Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

Jussi Adler-Olsen – Erwartung. Der Marco-Effekt (Sonderdezernat Q, 5. Fall)

Showdown in Christiania

Der 15-jährige Marco ist Mitglied eines Clans, an dessen Spitze sein Onkel, der eiskalte, zynische Zola, steht. Zola verdient ein Vermögen damit, die Mitglieder seines Clans in die Kriminalität zu zwingen. Marco ist klug, fleißig, und er verabscheut sein Leben, das aus Bettelei, Taschendiebstahl und Einbruch besteht. Und er verabscheut seinen Onkel, der in der Kopenhagener Unterwelt ein mächtiges Middleware unterhält.

Als Marco eines Tages entdeckt, dass die Familie ihn zum Krüppel machen will, bleibt ihm als einziger Ausweg die Flucht. Dabei stößt er im Wald auf eine Männerleiche und wird hineingezogen in ein Verbrechen ungeheuren Ausmaßes…

Die Suche nach dem Mörder führt Carl, Assad, Rose und Gordon, den Neuen im Sonderdezernat Q, mitten hinein in einen Fall, in dem es um Korruption und schwere Verbrechen auf Regierungsebene geht und der sich bis nach Afrika ausdehnt… (Verlagsinfo)
Jussi Adler-Olsen – Erwartung. Der Marco-Effekt (Sonderdezernat Q, 5. Fall) weiterlesen

Val McDermid – Das Gesetz der Serie (Kate Brannigan 6)

Der Fluch der Kristallkugel: der Wahrsagerin früher Tod

Gloria Kendal, Star der Seifenoper „Nordlichter“, erhält plötzlich aggressive Drohbriefe. Kate Brannigan als Leibwächterin soll ihr Schutz bieten. Genervt von der Egomanie der schauspielenden Zunft und den langweiligen Dreharbeiten, will Kate schon hinschmeißen – doch da ist bereits die erste Leiche im Kasten! (Verlagsinfo)
Val McDermid – Das Gesetz der Serie (Kate Brannigan 6) weiterlesen

Val McDermid – Clean Break (Kate Brannigan 5)

Zwischen Monet und Zyanid: Detektivin Kate Brannigan

Kate Brannigan muss sich alleine um die Fälle der Detektei Mortensen & Brannigan kümmern. Gleich von mehreren Seiten gerät sie unter Druck. Bis nach Italien jagt sie einem gestohlenen Monet-Gemälde nach. Unterdessen sterben im heimatlichen Manchester zwei Kunden eines Putzmittelherstellers an einer mysteriösen Zyanidvergiftung… (Verlagsinfo)

Die Autorin

Val McDermid – Clean Break (Kate Brannigan 5) weiterlesen

Hjorth & Rosenfeld – Die Schuld, die man trägt

Worum geht’s?

Sebastian Bergman hatte durchaus bessere Zeiten in seinem Leben. Sein langjähriger australischer Klient Tim Cunningham ist plötzlich verstorben. Sowohl er selbst, als auch Tim tragen das gemeinsame Schicksal, 2004 beim Tsunami ein Kind verloren zu haben.

Auch die Reichmordkommission macht schwere Zeiten durch. Nachdem ein Teamkollege als Mörder entpuppt wurde, ist der Druck auf das Team um Vanja Lithner enorm hoch. Alle Augen blicken auf die verbliebenen Kollegen und ihre Arbeit. Und dann erreicht ein Anruf die Abteilung – Eine Frau wurde in einem Schweinemastbetrieb tot aufgefunden. Der Täter hat an der Stallwand in blutroter Farbe eine Botschaft für Sebastian Bergman hinterlassen.
Hjorth & Rosenfeld – Die Schuld, die man trägt weiterlesen

Val McDermid – Das Kuckucksei (Kate Brannigan 4)

Verbotene Schwangerschaften

In Manchesters Klubszene kennt sich die abgebrühte Privatdetektivin Kate Brannigan bestens aus. Aber in der Fertilisationsforschung? Von ihrer besten Freundin Alexis, der Journalistin, lässt sich Kate überreden, den Tod einer Ärztin aufzuklären, der Alexis ihre Schwangerschaft zu verdanken hat – und stößt auf illegale Machenschaften… (Verlagsinfo)
Val McDermid – Das Kuckucksei (Kate Brannigan 4) weiterlesen

Val McDermid – Skrupellos (Kate Brannigan 3)

Zwischen Crack und Kinderpornos: Kate Brannigans dritter Fall

Kate Brannigans aktueller Klient ist das Kreditinstitut eines Autoherstellers. Zusammen mit ihrem Freund Richard Barclay tritt Brannigan als Ehepaar auf, das bei einem verdächtigen Händler ein Auto kauft. Ein harmloser Job – nur dass Richard im Gefängnis landet. Nun muss Kate nicht nur die Unschuld ihres Freundes beweisen, sondern sich auch noch um dessen kleinen Sohn kümmern. (Verlagsinfo)

Die Autorin

Val McDermid – Skrupellos (Kate Brannigan 3) weiterlesen

Jean-Christophe Grangé – Die purpurnen Flüsse. Thriller

In der Nähe von Grenoble wird in einer Felswand eine Leiche gefunden. Der Mann wurde stundenlang gefoltert, seine Augen fehlen. Wenige Stunden später findet der Pariser Hauptkommissar Pierre Niemans im Gletscher über dem Dorf Guernon eine zweite, ähnliche zugerichtete Leiche. Hat er es mit einem Serienmörder zu tun? Doch so einfach ist der Fall nicht.

Der Autor

Jean-Christophe Grangé stammt aus einer Reporterfamilie und hat schon früh mit dem Recherchieren von Fakten angefangen. 1996 beschäftigte er sich mit dem Thema Genetik. Aus dem Gedankenspiel eines abgeschlossenen Experimentierfeldes entstand der vorliegende Roman, der zu einem nationalen Bestseller wurde und den Franzosen ihr eigenes Thrillergenre bescherte.

An diesen Erfolg schloss der beredte und gebildete Grangé mit „Der Flug der Störche“, „Der steinerne Kreis“ und zuletzt mit „Das Imperium der Wölfe“ an. Wider Erwarten stammt „Der Pakt der Wölfe“ nicht von ihm, sondern von Pierre Pelot.

Handlung – im Vergleich zum Film

Der PROLOG des Buches fehlt im Film. Regisseur und Hauptdarsteller hatten sich wegen der Brutalität dieser Szene dagegen ausgesprochen. Außerdem hätte sie dem Zuschauer einen falschen Eindruck vom Rest der Handlung vermittelt.

In einem Pariser Fußballstadion findet ein Pokalendspiel zwischen zwei ausländischen Mannschaften statt. Danach randalieren die Hooligans von der britischen Insel in den Straßen. Die Polizei ist gerüstet. Eigentlich soll Kommissar Pierre Niemans, ein Bulle von einem Kerl und verhinderter Soldat, nur für den Überblick sorgen, doch schon bald stürzt er sich ins Getümmel, wo er durch wütende Brutalität Furcht und Schrecken verbreitet.

Bei der Verfolgung zweier Bewaffneter tötet er einen von ihnen beinahe. Fortan liegt der Mann im Koma und Niemans wird vom Dienst auf der Straße abgezogen. Sein Chef, der ihn während der Untersuchung aus der Schusslinie haben will, schickt ihn in die Provinz: nach Guernon in der Nähe von Grenoble. Niemans stöhnt, kann aber nichts gegen die „Degradierung“ unternehmen.

Anders als im Buch übernimmt Niemans vor Ort die Ermittlungen und gibt jene Anweisungen, die im Film Dahmane, der Chef der Gendarmerie, erteilt. Im Gegensatz zum Film ist also Niemans ständig im Mittelpunkt des Geschehens und auf dem Laufenden. Hier ist er kein Außenseiter und Besserwisser, auch kein Professor, sondern nur ein stinknormaler Kommissar mit einem verhängnisvollen Innenleben: Wird er in die Enge getrieben, reagiert er mit unkontrollierter Gewalt. Und er hat wirklich Angst vor Hunden. Das ist der Grund, warum er beim Wehrdienst untauglich geschrieben wurde. Da war er 17. Seitdem hat er es weit gebracht: Die Gendarmerie kennt ihn als Star, als Verfolger von Mördern und Dealern.

