Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

Jussi Adler-Olsen – Natrium Chlorid. Der 9. Fall für für Carl Mørck, Sonderdezernat Q

Der Mörder mit der Todesspritze

Er mordet seit 30 Jahren. Niemand konnte ihn stoppen. Bis jetzt. Der neue Fall für das Sonderdezernat Q.

An ihrem 60. Geburtstag begeht eine Frau Selbstmord. Ihr Tod führt zur Wiederaufnahme eines ungeklärten Falls aus dem Jahr 1988, der Marcus Jacobsen mit seinem besten Ermittler Carl Mørck zusammengeführt hat. Carl, Assad, Rose und Gordon ahnen nicht, dass der Fall das Sonderdezernat Q an die Grenzen bringt: Seit drei Jahrzehnten fallen Menschen einem gerissenen Killer zum Opfer, der tötet, ohne dass ihm ein Mord nachgewiesen werden kann. Er wählt Opfer und Todeszeitpunkt mit Bedacht und Präzision. Dreißig Jahre lang konnte niemand ihn stoppen. Und während die Corona-Maßnahmen die Ermittlungsarbeiten zusätzlich erschweren, bewegt der alte Fall sich auf Carl zu wie eine Giftschlange, die Witterung mit ihrer Beute aufgenommen hat … (Verlagsinfo)

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Tess Gerritsen – Leichenraub. Thriller

Von Schädeln, Schlitzern und geraubten Leichen

Julia Hamill ist schockiert: Stammen doch die menschlichen Gebeine, die sie in ihrem Garten gefunden hat, von einer jungen Frau. Schnell entdeckt die Pathologin Maura Isles, dass sie ermordet wurde – vor fast 200 Jahren. Wer ist die junge Tote, wer hat sie so heimlich verscharrt? Julias Neugier führt sie in die Vergangenheit Bostons zur medizinischen Fakultät der Universität. Und zu dem Medizinstudenten Norris Marshall aus dem Jahr 1830, der hofft, einen gefährlichen Frauenmörder zu stellen – und dabei seine einzige Zeugin in höchste Gefahr bringt …
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Hale, Georgie – Gift der Rose, Das

_Weibliche Opfer: jung, rot, tot_

Blackport ist eine englische Kleinstadt mit einer Universität, wo sich zum Wintersemester auch Flora Flora Castledine, Tochter eines bekannten Schriftstellers, einschreibt. Sie freundet sich mit dem undurchsichtigen Kieran Willeran an, der den Romeo zu ihrer Julia im bekannten Shakespeare-Stück spielen soll. Doch aufgrund einer Mordserie ergibt sich, dass ein Dozent Kieran beschuldigt, der Urheber all der Morde an jungen Frauen zu seien, die Blackport seit Wochen erschüttern. Die Opfer hatten alle ein gemeinsames Merkmal: leuchtend rote Haare, genau wie Flora …

_Die Autorin_

Georgie Hale studierte an der Universität von Liverpool. Sie lebte lange Zeit in Coventry und unterrichtete dann an der Universität von Warwick. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Das vorliegende Buch ist ihr erster Roman.

_Handlung_

Flora Castledine ist in einer behüteten Umgebung in Cornwall aufgewachsen: bei ihrem Vater, einem Witwer, und in der Klosterschule. Nun kommt sie erstmals in Kontakt mit der freien Welt: Blackport, eine westenglische Universitäts- und Hafenstadt. Sie ist naiv, Jungfrau und voller Entdeckerlust. Die Uni weist ihr eine kleine Wohnung über einem indischen Restaurant zu, die sie mit der quirligen, aber schon erfahreneren Meg teilen muss. Beide haben leuchtend rote Haare. Der stotternde, schüchterne Hausverwalter Norman verliebt sich auf der Stelle in Flora und verspricht, auf sie aufzupassen. Niemand hätte gedacht, dass er seine Aufgabe derartig ernst nimmt, aber schließlich hat es erst kürzlich zwei Morde an jungen rothaarigen Frauen in Blackport gegeben.

Chief Inspector Shenfield, ein vor der Pensionierung stehender Bulle alter Schule, hat sich auf einen gewissen O’Driscoll als Urheber der Mordserie eingeschossen. Er hatte ihn schon, vernahm ihn brutal, wurde deshalb geschasst und musste ihn aus Mangel an Beweisen laufen lassen. Seitdem trägt er einen Groll mit sich herum, und als die Mordserie erneut losgeht, schläft er kaum noch. Sein Freund und Kollege Whitelaw ist besorgt.

Diesmal werden sie zu einem weiteren Tatort gerufen. Tanya Stewart hieß das Mädchen, doch der Fundort ist etwas Besonderes. Es ist die Wohnung von Shenfields Sohn Christopher Heatherington, einem Englisch-Dozenten an der Uni, den Shenfields ablehnt und sogar hasst. Wie auch immer: Sollte die Presse Wind davon kriegen, dass Vater und Sohn in den gleichen Fall verwickelt sind, wird Shenfield dieser Fall garantiert wegen Befangenheit weggenommen. Und da sie einen neuen Mitarbeiter direkt von der Polizeiakademie zugewiesen bekommen haben, wird das wohl nicht mehr lange dauern, setzt Medlock doch mehr auf neue Methoden als auf alte Seilschaften …

Flora ist bis über beide Ohren verliebt. Kieran Willeran ist der Romeo zu ihrer Julia in Shakespeares romantischem Stück, das beide in der Theater-AG der Uni üben. Doch Kieran tut sehr geheimnisvoll, erzählt praktisch nichts von sich und seiner Familie und deshalb fühlt sich Flora zurückgewiesen. Obwohl sie miteinander schlafen, scheint sich Kieran kein gemeinsames Leben mit Flora vorstellen zu können. Doch dann wagt Flora einen kühnen Schritt: Sie lädt Kieran zu ihrem Vater ein, der auf den abgelegenen Scilly-Inseln vor der Küste Cornwalls lebt.

Christopher Heatherington ist ein ehemaliger Schüler ihres Vaters. Er wurde von diesem gebeten, in loco parentis, also an Elternstelle über Floras Wohlergehen zu wachen. Klar, dass er Kierans Eindringen in Floras Privatleben misstrauisch beäugt, doch da ist er nicht der Einzige. Norman tut das Gleiche.

Als eines Morgens eine rothaarige junge Frau im Garten vor Floras Haus tot aufgefunden wird, überschlagen sich die Ereignisse, denn jeder der Beteiligten zieht die falschen Schlüsse. Und von Kieran Willeran findet sich keine Spur. Eine Tragödie nimmt ihren unausweichlichen Lauf.

