Garry Kilworth – Tänzer im Frost

Schottische Hochland-Hasen geraten ins Visier eines gewaltigen und zudem verrückten Raubvogels, der das Nagervolk terrorisiert und dezimiert, bis ein Junghase entschlossen den Kampf gegen das Ungeheuer aufnimmt … – Tier-Fantasy der ‚erwachsenen‘ Art, d. h. ohne kitschige Verniedlichung der Figuren, die sich (weitgehend) tiergerecht in ihrer eigenen Welt bewegen: spannend trotz des nur scheinbar monotonen Feld-und-Wiesen-Umfelds.
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Lancester, Peter – Unterm Doppelmond (Die Chroniken der Anderwelten 2)

Eva, Otto und Friedrich begeben sich unter der Leitung Anders in Richtung Unterhessen, dem sagenumwobenen Land unterhalb der Erdschicht. Die Reise gerät nicht ungefährlich, da überall nicht gerade wohlgesonnene Charaktere in den dunklen Winkeln Unterhessens warten. Auch der Empfang gerät alles andere als herzlich. Für den verletzten Friedrich endet die Reise im Kerker, Eva und Otto sehen sich dahinvegetierend, ohne Habe und Dach über dem Kopf, auf der Straße wieder. Durch Unwissenheit über die Gesetze Unterhessens befinden sich auch Eva und Otto alsbald in einem saftigen Konflikt mit der Legislative des Landes. Ander kann den beiden gerade noch aus der Patsche helfen. Allerdings war es nicht das letzte Mal, dass sich kaum lösbare Probleme vor unseren Helden auftürmen …

Auch im zweiten Teil des „Chroniken der Anderwelten“-Zyklus werden die Protagonisten durch allerhand Abenteuer gescheucht. Dennoch wird der schnelle Erzählstil des [ersten Bandes 1507 gerade in der ersten Hälfte des zweiten Buchs etwas gedrosselt, in der die Gesetzeskonflikte auftreten und in der viel vor Gericht gestritten und geurteilt wird. Etwa ab der Mitte nimmt das Buch aber wieder ordentlich Fahrt auf, zieht den Spannungsbogen wie schon im ersten Band unbarmherzig an und mischt allerlei Stilelemente, von Horror über Grusel und Fantasy, zu einem stimmigen Gebräu, das die Traumthemen nach dem Einschlafen angenehm beeinflussen sollte.

Das größte Plus an Lancesters Werk ist und bleibt die Bildgewalt der Landschaften, die sich als fremde, dennoch wunderschöne Welten aus dem Nichts vor dem geistigen Auge erheben. Eine kleine Parallele sehe ich hier zu George Lucas‘ „Star Wars“-Filmen, in denen des Öfteren neue, skurrile und liebevoll gezeichnete Welten erschaffen wurden. Ähnlich gekonnt beschreibt Lancester sein Land, seine Schöpfung, die zu nicht geringem Anteil auch durch Tolkiens Schaffen beeinflusst sein sollte (aber welche Fantasy ist das heute nicht?).

Lancester verliert sich zudem nicht einzig in der Phantasie, sonderen bindet, vor allem bei den Gesetzeskonflikten, sozialkritische Fragen mit ein. Letztendlich bietet „Unterm Doppelmond“ einmal mehr spannende Unterhaltung und eine Welt, die jeder lieben wird. Man hat keine andere Möglichkeit, als gierig Seite um Seite zu verschlingen, um unsere Helden in Sicherheit zu wissen. Eine Sicherheit, die trügerisch und damit doch wieder unsicher ist. Gerade dieser Umstand gerät als wirklich quälend, denn irgendwann muss man den Roman ja mal auf die Seite legen.

Orthographisch einwandfrei zu Papier gebracht, überzeugen auch dieses Mal zudem das treffende Cover, die Schriftgröße und die Aufmachung des Buches. Lasst euch also nach Unterhessen entführen, ein Land, in dem nichts ist wie es scheint, in dem in jeder Ecke große Überraschungen warten und das im Leserhirn wie ein großer bunter Luftballon explodiert. Menschen, die mit „Herr der Ringe“ und „Krieg der Sterne“ klar kommen und denen auch ein Stück Horror und Grusel nichts ausmacht, dürften mit den „Anderwelten“-Büchern bestens unterhalten werden. Band drei kommt übrigens Ende des Jahres, die weiteren im Halbjahresrhythmus. Kaufen, es lohnt sich!

Gaborit, Mathieu – lodernde Schwert, Das (Im Reich des Feuervogels 2)

Mathieu Gaborits Saga über das „Reich des Feuervogels“ ist einer der wenigen nicht-englischsprachigen Zyklen, die in Deutschland erscheinen. Schon der erste Teil „Der scharlachrote Turm“ und entführte uns auf eine Inselgruppe, deren Reiche nicht nur die Namen von Fabelwesen wie Greif, Drache und Einhorn tragen, sondern in denen auch tatsächlich solche Wesen mit den Menschen leben, ihnen die Magie geben und sie beschützen.

Einzig die Diener der Phönixe sind in allen Ländern beheimatet, denn die Feuervögel sind zum einen mächtiger als die anderen Fabelwesen, zum anderen aber auch nur von wenigen zu kontrollieren und zu bezähmen. Zu schnell kann Chaos und Vernichtung aus deren Feuer entstehen – „das Aas“, die Nachfahren und die Essenz pervertierter Fabelwesen, der Inbegriff des Bösen, sind das beste Beispiel.

