Broach, Elise – Tote aus dem Nichts, Die

Mit „dtv pocket crime“ startet dtv eine neue Reihe Jugendbücher, die spannende Krimis für Leser ab 14 Jahren verspricht. Viele der Geschichten stammen von deutschen Autoren, aber nicht alle. „Die Tote aus dem Nichts“ von Elise Broach beispielsweise spielt im heißen Süden der Vereinigten Staaten.

Mit dem Bruder und dessen besten Freund alleine durch die USA – was nach einem idyllischen Roadtrip klingt, wird für die fünfzehnjährige Lucy bald zum Albtraum. Mitten in der Pampas von New Mexico läuft ihnen etwas während einem Unwetter vor das Auto. Sie haben zwar nicht erkannt, was es war, aber als sie zu der Stelle zurückfahren, finden sie ein totes Mädchen, kaum älter als sie.

Die drei Jugendlichen sind schockiert. Hat Jamie, Lucys Bruder, tatsächlich ein Mädchen getötet? Die hinzu gerufene Polizei ist sich nicht sicher, weshalb die drei vorerst in der Gegend bleiben müssen. Sie kommen bei Beth unter, einer zurückgezogen lebenden Künstlerin. Während Jamie versucht, seine Sorgen in einer Flirterei mit der deutlich älteren Frau zu ertränken, fühlt sich Lucy verpflichtet, den Mord an dem Mädchen zu klären. Doch dabei gerät sie selbst in Gefahr …

Als Krimiautor hat man meistens mit einem Problem zu kämpfen: Möchte man die Handlung lieber spannend oder lieber authentisch gestalten? Gerade wenn ganz normale Menschen und nicht etwa Polizisten die Hauptrolle spielen, ist es sehr schwierig, beides zu vereinen. Auch Elise Broach musste sich dieser Frage stellen und, nach der Lektüre von „Die Tote aus dem Nichts“, scheint es, als ob sie sich dafür entschieden hätte, die Spannung für die Realität aufzugeben. Ihr Jugendbuch ist deshalb nicht gleich langweilig, aber die Krimihandlung ist ein wenig uninspiriert, leicht vorhersehbar und nicht besonders originell. Dafür ist ihr Buch aber sehr authentisch. Da eine Jugendliche die Ich-Erzählerin ist, liegt der Fokus neben Lucys Ermittlungen vor allem auf Liebe und Gefühlschaos. Davon gibt es wahrlich mehr als genug. Wegen der Ermittlungen an Beths Haus gefesselt, entspinnt sich zwischen den wenigen auftretenden Personen, nämlich Lucy, ihrem Bruder, dessen Freund Kit und ihrer Gastgeberin Beth, ein dichtes Netz aus Verliebtheit, Wut und Enttäuschung. Eine kitschige Romanze darf man trotzdem nicht erwarten. Die zwischenmenschliche Ebene der Geschichte ist so trocken wie die Wüste in New Mexico, aber dabei so intensiv beschrieben, dass man die maue Handlung beinahe vergisst.

Um den Leser auf dieser emotionalen Ebene zu fassen zu kriegen, bedarf es Charaktere, mit denen er sich identifizieren kann und mit denen er gerne mit fiebert. Auch das ist der Autorin gelungen. Lucy ist eine typische Fünfzehnjährige. Ein wenig naiv, ein wenig trotzig, sie findet, dass Jungs nerven und sie kann sehr dickköpfig sein. Da aus ihrer Ich-Perspektive erzählt wird, lernt man sie am besten kennen und sieht die Welt durch ihre Augen. Dementsprechend gefärbt sind ihre Einstellungen gegenüber ihren Mitstreitern. In Jamie und Kit sieht sie die typischen Highschooljungs, die nichts anderes im Kopf haben als Mädchen. Dass sie aber auch anders sein können, ist eine neue Erfahrung für Lucy und sie beobachtet diese halb fasziniert, halb argwöhnisch und lässt den Leser in ihrer einfachen und präzisen Sprache daran teilhaben.

In der Summe ist „Die Tote aus dem Nichts“ mehr Jugendbuch als Krimi. Die Handlung punktet vor allem dann, wenn sie sich um die Gefühle der authentischen Protagonisten dreht. Diese beschreibt Elise Broach so authentisch und intensiv, dass man die langweiligeren Teile der Geschichte gerne verzeiht.

|Aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung
301 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423782364|
http://www.dtv.de

Dimitri Verhulst – Gottverdammte Tage auf einem gottverdammten Planeten

Inhalt:

Alles begann in einer Art Ursuppe. Eines der Suppeningredienzien wollte höher hinaus als alle anderen, kroch an Land und mehrte sich redlich. Den Weg dieses mit dem Willen zur Macht ausgestatteten Wesens vollzieht Dimitri Verhulst nach. In raschen Schritten saust er über die Menschheitsgeschichte hinweg, stößt mit ausgestrecktem Finger direkt in die ekligen Tatsachen und lässt durch seine Auswahl des Erzählten im Lesergehirn immer wieder unwillkürlich die Frage aufblitzen, ob man nicht doch besser namenloses Teilchen der Ursuppe geblieben wäre, anstatt aufrecht gehen zu wollen und schließlich die Atombombe zu zünden.

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Arleston, Christophe (Autor) / Alary, Pierre (Zeichner) – SinBad 2: In den Klauen des Djinns

_Reihentitel:_

Band 1: [SinBad 1: Der Kelch von Alexandria 6130
Band 2: SinBad 2: In den Klauen des Djinns

_Story:_

Nachdem Sinbad die Insel der Tubarah verlassen hat, setzt ihm die Zauberin mit allen magischen Mitteln nach. In der Sicherheit der Wüste trifft er schließlich auf Azna, den weißen Panther der mächtigen Magierin, und droht nun endgültig zerfleischt zu werden. Doch ein Kuss befreit Azna endgültig aus der Haut der Raubkatze und macht sie zu einem freien Gestaltenwandler, der sich nun Sinbad anvertraut.

Der jedoch nutzt das neue Vertrauen schamlos aus und konzentriert sich in erster Linie auf die Suche nach seinen Eltern. Doch Tubarah gibt keine Ruhe und entsendet einen Fluch, der Sinbad schwer zusetzt und ihn nur durch Aznas verzweifelte Unterstützung von der tödlichen Schippe springen lässt. Dennoch will der gewiefte Betrüger nicht erkennen, dass Azna Gefühle für ihn entwickelt hat. Spätestens jedoch, als der Kalif bei einem Wettbewerb seinen Flaschengeist zur Verfügung stellt und Sinbad feststellt, dass seine Gefährtin die besseren Voraussetzungen mitbringt, wird ihm bewusst, dass die blasse, dürre Gestaltenwandlerin mehr für ihn sein sollte, als er zulässt. Aber Sinbad folgt einmal mehr seiner Eigennützigkeit …

_Persönlicher Eindruck:_

Mit dem zweiten Band von Arlestons neuer Comic-Reihe „SinBad“ verschlägt es den Titelhelden endgültig in die typischen Gefilde aus 1001 Nacht. Sinbad kehrt nach seinem Abstecher auf der Insel der Magierin nach Bagdad zurück, versucht dort jedoch zunächst einmal dem Einfluss der hinterlistigen Zauberin zu entfliehen. Mit einer gemeinen List überwältigt er zuerst deren ausgesandte Pantherin, erschleicht sich schließlich das Vertrauen einiger einflussreicher Gestalten und überwindet eine fiese Krankheit, ohne den Einsatz zu schätzen, der hierfür notwendig gewesen ist.

Der Namensgeber entpuppt sich demnach schon nach wenigen Seiten wieder als hinterhältiger Stratege, der stets den Profit im Auge hat, seine Mitmenschen immer wieder übers Ohr haut und selbst enge Vertraute wie beispielsweise Azna gemein ausnutzt, um seine Ziele zu erreichen. Doch was an anderer Stelle Grund genug wäre, die Sympathien abzugeben, kommt in „SinBad“ überhaupt nicht infrage. Die Situationskomik ist hier die aussagekräftigste Präventivmaßnahme, die rasanten Szenenwechsel hingegen, in denen der Titelheld immer wieder seine heimliche Tollkühnheit unter Beweis stellen kann, sind schließlich erneut das Salz in der Suppe und lassen die Spannung trotz der inhaltlichen Fülle kaum abflauen.

Was Aleston im Übrigen gut hinbekommt, sind die Brücken zwischen den einzenen Zwischenepisoden. Auch „In den Klauen des Djinns“ ist in mehrere Unterkapitel gegliedert, die individuell für sich stehen könnten und abgeschlossene Mini-Geschichten erzählen, die schließlich immer weiter fortgeführt werden. Somit ist gewährleistet, das viel passiert und ein gewisser Überraschungseffekt erhalten bleibt, der Autor selber aber auch immer noch einen draufsetzen kann, wenn er den Spannungsbogen mal wieder weiter ausdehnt.

Zuletzt ist auch die Atmosphäre herrlich, einerseits vielleicht sogar wegen der breiten Ausstaffierung der Klischees, andererseits aber auch, weil sich der Autor sehr nah an den orientalischen Originalen orientiert und für deren faszinierende Welt ein echt tolles Gespür hat. Das gilt für die Charaktere, die Story und zuletzt auch für den gesamten Rahmen, in den Arleston seine eigenwillige Interpretation der Dinge aus 1001 Nacht packt.

Mit wenigen Worten: Band 2 hält das überzeugende Niveau seines Vorgängers und baut dessen gute Eigenschaften phasenweise sogar noch weiter aus. So schaut ein gelungener, märchenhafter Comic aus!

|Graphic Novel: 53 Seiten
ISBN-13: 978-3940864826|
[http://www.splitter-verlag.de/]http://www.splitter-verlag.de/

Eckenga, Fritz – Fremdenverkehr mit Einheimischen

Fritz Eckenga ist wieder in Reimlaune. Nach [„Prima ist der Klimawandel auch für den Gemüsehandel“ 4262 hat er nun mit „Fremdenverkehr mit Einheimischen“ einen weiteren Band mit lustigen Gedichten verfasst.

Genau wie in seinem Vorgänger gibt Eckenga in „Fremdenverkehr mit Einheimischen“ treffgenau Beobachtungen aus dem Alltag und dem großen Weltgeschehen in heiter-satirischen Versen wieder und kommentiert diese von einem unabhängigen Standpunkt, wobei er souverän genug zur Selbstironie bleibt. Auch wenn die komplizierteren Gedichtformen dieses Mal eher selten vor kommen, hat der Autor wieder akkurat an seinen Zeilen gedrechselt, so dass ihm kaum ein Holpern im Metrum, kaum ein unreiner Reim unter kommt, wie er im Gedicht ‚Nein, ich will nicht Grünbein sein‘ augenzwinkernd vermerkt. Und die gekonnten Formulierungen sitzen ohnehin passgenau.

Bei den persönlichen Themen verarbeitet Eckenga Erlebnisse – von nervigen Nachbarn bis zum Vordringen von Kommerzpraktiken in den Alltag – die die meisten Leser als eigene Wahrnehmungen bestätigen können. Bemerkenswert ist, dass sich hier neben satirischem Humor auch stellenweise eine unerwartete heitere Melancholie findet.

Natürlich ist für den Dortmunder Humoristen auch der Ruhrpott wieder ein Thema, nicht zuletzt als europäische Kulturhauptstadt 2010. Und so manche aktuelle Erscheinung wie der Sprachverfall im Kurznachrichten- und Kurzdenkdienst oder die Bankenkrise wird im Kreuzreim aufgespießt. Seine Gelassenheit bewahrt sich Fritz Eckenga auch dann, wenn er populistische Parteipolitiker ins Visier nimmt, indem er kurzerhand deren Sprüche und Taten in seine Verse einarbeitet, etwa bei jenem bekannten rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten, der sich gerne publikumswirksam beim heimischen Bundesligaverein sehen ließ, mit dem er im Abstiegskampf dann nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollte. Und damit sind wir auch schon beim Schlusskapitel angekommen, das natürlich wieder dem Fußball gewidmet ist sowie anderen Sportarten, die es gerüchteweise auch noch geben soll.

|Gebundene Ausgabe: 128 Seiten
ISBN-13: 978-3888976551|

http://www.eckenga.de
http://www.kunstmann.de

Whitcomb, Laura – Silberlicht

Helen ist Licht. So zumindest beschreibt sie sich selbst. Seit 130 Jahren ist sie schon tot, doch sie wandelt immer noch auf der Erde. Der Himmel hat sie abgewiesen, aus der Hölle ist sie geflüchtet und nun klammert sie sich eng an ihren jeweiligen Bewahrer. So nennt sie diejenigen Menschen, an die sie sich gebunden hat, um auf der Erde bleiben zu können. Ihr derzeitiger Bewahrer ist ein gewisser Mr. Brown, ein gütiger, freundlicher Mann, der am College Englisch unterrichtet. Sie begleitet ihn überall hin, unbemerkt und unsichtbar. Bis eines Tages einer von Mr. Browns Schülern, Billy Blake, sie anblickt … und lächelt.

Die Charakterzeichnung in diesem Buch ist eine schwierige Sache. Denn die beiden Hauptfiguren, Helen und James, können sich nur an einige kleine Bruchstücke aus ihrer Vergangenheit erinnern. So bleibt für die Darstellung dieser beiden lediglich das Jetzt, und das ist nicht allzu viel.

Über James erfährt der Leser im Grunde gar nichts. Helen kommt da etwas besser weg, da aus ihrer Sicht erzählt wird. Sie liebt Literatur und hegt eine besondere Zuneigung zu Mr. Brown. Ihre Eifersucht auf seine Frau, ihr Bedauern, als sie sich von ihm löst um bei James zu sein, sind Dinge, die sie etwas lebendiger werden lassen. Und dann ist da natürlich noch die Leidenschaft, die James und Helen füreinander empfinden.

All das reicht immerhin aus um die beiden nicht blutleer und flach erscheinen zu lassen und Sympathien beim Leser zu wecken.

Die übrigen Charaktere sind nur skizziert: Der rauhbeinige Mitch, der auf seine derbe Art versucht, Billy vor weiteren Schwierigkeiten zu bewahren; der sanfte, gütige Mr. Brown, der seine Frau so sehr liebt, dass er darüber fast vergisst, seinen Roman zu Ende zu schreiben; Jennys Mutter Cathy, die so sehr bemüht ist, alles richtig zu machen, nur um schließlich fest zu stellen, dass es längst zu spät ist; und Jennys Vater Dan mit seiner strengen, ja gnadenlosen Religiosität, gegen die er keinerlei Verstöße duldet außer seiner eigenen. Keine dieser Figuren wirkt platt oder steif, doch für echte Tiefe bleibt nicht genügend Raum, da das Hauptaugenmerk so sehr auf den beiden Hauptpersonen liegt.

Die Handlung wiederum erstreckt sich nur über wenige Tage. Aber sie zeichnet sich auch nicht dadurch aus, dass besonders viel passieren würde. Helen und James lernen sich kennen, verlieben sich und wollen zusammen sein, weshalb auch Helen sich einen Körper sucht.