Die erste Leiche ist Rémy Caillois, 25, Chefbibliothekar an der Elite-Universität von Guernon, einer der ältesten Unis in Europa. Der Wanderer wird hoch oben in einer Schlucht entdeckt, aber nur weil sich seine Leiche im Wasser des Flusses spiegelte. Die Entdeckerin ist Fanny Ferreira, 25, eine Professorin für Geologie und Glaziologie, die auf dem Fluss Kajak fahren wollte. Als Ersten vernimmt Niemans den Uni-Rektor Vincent Louize, der praktisch über das ganze Tal herrscht. Wichtiges Detail: Manche der Lehrer sind auch an der Klinik der Uni tätig. Das traf bis 1982 auch für den Augenarzt Edmond Chernezé zu, der später eine wichtige Rolle spielt. Im Film liefert er bereits ganz zu Anfang entscheidende Hinweise. Im Buch taucht er jedoch erst spät auf.

Der wichtigste Helfer Niemans‘ ist jedoch eine Figur, die im Film überhaupt nicht vorkommt: Der junge Gendarm Eric Joisneau bewundert Niemans und gibt ihm den wichtigen Hinweis, dass an der Uni etwas nicht stimmt: Es gebe hier in Gestalt der Professorenkinder eine regelrechte Elite von Menschen. Auch Fanny Ferreira, die Niemans vernimmt, gehört zur Elite. Sofort empfindet er Sympathie für die robuste und hochintelligente Schöne und baggert sie ganz unverhohlen an. Der Gegensatz zwischen der Härte ihrer Worte, der Robustheit ihrer Bewegungen und der Sanftheit ihrer ausgeprägten Kurven zieht ihn an. Verschüttete Gefühle brechen sich Bahn …

Die Witwe des Ermordeten, Sophie Caillois, ist ebenfalls intelligent, aber auf streitlustige, abwehrende Weise – kein Wunder: Sie hält sich für das nächste Opfer. Sie verrät, dass ihr Rémy an einer Doktorarbeit über das altgriechische Ideal des Athlon, des geistig gebildeten Olympiakämpfers, schrieb und darin Ansichten seines Vaters Etienne übernahm, der ja ebenfalls Chefbibliothekar gewesen war. Sophie wirft Niemans beinahe hinaus, was diesen wütend macht. Er erfährt, dass Caillois schizophren und gewalttätig war.

Zur gleichen Zeit, 200 Kilometer entfernt: Der Marokkaner Karim Abdouf, 29, ausgebildeter Scharfschütze und nun zum Provinzbullen degradiert, wird wegen einer Grabschändung und einem Einbruch in die Dorfschule von Sarzac, Departement Lot, gerufen. Es ist das Grab eines Jungen (!) namens Jude Itéro, 1972 bis 1982. Im Grab wie auch in der Schule fehlen die Bilder des Jungen. Sein Chef Crozier setzt ihn auf die falsche Fährte von Skinheads als Tätern. Nach einer Schlägerei, die es auch im Film zu sehen gibt, erhält er den Hinweis auf einen weißen Lada, der in der fraglichen Nacht am Friedhof gesehen wurde.

Im Gegensatz zum Film ist die katholische Nonne, die er besucht, nicht die Mutter Judes, sondern Schwester André, die für Fabienne Pasquot, die Mutter, versucht die Fotos zu stehlen und alle zu vernichten. Wie im Film erzählt sie von den „Teufeln“, die Mutter und Kind verfolgt hätten, weil das Gesicht des Jungen sie verrate. Sie liefert den Hinweis auf einen Rummelplatz, zu dem der Junge immer gegangen sei, als er zwei Jahre in Sarzac lebte. Dort fällt Karim praktisch aus allen Wolken: Ein Feuerschlucker erinnert sich gut an „Jude“, denn er brachte „ihr“ das Feuerschlucken bei. Wieso „ihr“? Na, Jude war ein Mädchen! Es dauert noch weitere Stunden, bis Karim auf den Trichter kommt: Jude Itéro klingt im Französischen genau gleich wie Judith Hérault!

Unterdessen verhilft das Regenwasser in René Callois‘ Augenhöhlen Niemans zu einem Hinweis: Der saure Regen muss schon vor Jahren gefallen sein. Beim Anblick der Bergriesen ringsum kommt ihm die Erleuchtung: Das Wasser stammt aus einem Gletscher! Er schnappt sich die Eisforscherin und Bergsteigerin Fanny und steigt mit ihr ins Innere der Gletscherwelt hinab. Sobald die Sonne aufgeht, beginnt das Eis zu schmelzen und das Schmelzwasser als Bach und Wasserfall zu Tal zu rauschen. (Diese Szene ist äußerst spannend inszeniert und weiß auch im Film zu faszinieren.) Trotz der zunehmenden Gefahr entdeckt Niemans eine zweite Leiche, allerdings sieht er zunächst ihr Abbild im Eis – ähnlich wie bei Callois. Diesmal handelt es sich um den Klinikpfleger Philippe Sertys, 26. Welche Verbindung gibt es zwischen den Morden?

Sertys gehörte der weiße Lada, der in Sarzac gesehen wurde. Diese Spur führt nun Karim Abdouf nach Guernon, gegen den Widerstand seines Chefs. Es sieht so aus, als müssten sich die beiden degradierten Außenseiter Niemans und Abdouf zusammentun, um das Rätsel dieser Morde zu lösen. Und dadurch und mit Joinnots Hilfe stoßen sie auf ein weit größeres Geheimnis, das das Ende der Universität bedeuten könnte.

Mein Eindruck

Die Handlung des Romans ist wesentlich vielschichtiger und verzweigter als die des Films. Im Film sind nicht nur Figuren weggefallen, sondern ganze Ermittlungsketten. Die Mutter von Judith Hérault erscheint im Buch als eine wirklich kluge und raffinierte Beschützerin, der mehrere falsche Fährten auslegte, die (zunächst) auch einen abgebrühten Kriminaler wie Karim in die Irre führen. Wer hätte gedacht, dass Judith als Junge beerdigt wurde! Und wer käme darauf, dass ihr Sarg statt einer Leiche zahllose Rattenskelette enthält?

Endlich wird hier die so genannte Hintergrund-Story der Verbrechen in Guernon deutlich und verstehbar. Sie wird im Film nur bruchstückhaft sichtbar. An einer Stelle, als Niemans und Kerkerian im Auto fahren, gibt Niemans Erkenntnisse wieder, die zuvor nicht an ihn weitergereicht worden waren – deshalb erscheinen sie völlig aus der Luft gegriffen. Der Leser des Romans, der Hörer des Audiobooks aber weiß Bescheid.

[SPOILER]

Ist der Schluss wirklich „enttäuschend“?

Was aber die Kritiker dem Buch immer vorgeworfen haben, ist der enttäuschende Schluss. Sowohl der inzwischen verdoppelte Täter als auch die Hauptfigur, die uns von Anfang an begleitet hat – nicht Abdouf – müssen dran glauben. Aber warum? Wollte es sich der Autor leicht machen und einfach alle Hauptfiguren abservieren und nur einen Zeitzeugen übriglassen? Das wäre eine (zu?) billige Art und Weise, um sich aus der Affäre zu ziehen.

Vielmehr ist es ja so, dass sowohl Abdouf als auch Niemans zu den beiden Schwestern unabhängig voneinander eine Liebesbeziehung aufbauen. Für Abdouf wird Judith für 24 Stunden zu einer Art Märtyrerin wird, die er gut zu kennen glaubt: von ihrer geheimnisvollen Geburt über „den kleinen Jungen“ bis hin zum traumatisierten, aggressiv gewordenen Mädchen. Was Niemans im Film sagt: „Nicht sie!“, müsste eigentlich Abdouf sagen. Aber das passiert ja auch mit anderen Figuren so.

Niemans hingegen ist ein ausgebranntes Wrack, am Ende der Fahnenstange angelangt, ein „Opfer seiner Phantome“. Und so trägt er selbst die Schuld am grausamen Tod des jungen Polizisten Joinot, der ihn bewunderte und ihm den Weg zum finsteren Geheimnis der Elite-Uni Guernon zeigte. Niemans war Joinot und seinem wichtigen Hinweis auf den Augenarzt Chernezé nicht nachgegangen, ließ ihn im Stich: Chernezé, ein Teil der Verschwörer aus der Hintergrundgeschichte, tötete Joinot ohne Skrupel und löste seine Leiche im Säurebad auf – zu starker Tobak selbst für diesen Thriller (im Gegensatz zu „Das Schweigen der Lämmer“).

