Archiv der Kategorie: Rezensionen

Perry-Rhodan-Team / Böhmert, Frank / Effenberger, S. A. / Sieper, Marc – Sternenbastard, Der (Perry Rhodan – Sternenozean 1)

Fans der großen Weltraum-Saga „Perry Rhodan“ sind sich häufig nicht einig, ob die vertonten Adaptionen ihrer Lieblingsserie auch wirklich das Niveau der unendlich währenden Heftroman-Serie halten können. Dennoch kommen die Hörspiel-Labels immer wieder auf den legendären Romanhelden zurück, wobei die riesige Anhängerschaft derzeit mit den Hörbüchern zu den so genannten Silberbänden eigentlich noch bestens versorgt sein müsste. Nichtsdestotrotz hat man sich nun auch bei der renommierten Hörspiel-Firma |Lübbe Audio| dazu entschlossen, eine eigene „Perry Rhodan“-Reihe zu starten, die – ersten Angaben zufolge – mit insgesamt 40 geplanten Folgen die bislang üppigste ihrer Art werden soll. Nun, man darf gespannt sein, ob tatsächlich so viele Episoden auf den Markt kommen werden, doch nimmt man einfach mal den ersten Teil, „Der Sternenbastard“, als Maßstab, dann kann ich persönlich diese Entscheidung nur freudig begrüßen.

_Meine Meinung_

Kantiran wuchs nach dem Tod seines terranischen Vaters und seiner arkonidischen Mutter als Waise auf und verbrachte seine Kindheit bis zu seinem 14. Lebensjahr auf einem weniger bekannten Kolonialplaneten. Er wird wegen seiner weißen Haare und roten Augen als Aussetziger behandelt, obwohl in ihm ebenfalls das Blut der Arkoniden fließt.

Kantirans Leben soll sich aber schnell ändern, als er Besuch von der seltsamen Ascari da Vivo bekommt, die ihn für die Militärakademie Arkons verpflichten möchte. Der Mischling nimmt dieses Angebot dankend an, wird aber in der namhaften Akademie von Beginn an sehr rau angepackt. Dennoch erkämpft sich Kantiran nach und nach den Respekt der übrigen Schützlinge, die ihm gegenüber zunächst mit großer Arroganz und Hochnäsigkeit auftreten. Währenddessen lernt er auch die junge Thereme kennen und verliebt sich prompt in das Mädchen. Immer stärker fühlt er sich ihr verbunden, ahnt dabei aber noch nicht, welch grausames Schicksal diese Partnrschaft schon bald erwarten soll.

_Meine Meinung_

Nun, dass an diese Serie enorm hohe Erwartungen geknüpft sind, dürfte wohl jedem klar sein. „Perry Rhodan“ gilt hierzulande als eine der erfolgreichsten Science-Fiction-Serien und fußt auf einer unheimlich großen Fanschar, die vollkommen zu Recht hohe Ansprüche an den hier beschriebenen Zyklus „Sternenozean“ haben dürfen. Doch wie ich eingangs bereits andeutete, hat das Regieteam diese schwere Aufgabe mit Bravour gemeistert und ein sphärisch atemberaubendes und inhaltlich sehr spannnendes Hörspiel inszeniert, bei dem man bereits nach wenigen Minuten um die Tragweite der Dinge, die noch folgen werden, weiß. Aber dazu später mehr.

„Sternenozean“, der zugrunde liegende Zyklus, den erfahrene Leser sicher schon kennen werden (er wurde mit dem Heftroman Nr. 2200 eingeführt), erzählt die Geschichte des Mischlingsjungen Kantiran, dessen Leben bislang davon geprägt war, gegen die Schmähungen gegen seine ungeliebten terranischen Vorfahren anzukämpfen. Er lebt auf einem unbedeutsamen Planeten gemeinsam mit dem Volk seiner verstorbenen Mutter, wird von diesem aber wegen seines ‚unreinen‘ Blutes nicht in entsprechendem Maße akzeptiert. Aus diesem Grunde sieht er die Möglichkeit, einen Platz in der Militätakademie einzunehmen, auch als einzig realistische Chance, seinem unliebsamen Schicksal zu entfliehen und an einem fernen Ort ein besseres Leben zu führen. Andererseits jedoch hat Kantiran auch seine Zweifel; schließlich ist es normalerweise nur Kadetten adliger Abstammung vorbehalten, sich auf dieser Hochschule ausbilden zu lassen, und dies fördert in den ersten Tagen auch seine Skepsis. Völlig zu Recht, wie sich später herausstellen soll, denn auch auf neuem Terrain ist Kantiran ständigen Konfrontationen ausgesetzt und zieht sich schon in seinen ersten Stunden einige erhebliche Prellungen zu. Doch sein Ehrgeiz wird mit Respekt belohnt, und bevor sich der junge Kadett versieht, hat er zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, wirklich geachtet zu werden.

Parallel pflegt Kantiran eine eigenartige Beziehung zur jungen Thereme, in die er sich direkt beim ersten Aufeinandertreffen Hals über Kopf verliebt hat. Allerdings kann er seine Liebe nicht so offen ausleben, wie er dies gerne tun würde, und muss vor allem der harten Ausbildung zu dieser Zeit einen hohen Tribut zollen. Als dann aber doch die Chance kommen soll, sich intensiver Thereme zu widmen, macht Kantiran eine Entdeckung, die seinen gerade geschöpften Lebensmut mit einem Mal wieder beiseite fegen soll …

Im ersten Teil der Hörspiel-Saga passiert noch nicht sonderlich viel, so dass man genügend Zeit hat, sich mit den wichtigsten Figuren vertraut zu machen bzw. sich einen detaillierten Überblick über das allgemeine Geschehen zu verschaffen. Im Großen und Ganzen handelt es sich dabei zwar nur um etwas breiter inszeniertes Anfangsgeplänkel ohne wirklich tief greifende Handlungsabschnitte, doch für den Start ist dies genau richtig, zumal der Zyklus ja bekanntermaßen recht umfangreich ist. Lediglich in der Mitte des Hörspiels wird die Umsetzung der Story nicht ganz so gefällig gelöst, so dass einige kurze Hänger hingenommen werden müssen, die aber bereits nach wenigen Minuten wieder abklingen.

Quasi als Entschädigung für diese geringfügige, unfreiwillige Verschnaufpause ist „Der Sternenbastard“ dann aber mit tollen Effekten und wunderbarer Begleitmusik ausgestattet. Eigens für diese Serie haben sich die Macher die Dienste des Berliner Filmorchesters unter der Leitung von Christian Hagitte gesichert, welches der jeweiligen Situation entsprechend für eine dezente oder eine gar bombastische Untermalung sorgt. Allerdings wirkt dies nie übertrieben, sondern ist völlig an die Geschichte angepasst worden und setzt gerade in den etwas betriebsameren Momenten wichtige Akzente.

Ob diese neu aus der Taufe gehobene Serie ebenfalls Akzente setzen wird, möchte ich nach diesem ersten Teil indes noch nicht beurteilen. Feststeht bis hierhin, dass „Sternenozean“ einen ziemlich guten Start hingelegt hat, sehr viele vielversprechende Versatzstücke beinhaltet und schon nach dem Ende von „Der Sternenbastard“ genügend Fragen offen hält, die für die Motivation, weiter am Ball zu bleiben, immens förderlich sind. Gute Voraussetzungen also für eine neue Erfolgsserie im Universum des beliebten Sternenabenteurers.

http://www.perryrhodan.org
http://www.luebbe-audio.de
[Exakter Überblick über diesen Zyklus der Heftromanserie]http://www.perrypedia.proc.org/Der__Sternenozean__%28Zyklus%29

Kanehara, Hitomi – Tokyo Love

In Tokyo ist die Welt noch in Ordnung. Die japanischen PISA-Ergebnisse könnten besser nicht sein, in der Wirtschaft läuft alles rund und in den U-Bahnen riecht es nicht nach menschlichen Fäkalien.

Trotzdem. Auch Tokyo hat seine Abweichler. Hitomi Kanehara, zweiundzwanzigjährige Autorin und jüngste Trägerin des Akutawaga-Preises, zum Beispiel. Noch eine asiatische Pseudoskandalnudel?, fragt man sich, doch ein Blick auf den Klappentext offenbart Erstaunliches. Kanehara hat tatsächlich mit siebzehn Jahren die Schule abgebrochen, um ihre literarische Karriere zu verfolgen. Dürfen wir in ihrem Debüt „Tokyo Love“ also mehr erwarten als heiße Luft und überzogenes Kritikerlob für biedere Sexszenen?

Die neunzehnjährige Lui ist eigentlich ein so genanntes Barbiegirl. Sie hat sich ihre Haare platinblond gefärbt und liebt es, mit ihren Freundinnen über Banalitäten zu tuscheln. Manchmal trinkt sie ein Bier, das schon, doch an und für sich ist sie eine Jugendliche in Tokyo, die versucht, sich von ihren Eltern abzuheben, aber doch nie zu weit geht.

Das ändert sich, als sie Ama kennen lernt. Der junge Punk mit der roten Irokesentolle, den Piercings und dem Drachentattoo auf dem Rücken fasziniert sie ungemein, doch was sie am meisten anzieht, ist seine Zunge. Sie ist gespalten wie eine Eidechsenzunge, eine split-tongue, eine besonders extreme Form von Körperschmuck. Lui möchte auch unbedingt so eine Zunge haben und geht deshalb mit Ama zu Shiba-San, einem Piercer und Tätowierer, der ihr nicht nur die Zunge pierct und ihr beim Weiten des Loches hilft, was für die Spaltung notwendig ist, sondern sie auch zu einer willigen Sexsklavin macht. Er ködert sie, indem er ihr ein kostenloses Tattoo verspricht, wenn er seine sadistischen Fantasie an ihr ausleben darf. Ohne dass Ama, mit dem sie mittlerweile fest zusammen ist, etwas davon mitbekommt, lässt sie sich auf dieses Angebot ein, doch eines Tages ist Ama verschwunden …

Völlig unvorbereitet wird der Leser |in medias res| geworfen, wenn er die erste Seite aufschlägt. Lui und Ama diskutieren über split-tongues und die verschiedenen Methoden, um ein Piercingloch zu weiten.

Ich bin mir sicher, bereits an dieser Stelle scheiden sich die Geister. Wer Fan von derartigen „jugendlichen“ Tätigkeiten wie Piercen und Tätowieren ist, wird sich innerhalb der manchmal, zugegeben, etwas zu langen Erklärungen über diesen Sport sicherlich freuen, doch wem Metall im Körper so fern ist wie |Eminem| von Volksmusik, der wird das Buch wohl gelangweilt ganz hinten ins Bücherregal stellen und es vergessen. Kanehara schreibt für ein junges, interessiertes Publikum und nimmt sich deswegen nicht wirklich Zeit, um bestimmte Phänomene zu erklären. Wie in einer Kurzgeschichte lässt sie alles Unnötige weg, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Das Wesentliche ist die Handlung. Nur leider deuten sich hier ein paar Schwächen an. „Tokyo Love“ mutet zwar eher wie eine auf 117 Seiten ausgedehnte Kurzgeschichte an, das ist sehr richtig, aber das entbindet die Autorin trotzdem nicht davon, eine Handlung mit Hand und Fuß auf die Beine zu stellen. Kanehara vernachlässigt bei all den „verstümmelten“ Körperteilen aber gerade eben diese. Es geschieht viel zu wenig und das Wenige viel zu diffus, um „Tokyo Love“ einen sehr guten Roman nennen zu können.

Warum sollte man Hitomi Kaneharas Debüt trotzdem lesen? Vielleicht, weil die nicht ganz gare Handlung zusammen mit einem nicht ganz perfekten Schreibstil wider Erwarten einen ziemlichen Sog entwickelt?

Nun, wie das geschieht, ist mir auch ein Rätsel, denn die Fakten sind, dass Kanehara die Gefühlswelt ihrer jugendlichen Protagonistin aus der Ich-Perspektive annehmbar herüberbringt, aber leider wirkt der Stil der Japanerin an manchen Stellen ein wenig kalt. Das bedeutet nicht, dass Gefühle nicht in ihrem Vokabular vorkämen. Sie versucht selbige sehr wohl darzustellen, nur leider entwickeln diese nicht die Wärme und das Eigenleben, das zu spüren man sich beim Lesen wünscht.

Ab und an pflegt Lui zwar den einen oder anderen tief gehenden Gedanken (|“Ich selbst will ja auch nur vom Äußeren her beurteilt werden. Ich stellte mir oft vor, wenn es auf der ganzen Erde keinen einzigen Ort ohne Sonnenschein geben würde, dann müßte ich eben selbst eine Technik erfinden, mich in ein Schattenwesen zu verwandeln.“| Seite 50), aber das reicht nicht, um das Buch von seiner leichten Oberflächlichkeit zu kurieren.

Wieso gefällt das Buch dann trotzdem ganz gut? Ist es vielleicht so wie bei mathematischen Gleichungen? Ein Minus an Handlung und ein Minus an Schreibstil ergeben ein Plus im Gesamtbild?
Klingt komisch, ist aber so. Ich würde wieder zu einem Kanehara greifen.

http://www.list-verlag.de

Sergej Lukianenko – Wächter der Nacht

Sergej Lukianenkos Buchreihe um das Hin und Her der Mächte des Lichts und des Dunkels in den Straßen von Moskau hat auch außerhalb Russlands ihre Fangemeinde gefunden. Zwar dürfte der Erfolg in Deutschland etwas geringer ausfallen als in Lukianenkos Heimat, wo die Reihe in etwa so populär sein soll wie der „Herr der Ringe“ (mit dem das Werk unverständlicher Weise immer wieder verglichen wird), dennoch ist die Geschichte um die „Wächter der Nacht“ durchaus reizvolle Fantasykost.

Grund genug für das Hörbuchportal |Audible|, sich der Sache anzunehmen und mit einer selbstproduzierten Hörbuchreihe Lukianenkos Werk auch für die Freunde des vorgelesenen Wortes zu erschließen. Dass |Audible| ein gutes Händchen in der Hörbuchproduktion hat, zeigt die Qualität der zuletzt veröffentlichen Produktionen deutlich genug. So ist z. B. „Die Anstalt“ von John Katzenbach nicht zuletzt dank der überragenden Leistungen der beiden Sprecher Thomas Danneberg (Synchronstimme u. a. von Arnold Schwarzenegger, John Travolta und Nick Nolte) und Simon Jäger (Synchronstimme u. a. von Josh Hartnett und Heath Ledger) ein echter Hörgenuss.

Somit darf man zu Recht auch an die Produktion von „Wächter der Nacht“ hohe Erwartungen knüpfen. |Audible| hat sich die Veröffentlichung der gesamten bisherigen Bände der Reihe zum Ziel gesetzt. Von August 2006 bis April 2007 erscheint jeden Monat ein Teil der Reihe, der von |Audible|-Abonnenten runtergeladen werden kann. Wer nicht |Audible|-Kunde ist, hat übrigens schlechte Karten – wie die übrigen |Audible|-Produktionen auch, erscheint auch „Wächter der Nacht“ exklusiv bei |Audible|. Anderswo im Handel wird man vergeblich danach suchen.

Jedes Buch wird in seine drei Einzelbücher gesplittet, von denen jeden Monat eines veröffentlicht wird. Damit wird die Geschichte natürlich unschön auseinandergerissen, was gerade in Anbetracht der Tatsache, dass Lukianenko sich gerne eines Cliffhangers bedient, um die Spannung zu steigern, schon mal Unmut und Ungeduld hervorrufen kann. Am Ende einer Geschichte vier Wochen auf die Fortsetzung warten zu müssen, während einem tausend Fragen im Kopf herumspuken, ist halt weniger schön und hat etwas von einem literarischen |Coitus interruptus|.

Die ersten drei Teile der Hörbuchreihe werden jeweils aus der Sicht von Anton, einem Mitarbeiter der Nachtwache, erzählt. Lukianenko zeigt dem Leser/Hörer die Welt, in der Anton lebt. Anton lebt in Moskau, sieht die Welt aber anders als der Normalsterbliche, denn Anton ist ein so genannter Anderer. Die Anderen gibt es schon seit ewigen Zeiten. Sie sind Magier, Vampire oder Gestaltwandler. Sie leben unerkannt unter den Menschen und können in eine Art Zwischenwelt, das Zwielicht, abtauchen. Ganz grob unterteilt man die Anderen in die Lichten und die Dunklen. Beide Gruppen überwachen sich gegenseitig, denn ihr Ziel besteht nicht darin, die Übermacht zu gewinnen, sondern den Status Quo zu wahren. Für dieses Ziel arbeiten Anton und die anderen Lichten der Nachtwache genauso wie seine dunklen Kollegen der Tagwache.