Dahinter erzählt das Buch jedoch weit mehr.
Zum Einen ist es die Geschichte von Billy und Jenny, obwohl die beiden erst am Ende des Buches für wenige Zeilen selbst auftauchen. Doch an Hand dessen, was James und Helen über die beiden erfahren, während sie in ihren Körpern stecken, entsteht langsam und allmählich, Steinchen für Steinchen, ein Mosaik, das erklärt, warum die beiden Teenager ihre Körper verlassen haben. Der drogensüchtige Billy kommt offenbar nach dem, was mit seinen Eltern geschehen ist, nicht mehr mit seinem Leben zurecht, obwohl sein Bruder Mitch sich auf seine ruppige Art alle Mühe mit ihm gibt. Und Jenny ist einfach vor der unbarmherzigen Doktrin und dem kalten, herzlosen Perfektionswahn ihres Elternhauses geflüchtet.

Zum Anderen ist es die Geschichte von James und Helen, und nicht nur die der Gegenwart. Immer deutlicher kristallisiert sich heraus, dass die beiden nicht umsonst auf der Erde zurück geblieben sind und dass es nicht daran liegt, dass der Himmel sie abgewiesen hätte. Beide müssen sich dem Trauma ihrer Vergangenheit stellen, um das irdische Leben endlich ganz loslassen zu können.

Laura Whitcomb erzählt diese Geschichte in einer mal alltäglichen, mal regelrecht verklärenden Sprache und stellt so die Härten der Realität und die Träume und Sehnsüchte ihrer Protagonisten einander gegenüber. Das ermutigende Fazit der Geschichte lautet letztlich, dass der Mensch in der Lage ist, sich seine persönliche Hölle selbst und ganz allein zu schaffen, nur dadurch, dass er sich davor fürchtet, sich dem Leben und der Wahrheit zu stellen, woraus letztlich folgt, dass der Mensch auch in der Lage ist, eben diese Hölle zu überwinden, wenn er den Mut und die Kraft aufbringt, sich seinen Katastrophen entgegen zu stemmen.

Unterm Strich kann man „Silberlicht“ als poetische Mystery-Romanze bezeichnen. Immerhin aber ist es der Autorin gelungen, ihre Geschichte frei von Kitsch zu erzählen und ihre Helden trotz der dünnen Basis, auf der sie sie entworfen hat, menschlich, sympatisch und nachvollziehbar zu gestalten. Die sprachlich poetisch gestalteten Passagen verleihen der Gesamtheit des Buches Zauber und einen gewissen Charme, den der Mysterie-Aspekt alleine nicht erzeugt hätte. Das macht „Silberlicht“ mit seinen rund dreihundert Seiten zu einer netten, kleinen Zwischendurchlektüre für Romantiker und solche, die es werden wollen.

Laura Whitcomb stammt aus Californien und war Englischlehrerin, ehe sie mit dem Schreiben begann. Außer „Silberlicht“, für das sie mehrere Preise erhielt, hat sie einen weiteren Roman sowie zwei Sachbücher geschrieben, die bisher nicht auf Deutsch erschienen sind. Sie lebt mit ihrem Sohn in Portland/Oregon.

|Gebundene Ausgabe: 310 Seiten
ISBN-13: 978-3426283288
Vom Hersteller empfohlenes Alter: ab 14 Jahre
Originaltitel: |A Certain Slant of Light|
Deutsch von Sabine Thiele|

http://www.laurawhitcomb.com/index.htm

Forman, Gayle – Wenn ich bleibe

_Inhalt:_

Mias Leben erfährt von der einen Sekunde zur anderen eine einschneidende Veränderung: Eben saß sie noch im Auto, zusammen mit ihrer Familie. Man war ausgelassen: Es gab schneefrei – schneefrei in Oregon! Wie oft kommt das schon vor? – und die Familie wollte Freunde besuchen. Dann gab es einen ohrenbetäubenden Krach, und als Nächstes steht Mia neben den Überresten des Autos, das auf der glatten Straße von einem Laster erfasst worden war, und starrt entsetzt auf die Leichen ihrer Eltern.

In Panik sucht sie Teddy, ihren kleinen Bruder, und findet im Graben – sich selbst. Sich selbst?

Wie im Traum sieht sie zu, wie Rettungskräfte um den letzten Funken Leben in ihrem übel zugerichteten Körper kämpfen. Sie hört, was gesprochen wird, wird selbst aber nicht verstanden. Und sie fühlt die Schmerzen nicht – dafür ist sie sogar dankbar. Sie wird in ein Krankenhaus geflogen und sitzt neben ihrem Körper, während der operiert wird. Sie macht sich Gedanken: Was soll sie tun? Soll sie ohne ihre Eltern und vielleicht ohne den kleinen Bruder weiterleben, mit den ganzen entsetzlichen Verletzungen, oder soll sie aufgeben, auch sterben und Ruhe haben?

Verwandte kommen zu Besuch, ihre engste Freundin Kim und Adam, ihre große Liebe. In Rückblenden werden Geschichten der Familie beschworen, das Kennenlernen von Mia und Kim, Mias Leidenschaft für das Cello spielen und der behutsame Anfang ihrer Liebe zu Adam. Es sind liebevolle Bilder einer unkonventionellen, sympathischen Familie, die Mias Verlust klar vor Augen führen und damit die Ratlosigkeit unterstreichen, mit der Mia vor der drängenden Entscheidung steht.

Jedes Wort, das ihre Verwandten, Kim und Adam zu ihr sagen, fällt mit in die Waagschale: Gehen oder bleiben? Und als Mias Geschichte bis zur Gegenwart erzählt ist, ist der Moment der Entscheidung gekommen.

_Kritik_:

Gayle Forman hat den Schwebezustand zwischen Leben und Tod zum Ausgangspunkt ihrer Erzählung genommen. Das ist zwar keine ganz neue Idee, aber schön umgesetzt.

Die Geschichten über Mias Familie sind detailreich gezeichnet. Die Eltern waren Zeit ihres Lebens Punkrocker, auch wenn der Vater ab der Geburt des kleinen Teddy die Bassgitarre an den Nagel gehängt hatte, um sein Brot als Lehrer zu verdienen. Mia wirkt vor diesem Hintergrund schon ausgesprochen konventionell. Verschiedene Probleme werden angerissen, die bei so unterschiedlichen Personen nicht ausbleiben, aber es steht immer klar im Vordergrund, dass das Verhältnis der einzelnen Personen untereinander ein liebevolles ist.

Genauso ist es mit Kim, die Mia am Anfang mit herzlicher Abneigung betrachtet hatte und die dann zu einer der Hauptbezugspersonen in ihrem Leben geworden war. Und die Romanze zwischen Mia, dem ruhigen, braven, Cello spielenden Mädchen und dem Rockmusiker Adam geht in ihrer Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit ans Herz.

Darüber hinaus wird dem Leser vor Augen geführt, dass das Cellospielen für Mia nicht nur ein Hobby, sondern möglicherweise eine Berufung ist. Ein Punkt, der ihr Sorgen bereitet hatte: Sollte sie dem Cello folgen, würde es sie weg führen, fort von Adam, der in der Gegend bleiben musste, in der seine Band gerade ihren Aufstieg Richtung Profimusikertum erlebte. All das verblasst nun aber vor der Frage: Gehen oder bleiben?

_Fazit:_

„Wenn ich bleibe“ ist ein wunderschön gezeichnetes Familienporträt, eine Liebesgeschichte und ein Drama in einem.

Natürlich geht die Geschichte dem Leser an die Nieren, weil sie von so viel Verlust handelt, aber sie ist gleichzeitig auch ein Ansporn zum Weitermachen, weil sie in so vielen Einzelheiten vor Augen führt, für wie viele Dinge es sich zu leben lohnt. Wie hier verschiedenste Ansichten und Vorlieben unterschiedlichster Menschen selbstverständlich und unprätentiös nebeneinander gestellt werden, ist schon erstaunlich.

Wer gerade ein starkes Bedürfnis nach Harmonie hat, sollte dringend „Wenn ich bleibe“ lesen. Aber Achtung: Gerade in so einer Stimmung sollten Sie eine Packung Taschentücher bereithalten. Gayle Formans Buch ist sehr schön und sehr traurig.

|Gebundene Ausgabe: 270 Seiten
Originaltitel: If I Stay
ISBN-13: 978-3764503512
Aus dem Amerikanischen von Alexandra Ernst.|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet
[www.gayleforman.com]http://www.gayleforman.com

Ange (Autoren) / Alary, Pierre (Zeichner) – Ludwig (Belladonna 3)

_Reihentitel:_

Band 1: [Marie 6121
Band 2: [Maxim 6127
Band 3: Ludwig

_Story:_

Nach dem Sturz des Gelben Königs steht Marie vor einer ausweglosen Zukunft. Will sie das Leben des Bettleroberhaupts retten, muss sie den französischen Throninsassen umbringen, und sieht daher keine andere Möglichkeit mehr, als sich dem Druck ihrer unliebsamen Zweckverbündeten zu beugen. Als Marie schließlich untertaucht, sind alle Seiten überzeugt, dass die letzte Stunde des Königs geschlagen hat. Die Sicherheitsmaßnahmen werden verschärft, und selbst die Geheime Kammer, einst Maries Freunde und Mitstreiter, bereitet sich auf ein Duell mit ihrer neuen Feindin vor.

Doch Maxim, der seine heimlichen Gefühle für Marie unterdrücken muss, und dessen Mutter wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass Marie ihre Ideale nicht verraten hat. Während der Anführer der Kammer sich jedoch seiner Verantwortung stellt und den Schutz des Königs vorbereitet, spinnt die alternde Madame de Breuil im Hintergrund die Fäden, um den Gelben König zu befreien und den erpresserischen Komplott zu beenden. Doch Marie ist inzwischen in den Gemächern des Königs angelangt und richtet ihren Degen gegen den Monarchen …

_Persönlicher Eindruck:_

Erstens kommt alles anders und zweitens als man denkt: Nach der viel versprechenden zweiten Episode der „Belladonna“-Trilogie konnte man davon ausgehen, dass im letzten Band in erster Linie die Vergangenheit der Titelheldin noch einmal intensiver beleuchtet wird und man mehr über die Mysterien und Schatten erfährt, die hiermit in Verbindung stehen. Pustekuchen lautet jedoch die Antwort des Autorenteams Ange, welches erst gar nicht tiefer bohrt, sondern ähnlich wie im Vorgänger die Action sprechen lässt. Und deren Präsentation galt bis dato ja ohnehin als außergewöhnlich stark.

De facto bietet „Ludwig“, so der Titel des abschließenden Werkes, also alles, was ein glamourös inszeniertes Finale erfordert, sprich rasante Action, eine weitere Tempoverschärfung (was ebenfalls schon bemerkenswert ist), eine klare Weiterentwicklung der Charaktere und schließlich auch diverse Überraschungseffekte, die gerade in den ersten Passagen einige Aha-Erlebnisse nach sich ziehen.

Alles kulminiert schließlich in einem sehr bombastisch ausgelegten Szenario, welches die wichtigsten Figuren noch einmal zusammenbringt, dies aber in einer ungewohnten, derart unerwarteten Konstellation. Oder aber lange Rede, kurzer Sinn: Die letzten Szenen von „Belladonna“ haben es noch einmal in sich, gestalten das (vorzeitige) Ende jedoch absolut befriedigend!

Für den dritten Band individuell lässt sich sagen, dass es gerade die unverhofften Entwicklungen sind, die hier die Akzente setzen. Figuren wie Madame de Breuil wachsen mit einem Mal über sich hinaus, aber auch Maxim und der Minister, die ansonsten eher losgelöst vom Hauptstrang agierten, finden noch besser in die Story hinein und füllen schließlich die wenigen Lücken, die bislang noch offen waren. Lediglich ein wichtiger Nebenschauplatz bleibt noch vage, lässt dem Autorenpaar jedoch gleichzeitig die Möglichkeit, „Belladonna“ über diese Trilogie hinaus lebendig zu halten.

Auf der letzten Seite heißt es jedenfalls ’Ende des ersten Zyklus’. Und da das Potenzial für eine ausführliche Fortsetzung in jedem Detail der Handlung schlummert, müsste es schon mit dem Teufel zugehen, würde man von dieser Serie nicht schon bald mehr hören. Ausgehend von dem, was vor allem in diesem – bis auf Weiteres – letzten Kapitel geschieht, wäre es aber auch nur wünschenswert, wenn sich die beiden Herrschaften schnellstmöglich aufraffen würden. „Belladonna“ gehört nämlich zweifelsohne zu den Perlen im gesamten Splitter-Katalog und zu den heimlichen Highlights des Comic-Jahres 2009!

|Graphic Novel: 48 Seiten
ISBN-13: 978-3940864857|
[http://www.splitter-verlag.de/]http://www.splitter-verlag.de/

Ange (Autoren) / Alary, Pierre (Zeichner) – Maxim (Belladonna 2)

_Reihentitel:_

Band 1: [Marie 6121
Band 2: Maxim
Band 3: Ludwig

_Story:_

Zweimal bereits konnte Marie das Leben des Königs durch ihr kurzfristiges Eingreifen schützen, doch immer noch ist der Attentäter auf freiem Fuß und trachtet seiner Majestät nach dem Leben. Da die Spuren des italienischen Killers jedoch im Sande verlaufen, hält Minister Lovois für seine Anvertraute neue Aufgaben bereit. Sie soll ihr Geschick nutzen, um den Untergrund-Helden Vicomte in der umliegenden Provinz zur Strecke zu bringen. Doch Marie gerät in einen Hinterhalt und wird von Vicomtes Leuten erbarmungslos gefoltert, ohne dabei jedoch ein Wort über den Orden Louvois‘ preiszugeben.

In letzter Not gelingt ihr die Flucht, die sie auf direktem Wege in die Hände von Enrico bringt, jenem Italiener, den sie erst kürzlich jagte. Der verzweifelte Ansatz, ihn im Kampf zu besiegen, scheitert aber an den Argumenten des begabten Degenfechters: Enrico hat den Gelben König unterworfen und die Herrschaft über das niedere Volk an sich gerissen. Und außerdem hat er die Informationen über Maries Vergangenheit, auf welche die rechte Hand des Königs stets gehofft hatte. Allerdings ist der Preis, den Enrico anbietet, enorm hoch: Entweder stirbt Marie oder aber der König durch ihre Hand …

_Persönlicher Eindruck:_

In der zweiten Episode von „Belladonna“ setzt das Autorenduo Ange gerade im Actionbereich noch einmal gewaltsam einen drauf. Das 48-seitige Album ist von der ersten bis zur letzten Seite mit vielen sehr lebendigen Sequenzen gefüllt, seien es nun Degengefechte, verbale Auseinandersetzungen, Folter oder die unbarmherzige Jagd nach dem Killer. Die Waffen stehen kaum still, was unter anderem auch dadurch begünstigt wird, dass die beiden Autoren ein enorm hohes Tempo anschlagen und die Handlung von unzähligen Szenenwechseln durchsetzt wird. Und sollten Marie und Co. dann doch mal kurz verschnaufen, rast die inhaltliche Entwicklung anderweitig im Eiltempo voran, sei es nun durch politische Ränke, weitere Intrigen oder aber im breiter ausgeschmückten Nebenschauplatz, dem Thron des Gelben Königs.

Dabei würde die vordergründige Story alleine schon völlig ausreichen, um das hohe Niveau zu wahren bzw. es an den gegebenen, sehr flotten Stellen noch weiter auszubauen. Marie als Jägerin und Gejagte gibt eine fabelhafte Protagonistin ab, die Dumas-Atmosphäre mit dem deutlichen Musketier-Anstrich verleiht dem Ganzen die passende Stimmung, und die bereits erwähnte Geschwindigkeit, mit der die Dinge hier voranschreiten, tut ihr Übriges dazu, um die Spannung am Siedepunkt zu halten.