Der junge Phönike Januel hat erst vor kurzem die geschützte Zuflucht des Turms von Sedana verlassen und trägt inzwischen eine schwere Verantwortung. Denn nur er besitzt die Macht, das Böse aufzuhalten, nachdem alle Meister umgebracht wurden und die meisten Türme der Phöniken in Schutt und Asche liegen.

Unbemerkt von den anderen Reichen ist das „Aas“ bereits seit einiger Zeit auf dem Vormarsch. Der König des Aases weiß sehr wohl um Januel, der nicht nur einen Phönix der Uranfänge, sondern auch die Macht der „Welle“ in sich birgt, der Kraft alles Lebenden, die für die wandelnden Toten Gift ist. Deshalb schickt er seine Häscher aus, um den jungen Mann in seine Gewalt zu bringen, bevor dieser seine Aufgabe zur Gänze kennt und womöglich auch noch mehr als eine Handvoll Verbündete gewonnen hat.

Januel hat indessen mit anderen Problemen zu ringen. Nicht nur, dass er mit der in ihm brodelnden Kraft zu kämpfen hat und diese noch nicht ganz beherrscht, nein, man macht ihn dafür verantwortlich, dass der Kaiser des Greifen-Imperiums und sein Hofstaat ums Leben gekommen sind, und will sich an ihm rächen …

Mathieu Gaborit gelingt es, vertraute Versatzstücke der Fantasy neu anzuordnen. Er konzentriert sich auf Fabelwesen, die in den meisten angloamerikanischen Romanen gerne vernachlässigt werden und begeht nicht den Fehler, sie zu vermenschlichen oder als bloße Tiere zu betrachten, wie es ebenfalls oft genug passiert. Zudem verknüpft er die Magie auf glaubwürdige und interessante Weise mit den verschiedenen Kreaturen, wobei vor allem die Phönixe eine Rolle spielen.

Im zweiten Band „Das lodernde Schwert“ weitet er diese Mythologie ein wenig aus und nimmt sich Zeit, dem Leser das Gefüge der Kräfte auch aus der Sicht des Aases zu schildern. Indem dort ebenfalls Figuren und Geschöpfe mit Namen und Leben erfüllt werden, gewinnt der Gegner an Profil und Gewicht, und wird damit noch um so gefährlicher.

Allerdings fällt der zweite Band spannungsmäßig doch ein wenig gegenüber dem ersten Teil ab – es geschieht weniger an Action, und die Handlung wird vor allem durch die ständigen Sprünge zwischen den Handlungsebenen erzielt.
Sowohl Januel als auch das Aas halten in ihrem Vormarsch inne, sie stecken das Schlachtfeld ab und festigen die Macht in ihrem jeweiligen Bereich – was allerdings stellenweise recht langweilig wird, ähnlich wie die Ausarbeitung der magisch-mythischen Hintergründe. Wen das nicht abschreckt, der wird sicherlich weiterhin fasziniert über die Welt lesen und mehr erfahren wollen.

Um dieses Buch zu verstehen, ist der erste Band zwingend erforderlich, und da der zweite Band mit einem Cliffhänger endet, wird der Leser auch ein wenig im Raum stehen gelassen, was leider weitere leichte Abzüge in der B-Note gibt.

|Originaltitel: Les Chroniques des Feals 2: Le Fiel
Aus dem Französischen von Michael von Killisch-Horn|

_Christel Scheja_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

von Kummant, Thomas / von Eckartsberg, Benjamin / Hohlbein, Wolfgang – Chronik der Unsterblichen, Die (Band 1 – Am Abgrund)

Lange haben sich Hohlbein-Anhänger gedulden müssen, doch Ende letzten Jahres ist sie endlich gestartet: die Comic-Reihe zum Bestseller-Zyklus „Die Chronik der Unsterblichen“, veredelt vom |Ehapa|-Verlag und erschaffen vom Duo Nejmain von Eckertsberg und Thomas von Kummant, die beide schon einschlägige Erfahrungen bezüglich Graphic Novels mit historischem Inhalt vorweisen können. Von Eckertsberg arbeitete dabei auch schon mit seinem Kollegen für „Goethe 2 – Zum Schauen bestellt“ im Auftrag des Goethe-Instituts zusammen, in dem er von Kummants Zeichnungen mit Farben anreicherte. Außerdem steuert er den monatlichen Comic zum Fashion-Magazin „Maxim“ bei. Erste Erfahrungen mit den Werken von Wolfgang Hohlbein sammelte Benjamin von Eckertsberg anschließend, indem er ebenfalls mit von Kummant die Cover zur Sammler-Edition von Hohlbeins Werk „Der Hexer“ illustrierte. Man sieht, hier arbeitet ein eingespieltes Team zusammen, kein Wunder also, dass der erste Teil des Comics der Original-Buchreihe dem qualitativ in nichts nachsteht.

_Story:_

Andrej Delany kehrt nach Jahren in sein Heimatdorf zurück, aus dem er schon in frühester Kindheit aufgrund eines Streiches verbannt wurde, infolgedessen man ihn der Hexerei und schwarzen Magie bezichtigte. Als Ausgestoßener zog es ihn in die transilvanische Bergwelt, wo er von seinem Stiefvater in der Kampfkunst unterrichtet wurde und den Umgang mit dem Schwert erlernte. Als jedoch seine Familie ums Leben kommt, entdeckt Andrej seine Bestimmung und reist zurück in den Ort, in dem er schon lange kein willkommener Gast mehr ist.