Als sich also Niemans in die attraktive Fanny Ferreira verliebt (siehe oben), trifft ihn das Liebesglück völlig unverhofft. Anders als im Film wird diese Liebe nicht durch Blicke angedeutet – Fanny dreht sich vor ihrer Haustür zu ihm um -, sondern zu einem erotischen Ereignis aufgebaut. Die Liebe wird vollzogen. Deshalb bedeutet es für den beglückten Niemans eine Art Weltuntergang, als er herausfindet, dass er nicht nur Joinots Tod auf dem Gewissen hat (wie kann er mit dieser Schuld leben?), sondern auch in Fanny eine der beiden Killerinnen liebt. Für das Trio, das in dieses Verhängnis verstrickt ist, scheint es keinen Ausweg mehr zu geben.

Man kann sich aber fragen, warum auch Fanny dran glauben muss. Sie erzählt Abdouf die ganze Geschichte, wie sie und Judith zusammenkamen und sich fortan eine einzige Existenz teilten. Wie ging das zu, fragen die Kritiker. Herrje, heutzutage fallen viele Menschen in die Anonymität und es kümmert niemanden. Doch Guernon und seine Uni waren eine eng zusammengewachsene Gemeinschaft, in der das Doppelleben Fannys auffallen musste. Das ist ist letzten Endes ein Problem, das der Autor nicht befriedigend löst. Worin aber besteht Fannys Schuld, die sie in den Augen des Autors zum Tode verurteilt? Es muss wohl ihre Mitwisserschaft, wenn nicht sogar Mittäterschaft sein.

Dieser ganze Komplex existiert im Film nur als winziger Abglanz. Der Regisseur hat dafür den Showdown auf den Gletscher verlegt, was an sich schon symbolisch ist: Die Wahrheit muss ans Licht des Tages. Sie macht Fanny und den sie liebenden Niemans frei, während Kerkerian sozusagen ihren Schutzengel spielt. Mir gefällt der Filmschluss wesentlich besser als die Ausweglosigkeit, in der die Leben von Niemans und den beiden Schwestern enden. Und wenn das Ende an den Haaren herbeigezogen erscheint, so sollte man sich mal nach dem Realismus der restlichen Geschichte fragen: Sie ist ja lediglich ein Gedankenexperiment des Autors über Genetik und Eugenik.

[SPOILER Ende]

Unterm Strich

Die „purpurnen Flüsse“, die die Verschwörer von Guernon „beherrschen“, sind nicht nur die Blutadern, sondern auch die genetischen Erblinien, die in Guernon manipulativ weitergeführt werden. Eigentlich wollten die Verschwörer ein Ideal erreichen: den „Athlon“ wiedererschaffen, den Athleten mit einem gebildeten Geist. Das ist ihnen ironischerweise auch gelungen: die modernen „Bill Gates“, wie Kommissar Dahmane im Film sagt.

Leider ist etwas schief gelaufen und nun ein Preis zu zahlen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Roman nicht sehr von moralischen Märchen über verrückte Wissenschaftler, die in B-Filmen der fünfziger Jahre in amerikanischen Matinee-Kinos zu sehen waren. Doch diesmal erfolgt die Rache auf eine so vertrackte Weise, noch dazu von Seiten der Frauen, dass sich das Buch über die Masse der B-Movies erhebt und sich dem Niveau von „Das Schweigen der Lämmer“ annähert. Der Film erreicht dieses Niveau nicht ganz, keine Frage, aber das Buch, das man nun auch hören kann, ist schon verdammt nah am Hannibal-Level dran. Dass die Hintergrundstory so verzwickt ist, daran trägt der Autor die Schuld. Am besten macht man sich ein paar Notizen, um den Überblick zu behalten.

Taschenbuch: 413 Seiten
Originaltitel: Les rivières pourpres, 1997.
ISBN-13: 978-3404259182
www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Val McDermid – Luftgärten (Kate Brannigan 2)

Das Geheimnis der verschwundenen Wintergärten

Kate Brannigan ermittelt wieder: An mehreren Einfamilienhäusern verschwinden buchstäblich über Nacht die eben erst angebauten Wintergärten. Eine kleine Ermittlung, denkt die toughe Privatdetektivin, und doch weckt der sonderbare Fall ihre Neugier. Schon bald stellt sich heraus, dass er gefährliche Dimensionen annimmt und Kate in Lebensgefahr bringt… (Verlagsinfo)

Die Autorin

Val McDermid – Luftgärten (Kate Brannigan 2) weiterlesen

James Patterson – Ave Maria. Ein Alex-Cross-Thriller

Massenhaft Muttermorde: Hollywood in Aufruhr

FBI-Agent Alex Cross macht gerade mit seiner Familie Urlaub in Disneyland, als er den Anruf bekommt. Die bekannte Schauspielerin Antonia Schifman, Mutter mehrerer Kinder, wurde vor ihrem noblen Heim in Beverly Hills erschossen. Kurz danach hat ein Redakteur der Zeitung „L.A. Times“ eine E-Mail erhalten, in welcher der Tathergang minutiös beschrieben wird – vom Täter selbst. Gezeichnet „Mary Smith“.

Cross wird zum Fall hinzugezogen, denn man befürchtet noch weitere Mordanschläge. Um sein Motiv herauszufinden und somit sein nächstes Opfer schützen zu können, muss Cross in die Schauspielerkreise eindringen: ein wahres Haifischbecken.

Der Autor
James Patterson – Ave Maria. Ein Alex-Cross-Thriller weiterlesen

Val McDermid – Abgeblasen (Kate Brannigan 1)

Krimidebüt: Klassisches Vorbild gegen den Strich gebürstet
In ihrem ersten Fall durchkämmt Privatdetektivin Kate Brannigan die Popmusikszene in Manchester nach einer verschwundenen Songwriterin. Nach einiger Laufarbeit weiß Kate: Die Gesuchte hat einen Absturz hinter sich, lebt bei einer Freundin und wäre an einem Comebach mit ihrem früheren partner interessiert. Doch sechs Wochen später wird Moira, als sie mit dem Song-Partner ein neues Album aufnimmt, mit einem Saxiphon erschlagen… (abgewandelte Verlagsinfo)
Val McDermid – Abgeblasen (Kate Brannigan 1) weiterlesen

Patterson, James / Paetro, Maxine – 4th of July

_Schlangen im Paradies_

Mitten in der Nacht kann sich SFPD-Polizeilieutenant Lindsay Boxer gerade noch bei einem Autounfall in Sicherheit bringen, der am Ende einer Verfolgungsjagd steht. Di beiden Insassen sind Teenager – aber bewaffnet! Sie muss eine schwierige Entscheidung treffen: In Notwehr feuert sie ihre Dienstwaffe ab – und setzt damit eine Kette von Ereignissen in Gang, an deren Ende die Polizei von San Francisco entehrt, eine ganze Stadt gespalten und eine Familie zerstört ist. Nun liegt alles, wofür sie jahrelang gerackert hat, in den Händen von zwölf Jurymitgliedern.

Während sie auf ihren Prozess wartet, zieht sie sich in das idyllische Städtchen Half Moon Bay zurück, wo ihre Schwester ein Haus hat. Hier arbeitete Lindsay einst als Polizeischülerin. Doch kurz nach ihrer Ankunft ereignet sich eine Mordserie. Während sie versucht, den Killer zu finden, muss sie sich gleichzeitig in San Francisco vor Gericht verantworten. Nur ihre Freundinnen vom Women’s Murder Club können ihr jetzt noch helfen.

_Die Autoren_

James Patterson, ehemaliger Besitzer einer Werbeagentur, ist der Autor zahlreicher Nummer-1-Bestseller. Allerdings sind es vor allem seine Alex-Cross-Thriller, die den Leser berühren. Folglich war Alex Cross bereits zweimal im Film zu sehen: „Im Netz der Spinne“ und „… denn zum Küssen sind sie da“ wurden beide erfolgreich mit Morgan Freeman in der Hauptrolle verfilmt. Für Einsteiger sei gesagt, dass Alex Cross ein sympathischer schwarzer Polizeipsychologe ist, der mit seiner Familie in Washington, D.C., lebt.

Patterson ist extrem fleißig. Seine letzten Romane vor „Lifeguard“ waren „3rd Degree“, „Sam’s Letters to Jennifer“, „London Bridges“, [„Honeymoon“, 1531 „Maximum Ride“ und „4th of July“. Nähere Infos finden sich unter http://www.twbookmark.com und http://www.jamespatterson.com. Patterson lebt mit seiner Familie in Florida.