Doch Ange lassen nicht locker und greifen auch die Tragödie um Maries Vergangenheit auf und machen sie, wenn auch nur in kurzen, knappen Passagen, zum zweiten Kernthema des Plots, jedoch ohne gleichzeitig einen weiteren Mythos heraufzubeschwören, der im noch verbleibenden Band alleine schon wegen der hierzu erforderlichen Detailschärfe gar nicht mehr adäquat aufbereitet werden könnte. Weniger ist also in diesem Fall mal wieder mehr, und auch wenn die Story diesen Handlungszusatz nicht zwingend benötigt, so kann man ihn auch in „Maxim“ als Bereicherung betrachten.

Was ein wenig auf der Strecke bleibt, ist der politische Background, der im Gesamtkonzept von „Belladonna“ schließlich auch eine übergeordnete Rolle spielt. Zwar geschieht oberflächlich so einiges, doch die eigentlichen Ränke werden nicht weiter vertieft, sondern nur grob angerissen, bevor die Action wieder das Zepter in die Hand nimmt. Hier wird noch ein wenig passieren müssen, soll die Sache am Ende rund sein. Doch angesichts der rasanten Entwicklungen und der aufrechterhaltenen Klasse, die „Belladonna“ im zweiten von drei Kapiteln zeigt, braucht man sich hier auch für das Finalwerk keine großen Gedanken machen. Bis dato ist die Aufgabe, Mantel & Degen auf höchstem Spannungsgrad zu inszenieren, schließlich auch souverän von Anne und Gerard gelöst worden!

|Graphic Novel: 48 Seiten
ISBN-13: 978-3-940864-84-0|
[http://www.splitter-verlag.de/]http://www.splitter-verlag.de/

SunQuest – Quinterna 1: Der dunkle Mond

„SunQuest“ ist eine größer angelegte Geschichte der fernen Zukunft der Menschheit, doch kann man sie nicht ausschließlich der Science Fiction zuordnen. Zumindest der vorliegende Band spielt planetengebunden und liest sich eher wie Fantasy denn Science Fiction. Schwerter, Bögen, Burgen, wenig Technik – und dazwischen blinzelt überlegene Technik, zum Beispiel in Form eine Nano-KI, eines Sternportals oder Raumschiffes. Science Fantasy könnte man sagen.

Erdacht und geleitet wurde und wird die Serie von Uschi Zietsch (die unter dem Pseudonym Susan Schwartz selbst Romane beisteuert) und ihrem Ehegatten Gerald Jambor, die gleichfalls zusammen den Fabylon Verlag darstellen. Mit dem sechsteiligen Zyklus „Quinterna“ geht die SunQuest-Sage in die zweite Runde. Die Handlung schließt mehr oder weniger direkt (zehn Jahre später) an den ersten Zyklus an und setzt teilweise deren Kenntnis voraus, wobei auch der Neueinsteiger die Möglichkeit hat, mit diesem ersten Quinterna-Band den Sprung in den Kosmos zu schaffen. Denn Schwartz und Haensel, die Autoren des Romans, lassen immer wieder kleine Rückblicke auf die Ereignisse zu, die zu den aktuellen Zuständen führten. Ob Leser des ersten Zyklus‘ mehr von der Fortsetzung haben, als Neueinsteiger, ist nicht auszuschließen, da manche Anspielungen deutlich auf vergangene Bände hinweisen, für mich allerdings bedeutungslos sind.

Quinterna, erster Band

Shanija Ran heißt die Protagonistin, und sie ist eine ehemalige Kommandantin im Dienst der irdischen Marines, ehe sie auf Less strandete und dort mit ihrer übernatürlichen Gabe die Vereinigung zweier Universen verhinderte. Nun ist sie ein Star auf dem Planeten, der zumindest im vorliegenden Roman an einen Wüstenplaneten erinnert mit seiner Kargheit und den einfachen Gebräuchen und Sitten der Einheimischen. Shanija lebt mit ihrem Sohn Darren in der Metropole des Planeten, nahe des Archivs, wo das spirituelle und wissenschaftliche Zentrum zu sein scheint. Hier bildet sie Novizen in den Kampfkünsten aus, die sie scheinbar meisterhaft beherrscht: Sei es mit Schwert oder anderer Waffe oder auch der waffenlose Nahkampf.

Sie führt ein ruhiges Leben, bis eines Tages ihr Sohn entführt und gerade von seinem Großvater (unbekannter Weise) gerettet wird. Shanija beginnt mit ihrem „Schwiegervater“ eine Affäre, während anderswo ein kleines Fürstentum von fremden, stummen Wesen auf Maschinenvögeln nieder gemetzelt wird. Die Nachrichten bündeln sich schließlich bei Shanija und ihren Mitstreitern der Geschehnisse vor zehn Jahren, so dass sich gleich alle unversehens wieder im Zentrum des erneuten Auftauchens einer übermächtigen Gefahr finden und auf verschiedenen Wegen den Kampf beginnen. Dabei taucht ein Gegner auf, den Shanija noch aus alten Tagen kennt und der gnadenlos alle Menschen vernichtet – auf der Suche nach ihr …

Der Leser findet sich unversehens in einer geschichtsträchtigen Welt wieder und diese Geschichte ist mit sechs Romanen im Hintergrund nicht zu vernachlässigen. So muss man sich von Anfang an fragen, ob die handelnden Figuren nun bereits bekannt sind oder nicht, ob sie Wichtigkeit aus früheren Romanen mit bringen oder bisher Randfiguren waren, ob in ihrem jeweiligen Handlungsstrang eine wichtige Bedeutung zu erwarten ist oder ob sie nur dem Kontext dient … So dauert es ein paar Seiten, bis man sich einigermaßen zurecht findet und die Bedeutung beurteilen kann.

Der Roman liest sich gut an und inszeniert den Beginn eines Abenteuers, das der Leser nun gelöst haben möchte. Dabei lässt sich leicht erkennen, dass die Autoren größten Teils aus dem Lager der Episodenromanschreiber/-leser kommen, denn von Aufbau und Erzählcharakter erinnert zumindest dieser erste Roman an eine weltbekannte, jahrzehntelang erfolgreiche und von monströsen Ausmaßen befallene Science-Fiction-Serie (mit der SunQuest natürlich inhaltlich keine Gemeinsamkeiten hat, um das deutlich zu machen). Der Vergleich bezieht sich ausschließlich auf die oben genannten Charakteristika!

Ein wichtiges Attribut ist die grundlegende Einführung eines Rätsels, mit dem die Leserschaft gefangen werden soll. Das gelingt diesem Roman ausgezeichnet, denn wer begnügt sich als Leser (und damit als gieriger Konsument) gern mit den ersten von zwölf Kapiteln einer Geschichte? Bleibt natürlich die persönliche Frage an jeden einzelnen Leser, ob er sich in eine Serie ziehen lassen will oder lieber unabhängige Romane liest.

Unzweifelhaft nutzen die Autoren von SunQuest den Raum, um ihr Universum auszugestalten und mit einer spannenden, unterhaltsamen Geschichte zu füllen. Die Charakterisierung der Protagonisten gelingt mal besser, mal schwächer, und so gewann die Geschichte enorm von der Einführung der fremdartigen Wesen, die stets in Fünfergruppen agieren bis auf ihr – was? Maskottchen? – „Nur-Eins“, dessen Name schon seine Individualität anzeigt. Hier bin ich gespannt, wie sich die Geschichte weiterentwickelt. Mit diesem Aspekt aus dem zweiten Teil des Romans verlagert sich der Schwerpunkt auch ein wenig von der üblichen Fantasygeschichte einer Gruppe reizender Frauen hin zu faszinierenden Schöpfungen und fremdartigen Intelligenzen.

Insgesamt bedient sich der Roman durchaus alter Ideen, wie die Kommunikationsschwierigkeit als Auslöser eines Vernichtungskrieges oder die Anreicherung übernatürlicher Energien in Einzelpersonen mit dem Effekt, dass diese Personen zu Schlüsselfiguren in weitreichenden, geradezu kosmischen Geschehnissen werden. Doch die erzählte Geschichte ist unterhaltsam und entwirft eine spannende Welt, deren Ausbau sich lohnt zu verfolgen.

Broschiert: 240 Seiten
ISBN-13: 978-3927071278

http://www.fabylon-verlag.de/

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Steinhauer, Olen – Tourist, Der

_Das geschieht:_

Noch vor sechs Jahren galt Milo Weaver als einer der besten „Touristen“ im Dienst des US-Geheimdienstes CIA: ein Troubleshooter, der um die ganze Welt reiste und Terroristen, Verräter und andere Feinde des „Imperiums“ (wie patriotische Spitzel die USA gern nennen) entlarvte und eliminierte. Ausgebrannt und bei einem fehlgeschlagenen Einsatz schwer verletzt, gab Weaver die Arbeit an der Agentenfront auf, übernahm einen Schreibtischposten, heiratete und wurde der mit in die Ehe gebrachten Tochter ein guter Vater. Nur noch selten wird Weaver von seinem Chef Tom Grainger eine heikle Mission anvertraut.

Das ändert sich, als ein alter Feind den Kontakt zu Weaver sucht. Der „Tiger“ ist ein international aktiver Killer, mit dem der CIA-Agent mehrfach die Klingen kreuzte. Erwischen konnte Weaver ihn nie, weshalb er darauf brennt, den „Tiger“ zu verhören, als der endlich gefasst wird. Er findet einen todkranken Mann vor, der vor seinem Tod ein monströses Komplott zwischen Terroristen aus dem Nahen Osten und chinesischen Regierungsmitgliedern skizziert.

Bevor er dem nachgehen kann, übernimmt Weaver einen Freundschaftsdienst. In Paris wird Angela Yates, eine ihm gut bekannte Agentin, des Verrats verdächtigt. Weaver glaubt nicht an diese Anschuldigung. Zu seiner Überraschung erfährt er von Yates, dass auch sie gegen den „Tiger“ und seine Hintermänner ermittelt. Kurz darauf ist sie tot – und Weaver muss erkennen, dass sich nicht Burnus-Träger und Diktatoren-Knechte, sondern hochrangige CIA-Angehörige und US-Politiker verschworen haben. Als offenbar wird, dass Weaver im Bilde ist, beginnt eine weltweite Jagd auf den allzu informierten Agenten, der im Kampf um sein Leben noch einmal zur Höchstform aufläuft …

_Das Spiel wird höchstens schmutziger_

Einige Zeit sah es so aus, als habe der Agententhriller sich mit dem Ende der Sowjetunion überlebt. Zu fest schien die Ordnung dieser Welt – hier die USA und ihre Verbündeten, dort die Sowjets und ihre Trabanten – zementiert zu sein, auf deren Fundament auch die Geheimdienste der beiden Supermächte beschäftigungssicher ruhten.

Natürlich war dies ein Trugschluss. Die Welt des 21. Jahrhunderts bietet dem Agententhriller sogar eine noch weit bessere Basis. Als die alten Strukturen in den 1990er Jahren zerfielen, hinterließen sie ein Vakuum, in das neue Kräfte vorstießen. Dahin war damit jegliche Stabilität. Machtverhältnisse wechseln heute oft rasant, weniger denn je wissen die weiterhin aktiven Geheimdienste, wer Freund und wer Feind ist, zumal auch diese Rollen problemlos wechseln können.

Eines blieb ohnehin unverändert: der Wille besagter Geheimdienste, wie bisher hinter den Kulissen zu schalten, wie sie es für notwendig halten. Zwischen der ‚offiziellen‘ Politik – hier ist vor allem die eigene Regierung gemeint – und dem Geheimdienst herrscht traditionell keine Liebe. Gesetze und Regeln sind dem Agentengeschäft hinderlich und werden deshalb ignoriert. Leider wollen nicht alle Politiker, die Justiz und die Medien einsehen, dass hässliche Handlungen notwendig sind, um dem Gegner voran zu bleiben. Deshalb agieren Geheimdienste am liebsten isoliert.

Für die CIA erwies sich der Terroranschlag vom 11. September 2001 als Glücksfall. Bis zu diesem Zeitpunkt sah es düster für den Geheimdienst aus, der vor allem durch Unfähigkeit auffiel und sich harter Kritik und ständigen Budgetkürzungen ausgesetzt sah. Mit dem „patriot act“ entfiel die Notwendigkeit, sich an Gesetze und moralische Regeln zu halten: Die Feinde des „Imperiums“ mussten in Schach gehalten werden!

_Geheimdienst modern: Niemand ist sicher_

Die Phase der Neuorientierung unter Besinnung auf alte Untugenden bildet die Kulisse für die Abenteuer eines sehr modernen Geheimagenten. Milo Weaver, der sich als leicht in die Jahre gekommener und am Schreibtisch etablierter Beamter betrachtet, gerät in den Sog eines Gewerbes, dessen Führungskräfte sich einerseits politisch nach allen Seiten absichern, während sie andererseits ihre Mitarbeiter wie Büromaterial verbrauchen: Neue Kräfte lassen sich problemlos rekrutieren, und die Nackenschläge einer globalisierten Gegenwart treffen nur jene, die sich nicht dagegen wehren können.

Patriotismus ist zu einem gern benutzten aber fadenscheinigen Feigenblatt geworden. Die Tom Graingers, die ihre Agenten zum Wohle der USA opferten, wurden ersetzt durch eine CIA-Generation, die vor allem ihre Pfründen und Privilegien sichert. Sie können sich auf ähnlich moralfreie Politiker und Wirtschaftsmagnaten verlassen, denen die Interessen des eigenen Landes sekundär sind. Jenseits einer Welt mit grenzfixierten Staaten haben längst vage konstruierte, sehr flexibel reaktionsfähige Interessenkonglomerate das Sagen. In einem nächsten Schritt gehen deren Angehörige selbst in die Politik, wobei sie ganz selbstverständlich die kriminellen Methoden zum Einsatz bringen, derer sie sich immer bedienten. Loyalität, Verrat, Zusammenarbeit, Beruf und Privatleben: Die Grenzen haben sich aufgelöst. Jeder belügt und bespitzelt jeden.

_Vom Auge des Sturms direkt in dessen Wirbel_

Das ist die Lektion, die Milo Weaver in diesem ersten Band einer neuen Thriller-Serie im Schnelldurchlauf lernen muss. In der ‚alten‘ CIA hat er seinen Job gelernt, dabei fast sein Leben gelassen und sich den Zeitläuften angepasst – so meinte er, denn tatsächlich ist ihm die Brutalisierung der Agency so lange nicht bewusst geworfen, wie er von ihren Folgen unbehelligt blieb. Stattdessen erfreute er sich der zur Selbstverständlichkeit gewordenen Vorteile. Der Glamour der James-Bond-Filme ist zwar fern, aber Agenten verfügen im Einsatz ein beachtliches Spesenkonto. Sie reisen um die Welt und steigen in feinen Hotels ab. Anders ausgedrückt: Sie sind den Beschränkungen des normalen Arbeitnehmers enthoben. Dieser Aspekt ist es, auf den Weaver nicht verzichten möchte.