Bei seiner Rückkehr geht es Delany vor allem darum, seinen Sohn wiederzusehen. Doch der kleine Ort ist nicht mehr das, was er einst war. Andrej stößt auf Spuren der Verwüstung, auf brutal verstümmelte Leichen und Überbleibsel eines brutalen Gemetzels. Seinen Sohn entdeckt er aufgespießt wieder, jedoch scheint er als einziger Mensch überlebt zu haben. Um ihn von seinen Qualen zu befreien, tötet Andrej ihn schließlich, wird im Anschluss aber von noch größerer Pein geplagt.

Dann entdeckt er Frederic, ebenfalls ein Nachkomme der Delany-Familie, der Andrej von den Vorkommnissen in seiner Heimat berichtet und trotz seiner Jugend Rache schwört. Zunächst will sich der zurückgekehrte Krieger nicht auf die Gelüste seines jungen Kumpanen einlassen; als sie jedoch zum ersten Mal selber in einem brutalen Kampf mit dem Tod konfrontiert werden, die Schlacht allerdings überleben, ziehen sie gemeinsam mit einem weiteren Kumpanen auf einen Rachefeldzug gegen den Kirchenfürsten Domenicus und stoßen dabei auf einige grausame Geheimnisse …

_Bewertung:_

Die Geschichte ist wirklich sehr spannend und in den Zeichnungen sehr packend illustriert worden. Die Brutalität der Story wird dabei in keiner einzigen Zeichnung ausgelassen, wobei speziell die Bilder von den Opfern und der puren Zerstörung mehr aussagen als viele Worte. Hier gilt den beiden Zeichnern ein gehöriges Lob. Ebenfalls gut gefällt, dass man einen recht eigenen Stil entwickelt hat, der zwar auf den ersten Blick etwas schwammig wirkt, im Detail aber umso besser gefällt, weil man sich hier weder an den überspitzt dargestellten asiatischen noch an den farbenfrohen amerikanischen Vorlagen orientiert hat. Stattdessen haben von Kummant und von Eckertsberg einen sehr düsteren Comic erschaffen, der wunderbar die Atmosphäre der Handlung einzufangen imstande ist.

Prinzipiell ist die Comic-Ausgabe von „Am Abgrund“ – so der Name des ersten Bandes – recht simpel dargestellt; die beiden Zeichner haben nicht übertrieben in ihren Illustrationen, sondern sich vermehrt darauf konzentriert, die Stimmungen der Haupdarsteller und der Geschichte an sich in ihren stets dunklen Zeichnungen einzufangen. Natürlich kommt ihnen der eigentliche Handlungsstrang bei dieser Vorgehensweise zugute, dennoch kann man dem Duo dazu gratulieren, das Ganze genau passend umgesetzt zu haben.

Schade ist lediglich, dass die eigentliche Story hier nur in der Kurzform beschrieben wird; Details, wie sie Hohlbeins Vorlage liefert, werden also immer wieder bewusst ausgespart. Sicher, man kann nicht die ganze Geschichte illustrieren, das wäre zu viel des Guten, aber ein wenig ausführlicher und mit weniger Zeitsprüngen (gerade zur Mitte des Comics) wäre das Unterfangen letztendlich noch besser geglückt. Aber wer weiß, vielleicht gelingt es den beiden Zeichnern ja schon beim nächsten Mal, etwas mehr in die Tiefe zu gehen.

Andererseits muss man sich vor Augen halten, dass es hier vermehrt um die Zeichnungen und erst dann um die Wiedergabe der Geschichte geht. Man kann der Linie folgen, erfreut sich aber viel mehr an den tollen Bilder. Deshalb bleibe ich auch dabei und empfehle diesen Band sowohl an Comic- als auch an Fantasy-Begeisterte. Den Wunsch, beim nächsten Mal ein etwas dickeres Buch vorgelegt zu bekommen, kann ich indes trotzdem nicht unterdrücken …

Kurz noch ein paar Worte zur Aufmachung: „Am Abgrund“ kommt in einer wirklich schicken Hardcover-Edition und schindet schon deshalb Eindruck. Einige Worte zu den Zeichnern, ein herrliches Cover und das glänzende Papier ergänzen den Rahmen dabei nahezu perfekt und liefern einen weiteren Grund, sich auch mal mit der Comic-Auflage von „Die Chronik der Unsterblichen“ auseinanderzusetzen.

|Siehe dazu auch unsere Rezension des ersten Bandes in der [Hörbuchfassung. 891 |

Kraus, Susanne – Knochenpoet, Der

Mit „Der Knochenpoet“ brachte die 1966 geborene Autorin Susanne Kraus im April dieses Jahres ihren ersten historischen Roman auf den Markt. Die „Autorin zum Angreifen“ – ein Versprecher bei einer ihrer Lesungen brachte diesen Ausspruch zu Wege, den sich die Schriftstellerin dann humorvoll aneignete – studierte Osteuropäische Geschichte, Französische Philologie und Slawistik und schloss 1993 als Magistra Artium ab. Es folgte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, u. a. in einer diakonischen Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung und in der Pressestelle der Stadtverwaltung Kaiserslautern. Seit 2004 arbeitet sie für die Stadtbibliothek Kaiserslautern und ist derzeit mit der Fortsetzung von „Der Knochenpoet“ beschäftigt.