_Mein Eindruck_

Ich habe diesen fein gestrickten Psychothriller in kurzer Zeit gelesen. Nicht bloß, weil die Schrift so groß gedruckt ist, dass die Seiten nur so vorüberrauschen, sondern auch weil die Spannung kaum jemals nachlässt. Denn die Autorin hat einen Thriller mit doppeltem Boden geschrieben. Aus der vordergründigen Kriminalerzählung über die Aktivitäten von Inspektor Shenfield und seinen Mannen entwickelt sich unversehens ein menschliches Drama, und aus der Liebesromanze Flora wird ein Spiel auf Leben und Tod.

|Infomangel|

Der Trick, mit dem der Autorin dies gelingt, besteht vor allem an einem ganz normalen Mangel an Informationen, die die Beteiligten wie auch der Leser erhalten. „Normal“ deshalb, weil die Informationen nicht das Maß übersteigen, über das ein realistisch geschilderter Polizist oder Bürger verfügt. Der alternde Shenfield ist kein Supermann mehr, und Medlock, obwohl Computercrack, ist ein Charakterschwein. Die Figuren, die Flora umgeben, werden unzureichend geschildert, wozu Kieran mit seiner Geheimniskrämerei nicht wenig beiträgt.

|Drei Kandidaten|

Ständig fragt sich der Leser, wer wohl der Schreiber jener eingestreuten poetischen Zeilen ist, der Flora seine Verehrung erklärt – solange sie sich nicht zur Metze ihres Lovers machen lässt. Dann nämlich beginnen die „Stimmen“ in seinem Kopf sich zu beklagen und ihn aufzufordern, etwas gegen diese Schande zu unternehmen. Doch wer kann solche Zeilen verfassen? Ist es der Englischdozent Christopher Heatherington, der schon von Berufs wegen Yeats & Co. auswendig kennt und selbst Gedichte veröffentlicht hat? Ist es Kieran, sein bester Schüler, der Flora mit Yeats‘ Poesie beglückt? (Der Originaltitel ist ein Yeats-Zitat.) Oder ist es der literaturbeflissene Wachmann und Verwalter Norman, der über Flora in ihrer nächsten Nähe wacht? Das Rätselraten hält bis fast zu Schluss an.

|Falsche Fährten|

Als Kieran untertaucht, setzt sich natürlich jeder Cop auf seine Fersen. Doch der Leser ahnt, dass diese Lösung viel zu leicht wäre. Und romantische Genmüter werden sich wünschen, dass Flora / Julia schließlich doch noch ihren Kieran / Romeo bekommt. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wenn es aber nicht Kieran war, wer dann? Der mitdenkende Leser wird schon in jener komplexen Szene auf den richtigen Täter kommen, in der die rothaarige Frau vor Floras Haus gefunden wird. Ist die Tote Flora oder ihre ähnlich gekleidete Mitbewohnerin Megan? Die Autorin hat – nicht gerade geschickt – dafür gesorgt, dass sich Meg Klamotten gekauft hat, die sie wie Flora aussehen lassen. Zusammen mit dem gleichen roten Haar sehen sie sich zum Verwechseln ähnlich. Doch welche von beiden wollte der Mörder töten? Oder hat er sich geirrt?

|Showdown|

Auf den stürmischen Scilly-Inseln finden alle Rätsel ihre Antwort. Dass die Autorin diese schöne, vom warmen Golfstrom verwöhnte Meereslandschaft wie ihre Westentasche kennt, ist offensichtlich, denn jede Zeile darüber verrät ihre Liebe zu diesem rauen Land und seinen knorrigen, kantigen Bewohnern. Der Computerfreak Medlock ist hier so fehl am Platz wie ein Fisch auf dem Trockenen, und so ist er es, der zu den falschen Maßnahmen greift. Whitelaw fällt ihm gegen alle Dienstvorschrift in den Arm, denn nun müssen Dinge getan werden, die man nicht an der Polizeiakademie lernt.

|Familiengeschichten|

Der Vergleich mit den Thrillern von Nicci French liegt nahe, aber das Autorengespann French verlässt sich doch mehr auf den Kontakt mit der harten, widerwärtigen Realität. Georgie Hale hat in ihren Thriller eine Romanze hineingewoben und sie der gesellschaftlichen Realität ausgesetzt. Ihr Romeo ist ein gebrochenes Kind, das, wie er zögernd erzählt, schon früh von seinem Stiefvater missbraucht wurde und in der Folge zu einem Kleinkriminellen wurde. Das Kieran überhaupt an die Uni gelassen wurde, verdankt er nur Heatheringtons Fürsprache. Als Flora in Gefahr gerät und Kieran unter Verdacht, findet sich Heatherington unversehens mitten in der Schusslinie. Kann er dem Druck von allen Seiten standhalten?

_Unterm Strich_

„Das Gift der Rose“ ist beste Krimiunterhaltung. Einigermaßen raffiniert erzählt, wird der Leser aber doch nicht so hart gefordert wie von Minette Walters oder Val McDermid. Die romantischen Elemente spielen eine tragende Rolle, und alles endet in einer Tragödie. Aber werden sich die Liebenden finden? Was in jedem Schnulzenrtoman die Kardinalfrage ist, wird auch hier nicht vernachlässigt. Für Leserinnen mit einer romantischen Ader, die sich spannend unterhalten lassen wollen, ist der Krimi optimal geeignet. Sie können das melodramatische Ende wohl auch besser goutieren als männliche Leser. Die dürften sich mehr Action wünschen, denn davon gibt es fast überhaupt nichts.

|Originaltitel: Tread softly, 2000
Aus dem US-Englischen von Ruth Keen|
http://www.heyne.de

Håkan Nesser – Sein letzter Fall (Van Veeteren 10)

Schwarze Logik: Van Veeterens großer Irrtum

Eine tote Frau in einem leeren Swimminpool, ein Mörder mit einem wasserdichten Alibi und Ex- Kommissar Van Veeteren, dem dieser Fall – der einzig ungelöste seiner Laufbahn – auch fünfzehn Jahre nach der Tat keine Ruhe lässt. Wer hat Barbara Clarissa Hennan auf dem Gewissen? Ihr Mann G., wie alle glauben, dem aber nichts zu beweisen ist? Das plötzliche Verschwinden eines Privatdetektivs, der G. damals beschattet hat, ist für Van Veeteren Anlass, die Sache noch einmal neu aufzurollen … (Verlagsinfo)

Der Autor
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Sander, Roman (Hg.) – Sherlock Holmes im Labyrinth der Lügen

Holmes & Watson wider Moriarty & Das gefleckte Band

Dieser Erzählband versammelt weitere Geschichten über die von Sir Arthur Conan Doyle geschaffenen Charaktere Sherlock Holmes und Dr. John Watson. Nicht nur findet sich darin die Wahrheit über „Das gefleckte Band“, sondern auch eine über Holmes’ unbekannte Jahre nach seinem scheinbaren Tod an den Reichenbach-Fällen. Und er macht Bekanntschaft mit den Alten Göttern eines gewissen Herrn Lovecraft …