Dennoch hat er sich seine als allein agierenden „Tourist“ erworbene Unabhängigkeit bewahrt. Weaver ist kein Soldat, der sich verheizen ließe. Als er es notwendig findet, bietet er dem Apparat die Stirn. Das ist sicherlich kein innovatives Spannungskonzept, aber es funktioniert, weil Olen Steinhauer die Grundprinzipien beachtet: Auf der einen Seite steht der übermächtige Gegner, der als solcher geschickt aufgebaut wurde, auf der anderen das einsame, verloren scheinende Individuum, das dennoch den Kampf aufnimmt. Selten bestimmt offene Gewalt das Geschehen, sondern ein Spiel der Tricks und Täuschungen. Weaver ist schlau – so schlau, dass er sich schließlich in die Höhle des Löwen wagt und darin umzukommen scheint.

Welches Spiel treibt Weaver? Steinhauer lässt uns im Dunkeln tappen. Milo ist Opfer und Täter; die Rolle wechselt rasend schnell und mehrfach. Vor allem in der zweiten Hälfte löst sich Steinhauer zeitweise von seiner Figur, deren Beweggründe dadurch verschwommen bleiben. Die daraus resultierende Unsicherheit schürt die Spannung, zumal der Autor das Heft fest in der Hand hält und seine Leser geschickt an den Nasen herumführt. Dass der Faktor Zufall zusätzlich mitspielt, lässt die Ratlosigkeit noch wachsen.

_Startschuss ohne Schalldämpfer_

Im Finale von „Der Tourist“ hat Weaver gleichzeitig gewonnen und alles verloren. Damit wird er zur idealen Figur für eine Serie, die ihn in weitere Agenten-Intrigen verwickeln wird. (Hoffentlich) wohldosierte Einschübe eines desolaten Privatlebens werden ihr jene Tiefe verleihen, die Literaturkritiker und seifenopergestählte Leser/innen neben temporeicher Action gleichermaßen verlangen. Im Verlauf dieses Debüt-Abenteurers hat sich Steinhauer trotz der rasanten Handlung die Zeit genommen, entsprechende Bolzen einzuschlagen, an denen sich solche Verwicklungen verankern lassen. Weavers Gattin ist kein Anhängsel, das von Zeit zu Zeit gerettet werden muss, sondern recht selbstbewusst. Darüber hinaus deutet Steinhauer an, dass die gute Tina nicht zufällig dort war, wo Milo sie unter turbulenten Umständen kennenlernte. Die Erwartungen sind hoch, wenn es mit „The Nearest Exit“ weitergeht!

_Der Autor_

Olen Steinhauer (geb. am 21. Juli 1970) wuchs im US-Staat Virginia auf. Er studierte Englisch an der University of Texas in Austin sowie am Emerson College in Boston. Im Rahmen eines Fulbright Forschungsstipendium konnte er 1999 für ein Jahr nach Rumänien reisen.

Die in dieser Zeit recherchierten Fakten und die im Ausland gemachten Erfahrungen flossen in Steinhauers schriftstellerische Arbeit ein. „The Bridge of Sighs“ wurde der Auftakt einer Serie von Thrillern, die vor der Kulisse eines fiktiven (und namenlos bleibenden) osteuropäischen Landes die Geschichte des Kalten Krieges in den Jahren 1948 bis 1989 rekonstruiert. Die fünf zwischen 2003 und 2007 erscheinenden Bände dieser Serie wurden für zahlreiche Preise nominiert und mehrfach ausgezeichnet.

2009 veröffentlichte Steinhauer den ersten Band einer Trilogie von Spionage-Thrillern, in deren Mittelpunkt der von den Zeitläuften gebeutelte Geheimdienst-Agent Milo Weaver steht. „Der Tourist“ wurde nicht nur im US-amerikanischen Sprachraum ein Bestseller, sondern markierte auch Steinhauers internationalen Durchbruch; der Roman erschien in 20 Sprachen. Auch Hollywood wurde aufmerksam; das Studio Warner Brothers erwarb die Filmrechte an „Der Tourist“, und für die Titelrolle wurde George Clooney engagiert.

Mit seiner Familie lebt Olen Steinhauer in Budapest. Er ist nicht nur als Schriftsteller tätig; so übernahm er für das Wintersemester 2009/10 eine Gastprofessur für Literatur am Institut für Amerikanistik der Universität Leipzig.

Über seine Arbeit informiert Olen Steinhauer auf seiner Website: http://www.olensteinhauer.com.

_Impressum_

Originaltitel: The Tourist (New York : St. Martin’s Minotaur 2009)
Deutsche Erstausgabe (geb.): Januar 2010 (Wilhelm Heyne Verlag)
Übersetzung: Friedrich Mader
543 Seiten
EUR 19,95
ISBN-13: 978-3-453-26610-0
http://www.heyne.de

Frank Herbert – Die Kinder des Wüstenplaneten (Hörbuch)

Frank Herberts „Wüstenplanet“ ist unbestreitbar eine der bekanntesten und faszinierendsten Schöpfungen, die die moderne Literatur hervor gebracht hat. Lübbe Audio verlegt nun die einzigartige Romanreihe in ungekürzter Lesung – ein enormes Projekt mit umfangreichem Ergebnis, denn allein dieser dritte Teil der Reihe umfasst siebzehn silberne Scheiben. Aber es lohnt sich!

Nach Paul Muad’dibs Weggang wachsen seine Kinder, die Zwillinge Ghanima und Leto II., in der Obhut Alias und Stilgars, eines Naib der Fremen, auf. Derweil verwaltet Alia das Imperium im Namen der Kinder ihres Bruders, doch mehrt sich der Widerstand gegen sie und ihre absolutistische Priesterschaft, die aus Muad’dib einen gottgleichen Helden machen.

Die Zwillinge, beide gleich Alia Vorgeborene und damit im Besitz aller Erinnerungen und Erfahrungen ihrer Vorfahren, suchen nach einem Weg, ihrer Bestimmung gerecht zu werden, denn mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten besitzen sie die Macht, die Menschheit vor dem Untergang zu beschützen und statt dessen in eine Zukunft zu führen, die ihr das Überleben sichert. Dabei leben die Zwillinge in der steten Sorge, gleich ihrer Tante den „Inneren Leben“, wie sie ihre Vorfahren nennen, anheim zu fallen und zu „Abscheulichkeiten“ zu werden. Bei Alia mehren sich die Anzeichen ihrer Besessenheit, bis nicht nur die Kinder, sondern auch ihr Ehemann Duncan Idaho und ihre Mutter, die Bene Gesserit Lady Jessica, die leere Hülle durchschauen und in ihr den größten Feind der Familie Atreides erkennen, der sich Alias bemächtigt hat.

Jessica selbst und hinter ihr die Bene Gesserit verfolgen eigene Ziele, um wieder in den Besitz des Erbguts und der Macht über die Zwillinge zu gelangen. Das Haus Corrino, das vormals den Imperator stellte, sucht nach Wegen, die Macht zurück zu erlangen, und die Gilde der Navigatoren sowie andere mächtige Parteien ringen um Einfluss auf Arrakis und den Zugang zur Melange, dem Gewürz, das einzig auf Arrakis, dem Wüstenplaneten, zu gewinnen ist und zum Beispiel den Navigatoren ihre Fähigkeiten verleiht. Die Intrigen von allen Seiten spitzen sich zu, bis ein Anschlag auf das Leben der Zwillinge nur knapp abgewehrt werden kann und Ghanima alle Welt überzeugt, Leto sei ein Opfer des Attentats geworden. Nun trennen sich die Wege der Unzertrennlichen, denn sie verfolgen den einzigen Weg, den ihnen eine Vision ihres Vaters Paul Muad’dib zeigte: Den Goldenen Pfad …

Die Geschichte des Wüstenplaneten, ihre Idee und der Inhalt schon sind faszinierende Details, doch was sie einzigartig macht, ist das Genie, mit dem Frank Herbert seine Sage erzählt. Mit Blick auf heutige Romane würde man Herberts Bücher fast als langatmig und ruhig dahin plätschernd bezeichnen, doch nur, weil heutige Romane meist von Action, coolen Agenten, Explosionen und schönen Frauen dominiert werden. Herbert belebt seine Figuren und seine Geschichte auf andere Art: Er lässt sie reden und tiefgründige Gedanken wälzen. Die Diskussionen seiner Protagonisten sind niemals trivial oder dienen allein der Unterhaltung, sie zielen immer auf Erkenntnisse und haben einen heute schwer anzutreffenden Tiefgang. Die wenigen Kämpfe, die Herbert in diesem Roman ausfechten lässt, handeln nicht von langen Schlagabtauschen mit verrückten Finten oder großkalibrigen Waffen, sondern sie finden vor allem im Geist der Betroffenen statt. Die ausgeführten Bewegungen erscheinen dagegen wirklich einfach, doch kommt auch hier kein unbefriedigender Eindruck zu Stande, denn diese Bewegungen sind erst das Ergebnis des geistigen Schlagabtauschs und Ausdruck des Überlegenen. Auch wenn Herbert nicht immer den geistig Überlegenen auch körperlich überleben lässt …

Leto Atreides wirft das Andenken Muad’dibs von seinem Sockel, wenn auch mit Hilfe eben diesen, doch rührt es ein wenig schmerzlich an, wenn der Held der beiden ersten Bände nun erneut auf seinen Sohn trifft und diesem nicht nur unterlegen ist, sondern auch mit seiner Opferbereitschaft nicht gleichziehen kann. Doch hier sehen wir, dass Herbert die Sentimentalität zu seinen Protagonisten immer zu Gunsten der Geschichte ignoriert und damit auch immer für überraschende Wendungen gut ist. Wir erhalten durch Letos Visionen und Gedankengänge einen ersten Einblick in die Zukunft – nicht nur der Menschheit, sondern auch der Romanreihe, deren nächster Titel „Der Gottkaiser des Wüstenplaneten“ bereits die Richtung andeutet. Ghanima dagegen, die zwar eine starke Persönlichkeit ist, aber im gesamten Roman weit hinter Leto zurück bleibt, wird sicherlich auch im weiteren Zyklusverlauf schneller verblassen als ihr Bruder.

In Szenenwechseln beleuchtet Herbert verschiedene Handlungsebenen, die sich meist in Intrigen und gegenseitiger Beeinflussung winden und aus denen nur die überlegenen Geister erfolgreich hervorgehen. Und so entsteht ein komplexes Bild der galaktischen Abhängigkeiten und unterschiedlichen Zielen aller wichtigen Machtgruppen oder Einzelpersonen, das sich immer mehr verwebt und schließlich doch nur ein winziges Teil im großen Plan von Leto II. darstellt, beziehungsweise gegen seine eigenen Vorstellungen keinen Bestand hat und sich ihm beugen muss.

Der Hörer, der sich inzwischen an die Eigenschaften des Wüstenplaneten Arrakis gewöhnt hat, muss mit Entsetzen feststellen, dass die von Liet Kynes angestrebten Umweltveränderungen langsam greifen und auf Arrakis das Grün auf dem Vormarsch ist – bleibt der Titel der Reihe weiterhin gerechtfertigt oder müssen wir uns in Zukunft, so wie auch Leto es prognostiziert, ohne Sandwürmer durch die saftigen Wiesen des Planeten schlagen?

Die Umsetzung als Hörbuch zeugt von großer Professionalität und ist angenehm und eindringlich zu hören. Simon Jäger als Leser des eigentlichen Romans verfügt über eine enorme Modulationsfähigkeit der Stimme, so dass er der Stimmung und der Unterschiedlichkeit seiner Protagonisten mehr als gerecht wird. Mit ihm als Leser gewinnen die aufwühlenden Gedanken Herberts große Klarheit und es ist ein wohliges Gefühl von Großartigkeit, ihm zuzuhören.

Etwas anders Marianne Rosenberg. Sie trägt die einleitenden Auszüge vor, die Herbert seinen Kapiteln als Auszüge aus Artikeln, Chroniken oder Tagebüchern oder Briefen voran stellt. Im gedruckten Roman heben sich diese Auszüge durch Schrägstellung der Schrift ab, so dass die Wahl eines separaten Lesers hierfür durchaus gerechtfertigt ist. Rosenberg trägt die Artikel jedoch in unglücklicher Betonung vor, so dass man recht angestrengt zuhören muss, um die oft komplexen Sätze richtig zu verstehen.

Trotz des Umfangs ein Hörbuch ohne Längen, uneingeschränkt ein Genuss, ein wichtiger und faszinierender Teil von Herberts Meisterwerk. Sehr hörenswert, vor allem, da es eine ungekürzte Fassung ist.

17 Audio-CDs
1166 Minuten
Sprecher: Jäger, Simon; Rosenberg, Marianne
ISBN-13: 978-3-7857-3805-4

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Kaul, Johannes – Höhenrausch und Atemnot

Das Extrembergsteigen hat sich in den letzten zwei Dekaden kontinuierlich und immer mehr zum Volkssport entwickelt. Die riesigen Giganten im Himalaya sind längst keine unbezwingbaren Illusionen mehr, die 8000er haben sich gleichermaßen vom puren Phantasiegebilde in erreichbare Kultgipfel verwandelt. Und da man auch als leicht trainierter Hobby-Alpinist problemlos in die für europäische Verhältnisse enormen Höhen aufsteigen kann, haben sich in besagter Zeit viele Mythen schleppend aber doch effektiv in Luft aufgelöst.

Ein Berg, für den diese Form der Vermarktung mehr als jede andere zutrifft, ist sicherlich der Kilimandscharo, kurz Kibo, den vor ungefähr 30 Jahren höchstens drei Personen jährlich zu besteigen wagten. Heute ist er zum Zentrum eines eigenartig ausgelegten Massentourismus geworden, welcher mit 25.000 Mensche in jedem Jahr mehr Leute anzieht als einige namhafte Gipfel im Gebiet der Alpen. Dass der Kilimandscharo deshalb aber längst kein Berg ist, den man im spielerischen Alleingang meistern kann, steht außer Frage, und wird von ARD/WDR-Reporter Johannes Kaul in seinem Erlebnisbericht noch einmal mit vielen schlagkräftigen Argumenten und einschlägigen Erfahrungen untermalt.

Dabei stellt sich aber erst einmal die Frage, ob Kaul lediglich ein weiterer Hobby-Schreiber ist, der dieses Medium nutzt, um sich und seinen Gipfelerfolg abzufeiern. Der Markt boomt, und gerade weil der Kibo einer jener Berge ist, der diesbezüglich immer mal wieder gerne in Augenschein genommen wird, ist eine gewisse Skepsis durchaus angebracht. Bei 25.000 Besteigungen jährlich erscheint die Leistung Kauls bei allem Respekt nämlich nicht mehr ganz so grandios wie beispielsweise in den Himalaya-Tagebüchern einer Gerlinde Kaltenbrunner.

Doch „Höhennot und Atemrausch“, so der Titel des Buches, ist weitaus mehr als das Tagebuch eines medienpräsenten Menschen, der seine Expedition für wichtig genug hielt, sie auch in literarischer Form abzufassen. Es ist gleichzeitig die Dokumentation eines ausgefallen TV-Projekts, dessen Ziel darin bestand, als erster Trupp live von der Gipfelbesteigung des höchsten Berges in Afrika mit der Kamera zu berichten. Ferner ist es ein in eindringliche Worte gefasster Motivationsschub für die ältere Generation, da der weniger sportliche Kaul zeigt, dass man mit einem bekämpften inneren Schweinehund und einer Menge Willenskraft und Entschlossenheit selbst vermeintlich unerreichbare Ziele wie etwa diesen knapp 6000m hohen Berg erreichen kann. Immerhin ist der Autor des Buches zum Zeitpunkt der Besteigung schon stolze 67 Jahre alt.