Maxine Paetro ist eine Journalistin und Schriftstellerin, die mit ihrem Mann in New York City lebt.

Die Serie mit dem |Women’s Murder Club| umfasst bislang folgende Titel:

Der 1. Mord
Die 2. Chance
Der 3. Grad
Die 4. Frau (zusammen mit Maxine Paetro)
Die 5. Plage
6. Die 6. Geisel (zusammen mit Maxine Paetro)
7. „Die 7 Sünden“
8. “Das 8. Geständnis
9. „Das 9. Urteil“
10. „10th Anniversary“

_Handlung_

Lieutenant Lindsay Boxer von der Mordkommission des San Francisco Police Department (SFPD) befindet sich schon in ihrem vierten Abenteuer, als sie zu einem neuen Einsatz gerufen wird. Gerade hat sie noch mit ihren zwei verbliebenen Freundinnen vom Women’s Murder Club ein paar Margaritas getrunken. Nun verfolgt sie einen schwarzen Mercedes, der mit hundert Sachen durch die Straßen von Frisco brettert – in der Nacht.

|Desaster mit Mercedes|

Sie und ihr langjähriger Kollege Warren Jacobi ermitteln an einer Mordserie unter den Junkies, die in den verrufensten Vierteln der Bay City leben. Die schwarze Edelkarosse fällt hier sofort auf, und Boxer & Jacobi nehmen die Überwachung und anschließende Verfolgung auf. Als das Auto einen Crash baut, ist ihre Überraschung groß, statt der erwarteten Gangster nur zwei junge Teenager darin vorzufinden. Sie packen ihre Knarren weg, um den Verletzten helfen zu können. Da zücken diese ihrerseits Pistolen und schießen erst Jacobi nieder, dann Boxer. Doch Boxer ist nur verletzt und kann sich nur mit einem finalen Rettungsschuss schützen: Das Mädchen stirbt, der Junge ist fürs Leben ein Krüppel. Beide Polizisten überleben das Desaster schwer verletzt.

|Verklagt auf 150 Millionen|

Kaum ist Boxer wieder auf den Beinen, erhält sie die Mitteilung, dass sie und das SFPD auf 150 Millionen Dollar Schadensersatz verklagt werden – wegen völlig ungerechtfertigter Härte im Einsatz – und weil sie unter Alkoholeinfluss gestanden habe! Während sich Lindays Anwälte um ihre Verteidigung kümmern und Jacobi weiter im Krankenhaus liegt, zieht sie selbst sich in das Küstenstädtchen Half Moon Bay zurück, wo ihre Schwester Cat ein Haus hat, das sie für ein paar Wochen benutzen darf, während die Besitzerin im Urlaub ist.

|Die Mordserie|

Doch nicht alles ist hier so friedlich wie das Hängebauchschwein Penelope, das Lindsay zu füttern hat. Das Ehepaar Daltry ist gerade ermordet worden, erfährt sie aus der Zeitung, und wenige Tage später folgt das Ehepaar O’Malley. Das Einzige, was die Opfer miteinander verbindet, sind jeweils Peitschenstriemen auf Beinen und Rücken sowie die durchgeschnittene Kehle. Diese Kennzeichen erinnern Lindsay an ein Mordopfer, das sie vor zehn Jahren in San Francisco aufgefunden hatte, zusammen mit der Botschaft: „Nobody cares“.

Die örtliche Polizei unter Chief Peter Stark hat offensichtlich keinerlei Spuren oder Verdächtige. Offiziell darf sich Lindsay überhaupt nicht als Polizistin betätigen, doch sie kann’s natürlich nicht lassen, ein wenig herumzuschnüffeln – was Chief Stark freilich auf die Palme bringt. Als sie und ihr Freund Joe Molinari, der für das Heimatschutzministerium arbeitet, im Haus der O’Malleys Löcher für die heimliche Videoüberwachung von zwei Schlafzimmern finden, schwant Lindsay, dass auch die Opfer offenbar nicht die unschuldigen Lämmer sind, für die man sie hält.

Unterdessen gerät Boxer selbst ins Visier der drei Täter, die die Morde stets gemeinsam planen und ausführen: Sie nennen einander Der Sucher, Der Beobachter und Die Wahrheit. Ihre Identität wird erst zum Schluss enthüllt – und ist ein echter Schock.

Gerade als Lindsay einem zwielichtigen Pornoshopbesitzer, der mit seinem roten Porsche protzt, auf der Spur ist, wird sie vor Gericht zitiert. Der Medienrummel ist gigantisch. Wird Boxer schuldig gesprochen, wird das verheerende Folgen für ihre Karriere wie auch für das SFPD und die Stadt haben. Daumen drücken! Die Anklage fährt schweres Geschütz auf …

_Mein Eindruck_

Der Auftakt zum neuesten Abenteuer des Women’s Murder Club liefert einen echten Adrenalinschub: Minderjährige Teenager, die das Feuer auf unsere Heldin und ihren Kollegen eröffnen! Nach einer kurzen Überblicksphase dann die vermeintliche Erholung in Half Moon Bay, eine Rückkehr in die romantische Jugendzeit der späten Siebziger und frühen Achtziger (etwa zehn Jahre nach Lester Burnhams Jugend in „American Beauty“). Und schau an, schon wird sie von einem Mechaniker, der aussieht wie Brad Pitt, angebaggert – na, wenn hier nicht das Paradies ist, wo sonst?

Leider existiert auch im Paradies die Sünde, und zwar unübersehbar in Gestalt von Mördern und ihren Opfern, von seltsamen Fotografen und zwielichtigen Pornoheinis. In dieser Phase gerät die Handlung offensichtlich ins Schwimmen, so dass die nächste Phase zunächst willkommen ist: Lindsay Boxer, „a damn good cop“, wie das SFPD bezeugt, muss sich vor Gericht verantworten. Die neue Ko-Autorin Maxine Paetro lässt es sich nicht nehmen, diese hochemotionale Phase in allen Details auszuspielen – so als ob wir solche Szenen nicht schon x-mal im TV gesehen hätten. Nun ja: Courtroom Drama ist der Name des Spiels, und das Spiel sorgt für gehörig Unterhaltung – und Spannung -, um den Leser bei der Stange zu halten.

Das hilft aber nicht, die Mordserien in San Francisco und die in Half Moon Bay aufzuklären. Aber der Prozess macht dem Leser deutlich, dass selbst verdiente Angehörige der Polizei nicht davor gefeit sind, selbst den Richtlinien ihres Jobs buchstabengetreu folgen zu müssen. Sie sind weder Batman noch Superman, die sich alles erlauben dürfen, solange sie die „Richtigen“ retten. (Was im richtigen Leben oftmals nicht so einfach ist.)

Die Aufklärung der Mordserie kommt wie ein Schock, und auch erst auf den letzten Seiten – in mehreren Wellen, die den Leser wie auf einer Achterbahnfahrt durchrütteln. Das ist klasse gemacht, aber wer wie ich ein Patterson-Fan ist, kennt das Verfahren bereits – und freut sich schon im Voraus auf das Kommende. Der Schockeffekt bleibt trotzdem erhalten. Darin erweist sich der Meister.

_Unterm Strich_

„4th of July“ – der Titel bezeichnet den Tag des Finales des Thrillers – ist ein durchweg professionell erzählter Cop-Thriller, der den Leser – oder vielmehr die Leserin – auch einmal die privaten Seiten einer Gesetzeshüterin kennen lernen lässt. Diese spezielle Gesetzeshüterin ist den Leserinnen mittlerweile ans Herz gewachsen, hat sie doch in den vorhergehenden Abenteuern bereits ihren Freund Chris und Jill, eine ihrer engsten Mitarbeiterinnen im Women’s Murder Club, an Verbrecher verloren. Würden wir ihr nicht alle wünschen, endlich einmal belohnt und in Frieden gelassen zu werden? Aber es hat nicht sollen sein. Woher käme sonst die Spannung im neuesten Krimi? Aber auch so ist ihr endlich eine Menge Liebe gegönnt. (Ich stellte mir Lindsay des Öfteren wir Meg Ryan vor, aber eigentlich müsste sie ein Typ wie Jodie Foster sein.)

|Slang|

Für deutsche Leser, die im amerikanischen Umgangsenglisch ungeübt sind, empfiehlt sich die Lektüre weniger. Das liegt nicht so sehr an den zahlreichen Abkürzungen (SUV ist noch die harmloseste), sondern vielmehr an dem Slang, der besonders in San Francisco gesprochen wird. Ein „coulda“ steht hier für ein „could have“. Es hilft, wenn man schon ein paar moderne Songtexte genau angesehen und für sich selbst übersetzt hat.

|Lesetipp: Mehr Patterson für Leserinnen|

Dass solcher Slang in Patterson-Romanen vorkommt, ist sehr ungewöhnlich und wohl auf die neue Ko-Autorin zurückzuführen. Das tritt in Titeln wie „Lifeguard“ und „Honeymoon“ nicht auf. Ebenfalls für weibliche Leser interessant ist die Serie um genmanipulierte Kinder, die in „Der Tag, an dem der Wind dich trägt“ begann, in „The Lake House“ (1994) weitergeführt wurde und in „Maximum Ride“ (2005) hoffentlich noch nicht ihr Ende gefunden hat.