_Wächter 1: Das eigene Schicksal_

Anton hat bei der Nachtwache immer im Innendienst gearbeitet, bis er eines Tages in den Außendienst versetzt wird. Ohne es zu ahnen, gerät Anton gleich bei seinem ersten Einsatz zwischen die Fronten. Zum einen versucht er ,den zwölfjährigen Jegor aus den Klauen einer Vampirin zu befreien, zum anderen beobachtete er auf seiner nächtlichen Streife eine Frau, über deren Kopf ein schwarzer Wirbel schwebt. Ein schwarzer Wirbel zeigt einen Fluch an, aber wie groß und mächtig der Fluch ist, der auf der jungen Frau lastet, wird Anton und seinen Kollegen von der Nachtwache erst klar, als der Wirbel so große Ausmaße annimmt, dass er für ganz Moskau eine Bedrohung darstellt …

_Wächter 2: Der eigene Kreis_

Eine Reihe von Morden sorgt in den Reihen der Anderen für Aufregung. Als Täter kommt nur ein Anderer in Frage, vermutlich ein Lichter. Der Chef der Nachtwache betraut Anton mit den Ermittlungen, der schon bald feststellen muss, dass er selbst der Einzige ist, der kein Alibi hat. Das bleibt auch den Kollegen von der Tagwache nicht verborgen, und so ist Anton schon bald auf der Flucht durch die Straßen von Moskau und auf der Suche nach dem wahren Täter …

_Wächter 3: Im eigenen Saft_

Für die Nachtwache ist Urlaub angesagt. Zusammen mit seinen Kollegen fährt Anton hinaus zur Datscha von Kollegin Tigerjunges, die ruhig und beschaulich auf dem Land lebt. Hier findet Anton endlich Zeit, sich über sich selbst und seine Rolle in der Welt der Anderen Gedanken zu machen. Als sich jedoch unerwartete Geschehnisse andeuten, kehrt Anton nach Moskau zurück, wo sich schon bald die Ereignisse überschlagen, in denen ein Schicksalsbuch und ein Stück Kreide eine zentrale Rolle spielen …

Lukianenko baut „Wächter der Nacht“ als drei einzelne Geschichten auf. Sie bauen jeweils aufeinander auf, sind aber dennoch in gewissen Teilen in sich abgeschlossen. Darüber hinaus gibt es aber noch ein großes Ganzes, das Lukianenko dem Leser/Hörer erst im Laufe der Zeit Stück für Stück offenbart. Doch der Weg zur finalen Erkenntnis ist gespickt mit falschen Fährten, und so gehen die Vermutungen auch schon mal in die falsche Richtung. Lukianenko baut den Plot eben spannend und mit einigen Wendungen auf.

Dazu gehört auch, dass die Figuren sich nicht ganz plump in Gut und Böse einteilen lassen. Die Übergänge zwischen beiden Gruppen sind fließend. Die Lichten sind längst nicht die uneingeschränkt Guten, für die man sie anfangs halten mag, und so ist man als Leser/Hörer immer wieder gezwungen, seine Sympathien zu überprüfen und den Figuren gegenüber kritisch zu bleiben. Lukianenko betreibt eben keine zweidimensionale Schwarzweiß-Malerei, und so gesehen ist der Leser/Hörer mehr gefordert, sich seinen Teil zu denken.

Lukianenkos Welt der Anderen kommt atmosphärisch und düster daher, was zum Teil auch dadurch bedingt ist, dass ein Großteil der Handlung nachts spielt. Doch auch die Trostlosigkeit, die das Leben vieler Menschen in einer Stadt wie Moskau prägt, trägt zur Gesamtstimmung bei.

Zum Teil macht den Reiz der Geschichte sicherlich auch ihr naher Bezug zur Realität aus. Während viele Fantasygeschichten in komplett abgeschlossenen Welten spielen, die mit unserem Alltag kaum etwas verbindet, gibt es bei Lukianenko eine sehr große Schnittmenge zwischen Fantasy und realer Welt. Am ehesten lässt sich das vielleicht noch mit Werken von Autoren wie Neil Gaiman oder Christoph Marzi vergleichen, die auf ähnliche Art unsere Welt mit einer Phantasiewelt kreuzen.

Die Hörbuchproduktion ist im Großen und Ganzen durchaus gelungen. Die Lesung ist ungekürzt, was für sich genommen schon mal sehr positiv ist. Jeder Teil dauert etwa fünf bis sechs Stunden. Als Sprecher der Prologe der einzelnen Geschichten wurde Achim Höppner verpflichtet, der unter anderem schon als Synchronsprecher für Ian McKellen, Michael Caine und Clint Eastwood tätig war.

Die eigentliche Geschichte aus der Perspektive des Anton wird von Oliver Brod gesprochen. Brod klingt im ersten Moment etwas holprig und schleppend, wird aber doch recht schnell warm mit seiner Rolle und liefert dann eine überzeugende Vorstellung. Die Rollen der unterschiedlichen Figuren differenziert er recht ordentlich, wenngleich es Sprecher gibt, die gerade die Unterschiede zwischen den einzelnen Figuren besser herausarbeiten können. Dennoch passt Oliver Brods Stimme zur Figur des Anton sehr gut und ist deswegen nicht unbedingt eine schlechte Wahl.

Unterm Strich kann man die Hörbuchproduktion von |Audible| zu Sergej Lukianenkos „Wächter der Nacht“ als durchaus hörenswert bezeichnen. Die Geschichte an sich ist spannend und absolut empfehlenswert und auch die Hörbuchproduktion ist ein kurzweiliges Hörvergnügen. Etwas unschön mag die Aufteilung in drei monatlich erscheinende Einzelbücher sein, die den Hörer nach einem Cliffhanger dann schon mal vier Wochen in der Luft hängen lässt, aber das lässt sich ja umgehen, indem man sich die Einzelteile der Bücher erst dann runterlädt, wenn alle drei erschienen sind. Pech nur für denjenigen, der kein |Audible|-Abonnent ist, denn für den gibt es derzeit keine Möglichkeit, anderweitig in den Genuss des Hörbuches zu kommen. Aber so ist das nun einmal bei Exklusiv-Titeln. Wenn’s jeder hören könnte, wäre es schließlich nicht mehr exklusiv …

Spieldauer: 5 Stunden und 56 Minuten
Sprecher: Oliver Brod, Achim Höppner

Die „Wächter“-Reihe bei Audible: http://www.audible.de/adde/site/Serien-Mikrosite/index.jsp?BV__UseBVCookie=Yes

Hyung, Min-Woo – Priest – Band 14

[Band 1 1704
[Band 2 1705
[Band 3 1707
[Band 4 1709
[Band 5 1720
[Band 6 2515
[Band 7 2516
[Band 8 2575
[Band 9 2618
[Band 10 2701
[Band 11 2854
[Band 12 3002
[Band 13 3004

_Story_

Ivan Isaacs ist endlich in Windtale angekommen und bereit für das Gefecht mit Temozarela. Allerdings lässt dieser sich von seinem Diener Armand vertreten, und dies äußerst erfolgreich. Armand bringt Isaacs zu einer schmerzlichen Niederlage, die er jedoch nicht mit dem Todesstoß besiegelt. Völlig entkräftet wird Ivan an Netraphim weitergereicht, der seine Wunden heilt und dabei auch dessen Rachepläne in Frage stellt. Plötzlich ist sich Belials rechte Hand gar nicht mehr so sicher, ob er seinen Weg weiterverfolgen möchte.

Währenddessen will der Bürgermeister die drohende Gefahr über Windtale nicht wahrhaben. Er erzählt voller Stolz, wie er damals an die Macht gekommen ist und weshalb er niemals dazu bereit wäre, sein Herrschaftsgebiet freiwillig zu räumen. Auch Nera hält tapfer ihre Stellung, obwohl sie scheinbar viel mehr weiß, als sie bislang zugegeben hat. Doch dann kommen die Gesandten des Vatikans, und mit denen kann keiner mehr gedankenlos sein Spiel treiben …

_Meine Meinung_

Willkommen zum großen Showdown … oder auch nicht. Denn der große Kampf zwischen Temozarela und Ivan Isaacs findet nicht wie zunächst erwartet und erhofft statt, sondern wird von einem auf den ersten Blick unspektakulären Gefecht des hasserfüllten Rächers und Armand abgelöst. Und erstaunlicherweise legt Isaacs hierbei all seinen Antrieb ab und muss sich ohne jegliche Möglichkeit zur Gegenwehr seinem neuen Feind beugen. Eigentlich hätte Ivan sogar einen weiteren Tod sterben müssen, wäre ihm nicht das Glück beschert, dass Netraphim ihn vor dem sicheren Ende bewahrt. Doch was nun? Isaacs kommen Zweifel an seiner Mission und er denkt insgeheim darüber nach, die Seiten zu wechseln. Er ist nicht mehr von Belials Worten überzeugt und zeigt vereinzelt Bereitschaft, seiner Knechtschaft zu entfliehen. Doch kann er dies tatsächlich?

Auf der anderen Seite schürt die Niederlage gegen Armand seinen Hass nur noch umso mehr. Und dabei ist es nicht nur die Schmach als solche, sondern vor allem die Art und Weise, wie Armand den schier hilflosen Isaacs niedergestreckt hat, die dessen Rachegelüste ins Unermessliche steigen lassen. Doch nun weiß er, welche Fähigkeiten erforderlich sind, um sich mit Temozarela und seiner rechten Hand zu messen, und nach einer ewig langen, von blutigen Gefechten gezeichneten Reise ist Belials Untertan am Ende seiner Kräfte und muss den vergangenen Ereignissen nach allen souveränen Auseinandersetzungen nunmehr Tribut zollen.

Im zweiten Teil der Handlung bahnt sich auch langsam so etwas wie eine Entscheidung an. Der anfangs erwähnte Showdown wird stattfinden, nur ist auf einmal nicht mehr klar, wer alles daran beteiligt sein wird. Jedoch steuert die Geschichte unverkennbar auf ein kolossales Aufeinandertreffen in der Region von Windtale zu, in der sich bereits im 14. Band das Gros der tragenden Figuren befindet. Die Inquisitoren des Vatikans treten auf, die verwaisten Indianer, dann der Marshall und seine Gesellen, die mysteriöse Nera, der korrupte Bürgermeister und natürlich Ivan selber. Alle verfolgen sie unterschiedliche Ziele, und alle streben sie eiligst nach Erfolg, dies aber bis hierhin noch ohne klares Resultat, was natürlich schön ist, denn so steigt die Spannung auf ein Level, auf welchem man es kaum noch aushalten kann, auf die Fortsetzung bzw. die Auflösung all dessen zu warten.

Episode 14 ist meines Erachtens die am klarsten strukturierte Ausgabe der gesamten Serie. Einige wichtige Puzzlestücke fügen sich zusammen und scheinen sehr bald miteinander zu verwachsen, doch noch immer lässt sich der Autor nicht in die Karten schauen. Im Gegenteil; manche bereits offengelegte Hintergründe dürfen plötzlich wieder in Frage gestellt werden, wobei die Frage nach Isaacs weiterem Handeln diesbezüglich die alles bestimmende ist. Temozarelas Ankunft in Windtale steht unmittelbar bevor, und doch kann man nur schwerlich erahnen, welche Folgen dies für die hier versammelten Beteiligten haben wird. Es wird auf jeden Fall ein actionreiches Finale, so viel steht bereits fest, und mitunter liegt auch die Vermutung nahe, dass ein finsteres, wahrscheinlich auch blutiges Ende das Erscheinen des gefallenen Engels begleiten wird, doch dies ist Zukunftsmusik. Und außerdem möchte ich mich mit solchen Dingen jetzt auch nicht wieder zu weit aus dem Fenster lehnen, denn wie Min-Woo Hyung in dieser Folge einmal mehr bewiesen hat, ist im Bezug auf die Entwicklung von „Priest“ nichts wirklich transparent oder gar durchschaubar.

Harren wir also der Dinge, die da noch kommen werden, und harren wir besonders der Entscheidung des Protagonisten, die sich hoffentlich schon im nächsten Buch ereignen wird. Dann nämlich wird man auch wissen, ob es dem Autor tatsächlich noch ein weiteres Mal gelingen wird, den gesamten Plot auf den Kopf zu stellen und den Leser völlig zu überraschen.

http://www.tokyopop.de

Dickens, Charles – David Copperfield (Europa-Originale 14)

_Besetzung_

David Copperfield – Stefan Schwade
Mrs. Copperfield – Reinhilt Schneider
Clara Pegotty – Karin Lieneweg
Mr. Pegotty – Andreas von der Meden
Emily – Manuela Dahm
Mr. Murdstone – Horst Breiter
Mrs. Murdstone – Heikedine Körting
Betsey Trotwood – Marga Maasberg
Mr. Dick – F. J. Steffens
Mr. Creakle – Peter Kirchberger
Mrs. Crakle – Marianne Kehlau
Mister Tungay – Klaus Klein
Mr. Micawber – Werner Cartano
Rosaly – Wanda Osten

_Story_

Der Halbwaisenjunge David Copperfield wächst wohlbehütet bei seiner Mutter und dem sympathischen Kindermädchen Clara Pegotty auf. Er ist ein glücklicher Junge, besonders in jenem Moment, als er im Urlaub mit Pegotty seine Jugendliebe Emily kennen lernt. Doch eben dieser Urlaub wird ihm später zum Verhängnis. Hinter seinem Rücken haben sich der kaltherzige Mr. Murdstone und seine Mutter das Jawort gegeben, ganz zum Unwillen Davids.

Fortan ändert sich sein Leben komplett: Aus dem liebevollen Umfeld wird ein erbitterter Kampf gegen seinen neuen Vater, den David durch seine Abschiebung ins Internat frühzeitig verliert. Ein halbes Jahr geht er durch diese harte Schule, bis ihm dann die Nachricht des Todes seiner Mutter ereilt. David ist tieftraurig über den Verlust, sieht darin aber auch die Chance, sich von seinem bösen Steifvater zu lösen. Allerdings endet seine Flucht vor dem angeheirateten Elternteil im totalen Elend, und mit einem Mal werden dem jungen Copperfield beinahe alle Hoffnungen entzogen, je wieder frei von Murdstone und dessen hinterhältiger Schwester zu sein.

_Meine Meinung_

Beim Namen „David Copperfield“ kommen einem natürlich erst einmal Gedanken an den weltberühmten Magier, der ja unlängst auch hierzulande wieder auf Tournee war. Allerdings arbeitet der Mann nur unter einem Pseudonym und verwendet für sein Künstlerleben den Namen einer tragischen Romanfigur aus dem Werk von Charles Dickens, der zu Lebzeiten auch die traurige Geschichte dieses hin und her geschubsten Waisenknaben erzählt. Dabei ist „David Copperfield“ im Vergleich zu den meisten anderen Werken des berühmten britischen Schriftstellers keine rein moralische Erzählung, sondern vielmehr der Bericht über einen Jungen, der sich trotz aller Gemeinheiten und Widrigkeiten nie hat unterkriegen lassen.

Copperfield hat es von Beginn an nicht gerade einfach. Er wächst ohne seinen Vater auf und hat als Bezugsperson nur die Haushaltshilfe Pegotty. Seine Mutter ist indes kaum für ihn da und lässt ihn erst recht im Stich, als sie gegen den Willen ihres Jungen mit dem strengen Mr. Murdstone anbandelt und ihn schließlich auch ehelicht. David ist entsetzt und erschrocken zugleich, denn ihm ist bewusst, dass die daraus resultierenden Entwicklungen ihn ausschließlich negativ berühren werden und er vom liebevollen Leben der Vergangenheit mit sofortiger Wirkung Abschied nehmen muss. Bereits wenige Tage nach der Hochzeit erklärt Murdstone ihm, was er von seinem neuen Sohn erwartet und lässt auch keine Zweifel daran kommen, dass er seinen drohenden Worten Taten folgen lässt. Die erste Auseinandersetzung endet für David in einer Ohnmacht, auf die schließlich die unfreiwillige Unterbringung im Internat folgt. Die Schicksalsschläge wollen auch im Folgenden nicht abreißen und bringen den jungen Mann ganz tief auf den Boden und in einen Zustand, von dem er sich kaum noch erholen kann.

Doch gerade jetzt, wo er weder Vertraute noch Fürsprecher an seiner Seite hat, ist er mehr denn je entschlossen, sich gegen alle Ungerechtigkeiten, die ihm in letzter Zeit widerfahren sind, zur Wehr zu setzen und auf eigenen Füßen doch noch glücklich zu werden. Doch seine Vergangenheit holt ihn ein weiteres Mal ein, und nur noch seine entfernte Familie, bestehend aus der barschen Betsey Trotwood, kann ihm in seiner Not noch beistehen.

Charles Dickens’ Drama wurde 1975 auch vom populären Hörspiel-Label |Europa| vertont, und zwar unter der Regie der erfahrenen Heikedine Körting, die nebenbei auch noch eine kleine Sprecherrolle innehatte. Damit war sie jedoch eine der wenigen bekannten Namen, die an dieser rund dreiviertelstündigen Produktion beteiligt waren, was „David Copperfield“ rein äußerlich schon mal zu etwas Besonderem macht. Auch inhaltlich ist die Geschichte in dieser Fassung sehr gut umgesetzt, kommt schnell auf den Punkt und wird deshalb auch nie wirklich langweilig, wenngleich es zwischendurch ein paar kurz andauernde Längen gibt, in denen die Handlung etwas träge voranschreitet. Doch Kritik wäre diesbezüglich nicht angebracht.

Viel kritischer hingegen muss man die einzelnen Sprecher betrachten, ganz besonders Stefan Schwade, dem hier die Titelrolle zukommt. Er spielt die Rolle des jungen, naiven Copperfield bis zu einem gewissen Punkt ganz ordentlich, schafft es aber nicht einmal im Ansatz, die verschiedenen melancholischen Emotionen des ständig erniedrigten Hauptcharakters den Anlässen entsprechend nach außen zu tragen. Sinnbildlich hierfür ist der Moment, als David vom Tod seiner Mutter erfährt; an dieser Stelle erwartet man zwar kein überzogenes Schluchzen, aber zumindest etwas mehr Sensibilität. Stattdessen wird das Geschehnis kurz kommentiert, mit aufgesetzter Traurigkeit diskutiert und danach schon wieder fast vergessen. Aber auch die Szenen, in denen David von seinem brutalen Ziehvater Schläge einstecken muss, sind recht unglaubwürdig dargestellt, zumal es schon mehr Bedarf als ein paar „Aua!“-Schreien, um die Tragweite dieses Ereignisses (immerhin wird der Junge dabei bewusstlos) entsprechend zu transferieren. Es sind zwar immer nur kleine Zeiteinheiten, die einen über die emotionalen Regungen des Hauptakteurs nachdenken lassen, doch in all jenen Augenblicken kommt man immer wieder zu dem Schluss, dass Schwade der Rolle als tragische Figur nicht wirklich gewachsen ist bzw. war.