Als Letztes ist „Höhennot und Atemrausch“ aber auch eine sehr persönliche Analyse der Vorgänge am Kilimandscharo, angefangen bei den manchmal recht dramatischen Background-Storys der Träger, über den Umgang mit Leichtsinn, Überheblichkeit und Fehleinschätzungen in den Gipfelregionen, bis hin zur sehr authentischen Umschreibung der Aufstiegsbedingungen und den eher bedenklichen hygienischen Zuständen vor Ort. Kaul erlebt seine Expedition durchaus als Abenteuer, bleibt aber dennoch kritisch und setzt bei seinen kleinen Sticheleien auch auf politischer Ebene an. Die Frage danach, wohin das Geld wandert, das der Nationalpark dank seiner enorm hohen Besucherzahlen Jahr für Jahr einfährt, steht vornan. Ebenso hinterfragt der Autor das Trägersystem, welches für die Beteiligten Geringverdiener alles andere als gesundheitsförderlich ist, das gleichzeitig aber auch viel zu schlecht von Seiten der Regierung Tansanias unterstützt wird.

Und dann – und dieser Einblick gefällt mitunter am besten – nutzt der Autor am Ende seine Position als Reporter immer wieder, um den Menschen in der direkten Umgebung einige persönliche Geschichten zu entlocken und ihr Leben am Berg bzw. mit dessen religiösen Verbindungen besser zu verstehen. Als Kaul beispielsweise eine Frau anspricht, deren Sohn als Träger an der Höhenkrankheit umgekommen ist, erfährt man aus erster Hand, dass die Besteigung des Kilimandscharo bei weitem nicht so glanzvoll arrangiert ist, wie man es in der ersten Euphorie gerne mal beschreibt. Ebenso häufig bringt der Berg nämlich auch seine Schattenseiten hervor und stellt den Wahn, der mittlerweile um ihn und seine kontinuierlich schmelzende Gletscherfläche betrieben wird, deutlich in Frage.

Dennoch: „Höhennot und Atemrausch“ bleibt in erster Linie ein Erfahrungsbericht, der trotz der geringen Seitenzahl sehr detailliert ist und die Route zum Gipfel viel transparenter darstellt, als man es in vergleichbaren Titeln bislang lesen konnte. Kaul spart auch nicht an Kleinigkeiten und gibt einem gerade im letzten Drittel des Buches das Gefühl, leibhaftig an diesem Trek teilgenommen zu haben.

Der letzte Punkt, der noch lobenswert hervorgehoben werden muss, ist die sehr praxisnahe Aufstellung des logistischen Aufwandes für einen solchen Trip. Die Vorbereitungen in der Heimat werden in diesem Zusammenhang in aller Ausführlichkeit angeschnitten, weiterhin wird aber auch mit Informationen nicht gespart, welche die nötige Ausrüstung für eine solche Mammuttour betreffen. Man gewinnt einfach schnell eine Vorstellung davon, was das Abenteuer Kilimandscharo bedeutet, was an persönlichem Einsatz erforderlich ist und welche Grundvoraussetzungen mitzubringen sind, um das Wagnis einzugehen, es mit dem Berg der Götter aufzunehmen – und letzten Endes ist es ja auch gerade das, was man in einem solch abenteuerlich präsentierten Erlebnisbericht lesen will.

Ergo: „Höhenrausch und Atemnot“ ist informativ auf der einen, unterhaltsam auf der anderen Seite, darüber hinaus mit vielen persönlichen Anekdote geschmückt und in Sachen Erzählatmosphäre in diesem Genre eine absolute Bereicherung. Nicht nur passionierte Alpinisten sollten daher dringend mal einen Blick riskieren; denn was man aus diesem Buch mitnehmen kann, ist in der Summe schon eine ganze Menge!

|Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
ISBN-13: 978-3517085425|
[südwest-Verlag]http://www.randomhouse.de/suedwest/verlag.jsp?men=537&pub=32000

Interview mit Lea Korte

_Buchwurm.info:_
Hallo, Frau Korte, wie geht es Ihnen, wo sind Sie gerade und was machen Sie?

_Lea Korte:_
Wie es mir geht, hat mich in einem Interview noch nie jemand gefragt – ich finde das sehr nett! Danke, es geht mir gut – wie auch nicht, wo der Frühling endlich zu seinem Recht kommt! 🙂 Ich bin in Spanien, wo ich seit fast zwanzig Jahren lebe, und ich plane einen neuen Roman, was immer sehr aufregend ist!

_Buchwurm.info:_
Unsere Leser bei |Buchwurm.info| kennen Sie vielleicht noch nicht so gut. Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen?

_Lea Korte:_
Ich bin Jahrgang ’63, verheiratet, habe zwei Kinder (9 und 13), einen (reichlich!) verrückten Hund und eine schwarze Katze, die auch nicht viel normaler ist. Alles andere würde aber wahrscheinlich auch nicht zu uns passen. 😉

Mancher fragt sich nach meiner Anmerkung oben sicher, wie ich nach Spanien gekommen bin. Nun, mit zwölf war ich mit meinen Eltern zum ersten Mal am spanischen Mittelmeer und habe damals ganz naiv beschlossen, dass ich später dort leben will – und das „Später“ sollte nicht erst im Rentenalter sein. Mit dem Schreiben war es ähnlich: Das war auch so ein früher, höchst naiver „Beschluss”, weil ich von den „Buddenbrooks“ so begeistert war. Dass später beides geklappt hat, zeigt, dass man seine Kinderträume manchmal doch in die Tat umsetzen kann.

Ja, ich schreibe Romane, derzeit vor allem historische Romane, und ich bleibe sicher auch dabei, denn die haben mich richtig gepackt. Mein Thema ist – wie sollte es anders sein – die spanische Geschichte, die voller Dramatik und spannender Geschichten ist – die ideale Grundlage also für Romane!

Lesen und Schreiben sind für mich sehr wichtig, so wichtig, dass ich darüber schon mal das eine oder andere vergesse, was man besser nicht vergessen sollte. 😉 Und seit ich mit den historischen Romanen angefangen habe, fesselt mich das Schreiben sogar noch mehr.

Wer noch mehr über mich und meine Arbeit wissen möchte, findet auf meiner Webseite http://www.leakorte.com und auf meinem Blog http://www.leakorte.wordpress.com ständig neue Informationen.

_Buchwurm.info:_
Wie kamen Sie zum Schreiben und was fasziniert Sie besonders am Genre des historischen Romans?

_Lea Korte:_
Zum Schreiben kam ich einmal, weil ich mich in die Figuren von Thomas Mann verliebt habe. Man kann sie laufen, gehen, weinen SEHEN – und dass man dies nur mit Worten erreichen kann, hat mich fasziniert. Gleich nach dem Studium habe ich ganz ernsthaft mit dem Schreiben begonnen und hatte das große Glück, auf Anhieb einen Agenten zu finden, mit dem ich auch heute noch zusammenarbeite und dank dessen Vermittlung ich inzwischen sieben Bücher veröffentlicht habe.

Früher habe ich unter anderem Pseudonym sogenannte Frauenromane geschrieben, wobei der letzte eigentlich schon eher ein Entwicklungsroman war. Aber ich wollte irgendwie „mehr“. „Nur“ Geschichten zu erzählen war mir irgendwann zu wenig. Und so kam ich zu den historischen Romanen. Mein Ziel ist dabei, Vergangenem neues Leben einzuhauchen. Bei „Die Nonne mit dem Schwert“ habe ich Catalina de Erauso, die im 17. Jahrhundert wirklich gelebt hat, ihre Geschichte erzählen lassen; bei [„Die Maurin“ 6248 lasse ich die Leser die letzten 15 Jahre der Reconquista im 15. Jahrhundert anhand der Geschichte der (fiktiven) Zahra as-Sulami miterleben.

_Buchwurm.info:_
Worum genau geht in „Die Nonne mit dem Schwert“ und was hat Sie an diesem Thema besonders interessiert?

_Lea Korte:_
„Die Nonne mit dem Schwert“ war mein erster historischer Roman, der auf der Autobiografie von Catalina de Erauso beruht, also in großen Bereichen wahr ist. Das Mädchen war von seinen Eltern – gegen seinen Willen – ins Kloster gesteckt worden. Eines Tages ergibt sich für sie die Möglichkeit zu fliehen, die sie natürlich sofort wahrnimmt. Doch als Mädchen hat sie „draußen“ kaum Überlebenschancen. Sie stiehlt sich die Kleider eines Jungen, schneidet ihr langes Haar ab – und lebt fortan als Junge.

Im Gegensatz zu den „Hosenromanen“ haben wir es hier mit einer wahren Geschichte zu tun, in der man überdies sehr viel von der Geschichte der damaligen Zeit mitbekommt: Es ist die Zeit der Eroberung Südamerikas durch die Spanier, die Zeit der Inquisition – und die Kirche hat es Frauen damals verboten, das Haar „nach Sklavenart kurz geschoren“ und Männerkleider zu tragen. Kurz zuvor war Johanna von Orleans unter eben diesem Vorwand in England auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Und auch Catalina schwebt in ständiger Gefahr … Ihre Autobiografie trägt den Titel „Die Nonne Fähnrich“ – so dass man schon ahnen kann, was zumindest einen Teil ihres mehr als aufregenden Lebens ausmacht … Aber mehr will ich hier nicht verraten.

Für mich war es sehr spannend nachzuempfinden, wie sich Catalina nach der Flucht aus dem Kloster gefühlt haben muss. Ihre Verlorenheit, ihre Ängste – und den Mut, den sie finden musste, ihr Leben – und ein gefahrvolles noch dazu! – künftig allein zu meistern. Catalina de Erauso war in meinen Augen eine wirklich bemerkenswerte Frau!

_Buchwurm.info:_
Warum nehmen Sie an, dass dieses Thema auch heutige Leser besonders interessieren könnte oder sollte?

_Lea Korte:_
Catalina war eine Frau, die sich nicht mit der ihr vorgegebenen Rolle zufrieden geben wollte. Auch heute werden wir noch oft genug in Rollen gedrängt – und das hat mit Emanzipation gar nichts zu tun. Es sind die Erwartungen anderer, die uns eingrenzen – wenn wir es zulassen. Catalina hat beschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen, allen Gefahren zum Trotz. Ich finde, es ist eine Geschichte, die Mut macht, dass wir auch heute unser Leben selbst in die Hand nehmen sollten, egal, was andere denken.

_Buchwurm.info:_
Ihr neuestes Buch ist [„Die Maurin“. 6248 Worum geht es darin und was war für Sie von besonderem Interesse an diesem Thema?

_Lea Korte:_
„Die Maurin“ spielt zu einer Zeit, die meine historische Lieblingsepoche ist: dem Ende der Reconquista. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Spanien, wie wir es heute kennen, noch sehr jung ist. Im 15. Jahrhundert existierte es noch nicht. Es gab es nur Kastilien, Aragón, Navarra – und Al-Andalus. Und in Al-Andalus regierten keine „Spanier“, sondern die Mauren, Muslime, die einst von den arabischen Ländern in Afrika gekommen waren und die dort zum Zeitpunkt meines Romans schon seit 700 Jahren herrschten.

Mich reizte vieles an dem Thema, aber vor allem die Konflikte zwischen Christen und Muslimen.

Zahra as-Sulami ist eine junge Frau, die zwischen diesen beiden Kulturen groß wird: Ihr Vater ist ein maurischer Adliger, ihre Mutter Kastilierin. Als Hofdame Aischa, der Sultanin von Granada, erhält sie besonders tiefe Einblicke in die sich zuspitzenden Konflikte zwischen den Mauren und den Kastiliern – und gerät bald sogar mitten zwischen die Fronten, und das mit dem Kopf und mit dem Herz …

_Buchwurm.info:_
Was fesselt den heutigen Leser an dieser Thematik?

_Lea Korte:_
Die Konflikte zwischen Muslimen und Christen sind auch aktuell ein höchst brisantes Thema. Da kann ein Blick in die Vergangenheit schon mal hilfreich sein: Im Maurenreich lebten Christen, Juden und Muslime nämlich über Jahrhunderte (!) friedlich und einvernehmlich zusammen, weil die Mauren in ihrem Reich den Toleranzgedanken groß geschrieben hatten. Ja, wir könnten viel lernen aus dieser Zeit – und es wäre schön, wenn der Roman zumindest einen kleinen Denkanstoß in diese Richtung geben könnte.

_Buchwurm.info:_
Als Erzählerin bleiben Sie in „Die Maurin“ weitgehend neutral. Fiel es Ihnen schwer, sich nicht für die eine oder andere Partei zu entscheiden?

_Lea Korte:_
Nun ja, ein bisschen mehr ist meine Sympathie vielleicht schon bei den Mauren, aber im Großen und Ganzen war es mir wichtig zu zeigen, dass es auf beiden Seiten Menschen gab, die es verdienen, dass man sie achtet, weil sie sich für friedliche Lösungen und ein friedliches und toleranteres Miteinander einsetzten. Es gibt nicht DEN Christen und auch nicht DEN Muslimen. Es gibt – für mich – nur den Menschen, der dahintersteht. Und Menschen (!) gab es auf beiden Seiten.

_Buchwurm.info:_
Greifen Sie bei Ihren historischen Recherchen auf besonders kompetente Quellen wie etwa eine Universitätsbibliothek zurück? Beschäftigen Sie auch gesonderte Forscher?

_Lea Korte:_
Bei „Die Maurin“ hatte ich nicht nur eine Universitätsbibliothek sondern auch ein „wandelndes Lexikon“ zur Unterstützung: Prof. Dr. Jordi Aguadé von der Universität Cadiz, der genau das Thema meines Romans als seinen Forschungsschwerpunkt hat, und seine Frau Laila, die eine Spezialistin für alle Fragen ist, die den Islam betreffen. Beide haben mir während des ganzen Romans beratend und überdies mit großem Elan zur Seite gestanden.

Für mich war es wichtig, nicht nur die Geschichte der fiktiven Zahra as-Sulami und ihrer Familie zu erzählen, sondern zugleich auch die Geschichte dieser letzten 15 Jahre der Reconquista – und das nicht einseitig, sondern mit einem Blick auf beide Seiten: die christlich-kastilische und die muslimisch-maurische.

_Buchwurm.info:_
Sind Sie mit dem Erfolg Ihrer Bücher bislang zufrieden? Welche Publikumsreaktionen haben Sie am meisten gefreut? Welche fanden Sie unverständlich?

_Lea Korte:_
Die Verkaufszahlen für „Die Maurin“ werde ich selbst erst im Herbst erhalten, aber ich weiß, dass „Die Maurin“ schon zwei Monate nach Erscheinen zum ersten Mal nachgedruckt wurde – was ja doch ein Zeichen dafür ist, dass sie sich gut verkauft. Auch „Die Nonne mit dem Schwert“ hat sehr viele Leser gefunden, zumal sie auch im |Club| (Bertelsmann) und bei |Weltbild| als Lizenz herauskam.