Der Herausgeber
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Robert Harris – Vaterland. Thriller

Alternativwelt-Thriller mit großer Wucht

Hitler hat den Krieg gewonnen – Nazideutschland beherrscht ganz Europa. Daher kommt der plötzliche Tod eines hohen NS-Parteibonzen der ersten Stunde höchst ungelegen und muss sofort aufgeklärt werden. Das ist das Horrorszenario in Robert Harris‘ frivolem Politthriller. >>Harris versteht, gut und spannend zu schreiben. Es kommt alles vor: Verbrechen, Verschwörungen, Vertuschung, Irreführung, Gewalt und Liebe. Harris kann den Historiker nicht verleugnen – so würzt er seine Geschichte mit historischen Dokumenten.<< DIE ZEIT

Der Autor
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Ambrose, David – Epsilon

Charlie Monk ist ein perfekter Agent: ein gewissenloser Killer. Allerdings verliert er die Loyalität zu seinen Auftraggebern. Und die Neurologin Dr. Susan Flemyng, die ihn für ihre Rachepläne gewinnt, setzt ihn auf eben diese Auftraggeber an. Ein Thriller mit doppeltem Boden, der in der Welt von Wissenschaft und Politik spielt.

_Der Autor_

David Ambrose steht für spannende Wissenschaftsthriller am Rande der Wahrscheinlichkeit. Er begann seine Karriere als Drehbuchautor für den Regisseur Orson Welles, lehrte Recht an der Universität Oxford und hat für Theater, Film und Fernsehen gerarbeitet. In Deutschland ist er mit [„EX“ 135 bekannt geworden, der neben unangenehmen Geistern auch eine interessante Zeitschleife vorzuweisen hat.

Ambroses Thriller waren schon immer ein wenig verwirrend für Leser, die unvorbereitet sind. Im Falle dieses Buches wäre es recht hilfreich, sich schon einmal mit Virtueller Realität (VR) und Gentechnik beschäftigt zu haben.

_Handlung_

Dr. Susan Flemyng hat einen Patienten namens Brian Kay. Kay hat zum Teil sein Erinnerungsvermögen verloren. Er ist schon seit 20 Jahren in Susans Obhut, und immer noch erkennt er seine Frau Dorothy nicht wieder, wenn sie ihn besuchen kommt. Seine Erinnerung reicht nur für etwa zwei bis drei Minuten. Sein Langzeitgedächtnis ist ausgefallen. Immerhin konnte ihm Flemyng die visuellen Eindrücke, das „Bild“ seiner Frau, einpflanzen. Und wer weiß? Vielleicht hat Kay tatsächlich etwas mit dieser Geschichte zu tun …

|A) Susan|

Flemyng bekommt eines Tages eine schlimme Nachricht: Ihr Mann, ein Ingenieur, ist in Sibirien bei einem Flugzeugunglück umgekommen. Von ihrem Vater Amery Hyde getröstet, wird sie erst durch einen mysteriösen Besucher stutzig, der vorgibt, ein Reporter zu sein: Ihr Mann sei nicht abgestürzt, sondern ermordet worden, weil er etwas Wichtiges herausgefunden hatte. Wenig später ist auch der Reporter tot.

Susan war noch nie der Typ Mensch, der die Dinge auf sich beruhen lässt. Sie fliegt mit einer Führerin nach Ostsibirien in die hinterste Taiga. Dort stößt sie in einem mickrigen Hotel auf geheime Unterlagen des toten Reporters, die sie sofort weiterleitet, aber auch auf ein supergeheimes Forschungsinstitut, das zu ihrer Verblüffung genau jener Organisation gehört, das auch ihre eigene neurologische Forschungsarbeit finanziert: die Pilgrim Foundation. Sie war von ihrem Vater für unbedenklich erklärt worden.

Doch Susan wird zu ihrem Entsetzen nicht nur ihrer Freiheit beraubt, sondern auch zur weiteren Kooperation gezwungen: Man hat ihren Sohn Christopher als Geisel genommen. Da er alles ist, was ihr noch geblieben ist, willigt sie ein. Ihr erstes supergeheimes Projekt ist ein menschliches Wesen, das man mit Gentechnik aus einem Schimpansen herangezüchtet hat (ein momentan höchst unwahrscheinliches Szenario, aber wer weiß, was man in 20, 30 Jahren alles kann). Es handelt sich um Charlie Monk. Sie soll ihm „Bilder“ einpflanzen. Sie sieht eine Chance, sich und ihren Mann zu rächen.

|B) Charlie|

Charlie Monk ist der perfekte Agent für geheime US-amerikanische Regierungsstellen: gut aussehend, durchtrainiert, präzise und vor allem absolut gewissenlos und loyal zu seinen Auftraggebern. Er agiert sozusagen auf Knopfdruck, ohne Fragen. Sein „Führungsoffizier“ ist ein Mann, der sich Control nennt. Charlie kennt sein Gesicht.

Nach dem letzten Auftrag hat man Charlie jedoch „stillgelegt“. Er fühlte sich beschattet und entkam seinen Bewachern. Nun erwacht er in einem Affengehege, das sich offenbar in einer Art Zoo befindet und an jeder Stelle von Kameras überwacht wird. Doch an einer Stelle gibt es Fenster, die sein Gehege überwachen. Und zu seiner Überraschung sieht er dort Katie, seine Jugendliebe. Katie sieht genauso aus wie Dr. Susan Flemyng.

Als Charlie wieder einmal erwacht, sieht er Susan vor sich. Er erfährt, dass er das Schimpansengehege als eine perfekte Virtuelle Realität (VR) erlebt habe. Ein spezieller Apparat, den man ihm über den Kopf stülpt, versetzt ihn in eine andere Welt, die sich genauso „real“ anfühlt wie die Realität erster Ordnung, in der er bislang zu leben meinte – auch diese war VR! Wer also ist Charlie Monk „wirklich“?

Susan gelingt es, den immens starken Charlie zu überzeugen, für sie zu arbeiten – sie gewinnt seine Loyalität. Und gemeinsam werden sie ihren Sohn Christopher befreien und sich an den Hintermännern dieser ganzen Sauerei rächen, oder?

Leider hat Susan nicht damit gerechnet, dass zu diesen Hintermännern auch ein Mann gehört, dem sie bisher bedenkenlos ihr Leben anvertraut hätte: Es ist der Mann, der sich Control nennt.