Ansonsten gibt es aber kaum etwas an „David Copperfield“ auszusetzen. Mal davon abgesehen, dass die Erzählform mehr einem Bericht ähnelt und deswegen auch nicht ganz so spannend ist, entwickelt sich dieses legendäre Drama mit wohlgesetzten Schritten vorwärts und kann dank seiner rasch inszenierten Wendungen letztendlich auch über die Gesamtdistanz überzeugen. Für meinen Geschmack hätte das etwas abrupte Ende noch etwas ausgedehnt werden können, denn nach den vielseitig umschriebenen Jugendtagen, die Copperfield zu dem gemacht haben, was er in seinem Aufeinandertreffen mit Betsey Trotwood ist, geht es plötzlich richtig hurtig auf den Schluss zu, und bevor man sich versieht, hat einen die Geschichte schon überrumpelt und ist geendet.

Aber so sei es. „David Copperfield“ hat zwar bezüglich der Inszenierung einige dezente Schwächen, gefällt aber als unterhaltsames Hörspiel dennoch sehr gut. Für Anhänger der vorangegangenen Episoden der „Europa-Originale“, zu denen die neue Aufarbeitung dieses Hörspiels gehört, ist dies genau der richtige Stoff, nur eben mit der Einschränkung, dass die ‚Star‘-Sprecher durch die hier eingesetzten unbekannten Namen kaum ersetzt werden können.

http://www.natuerlichvoneuropa.de

Raupach, E. B. S. / Gruppe, Marc – Blutbaronin, Die (Gruselkabinett 14)

_Story_

Burg Csetje um 1600: Der verwitwete Baron Ferenc Nádasdy trauert noch immer seiner ersten Frau Elisabeth nach, die bereits seit mehreren Jahren in der Gruft liegt. Obwohl er mittlerweile wieder neu verheiratet ist und mit seiner zweiten Gattin Katharina sogar Kinder hat, lebt er sehr unglücklich und fühlt sich einsam in seiner Haut.

Eines Nachts trifft er den Entschluss, Elisabeth am Grab zu besuchen, die Gruft zu öffnen und die Überreste seiner verstorbenen Ehefrau zu beschauen. Dabei stellt er fest, dass bei der Dame keine Spur der Verwesung zu entdecken ist. Dies macht ihn stutzig, und von nun an besucht er das Mausoleum der Toten regelmäßig und jeden Abend.

Ferenc‘ Treiben bleibt nicht unbemerkt, und als er den bizarren Wunsch äußert, wieder mit Elisabeth Bathory vermählt zu sein, nimmt ihn eine weise Frau beim Wort, nennt ihm die Bedingungen und erweckt die Verstorbene tatsächlich zu neuem Leben. Ferenc ist überglücklich und sofort bereit, der Auferstandenen jeden Wunsch zu erfüllen. Allerdings ist ihm nicht bewusst, dass Elisabeths zweites Leben von einem ständig zu befriedigenden Blutdurst genährt wird, und erst viel zu spät erkennt Ferenc die Folgen seiner schändlichen Tat.

_Meine Meinung_

Erneut haben sich |Titania Medien| für ihr „Gruselkabinett“ einen schaurigen Klassiker der Weltliteratur ausgesucht, der sich aufgrund seiner vampiristischen Hauptdarstellerin besonders in Düsterromantik-Kreisen immer noch einer sehr großen Beliebtheit erfreut. Die Blutbaronin Elisabeth Bathory diente unter anderem als Namensgeberin einer bekannten nordischen Musikformation, wurde aber auch schon von zalreichen Bands (unter anderem CRADLE OF FILTH) mit stimmungsvollen Songbeiträgen geehrt, in denen die herrschsüchtige Natur der blutrünstigen Baronin umfassend besungen wurde.

Davon abgesehen ist die Geschichte um den zur Depression neigenden Baron Ferenc und seine unglücklich geschiedene Ehe hierzulande nicht in größerem Maße bekannt. Zwar stammte der Autor des Stückes aus Deutschland, jedoch wurde dieser eher durch seine dramatischen Bühnenstücke zu Beginn des 19. Jahrhunderts bekannt. Der „Blutbaronin“ (Originaltitel: „Lasst die Todten ruhen“) hingegen wurde lediglich von einem erlesenen Publikum die Rolle des Klassikers zugeschrieben, dies jedoch wiederum völlig zu Recht, denn rein qualitativ unterscheidet sich das Werk wohl kaum von den übrigen Dramen, die Raupach zu Lebzeiten verfasst hat.

Rein inhaltlich ist „Die Blutbaronin“ ein typischer Vertreter (dies ist keineswegs im negativen Sinne zu verstehen) dieser Reihe. Es geht ein weiteres Mal um die Auferweckung von Toten – wie zuletzt noch in [„Frankenstein“ 2960 – und die unheilvollen Konsequenzen, die diesem Entschluss folgen sollen. Ferenc ist bisweilen derart besessen vom Gedanken, seine alte Gemahlin wieder zurückzubekommen, dass er hierfür jeden Preis in Kauf zu nehmen bereit ist, was er schließlich auch unbewusst tut. Lady Bathory setzt ihren vor Freude blinden Gatten von Anfang an unter Druck, bestimmt sein Tun und Handeln in jeder Sekunde, nimmt ihn und sein Umfeld völlig aus und lässt ihn zum Schluss noch bitterlicher vereinsamen, als er dies zuvor empfand. Elisabeth lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass sie in der erneuten Position als Baronin die eigentliche Herrscherrolle einnimmt, und versetzt die Dienerschaft ihres Mannes in Angst und Schrecken. Nach und nach verschwinden diejenigen, die Zweifel an ihr äußern, und vor allem die Personen, die behaupten, es handle sich bei der Dame um ein und dieselbe Person wie Ferenc‘ erste Ehefrau, müssen auf blutige Weise, abseits von Ferenc‘ Einfluss, schmerzhaft in Erfahrung bringen, wie hoch der Preis für kritische Worte der Blutbaronin gegenüber ist.

Der Baron indes lässt sich selbst von den vielen Warnungen seiner Bediensteten und Freunde nicht umstimmen, zieht nicht einmal in Erwägung, die jüngsten Geschehnisse auf seinem noblen Sitz zu hinterfragen. Er nimmt es als gegeben hin, dass von Zeit zu Zeit Leute verschwinden, und kann sich kaum vorstellen, dass grausame Gewalttaten oder dergleichen hinter diesen Ereignissen stehen. Erst als es seiner eigenen Familie und speziell seinen Kindern an die Wäsche geht, blickt der gutherzige, jedoch geblendete Baron Nádasdy hinter die wahren Hintergründe, doch zu diesem Zeitpunkt ist das verheerende Schicksal nicht mehr abzuwenden bzw. sind seine Geliebten allesamt dahingerafft.

Die Story wird von den Machern des „Gruselkabinetts“ mal wieder sehr stimmungsvoll inszeniert. Erneut trifft man auf tolle, schaurige Musikbeiträge, viele wohldosierte Klangeffekte und natürlich exzellente Beiträge seitens der Sprecher. Marc Gruppe und sein erfahrenes Team bewähren sich in diesem Fall vor allem darin, dass sie die Tragik der Handlung authentisch transferieren, gleichzeitig aber auch für eine ansteigende Spannungskurve und mehrere Überraschungsmomente sorgen. Zwar hat man das traurige Ende ein wenig zu breitformatig gestaltet und die erschreckende Wirkung damit etwas zu stark ausgereizt, doch ansonsten ist das Hörspiel mal wieder fantastisch aufgebaut, im übertragenen Sinne farbenfroh inszeniert und in dem Maße bewegend, dass nebenbei auch noch das Interesse für weitere Werke des Autors geweckt wird.

Mit einem Satz: „Die Blutbaronin“ vereint einmal mehr sämtliche Stärken dieser Reihe und ist ein würdiger Vertreter der preisgekrönten Produktionen von |Titania Medien|.

Home – Atmosphärische Hörspiele


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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Shocker, Dan – Menschenfressende Schatten (Macabros, Band 27)

In diesem Band sind die Romane „Die menschenfressenden Schatten“ (Band 59) und „Dwahls Hirnpuppen greifen an“ (Band 60) enthalten, die im Jahre 1978 in der Heftserie „Macabros“ zum ersten Mal erschienen sind.

_Die menschenfressenden Schatten_

Björn Hellmark will den Entführer seiner Freundin Carminia zur Rechenschaft ziehen und herausfinden, weshalb Frank Holesh seine Freunde verraten hat. Zu diesem Zweck observiert Björn den ehemaligen Parapsychologen. Dieser will den LKW-Fahrer Henry Fisher töten, weil der Carminia gefunden und damit gerettet hat. Doch bevor Holesh seinen Plan in die Tat umsetzen kann, erscheint Björns Doppelkörper Macabros mit der Dämonenmaske und setzt Frank außer Gefecht. Holesh hat sich aus freien Stücken dem Bösen verschrieben und dadurch Macht und Reichtum erlangt. Doch als Björn die Dämonenmaske erneut einsetzen will, richtet Molochos den Versager und Frank Holesh stirbt.

Anschließend gesellt sich Björn Hellmark zu Oceanus und Mirakel, die in der Tiefsee nach einem Tor in die Welt der Leichenpilze suchen. Als sie einen Zugang finden, befreien sie dadurch einen Schwarm dämonischer Schatten. Diese Schatten sind nichts anderes als ein veränderter Aggregatzustand der Leichenpilze. Diese dienen dem Schattenfürsten, welchem auch die Kugelköpfe untergeben sind (siehe Band 54). Oceanus erinnert sich langsam an alte Überlieferungen, in denen diese Schatten nur gebannt werden können, indem an dem Ort, wo sie sich versammeln, der Name des Schattenfürsten ausgesprochen wird.

Oceanus dringt in die Pilzwelt vor, um Angehörige seines Volkes zu suchen, während Björn in die Welt der Menschen zurückkehrt, um die menschenfressenden Schatten zu bannen. Doch diese haben bereits eine ganze Yacht entvölkert und nähern sich dem Festland …

_Dwahls Hirnpuppen greifen an_

Nach der Vernichtung der Pilzschatten dringt Björn Hellmark erneut in die Welt der Leichenpilze ein. Er findet seinen verschollenen Freund Rani Mahay wieder; schwer verletzt konnte er merkwürdigen fliegenden Kreaturen entkommen. Mit der Hilfe seines Ätherkörpers Macabors bringt Björn seinen indischen Freund auf die Erde zu einem Arzt.

Zurück in der Dimension der Leichenpilze, findet Björn einen toten Artgenossen von Oceanus, doch von dem Herrscher aus der Tiefe selbst gibt es keine Spur. Dafür findet er die restlichen Vermissten, die aus der Nähe des Palais von Richard Patrick verschwunden sind (siehe Band 26). Sie berichten, dass ein fremder Mann ihnen geholfen hat, aus den Pilzen zu entkommen. Diese stellen kaum noch eine Gefahr dar, da durch das Amulett, welches Oceanus wieder in seinen Besitz gebracht hat, der Bann ausgelöscht wird, welcher die Pilze zu dämonischen Kreaturen machte.

Nachdem Björn die Überlebenden in einer Höhle in Sicherheit gebracht hat, findet er den mysteriösen Fremden. Es ist Dwahl, ein Schwarzer Priester, der sich von Molochos gelöst hat und zum Verräter wurde. Der Dämonenfürst kann den Abtrünnigen zwar nicht töten, dafür aber manipuliert er das Gehirn Dwahls. Grauenerregende Kreaturen entstehen: Dwahls Hirnpuppen, die bereits Rani Mahay attackierten und Tod und Verderben bringen. Selbst auf der Erde treten sie in Erscheinung, wie Rani und sein Arzt erleben müssen. Auch Björn wird von den Hirnpuppen angegriffen und muss einsehen, dass gegen diese Kreaturen selbst das Schwert des toten Gottes und seine Dämonenmaske nutzlos sind …

Währenddessen versucht auch Mirakel in die Geschehnisse einzugreifen und läuft direkt in die Falle seines Erzfeindes Mysterion. Das Schicksal des Übermenschen scheint ebenfalls besiegelt zu sein …

Auch in diesem Roman schafft es der Autor, Horror und Fantasy geschickt zu verbinden und eine packende Story zu schreiben, die den Leser sofort in ihren Bann zieht. In diesem Buch wird das Kapitel um Frank Holesh und die magische Beeinflussung von Richard Patrick und seinen Mitarbeitern zum Abschluss gebracht. Besonders interessant ist dabei der Abschnitt, in dem Holesh erzählt, was er in der Dämonenmaske gesehen hat.

Der Vorstoß in die Welt der Leichenpilze und die Befreiung der Schatten bilden die Schlüsselszenen des Romans, der seinen Höhepunkt in dem Überfall der menschenfressenden Schatten auf die Yacht erreicht. Einzig die Szene zu Beginn des Romans, in der die Schatten zum ersten Mal im Garten eines reichen Geschäftsmannes zuschlagen, wirkt etwas langatmig. Ansonsten ein sehr spannender und kurzweiliger Grusel-Fantasy-Roman.

Hochdramatisch läutet Dan Shocker im zweiten Roman das Ende seines Leichenpilz-Abenteuers ein und fügt die einzelnen Fäden gekonnt zusammen. Allerdings begnügt er sich nicht damit, bekannte Handlungsabläufe zu einem logischen Schluss zu führen, auch neue Aspekte bereichern dieses Finale noch um interessante Facetten. Mit bekannten Handlungssträngen sind in erster Linie die Auseinandersetzung zwischen Mirakel und Mysterion gemeint sowie der verschollene Rani Mahay und seine Rettung.

Der bemerkenswerteste neue Aspekt hingegen ist mit Abstand Dwahl. Ein schillernder Charakter, da er als Schwarzer Priester ursprünglich dem Bösen diente und durch Nachdenken und Hinterfragen zum Verräter wurde. Solcherlei Personen bergen gemeinhin eine Menge Potenzial und Zündstoff für eine gute Geschichte. Bei Dwahl kommt hinzu, dass er der achte Schwarze Priester ist, der in den Prophezeiungen aber nie erwähnt wurde. Dort werden nur sieben Schwarze Priester genannt, die den Dämonenfürsten Molochos unterstützen. Dadurch, dass Dwahl eigentlich helfen will und unbeabsichtigt, allein durch die Macht seiner Gedanken, die er zeitweise nicht steuern kann, tödliche Kreaturen am Fließband erschafft, wird er zu einer sehr tragischen Figur.

Die Attacken seiner Hirnpuppen sind eine der tödlichsten Bedrohungen, denen Björn je gegenüberstand, da seine Waffen, auf die er sich sonst immer hundertprozentig verlassen kann, versagen. Auch das Verwirrspiel, was nun hinter den Hirnpuppen steckt und woher sie kommen, gelingt dem Autor hervorragend. Die Story um Mirakel, alias Frank Morell, wirkt dagegen regelrecht banal in ihrer Geradlinigkeit, gewinnt dadurch aber an Tempo und stört den Lesefluss in keiner Weise.

Das Cover besitzt eine sehr düstere Atmosphäre und wirkt dadurch äußerst stimmungsvoll, nur die Dame im Hintergrund wirkt etwas puppenhaft. Die Illustrationen erzeugen dagegen ein eher ambivalentes Gefühl. Ist die Zeichnung zu „Die menschenfressende Schatten“ noch spitzenmäßig, wirkt die zweite Illustration schon erheblich liebloser, zumal das Motiv eine Verbindung zu den Hirnpuppen impliziert, die nicht vorhanden ist, denn dieser Kopf stellt einen Dykten dar, also eines jener Wesen, welche Mirakel ihr Erbe hinterließen und ihm die übermenschlichen Kräfte verliehen.

Alles in allem ein rundum gelungener Macabros-Roman, in dem schlussendlich auch das Schicksal Carminias geklärt wird und lediglich das Schicksal von Oceanus offen bleibt.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Christoph Marzi – Lumen. Die Uralte Metropole 03

Mit „Lumen“ findet Christoph Marzis „Lycidas“-Reihe nun ihren gleichzeitigen Höhe- und Endpunkt. In „Lycidas“ 1081 lernt der Leser das Waisenmädchen Emily und ihre Freundin Aurora kennen, die der Alchemist Wittgenstein unter seine Fittiche nimmt. Zusammen tauchen sie ab in die uralte Metropole unterhalb der Tunnel der Londoner U-Bahn und haben dort so manches Abenteuer zu bestehen.

„Lilih“ setzt die Geschichte fort. Wieder wandelt der Leser zusammen mit den Protagonisten durch die uralte Metropole und darf diesmal obendrein einen Ausflug in das Pariser Pendant machen, denn auch unterhalb der Pariser Métro gibt es eine uralte Metropole, in der so manches unheimliche Abenteuer auf Emily und ihre Freunde wartet.

Handlung

In „Lumen“ führt Marzi die Geschichte nun zu Ende. Seit der Handlung aus „Lilith“ sind zwei weitere Jahre vergangen, seit Beginn der Geschichte in „Lycidas“ sogar sechs. Emily ist kein Kind mehr, sondern schon fast erwachsen. Noch immer lebt sie bei Wittgenstein, nur zu ihrer Freundin Aurora scheint die Distanz größer geworden zu sein. Während Emily mit ihrem Freund Adam Stewart glücklich ist, trauert Aurora dem immer noch verschollenen Neil Trent hinterher.

