtlebens kennen: Vince Barrakuda.|

Wie in der Mathematik möchte ich mit dem Positiven beginnen: Martin Barkawitz weiß in diesem Roman zu unterhalten. In flottem, humorvollem Stil erzählt er die Geschichte der Blutgräfin Vanessa de Bradiscu, die von Budapest nach New York kommt und dort auf Großstadt-Vampire trifft, in einen Vampirclan-Krieg gerät und sich schließlich in einen attraktiven „jungen“ Vampir verliebt, den sie eigentlich im Auftrag der Gegenseite töten soll. Das alles ist flüssig im Heftromanniveau geschrieben und beschert einige amüsante Lesestunden.

Somit hat der Autor sein „Klassenziel“ auf jeden Fall erreicht. Nicht aber der Verleger. Und damit komme ich zum Negativen: Der Roman ist für stolze zehn Euro eine Beleidigung für jeden zahlenden Kunden, aber auch für jeden halbwegs bibliophilen Leser.
Das Cover passt nicht zur Handlung, die sich hauptsächlich in New York abspielt. Das in Anlehnung an die kaum auftreten Rattenmenschen erwählte Nagetier erinnert mehr an ein zahmes Meerschweinchen, das man auf den Schwanz getreten hat und ist künstlerisch eher kindlich naiv dargestellt, was zum Genre Grusel/Horror nicht passt.
Der Satz des Buches ist eine einzige Katastrophe. Hammellücken, wohin das Auge blickt, an einer Stelle hat sich der Blocksatz völlig verflüchtigt, durch die stoisch gesetzten Einrücker wird der Text auf 152 Seiten gequält, aber auch unnötig auseinandergerissen, was den Lesefluss enorm stört. Das Lektorat – soweit es erfolgt ist – hat auch allenfalls Heftromanniveau und ist, schlicht gesagt, grauenvoll.

Das Genre Grusel trifft auf den Roman auch nicht zu, da hier eine eher humoristische Vampirstory erzählt wird, die mehr Schmunzeln als Gruseln hervorruft. Wenn zum Beispiel die Blutgräfin eine Betrunkene aussaugt und dadurch selbst einen gehörigen Schwips hat …
Man hätte mit einem guten Lektorat in Zusammenarbeit mit dem Autor aus dem Plot viel mehr machen können und müssen – nämlich eine ordentliche Vampirhumoreske … So bleibt der schale Beigeschmack, dass man für sein gutes Geld zu wenig und schlecht verlegte Lesekost bekommt, die man in jedem günstigeren Heftroman auch erhalten hätte. Da täuschen auch die dilettantischen Innenillustrationen nicht drüber hinweg.

Vom Kauf dieses Buches kann ich daher nur abraten.

Ich wünsche dem [mgVerlag]http://www.mgverlag.de/ mehr Sorgfalt und Selbstkritik, dann werden sich die Bücher sicher verbessern. Und ich hege die Hoffnung, da dies mein erster Titel aus dem Verlag ist, den ich rezensiere, dass dieser eine unrühmliche Ausnahme bleibt. Ich lasse mich daher gerne durch die nächsten Exemplare eines Besseren belehren.