Anmerkung: „Epsilon“ ist der 5. Buchstabe im griechischen Alphabet. Er bezeichnet im Buch die 5. Generation jener aus Schimpansen gezüchteten Menschen wie Charlie Monk.

_Mein Eindruck_

Es gibt manchmal Bücher wie diese, die einem den rationalen Verstand ebenso durcheinanderwirbeln wie das gewohnte Weltverständnis. Diese Wirkung verunsichert den Leser stark und macht ihn entweder frustriert oder wütend oder beides. Als Endergebnis wird die Zumutung einfach beiseite geschoben und verdrängt. Problem vergessen, Problem erledigt.

Diese Reaktion wäre nur zu verständlich auch bei diesem Buch. Erst verlangt der Autor, dass man diesen James-Bond-Verschnitt namens Charlie Monk als eine Inszenierung der Virtuellen Realität akzeptiert, die sich eine höchst illegale Regierungsagentur in ihren Labors ausgedacht hat. Danach soll man auch noch akzeptieren, dass dieser Monk aus einem Schimpansen gezücktet worden sei. Man fragt sich allerdings: Wozu der Aufwand der Gentechnik, wenn doch eh alles virtuell realisierbar ist? Offenbar ist auch die Schimpansensache reine VR.

Und das macht die Geschichte noch frustrierender. Denn nun erhält die Geschichte den Anschein, als seien alle Realitätsebenen darin VR und untereinander austauschbar, also völlig beliebig. Letzten Endes auch die des Lesers. Der Autor führt für die VR-Experimente an Charlie historisch verbürgte Psycho-Forschungen eines gewissen B.F. Skinner an, den Autors des utopischen Romans „Walden Two“. Und dass unsere eigene Realität lediglich von Sinneswahrnehmungen abhängt, wusste schon René Descartes im 17. Jahrhundert („Ich denke, also bin ich.“).

So weit, so verwirrend. Da nun alles ein virtuelles Spiel mit inszenierten Realitäten zu sein scheint, so hat doch der Leser durch den Kauf dieses Buches das Recht erworben, durch ein solches VR-Medium (= Roman) zufriedenstellend unterhalten zu werden.

Immerhin funktioniert das Buch als VR-Maschine recht gut: Die Anfangskapitel, die Charlie Monk als Agent 007 zeigen, sind flott erzählt und entbehren nicht einer gewissen Spannung. Seine Existenz als Schimpanse ist durchaus ironisch auffassbar, denn der ansonsten zur Diplomatie neigende Affe muss sich nun mit brachialer Gewalt gegen die anderen Männchen durchsetzen.

Das Finale zeigt dann wieder Charlie Monk, nun in eigener Regie an Susans Seite, in voller agentenmäßiger Aktion, wobei sich als hilfreich erweist, dass er wegen seiner äffischen Herkunft schneller reagiert, stärker ist und sich rascher bewegt als seine Widersacher, die allesamt Control unterstehen.

Klingt das hanebüchen? Ja, genauso hanebüchen wie jeder James-Bond-Film. Wie das dem Buch vorangestellte Sean-Connery-Zitat verrät, musste auch 007 erst einmal erfunden werden, um auf der Leinwand, einer weiteren VR, halbwegs glaubhaft zu erscheinen: Er hat keinerlei Eltern oder Geschwister und fiel im Alter von 33 Jahren vom Himmel, gewissenlos, wie Fleming (!) ihn schuf.

_Unterm Strich_

Wenn man nicht vor Zorn und Frust gegen die Zumutungen des Autors aufbegehrt und das Buch nach zehn Seiten in die Ecke feuert, kann man ein paar nette Kapitel genießen, in denen man sich an der Seite von Charlie Monk wähnt oder in denen man mit Susan Flemyng einem Komplott auf die Spur kommt. Und dies geht dann nach einem recht verwirrenden Mittelteil in ein actiongeladenes Finale über.

Akzeptiert man diese Zumutungen des Autors, so könnte man diesen Roman als ironische Antwort auf den James-Bond-Kult auffassen. Das geht aber nur, weil damit auch eine Kritik an den Medien verbunden ist, die sich allesamt skruppellos der Ausbeutung dieses selbst geschaffenen Medienkultes befleißigen. Wie lukrativ dies ist, hat man ja wieder am letzten, zwanzigsten JB-Film gesehen, der das 40-jährige „Dienstjubiläum“ des unsterblichen 33-Jährigen markierte.

Die VR-Maschine läuft allen Kanälen auf Hochtouren und heraus kommt – nun was? Dollars und noch mehr Dollars. Dass einigen Leutchen dabei der Sinn für die Realität erster Ordnung abhanden kommt, was macht das schon? Sind wir nicht alle Charlie Monks? Doch wer ist dann Control?

|Originaltitel: The discrete charm of Charlie Monk, 2000
Aus dem Englischen übertragen von Stefan Bauer|

Caroline Corcoran – Die Vermisste

Inhalt

Romilly ist verschwunden. Nur wenige Stunden nach der Geburt ihrer Tochter. Ihre Familie kümmert sich um den Säugling und versucht herauszufinden, was mit Romilly geschehen ist. Ihr Mann Marc hat eine Erklärung. Aber ist die einfachste Erklärung immer die richtige? Wissen ihre Freunde und ihre Schwester mehr, als sie zugeben? Während ihre Geheimnisse nach und nach ans Licht kommen, wird klar: Die Wahrheit ist düsterer, als sie alle dachten. Und nicht alle werden am Ende noch leben, um sie zu erfahren … (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Die Vermisste” hat mich schon nach wenigen Kapiteln gepackt und dann nicht mehr losgelassen! Wieso hat Romilly ihr Neugeborenes kurz nach der Entbindung zurückzulassen und ist abgetaucht? Die Handlung rund um diese Frage wird abwechselnd aus der Perspektive der Mutter, des Vaters sowie Romillys bester Freundin Steffie erzählt. Caroline Corcoran – Die Vermisste weiterlesen

Michael Connelly – Fair Warning (Jack McEvoy 3)

Tote Frauen und die Gefahren der Stammbaumforschung

Jack McEvoy ist ein Reporter, der mehrere Erfolgsgeschichten über das Finden und Stellen eines Mörders vorweisen kann. Zu diesen gehören „Der Poet“ und „The Scarecrow“. Aber bislang wurde er noch nie beschuldigt, selbst ein Mörder zu sein. Bis zwei Beamte der Mordkommission des LAPD ihn befragen, was er mit der verstorbenen Christina Portrero zu tun gehabt habe.