Doch schon bald ereignet sich wieder Mysteriöses in der Stadt der Schornsteine. Nebel wabern durch die Straßen – sonderbare Nebel, die einen eigenen Willen zu haben scheinen. Sie machen die Menschen, die sie berühren, zu willenlosen Marionetten und bringen Furcht und Tod.

Und so machen Emily und Wittgenstein sich erneut auf in die uralte Metropole, um die Ursache der mysteriösen Nebel zu erkunden. Sie stoßen auf ein Netz aus Lügen und Intrigen, bei dem schwer zu ergründen ist, wer die Fäden zieht. Ziel des unbekannten Drahtziehers scheint es zu sein, den Konflikt zwischen den beiden großen Londoner Familien Manderley und Mushroom erneut anzufachen. London drohen neue Unruhen, die sich wie ein Flächenbrand über ganz London auszubreiten drohen. Doch wer profitiert davon?

Unsere Helden machen sich getrennt auf den Weg, das Geheimnis zu lüften und die Verschwörung auszuhebeln. Aurora macht sich mit Lilith im Limbus auf die Suche nach dem Lichtlord, während Emily mit Wittgenstein Spuren im geheimnisumwitterten Prag verfolgt. Doch die Lage spitzt sich zu und es ist ungewiss, ob Emily und ihre Freunde das bevorstehende Unheil verhindern können …

Mein Eindruck

In „Lumen“ setzt Christoph Marzi konsequent fort, was er in den ersten beiden Bänden der Geschichte angefangen hat. Raffiniert verwebt er Mythen, Sagen und Phantasie zu einer spannenden Geschichte. Man steckt als Leser schnell wieder drin in der Welt von Emily und ihren Weggefährten. Marzis Welt ist so plastisch, dass man schon auf wenigen Seiten wieder darin versunken ist.

Die einzige Schwierigkeit besteht darin, das Vergangene zu rekapitulieren. Marzis Geschichte weist eine enorme Komplexität auf und in den ersten beiden Büchern ist so viel passiert, dass man die vielen Details einfach viel zu schnell vergisst. Zwar skizziert der Autor auch in „Lumen“ wieder wichtige vergangene Ereignisse nach, wer jedoch die Lektüre der ersten beiden Bücher noch ganz frisch im Gedächtnis hat, dürfte klar im Vorteil sein.

Jedes Buch setzt einen ganz eigenen Schwerpunkt bei den Mythen, die es in die Handlung einbindet. Es macht schon den Reiz der Geschichte aus, Marzis literarische Vorbilder aufzustöbern. In „Lycidas“ sind Miltons „Das verlorene Paradies“, Neil Gaimans „Niemalsland“ und die Geschichten von Charles Dickens die offensichtlichsten Inspirationsquellen. In „Lilith“ verlegt Marzi den Schauplatz nach Paris und so tauchen dort auch andere Bezüge auf. In erster Linie zu der Gothic-Novel „Vathek“ von William Beckford.

Und so ist eigentlich auch schon mit Erwähnung des neuen Schauplatzes Prag klar, welche literarischen Vorbilder man hier trifft. Ein sehr deutlicher Bezug besteht schon aufgrund des Handlungsortes zu Gustav Meyrinks [„Der Golem“ 1205 und auch gewisse kafkaeske Züge weist der Plot hier auf. An einer Stelle begegnet Wittgenstein gar Gregor Samsa, der allen Lesern von Kafkas „Verwandlung“ noch im Gedächtnis sein dürfte.

Doch Marzi aufgrund solcher Parallelen vorzuwerfen, er würde sich einfach nur munter kreuz und quer durch die Literaturgeschichte klauen, täte ihm Unrecht. Er verheimlicht seine Vorbilder nicht, dafür sind sie viel zu offensichtlich und es macht Spaß, beim Auftauchen einer neuen Figur erst einmal zu recherchieren, woran der Name angelehnt ist.

Auch über das Einbinden anderer Werke hinaus beweist Marzi Phantasie. Sein Plot ist unglaublich lebhaft und geradezu gespickt mit den sonderbasten Figuren und Einfällen. Besonders gelungen ist ihm diesmal die Beschreibung der mysteriösen Nebel, und auch die kuriosen, vergessenen Erfindungen, deren Wege Wittgenstein und Emily im Untergrund kreuzen, sind herrlich zu lesen. Besonders weiß hier die pneumatische Untergrundbahn zu gefallen, die völlig zu Recht nie serienreif wurde.

„Lumen“ ist mehr oder weniger als ein großes Finale angelegt. Es tauchen viele längst vergessene Figuren wieder auf. Der Tod ist bei Marzi ein äußerst dehnbarer Begriff, und so gibt es so manches unverhofftes Wiedersehen. Nicht umsonst legt er seinen Protagonisten immer wieder den Satz |“Nichts stirbt jemals für immer“| in den Mund. Bei Marzi ist so gesehen fast alles möglich. Doch das bedeutet nicht, dass der Plot deswegen weniger spannend wäre. Die Art, wie Marzi Figuren wieder aufleben lässt, wirkt keinesfalls plump, sondern ist aus der Handlung heraus jeweils gut nachvollziehbar und somit nicht beliebig.

Spannung erzeugt auch stets die Ambivalenz der Figuren. Schon in den vorangegangenen Büchern hat Marzi seine Figuren nicht eindimensional oder schwarzweiß skizziert. Gut und Böse sind jeweils sehr relative Begriffe. Die beiden Lager lassen sich nicht strikt voneinander abgrenzen, und so weiß der Leser genauso wenig wie die Protagonisten, wem man vertrauen kann und wem nicht. Das erhöht die Spannung enorm, zumal es für Emily und ihre Weggefährten in diesem Band nun endgültig auf einen Kampf auf Messers Schneide hinausläuft. Nie zuvor schien das Schicksal der Welt an einem so dünnen Faden zu hängen wie diesmal.

Auf Ebene der Protagonisten gibt es ein paar Veränderungen. „Lilith“ endet auch damit, dass eine liebgewonnene Figur aus der Handlung ausscheidet, die eine große Lücke hinterlässt. An dessen Stelle tritt der Alchemist Tristan Marlowe, der sich in Sachen Charme zwar nicht mit seinem Vorgänger messen kann und der damit auf der Sympathienskala recht weit unten rangiert, der aber durch seine Undurchsichtigkeit seinen Reiz hat.

Die Figurenentwicklung hat in den Vorgängerwerken wenig Raum. Zu sehr muss Marzi sich auf die Handlung konzentrieren, als dass er dafür wirklich genügend Zeit gehabt hätte. In „Lumen“ holt er diesbezüglich einiges nach. Wittgenstein öffnet sich Emily, und so erfahren wir einiges über seine Vergangenheit. Er wird dadurch menschlicher und greifbarer, wenngleich eine gewisse kühle Distanz dennoch bestehen bleibt. Auch für Emily und Aurora gibt es etwas Zeit für persönliche Dinge. Die beiden Mädchen würzen die Handlung mit einer Prise Romantik, was dem Plot durchaus gut tut.

Was immer noch stört (wenngleich nicht mehr so sehr wie zu Beginn der Reihe), ist die immer noch sonderbare Erzählperspektive. Wittgenstein tritt als Ich-Erzähler auf, dennoch wird der Plot in unterschiedliche Erzählebenen gesplittet und es gibt schon dadurch einen übergeordneten, allwissenden Erzähler, der im Konflikt zum Ich-Erzähler steht. Das wirkt in meinen Augen etwas unausgereift und so, als wäre bei der Wahl der Erzählperspektive irgendetwas falsch gelaufen. Doch nach zwei Büchern stört das im dritten Buch nun nicht mehr ganz so massiv wie noch zu Anfang.

Unterm Strich

Alles in allem ist „Lumen“ ein durchaus gelungenes Finale, das zwar einerseits bis zum Rand vollgestopft mit Handlung ist (schon fast ein bisschen viel des Guten), andererseits aber endlich auch mal den Figuren etwas mehr Raum gibt. „Lumen“ ist wie zuvor schon „Lycidas“ und „Lilith“ ein ausgesprochener Lesegenuss. Der Plot ist spannend und unglaublich phantasievoll erzählt. Marzis Stil ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber gleichsam gewitzt wie farbenprächtig, und so hält man mit „Lumen“ ist stimmiges Finale einer gelungene Fantasyroman-Serie in Händen – komplex, spannend und voller ambivalenter Figuren.

Taschenbuch: 800 Seiten
ISBN-13: 978-3453810815

http://www.christophmarzi.de/
http://www.randomhouse.de/heyne

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Stephen King – Brennen muss Salem

In einer neuenglischen Kleinstadt nistet sich ein uralter Vampir ein. Nur eine kleine Gruppe verängstigter Menschen bietet ihm Paroli, doch das Monster ist stark und schlau … – Stephen Kings moderner Vampir-Klassiker erscheint hier ungekürzt und ergänzt um zwei Erzählungen. Im Mittelpunkt steht weiterhin der Roman, der ungeachtet seines Alters eine höllisch spannende Geschichte erzählt und eindrucksvoll belegt, wieso King sich seit Jahrzehnten in den Bestsellerlisten hält.
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Glineur, Jean-Louis – Todesangst in der Nordeifel

Die junge Mutter Marianne Belder wird in einem Wald nahe Dedenborn in der Nordeifel von einem Osteuropäer überfallen und vergewaltigt. Sie soll nicht das einzige Opfer bleiben. Kurze Zeit später wird eine Jugendliche vergewaltigt und ermordet.

Mariannes Ehemann Wolfgang arbeitet die Polizei zu langsam, ihre Ehe hat unter der Vergewaltigung gelitten und er beauftragt die Privatdetektive Alwin Schreer und Anne-Catherine Vartan mit Ermittlungen. Bei Schreer kann er sich des nötigen Engagements sicher sein, denn Marianne war seine Jugendliebe.

Die Vergewaltigungsserie reißt nicht ab und wird zum politischen Problem. Die Besucherzahlen des Nationalparks Eifel könnten leiden und die wirtschaftlich schwache Region schädigen. Für Schreer und Vartan ist es jedoch schon lange kein Auftrag mehr, sondern etwas Persönliches.

Wolfgang Bender wird bei dem Versuch, den Mörder zu stellen, von ihm getötet. Eine junge Türkin aus Schreers Bekanntenkreis wurde ebenfalls vergewaltigt und hat bisher aus Scham geschwiegen. Als wäre das nicht genug, wird eine Informantin Alwins, deren Aussage aufgrund eines Fehlers seinerseits in die Lokalpresse gelangte, von mehreren Personen entführt und brutal misshandelt. Auch auf Schreer und seine Partnerin wird ein Anschlag verübt – eine ganze Bande wehrt sich vehement gegen die Nachforschungen, die immer mehr in die Richtung einer Verwicklung deutscher Geschäftsleute zielen. Die Vergewaltigungen stellen nur die Spitze eines Eisbergs dar …

_Der Autor_

Der 42-jährige Deutsch-Belgier Jean-Louis Glineur wurde im belgischen Verviers geboren, wohnt in Dedenborn in der Eifel, ist gelernter Industriekaufmann und freier Mitarbeiter der Kölnischen Rundschau.

Der Lokalkolorit des Hörbuchs und seine Erfahrungen mit Presse und Polizeiarbeit sind somit aus erster Hand. Vorlieben des Autors wie Formel-1-Rennen und schnelle Autos zeichnen auch seinen Hauptcharakter Alwin Schreer aus, der dadurch besonders authentisch wirkt. „Todesangst in der Nordeifel“ ist sein Debütroman.

_Der Sprecher_

Julian Mehne ist Ensemblemitglied des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin. Er wurde 1998 in Nordrhein-Westfalen als Nachwuchsdarsteller des Jahres ausgezeichnet und erhielt 2001 den Bad-Hersfeld-Preis. Als Hörbuchsprecher scheint jedoch auch bei ihm ein Debüt vorzuliegen.

Mehne stellt für das Hörbuch einen echten Glücksgriff dar, er hat eine angenehme und deutliche Stimme und kann zwischen verschiedenen Dialekten und Akzenten wechseln, ohne in übertriebene Betonungen zu verfallen.

_Ein einfühlsamer Privatermittler_

Alwin Schreer ist ein Detektiv, dessen Stärke in seinem Einfühlungsvermögen und seiner Menschlichkeit besteht. Er versteht es nicht nur, sowohl mit dem aufgebrachten Ehemann und der verstörten Marianne als auch mit seinem alten Freund Kommissar Welsch umzugehen, als toleranter Typ hat er auch keine Probleme im Umgang mit Homosexuellen, Prostituierten und Ausländern. Rücksichtslos sensationslüsternen Reportern gegenüber kann er jedoch auch eine härtere Gangart einschlagen, was sonst eher seiner schönen und schlagkräftigen Partnerin Anne-Catherine Vartan vorbehalten bleibt.

Bei aller Einfühlsamkeit mangelt es Schreer doch oft an Professionalität, er ist oft nachlässig und unvorsichtig, durch einen Fehler seinerseits wird die Zeugin Jana Kohlstock erst gefährdet. Er ist aber auch ein findiger Ermittler, durch seine Methoden und Intuition wird die Polizei erst auf übersehene Indizien und Zusammenhänge aufmerksam.

Der sympathische Detektiv ist der am besten ausgearbeitete Charakter des Hörbuchs; auffallend ist, wie wenig er äußerlich beschrieben wird, während andere Charaktere meist mit bildhaften Vergleichen charakterisiert werden. So wird Mariannes Ehemann Wolfgang als „Conan der Barbar“ vorgestellt, er verhält sich auch entsprechend impulsiv und ist versessen auf Rache und Vergeltung. Leider werden auch andere Charaktere wie der Journalist Pierre derart beschrieben, er sieht aus wie „George Clooney“, womit dann alles gesagt ist. So bleiben viele Charaktere leider blasse und unterentwickelte Abziehbilder ihrer Vorlagen.

Ein Hauch Romantik und Sexappeal liegen im Verhältnis Schreers zu Frauen, der immer noch für seine einstige Jugendliebe Marianne schwärmt und auch gerne mal bei seiner begehrenswerten Partnerin Anne landen würde, die leider erst spät zum Zuge kommt.

Besonders gelungen ist die Behandlung brisanter Themen wie der oft schuldzuweisenden Haltung der Gesellschaft gegenüber Vergewaltigungsopfern, Vorurteilen gegenüber Ausländern sowie der komplexen Beziehung zwischen den Medien und der Polizei. Wie die Region Eifel selbst leidet auch die Polizei unter Sparzwängen; Personalmangel und –einsparungen zwingen Kommissar Welsch widerwillig zum Pakt mit dem Teufel, das heißt einer Zusammenarbeit mit der Presse und Schreer. Dabei zeigt Glineur deutlich, wo man eine Grenzlinie zwischen verantwortungsvollem und für alle Seiten nützlichen Journalismus und rücksichtsloser und gefährlicher Berichterstattung in Revolverblättern ziehen muss.

Interessante Wendungen gewinnt der Roman durch die Behandlung eben dieser Themen; so baut Glineur bewusst auf Klischees und Vorurteile, um diese zu widerlegen oder falsche Spuren zu legen. Das einzige Klischee, das er ungeschoren davonkommen lässt, ist das des bei jeder Gelegenheit rauchenden Detektivs – Schreers gesammeltes soziales Umfeld greift interessanterweise ebenso zwanghaft und beständig zum Glimmstengel.

Die Handlung selbst schreitet rasant voran, es fliegen des Öfteren die Fäuste, und passend zu diesem Tempo sind Schreer und Vartan oft mit dem Auto unterwegs – mit überhöhter Geschwindigkeit selbstverständlich. Der Plot ist sehr gut und überzeugend ausgearbeitet, die angesprochenen Klischees und Aspekte fügen sich harmonisch in die Handlung ein und geben genügend Anreize zum Spekulieren und Kombinieren, hervorragend gelungen ist die Verbindung mit der geographischen und politischen Lage (Grenznähe) der Eifel, die Vor-Ort-Kenntnisse des Autors wirken sich hier sehr bereichernd aus.

_Fazit:_

Liebenswerter und einfühlsamer Humor zeichnet die kurzweilige, rasante Geschichte und ihren Hauptcharakter Alwin Schreer aus. Julian Mehne scheint wie geschaffen für diese Sprecherrolle, denn er beherrscht die leisen Töne und schafft das Kunststück, polnische Akzente und Eifeler Dialekt semi-authentisch und dennoch gut verständlich zu sprechen. Auf Geräusche oder Musikuntermalung wurde dabei verzichtet, was jedoch angesichts des hohen Erzähltempos und der spannenden Geschichte gar nicht stört. Es fällt jedoch eine gewisse Hetze auf; die 225 Minuten des Hörbuchs sind auf drei CDs verteilt, was bei den üblichen 74 Minuten einer CD sehr knapp wird. Hier wollte der Verlag sich die vierte CD offensichtlich sparen; so gibt es kaum eine Sekunde Pause zwischen den Kapiteln und auf den üblichen Abspann am Ende eines Hörbuchs hat man ebenfalls verzichtet, nicht einmal ein kurzes „Ende“ oder „Sie hörten …“ folgt.