Der Roman entführt uns ins Lautern vor ca. 850 Jahren, als das Flüsschen Lauter noch munter an der Erdoberfläche entlang plätscherte und in dem Ort wohl noch nicht mehr als hundert Menschen wohnten. Mit dem heutigen Kaiserslautern also nicht zu vergleichen. Die Ankunft des Kaisers Friedrich, auch Barbarossa genannt, steht für den nächsten Tag an und in der Burg Beilstein herrscht helle Aufregung. Eine Truhe mit Knochen wurde gefunden, aber wer ist der oder die Tote?
Um böse Eventualitäten auszuschließen, erfindet das Burgfräulein Rotrund von Saulheim die passende Geschichte einer Heiligen, deren Knochen nun ein durchgereister Mönch als Dank für Speis und Trank dagelassen hatte, und verfrachtet die Truhe kurzerhand aus der Reichweite unangenehmer Fragen.

Bereits am selben Tag taucht der Spielmann Trushard Scharfzunge aus Köln in der Burg auf und wird wie erwartet von Rotruds Vater, dem Ministerialen (unfreie Dienstleute, d. Verf.) Merbodo von Beilstein, umgehend abgewiesen. Spielleute sind rechtloses, unsittsames und unerwünschtes Pack, das kein anständiger Burgherr beherbergen möchte. Doch der Vater hat nicht mit seiner ungehorsamen Tochter gerechnet, deren Herz für den Künstler entflammt ist und die ihn ungeniert zum Bleiben auffordert. Als waschechte Dame in der Burg zwingt sie den „Knochenpoeten“, wie er aufgrund seiner knochendürren, hochgewachsenen Gestalt betitelt wird, zu einem ausgiebigen Bad, bei dem sie die Geschichte seines von Wunden bedeckten Rückens erfährt. Wibald von Turme ist der Schänder – ein Name, der ihr wohl vertraut ist, hatte dieser brutale Zeitgenosse doch fünf Jahre zuvor ihre Schwester vergewaltigt und damit in den Selbstmord getrieben.
Doch die schlimmste Nachricht folgte: Wibald befand sich im Gefolge des Kaisers und damit auf dem direkten Weg zu ihrem Vater, der die Schmach und den Verlust seiner Tochter nie verwunden hatte. Wie sollte sie verhindern, dass die beiden aneinander gerieten und ihr Vater sie und ihren fünfjährigen Bruder ins Unglück stürzte?

Am nächsten Tag sieht sie ihre Befürchtungen Realität werden. Ihr Vater schlägt Wibald in einem Anfall von Raserei und nur mühsam gelingt es ihr, ihn von weiteren Handgreiflichkeiten abzubringen. Barbarossa, der über den unerfreulichen Zwischenfall natürlich informiert wird, setzt für den nächsten Morgen ein klärendes Gespräch zwischen den beiden Kampfhähnen an. Doch dazu soll es nicht kommen.
Rotrud, wild entschlossen, ein öffentliches Duell zu verhindern, um nicht zur Waisen zu werden, sieht in einem privaten Gespräch mit Wibald die Rettung. Sie will ihn überzeugen, sich unter vier Augen bei ihrem Vater zu entschuldigen, stattdessen wird sie Ohrenzeuge seines Todes und vom Mörder, den sie leider nicht gesehen hatte, verfolgt. Als Wibald erwartungsgemäß nicht zum Gespräch vor dem Kaiser erscheint und der Mord diesem gemeldet wird, stellt Barbarossa ihren Vater unter Arrest. Doch diesem gelingt prompt die Flucht und er versteckt sich erstmal erfolgreich. So bleibt Rotrud nichts anderes übrig, als sich Trushard zu schnappen und auf Spurensuche zu gehen. Verdächtige gibt es glücklicherweise genug, zu denen aber unglücklicherweise auch der Knochenpoet gehört…

Tja, und nun? Um es vorweg zu nehmen: Eigentlich finde ich den Roman gut. Für ein Debüt auf dem historischen Grund und Boden auch ganz standfest. Zwei verschiedene Handlungsstränge – der Mord an Wibald und das Rätsel um die Knochentruhe – eignen sich hervorragend, um den Leser neugierig werden zu lassen. Ein flüssiger Schreibstil, eine treue Personencharakterisierung und zwielichtige Gestalten sind auch immer gut und leider nicht immer vorhanden. Aber im Großen und Ganzen hätten wir die Vorteile damit auch schon erschöpft.

Was mich am meisten stört, sind die Charaktere selbst. Warum sind es immer junge Frauen, die nicht in ihre Zeit gehören wollen, weil sie sich der männerdominanten Mittelalterzeit nicht anpassen möchten? Weil es sonst zu langweilig wäre, schon klar. Aber können sich unsere Autoren nicht mal etwas Besseres einfallen lassen als eine zu selbstständige und zu gebildete Heldin, die sowieso immer solo ist, damit sie sich zu allem Übel noch in einen unpassenden Zeitgenossen verlieben kann? Als eine Abenteurerin, die ihren Mund nicht halten kann, sich ritter- und heldenhaft in Detektivgeschichten verwickeln lässt, um ihre kleine Welt zu retten, in der sie ja ohnehin nicht leben möchte? Gut, in einem Punkt hat mich Rotrud nicht enttäuscht: Mit ihr wurde endlich mal eine Heldin geboren, die Mut zur Hässlichkeit beweist. „Ich hingegen besaß nur die Sturheit eines Esels und die Attraktivität eines Suppenhuhns.“ Dieser Satz bezauberte mich! Mehr davon!