Teils aus Trotz, teils wegen der bizarren Art und Weise, wie sein Beinahe-One-Night-Stand Tina zu Tode kam, beginnt er ihr nachzuforschen – und stößt auf eine Mordserie, die auf Genanalyse basiert. Während er diese Seite als „Verbraucherschutz“ an seinen Boss bei der Webseite „Fair Warning“ verkaufen kann, muss er sich entscheiden, welche Rolle er eigentlich selbst spielt: die des beobachtenden Reporters oder des beteiligten Ermittlers…
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Karin Slaughter – Pieces of Her / Ein Teil von ihr (Thriller)

Mutter und Tochter im Überlebenskampf

Ein schrecklicher Akt der Gewalt ist alles, was nötig ist, um Andrea Olivers Leben auf den Kopf zu stellen. Ein Mörder, der in einen Schnellimbiss eindringt und zwei Frauen erschießt. Dann gerät auch Andrea in sein Visier, denn sie trägt eine Art Polizeiuniform. Doch ihre Mutter Laura stellt sich dem Mann entgegen. Stellt ihn, redet auf ihn ein. Tötet ihn.

Andrea hat überlebt, Laura hat überlebt, doch es ist nicht der Mörder, den die Polizei nun zu jagen beginnt, sondern die beiden Überlebenden. „Tötungsmaschine“, nennt eine angebliche Freundin Andreas Laura, ihre Mutter. Nicht etwa „Heldin“. Und im Handyvideo, das ein anderer Imbissgast gedreht hat, sieht sie genau so aus. In der nächsten Nacht muss Andrea die Anweisungen ihrer Mutter befolgen und verschwinden. Denn nun hat auch sie selbst getötet…

Dieser Thriller, der keiner Serie zugehört, soll demnächst (Stand 2019) von Netflix verfilmt werden. Das gleiche gilt für „The Good Daughter“ und „Cop Land“.
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Patrick Robinson – In tödlicher Mission – H.M.S. Unseen. Seekriegthriller

Unsichtbare Bedrohung

Ein geprellter irakischer Spion startet einen Rachefeldzug gegen sein Land. Mithilfe eines «unsichtbaren» U-Boots greift er westliche Ziele an. Der Verdacht fällt auf den Irak. Wie reagiert der Westen? Kann er den Amokläufer stoppen? (Verlagsinfo)

Dies ist der zweite U-Boot-Thriller, der von dem britischen Journalisten Patrick Robinson in deutscher Sprache erscheint. Mit „Nimitz Class“ machte er schwer Eindruck: Die Detailkenntnis, die Routine im Aufbau der Handlung, der furiose Schluss brachten ihm Pluspunkte ein. Daher wagte Heyne es, den Roman „HMS Unseen“ anno 2000 bereits im Hardcover zu veröffentlichen.

Der Autor

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Kôji Suzuki – Ring. Horror-Roman

Dies ist die Romanvorlage für die japanische und die US-amerikanische Verfilmung „The Ring“: ein Gruselschocker, der in Japan eine Renaissance des Psychohorrors auslöste und acht Millionen Exemplare von der Ring-Saga verkaufte. Die Unterschiede zur US-Verfilmung, die ich kürzlich gesehen habe, sind erheblich. Ich gehe in meinem Bericht darauf ein. Wer den US-Film kennt, wird die Unterschiede interessant finden.

Der Autor
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Patrick Robinson – Nimitz Class. Seekriegs-Thriller

Katz-und-Maus-Spiel im Reich der U-Boote

Das Kriegsschiff „Thomas Jefferson“ ist ein Wunder moderner High-Tech und eine eigene Stadt im Meer. Doch eines Tages geschieht das Unvorstellbare – eine atomare Explosion versenkt den Flugzeugträger. Welches U-Boot hat den Nukleartorpedo abgefeuert? Die Jagd beginnt.
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Jack Kerley – Buried Alive (Carson Ryder 7)

Jagdszenen in Kentucky: Ein Folterknecht geht um

Carson Ryder, Alabama-Polizist mit Psychologieausbildung, nimmt Urlaub in Kentucky – und findet sich alsbald in eine Ermittlung von grausen Serienmorden verwickelt. Nicht genug damit, dass sein halbseidener Bruder nebenan wohnt, so verliebt sich Ryder auch noch in die Lokalpolizistin Donna Cherry. Kein Wunder, dass sie schon bald in höchster Lebensgefahr schwebt und er sein Leben einsetzen muss, um sie vor dem Rachefeldzug des Psychopathen zu bewahren.

Der Autor
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Jean-Christophe Grangé – Das Imperium der Wölfe

Die Morde an drei türkischen Frauen erschüttern das Pariser Türkenviertel. Die Kripo traut sich nur mit unorthodoxen Methoden, in dieser Schattenwelt zu ermitteln. War es ein Serienmörder? Keineswegs: Eine Frau wird von den Killern der türkischen Mafia gesucht, eine Verräterin. Doch sie suchen anhand des falschen Bildes …

_Der Autor_

Jean-Christophe Grangé ist der Franzose, der die literarische Vorlage zu dem Thriller [„Die purpurnen Flüsse“ 936 geliefert hat. Weitere Romane sind „Der Flug der Störche“ und das packende Buch „Der steinerne Kreis“.

Sein besonderes Markenzeichen ist das jeweils sehr spannend verarbeitete außergewöhnliche Thema. In „Purpurne Flüsse“ war es die Elite-Uni, die als genetisches Experimentierfeld und Zuchtanstalt missbraucht wurde. In [„Der steinerne Kreis“ 1349 ging es unter anderem um geheime russische Atomanlagen. Auch in „Imperium der Wölfe“ geht es um eine furchterregende Geheimorganisation, die sich aus nationalistischen Großmachtträumen speist.

Und praktisch immer bei Grangé geht es um Identität und Anonymität. In „Purpurne Flüsse“ treten Zwillinge auf. In „Imperium der Wölfe“ ist das nicht mehr nötig: ein einzelner Mensch kann zwei Identitäten oder mehr besitzen. Und nicht nur an der Oberfläche …

_Handlung_

Anna Heymes hat sich bislang für eine kultivierte Pariserin gehalten und sah auch so aus: äußerst schlank, blasse Haut, schwarzes Haar, große Augen und modische Kleidung. Ihr Mann Laurent ist ein hohes Tier bei der Polizei und lädt Anna gerne zu den Herrenrunden der Oberbullen ein, die Philippe Charlier, der Chef der Anti-Terror-Einheiten, veranstaltet. Anna besteht darauf, einer Arbeit nachzugehen: Sie arbeitet Teilzeit in einem Schoko-Laden an einem schicken Boulevard.

In letzter Zeit plagen Anna ein wiederkehrender Albtraum und seltsame Erinnerungslücken. Sie kann sich nicht mehr an Gesichter erinnern, die sie noch kurz zuvor gesehen hat. Selbst ihr eigener Mann bereitet ihr Angstzustände, wenn unvermittelt sein Gesicht auftaucht. Der besorgte Polizist schickt sie zu einem Neurologen in einer Militärklinik. Eric Ackermann durchleuchtet ihr Gehirn, findet aber nichts Ungewöhnliches. Doch als er eine Gewebeprobe von ihrem Hirn nehmen möchte, rastet Anna beinahe aus.