_James Patterson auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Pandora-Projekt“ 3905 (Maximum Ride 1)
[„Der Zerberus-Faktor“ 4026 (Maximum Ride 2)
[„Das Ikarus-Gen“ 2389
[„Honeymoon“ 3919
[„Ave Maria“ 2398
[„Wer hat Angst vorm Schattenmann“ 1683
[„Mauer des Schweigens“ 1394
[„Stunde der Rache“ 1392
[„Wenn er fällt, dann stirbt er“ 1391
[„Wer sich umdreht oder lacht“ 1390
[„Die Rache des Kreuzfahrers“ 1149
[„Vor aller Augen“ 1087
[„Tagebuch für Nikolas“ 854
[„Sonne, Mord und Sterne“ 537
[„Rosenrot Mausetot“ 429
[„Die Wiege des Bösen“ 47
[„Der 1. Mord“ 1361
[„Die 2. Chance“ 1362
[„Der 3. Grad“ 1370
[„4th of July“ 1565
[„Die 5. Plage“ 3915

Dahl, Kjell Ola – Lügenmeer

_Mord in Oslo, Verhängnis in Uganda_

Ausgerechnet eine Journalistin findet die Leiche von Kristine Ramm an einem Montagmorgen in einer Tiefgarage. Normalerweise fallen Drogentote nicht in das Ressort von Kommissar Gunnarstranda, aber jemand will ihm eins auswischen. Gunnarstranda, nicht blöd, schlägt zurück und veranlasst eine superteure Obduktion. Überraschung: Sie starb nicht an einer Überdosis Heroin, sondern wurde vorher mit Äther betäubt und im Auto deponiert.

Verzweifelt sucht Gunnarstranda nach einem Mann auf dem Überwachungsvideo, der zur Tatzeit dort war: Stuart Takeyo. Doch der ist unter falschem Namen längst wieder in seiner Heimat Uganda. Einer von der Kripo muss dorthin, um diesen wichtigen Zeugen – und womöglich Mörder – ausfindig zu machen. Alle schauen Frank Frølich an …

_Der Autor_

Kjell Ola Dahl, 1958 in Norwegen geboren, hat mit seinen beiden Romanen „Sommernachtstod“ (dt. 2002) und „Schaufenstermord“ (dt. 2003, beide bei |Lübbe|) die deutschen Krimifans begeistert. Der ehemalige Gymnasiallehrer für Ökonomie und jetzige Halbtags-Landwirt in der Gegend von Gunnarstranda lässt in „Lügenmeer“ (2004) zum dritten Mal das einmalige Ermittlerduo Gunnarstranda und Frølich auf Verbrecherjagd gehen.

_Handlung_

Als Lise Vagenes, die Journalistin einer Osloer Tageszeitung, morgens durch die dunkle Tiefgarage geht, bekommt sie Raumangst. Außerdem ist sie eh schon spät dran. Und dann bemerkt sie in dem neben ihr geparkten Auto eine Frau, die sich nicht rührt und den Kopf in einem unnatürlichen Winkel hält. Lise weiß sofort, dass sie eine brandheiße Story hat, und ruft als Erstes einen Fotografen herbei. Dann erst informiert sie die Bullen.

|Die Kripo|

Kriminalhauptkommissar Gunnarstranda bekommt den Fall mit der offensichtlich an einer Überdosis Heroin Gestorbenen reingewürgt. Er revanchiert sich fies mit einer superteuren Obduktion. Während er auf deren Ergebnis wartet, finden er und sein Kollege, Kommissar Frank Frølich, heraus, dass die Tote die Kellnerin und Studentin Kristine Ramm ist, die mit Marianne Sandvik die Wohnung teilte. Auf dem Überwachungsvideo ist der Bekannte Kristines zu sehen: Stuart Takeyo, ein Wissenschaftler aus Uganda, der an der Uni von Oslo forschte. Der Mann ist unauffindbar, sein Pass noch da. Er flog aus dem Land mit dem Pass eines Freundes, zurück nach Uganda.

Den Mann zu finden, wird umso dringender, als die Obduktion ergibt, dass Kristine Ramm bereits vor ihrem Goldenen Schuss betäubt worden war, mit Chloroform. Will heißen: Die Überdosis wurde ihr verabreicht, es war Mord. Ist Takeyo der Mörder? Der Mann muss hergebracht oder wenigstens vor Ort vernommen werden, und die Wahl für diesen Auftrag fällt einhellig auf Frank Frølich. Der ist davon nicht sonderlich erbaut, findet sich aber mit seinem Schicksal ab.

Während er im gleichen Flieger wie Lise Vagenes nach Nairobi düst, schnüffelt Gunnarstranda den Spuren Takeyos und Kristine Ramms nach. Er findet heraus, dass beide am Tag vor ihrem jeweiligen Ableben bzw. Verschwinden an Bord der Luxusjacht des zwielichtigen Unternehmers Pedersen waren, Kristine als Kellnerin und Takeyo – ja, als was? Er schien einen Vortrag zu halten. Und so unwahrscheinlich es klingt: über ein AIDS-Heilmittel. Das es so ein Heilmittel nicht gibt, gräbt Gunnarstranda noch tiefer in der Vergangenheit Pedersens und stößt auf mafiöse Strukturen im eigenen Land.

|Uganda|

Frank Frølich wird von der Polizei hunderte von Kilometern ins Landesinnere gefahren, von Nairobi an den Viktoriasee. Er befürchtet, dass Lise Vagenes, die von einer Kooperation mit ihm nichts wissen will, bereits vor ihm eingetroffen sein wird, da sie geflogen ist. Aber das macht nichts, wie sich herausstellt, denn sie ist keinen Deut weitergekommen in ihrer Recherche.

Allerdings merken Lise und Frank Frølich ein wenig zu spät, dass ihr Erscheinen einige lokale Mächtige nervös macht und sie dadurch das Leben Stuart Takeyos in Gefahr bringen – und nicht zuletzt sich selbst …

_Mein Eindruck_

Der Krimi zeigt auf spannende Weise, wie gewissenlose norwegische Unternehmer die Ressourcen von Uganda ausbeuten, andererseits aber auch ahnungslose Investoren abzocken.

Wie jedem Fernsehzuschauer mittlerweile durch die Dokumentation „Darwins Albtraum“ bekannt sein dürfte, haben Entwicklungshilfen am Viktoriasee dazu geführt, dass der in den 1950er Jahren von Briten ausgesetzte Nilbarsch inzwischen als Exportgut gefördert wurde. Von diesem Exportgut haben die Einheimischen überhaupt nichts, außer einem Hungerlohn für die Fischer. Doch weil der Nilbarsch inzwischen alle anderen Fischarten gefressen hat, bleibt den Einheimischen nicht einmal mehr genug zum Fischen, dass sie überleben können. Vielmehr leiden die Kinder unter Mangelernährung, weil das einzige proteinhaltige Nahrungsmittel, das ihnen ihre Mütter heute noch servieren können, die Gräten des Nilbarsches sind: der Abfall der Fischfabriken. Das Knowhow für diese Fabriken kommt, so der Autor, von den Norwegern, die ja Experten für Fischzucht sind.

Das zweite Übel für Uganda – wie für den Rest Schwarzafrikas – ist AIDS. Dem Autor zufolge wurden den Afrikanern AIDS-Medikamente geliefert, die wirkungslos waren. Vielmehr zeigten sie sogar schwere Nebenwirkungen. Die Lieferanten wussten jedoch, dass das Medikament in Europa deswegen längst verboten war. Sie arbeiteten im Auftrag skrupelloser Unternehmer, die lediglich Investoren mit einem AIDS-Heilmittel abzocken wollten. Dass sowohl Geldgeber als auch Ugander „bluten“ mussten, kümmerte sie wenig. Im Roman ist der Drahtzieher dieser Verbrecher ein ehemaliger Entwicklungshilfe-Ingenieur aus Oslo, der mit dem Schwindler Pedersen unter einer Decke steckt. Dass dieser Mann seine Leute auch vor Ort am Viktoriasee hat, liegt nahe.