Der „Knochenpoet“, immerhin Titelgeber des Romans, ist ein typischer Vertreter des „Heldin-verliebt-sich“-Volkes: Ihres Standes unwürdig, dafür sanft und verständnisvoll, humorvoll und geistig erhellt, zärtlich und verspielt – also der perfekte Mann, denn Geld und Ehre sind ja nicht alles. Okay, das mag ja auch stimmen, nur habe ich es ihm nicht abgekauft, erst recht nicht, wenn er einige Seiten später als Hauptverdächtiger dargestellt wird. Meine Phantasie erwacht ja sofort bei der Vorstellung, er wäre wirklich der Täter – wie reagiert unsere tapfere Heldin bei dieser Unmöglichkeit?

Auch leichte Logikschwächen ließ die Autorin nicht aus: Zum einen fürchtet Rotrud, ihren Vater bei einem Duell zu verlieren, zum anderen will sie dessen Widersacher zu einer Entschuldigung zwingen, weil dieser im Kampf wohl unterliegen würde. Was denn nun?
Als sie vom Tatort des Mordes wegläuft und den Atem des Mörders in ihrem Nacken spürt, will uns die Autorin weismachen, dass sich das Mädchen so unter Kontrolle hat, keinen Blick über die Schulter zu werfen. Für mich nicht gerade realistisch, aber nun gut, sei die Heldin eben so diszipliniert in einer dermaßen lebensbedrohlichen Situation.

Aber das ist alles gar nicht so schlimm, wie es sich anhört, denn wie eingangs erwähnt, ist der Roman trotz aller Schwächen durchaus lesenswert und unterhaltsam. Die Geschichte der Knochentruhe entschädigte mich für die kleinen Logikpatzer voll und ganz, die Kabbeleien zwischen dem Liebespaar kamen mir auch sehr bekannt vor und riefen bei mir stellenweise ein breites Grinsen hervor – Männlein und Weiblein können eben nicht mit- und auch nicht ohne einander – und die Story an sich war spannend und fließend aufgebaut. Der Schreibstil war ebenmäßig und las sich komplett ohne Stolpersteine und Grammatikfallen, und das Nachwort von Susanne Kraus erklärt dann die historischen Fakten über Barbarossas Besuche in Lautern. Für die Fortsetzung wünsche ich mir einfach nur etwas mehr Tiefgang bei den Protagonisten, eine Prise mehr Realitätssinn und eine Messerspitze weniger Widersprüche, dann einmal kräftig umrühren und um die schriftstellerische Karriere der Autorin müssen wir uns keine Sorgen machen.

Homepage der Autorin: http://susanne-kraus.homepage.t-online.de

Maas, Peter – Stunden der Angst. Die dramatische Rettung der USS Squalus

23. Mai 1939: Das gerade vom Stapel gelaufene Unterseeboot „USS Squalus“ verlässt die Marinewerft Portsmouth im US-Staat New Hampshire an der Atlantikküste Neuenglands und geht auf seine 19. Testfahrt. Routinemäßig geprobt werden soll das so genannte Alarmtauchen: Das mit voller Kraft an der Wasseroberfläche fahrende U-Boot taucht binnen 60 Sekunden bis auf Sehrohrtiefe (15 m). Zunächst gelingt das Manöver reibungslos, doch plötzlich dringt Meerwasser durch die offensichtlich nicht korrekt geschlossenen Belüftungsschächte der Dieselmaschinen ein. In kürzester Zeit laufen die Maschinenräume voll. Verzweifelt versucht die Besatzung, den Wassereinbruch zu stoppen, doch vergeblich. Drei der sieben durch Schotte voneinander zu trennenden Abteilungen des Bootes laufen voll. 26 von 59 Männern sterben sofort, und die „Squalus“ sinkt auf den Meeresboden. In 74 Metern Tiefe erwarten die Überlebenden ihr Schicksal – und das wird grausam sein: Obwohl Unterseeboote schon seit etwa einem halben Jahrhundert die Ozeane der Welt befahren, wurden in dieser Zeit niemals wirksame Methoden zur Unterwasser-Rettung von Seeleuten entwickelt! Die Havarie eines U-Bootes ist seit jeher identisch mit dem Ende seiner Insassen.

Allerdings gibt es in den Reihen der US-Marine einen energischen Offizier, der seit mehr als einem Jahrzehnt unermüdlich daran arbeitet, dies zu ändern. Charles Bowers „Swede“ Momsen, Leiter einer Tiefseetauchereinheit, ist zum Zeitpunkt der „Squalus“-Katastrophe auf der Marinewerft von Washington wie immer unermüdlich damit beschäftigt, mit seinem Team Methoden der Unterwasser-Rettung zu entwickeln. Der hoch engagierte Spezialist nimmt kein Blatt vor den Mund und ist bei seinen Vorgesetzten nicht gerade beliebt. Doch er ist der anerkannte Spezialist in seinem Fach, und so werden er und seine Leute sogleich nach Portsmouth geflogen.