Sie vertraut sich einer Psychiaterin an: Die geschiedene Mathilde Wilcrau ist zwar schon ein älteres Semester, doch körperlich total fit. Und sie kennt sowohl Eric Ackermann als auch die Uni, wo er studiert hat. Das lässt sie das Schlimmste befürchten. Dass Ackermann Anna in einer Militärklinik untersucht hat, macht sie stutzig. Und tatsächlich bringt es ein Anruf bei Mathildes Exmann ans Licht: Jede Frage nach Annas Geheimnis ist wie der Schritt in ein Minenfeld. Was sie herausfindet, ist schrecklich:

Laurent ist nicht Annas Mann.
‚Anna Heymes‘ ist nicht Annas wahrer Name.
Dies ist nicht Annas Gesicht.
Dies ist nicht Annas Leben.
Wer ist Anna dann? —

Im Pariser Türkenviertel, wo eingeschmuggelte Arbeitskräfte unter unmenschlichen Bedingungen in „sweatshops“ schuften, geschehen drei schreckliche Morde. Die Opfer: junge türkische Frauen, alle rothaarig, von gleicher Gesichtsform – und natürlich nicht gemeldet. Allen wurde das Gesicht zerstört, der Körper weist Spuren einer grausamen Folter auf. Jemand hat Informationen gesucht, aber welche? Und warum gleich dreimal?

Paul Nerteux ist eigentlich ein engagierter Polizist und er hält sich für erfahren. Doch nicht erfahren genug, um es mit der abgeschotteten Schattenwelt der Pariser Klein-Türkei aufzunehmen. Also spannt er einen alten Experten ein: Jean-Louis Schiffer. Der bullige Ex-Bulle, der jetzt im Altenheim wohnt, trägt zwei Spitznamen. Nerteux will, wie alle Polizisten, das „Eisen“, doch was er bekommt, ist lediglich „Chiffre“. Mit einem Wort: Man kann Schiffer nicht trauen.

Doch Chiffres unorthodoxe Methoden führen schnell zu Erfolg: Schon bald sind die drei Toten identifiziert und mit Wohnort und Foto versehen. Eine hat beim ungekrönten König der Klein-Türkei gearbeitet, mit dem Schiffer sehr vorsichtig redet, eine andere hat mit Schiffers Ex-Frau, einer türkischen Unternehmerin, zu tun gehabt. Alle Zeugen kriegen es mit der Angst und warnen Schiffer: Sie schützen die Täter.

Bis endlich einer redet: „Boskurt“, die „Grauen Wölfe“. Schiffer gefriert das Blut in den Adern. Die Terroreinheit der türkischen Mafia in Paris? Kein Wunder, dass alle Angst haben! Und diese skrupellosen Killer suchen eine ganz bestimmte Frau. Eine Frau, die etwas mit Drogenschmuggel zu tun hat, Verrat beging und zu viel weiß.

Eine Frau wie Anna Heymes?

_Mein Eindruck_ [Vorsicht, Spoiler!]

Zwischen Paris und Istanbul, zwischen Gehirnmanipulation und türkischer Mafia bewegt sich Grangés neuester Thriller. Die Zutaten sind so ungewöhnlich und doch in ihrem Zusammenspiel so wirkungsvoll, dass es mir schwer fallen würde, den Autor nicht dafür zu bewundern, wie er das wieder hingekriegt hat. Schon in „Purpurne Flüsse“ entwickelte er das verblüffende Szenario aus zwei völlig verschiedenen Richtungen, die erst dann zusammen einen Sinn ergaben, wenn man die einzige Lösung akzeptierte, die noch logisch erscheint, und sei sie auch noch so exotisch.

Genauso verfährt Grangé auch diesmal. Doch statt sein bekanntes Rezept selbst zu kopieren, nämlich nach drei Morden einen Serientäter zu präsentieren, geht er diesmal ganz anders vor. Das Ergebnis ist aber genauso furchteinflößend und beklemmend wie „Purpurne Flüsse“, wenn auch schwer zu glauben. Totale Gedächtniskontrolle, das Ersetzen einer Identität – was bislang nur der Science-Fiction vorbehalten war, ist in Grangés Thriller in der militärischen Forschung bereits Wirklichkeit. Der Autor nimmt sich die Freiheit des Poeten, das Mögliche weiterzuspinnen. Bis zur letzten schrecklichen Konsequenz.

|Fundament aus Fakten|

Das Mögliche muss jedoch stets auf bekannten Fakten aufgebaut sein, sonst hängt es als Fantasie in der Luft. Und was der Autor alles über die türkische Mafia zu berichten weiß, kann auf keinen Fall an den Haaren herbeigezogen sein, sondern dürfte ziemlich genau der Realität entsprechen.

Es geht weniger um die Organisation selbst, als vielmehr um die terroristische Einheit, die als „Graue Wölfe“ in der zweiten Romanhälfte die Hauptrolle spielt. Ursprünglich waren sie lediglich die „Idealisten“ und kämpfen für die nationalistischen Konservativen unter Arpaslan Türkes. Nach dem Militärputsch 1980 spannte Türkes seine alten Helfer nicht als Parteischlägertruppe ein, sondern als Ausführungsgehilfen bei politischen Morden, an Kurden und Armeniern etwa. Und da er zwecks Geldbeschaffung die türkische Drogenindustrie aufbaute, setzte er die „Grauen Wölfe“ als Schmuggler und Agenten ein, die Heroin etc. nach Westeuropa schmuggelten.

So wie alle drei getöteten Frauen aus Anatolien kamen, so stammen auch die meisten „Grauen Wölfe“ aus der kargen, extrem konservativen Osttürkei. Und einer von ihnen ließ sich von einem der „Paten“, die hier „Babas“ heißen, einfangen, trainieren und strategisch einsetzen. Dumm nur, dass er zu viel Geschmack am Töten fand. Folgerichtig führt am Ende die Spur zurück nach Anatolien, wo der letzte einer ganzen Reihe von Showdowns stattfindet.

|Auch Humor gibt’s hier|

Doch ist nicht alles grimmig hier: Paul Nerteux, der Otto Normal in diesem verrückten Plot, wirkt in seiner Hilflosigkeit komisch und sympathisch. Er wirkt umso sympathischer, als er von seiner kleinen Tochter Céline getrennt lebt und doch gerne alles für sie tun würde. Er wirkt auf mich wie Kerkorian (gespielt von Vincent Cassel) neben Kommissar Niémans (Jean Reno) in „Die purpurnen Flüsse“, sozusagen der Sidekick des Helden.

|Die Übersetzung|

Bei der Beurteilung der Übersetzung von Christiane Landgrebe schwanke ich zwischen „gewöhnungsbedürftig“ und „ein Ärgernis“. Einige Fehler sind eindeutige Sachfehler. So schreibt sie beispielsweise „überirdisch“ statt „oberirdisch“, wenn es um simple Stadtbahnen geht. Sie schreibt „Explosionsmotor“ statt „Verbrennungsmotor“ (200) und „Fell-“ statt „Pelzhändlerin“ (213) sowie „übersah“ statt „überschaute“ (218).