Die Leserreaktionen auf „Die Maurin“ sind bisher durchweg sehr positiv, was mich riesig freut. Nach den ersten Online-Leserunden kann ich überdies sagen, dass die Leser sich wirklich in das Buch hereingezogen gefühlt und besonders lobend erwähnt haben, dass ich nicht einfach nur eine Geschichte im Mittelalter erzähle, sondern es mir gelungen ist, der Geschichte der Reconquista mit Zahra neues Leben einzuhauchen, der Roman also Historisches und Fiktives so verbindet, dass der Leser quasi nebenbei und höchst unterhaltend auch noch Geschichtsunterricht bekommt.

Bei [www.amazon.de]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3426502305/powermetalde-21 sind einige der Rezensionen aus den Leserunden zu lesen, die eben diese Kommentare widerspiegeln. Meine Lieblingsrezension ist derzeit wohl die von Rita del’Agnese bei der histo-couch: http://www.histo-couch.de/lea-korte-die-maurin.html. Auf dieser Webseite wurde ich mit der „Maurin“ auch zum „Historikus“ des Monats März gewählt, was mich riesig gefreut hat und ich als besondere Ehre empfunden habe.

Auch anderen Webseiten ist „Die Maurin“ schon positiv aufgefallen: Bei http://www.historische-romane.de war ich im Februar Autor des Monats, bei http://www.lovelybooks.de ist „Die Maurin“ gerade auf Platz 4 der Frühlingsbücher 2010 gelandet und war damit der am besten platzierte historische Roman. Und „Die Maurin“ ist ja erst seit kurzem auf dem Markt. Unverständlich fand ich bisher noch keine Rezension, zumal sie ja bis dato alle erfreulich gut bis supergut waren.

_Buchwurm.info:_
Welchen Interessen und Hobbys widmen Sie sich in Ihrer Freizeit? Engagieren Sie sich auch sozial?

_Lea Korte:_
Mit einer Familie und einer so intensiven Arbeit wie dem Schreiben und Recherchieren für historische Romane ist man gut beraten, wenn die Arbeit zugleich auch Hobby ist. Bei mir ist es so: Auch in meiner „Freizeit“ lese und recherchiere ich. Als Freizeit betrachte ich die Zeit, die ich auf dem Sofa oder am Strand mit Lesen und Korrekturen verbringe, als Arbeit den Teil, den ich in meinem Arbeitszimmer erledige. 😉

Darüber hinaus spiele ich Klavier und unternehme gern etwas mit meiner Familie. Sozial engagiere ich mich vor Ort.

_Buchwurm.info:_
Welches Thema möchten Sie als nächstes aufgreifen?

_Lea Korte:_
Das Thema Muslime-Juden-Christen hat mich ziemlich gepackt, so dass ich wohl auch meinen nächsten historischen Roman in diesem Bereich ansiedeln werde. Auch nach der Reconquista gehen die Konflikte nämlich weiter, und eigentlich wird es dann sogar noch spannender! Genaueres aber weiß ich noch nicht, weil dies noch mit dem Verlag besprochen werden muss.

_Werkverzeichnis:_

1) Die Maurin, Droemer Knaur, Februar 2010
2) Die Nonne mit dem Schwert, Droemer Knaur, April 2007
3) Das steinerne Auge. Historischer Episodenroman.

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Camilla Läckberg – Die Totgesagten

„Schwedens erfolgreichste Krimiautorin“ – so betitelt der Verlag die junge Frau, deren Foto den Schutzumschlag ziert. Und da Schweden ein ausgesprochen interessantes Land ist, konnte ich nicht umhin, mir den vorliegenden Roman zu gönnen. Jetzt muss er nur noch halten, was da so großartig versprochen wird.

Im kleinen Ort Tanum bekommt die Polizei Verstärkung durch die junge, hochqualifizierte Hanna Kruse. Ihr erster Einsatz: Zusammen mit dem Mittdreißiger Patrik Hedström geht es zum Unfallort einer scheinbar alkoholisierten Frau, die mit ihrem Wagen gegen einen Baum fuhr. Patrik kommt die Sache spanisch vor, denn wie alle Angehörigen bezeugen, hat die Frau in den letzten Jahren keinen Tropfen Alkohol angerührt. Dazu kommen merkwürdige blaue Flecken in der Mundgegend, Spuren von Pflaster im Gesicht und wunde Handgelenke …

Tanum wird zu dieser Zeit Schauplatz einer Reality-Soap, bei der die Teilnehmer zugeteilter Arbeit nachgehen, für Unruhe sorgen und sich feiernd und saufend lächerlich machen sollen. Als die „Barbie“ unter den Teilnehmern übel zugerichtet und tot in einer Mülltonne gefunden wird, lastet der Pressedruck auf Patrik und seinen Mitarbeitern, so dass der Fall mit dem vermeintlichen Autounfall vorerst auf dem Stapel landet. Nach langen Tagen der erfolglosen Ermittlungen wird Patrik unangenehm an den ersten Fall erinnert und sortiert die Prioritäten neu, denn mittlerweile steht zweifelsfrei fest, dass auch dies Mord war. Und während er sich mühsam, langsam und teilweise frustriert durch zwei Mordfälle kämpft, muss er seiner Frau die alleinige Organisation ihrer Hochzeit überlassen.

Das sind nicht einmal alle Baustellen, die Camilla Läckberg auf den 416 Seiten einführt und bearbeitet. Der Ärger mit den Produzenten der Soap wird kurz angedeutet, und als erfahrene Leser überrascht es uns nicht, dass die Dreharbeiten trotz Mord nicht beendet werden, ja im Gegenteil die Tragödie noch ausgeschlachtet wird. Die Gutgläubigkeit der Polizisten ist hier eher überraschend und wirkt etwas naiv. Im Zusammenhang mit der medialen Aufmerksamkeit wirft Läckberg in kleinen Schlaglichtern Brocken über einzelne Interessengruppen ein, die manipulierend auf das kleine Dorf einwirken. Der neue Gemeindevorsitzende hat seinen Einfluss im Blick, der Polizeichef ist durch eine Romanze abgelenkt, würde aber auch sonst nicht produktiv an der Aufklärung arbeiten können. Die einzelnen Teilnehmer der Soap sind allesamt verkrachte Existenzen, deren Motivation in unterschiedlicher Tiefe ausgearbeitet wird und die so weitere menschliche Facetten zum Roman hinzu fügen. Die baldige Frau von Patrik ist überlastet mit ihrem Kind, den zwei Kindern ihrer Schwester Anna und den Vorbereitungen für die Hochzeit, während Anna selbst in Depressionen wegen ihres Exmannes versinkt und die Welt außerhalb ihres Kopfes vergisst. Doch Ericas Ex, mittlerweile guter Freund der Familie, findet einen Weg zu Anna und hilft ihr ins Leben zurück, wo sie sich mit fröhlicher Energie in Ericas Hochzeitsvorbereitungen engagiert und ihren Kindern wieder eine Mutter sein kann.

All das (und noch mehr) entwirft ein tief gehendes menschliches Bild der Umstände, in denen Patrik und sein Team ermitteln müssen. Läckberg schildert in rasch wechselnden Abschnitten aus vielen verschiedenen Perspektiven die Entwicklung an jeder Baustelle, wobei sie je nach Spannungskurve der einen oder anderen Handlung mehr Gewicht verleiht. Diese ständigen Wechsel, die auch oft vom eigentlichen Kriminalgeschehen ablenken, abschweifen und der Ausarbeitung des persönlichen Umfelds der Protagonisten dienen, machen den Einstieg in die Geschichte über mehrere zwanzig Seiten schwer, bis man sich an diese Art zu Erzählen gewöhnt hat und sich nicht mehr mit immer wieder neuen Schauplätzen auseinander setzen muss, sondern die einzelnen „Bauarbeiter“ schon kennt. Ab dem Moment verflechten sich die Stränge langsam zu einem stimmigen Bild und bauen die krimitypische Spannung auf, auch wenn Läckberg mit einer Art des buchinternen Cliffhangers arbeitet, der etwas zu oft angewandt wird und gleichfalls übertrieben wirkt. So ist der Leser in seinem Kenntnisstand den Ermittlern meist hinterher, da sie ihre neuen Erkenntnisse am Ende ihres Absatzes für sich behalten, Läckberg einen oder mehrere Sprünge an andere Schauplätze macht und sich erst dann wieder den wichtigen Erkenntnissen widmet. So fühlt man sich als Leser wiederholt gelackmeiert und an der langen Leine verhungert, was in dieser Ausprägung für einen Punktabzug sorgt.

Die einzig mögliche Lösung wird, auch wenn ihre genaue Bedeutung und Entstehung und das große entscheidende WARUM nur durch Erklärung der Autorin klar gemacht werden kann, schon ziemlich früh erahnbar, und wenn man sich die einzelnen Beziehungen verdeutlicht, stößt man schnell auf den Mörder, obwohl immer die Hoffnung (aus der Erfahrung anderer Leseerlebnisse gewachsen) bleibt, dass die Autorin einen an der Nase herum führt und eine gänzlich überraschende Lösung präsentiert. Doch es bleibt, Überraschung!, wirklich nur bei dieser einen Möglichkeit.

Einzelne Fäden, die Läckberg spinnt, offenbar um das Umfeld lebendiger zu gestalten, bleiben im letzten Drittel des Romans nach und nach in der Luft hängen und machen Platz für die immer drängendere Auflösung der Mordermittlungen. Und auch ein wichtiger Knackpunkt, mit dessen Hilfe schließlich bei Patrik die Erleuchtung eintritt, bleibt unerklärt und wirkt daher wie ein „Deus ex machina“, ein Wunder, das sich wohl jeder Ermittler wünscht. Woher kommen die Haare in Barbies Hand?

Da ich die Vorgängerromane nicht kenne, kann ich sagen, dass es zur guten Lektüre und dem Verständnis in keinster Weise nötig ist, alle Romane gelesen zu haben. In einer anderen Rezension steht allerdings geschrieben, dass die Entwicklung der Protagonisten aufeinander aufbauend sei. Von dieser Seite betrachtet leuchtet es auch ein, woher einige dieser leider für die Geschichte weitgehend unwichtigen Erzählebenen stammen (zum Beispiel um Erica oder Mellberg, den Polizeichef) – hier ging es der Autorin offenbar nur darum, bekannte Charaktere nicht völlig zu vernachlässigen und ihnen irgendwie zu neuem Leben im neuen Roman zu verhelfen. Dem Leser, der wie ich die anderen Romane nicht kennt, bedeuten diese Personen nichts außerhalb dieses Romans, weshalb ihre Anwesenheit sich eher negativ auf die Gesamtwertung auswirkt.

Trotz des relativ geringen Umfangs ist „Die Totgesagten“ vollgepackt mit unterschiedlichsten Charakteren und Handlungsebenen, von denen einige zwar das Umfeld beleben, im Endeffekt aber unaufgelöst bleiben und der Geschichte selbst nicht weiterhelfen. Dabei sind alle Bereiche für sich betrachtet höchst unterhaltsam geschrieben, nur ergeben sie ein etwas unruhiges und überladenes Gesamtbild, dem der Rotstift sicher hätte helfen können. Der Zaunpfahl ist zu riesig, als dass man von der Auflösung noch überrascht sein könnte. Trotzdem bietet die Geschichte hervorragende Unterhaltung, ein Widerspruch, mit dem das Buch nun auskommen muss.

Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3471350126
Originaltitel: Olycksfågeln
Katrin Frey (Übersetzer)

Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)

Ange / Varanda, Alberto / Meddour, Fabrice – Legende der Drachenritter, Die – Band 8: Der Chor der Finsternis

_Reihentitel:_

Band 1: [Jaina 3349
Band 2: [Akanah 3585
Band 3: [Das leblose Land 3826
Band 4: [Brisken 4153
Band 5: [Schlossgärten 4749
Band 6: [Jenseits der Berge 5143
Band 7: [Die Sonne wiedersehen 5534

_Story:_

Das Übel breitet sich mit immer größerer Geschwindigkeit und Effizienz über die Länder aus. Seuchen raffen das Volk dahin, eigenartige Kreaturen ergötzen sich am Menschenfleisch, und lediglich der Orden der Drachenritter scheint nun noch Mittel und Wege zu kennen, das schier unvermeidbare Ende der Menschheit und den endgültigen Sieg des Drachen und seiner instrumentalisierten Bösartigkeit abzuwenden.

Ritter Marly, gerade erst 19 Jahre alt und als Jungfrau für diesen Auftrag prädestiniert, soll die sagenumwobene Drachenritterin Krista aufspüren, um die sich bereits die wildesten Gerüchte ranken. Doch die zur Legende erklärte Verschollene bleibt ein Phantom. Und obschon in der Dschungellandschaft, in die Marly entsandt wurde, jeder schon von Krista gehört hat, findet Marly lediglich barbarische Stämme, die die vom Übel dahingerafften Menschen hilflos in den Tod schicken.

Die junge Ritterin vom Drachenorden beginnt zu resignieren, will jedoch nicht wahrhaben, dass es für die verseuchten Mitmenschen keinen anderen Ausweg gibt. Als sie sich während eines weiteren Angriffs der wilden Dschungelkreaturen schließlich ein letztes Mal aufbäumt, realisiert sie erst, von welchem Ausmaß der Schaden bereits ist, den die Drachen und die von ihnen initiierte Krankheit angerichtet haben.

_Persönlicher Eindruck:_

Von Ausgabe zu Ausgabe wird das Autorenduo Ange wieder vor die gleiche, stetig wachsende Herausforderung gestellt, wie man mit den unabhängigen Geschichten zum Serienepos „Die Legende der Drachenritter“ neue Wege beschreiten, gleichzeitig dem bisherigen Handlungskonzept noch neue Impulse verschaffen kann. Es gab stille, intrigante, heimtückische, zuletzt auch blutrünstige Episoden um den Orden der jungfräulichen Ritter, selten jedoch auch Kapitel, in denen die tatsächliche Jagd nach den Drachen bzw. die Herkunft des Übels genauer angeschnitten wurden.

In der vorliegenden, inzwischen bereits achten Ausgabe ändert sich daran grundlegend nichts. Allerdings ist die Seuche diesmal zentrales Thema und für die illustrative Präsentation des aktuellen Bandes der heimliche Ideengeber. Die beiden Autoren haben sich eingehend damit beschäftigt, wie man einen Link zwischen der Hauptstory und den Erscheinungsformen dessen, was die Folge des Konflikts zwischen Drachen und Menschen beschreibt, erstellen kann und dabei einen sehr beklemmenden, letzten Endes aber ganz klar überzeugenden Weg gewählt. Und natürlich gibt es im Orden der Drachenritter auch diesmal allerhand Intrigen und Heimlichkeiten.

Erstmals im Laufe der Handlung wird das Tun und Handeln der Titellegenden jedoch ernsthaft in Frage gestellt. „Der Chor der Finsternis“ beschreibt, wie die Position der Drachenritter falsch ausgelegt werden könnte und wirft die inhaltliche Frage auf, ob der Orden überhaupt mit lauten Mitteln spielt oder ob es im Grunde genommen lediglich eine groß angelegte Manipulation ist, die hinter alldem steckt.