Auf so eine Chance hat Momsen seit Jahren gewartet, die seiner wichtigsten Erfindung, der Rettungs-Tauchglocke, den Durchbruch verschaffen kann. Nun bietet sich ihm die Möglichkeit, die 33 Überlebenden der „Squalus“ zu retten, die auf dem Meeresgrund in Dunkelheit und Kälte verzweifelt aber diszipliniert warten. Auf der Oberfläche beginnt die größte Rettungsaktion der Seefahrtsgeschichte. Eine ganze Flotte steuert die Unglücksstätte an. Behindert von stürmischem Wetter, hohem, unberechenbaren Seegang und einer noch nie im Ernstfall erprobten Technik, entwickelt sich das Unternehmen zu einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit …

Ende der 60er Jahre erfuhr der Journalist und Schriftsteller Peter Maas zum ersten Mal von „Swede“ Momsen, dem Untergang der „USS Squalus“ und der Rettung ihrer Mannschaft. Dies ist eine Geschichte, die es zu erzählen lohnt; erstaunlich, dass dies bisher nicht geschehen war. Unter den Seeleuten der US-Marine genoss Momsen längst die Achtung, die ihm zukommt, doch in der breiten Öffentlichkeit war die „Squalus“-Katastrophe längst in Vergessenheit geraten. Sie hatte 1939 zwar landesweites Aufsehen erregt, wurde aber vom nur wenige Tage später erfolgenden Ausbruch des II. Weltkriegs rasch aus den Schlagzeilen verdrängt.

Drei Jahrzehnte später musste Peter Maas erfahren, dass auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges erneut niemand an einem längst vergessenen U-Boot-Unglück interessiert war. Er legte seine Aufzeichnungen beiseite und widmete sich anderen Projekten. Los ließ ihn die „Squalus“-Geschichte allerdings nie. Noch einmal dreißig Jahre später holte Maas, inzwischen durch seine Reportagen und Romane zu Welt- und Hollywoodruhm gelangt, sein Manuskript wieder hervor. Inzwischen war ihm nicht nur die Aufmerksamkeit seines Publikums sicher; das Wissen um die Geheimnisse der Tiefsee hatte enorm zugenommen und ermöglichte es ihm, die Ereignisse von 1939 zum Teil völlig neu zu bewerten. Ihren besonderen Wert gewannen natürlich auch jene Interviews, die Maas mit Charles Momsen vor dessen Tod noch hatte führen können.

Das Ergebnis ist ein spannendes Kapitel Seefahrtsgeschichte. Neben die Darstellung der enormen technischen Schwierigkeiten, mit denen die Retter konfrontiert wurden, tritt die Not der in ihrer sich mit Wasser und giftigem Chlorgas füllenden U-Boot-Röhre gefangenen Seeleute, die Entschlossenheit und der Wagemut ihrer Retter, die sich an ihre lebensgefährliche Aufgabe machen, die Angst der Angehörigen, die lange im Unklaren gelassen werden müssen, wer das Unglück überlebt hat und wer nicht.

Maas‘ Bericht über die erste „richtige“ Unterwasser-Rettungsaktion der Geschichte gewann unverhoffte, wenn auch traurige Aktualität durch das in der Barentssee havarierte russische U-Boot „Kursk“. Sämtliche 118 Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Vom jämmerlichen Zustand der russischen Marine und der Menschenverachtung ihrer Führung einmal abgesehen, verdeutlicht dieses Unglück, dass sich seit 1939 eines nicht geändert hat: Auch im 21. Jahrhundert kann unter dem Meeresspiegel der erste Fehler leicht der letzte sein!

O’Neil, Dennis – Batman Begins

„Das Begleitbuch zum Film“ – oft hat man direkt schon Vorurteile gegenüber solchen Untertiteln, sind die meisten Werke solcher Machart doch arg dröge und nur eine schlechte Eins-zu-eins-Wiedergabe des cineastischen Vergnügens. Das wollten die Macher von „Batman Begins“ aber von Anfang an verhindern und verpflichteten eigens für diese Aufgabe Dennis O’Neil, der bereits als einer der bekanntesten Batman-Storyautoren in Erscheinung trat und dabei selber die bösartige Kreatur Ra’s Al Ghoul erschaffen hat.

O’Neil ist also sehr gut mit der Materie vertraut, und das zeigt sich auch im Laufe dieses Buches, welches ich schlussendlich betrachtet sogar dem ohnehin schon ziemlich starken Kinofilm vorziehen würde, nicht zuletzt, weil O’Neil hier genügend Freiraum hat, um Dialoge weiter zu vertiefen, Szenen detaillierter zu beschreiben und Übergänge fließender zu gestalten.

Selbst die unterkühlten Emotionen kommen in diesem Buch besser zum Vorschein als beim bewegten Pendant, und das überrascht mich wieder, denn trotz aller Effekte war der Kinostreifen alles andere als eine überladene Hollywood-Produktion. Für diejenigen, die den Inhalt von „Batman Begins“ noch nicht kennen, sei er an dieser Stelle noch einmal kurz zusammengefasst:

Bruce Wayne ist ein glücklicher Junge, der eigentlich schon bis zu seinem letzten Tag ausgesorgt hat. Der Sohn einer Milliardärsfamilie wächst wohlbehütet auf und führt, vom Reichtum einmal abgesehen, ein normales Leben – bis zu dem Tag, an dem er in einen Brunnen fällt und dort von Fledermäusen angegriffen wird. Diese schicksalhafte Begenung soll ihn zu einem späteren Zeitpunkt wieder einholen.