Nacheinander kommen sowohl Lise Vagenes und Frank Frølich dieser Organisation in die Quere. Die Folgen sind fatal für sie wie auch für Stuart Takeyo, der nun nicht mehr in sicherer Entfernung lebt, sondern mitten in die Schusslinie gerät. Frank Frølich entgeht einem Anschlag und Lise einer Entführung. Dass diese Gefahren die beiden näher zusammenbringen, dürfte wohl nicht verwundern, und sie landen im Bett. „Welcome to Africa.“

Die Schilderung der afrikanischen Verhältnisse ist kenntnisreich und fußt zumindest teilweise auf nachprüfbaren Fakten, wie man an der erwähnten Dokumentation „Darwins Albtraum“ leicht erkennen kann. Anscheinend gibt es zudem Quellen für die Nachprüfung von norwegischen Entwicklungshilfeprojekten. Diese muss ja irgendjemand genehmigen, und dieser Jemand lässt sich in Listen wiederfinden. Als Lise Vagenes den Namen dieses Jemands herausfindet, fällt sie aus allen Wolken: Sie war nur eine Art Laufbursche. Nun ist ihr Leben in unmittelbarer Gefahr …

Sowohl Frank Frølich als auch Gunnarstranda sind Kommissare mit Ecken und Kanten, besonders Letzterer. In diesem ihrem dritten Fall wird ihr besonderes Verhältnis zueinander nicht mehr begründet und der Leser bleibt im Dunkeln, woher die Dynamik dieses Duos rührt. Frank Frølich scheint mehr der Handlanger des „Kopfes“ Gunnarstranda zu sein. Er, der Schwerenöter auf Frauensuche, bildet einen sympathischen Kontrast zu dem Witwer Gunnarstranda, der die Gesellschaft seines stummen Goldfischs Kalfatrus vorzieht, aber auch mal einen Abend mit seiner Freundin Tove verbringt. Dass er vom Kettenrauchen ein Lungenemphysem hat, dürfte schon bald das Aus für seinen Konsum von Sargnägeln bedeuten.

Ich konnte den Roman sehr schnell lesen. Die Sätze sind kurz und prägnant, die geschilderten Szenen kann man sich bildlich vorstellen. Besonders die Figurenzeichnungen haben mir gefallen. Der Autor liebt es, boshafte Adjektive und Epitheta einzusetzen, um eine Distanz zu der Figur aufzubauen. Das gilt aber auch für die Helden Frølich und Gunnarstranda. Durch ihre Fehler und Macken erscheinen sie als sehr menschlich und sympathisch. Sie sind nicht schlauer als der Leser, sondern wissen meist sogar noch noch weniger.

|Die Übersetzung|

… ist ausgezeichnet gelungen. Die zahlreichen englischsprachigen Ausdrücke wurden einfach so belassen, weil dies ja die Eigenart der jeweiligen Figur hervorhebt. Man sollte also wissen, was unter „hard feelings“ (Ärger, Groll) zu verstehen ist.

Die Hardcover-Ausgabe von 2004 bei |Ehrenwirth| informiert den Leser mit zwei Landkarten. Auf der Einbandinnenseite ist a) die Innenstadt von Oslo verzeichnet, auf dem hinteren Gegenstück b) die Region um den Viktoriasee mit den drei Statten Uganda, Tansania und Kenia – ein riesiges Gebiet. Dabei fiel mir die unterschiedliche Schreibweise eines Dorfes am See auf: hier heißt es Whichloom, im Text aber Witchloom. Woher kommt das? (Die Bezeichnung „witch-loom“ würde zumindest den Sinn „Hexen-Webstuhl“ ergeben.)

_Unterm Strich_

Auch das dritte Abenteuer der Osloer Kommissare Gunnarstranda und Frølich ist rätselhaft, spannend bis zum Schluss und kritisch-engagiert, wenn es die Zustände in Uganda und Oslo anprangert. Die Geschichte liest sich flüssig, geizt nicht mit Kabbeleien zwischen den Hauptfiguren, bissigen Dialogen und erotischen Begegnungen. Besonders gelungen fand ich die boshaften Charakterzeichnungen des Autors. Sie machen das Buch für jeden Zyniker zu einem wahren Festschmaus. Man sollte aber auch nicht die menschlich-allzumenschliche Seite außer Acht lassen, die ich relativ realistisch geschildert fand.

|Originaltitel: Lille tambur, 2003
Aus dem Norwegischen von Kerstin Hartmann|
http://www.bastei-luebbe.de

Dan Brown – Illuminati (illustrierte Ausgabe)

Sakrale Schnitzeljagd – jetzt auch illustriert

Ein Teilchenphysiker wird in seinem Schweizer Labor ermordet aufgefunden. In seine Brust eingebrannt entdeckt man merkwürdige Symbole, Symbole, die nur der Harvardprofessor Robert Langdon zu entziffern vermag.

Was er dabei entdeckt, erschreckt ihn zutiefst, denn es scheint, als sei die Geheimgesellschaft der Illuminati, alte Feinde der römisch-katholischen Kirche, zurückgekehrt. Und sie haben im Labor etwas mitgehen lassen: einen Behälter mit Antimaterie, der, wenn er nicht an eine Stromquelle angeschlossen wird, binnen 24 Stunden mit der Wirkung einer großen Wasserstoffbombe explodieren wird. Welcher teuflische Plan steckt dahinter?
Dan Brown – Illuminati (illustrierte Ausgabe) weiterlesen

Clare Mackintosh – Spiel der Lügner (Ein Fall für Ffion Morgan, Band 2)

Inhalt

Großbritannien hat eine neue TV-Sensation: In der Reality-Show »Exposure« stellen sich sieben völlig Fremde in den walisischen Bergen einem Wettbewerb. Auch Detective Ffion Morgan schaut zu, denn die Show wird ganz in der Nähe ihres Heimatdorfes aufgezeichnet, und ihre Postbotin ist eine der Kandidatinnen.

Die Teilnehmer der Show erfahren allerdings erst jetzt, worauf sie sich eingelassen haben: Jeder von ihnen hütet ein Geheimnis, das sein oder ihr Leben verändert hat. In dem teuflischen »Spiel« geht es um nichts Geringeres, als die Geheimnisse der Kontrahenten ans Licht zu bringen – live auf Sendung!

Schon in der ersten Nacht verschwindet ein Kandidat spurlos, offensichtlich in Panik. Als die Show immer weiter aus dem Ruder läuft und schließlich die erste Leiche auftaucht, steckt Ffion Morgan mitten in einer verzwickten Mord-Ermittlung: Jeder ihrer Verdächtigen hat ein Alibi – und ein Geheimnis, für das es sich zu töten lohnt.

Nur gut, dass der Fall sich nach England ausweitet, wo Detective Leo Brady nur zu gern seine Hilfe anbietet … (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Der lebendige, humorvolle Schreibstil, die herrlich verschrobenen Charaktere und die turbulenten, packenden Geschehnisse, machen diesen Krimi zu einem wunderbar unterhaltsamen Murder-Mystery. Clare Mackintosh – Spiel der Lügner (Ein Fall für Ffion Morgan, Band 2) weiterlesen

Nele Neuhaus – Monster

Worum geht’s?

Ein 16-jähriges Mädchen wird erdrosselt an einem Marienkreuz gefunden. Ein abgelehnter Asylbewerber gerät in Tatverdacht.  Jedoch taucht er nach dem Absitzen seiner Haftstraße ins Nirvana ab, noch bevor er von der Polizei vernommen werden konnte. Kurze Zeit später findet man die übel zugerichtete Leiche eines jungen Mannes im Wald. Das Opfer war verantwortlich für den Tod einer schwangeren Frau. Sie und ihr ungeborenes Baby kamen durch ein illegales Autorennen ums Leben. Pia Sander und Oliver von Bodenstein stehen vor einem großen Rätsel und sie ahnen zu Beginn des Falls noch nicht, dass sie geradewegs auf eine Katastrophe zusteuern.