Mit der recht naiven Protagonistin Marly, die in ihrer rosaroten Perspektive gar nicht abschätzen kann, welche Grausamkeiten das Gefecht gegen die Drachen in der Zwischenzeit hervorzubringen vermag, hat man eine gewagte Figur in die Mitte gestellt, die das Gewicht der sehr schweren Kost in Band 8 jedoch tragen kann. Sie verkörpert schließlich all die Werte, die eine stille Heldin in dieser Serie verinnerlicht haben soll und wirbt mit unbändigem Willen und der Motivation, das Übel zu richten, für ihren Orden.

Dementsprechend groß ist der Kontrast, den ihre eigentlichen Verbündeten in der Dschungellandschaft aufwerfen, und der schließlich zum lebendigen Kern der Geschichte heranwächst. Hoffnung und Freiheitsdrang auf der einen, Verzweiflung und Selbsterhaltungsdrang auf der anderen Seite bilden auf inhaltlicher Basis den lebendigen Output von „Der Chor der Finsternis“ und ergeben gekoppelt mit der sehr eindringlichen Erzählatmosphäre und den feinen, finsteren Illustrationen ein stimmiges Gesamtpaket, das problemlos das Niveau der bisherigen Folgen aufrecht erhält.

Und dennoch: Dieses Kapitel ist irgendwie anders, von düstereren Stimmungen geprägt, im Bereich der Charaktere gewagter und individueller und handlungsspezifisch betrachtet einfach noch fieser und gemeiner als die Nummern 1-7. Das überzeugt dann gleich doppelt und bestärkt die Hoffnung, dass „Die Legende der Drachenritter“ auch künftig noch eine Menge Überraschungen bereithalten kann. In dieser Verfassung ist die Serie nämlich längst noch nicht am Ende angelangt!

|Graphic Novel: 46 Seiten
Originaltitel: La geste des chevaliers dragons – Le choeur des ténèbres
ISBN-13: 978-3-939823-42-1|
[http://www.splitter-verlag.de/]http://www.splitter-verlag.de/

Mooney, Chris – Enemy

Darby McCormick, die Serienheldin aus Chris Mooneys Büchern, hat in „Enemy“ eine persönliche Tragödie aufzuklären: Den Tod ihres Vaters. Doch nicht nur das. Sie muss sich auch durch ein Geflecht aus Lügen und Intrigen kämpfen – und gerät dabei in Lebensgefahr …

Nach einem anstrengenden Trainingstag beim SWAT-Team der Bostoner Polizei wird Darby zu einem schrecklichen Tatort gerufen. Die Mutter eines dreizehnjährigen Jungen wurde zu Tode gefoltert, während er mit im Raum saß und alles mit angehört hat. Als Darby zum Tatort kommt, stellt sie fest, dass es mehrere Täter gewesen sein müssen – und dass sie noch in der Nähe sind.

Nach einer wilden Schießerei, bei der die Mörder entkommen, fährt die CSI-Ermittlerin ins Krankenhaus, um sich mit dem Jungen zu unterhalten. Der weigert sich zuerst, mit ihr zu sprechen. Seine Mutter hat ihm eingetrichtert, nur mit einem Polizisten zu reden – Thomas McCormick, Darbys verstorbenem Vater. Nachdem sie den Jungen davon überzeugt hat, dass er sich auch ihr anvertrauen kann, fängt er stockend an zu erzählen, dass er und seine Mutter sich stets auf der Flucht befanden, seit seine Großeltern gestorben sind, und dass sie ständig ihre Namen geändert haben. Doch als er weiter sprechen will, werden sie unterbrochen. Ein FBI-Agent betritt das Zimmer und will die Ermittlungen an sich reißen, was darin gipfelt, dass der Junge sich mit einer eingeschmuggelten Pistole erschießt. Doch das ist noch nicht alles: Es stellt sich heraus, dass der FBI-Agent überhaupt kein echtes Mitglied des FBIs war. Es scheint, als ob jemand Darbys Ermittlungen zu sabotieren versucht. Jemand, der genau über den Fall Bescheid weiß und vor nichts zurückschreckt …

Chris Mooney hat eine wendungs- und actionreiche Geschichte geschrieben, die zwar spannend, aber nicht besonders originell ist. Bücher mit toughen, weiblichen Protagonistinnen in Männerberufen sind keine Seltenheit und auch Thriller, in denen einige der Gesetzeshüter sich nicht so benehmen, wie ihr Job das von ihnen verlangt, kennt man. Die Brutalität, die Mooney in seiner Geschichte besonders betont, hilft da wenig. Das Buch ist vielleicht mitreißend geschrieben sowie gut und spannend aufgebaut, aber es hinterlässt den Eindruck, dass man es schon mal irgendwo gelesen hat. Nett ist allerdings die Einbettung des Falls in das Alltagsleben des kleinen Städtchens Charlestown mit seinen seltsamen Verwicklungen.

Hauptperson Darby McCormick geht komplett in ihrem Job auf, von ihrem Privatleben erfährt man so gut wie gar nichts. Ihre Gedanken und Gefühle spielen durchaus eine Rolle, aber sie drehen sich zumeist um alte Fälle, ihren verstorbenen Vater, manchmal um ihren Kollegen Coops. Sie wirkt allerdings trotzdem tiefgängiger als andere, ähnlich geartete Romanfiguren. Das Gleiche gilt für die anderen Figuren in der Geschichte. Auch sie wirken alltäglich, lebendig. Trotzdem bleiben beispielsweise die Beweggründe der Bösen verdeckt. Die Täter werden sehr eindimensional dargestellt, was im Vergleich mit den übrigen Figuren beinahe etwas enttäuscht.

Geschrieben ist das Buch wie viele andere Thriller auch. Hohes Tempo, klare Sätze, wenig Platz für Verzierungen und Wortbilder. Es ist leicht zu lesen, hinterlässt aber keinen bleibenden Eindruck.

„Enemy“ ist vielleicht spannend und gut gemacht, aber nicht gerade neu. Wer nur ab und zu einen Thriller liest, wird sicherlich seine Freude an dem handwerklich einwandfreien Buch haben.

|Aus dem Englischen von Michael Windgassen
Originaltitel: The Dead Room
393 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3499252846|
http://www.rororo.de

_Mehr von Chris Mooney auf |Buchwurm.info|:_

[„Victim“ 3799
[„Victim“ 5226 (Hörbuch)
[„Missing“ 5787
[„Missing“ 5731 (Hörbuch)
[„Sekret“ 5844 (Hörbuch)

Gloge, Andreas / Sassenberg, Volker – Point Whitmark: Der Leere Raum (Folge 28) (Hörspiel)

Folge 1: [„Die Bucht der 22 Schreie“ 5128
Folge 2: [„Die rote Hand des teufels“ 5256
Folge 22: [„Die blutenden Schlüssel“ 4793
Folge 23: [„Der Duft der Finsternis“ 5058
Folge 24: [„Am Tag der großen Flut“ 5410
Folge 25: [„Die fiebrigen Tränen“ 5551
Folge 26: [„Die Diener der Pest“ 5743
Folge 27: [„Eiland der Gespenster“ 5817

_Kurzbeschreibung:_

Ein Besuch im Gefängnis von Hampton konfrontiert Jay, Derek und Tom mit einer höchst mysteriösen Geschichte. Ihr Gespräch über die jüngsten Ausbrüche aus der Haftanstalt mit dem wegen Diebstahls verurteilten Bernie Feldman wird jäh durch eine Fehlfunktion des Alarmsystems unterbrochen. Nachdem diese behoben werden kann, halten die drei Jungen plötzlich den Laptop des Sicherheitsbeamten Warden Archer in der Hand, den der Kleptomane Feldman in der Aufregung entwendet hat.

Später in der Radiostation von |Point Whitmark| zeigt dieses Notebook seine absonderlichen Eigenschaften. Abgesehen davon, dass es über keinerlei Dateien zu verfügen scheint, entwickelt das Gerät ein unheimliches Eigenleben, wobei
ein digitalisierter Zimmerpage auf dem Bildschirm auftaucht, welcher den Jungen angeblich jeden erdenklichen Wunsch erfüllen möchte.

Richtig bedrohlich wird es, als gerade diese heimlichen Wünsche auf brutale Weise realisiert werden – u.a. wird Dereks Bioarbeit verschoben, da seine Lehrerin in einen folgenschweren Unfall verwickelt wird.

Als Derek, Tom und Jay letztendlich hinter das Geheimnis des gespenstischen Laptops zu kommen versuchen, geraten sie selbst in tödliche Gefahr. Der große Unbekannte im Hintergrund setzt alles daran, die drei Jungs mundtot zu machen, und er scheint über alle ihre Schritte im Bilde zu sein …

_Meine Meinung:_

Artificial Intelligence extrem …

Überhaupt mutet das Thema dieses außergewöhnlichen PW-Abenteuers sehr modern an – eine höchst innovative Reise in das unwirkliche Universum von Laptops, intelligenten Netzwerken und einer unsichtbaren Bedrohung aus der digitalen Welt.

Und gerade die Figur des unheimlichen Pagen – ganz besonders seine gespenstische Stimme – sorgt für einige wohlige Schauer.

Vielleicht stößt bei dem Einen oder Anderen diese Rahmengeschichte etwas gewöhnungsbedürftig auf, insbesondere die recht abrupte Auflösung nach der doch ein wenig dünnen Handlung gestaltet sich etwas gewagt, aber gewürzt mit den herrlichen Flachsereien der drei Protagonisten, dem Rätselraten, einer anständigen Prise Action und eben jener besonderen Atmosphäre bekommt man auch doch eine kurzweilige Unterhaltung serviert, wenn man sich drauf einlässt.

_Besetzung:_

|Erzähler:| Jürg Löw
|Jay Lawrence:| Sven Plate (Whil ‚Wesley Crusher‘ Wheaton in „Star Trek“, Ewan McGregor in „Emergency Room“)
|Tom Cole:| Kim Hasper (James Franco, Jason Biggs, Brendan Fehr in „Roswell“ & „CSI: Miami“)
|Derek Ashby:| Gerrit Schmidt-Foß (Leonardo DiCaprio, Giovanni Ribisi, Scott Caan)
|Dora Manning:| Daniela Thuar (Peta Wilson in “Superman Returns”)
|Lance Bindek:| Raphael Kübler
|Warden Archer:| Gerald Paradies (Denis Leary, Kevin Spacey, Vince Vaughn)
|Bernie Feldman:| Mario von Jascheroff (Micky Maus)
|Delphie:| Norman Matt (Jonathan Rhys-Meyers, Cillian Murphy, Mark Ruffalo)
|Nachtwächter Bueller:| Karl Schulz
|… und der Zimmerservice|

_Produktion:_

Idee & Konzeption: Volker Sassenberg
Drehbuch: Andreas Gloge & Volker Sassenberg
Regie: Volker Sassenberg
Musik: Matthias Günthert, Markus Segschneider, Volker Sassenberg & Manuel Rösler
Ton & Schnitt: Volker Sassenberg & Marc Sander
Tonassistenz: Kai Müller
Illustration: Ingo Masjoshusmann
Produktion: Volker Sassenberg
Aufgenommen und gemischt unter Finians Regenbogen
Verlegt durch ROBIL BOR Music
Im Handel seit dem 26. Februar 2010

http://www.point-whitmark.de
http://www.folgenreich.de

Weeks, Brent – Weg in die Schatten, Der (Schatten-Trilogie 1)

Azoth ist elf und gehört damit zu den Kleinen in der Gilde des schwarzen Drachen. Und wie alle Kleinen hat er entsetzlich unter dem sadistischen sechzehnjährigen Ratte zu leiden. Kein Wunder, dass der Junge davon träumt, von Durzo Blint als Lehrling angenommen zu werden. Doch Durzo Blint ist eine lebende Legende und hat noch nie einen Lehrling angenommen. Als Durzo Azoth die Bedingung nennt, unter der er eine Ausnahme zu machen bereit wäre, muss Azoth feststellen, dass das, was seinen Traumberuf ausmacht, ihm gar nicht so leicht fällt wie er gedacht hatte …

Eigentlich ist Azoth ein freundlicher, mitfühlender Kerl. Er teilt sein bisschen Essen nicht nur mit seinem Freund Jarl, sondern auch mit der stummen Kleinen, die alle nur Puppenmädchen nennen. Der einzige Mensch, den er wirklich hasst, ist Ratte. Er hat entsetzliche Angst vor dem viel stärkeren Jungen; dass er es trotzdem wagt, sich zu widersetzen, zeigt seinen Mut. Doch als der Konflikt sich immer mehr zuspitzt, zögert Azoth, die Sache konsequent zu Ende zu bringen.

Ratte dagegen ist ein skrupelloses Scheusal. Das Einzige, was ihn davon abhält sich wie ein wildes Tier zu verhalten, ist der Plan, an den er sich halten muss um das Ziel zu erreichen, das er sich gesteckt hat. Denn Ratte hat durchaus nicht vor, sich mit der Anführerschaft einer Kinderdiebesgilde zufrieden zu geben. Ratte will mehr, viel mehr …

Auch Durzo Blint scheint so etwas wie Skrupel nicht zu kennen. Schließlich kann ein gedungener Attentäter es sich generell nicht leisten, seine Aufträge in Frage zu stellen, doch Blint hat auch kein Problem damit, in einem solchen Zusammenhang noch weiteren Menschen das Leben zu nehmen, wenn er es für nötig hält, auch wenn für ihn das Eintreten einer solchen Notwendigkeit ein Zeichen für Pfusch bei der Arbeit ist. Im Laufe der Zeit stellt sich allerdings heraus, dass Durzo Blint nicht ganz so abgebrüht ist, wie er gern möchte, dass die Welt es von ihm glaubt.

Und dann ist da noch Logan Gyre. Der zwölfjährige Junge ist der Sohn eines der mächtigsten und beliebtesten Adligen des Reiches und nur deshalb nicht der Kronprinz, weil sein Vater einst, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, auf seinen Anspruch auf den Thron verzichtet hat. Und Logan schlägt ganz nach seinem Vater: Er ist ausgesprochen loyal dem Reich und seinen Freunden gegenüber, absolut frei von jeglichem Ehrgeiz, stark wie ein Ochse, aber gutmütig, ehrlich und durchaus nicht dumm.

Brent Weeks hat hier eine respektable Charakterzeichnung abgeliefert. Seine Charaktere haben vielleicht nicht ganz dieselbe Tiefe wie bei Jenny-Mai Nuyen oder Anne Bishop, aber es ist ihm gelungen, sie sehr lebendig und fassbar zu zeichnen und dabei jedes Klischee zu vermeiden, und das bis hinein in die Nebencharaktere. Besonders Durzo Blint ist in seiner Zerrissenheit sehr gut gelungen.

Die Welt, in der seine Geschichte spielt, ist dagegen nur grob skizziert. Cenaria ist ein Land, das bisher kaum auf bemerkenswerte Eigenleistungen zurückgreifen kann. Seine Kultur ist ein Mosaik aus kulturellen Bruchstücken, die es von den Nachbarländern kopiert hat, seine Armee ist kaum vorhanden und so schwach wie ihr unfähiger König. Die wenigen Magier des Landes sind Blutjungen und ihre Magie das Einzige, was sie von anderen käuflichen Mördern unterscheidet. Fast alle stehen sie im Dienste einer Gruppe von Unterweltbossen, genannt der Sa’kagé. Die Macht des Sa’kagé ist größer als die des Königs, doch die Unterwelt kümmert sich nur um ihre eigenen Interessen und da gehört Außenpolitik nicht unbedingt dazu.