In einem anderen Fall kann man sich über den korrekten Terminus streiten. Niemand in Deutschland außer einem totalen Experten würde wohl „Ästhetische Chirurgie“ statt „Plastische Chirurgie“ sagen (286 ff). Aber Ersteres ist offenbar der gängige Ausdruck im Französischen, um Gesichtschirurgie zu bezeichnen – Französisch ist ja so viel feiner in der Ausdrucksweise, nicht wahr?

_Unterm Strich_

Ebenso wie in [„Die purpurnen Flüsse“ 936 erzeugt Grangé auch diesmal eine beklemmende Atmosphäre der Paranoia, die sich erst allmählich aufbaut, um sich dann – besonders im zweiten Handlungsstrang – explosiv in brutaler Action zu entladen.

Es ist faszinierend, wie sich diese beiden Elemente gegenseitig ergänzen und verstärken. Dennoch wirken sie nicht als Show, sondern stehen auf einem soliden Fundament an bekannten Fakten. Es gibt lediglich eine Stelle, an der mein Unglauben nicht aufgehoben wurde: die Sache mit der Gehirnmanipulation. Gestern noch Science-Fiction, heute schon Wirklichkeit? Da müsste man die Experten fragen.

Kaum eine der Hauptfiguren erreicht die Ziellinie, und doch ist ihr Kampf nicht vergebens. Es bleiben keine losen Enden übrig, und der Leser kann das Buch getrost beiseite legen: Gerechtigkeit, die gibt es auch hier. Ein spannendes, beklemmendes und sehr zufriedenstellendes Buch, finde ich. Aber nichts für zarte Gemüter, so viel steht fest.

Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 446 Seiten
Originaltitel: L’empire des loups, 2003
Aus dem Französischen übersetzt von Christiane Landgrebe

Tess Gerritsen – Die Chirurgin

Ein Serienmörder macht Bostons Frauenwelt unsicher: „Der Chirurg“ beraubt sie ihres weiblichsten Organs. Die Kripo ist ratlos, doch bald stößt sie auf ein überlebendes Opfer: eine Chirurgin.

_Die Autorin_

Tess Gerritsen war eine erfolgreiche Internistin, bevor sie mit dem Medizinthriller „Kalte Herzen“ einen großen Erfolg errang. Es folgten mehrere mittelmäßige Thriller wie „Roter Engel“, die durchaus spannend zu unterhalten wissen.

Mit dem Bestseller „Die Chirurgin“ ist ihr auch der Durchbruch in Deutschland gelungen, denn dieser Thriller ist noch eine ganze Klasse härter: Der Mörder entfernt seinen weiblichen Opfern die Gebärmutter. Die Fortsetzung trägt den Titel „Der Meister“, und [„Todsünde“ 451 ist der dritte Roman mit Detective Jane Rizzoli vom Boston Police Department.

Die Autorin lebt mit ihrem Mann, dem Arzt Jacob Gerritsen, und ihren beiden Söhnen in Camden, im US-Bundesstaat Maine.

_Handlung_

Es ist ein ungewöhnlich heißer und schwüler Sommer in Boston. Detective Thomas Moore ist schon auf dem Weg zu einem kühlen See in den Bergen, um dort Urlaub zu machen, als er zum Dienst zurückgerufen wird, um einen Aufsehen erregenden Fall zu übernehmen: Bevor das Opfer Elena Ortiz mit einem glatten Schnitt durch die Kehle getötet wurde, hat ihr Mörder sie einer gynäkologischen Operation nach allen Regeln der Kunst unterzogen. Ihr Martyrium hatte Stunden gedauert.

Sowohl der ruhige, über 40 Jahre alte Moore als auch seine extrem ehrgeizige Kollegin Jane Rizzoli fühlen sich bald an einen ähnlichen Fall aus der Vergangenheit erinnert: Die junge Diana Sterling, Tochter aus reichem Hause, war auf die gleiche Weise ermordet worden; auch sie wurde vor dem Gnadenstoß operiert. Den Polizisten wird klar, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben: Er besitzt offensichtlich medizinische Fachkenntnisse und wird von der Presse bald „Der Chirurg“ genannt. Die Zeit drängt: Wahrscheinlich hat der Killer bereits sein nächstes Opfer auserkoren.

Eine Computerrecherche bringt das Ermittlerteam auf die Spur einer ähnlichen Mordserie, die aber bereits drei Jahre zurückliegt und sich im südlichen Savannah ereignete. Der Täter Andrew Capra wurde allerdings von seinem letzten Opfer in Notwehr erschossen. Dennoch suchen Moore & Rizzoli Dr. Catherine Cordell in der städtischen Klinik auf. In der Szene, in der wir sie kennen lernen, rettet sie einem gerade eingelieferten Verkehrsopfer das Leben. Offensichtlich verfügt sie über Nerven aus Stahl.

Doch die Polizisten haben herausgefunden, welche Qualen Catherine erlitt, als sie sich in der Gewalt des Savannah-Killers befand. Kein Wunder, dass sie zunächst unter keinen Umständen an jenes Geschehen erinnert werden möchte. Aber dann erfährt sie, dass Elena Ortiz Mitglied einer Selbsthilfegruppe im Internet war, der auch sie selbst angehört: Hier schildern vergewaltigte Frauen ihre Erlebnisse, in der Hoffnung, psychologischen Beistand und Verständnis zu finden, denn in der patriarchalischen Gesellschaft werden Vergewaltigungsopfer immer noch stigmatisiert und ausgestoßen. Solche Frauen schweigen lieber, statt sich zu offenbaren. Auch Catherine Cordell.

Merkwürdige Unstimmigkeiten treten in Catherines Alltag auf: Laborkittel und Stethoskop sind verlegt, und jemand scheint sie zu beobachten und ihren Dienstplan ganz genau zu kennen. Und der Beobachter scheint auch ihre Vergangenheit zu kennen: Aber Andrew Capra ist doch tot, oder nicht? Oder hatte er einen Partner, der ihn nachahmt? Falls ja, würde dieser Partner nicht danach streben, sich an Catherine für ihre Tötung Capras zu rächen?