Neben den etwas dürftig bildlich beschriebenen Nebencharakteren störte mich nur die vielen Actioneinlagen stets vorangehende unglaubliche Dummheit der jeweils verwickelten Personen. Diese wirkt aufgesetzt und unglaubwürdig, was jedoch glücklicherweise vom hohen Tempo und den vielen Wendungen der mit Themen dicht gepackten Geschichte kaschiert wird. Für 9,80 EUR erhält man einen hervorragenden Krimi, der mich auf einsamen Autobahnfahrten gut unterhalten hat. Die unkompliziert, temporeich und spannend erzählte Geschichte und die kaum übersehbare Liebe des Autors für Autos prädestinieren „Todesangst in der Nordeifel“ geradezu dafür.

http://www.hoerbuchnetz.de/

Isau, Ralf – Wasser von Silmao, Das (Die Chroniken von Mirad 3)

Band 1: „Das gespiegelte Herz“
Band 2: „Der König im König“
Band 3: „Das Wasser von Silmao“

Zwar ist es den Sirilim-Zwillingen in „Der König im König“ gelungen, Múrias früheren Verlobten Jazzar-fajim aus der Gefangenschaft des Gottes Magos zu befreien und den Gott selbst aus Mirad zu vertreiben, doch die Gemeinschaft des Lichts hat einen hohen Preis dafür bezahlt! Im Kampf gegen die Waggs hat sie Falgon verloren. Und Ergil seinen Bruder Twikus.

Dabei scheint es nicht einmal ein wirklicher Sieg zu sein: Kaguan hat sich mit dem erneut zerbrochenen Schwert Schmerz davongemacht, und die ungewöhnliche Kälte, die Soodland im Griff hält, ist ungebrochen. Das Land steht vor einer erneuten Missernte und damit vor einer Hungersnot, und die Könige von Pandorien und Ostrich, Entrin und Godebar, wetzen bereits die Klingen, um sich das geschwächte Soodland einzuverleiben und einen neuen Mann auf den Thron des Großkönigs zu setzen, vorzugsweise jeweils sich selbst!

Trotz dieser bedrohlichen Situation entschließt sich Ergil, den Spuren des großen Entdeckers Harkon Hakennase zu folgen. Denn er hat herausgefunden, dass seine Mutter von Wikander nicht erstochen, sondern vergiftet wurde, sich aber in eine Nebenfalte der Welt retten konnte und dort auf ein Gegengift wartet. Sollte sie sterben, wird die große Kälte, die Soodland heimsucht, ganz Mirad überziehen und alle Menschen und Sirilim vernichten. Doch das einzige Gegenmittel gegen das Gift ist das Wasser von Silmao, und die letzte Flasche dieser kostbaren Flüssigkeit hat Popi dazu verwendet, nach dem Kampf mit Magos Ergils Leben zu retten! Dem jungen König bleibt nichts anderes übrig, als erstens einen noch fruchtbaren Ginkgo-Baum und zweitens die unbekannte weitere Zutat des Wundermittels aufzutreiben, und zwar, ehe seine Mutter der Wirkung des Giftes erliegt.

Als wäre die Reise über die Grenzen der bekannten Welt hinaus nicht schon gefährlich genug, trägt Ergil eine ganz besondere Bedrohung in sich: kleine schwarz-rote Raupen, Zornissen genannt, die Kaguan ihm angehängt hat, und die alle dunklen und negativen Gefühle verstärken, um sich davon zu ernähren. Die Befallenen sterben entweder irgendwann oder werden zu Dienern des Bösen, es sei denn, es gelingt ihnen, ihre Schattenseiten völlig zu beherrschen, entweder durch Meditation oder durch vollkommene Liebe …

Im letzten Band der Chroniken von Mirad wurde der Handlungsverlauf im Vergleich zu den Vorgängerbänden richtig aufwändig. Vier verschiedene Handlungsstränge laufen diesmal parallel:

Zunächst natürlich der um Ergil. Zusammen mit Kira, dem Netzling Nisrah, Popi, Tusan, Jazzar-fajim, dem jungen Schmied Tiko und dem ehemaligen Flusspiraten Bombo als Kapitän will er auf der Silberginkgo, einem Sirilimschiff, um den Weltenbruch herumsegeln. Er muss allerdings schon bald feststellen, dass seine Reise ihn noch viel weiter führen wird!

Múria und Herzog Borst von Bolk führen in Ergils Abwesenheit die Regierungsgeschäfte, was letztlich bedeutet, dass sie die Sooderburg nicht nur gegen die vereinigten Heere von Entrin und Godebar verteidigen müssen, sondern auch gegen einen Verräter in den eigenen Reihen!

Denn Kaguan, der im Kerker der Sooderburg sitzt, hat seine Raupen auch noch einem anderen Mann einverleibt, den er jetzt für seine eigenen Zwecke benutzt, um das Schwert Schmerz ein weiteres Mal zusammenzufügen und seinen Herrn, den Gott Magos, nach Mirad zurückzuholen.

Gondo, den Räuberhauptmann, der einst auf Kaguans Geheiß die Gemeinschaft des Lichts im Wald der Zungen überfallen hat, hat es derweil in König Entrins Heer verschlagen, seine Hoffnungen auf Belohnung oder Beute wurden allerdings mit schöner Regelmäßigkeit enttäuscht. Jetzt sitzt er höchst missmutig unter den Belagerern vor der Sooderburg und hat nur ein einziges Ziel: Er will endlich etwas vom großen Kuchen abhaben!

Das zeigt schon, dass es diesmal etwas verwickelter zugeht. Der äufwändigste und ausführlichste Teil der Handlung dreht sich natürlich um Ergil. Hier tauchen auch die meisten neuen Ideen auf. Die harmonie“süchtigen“ Bäume Floraniens wirken zwar nicht ganz so neu, dafür erinnern sie doch ein wenig zu sehr an die Ents, aber vielleicht war das auch Absicht. Es wäre nicht die erste Hommage an Tolkien, der der Leser bei Isau begegnet. Interessanter fand ich die Samenwolke oder die fliegende Rennqualle, vor allem aber das bisher nur auf der Landkarte verzeichnete Land Xk mit seinen Bewohnern. Die extreme Fremdartigkeit dieser Kultur führt zu einigen durchaus sehr schrägen Situationen.

Während Ergil für die Queste und die Lösung eines Rätsels zuständig ist, sorgt der Rest der Handlung dafür, dass die Zeit knapp wird. Nicht nur, weil Ergils Mutter Vania nur noch wenige Tage zu leben hat, ist Eile geboten, sondern auch, weil sowohl Kaguan als auch die Angreifer vor den Mauern der Sooderburg kurz davor sind, den letzten Schlag zu führen!

Dass Vania letztlich gerettet wird, stand im Grunde außer Frage, wie aber genau der Kampf gegen Kaguan und die Belagerer ausgehen würde, war bis zuletzt unklar. So zog die Spannung in der zweiten Hälfte des Buches immer weiter an und blieb bis zum Ende erhalten. Dem tat auch die unblutige Art und Weise, in der die Schlacht um die Burg geschildert wurde, keinen Abbruch.

An Personenentwicklung findet in diesem dritten Band nicht mehr allzu viel statt. Den größten Anteil daran hatten naturgemäß die Zwillinge. Aber Twikus ist tot, und Ergil hat inzwischen eine Menge durchgemacht, ist ziemlich erwachsen und auch viel selbstsicherer geworden. Allein Prinzessin Nishigo gelingt es noch, ihn aus der Fassung zu bringen, doch nur so lange, bis er sich endlich eingestanden hat, dass nicht nur Twikus in die kleine Susanerin verliebt war. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Nishigo und Ergil nimmt einiges mehr an Raum ein als zuvor die zwischen Nishigo und Twikus, bleibt aber trotzdem wohltuend kitschfrei.

Etwas konstruiert empfand ich die Rettung von Harkon Hakennase durch Selbstaustrocknung, um dem Tod durch Erfrieren zu entgehen. Der Eindruck schwächte sich später, als die Gefährten Xk erreichten, etwas ab, da diese Methode dort zur Kultur gehört und dadurch etwas vom Eindruck des Höchstunwahrscheinlichen verliert. Trotzdem: Wäre Hakennase irgendwann von allein wieder aufgetaut, wie wäre er wohl ganz ohne Mannschaft mit seinem Schiff zurück an Land gelangt? Was für ein Glück auch, dass die Gefährten zufällig die einzig richtige Methode erwischten, den Forscher wiederzubeleben! Überhaupt hat der Autor in diesem Zyklus einen ausgeprägten Drang, Leute wiederzubeleben, mit denen eigentlich nicht mehr zu rechnen war: Jazzar-fajim, Hakennase, Vania … Aber gut, für die Gemeinschaft war der kauzige Alte immerhin ein echter Gewinn, nicht nur wegen seiner Kenntnisse der Xkischen Kultur.

Eine offensichtliche Panne findet sich in der Diskussion zwischen Ergil und Múria über Hakennases letzte Expedition. Irgendwie hat da jemand ein paarmal Ost und West durcheinandergeworfen. Ansonsten war das Lektorat angenehm fehlerfrei.

Betrachtet man die Trilogie insgesamt, so bleibt zu sagen, dass der dritte Band zwar an den zweiten nicht ganz heranreichte – dafür verlief manches doch ein wenig zu glatt, wie zum Beispiel die Rettung vom Frauenturm in Ostgard -, dass er aber trotzdem besser war als der erste. Die Chroniken von Mirad kommen vielleicht etwas langsamer in Gang als andere Zyklen, aber es lohnt sich, sich davon nicht abschrecken zu lassen und trotzdem weiterzulesen.

Ralf Isau, gebürtiger Berliner, war nach seinem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung zunächst als Programmierer tätig, ehe er 1988 zu schreiben anfing. Aus seiner Feder stammen außer der Neschan-Trilogie und dem Kreis der Dämmerung unter anderem „Der Herr der Unruhe“, „Der silberne Sinn“, „Das Netz der Schattenspiele“ und „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“. In der Reihe Die Legenden von Phantásien ist von ihm „Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ erschienen. Und das nächste Buch ist auch schon wieder in Arbeit: Das Erscheinen von „Die Farbenlauscher“ ist für September 2007 vorgesehen.

Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
ISBN-13: 978-3-522-17747-4

http://cms.thienemann.de/index.php?section=1
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Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Shan Sa – Himmelstänzerin

Die junge chinesische Autorin Shan Sa, die als Aufsteigender Stern Pekings gefeiert wird, emigrierte nach dem so genannten Tian’anmen-Massaker im Juni 1989 nach Paris, wo sie auch heute noch lebt. Inzwischen veröffentlicht sie ihre Romane in französischer Sprache und wurde für das vorliegende Buch mit dem |Prix Goncourt du premier roman| ausgezeichnet. „Himmelstänzerin“ kann schon auf den ersten Blick durch seine ansprechende Optik begeistern, doch auch der zweite Blick ins Buch hinein überzeugt auf ganzer Linie.

Am 4. Juni 1989 steht Shan Sas Romanheldin, die junge Studentin Ayamei, unschlüssig auf dem Platz des Himmlischen Friedens, den das chinesische Militär stürmt, um gewaltsam die Studenten zu vertreiben, die den Platz seit Wochen besetzen. Ihr alter Schulfreund Xiao schreckt Ayamei auf und überredet sie zur Flucht, denn Ayamei war maßgeblich an den Studentendemonstrationen beteiligt und wird nun gesucht. Als Xiao auf der Flucht stirbt, realisiert Ayamei, in welcher Gefahr sie schwebt. Sie muss alleine weiter und wird des Nachts vom LKW-Fahrer Wang aufgesammelt, der sie mit sich nimmt und vor dem Militär verstecken will.

Doch ahnt Wang noch nicht, in welche Gefahr er seine eigene Familie damit bringt, denn die Suche nach Ayamei hat bereits begonnen. Der pflichtbewusste Soldat Zhao verfolgt die junge Studentin und will sie ihrer gerechten Strafe zuführen. Zhao kommt Ayamei immer näher, er befragt rücksichtslos Ayameis Familie, bis es dort zu einem schrecklichen Zwischenfall kommt. Allerdings bringt auch dies Zhao nicht von seinem Wege ab, sein einziges Ziel ist nach wie vor die Ergreifung Ayameis. Ein Tagebuch der rebellischen Studentin ist es schließlich, das Zhao zum Nachdenken bringt …

Im Mittelpunkt dieses gefühlvollen und ergreifenden Romans stehen zwei Figuren, die unterschiedlicher kaum sein könnten und die dennoch viel voneinander lernen können. Mit poetischen Worten beschreibt Shan Sa die Geschichte Ayameis, die schließlich überleben und den Soldaten entkommen möchte. Shan Sa hat Peking damals nach dem Tian’anmen -Massaker verlassen, doch spürt man auf jeder Seite, wie sehr sie dieses Thema immer noch bewegt. Es scheint, als möchte Shan Sa ihre traurigen Erinnerungen an dieses Ereignis in diesem Buch verarbeiten. Die Grausamkeit der Soldaten wird besonders deutlich, als Zhao und seine Kumpane Ayameis Familie befragen und dabei im wahrsten Sinne des Wortes sogar über Leichen gehen. Die Sympathien der Leser sind klar verteilt, sie liegen eindeutig bei Ayamei, die ständig auf der Flucht vor ihren Verfolgern ist.

Die Geschichte, die Shan Sa zu erzählen hat, könnte kaum dramatischer sein. Es scheint, als habe Ayamei praktisch keine Chance zur Flucht, denn die Personen, die ihr geholfen haben, müssen dies teuer bezahlen. Xiao lässt auf der Flucht sein Leben und Wangs Familie wird so lange bedroht, bis sie Ayameis Aufenthaltsort verraten müssen. Die Aussichtslosigkeit der Situation ist es, die den Leser tief erschüttert. Die stärkste Stelle im Buch ist allerdings der Fund von Ayameis Tagebuch, welches Zhao schließlich liest, um sein Opfer näher kennen zu lernen. Zhao ist bewegt von Ayameis Geschichte und fasziniert von der jungen Frau, die sich in den geschriebenen Worten wiederfindet. Die Erzählung im Tagebuch ist es, die Zhao zum Nach- und auch zum Umdenken bringt. Zum ersten Mal beginnt er, sein Tun zu hinterfragen. Dies ist der Moment, in der Zhao seine ersten Pluspunkte sammeln kann.

Shan Sa schafft es auf unglaublich faszinierende und packende Weise, uns ihre Romanheldin vorzustellen und näher zu bringen, sodass wir ihr alles Glück der Welt wünschen, damit sie ihren Verfolgern entkommen möge. Besonders faszinierend ist die Entwicklung, welche die Protagonisten im Laufe der Erzählung durchmachen. Bei Zhao ist es zunächst eine Neugierde, er möchte wissen, wen er eigentlich jagen und auffinden soll. Als er Ayameis Spuren verfolgt und ihr langsam immer näher kommt, ist es eine Faszination, doch als er schließlich ihr Tagebuch gelesen hat, kann er sich Ayamei kaum noch entziehen. Langsam beginnt Zhao, von Ayamei zu lernen. Aber auch Ayamei muss viel lernen in dieser kurzen Erzählung. Anfangs scheint es fast, als wäre sie in eine Demonstration hinein gestolpert, von der sie noch gar nicht ganz verstanden hat, worum es eigentlich ging. Sie erscheint uns naiv und unbeteiligt, doch wird sie uns dann als eine der Anführerinnen der rebellischen Studenten vorgestellt. Zu Beginn hat sie jedoch keinen Überlebenswillen, alles erscheint ihr gleichgültig, hier scheint sie die Bedrohung kaum registriert zu haben. Doch nach und nach wächst ihr Überlebenswille, am Ende ist nichts stärker als der Wunsch, ihren Verfolgern zu entkommen. So machen beide Hauptfiguren trotz der Kürze der Geschichte eine erstaunliche Veränderung mit.

Sprachlich ist „Himmelstänzerin“ äußerst angenehm zu lesen. Shan Sas Sprache ist poetisch und einfach nur wundervoll, besonders die Tagebucheinträge Ayameis sind sehr persönlich; hier lässt Shan Sa uns sehr nah an ihre Protagonistin heran. In den Einträgen erfahren wir etwas aus Ayameis Vergangenheit, von ihrer ersten großen (und unglücklichen) Liebe, über ihre Gefühle und auch über ihre Flucht vor den Soldaten. Nirgends lernen wir die junge Studentin so gut kennen wie in ihrem Tagebuch.

Insgesamt ist Shan Sa mit „Himmelstänzerin“ ein überzeugender – leider viel zu kurzer – Roman über zwei junge Menschen gelungen, die für das kämpfen und leben, woran sie glauben. Trotz des schmalen Buchumfangs erleben wir besonders bei Zhao eine erstaunliche Weiterentwicklung mit, die sehr zum Lesegenuss beiträgt. „Himmelstänzerin“ erzählt mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist, darin besteht die ganz besondere Faszination dieses schmalen Büchleins, das ich nur weiterempfehlen kann.

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Timothy Leary – Info-Psychologie

Achtung, Science-Faction!

Sie haben richtig gelesen, es handelt sich bei „Info-Psychologie“ um ein Werk der Science-Faction – nicht der Science-Fiction. Worin der Unterschied besteht? Nun, streng genommen gibt es keinen, zumindest meint das Timothy Leary. Beide – Fakt und Fiktion – seien ganz im wittgensteinschen Sinne Konstrukte, die außerhalb ihres eigenen Theoriekorsetts nicht mehr als subjektive Spekulationen sind. Von daher macht es folglich auch keinen Unterschied aus, ob ein Autor von Flügen ins Weltall oder von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Gentechnik berichtet.

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Reginald Hill – Welch langen Weg die Toten gehen

Das geschieht:

Im leer stehenden „Moscow House“, dem alten Stammsitz der Macivers, schießt sich Palinurus, das Oberhaupt der Familie, mit einer Ladung Schrot den Schädel weg. Er will damit ein Signal setzen und seine verhasste Stiefmutter Kay Kafka in Verruf bringen, die er für den Tod seines Vaters und das Ende der einst selbstständigen Maschinenfabrik Maciver verantwortlich macht. Vor zehn Jahren hatte Palinurus senior seinem Leben auf dieselbe Weise ein Ende gesetzt wie jetzt der Sohn, nachdem ihn Kay als Ehefrau betrogen und ein US-Konzern mit ihrer Unterstützung seine Firma übernommen hatte.