Nele Neuhaus – Monster weiterlesen

Lee Child – Make Me / Keine Kompromisse (Jack Reacher 20)

Alpträume: Tief im Deep Web und in den Weizenfeldern

Reacher steigt in einem Kaff namens Mother’s Rest aus, weil ihn der Name neugierig macht. Statt einer Erklärung stößt er auf eine ehemalige FBI-Agentin, die ihren vermissten Kollegen sucht. Aus der Stadt will man sie bald vertreiben, aber sie stoßen auf Notizen wie „200 Todesfälle“ und einen Journalisten der renommierten „L.A. Times“. Irgendein Geheimnis ist in Mother’s Rest verborgen, und jemand setzt einen Killer auf Reacher und seine neue Freundin, um dafür zu sorgen, dass sie das Geheimnis niemals lüften werden…
Lee Child – Make Me / Keine Kompromisse (Jack Reacher 20) weiterlesen

Lee Child – Blue Moon (Jack Reacher 24)

Reacher, die Ein-Mann-Armee

Eine namenlose Stadt im Südwesten der USA haben sich kriminelle Banden aus der Ukraine und Albanien unter sich aufgeteilt. Demarkationslinie ist die Center Street. Als Reacher sich durch die Unterstützung eines Schuldners einmischt, entfacht er unwissentlich einen Bandenkrieg. Er findet heraus, dass erst seit wenigen Monaten die Qualität der Unterdrückung drastisch zugenommen hat, verursacht durch die Hightech-Informatik eines gescheiterten IT-Unternehmers. Reachers Weg ist vorgezeichnet: Er muss das schwer bewachte „Adlernest“ ausräuchern. Doch um dies zu vollbringen, braucht er sehr kompetente Leute – und eine schlaue Freundin…

Der Titel verweist auf ein sehr unwahrscheinliches Ereignis: einen blauen Mond. Er ist in den USA sprichwörtlich.
Lee Child – Blue Moon (Jack Reacher 24) weiterlesen

Grangé, Jean-Christophe – Das schwarze Blut

_Schwacher Grangé, aber Nervenkitzel pur_

Jacques Reverdi, Serienmörder, wartet im Gefängnis von Malaysia auf sein Urteil. Wie eine Blutspur ziehen sich seine grausamen Ritualmorde an Frauen durch Südostasien.

Mark Dupeyrat, Pariser Journalist, plant einen Bestseller über diesen Mann. Er erfindet „Elisabeth“, die mit Reverdi schriftlich Kontakt aufnimmt, um sich sein makabres Universum zu erschließen. Als der Mörder Feuer fängt, sich sogar in die unbekannte Briefeschreiberin verliebt, schickt Mark ein Foto seiner Freundin Khadidscha. Doch dann entkommt Reverdi aus dem Gefängnis – und für Mark und Khadidscha beginnt ein Alptraum … (Verlagsinfo, nicht ganz zutreffend)

_Der Autor_

Jean-Christophe Grangé, 1961 in Paris geboren, ist als freier Journalist für verschiedene internationale Zeitungen (Paris-Match, Gala, Sunday Times, Observer, El Päis, Spiegel, Stern) tätig. Für seine Reportagen reiste er zu den Eskimos, den Pygmäen, und er begleitete wochenlang die Tuareg. „Der Flug der Störche“ war sein erster Roman und zugleich sein Debüt als französischer Topautor im Genre des Thrillers. (Verlagsinfo)

1994: „Der Flug der Störche“ (Le vol des cigognes)
1997: „Die purpurnen Flüsse“ (Les Rivières pourpres)
2000: „Der steinerne Kreis“ (Le Concile de Pierre)
2000: Drehbuch zum Film „Die purpurnen Flüsse“
2001: Drehbuch zum Film „Vidocq“
2003: „Das Imperium der Wölfe“ (L’empire des loups)
2004: „Das schwarze Blut“ (La Ligne Noire)
2005: Drehbuch zum Film „Das Imperium der Wölfe“

Die Verfilmung von „Der steinerne Kreis“ befindet sich derzeit in der Nachproduktion.

_Handlung_

Jacques Reverdi, ein ehemaliger Weltmeister im Freitauchen, wäre um ein Haar gelyncht worden. Die aufgebrachten malaiischen Dorfleute wollten ihn aufknüpfen, als sie herausfanden, dass die Frau, die bei ihm war – Pernilla – schon seit Tagen nicht mehr gesehen worden war. Als sie die Tür von Jacques’ Hütte aufbrachen, standen sie sofort in einem See aus Blut. Er hatte der jungen Schwedin methodisch die Venen – nicht die Arterien – aufgeschnitten, um sie ausbluten zu lassen.

Als eine Psychologin ihn vernahm, behauptete er, es nicht gewesen zu sein, sondern ein anderer. Erst steckten die Malaiien ihn in die Psychiatrie, dann kam er in den Knast. Und hier in die Vorhölle, wo ein sadistischer Aufseher regiert: Der Tod durch den Strang ist ihm sicher. Aber dennoch gibt er nicht auf.

|Mark …|

… Dupeyrat ist schon 44 Jahre alt, als er auf die Zeitungsmeldung über Jacques’ Festnahme stößt. Mark hat als Journalist schon alle Tiefen des Berufs als Paparazzo und Gerichtsreporter durchlebt. Nach zwei schweren privaten Tragödien – erst verlor er seinen Freund d’Amico, dann seine Verlobte Sophie – hat er sich hinter einen Panzer zurückgezogen. Doch Jaques’ Geschichte berührt ihn. Vielleicht gelingt es ihm über diese Inkarnation des Bösen, zu einem Begreifen des Mordes an Sophie zu gelangen. Mark war mehrere Tage bewusstlos und danach monatelang in einer Spezialklinik, bis er von diesem Schicksalsschlag genesen konnte.

Er versucht, einen Kontakt zu Reverdi herzustellen, doch dieser gibt grundsätzlich keine Interviews. Aber wie jeder Mörder, der mehr als einmal in der Zeitung stand – die Schwedin war nicht sein erstes öffentlich bekanntes Opfer – bekommt Reverdi Fanpost: meist von Frauen, die vom „Schwarzen Mann“ fasziniert sind. Jacques’ lehnt diese ahnungslosen Schnepfen alle achselzuckend ab.

Doch eines Tages bekommt er einen Brief von einer gewissen Elisabeth Bremen, der ihn erst ob seiner selbstgerechten Dreistigkeit erbost, dann aber aufhorchen lässt: Elisabeth ist bereit, ihm auf dem Weg zum Herz des Bösen zu folgen, koste es, was es wolle. Jacques grinst …

|Bingo!|

Endlich bekommt Mark, der sich als Elisabeth Bremen ausgibt, eine Antwort von Reverdi. Der Briefaustausch dauert erst lange und ist umständlich, aber wenigstens bleibt Marks Anonymität gewahrt. Doch als Reverdi ein Foto von Elisabeth verlangt, gerät Mark in die Bredouille – woher nehmen und nicht stehlen? Genau das macht er und zwar bei seinem besten Freund und Kollegen, dem Modelfotografen Vincent.

Der macht gerade Bilder von einer nordafrikanisch aussehenden Frau. Ihr Name ist Khadidscha – ausgesprochen „chá-di-dscha“ – und sie hat ebenfalls eine Tragödie hinter sich. Ihre heroinsüchtigen Eltern verbrannten in ihrer Wohnung, als sie noch ein Teenager war und sich um ihre Geschwister kümmerte. Ihr Blick ist umflort und geheimnisvoll. Mark greift sofort zu und schickt Reverdi ihr Polaroidfoto.

Jacques ist hingerissen, wider sein eigenes Erwarten. Sofort antwortet er, dass Elisabeth, wenn sie ihr Anliegen ernst meine, ihm auf der „schwarzen Linie“ folgen solle. Dort würden er, Jacques, und ein anderer ER sie erwarten. Doch sie werde sich würdig erweisen müssen und Aufgaben gestellt bekommen. Jacques leitet in die Wege, dass diese vielversprechende Verehrerin mit ihm E-Mails austauschen kann.

|Ins Herz der Finsternis|

Mark leiht sich von Vincent Geld, kauft Tickets nach Malaysia, ein anderes Notebook und legt ein anonymes E-Mail-Konto an, denn schließlich muss er seine Identität verbergen. Schon bei seiner Ankunft wartet eine Aufgabe auf ihn, die ihn ins Herz der Finsternis führen wird. Denn Jacques Reverdi ist kein durchgeknallter Triebtäter, dem beim Morden die Nerven durchgehen, sondern ein Mann mit einer Methode – und einem Ziel, das er noch nicht erreicht hat. Aber mit „Elisabeths“ Zutun könnte er es erreichen. Dann würde man endlich verstehen, was er tut.