Doch dies soll nicht der letzte schreckliche Tag in seinem Leben bleiben: Ein gewisser Joe Chill ermordet seine Eltern, und Bruce bleibt als Vollwaise zurück, flüchtet jedoch aus seiner Heimat Gotham City. Lediglich für eine spätere Anhörung vor Gericht kehrt der junge Wayne zurück, kann aber auch nicht mehr eingreifen, denn noch vor Gericht wird Chill von einem Gangster zielgerichtet erschossen.

Wiederum flieht Bruce und zieht sich nach Asien in das Himalaya-Gebiet zurück, wo er unter der Aufsicht von Henri Ducard in die Kampfkünste eingewiesen wird. Das Ende seiner Ausbildung wird jedoch von einem Schatten überworfen: Im finalen Kampf gegen seinen Meister tötet Bruce seinen Ausbilder Ducard.

Langsam entdeckt Bruce die Verstrickungen, die sich hinter all dem verbergen. Er kehrt zurück nach Gotham City, wo er schon seit längerer Zeit als tot gilt. Daher gehört ihm auch nicht mehr das große Wayne-Imperium, der milliardenschwere Sitz seiner Eltern. Bruce baut sich schließlich sein eigenes Imperium auf, verschafft sich mithilfe seines Butlers Alfred und des befreundeten Lucis Fox die nötigen Materialien und beginnt schließlich, als Batman die Unterwelt von Gotham City aufzumischen. Es kommt, wie es kommen musste: Ra’s Al Ghoul und die menschliche Fledermaus stehen sich in einem finalen Showdown gegenüber.

Auch wenn man den Film bereits gesehen hat, kann ich das Buch nur empfehlen, denn hier werden so manche Details, die im Film eher untergegangen sind (so zum Beispiel die Beweggründe des verwaisten Bruce, sich aus Gotham City abzusetzen) viel mehr ausgeschmückt und erscheinen schlussendlich auch viel logischer. Überhaupt sind es die Übergänge, die im Film manchmal recht schnell an einem vorbeiflitzten, denen hier ein größeres Maß an Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Dafür muss man aber auch in Kauf nehmen, dass das Buch vom Aufbau her ein wenig anders gestaltet ist: Wo der Regisseur im Film stets auf Rückblicke in die Vergangenheit zurückgreift, bemüht sich O’Neil um eine chronologische Abfolge, was ich aber weder besser noch schlechter finde, weil sie solcherart ebenfalls sehr gelungen dargestellt wird.

Natürlich, hat man den Film gesehen und kennt man das Ende, geht das deutlich auf Kosten der Spannung – und dennoch findet man immer wieder neue Hintergründe, die im Film nicht so genau erforscht wurden, dafür hier aber umfassend beleuchtet werden.

Im Großen und Ganzen kann man Dennis O’Neil also nur Lob aussprechen. Sowohl die erzählerische Darstellung der Charaktere als auch die spannende Beschreibung der Geschichte des jungen Bruce Wayne hat der Batman-erfahrene Autor meisterhaft bewältigt und dabei wirklich keine verborgenen Details ausgelassen. Man merkt dem Stil aber auch die Begeisterung für das Phänomen „Batman“ an, so dass es für O’Neil ein Leichtes ist, den Leser auf seine Seite zu ziehen. Entgegen aller Vorurteile an dieser Art Bücher bin ich also mehr als positiv überrascht und spreche ein weiteres Mal meine Empfehlung für dieses eigenständige Begleitbuch zu „Batman Begins“ aus.

Carol O’Connell – Der steinerne Engel [Mallory 4]

OConnell Mallory04 Engel Cover 2002 kleinDie psychotische Polizistin Mallory folgt einer Spur ihrer ermordeten Mutter ins Südstaaten-Städtchen Dayborn, stört dort mächtiges Lumpenpack auf und weicht nicht eher, bis sie die Schuldigen ausgetilgt hat … – Hart an der Grenze zur Übertreibung erzählt die Autorin das vierte Mallory-Abenteuer als Mischung aus Rachethriller und Gruselmärchen; das mag des Guten manchmal ein wenig zu viel sein, ist aber ungemein spannend und zielt temporeich auf ein bombastisches Finale!

Das geschieht:

Nachdem Kathleen Mallory, die hoch talentierte aber psychisch gestörte Polizistin bei der Kommission für Sonderverbrechen des New York Police Departments, hat alle Brücken hinter sich abgebrochen, die Stadt verlassen und sich in den Süden der Vereinigten Staaten aufgemacht. Aus ihrem ohnehin nur labilen Gleichgewicht gebracht, will Mallory endlich das Geheimnis ihrer Herkunft klären. Nur eines ist sicher: Ein ungeheuerliches Verbrechen kostete vor siebzehn Jahren ihrer Mutter das Leben und verurteilte Mallory zu einem barbarischen Überlebenskampf, dessen Folgen sie gezeichnet hat.