Damals war Palinurus junior bei der Kriminalpolizei von Mid-Yorkshire vorstellig geworden. Der unorthodoxe Detective Superintendent Andrew Dalziel hatte seine Aussage damals aufgenommen, sie jedoch nicht für relevant gehalten, sodass zur Verbitterung des Juniors keine weiteren Schritte erfolgt waren. Auch dieses Mal will Dalziel die Sache offensichtlich unter den Teppich kehren. Detective Chief Inspector Peter Pascoe würde freilich gern weitere Ermittlungen anstellen. Die Macivers sind definitiv keine Musterfamilie. Ist womöglich etwas dran an Kay Kafkas üblem Ruf? Palinurus‘ Schwester Cressida und seine Witwe Sue-Lynn hassen die Stief- bzw. Schwiegermutter ebenso inbrünstig wie der Verstorbene. Helen, die deutlich jüngere Schwestern, liebt sie dagegen wie eine echte Mutter. Wie passt das zusammen? Reginald Hill – Welch langen Weg die Toten gehen weiterlesen

DeCandido, Keith R. A. – Teufelskreis (World of WarCraft, Band 1)

_Story_

Nachdem die Brennenden Legionen aus dem östlichen Gebiet von Kalimdor vertrieben worden sind, leben Menschen und Orks vorerst wieder in Eintracht. Allerdings ist die Beziehung der beiden Völkergruppen nach wie vor von Spannungen geprägt, die besonders von jenen Leuten ausgehen, die einen Frieden als lächerlich erachten. Thrall, der Kriegerhäuptling der Grünhäute, sowie Lady Jaina Proudmoore sind redlich bemüht, das Verhältnis untereinander zu verbessern, stoßen dabei aber stets auf Widerspruch aus den jeweils eigenen Reihen. Der Geheimbund des flammenden Schwerts nutzt diese Situation aus, um den Hass zwischen Orks und Menschen erneut zu schüren, indem er aus mehreren Hinterhalten heraus Vertreter beider Gruppen umbringen lässt. Erneut scheint ein großer Krieg zu entbrennen, geschürt von dämonischen Kräften, die das flammende Schwert beherrschen.

Jaina Proudmoore und der Oberst ihrer Armeee, Lorena, stoßen bei einer Teleportation auf die totgeglaubte Magierin Aegwynn, die vor mehr als tausend Jahren die Position der Wächterin von Tirisfal bekleidete. Tatsächlich gelingt es ihnen, die müde Zauberin auf ihre Seite zu ziehen und mit ihr gemeinsam gegen den finsteren Dämon Zmoldor anzugehen. Doch zu diesem Zeitpunkt ahnt die Herrscherin von Theramore noch nicht, dass sich an der friedlichen Feste von Nothwatch die Orks unter der Führung von Burx mit den Menschen unter dem Regiment von Davin Auge in Auge gegenüberstehen …

_Meine Meinung_

Nachdem es bereits einige Romane zum Computer-Rollenspiel „Warcraft“ gegeben hat, wurde die Serie nun um den Ableger „World of Warcraft“ erweitert, nichtsdestotrotz aber um bekannte Schauplätze und Personen herum gesponnen. Chronologisch betrachtet, spielt der erste Roman dieser neuen Reihe allerdings vor dem gleichnamigen PC-Spiel und setzt kurz nach dem Krieg gegen die Brennenden Legionen an, in dem Orks und Menschen zum ersten Mal Seite an Seite kämpften. So viel zur Einordnung.

Inhaltlich greift Autor Keith R. A. DeCandido auf viele bekannte Persönlichkeiten der „Warcraft“-Welt zurück und lässt in ihrer Umgebung etwas entstehen, das potenziell ein sehr gutes Szenario für besagtes Online-Game abgeben würde. Sowohl Menschen als auch Orks sind skeptisch, was den neuen Frieden anbelangt, und ständig kommt es zu kurzen Sticheleien und Gefechten, von denen der gerade erst geschlossene Friede beeinflusst werden könnte. Verschiedene Figuren fühlen sich dazu berufen, ihre Anführer zu kritisieren, weil sie das Volk des jeweils anderen nicht anerkennen wollen und können, es bisweilen sogar abgrundtief hassen. Gerade im Lager der Orks hat man nicht vergessen, wie die Menschen sie in der Zeit der Sklaverei behandelt haben, so dass die Anzahl derer, die trotz Versöhnung Rache für die Vergangenheit schwören, ziemlich groß ist.

Allerdings bedarf es weit mächtigerer Ereignisse, um die Kriegsmaschinerie wieder ins Rollen zu bringen. Erst das Auftauchen eines lange Zeit vergessenen Ordens schürt die Feindseligkeiten wieder zu einem nicht mehr erträglichen Ausmaß und lässt die Kritik an den beiden Führungspersönlichkeiten Thral und Jaina wachsen. Der Kriegerhäuptling der Orks ist sogar selbst von Zweifeln geplagt, weil ihm tagtäglich neue, nennenswerte Argumente aufgetischt werden, warum die Menschen bekämpft werden müssen. Seine Rolle bleibt daher auch bis zum Schluss unklar, wohingegen die harmoniebedürftige Jaina nach einiger Zeit alleine auf weiter Flur zu sein scheint, als die Orks andeuten, dass sie die aktuelle Situation nicht mehr länger dulden können.

Die Unschlüssigkeit der verschiedenen Charaktere ist auch das grundlegende Spannungsmoment dieser Geschichte. Abgesehen von zwei bis drei Protagonisten trifft man in „Teufelskreis“ auf niemanden, dem man so richtig trauen kann, zumal sich oftmals andeutet, dass Verbindungen zu dieser oder jener Seite nachgewiesen sind. Bis in den Thronsaal von Lady Proudmoore ranken sich Intrigen und Verschwörungen, und dies bis zum Ende des Buchs.

Leider war es dies dann aber auch schon mit der Spannung, weil es Keith R. A. DeCandido kaum gelingt, irgendwelche spezifischen Höhepunkte zu entwickeln. Die Phrase ‚die Geschichte schleppt sich‘ wird ja gemeinhin gern verwendet, trifft aber hier ausnahmslos zu. Hier mal eine Streitigkeit, dort eine Diskussion, dann plötzlich das Auftreten einiger dämonischer Mächte, auf einmal wieder neue Intrigen – der Autor verfügt zwar über genügend Elemente, um einen wirklich guten und vor allem spannenden Fantasy-Roman zu schreiben, verlässt sich dabei aber zu sehr auf die Wirkung der bekannten Charaktere und Schauplätze. Natürlich werden „Warcraft“-Dauergäste begeistert sein, ihre Helden wieder anzutreffen, aber wie so oft ist dies noch lange kein Garant für eine gute Story.

Letztendlich wird man sogar durch die ständigen Schwerpunktwechsel komplett in die Irre geführt. Die Frage, was nun wirklich wichtig ist bzw. welche Auswirkungen man nun auch tatsächlich als gravierend ansehen darf, zieht sich durch die ganze Lektüre, wird aber nicht mal ansatzweise konkret beantwortet. Stattdessen hat „Teufelskreis“ die Wirkung von vielen vereinzelten Momentaufnahmen, die aber als Einheit nicht miteinander harmonieren. Und wenn es dann doch mal droht, spannend zu werden, wie etwa im abschließenden Gefecht zwischen Orks und Menschen, nimmt sich DeCandido nicht die Zeit, um die Szenerie effektiv auszuschmücken, sondern ist stattdessen bemüht, alles möglichst schnell über die Bühne zu bekommen.

Nimmt man die verschiedenen Aspekte, aus denen sich die Story zusammensetzt, einmal zusammen und betrachtet sie ganz oberflächlich, darf man eigentlich davon ausgehen, dass diese neue Adaption eines Online-Games vollends überzeugen muss. Blickt man indes tiefer und entdeckt, dass die Verbindungen der Handlungseinheiten ebenso brüchig sind wie der Frieden zwischen Menschen und Orks, wird man schwer enttäuscht sein von diesem Serienauftakt. Wohlgemerkt, ohne dabei die vielen peinlichen Druck- und Rechtschreibfehler zur Sprache zu bringen …

http://www.paninicomics.de

Shocker, Dan – Leichenpilze (Macabros, Band 26)

Der Band beinhaltet die beiden Heftromane „Die Leichenpilze kommen“ (1977) und „Oceanus, Geist der schwarzen Wasser“ (1978).

_Die Leichenpilze kommen_

Der unter dem Bann des Dämonenfürsten Molochos stehende Verleger Richard Patrick geht daran, Björn Hellmark in eine Falle zu locken. Er setzt einen Auftragskiller auf Björn und Carminia an. Letztere hat gerade eine neue Fähigkeit an sich entdeckt: Sie kann sich von Marlos aus an jeden Punkt der Erde versetzen, allein durch die Kraft ihrer Gedanken. Mit Björn will sie sich in New York amüsieren, als die Killer zuschlagen. Carminia wird schwer verletzt und von Macabros im letzten Augenblick in ein Krankenhaus gebracht. Daraufhin begibt sich der Doppelkörper Björns auf die Suche nach den Killern und kann tatsächlich ihre Spur aufnehmen. Von einem der Mörder erfährt er die Identität des Auftraggebers: Richard Patrick.

Als Björn und sein Freund Rani Mahay das Anwesen des Verlegers untersuchen, finden sie es völlig verwüstet vor. Patrick und seinen fünf Mitarbeitern, die ebenfalls unter dem Bann des Dämonenfürsten stehen, ist es gelungen, Helfer aus einer anderen Dimension zu holen, um endlich das Amulett des Herrschers aus der Tiefe an sich zu bringen: die Leichenpilze …

_Oceanus, Geist der schwarzen Wasser_

Al Nafuur hat Björn den Hinweis gegeben, dass er Oceanus am ehesten im Bermuda-Dreieck finden wird. Daraufhin sendet er Macabros in die Tiefe, der in der Tiefssee eine versunkene Tempelanlage findet. Zur selben Zeit ist ein Reporter-Paar in dem berüchtigten Seegebiet unterwegs, um für einen Bericht zu recherchieren. Dabei werden sie von einem riesigen Seeungeheuer attackiert. Nur durch das schnelle und unverhoffte Eingreifen eines fremden Mannes mit übermenschlichen Kräften und Fähigkeiten kommen Mike und Brenda mit dem Leben davon. Der mysteriöse Lebensretter ist niemand anderer als Frank Morell, alias Mirakel, ein Freund von Björn Hellmark. Mirakel besitzt das Erbe der außerirdischen Rasse der Dykten, welches ihm übermenschliche Kräfte verleiht. Mirakel ist einem alten Feind auf der Spur: Mysterion. Der Seelenfänger wurde von der Dämonengöttin verbannt und darf nur zurückkehren, wenn er die Dämonen-Feinde Mirakel und Hellmark beseitigt.

Als Björn sich persönlich in der Nähe des Bermudadreiecks einquartiert, macht er zufällig die Bekanntschaft von Mike und Brenda und fährt bald darauf mit ihnen aufs Meer heraus. Björn will Oceanus, welchen er als das Seeungeheuer ansieht, welches die Reporter überfallen hat, das Amulett zurückgeben. Doch bei einem Tauchgang kommt es zum Missverständnis und Oceanus greift die vermeintlichen Feinde an, um sie zu zerquetschen …

Währenddessen wird die schwer verletzte und entführte Carminia Brado von einem LKW-Fahrer durch Zufall in einer abgelegenen Waldhütte gefunden. Doch es scheint bereits zu spät zu sein, die Überlebenschancen der Brasilianerin sinken gegen den Nullpunkt …

Die Ideen von Dan Shocker kann man am besten mit den Worten bizarr und grotesk umschreiben – und das ist das Schöne daran. Der vorliegende Band beschäftigt sich mit einer neuen Variante des Schreckens: baumhohen Riesenpilzen, die alles Organische, das sie berühren, absorbieren. Eigentlich spielen diese Kreaturen eine eher untergeordnete Rolle, denn den Löwenanteil der Geschichte bestreitet, zumindest im ersten Roman, der Mordanschlag auf Carminia Brado. Björns Gefühle kann man als Leser sehr gut nachvollziehen, insbesondere als der Arzt dem geschockten Mann die unheilvolle Prognose erklärt, dass seine Freundin vermutlich nicht mehr vollkommen wiederhergestellt werden wird. Dass dann auch noch einer seiner besten Freunde die Verantwortung für diese Untat tragen soll, gibt der Handlung noch zusätzlich einen tragischen und dramatischen Touch.

Die neuen Fähigkeiten der Bewohner von Marlos bieten dem Team um Macabros ein ganzes Stück mehr Unabhängigkeit. Bislang waren sie ja immer noch auf Björns Doppelkörper angewiesen, wenn sie die Insel verlassen wollten, doch mittlerweile können sie sich selbst an jeden beliebigen Ort transferieren. Allerdings hat diese Fähigkeit auch einen Haken, denn zum einen ist diese Gabe sehr kräfteraubend und zum anderen können sich die Personen nur von Marlos aus teleportieren und diese Kraft nicht von einem anderen Ort der Erde aus anwenden.

Ein weiterer Pluspunkt des Romans ist der geradlinige Handlungsaufbau, denn der Autor verzichtet hier auf allzu viele Nebenhandlungen und beschränkt sich auf das Wesentliche, was ihm Gelegenheit gibt, einzelne Situationen aus sich heraus wirken zu lassen.

Sehr gut war auch Björns Spaziergang im Central Park, wo er beim |Tavern on the green|, einem beliebten Speise- und Tanzlokal, vorbeikommt und einen roten Lotus Europa sieht, den Wagen von Larry Brent, dem PSA-Agenten, welchen Hellmark erst in Band 25 kennen lernte. Einer der Vorteile, dass Dan Shocker beide Serien geschrieben hat und somit die Figuren beider Welten miteinander agieren lassen kann.

Der zweite Roman des Buches gestaltet sich als recht verworrenes Abenteuer, das durch viele Schauplätze sehr unübersichtlich wirkt, und selbst der Autor scheint so manches Mal den Überblick verloren zu haben, denn einige Passagen entbehren einer gewissen Logik. So ist es völlig unverständlich, weshalb der skrupellose Entführer den LKW-Fahrer Henry Fisher einfach davonlaufen lässt, allein mit der Drohung, ihn zu töten, wenn er das Versteck von Carminia Brado verrät. Weshalb hat er ihn nicht gleich getötet? Und warum hat er die Schwerverletzte in der Zwischenzeit nicht woanders untergebracht?

Das Auftauchen von Mirakel und Mysterion erscheinen auf den ersten Blick auch recht unmotiviert und zufällig, mal davon abgesehen, dass dieser Superman-Verschnitt aus einer Zeichentrick-Serie für Kinder zu entstammen scheint. Sicher, am Schluss hilft er Björn, sich mit Oceanus in Verbindung zu setzen, aber dieses Problem hätte man auch anders lösen können. Die Handlung um Mirakel und Mysterion hätte besser separat behandelt werden sollen, was den vorliegenden Roman, welcher stark überfrachtet wirkt, entscheidend entlastet hätte.

Allerdings hat der Roman auch seine positiven Seiten, die allerdings im allgemeinen Chaos unterzugehen drohen. So ist die Szene, in der ein Leichenpilz durch den Wasserhahn in Björns Gemach eindringt, sehr eindringlich und unheimlich beschrieben worden. Unverwechselbar ist hier der Stil von Dan Shocker, der es geschickt versteht, seinen Lesern eine Gänsehaut über den Rücken zu jagen.

Auch die Geschichte um das Bermudadreieck ist interessant und spannend erzählt worden. Oceanus selbst ist ein faszinierender Charakter, der in den kommenden Romanen noch ausgebaut werden soll. Dabei erinnert der Geist der Schwarzen Wasser irgendwie an des Seemonster aus dem Film „Kampf der Titanen“, nur mit dem Unterschied, dass Oceanus „nur“ zwei Arme besitzt. Apropos: Laut der griechischen Mythologie gehört Oceanus tatsächlich zu den Titanen, von dem sämtliche Quellen, Flüsse und Seen abstammen.

Die Innenillustrationen gehören nicht zu Pat Hachfelds besten Arbeiten, spiegeln aber den Kern der Geschichten ganz gut wider, obwohl gerade die Leichenpilze auf dem vielfarbigen Cover besser rüberkommen. Dort haben sie ein viel dämonischeres, bedrohlicheres Flair.

Fazit: Spannendes Fantasy-Abenteuer, dem in der zweiten Hälfte aber deutlich die Luft ausgeht.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Dübell, Richard – Jahrtausendkaiser, Der

Köln im Jahre 1245 n. Chr.: Der Besuch des Kardinals Giovanni da Uzzano aus Florenz bringt Unruhe auf das Gut Raimunds von Siebeneich. Der Kirchenmann bittet seinen alten Kreuzzuggefährten um Hilfe bei einem etwas heiklen Unternehmen. Raimunds Truchsess (führender Hofangestellter) und Kämmerer Philipp wird mit der Aufgabe betreut, Urkunden für einen Mann zu fälschen, der um seine Anteile an einem Erzvorkommen betrogen wurde, während er im Heiligen Land kämpfte. Als er zurückkehrte, brachte er es angeblich aus Liebe zu seiner Frau nicht über sich, ihre Familie zur Rede zu stellen. Aber nun, nach ihrem Tod, will er das Erbe für seine Tochter zurückgewinnen, allerdings sind seine Ansprüche bereits verjährt.