Während sich Moore in Catherine verliebt und mit ihr schläft (was ihm eine Strafmission einbringt), macht Rizzoli eine aufregende Entdeckung und begibt sich in höchste Gefahr. Doch für Catherine, die schöne, nervenstarke Chirurgin, ist die Zeit abgelaufen: Der „Chirurg“ schnappt sie sich.

_Mein Eindruck_

Krimiautorinnen wie die britische Mo Hayder und die Amerikanerin Tami Hoag sind mit mir einer Meinung: Dies ist Krimistoff erster Güte, der nicht nur den Schlaf raubt, sondern auch Fingernägel in existenzielle Gefahr bringt. Ich habe das Buch in zwei Tagen durchgelesen – es geht sicher noch schneller.

|Glaubwürdigkeit|

Mal abgesehen von der raffinierten Konstruktion des Plots mit zwei Mordpartnern, von denen der eine in nächster Nähe des Hauptopfers arbeitet, baut die Autorin auf zwei wichtige Grundsteine: die authentische, geradezu akribische Schilderung des Chirurgenalltags einerseits und zweitens glaubwürdige, lebendige Figuren wie Catherine, Moore und Rizzoli. Daran hatte ich nicht das Geringste auszusetzen.

|Der Mörder|

Probleme hatte ich zeitweilig aber mit dem Täter. Seine Gedankengänge sind in beinahe aufsatzartigen Sequenzen dazwischengeschaltet. In diesen Gedanken und Fantasien scheint er sich und sein Tun zu rechtfertigen. Er verweist auf alte, antike Rituale wie etwa Agamemnons Opferung seiner Tochter vor dem Beginn des Trojanischen Krieges. Das scheint mir lediglich eine mythologisierende Überhöhung zu sein, um sein brutales Tun ins rechte Licht zu rücken. Außerdem begründet dies keineswegs, warum er seinen weiblichen Opfer die Gebärmutter entfernt: Trophäen?

Raffinierter sind da schon seine Beobachtungen von seinem Arbeitsplatz aus. Wir wissen lange Zeit nicht, wo er arbeitet und warum er so leicht und unerkannt an geeignete Opfer herankommt. Er erfährt von ihnen durch Aufträge von den Ärzten vergewaltigter Frauen, deren Blut auf Infektion mit HIV oder Geschlechtskrankheiten zu untersuchen.

Solche Frauen, so weiß der Killer, sind seelisch geschwächt: leichte Opfer. Auffallend ist der wiederholte Vergleich dieser Frauen mit Gazellen, die zur leichten „Beute“ des männlichen Raubtiers werden, das im Dschungel der Großstadt auf Pirsch geht. Auch dies ist in meinen Augen eine unzulässige, zumindest aber unangemessene Symbolisierung bzw. Metapher. Sie könnte sogar als sexistisch betrachtet werden: Der Täter ist hier immer ein Mann.

_Unterm Strich_

Man muss mit der Präsentation des Killers nicht hundertprozentig einverstanden zu sein, um diesen guten Thriller genießen zu können.

Zwar reicht er noch lange nicht an psychologische Meisterwerke wie „Das Schweigen der Lämmer“ heran, doch Gerritsen hat eine Kombination aus Psycho- und Medizinthriller geschrieben, die auf mehr hoffen lässt.

|Originaltitel: The Surgeon, 2001
Aus dem US-Englischen übertragen von Andreas Jäger|

Karin Slaughter – Schattenblume. Ein Sara-Linton-Thriller

Ironisch: Unser Sheriff, der Schürzenjäger

Ein Geiseldrama hält ganz Heartsdale, Georgia, in Atem. Zwei schwer bewaffnete Männer haben die Polizeistation von Grant County überfallen. Einer der Polizisten dort wurde erschossen, Chief Jeffrey Tolliver schwer verwundet. Ebenfalls im Gebäude ist Sara Linton, die Kinderärztin und Rechtsmedizinerin der Stadt. Sie versucht verzweifelt, ihrem Ex-Mann das Leben zu retten. Aber jeden Moment kann einer der Gangster merken, dass der erschossene Cop gar nicht der Chief ist, auf den sie es offensichtlich abgesehen haben … (Verlagsinfo)

Die Autorin
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Håkan Nesser – Der unglückliche Mörder (Van Veeteren 7)

Was niemand wissen darf

Kommissar Van Veeteren schwört Rache: Sein Sohn Erich, seit Jahren das Sorgenkind der Familie, wird ermordet aufgefunden, gerade als er wieder anfing, im bürgerlichen Leben Fuß zu fassen. Hat er sich auf kriminelle Geschäfte eingelassen? Wenig später wird die Leiche einer jungen, unbescholtenen Frau entdeckt – von derselben Waffe erschlagen wie Erich Van Veeteren. Was verband die beiden jungen Leute? Wer hatte ein Interesse, sie aus dem Weg zu räumen? (Verlagsinfo)
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Jussi Adler-Olsen – Erwartung. Der Marco-Effekt (Sonderdezernat Q, 5. Fall)

Showdown in Christiania

Der 15-jährige Marco ist Mitglied eines Clans, an dessen Spitze sein Onkel, der eiskalte, zynische Zola, steht. Zola verdient ein Vermögen damit, die Mitglieder seines Clans in die Kriminalität zu zwingen. Marco ist klug, fleißig, und er verabscheut sein Leben, das aus Bettelei, Taschendiebstahl und Einbruch besteht. Und er verabscheut seinen Onkel, der in der Kopenhagener Unterwelt ein mächtiges Middleware unterhält.

Als Marco eines Tages entdeckt, dass die Familie ihn zum Krüppel machen will, bleibt ihm als einziger Ausweg die Flucht. Dabei stößt er im Wald auf eine Männerleiche und wird hineingezogen in ein Verbrechen ungeheuren Ausmaßes…

Die Suche nach dem Mörder führt Carl, Assad, Rose und Gordon, den Neuen im Sonderdezernat Q, mitten hinein in einen Fall, in dem es um Korruption und schwere Verbrechen auf Regierungsebene geht und der sich bis nach Afrika ausdehnt… (Verlagsinfo)
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Val McDermid – Das Gesetz der Serie (Kate Brannigan 6)

Der Fluch der Kristallkugel: der Wahrsagerin früher Tod

Gloria Kendal, Star der Seifenoper „Nordlichter“, erhält plötzlich aggressive Drohbriefe. Kate Brannigan als Leibwächterin soll ihr Schutz bieten. Genervt von der Egomanie der schauspielenden Zunft und den langweiligen Dreharbeiten, will Kate schon hinschmeißen – doch da ist bereits die erste Leiche im Kasten! (Verlagsinfo)
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