_Mein Eindruck_

Der Roman ist klar in drei Teile aufgeteilt: Marks Zeit in Paris, dann seine Reise in Südostasien, dann deren Folgen, als er wieder in Frankreich ist. Parallel dazu erleben wir Reverdis Zeit im Knast von Malaysia. Es ist also für jede Menge Abwechslung gesorgt. Eigentlich hätte ich erwartet, dass auch Khadidscha eine tragende Rolle spielt, aber in dieser Erwartung wurde ich enttäuscht. Obwohl er alle seine drei Hauptfiguren gut eingeführt und mit einer interessanten Vergangenheit versehen hat, weist er Khadidscha nicht mehr als eine passive Rolle zu. Schade. Also machen es Mark und Jacques praktisch unter sich aus.

|Die Methode|

Jeder Leser wird schon im ersten Kapitel mit der Nase darauf gestoßen, dass der Serienmörder Reverdi eine spezielle „Methode“ hat und dass diese Methode offenbar im Zusammenhang mit dem Buchtitel steht. Wer nun aber erwartet, ich würde diese Vorgehensweise und ihre Wirkung haarklein beschreiben und erklären, irrt. Das haben andere schon für mich erledigt, und ich muss sagen, dass ich als Leser ziemlich enttäuscht davon wäre, wenn mir jemand schon vor dem Finale den Clou verraten würde. Also tue ich das mit Rücksicht auf meine Leser auch nicht. Aber wer daran zweifelt, dass es schwarzes Blut geben kann, den kann ich beruhigen: Es geht. Und ein Taucher wie Reverdi weiß genau, wie es herzustellen ist.

Mark nähert sich diesem schrecklichen Geheimnis mit jeder Aufgabe, die er erfolgreich bewältigt. Er muss dafür nach Kambodscha, an die thailändische Grenze zu Birma und in die Berge Malaysias fahren. Mehrmals muss ihm Reverdi hilfreiche Tipps geben, denn schließlich ist Mark nicht Einstein, sondern nur ein gewöhnlicher Reporter. Er erscheint uns also nie als Klugscheißer.

Und als er endlich kapiert, worin Reverdis Methode besteht, ist er zwar angemessen entsetzt, aber auch nicht dermaßen aus dem Häuschen, dass er überschnappen und Gott anrufen würde. Dafür ist er viel zu sehr Zyniker. Nein: Jetzt hat er das Material für seinen Bestseller, also ab nach Hause. Und dass er dafür einen Preis bezahlen müsste, braucht er nicht zu befürchten, denn garantiert wird Reverdi ja schon bald zum Tode verurteilt. Oder?

|Die Rache|

Natürlich wäre das keine anständige Geschichte, wenn nicht der vermeintlich tote Serienmörder aus dem Reich der Toten zurückkehren und sich an Mark und Co. für den Verrat rächen würde. Aber das war ja zu erwarten – Mark hat jede Menge Vorahnungen, und als er nach Paris zurückkehrt, wird ihm in Gestalt von riesigen Plakatwänden mit Khadidschas Gesicht deutlich vor Augen geführt, wie fassbar die Gefahr ist. Falls Reverdi überlebt.

An dieser Stelle sieht man ziemlich deutlich den mahnend erhobenen Zeigefinger des Autors, der vor den Folgen der journalistischen Ausbeutung des Leids anderer Leute (Stichwort: Paparazzi bei Prinzessin Dianas Autounfall in Paris) warnt. Aber der Autor sollte sich mal an die eigene Nase fassen und sein eigenes Werk begutachten. Schließlich fand er in „Die purpurnen Flüsse“ den Gedanken auch total aufregend, dass eine Uni als faschistische Zuchtanstalt missbraucht werden könnte. Oder schlägt ihm jetzt das Gewissen und er sich büßend an die wohlhabende Autorenbrust? Das kommt mir dann doch recht heuchlerisch vor.

|Schwächen|

Der ganze Ablauf der zweiten Romanhälfte ist sehr vorhersehbar. Noch in „Die purpurnen Flüsse“ und vor allem in „Das Imperium der Wölfe“ gelang es Grangé durch eine ausgetüftelte Erzählstruktur, eine unheimliche und hohe Spannung aufzubauen. Das alles ist Vergangenheit. „Das schwarze Blut“ hat mich durch seine Geradlinigkeit und Vorhersehbarkeit immer wieder enttäuscht, bis das Lesen bis zum Schluss nur noch zur Pflichtübung wurde. Immer noch eine recht unterhaltsamen Pflichtübung, aber dennoch.

Doch auch der Schluss selbst hat einen Fehler. Der Autor steht, um den finalen Schocker im Epilog verabreichen zu können, vor der kniffligen Aufgabe, seinen Serienmörder Nummer 1, Monsieur Reverdi, verschwinden lassen zu müssen. Er tut dies auf denkbar unelegante Weise und quasi nur im Nebensatz.

Das hat der großartige Reverdi wirklich nicht verdient, zumal wir nun endlich verstehen, woher seine Methode stammt: Es ist sein Urerlebnis, das er mit seiner verhassten Mutter hatte. Jeder Mord zelebriert den Sieg des Jungen über die Über-Frau, die ihn verraten hat. Damit dieser perfekt gelingt, muss jede Phase genauestens beachtet werden. Diesen Phasen muss auch Mark folgen. Und er wird dadurch nicht unbeeinflusst bleiben …

_Die Übersetzung_

Den einzigen Zweifelsfall in der Übersetzung fand ich auf Seite 144: Statt Thai-Transvestiten heißt es hier „Thai-Travestiten“. Das ist alles. Einen dicken Pluspunkt vergebe ich auf Seite 360: Die Übersetzerin behält den englischen Ausdruck „resort“ für Ferien- oder Hotelbungalow-Anlage bei, den jeder Thailand-Reisende kennt. Weniger konsequente Übersetzer schreiben statt dessen gerne „Ressort“, was im Deutschen etwas völlig anderes bezeichnet.

_Unterm Strich_

„Das schwarze Blut“ ist in seiner Vorhersehbarkeit und einfachen Erzählstruktur der schwächste Grangé seit Jahren. Aber da es sich um einen echten Grangé handelt, ragt selbst dieser schwache Roman immer noch über die Masse der meisten Thriller dieses Jahres hinaus. Für 20 Euronen bekommt man puren Nervenkitzel zu einem annehmbaren Preis. Aber ich empfehle, noch auf das Taschenbuch zu warten.

Lee Child – Past Tense / Der Spezialist (Jack Reacher 23)

Jagdszenen in New Hampshire

Der ewige Tramper Jack Reacher strandet in Laconia, New Hampshire. Hey, hier wuchs ja sein Vater Stan auf, bevor er ins Marine Corps eintrat. In der Gegend gibt es eine Menge Reachers, stellt er fest. Schon am zweiten Abend handelt er sich Ärger mit der Unterwelt ein, als er einer Cocktail-Kellnerin in Not beisteht.

Unterdessen verschickt ein anderer Reacher in den nahen Wäldern, wo er ein Motel gebaut hat, Einladungen zu einem ganz speziellen Spiel. Er hat zwei arglose Kanadier gefangen, die auf der Durchreise waren. Nun können sie nicht mehr weg, dafür hat er gesorgt. Bald darauf treffen die ersten Mitspieler ein und bestaunen das kanadische Pärchen durchs Fenster von Zimmer Nr. 10 – das perfekte Wild, da sind sich alle einig…
Lee Child – Past Tense / Der Spezialist (Jack Reacher 23) weiterlesen

Iain Banks – Träume vom Kanal. Zukunftsroman

Mit Cello und Bazooka in die Apokalypse

Eine junge japanische Cellistin gerät im Panamakanal in die Wirren des lokalen Bürgerkriegs. Unter dem Druck tragischer Ereignisse an Bord der festsitzenden Schiffe wandelt sich ihre Persönlichkeit zu etwas Schrecklichem, das schon lange in ihr schlummerte.

Der Autor

Iain Banks ist der wahrscheinlich bedeutendste schottische Schriftsteller der Gegenwart. Seine Mainstream- und Science-Fiction-Romane befassen sich mit aktuellen Themen, sein SF-Zyklus über das Culture-Universum gehört zu den wichtigsten Werken des Genres. Er starb 2013.
Iain Banks – Träume vom Kanal. Zukunftsroman weiterlesen