Philipp – von Anfang an misstrauisch dieser Geschichte des Kardinals gegenüber – macht sich auf den Weg zum Haus des Radolf Vacillarius, immer mit dem Bewusstsein, dass sein Herr die verstorbene Frau, Katharina, einstmals geliebt hatte und nun wünscht, dass der Tochter Dionisia ihr Erbe zurückgegeben wird. Als ehemaliger Novize und Kopist in einem Zisterzienserkloster sollte ihm die Aufgabe nicht allzu viele Schwierigkeiten bereiten. Wenn aber doch etwas schiefgehen sollte, so hatte der Kardinal unmissverständlich klar gemacht, dass mit seiner Hilfe nicht zu rechnen sei, sondern alles auf Phillip und dessen Herrn zurückfiele.

Währenddessen hält das Land eine Diskussion in Atem: Ist der Kaiser oder der Papst der mächtigste Anführer des Volkes? Die Kaiserlichen argumentieren mit der überlieferten Selbstkrönung des Kaisers Karolus Magnus (Karl der Große) und dessen Heiligsprechung, während die Päpstlichen darauf hinweisen, dass nur der Papst einen Kaiser krönen und heiligsprechen kann, da er der von Gott berufene Auserwählte ist. Außerdem sei Karolus Magnus von einem vom Kaiser bestimmten Gegenpapst heiliggesprochen worden und damit diese Heiligsprechung hinfällig. Als auf dem Marktplatz die Rede eines Propheten zur handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien führt, wird deutlich, dass sich die Lage zuspitzt. Die Aggressionsbereitschaft des Volkes wächst und hinterlässt eine desorientierte Hilflosigkeit, die die Tür für Betrug, Überfälle und Mord öffnet. Die einfachen Priester sehen sich über dem Recht des Landesherrn, fällen eigene Gottesurteile. Die Kaiseranhänger verhöhnen die Christlichen, provozieren durch Gotteslästerei und missachten die Gebote der Kirche.

Philipp, der auf seinem Weg zu seiner unangenehmen Aufgabe in Köln den jungen Sänger Minstrel kennen lernt, schenkt diesen Vorgängen wenig Beachtung und auch Minstrels mysteriöses, vom Alkohol entstelltes Gebrabbel vom Untergang der Welt und dem Jahrtausendkaiser, der das Volk in eine neue Ära führen soll, schockt ihn nur kurzfristig. Viel aufgebrachter ist er wegen der Verwüstung seiner Unterkunft durch den Sänger, nachdem er ihm eine Schlafstätte und Geld gegeben hatte, um ihm zu helfen. Was hatte der Sänger bei ihm gesucht? Welche wichtige Persönlichkeit wollte er in Köln treffen und warum?

Bei Vacillarius angekommen, erfährt Philipp, dass der Herr keine Originaldokumente über die Mitgift seiner Frau mehr vorlegen kann. Angeblich sind alle verbrannt. Der Mann lebt mit seiner Tochter alleine in dem heruntergekommenen Haus, nur der Pferdeknecht kommt ab und an mal, um die Tiere zu versorgen. Als Philipp versucht, durch diesen Knecht nähere Informationen über die Familie zu bekommen, stellt sich schnell heraus, dass das gesamte Dorf davon überzeugt ist, der Herr wäre verhext und zwar von seiner verstorbenen Frau. Was Philipp allerdings feststellen kann, ist, dass Radolf ein alkoholabhängiger, verwirrter Mann ist, der den Sinn seines Lebens in seiner Tochter sieht. Diese ist auch in Philipps Augen ein begehrenswerter Grund, um die Fälschung durchzuführen. Doch ohne die Originaldokumente kann er seine Aufgabe nicht durchführen und so begibt er sich auf die verhängnisvolle Suche nach den Heiratspapieren der Familie und gerät dadurch immer mehr in den Sumpf, den die Kirche rund um ihren Machtanspruch angelegt hat.

Als auch noch Minstrels Frau Aude auftaucht, um nach ihrem Mann zu suchen, ahnt Philipp, dass sich ein großes Komplott um Radolf Vacillarius und sogar den Kardinal gesponnen hat. Welchen Umfang dieses Komplott allerdings wirklich hat, erschließt sich Philipp erst, als die ersten Toten seinen Weg kreuzen und er erkennen muss, dass er verraten und verkauft wurde …

_Meine Meinung_

Diese Inhaltsangabe gibt höchstens ein Zehntel davon wieder, was sich alles auf diesen knapp 600 Seiten ereignet: die Suche der Originaldokumente in Philipps ehemaligem Kloster und bei den jüdischen Geldverleihern, die Verhaftung dieser Juden und die Verbrennung ihrer aufbewahrten Unterlagen (die Bewahrer der Vergangenheit), das Auftauchen des Ritters Ernst Guett’heure, dem das Herz von Dionisia gehört und der erfundene Geschichten vom Kreuzzug erzählt, den er angeblich mit Radolf zusammen erlebt hatte. Die sinnlose Ermordung des Hofkaplans Thomas, der Überfall auf eine Bauernfamilie, deren Oberhaupt Lambert Philipp von einem Händler gekauft hatte und der sein Geheimnis eben jenem Kaplan anvertraut hatte. Philipps erwachende Liebe zu Aude, die verzweifelt herauszufinden versucht, was ihr Mann wem erzählen wollte und wo er geblieben ist. Und nicht zuletzt Philipps eigenes Geheimnis, das sich in seiner Jugend im Kloster abspielte und mit dem er nie fertig wurde.

„Der Jahrtausendkaiser“ ist ein groß angelegter, extrem spannender Roman um das ewige Streiten der beiden größten Mächte im Reich: Papst und Kaiser. Wer hat mehr Anspruch auf die Führung des Volkes? Wer hat mehr Macht über die einfachen Leute? Der Papst belegt den Kaiser mit einem Bann, der Kaiser belegt seine Macht mit Karolus Magnus. Das Volk ist hin- und hergerissen und fragt sich ängstlich, ob die Propheten mit ihrer Weissagung Recht haben: Der Drachen wird kommen und jene, die dem rechten Pfad nicht folgen, vernichten. Doch was ist der rechte Pfad? Woran erkennt man den Jahrtausendkaiser, der die Welt in ein tausendjähriges Reich führen wird? Ist es der jetzige Kaiser? Oder der kommende? Hat der Papst vielleicht als Einziger die Macht dazu, den bestimmten Kaiser zu erkennen? So schaukelt sich die Unwissenheit und Ungewissheit so weit hoch, dass sich die Lager an die Gurgel gehen, um ihre Ansichten mit Gewalt durchzusetzen. Das Land versinkt im Chaos und weder der Papst noch der Kaiser scheinen irgendetwas dagegen zu unternehmen.

Mit dieser Kulisse als Hintergrund steht der junge Philipp mit seinem Problem, der Urkundenfälschung, recht alleine da. Er ist ein großartiger Charakter mit seiner Aufrichtigkeit, seinem häufig ausbrechenden Sarkasmus und seiner einerseits total naiven und andererseits immens abgeklärten Lebensauffassung. Sein Aufwachsen in dem Kloster hat ihm seinen Wunsch auf Gemeinschaft gezeigt, aber nie erfüllt. Als Einzelkämpfer fühlt er sich ebenfalls auf dem Hof seines Herrn, der ihn aus dem unglücklichen Klosterdasein befreit hat. Philipps Charakter hat eine sehr besondere Eigenschaft: Er ist fähig zu reifen. Am Anfang des Buches erscheint er als ein Junge, der zwar Verantwortung besitzt, aber nie lernen musste, um die Gunst anderer zu kämpfen. Er verbarg sich hinter Späßen und ironischen Bemerkungen, um sein Selbst nicht zeigen zu müssen. Im Laufe seiner mehr und mehr grauenvollen Suche verwandelt er seinen Zynismus in Standfestigkeit, er erkennt die wichtigen Elemente seines Lebens, er gewinnt an Stärke und Zutrauen. Er wird zum Mann mit allen Stärken und Schwächen eines Mannes. Dübells Talent, seine Charaktere zu echten Sympathieträgern zu machen, erstrahlt durch Philipp (genauso wie bei Peter Bernward aus [„Der Tuchhändler“) 2750 wieder einmal in seiner ganzen Pracht.

Richard Dübell hat den richtigen Ton getroffen. Auch „Der Jahrtausendkaiser“ fesselte mich bis zur letzten Seite. Die einzelnen Handlungsstränge enden erwartungsgemäß im gleichen Strick, doch schenkt uns der Autor eine überraschende Auflösung aller kleinen und großen Rätsel, die am Ende zu einem befriedigenden Finale zusammenprallen. Großes Kino! Aber genau das wäre es: Ich wünschte, dieses Buch würde verfilmt werden – Stoff und Spannung sind ausreichend vorhanden, um einen Kultstreifen à la „Der Name der Rose“ hervorzuzaubern. Aber egal, das Buch ist glasklar empfehlenswert. Es ist Unterhaltung pur und mitreißend bis zum Ende!

Homepage des Autors: http://www.duebell.de
http://www.luebbe.de

Warren, Earl – Untergang von Chicago, Der (Gentec-X Nr. 2)

Band 1: [„Das Ende der Menschheit“ 2952

_Story_

2018: In den Straßen von Chicago ist die Hölle losgebrochen. Die von Nita Snipe entdeckten Gencoys sind in kürzester Zeit aus dem Hype des Gentec-Konzerns an die Oberfläche gelangt und richten dort ein wahres Blutbad an. Die CIA-Agentin und ihr Gefährte Nick Carson können im letzten Moment fliehen, als die genmanipulierten Robo-Menschen und all ihre verwandten Wesen den Flughafen einnehmen und von dort aus ihren Angriff auf die Stadt, die Staaten und die ganze Welt starten. Selbst die Regierung hat aufgrund des plötzlichen massiven Überfalls kein adäquates Mittel, welches die Gencoys zurückschlagen könnte, und nachdem sowohl das CIA als auch der Präsident die Lage unterschätzt haben, droht das ganze Land im Chaos zu versinken. Vergeblich stellen sich ‚Sniper‘ und Carson den Monstern in den Weg, bis ihnen dann im letzten Moment eine unerwartete Macht zur Hilfe eilt …

_Meine Meinung_

Earl Warrens Heftroman-Serie „Gentec-X“ hatte mit dem gelungenen Auftakt erst kürzlich mein Interesse geweckt, weil der Beginn der Geschichte trotz vieler üblicher Klischees ziemlich gelungen war und zudem ein nicht zu unterschätzendes Potenzial in sich barg. Mit „Der Untergang von Chicago“, dem zweiten Part von „Gentec-X“, benutzt der Autor genau dieses Potenzial, um die Handlung effekt- und actionreich fortzusetzen, ohne dabei jedoch den Inhalt wirklich voranzubringen. Seltsam dabei: Man will dennoch wissen, wie Warren den Plot um die beiden CIA-Agenten Snipe und Carson weiterführt.

Die Fortsetzung hat allerdings einige verheerende Schwächen, die der Autor nur noch schwerlich ausbügeln kann. Das beginnt schon mit der gewöhnungsbedürftigen Sprache, die sich ständig bemüht, anspruchsvoll und auf höherem Niveau zu sein, zwischendurch aber dann plötzlich in einen unterirdischen Umgangston verfällt, der das gehobene Level wenig glaubhaft erscheinen lässt. Doch daraus resultieren gleich noch mehrere Probleme. So profitiert die Erzählung nicht gerade davon, dass Warren bei all den heutzutage noch so gewöhnlichen Dingen fast schon entschuldigend betont, dass sie auch in seiner Zukunftsvision noch aktuell sind. Auf die Dauer ist dies ziemlich nervig und eigentlich auch völlig unnötig, denn warum rechtfertigen, wenn es völlig unbegründet ist? Und außerdem: Wen interessiert es, dass Donald Duck den Leuten auch zwölf Jahre nach der heutigen Zeitrechnung noch ein Begriff ist? Solche Vermerke hätte man sich ganz klar besser verkniffen.

Hinsichtlich der Sprache ergibt sich zu guter (?) Letzt noch die Schwierigkeit der ungleichmäßigen Tempi. Speziell in den Szenen, in denen die Geschichte aus der Sicht der Hauptakteurin Nita Snipe erzählt wird, ist nie wirklich klar, ob es sich um eine gegenwärtige Handlung, eine düstere Zukunftsperspektive oder nun doch um das Resümee einer katastrophalen Erfahrung in Form eines nuancierten Protokolls handelt. Warren springt zwischen den Zeiten und sorgt somit unnötig für Verwirrung.

Ein weiterer Kritikpunkt an „Der Untergang von Chicago“ ist die ständige, ja fast schon rastlose Darstellung von Gewalt bzw. ihrer blutigen Folgen. Der Autor lässt gar nicht mehr davon ab, über verstümmelte, blutverschmierte Opfer der Gencoys zu berichten, versucht dabei sogar durch die Einbeziehung eines glücklich geretteten Babys eine gar nicht mehr ergänzend erwähnenswerte Tragik in die Story zu bringen, was letztendlich ein weiteres unbrauchbares Element dieses Heftromans ist. Natürlich ist es für die Authentizität der Handlung von enormer Wichtigkeit, darzustellen, wie sich die Invasion auf die Menschen Chicagos auswirkt, und es ist auch sicherlich angebracht, sämtliche Untertreibungen (wie hier auch vorbildlich ausgeführt) zu unterlassen, doch irgendwann hat man es einfach satt, von permanenten Leichenfunden zu erfahren. Aber Gott sei Dank wendet sich zum Ende hin das Blatt …

Damit wären wir beim einzigen Hoffnungsschimmer für die zukünftigen Ausgaben von „Gentec-X“ angelangt. Die Atmosphäre des Romans ist so beklemmend und in ihrer Gesamtheit derart dicht, dass es trotz aller stilistischern Mangelerscheinungen kaum möglich ist, von der Geschichte abzulassen. Earl Warren hat mit seiner apokalyptischen Zukunftsvision auf eine unbeschreibliche Weise Eindruck schinden können, ggf. sogar auch aufgrund einiger sprachlicher Unzulänglichkeiten. Warum das? Nun, inhaltlich wirkt „Der Untergang von Chicago“ bei weitem nicht so unnahbar wie die typische Science-Fiction-Saga. Zugegeben, die plötzliche Eliminierung der Menschheit durch manipulierte Wesen wie die Gencoys scheint auf den ersten Blick nichts anderes als ein rein fiktives Element zu sein, doch weil Warren weder abgehoben schreibt noch den Blick fürs Wesentliche verliert (im Gegenteil, er kommt sogar sehr schnell auf den Punkt), erhält er sich eine alles in allem sehr authentische Ausstrahlung, die „Gentec-X“ auch im zweiten Teil sehr sympathisch macht. Für Feinschmecker wird die Serie zwar sicherlich nichts wirklich Spektakuläres darstellen, doch wer zwischendurch gerne actionreich und spannend unterhalten werden möchte, wird an dieser nicht ganz tief greifenden, aber dennoch beängstigenden Serie garantiert seinen Spaß haben.

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Shocker, Dan – Leichenschlucht, Die (Macabros, Band 25)

In diesem Band sind die beiden Romane „Rha-Ta-N’Mys Leichenschlucht“ (Band 50) und „Femgericht der Kugelköpfe“ (Band 54) enthalten, welche 1977 in der Heftromanserie „Macabros“ erschienen sind.

_Rha-Ta-N’Mys Leichenschlucht_

Ronald Martin, Diener der Dämonengöttin Rha-Ta-N’My, liegt im Sterben. Doch vorher beauftragt er seine Pflegerin Gwendolyn, dem berühmten Horrorfilm-Regisseur Joe Octlan einen Brief zu überbringen. Dieser folgt sogleich der Einladung seines „Fans“ und besucht den Sterbenden. Der nutzt die Gelegenheit und führt mittels schwarzer Magie einen Seelenaustausch durch. Der Geist Joe Octlans stirbt mit dem alten Körper des Dämonendieners, während die Seele von Ronald Martin im Körper des Regisseurs weiterlebt. Als Octlan geht Martin daran, einen neuen Film zu drehen, der den bezeichnenden Titel „Rha-Ta-N’Mys Leichenschluch“ tragen soll. Ort des Geschehens soll eine Schlucht nahe Dayton sein, in welcher der kleine Ort Hatonshire liegt. In einem verlassenen Stollen nimmt Martin/Octlan Kontakt zu der Dämonengöttin auf und befreit zwei Ungeheuer in Gestalt riesiger Schnecken, die er auf Hatonshire loslässt.

Durch einen Zeitungsbericht wird der PSA-Agent Larry Brent auf das Filmprojekt aufmerksam und beschließt, sich den Drehort aus der Nähe anzusehen. Doch Rha-Ta-N’Mys Monster scheinen unüberwindbar …

_Femgericht der Kugelköpfe_

Cynthia Moreen ist vor geraumer Zeit in der Vergangenheit des Kontinents Xantilon verschollen. Dort ist sie in die Fänge einer dämonischen Kreatur namens Garco geraten. Mit Kaphoons alias Björn Hellmarks Hilfe gelang ihr die Flucht zurück in die Gegenwart. Doch sie war von Garco schwanger und gebar ein Kind, welches ihr der Arzt Dr. Longfield nicht zeigte. Er sprach davon, dass es nicht lebensfähig sei. Doch das Kind war bei bester Gesundheit und wurde von dem Arzt im Geheimen großgezogen. Das Kind war, wie sein Vater, ein Kugelkopf, dämonische Kreaturen, die den schwarzen Priestern treu ergeben sind. Doch Jim, wie Longfield das Kind nannte, entwickelte eine menschliche Denkweise und wuchs darüber hinaus in einem enormen Tempo. Nach zwei Jahren war Jim bereits ausgewachsen. Doch da holte ihn die Vergangenheit sprichwörtlich ein. Von Xantilon aus dringen die Kugelköpfe in die Gegenwart ein, um den Verräter zu bestrafen.