Das nördliche Nachbarland Khalidor dagegen wird von einem Gottkönig regiert, der zwar alt ist, aber dennoch die Absicht hat, zu seinen Lebzeiten noch den gesamten Kontinent zu erobern. Außerdem hat er es auf einen Ka’kari abgesehen, das sich in Cenaria befinden soll. Die Ka’kari sind mächtige, magische Artefakte, die sich an ihren Besitzer binden und ihm besondere Fähigkeiten verleihen.

Und im südlichen Nachbarland Modai gibt es scharenweise Magier, von denen drei beschlossen haben, sich in den Lauf der Geschichte einzumischen. Auch sie besitzen ein magisches Artefakt, das Schwert Curoch.

Damit hat sich die Ausarbeitung des Hintergrundes auch schon erschöpft. Zumindest vorerst. Wahrscheinlich hat der Autor sich die Details über das magische Schwert, den Verbleib der übrigen Ka’kari sowie die Vin, die die Magier Khalidors an ihren Armen tragen, für den nächsten Band aufgehoben.

Der Handlung hat das nicht geschadet, sie ist ohnehin voll gepackt bis zum Rand. Brent Weeks erzählt recht zügig. Nachdem Azoth erst geschafft hat, von Durzo als Lehrling angenommen zu werden, dreht der Autor an der Zeitschraube. Azoths Lehre wird großteils lediglich gestreift und fast fragt sich der Leser, warum der Autor manche Szenen überhaupt einflicht, sie scheinen keine wirklichen Auswirkungen auf die spätere Handlung zu haben. Tatsächlich dienen sie der Charakterzeichnung, der Gegenüberstellung von Azoth und Durzo, die zunächst grundverschieden scheinen.

Aber kaum ist Azoths Lehre so gut wie beendet, kommt der bis dahin nur angedeutete Plot in die Gänge und erstaunlich schnell zieht sich die Schlinge zu. Der Spannungsbogen strafft sich kontinuierlich Seite für Seite immer weiter, während der Leser Zeuge wird, wie Cenaria unaufhaltsam in die Katastrophe schlittert. Dabei hat Brent Weeks seine Geschichte so dicht geschrieben, dass sie sich kaum in einzelne Handlungsstränge unterteilen lässt, obwohl sie mal von Azoth, mal von Durzo, mal von den Magiern berichtet. Und genauso wenig lässt sich Azoths innere Entwicklung von den äußeren Ereignissen trennen, in die er hineingezogen wird.

Unterm Strich kommt ein Roman mit einer recht düsteren Grundstimmung heraus, der genauso durch seine gebeutelten, ums Überleben kämpfenden Charaktere getragen wird wie durch die massive Bedrohung von außerhalb; mit einem viel versprechenden Entwurf der Magie und einer ganzen Menge Rätsel, die noch zu lösen sind – wie zum Beispiel das um die Herkunft des Magiers Dorian -; mit einer Menge temporeicher Kampfszenen, aber auch mit einer Menge Brutalität und Blutvergießen. Wer es finster, actionreich und kämpferisch mag, ist hier auf jeden Fall richtig. Freunde weniger blutiger Spannung sollten sich die Lektüre vielleicht noch einmal überlegen.

Brent Weeks wollte schon als Junge Schriftsteller werden und hat sich deshalb nach dem Collage nicht mit dem Erlernen eines anderen Berufes aufgehalten, sondern gleich mit dem Schreiben begonnen. Bis jemand bereit war, ihm etwas dafür zu bezahlen, hielt er sich als Barkeeper über Wasser. „Der Weg in die Schatten“ ist seine erste Veröffentlichung und der Auftakt zur Schatten-Trilogie, deren zweiter Band unter dem Titel „Am Rande der Schatten“ im Juli 2010 in die Buchläden kommt. Der Autor schreibt derweil an seiner nächsten Serie, deren erster Band unter dem Titel „The Black Prism“ im August dieses Jahres auf Englisch erscheint.

Taschenbuch: 704 Seiten
Originaltitel: Night Angel 01. The Way of Shadows
Deutsch von Hans Link
ISBN-13: 978-3442266289

www.brentweeks.com
www.randomhouse.de/blanvalet

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 4,50 von 5)

Ulrike Kaup und Günther Jakobs – Ein Funkelstern für Mama

Kleinkinder und Kinder auch noch im Alter von drei Jahren und mehr bekommen oft die altgedienten Bilderbücher ihrer Eltern, Großeltern, … Natürlich mit den besten Absichten, denn schließlich sind echte Schmuckstücke dabei, und fand man sie nicht selbst als Kind wunderschön und interessant? Auch auf Grund der Tatsache, dass Kinder dieser Altersgruppe ziemlich schnell wachsen, an Wissen und Verständnis gewinnen und sich so oft schnell nicht mehr für Bilderbücher bestimmter Zielgruppen interessieren, greifen Verwandte gern auf schon Vorhandenes zurück. Und dabei gibt es sooo schöne Bilderbücher neuesten Ursprungs, die den Weg in jede Kinderhand (und oft auch in die ihrer Eltern) verdient haben!

Bei Coppenrath erschien jüngst (Februar 2010) das vorliegende Bilderbuch. Schon der Titel und das, was der Verlag über das Buch schreibt, deuten darauf hin, dass es nicht nur ein schönes Kinderbuch, sondern weit mehr als das ist, nämlich ein großes Dankeschön an alle Mamas, die sich mit all ihrer Liebe ihren Kindern widmen und es verdient haben, auf diese Zuneigung eine Antwort zu bekommen …

Handelnde Person ist vor allem der kleine Waschbär. Seine Mama verreist für einen Tag und eine Nacht und verspricht, ihm etwas mitzubringen. Da überlegt sich der Kleine, ihr das schönste Geschenk zu machen, das man sich vorstellen kann. Die Bilder zeigen in humorvoller, aber kindgerechter und sehr schöner Weise, wie sich der Waschbär bemüht, die unwahrscheinlichsten Geschenke zu finden: Ein Stück vom blauen Himmel, einen Sonnenstrahl, eine Seifenblase, einen Stern vom Himmel … Schließlich fragt er die weise Eule um Rat und Hilfe, und zusammen gelingt ihnen wirklich ein rührendes Geschenk, das in Form einer Klappkarte im hinteren Teil des Buches präsentiert wird.

„Ein Funkelstern für Mama“ gefällt nicht nur den Kindern, auch die Mamas werden gerührt sein, und Väter können sich Anregungen für Mama-Geburtstage holen, wenn die Kinder vielleicht auch schon ein Geschenk machen wollen. Die Struktur der einzelnen Bilder ist klar und einfach erfassbar für die kleinen Kinder, so sind sie zwar seitenfüllend und mit liebevollen Details geschmückt, aber so auf das Wesentliche fokussiert, dass sie nicht überladen wirken und die vorgelesene Geschichte gut darstellen.

Die Farben geben dem gesamten Buch Ruhe und Freundlichkeit, es gibt keine bildlich erzeugte Hektik, keine Unruhe und keine negativen Gefühle. Vielleicht können die Kinder mitfühlen, wie traurig der kleine Waschbär ist, als seine Mama wegfahren muss, aber gleichzeitig können sie die Vorfreude miterleben, die bei der Suche nach dem perfekten Geschenk aufkommt. Warum kann man eigentlich kein Stück vom blauen Himmel oder keinen Sonnenstrahl einfangen, um ihn zu verschenken? Die Bilder zeigen zumindest, dass es nicht geht, aber sie zeigen mit Hilfe der Eule auch einen Weg auf, wie man seiner Mama trotzdem etwas ähnlich Wirkungsvolles schenken kann.

Es lohnt sich, auch neue Kinderbücher in die Überlegungen einzubeziehen, wie der Coppenrath-Verlag eindrücklich zeigt, und dabei ist „Ein Funkelstern für Mama“ nicht das einzige Buch, dem diese Aussage gilt. Erhobene Zeigefinger sieht man hier nicht, ebenso wenig wie versteckte Brutalität oder Bestrafungsvorschläge (man denke nur an den Stuwwelpeter oder ähnliche Horrorgeschichten). Hier herrscht eine absolut wohlwollende, rührende, humorvolle und sonnige Atmosphäre, ein Bildergenuss für alle Beteiligten.

Gebundene Ausgabe: 32 Seiten
ISBN-13: 978-3815768440
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 36 Monate – 6 Jahre

Bausenwein, Christoph – Prinzip Uli Hoeneß, Das – Ein Leben für den FC Bayern

Ein Leben für den FC Bayern, ein Leben als Reizfigur, ein Leben im ständigen öffentlichen Interesse, und ab und an auch ein Leben für die ‚Abteilung Attacke‘: Uli Hoeneß gehört von Jugendbeinen an zu den Figuren im deutschen Sport, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ständig die Extreme zu leben, permanent zu polarisieren und mit klaren Ansagen und ohne Blatt vorm Mund an die Öffentlichkeit zu treten. Bereits als aufstrebender, bulliger Stürmer beim Münchener Erfolgsclub konnte er diesen Status verbuchen und galt in der Ära Beckenbauer eher als Störenfried denn als Leitfigur. Doch der Erfolg gab ihm schon zu jener Zeit immer wieder Recht und führte ihn schließlich an jenen Posten, der ihn berühmt und berüchtigt machte, nämlich den des Managers in Deutschlands inzwischen größtem Prestigeverein.

Was sich unterm Strich wie die makellose Bilanz einer erfolgreichen Karriere als Geschäftsmann liest, ist auf der anderen Seite auch der ständige Kampf gegen Mauern und um Akzeptanz, den Hoeneß auf allen nur erdenklichen Ebenen ausgetragen hat. Als Spieler galt er aufgrund seiner Gehaltsvorstellungen und seiner großen Klappe bereits vereinsintern als Buhmann, konnte sich mit seinen Qualitäten aber am Ende immer wieder durchsetzen. In seiner Rolle als Manager wiederum bewies er häufig Mut und wählte unbequeme Wege, zehrte aber auch hier jederzeit von seinem kreativen Geschäftssinn, für den unter anderem das heutige Budget des Rekordmeisters spricht. Und in seiner ungeliebten Rolle als inoffizieller Presseabgeordneter des FC Bayern, wurde er ununterbrochen für seine scharfe Zunge und seine nicht selten arroganten, großspurigen Ansagen getadelt.

Doch Hoeneß wäre nicht Hoeneß, wäre ihm der steinige Weg nicht jederzeit der liebste gewesen. Geboren in einer hart arbeitenden Metzgerfamilie, lernte er bereits sehr früh, Werte anzuerkennen und zu leben, und führte den damit verbundenen Ehrgeiz so weit, wie es die Leistungsgrenzen finanziell und physisch erlaubten.

Mit seinem Ausscheiden als Bayern-Manager und seinem Wechsel ins Präsidium der deutschen Fußball-Topadresse ist für den stets hochroten Choleriker nun die Zeit gekommen, auf sein Leben zurückzublicken. Dies tut Hoeneß nun mit Fußballexperte und Autorengenie Christoph Bausenwein. Chronologisch, aber dennoch stets reflexiv, geht der Autor von „Das Prinzip Uli Hoeneß“ Stationen, Einstellungen, Siegen und Niederlagen nach – und entdeckt dabei vor allem eines: den Menschen Uli Hoeneß, der in allen medialen Zwistigkeiten fast ausnahmslos zugunsten einer skandalsuchenden Berichterstattung nach hinten gedrängt wurde.

Doch Bausenwein geht mit seinem kurzzeitigen Alter Ego nicht gerade zimperlich um; die Figur Hoeneß wird sehr kritisch aufgearbeitet und weniger auf ihre zahlreichen Erfolge reduziert. Ganz im Gegenteil: Während der Autor in kaum einem Nebensatz das Manager-Genie des beschriebenen Protagonisten außen vor lässt, kommt er auch immer wieder auf die Unzulänglichkeiten und Affären zu sprechen, die unmittelbar mit dem FC Bayern und der Person Uli Hoeneß verbunden waren. Zuallererst kommt er natürlich auf den unendlichen Zwist mit Christoph Daum zu sprechen, der fast das Karriereaus für den Manager bedeutet hätte. Und natürlich werden die Wortgefechte mit Werder Bremens Ex-Manager Willi Lemke hervorgehoben, diesmal aber mit dem spitzfindigen Sieger Hoeneß, der insgeheim auch immer die besseren Argumente parat hatte als sein norddeutsches Pendant.

Aber es sind nicht nur die Streitereien und die Arroganz, die die öffentliche Person Hoeneß charakterisieren sollen. Immer wieder schildert Bausewein, der überdies auf eine überragende Recherchearbeit verweisen kann, wie der Manager seinen Posten genutzt hat, um aufzurütteln und im Rahmen des Möglichen kleine Revolutionen loszutreten. Und es sind eben genau diese Phasen in der Karriere dieses Menschen, die – und das wird auch der große Teil der Hoeneß-Hasse zugestehen müssen – insgesamt nicht den Respekt erbracht haben, der für die jeweilige Leistung angebracht gewesen wäre. Die Vermarktung der Bundesliga und die Etablierung dieses Markenzeichens gehen zu einem wesentlichen Teil auf die Kappe des Bayern-Präsidenten. Aber auch die hiesigen Entwicklungen im Merchandise-Bereich darf sich Hoeneß auf seine Verdienstliste schreiben, da er hier rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und effizient für den FC Bayern genutzt hat. Im Großen und Ganzen hat er sich daher auch nicht nur um seinen Stammverein, sondern auch für den kontinuierlichen Aufschwung der Bundesliga verdient gemacht und den vielleicht größten Anteil daran gehabt, wie sich der deutsche Vereinsfußball seit den Siebzigern verändert und entwickelt hat. Und alleine zu lesen, mit welchen raffinierten Tricks und Kniffen Hoeneß hierbei gearbeitet hat, wie viel Gegenwind er dafür in Kauf nehmen musste und – ganz wichtig auch – warum ihm daran lag, in der Öffentlichkeit auch mal zur Attacke zu blasen, ist lohnenswert genug, sich mit „Das Prinzip Uli Hoeneß“ auseinanderzusetzen.

Doch den eigentlichen Reiz des Buches machen jene stillen Kapitel aus, in denen auch mal die persönliche Seite herausgekehrt wird. Da kommt der Familienmensch Uli Hoeneß zum Vorschein, sein soziales Engagement, das er bewusst aus den Medien heraushalten möchte, seine Fürsorge für das Etikett Deutscher Fußball und auch sein ungebrochener Kampf für Fairness und Gerechtigkeit auf internationaler Ebene. Das Vorbild Real Madrid sportlich, das Vorbild FC Bayern wirtschaftlich – das war stets das Bestreben seiner Arbeit; und dieser facettenreiche Komplex wird in „Das Prinzip Uli Hoeneß“ packend, teils auch humorvoll, aber eben auch sehr fokussiert wiedergegeben. Der relativ hohe Preis mag zwar noch ein grundsätzliches Hindernis für eine Investition sein, doch die ist inhaltlich jeden Cent wert – genauso wie der Kosten-Nutzen-Effekt, den Hoeneß in seinen 33 Jahren als Bayern-Manager zum höchsten Gut erklärt hat. Von daher ist die Empfehlung das Mindeste, was man dieser eigentlich so ungeliebten Person aussprechen muss. Gerade aus der neu gewonnenen Erkenntnis heraus, dass ‚der Uli eigentlich ein prima Kerl ist‘!

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