Jim flieht aus dem Krankenhaus, in dem er die ersten zwei Jahre seiner Existenz lebte, und begibt sich auf die Suche nach seiner Mutter. Die Guufs, wie sich die Kugelköpfe nennen, sind dem verängstigten Wesen dicht auf den Fersen. Björn Hellmark erfährt aus der Zeitung von dem Kugelkopf und beschließt, diesem Phänomen nachzugehen. Dabei gerät er selbst zwischen die Fronten des Femgerichtes …

Im ersten Roman beschränkt sich der Part von Björn Hellmark zum größten Teil auf eine Nebenhandlung, welche für die titelgebende Leichenschlucht nicht von Belang ist. Dabei bekommt es Hellmark mit einem Dämon namens Brian Adams zu tun, der allerdings nichts mit dem erfolgreichen Musiker zu tun hat, denn im Jahre 1977, als der Roman das erste Mal erschienen ist, war der Rocksänger noch nicht bekannt.

Mit der schicksalhaften Begegnung des PSA-Agenten Larry Brent mit dem Sohn des toten Gottes sind die Highlights dieses Bandes aber auch schon aufgezählt. Der Rest ist eine routiniert geschriebene, recht durchschnittliche Gruselstory, die zumindest am Anfang noch eine stimmungsvolle Atmosphäre aufweisen kann. Unheimlich beschreibt Dan Shocker den perfiden Plan des alten Dämonendieners und wie er in der Gestalt des Regisseurs darangeht, sein neues Projekt zu verwirklichen. Auch das anfängliche Erdbeben und die Angst der Bewohner werden plastisch beschrieben.

Allerdings wirkt der Handlungsfaden um Björns Erpressung und den Anschlag auf sein Leben etwas aus dem Zusammenhang gerissen und hätte eher was für einen eigenen Roman hergegeben. Wobei die Logik einige Kapriolen schlagen muss, denn woher weiß Björn eigentlich, wo der erpresste Kellner seine Waffen versteckt hat? Abgesehen davon, dass er vermutlich wusste, dass ein Anschlag auf ihn erfolgte, denn ansonsten lässt er Macabros kaum im Bett schlafen, was auf die Dauer viel zu kräfteraubend wäre.

Das Zusammentreffen der beiden Helden von Dan Shockers erfolgreichsten Serien ist zudem so zufällig, dass es nur den eingefleischten Fans gefallen kann. Denn zufällig befindet sich die Leichenschlucht in der Nähe des Forschungszentrums von Richard Patrick, wohin Macabros eigentlich wollte, und rein zufällig hört er dabei den Lärm, den die Monsterschnecken zwangsläufig bei ihrem Vernichtungswerk anrichten, welches sie zufällig genau zu dem Zeitpunkt veranstalten, an dem Macabros dort auftaucht.

Die Handlung selber ist ebenfalls recht dünn, denn bis auf den Namen haben die Leichenschlucht und der gesamte Roman kaum etwas mit Rha-Ta-N’My zu tun, außer, dass sie einen Satz an ihren Diener richten darf. Die Riesenschnecken, welche als Staubsauger fungieren, wirken eher komisch als bedrohlich und gehören in einen japanischen Monsterstreifen.

Am Ende merkte der Autor wohl, dass die Seiten plötzlich zu Ende waren, und zog recht schnell und kompromisslos einen Schlussstrich. Zwar bleibt das Ende von Octlan offen und eine Rückkehr des Dämonendieners ist jederzeit möglich, dennoch hätte der finale Kampf mit den Monstern noch etwas ausführlicher ausfallen dürfen, dafür, dass sie so gefährlich dargestellt wurden.

Zudem bringt der Autor hier auch einige Vokabeln durcheinander, denn hier wird das Fortbewegen mittels Gedankenkraft als Telekinese bezeichnet, nicht als Teleportation, wie es korrekt heißen müsste. Telekinese ist das Bewegen von Gegenständen mittels Gedankenkraft. Insgesamt ein recht dürftiger Roman, der außer dem Crossover von Larry Brent und Macabros weit hinter seinen Möglichkeiten bleibt.

Der zweite Roman behandelt im Prinzip ein Thema, welches den roten Faden zunächst außen vor lässt, aber gleichzeitig Bezug auf ein früheres Abenteuer nimmt, als Cynthia Moreen in die Vergangenheit reiste. Wieder beschreibt der Autor eine Szenerie, die ihm selbst sehr am Herzen zu liegen scheint, denn die Geschichte nimmt ihren Anfang in einem Krankenhaus, dessen Arzt mehr zu verbergen hat, als er vorgibt. Die Kugelköpfe werden sehr grausam dargestellt und bildeten wohl eine Art Söldner-Armee für die schwarzen Priester, vergleichbar mit den Orks oder Uruk-Hai aus „Herr der Ringe“. Um so sympathischer und schutzbedürftiger wirkt Jim, der als einziger seiner Rasse unter den Menschen lebt und feststellen muss, dass ihm sein eigenes Volk nur Verachtung entgegenbringt. Doch auch die Menschen bringen dem monströsen Äußeren des Guufs nur Unverständnis, Angst und Ablehnung entgegen.

Die Hauptgeschichte ist schnell erzählt und hätte den Roman auch recht dünn erscheinen lassen, doch Dan Shocker vergisst auch alte Handlungsstränge nicht und beschreibt unter anderem die Bemühungen Richard Patricks, seinem Freund Björn eine Falle zu stellen. Zudem kommt es in diesem Roman auch zum langerwarteten Wiedersehen mit Rani Mahay, der seinem besten Freund auch sogleich die Medien Anka Sörgensen und Tina Marino vorstellt. Damit erhält die Siedlung auf Marlos erneut Zuwachs, denn beide Frauen wollen ab sofort ihre Fähigkeiten besser kennen lernen. Ein Fehler in der Logik passiert, als sich Tina unter einem fremden, unbekannten Einfluss stehend vom Balkon stürzt. Erst bemerken die Freunde den leeren Balkon, dann betreten sie diesen und sehen die fallende Tina. Jetzt findet Björn immer noch die Zeit, Macabros entstehen zu lassen und die Frau zu retten. Dann, als die Polizei, von Zeugen alarmiert, eintrifft, können die Beamten eine genaue Beschreibung der fallenden Frau vorweisen. Also so ein Sturz spielt sich innerhalb von Sekunden ab, und zufällig Vorbeigehende mögen vielleicht noch erkennen, dass eine Frau vom Haus fällt, aber eine genaue Identifikation dürfte schon allein wegen des verzerrten Gesichts und der wehenden Haare unmöglich sein. Abgesehen davon, dass jeder Mensch erst einmal eine Schrecksekunde hat, in der er gar nicht registrieren wird, wer da gerade zur Erde stürzt.

Das Cover zeigt Garco, den Anführer der Guufs, der den flüchtenden Dr. Longfield verfolgt. Pferd und Dämon sind detailliert und lebensecht gezeichnet worden. Nur der Mann im Vordergrund wirkt etwas unglücklich und scheint direkt aus einer Rodeo-Show für Aushilfs-Cowboys zu stammen. Die Illustrationen von Pat Hachfeld zeigen die gefährlichen Kreaturen der beiden Romane hautnah und plastisch.

Obwohl beide Romane chronologisch etwas auseinanderliegen und quasi die beiden vorangehenden Bände 23/24 einrahmen, fügen sie sich geschickt in das Gesamtbild ein. Allerdings lässt der Inhalt des ersten Romans sehr zu wünschen übrig, und lang ausgedehnte Nebenhandlungen drohen die Hauptszenerie in den Hintergrund zu drängen. Dafür führt Dan Shocker mit „Femgericht der Kugelköpfe“ eine neue tragische und zugleich faszinierende Figur in die Welt des Macabros ein – Jim, den Guuf.

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_Florian Hilleberg_

Höhl, Thomas / Hillenbrand, Maik – 40 Jahre STAR TREK – Dies sind die Abenteuer …

Der 8. September 1966 markierte den eher unauffälligen Start einer etwas obskuren TV-Serie, die sich dank ihres Schöpfers Gene Roddenberry, aufgrund ihres zeitlosen Konzepts und durch die intensive Liebe einer stetig wachsenden Fangemeinde sehr langsam aber sicher zu einem Medienkult, zu einem Kulturphänomen und zu einem wirtschaftlich eindrucksvollen Franchise entwickeln konnte. 40 Jahre später besteht das „Star Trek“-Universum aus sechs TV-Serien mit insgesamt 726 Episoden, aus zehn Kinofilmen, aus Romanen und Comics in dreistelliger Bandnummernzahl, aus zahlreichen Videospielen und unzähligen Merchandising-Artikeln. „Star Trek“ begeistert, bewegt und bindet Menschenmassen, hat sich längst verselbstständigt, vermag selbst das Kappen seiner TV-Wurzeln zu überstehen und wurde fest ins „Trekker“-Leben integriert.

In vierzig Kapiteln gehen die beiden Autoren dieses Jubiläumsbuches dem „Star Trek“-Mirakel auf den Grund. Die große Zahl macht es verständlicherweise unmöglich, auf jedes davon einzugehen. Insgesamt orientiert sich die Darstellung an der „Star Trek“-Chronologie der Jahre 1966 bis 2006. Folgerichtig steht zunächst die Vorgeschichte im Mittelpunkt, wobei sich diese auf die Figur des „Star Trek“-Schöpfers Gene Roddenberry konzentriert. Im Überblick gehen die Verfasser auf alle TV-Filme und die Kinofilme und die zeitgleich erfolgenden Veränderungen hinter den Kameras ein.

Zwischen diese Kapitelblöcke werden immer wieder Zusatzinfos gestellt. Die Einschübe tragen manchmal seltsame Titel wie „Ein Glatzkopf als Captain“, doch die meisten Texte liefern interessante „Star Trek“-Informationen (z. B. über die Schwierigkeiten, die Serie halbwegs originalgetreu einzudeutschen, das Regelwerk, dem ein „Star Trek“-Buchautor unterliegt oder die Umtriebe im „Trek“-Merchandising).

Berichtet wird ausführlich über das Fandom, dessen Mitglieder in Fernsehberichten publicitywirksam gern als verkleidungssüchtige Träumer & Trottel verunglimpft werden. Höhl & Hillenbrand berichten, was wirklich vorgeht hinter den Kulissen einer „Star Trek“-Convention.

Unterfüttert werden viele Informationen durch Interviews. Erstaunlich offen äußern sich „Star Trek“-Veteranen von vor und hinter der Kamera, aus dem Fandom oder den eher geschäftsorientierten Abteilungen des Franchises über ihre Arbeit, die keineswegs im Umfeld Roddenberryscher Einigkeit abläuft, sondern von heftigen Auseinandersetzungen um den schnöden Mammon und Machtkämpfe geprägt wird.

Die Abbildungen beschränken sich auf wenige Schwarzweißfotos sowie eine längere Farbfotostrecke, die vor allem Bilder der „Star Trek“-Darsteller zeigen, die sich auf Conventions ihren Fans stellen. Immer wieder in den Haupttext eingeschoben finden sich grau unterlegte Boxen, in denen primär deutsche Trekker ihren Gedanken zu 40 Jahren „Star Trek“ Ausdruck verleihen. Eingeleitet wird „Dies sind die Abenteuer …“ vom deutschen „Trek“-Spezialisten Ralph Sander und seinem „Kollegen“ Klaus N. Frick (der freilich vor allem die Werbetrommel für „seinen“ „Perry Rhodan“ rührt, den er als Chefredakteur betreut), am Ende steht ein Register, das die Suche nach Namen, Orten und Sachstichworten ermöglicht.

„Star Trek“ ist tot – es lebe „Star Trek“! Nach dem Doppeldesaster von 2005 – „Star Trek – Nemesis“ legte im Kino, „Star Trek – Enterprise“ im Fernsehen eine Bruchlandung hin – sah es so aus, als sei das Franchise am Ende. In Deutschland sind sogar die Romane zu den diversen Serien vom Markt verschwunden. Wenn es einen „Anlass“ gab, das Jahr 2006 in die „Star Trek“-Chronologie aufzunehmen, so zunächst nur deshalb, weil das „Trek“-Studio Paramount die Magazine leerte und im Rahmen einer Großauktion quasi alle Requisiten aus vier Jahrzehnten „Star Trek“ unter den Hammer wandern ließ.

Doch ein echter Kult kann zwar wanken, wird aber selten stürzen. Die Fans, an die im hier vorzustellenden Buch besonders gedacht wurde, scheren sich nicht um primär finanziell ausgerichtete Studiointeressen, sondern frönen – auch in Deutschland – ihrem Hobby „Star Trek“ auch in der Krise. Dennoch bleibt zu fragen, ob „Dies sind die Abenteuer …“ erschienen wäre, hätte das Franchise nicht unerwartete Schützenhilfe durch den Drehbuchautor („Lost“) und Regisseur („Mission Impossible III“) J. J. Abrams bekommen, der zur Zeit in Hollywood ganz oben steht und den die Studiobosse deshalb ordentlich bauchpinseln. Dieser Abrams ließ also durchblicken, einen „Star Trek“-Kinofilm drehen zu wollen – und es ward ihm genehmigt!

Der Zug zu den Sternen wird also fortgesetzt, und in der ruhigen Gewissheit dieser erfreulichen Tatsache lässt sich umso besser Rückschau halten. Keine einfache Aufgabe ist es, welche die beiden Autoren sich gestellt haben. Zum einen lassen sich vierzig ereignisreiche Jahre schwer auf knapp 450 Seiten zusammenfassen. Andererseits ist Deutschland auch in Sachen Hintergrundinfos keine „Star Trek“-Diaspora! Allein Ralph Sander hat in den 1990er Jahren im |Heyne|-Verlag vier voluminöse Bücher zum Thema verfasst. Sehr richtig beschlossen Höhl & Hillenbrand deshalb, sich für die Jahre vor 1998 – hier erschien Sanders „Star Trek-Universum“-Band 4 – auf die grundsätzlichen Informationen zu beschränken, sich stattdessen auf das in zehn Jahren neu aufgelaufene Wissen zu stützen und dem Sander-Quartett quasi einen fünften Band folgen zu lassen; es ist genug geschehen, das eine solche Fortsetzung rechtfertigt.

Lobenswert ist weiterhin der Verzicht auf ausufernde Inhaltsangaben. Vor allem recherchefaule Autoren füllen ihre Bücher mit solchen Nacherzählungen und vielen Fotoseiten. Höhl & Hillenbrand wählen den schwierigen Weg: Sie liefern echte Informationen, und sie sparen nicht damit, reihen nicht Anekdote an Anekdote, verzichten auf Hörensagen, stellen die „Apokryphen“ der „Star Trek“-Story als solche vor, stellen Gerüchte richtig, weisen auf unterschiedliche Überlieferungen hin, ohne stets die Fakten rekonstruieren zu können.

Vor allem schauen sie hinter die Kulissen und hinter die Fassade der Friede-Freude-Eierkuchen-Welt, als die sich das offizielle „Star Trek“ gern präsentiert. Zwar sickerte in den vergangenen Jahren im Zeitalter des Internets viel Internes durch, das wenig gemein hatte mit der glanzvollen Zukunft Gene Roddenberrys, in der angeblich nicht mehr der Drang nach Geld und Macht, sondern der Wissensdurst und die Arbeit an einem „besseren“ Menschen den Zeitgenossen prägen wird.

Doch auch hier gibt es Missverständnisse, Falschmeldungen, Fehlinterpretationen, die Höhl & Hillenbrand aufzuklären versuchen. Sie profitieren dabei vom Kontakt zu „Eingeweihten“, die sich manchmal erstaunlich offen äußern, wenn sie sich im fernen Europa dem Maulkorb des Studios entronnen wähnen. Dabei wühlt das Autorenduo nicht in schmutziger Wäsche, sondern liefert ein vollständiges Bild des „Star Trek“-Phänomens, das seine lichten wie dunklen Seiten aufweist.

Dass sich „Dies sind die Abenteuer …“ durchweg spannend und flüssig liest, liegt an der Fähigkeit der Autoren, den umfangreichen Stoff nicht nur überzeugend zu gliedern, sondern ihn auch in ansprechender Sprache zu vermitteln. Gerade im fannischen Bereich scheint die Artikulation in grammatisch korrekten Sätzen eine aussterbende Kunst zu sein. Höhl & Hillenbrand zeigen, dass man sich niveauvoll auch in einfachen Worten verständlich machen kann, ohne in die Niederungen des aktuellen SMS-Pidgins zu geraten.

Zwar zuletzt aber dafür mit Nachdruck sei darauf hingewiesen, dass der |Heel|-Verlag dieses lesenswerte Buch für 12,95 Euro feilbietet. Das ist definitiv ein Schnäppchen. Nicht nur eingefleischte „Star Trek“-Fans sollten hier schwach werden, sondern auch jene, die bisher wenig am Hut haben mit dem „Star Trek“-Universum.

Thomas Höhl (geb. 1967) ist hauptberuflich als Jurist in einem Fachverlag tätig. Darüber hinaus schreibt er (hauptsächlich für das SF/Fantasy-Magazin „Space View“) über „Star Trek“ und andere Genre-Serien; er hat zu diesem Thema auch mehrere Bücher verfasst.

Mike Hillenbrand (geb. 1972) drehte mehrere Jahre die Dokumentationsvideos zur „FedCon“, der größen „Star Trek“-Convention Europas, und kam dabei mit vielen bekannten oder wichtigen Personen aus dem „Trek“-Franchise in Kontakt. Er arbeitet als Moderator für Radio und Fernsehen und ist als Genre-Rezensent und –Berichterstatter in den Printmedien und im Internet vertreten.

http://www.heel-verlag.de/