Mallory kommt ins kleine Städtchen Dayborn tief im ländlichen bzw. hinterwäldlerischen Louisiana. Hier ist die Zeit in mancher Beziehung stehengeblieben. Daher hasst man es, wenn neugierige Fremde auftauchen, die nach einem Skelett im Schrank der gar nicht so honorigen Stadtväter forschen. Mallory bleibt trotz ihrer inneren Krise immer noch Mallory, und so ist das Ergebnis vorgezeichnet: „Die junge Fremde kam kurz nach zwölf Uhr mittags in die Stadt. Eine Stunde später war der Idiot überfallen worden, seine Hände waren gebrochen und voller Blut. Travis, der stellvertretende Sheriff, hatte am Steuer seines Streifenwagens einen schweren Herzanfall erlitten. Und Babe Laurie wurde ermordet aufgefunden.“ Da man in den Südstaaten viel schwitzt und wenig fragt, wie wir aus zahlreichen Thrillern à la „In der Hitze der Nacht“ wissen, findet sich Mallory umgehend im Gefängnis wieder.

Hier endlich gelingt es Charles Butler, dem genialen aber weltfremden Inhaber einer renommierten Consulting-Firma, ihre Spur wieder aufzunehmen. Er ist der (heimlich und hoffnungslos verehrten) Freundin aus New York nachgereist, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Nun wird er mit ihr, die bald schon wieder freikommt, in die düstere Vergangenheit von Dayborn gezogen und Zeuge, wie Mallory, die Katze auf und unter dem heißen Blechdach, eine alte Schuld begleicht. Dabei entfesselt sie wie üblich ein Inferno, das den Mississippi wieder einmal brennen lässt …

Racheengel im Außeneinsatz

Für ihren vierten Fall verlässt Mallory New York City. Die Stadt ist offensichtlich zu klein für sie geworden. Dies zeichnete sich im Vorgängerband („Tödliche Kritiken“) bereits ab. Fieser Roman stellte nicht nur einen Höhepunkt der Reihe, sondern auch einen logischen Schnitt dar: Noch aufsehenerregender konnte ein weiteres Mallory-Abenteuer nicht mehr werden, ohne endgültig vom Boden der Tatsachen abzuheben. Mallorys Weg zurück zu den eigenen Wurzeln bot sich als Ausweg an, zumal Autorin Carol O‘Connell in die ersten drei Teile immer wieder geheimnisvolle Andeutungen über dieses Thema eingestreut hatte.

Nun geht es also in den amerikanischen Süden, wie man ihn aus vielen anderen Thrillern, besonders aber aus Kino und Fernsehen kennt bzw. zu kennen glaubt: schwül-heiß, von nostalgischer, in jeder Beziehung ziemlich morscher bzw. vom Winde verwehter Südstaaten-Pracht sowie von dekadenter, teils altmodisch-einnehmender, teils einfach überholter Vor-Bürgerkriegs-Lebensart geprägt und mit einigen sehr unerfreulichen Charakterzügen gewürzt. Diese Kulisse wird üblicherweise bevölkert von nur scheinbar gutgesinnten, tatsächlich aber finster rassistischen und in jedes denkbare Verbrechen verwickelten, skrupellosen, frömmelnden doch gottlosen ‚Ehrenmännern‘, grobschlächtig-chauvinistischen, dem Fremden gegenüber notorisch misstrauischen Sheriffs und malerisch verarmten aber stolzen Mint-Julep-Ladies. Dazwischen tummelt sich allerlei vertierter, Ku-Klux-Klan- und Bible-Belt-geschädigter Abschaum, der sich für keine Abscheulichkeit zu schade ist und gewöhnlich auf Namen wie „Cletus“ oder „Billy Ray“ hört.

O‘Connell vermeidet immerhin das beliebte Klischee der angstvoll geduckten (Mehrheit) oder aufrecht Widerstand leistenden (Minderheit) Südstaaten-Schwarzen. Man muss es der Autorin hoch anrechnen, dass es ihr gelingt, nur zu bekannte Bausteine erneut zu einem hochklassigen Thriller um Schuld, Sühne und Rache zusammenzusetzen, der schon bald den für die Mallory-Romane üblichen Dreh ins Unwirkliche nimmt. Im „Steinernen Engel“ kommen sachte Elemente des Übernatürlichen hinzu, wenn die eigenartig menschenfeindliche und urtümliche Landschaft entlang des Mississippis ihr eigenes Leben anzunehmen scheint. Sogar einen Hund der Baskervilles gibt es, der als fast unsterblicher Zeuge vergangenen Grauens durch die Sümpfe geistert und so manchen Übeltäter des Nachts durch sein Geheul in den Schrank flüchten lässt.

Mallory goes Gothic

Das ist keine Übertreibung, sondern wird so von O‘Connell tatsächlich in Worte gefasst. Hier wird das Dilemma dieses Romans deutlich: Die Autorin übertreibt es mit ihrer Südstaaten-Romantik, die Dayborn bald in die Kulisse eines jener Grusler à la Edgar Allan Poe zu verwandeln droht, wie Roger Corman sie in den frühen 1960er Jahren mit Vincent Price in Serie gedreht hat; mit viel künstlichem Nebel, Spinnweben und Pappmaché, was die billige Machart indes nicht verbergen kann.

Die Mallory-Figur ist interessant aber limitiert. Besonders vielschichtig war sie ohnehin nie. Andererseits macht der Hulk seit Jahrzehnten nichts anderes, als seinen Quadratschädel durch dicke Mauern zu rammen, und hat damit eine Karriere begründen können. Letztlich ist auch Mallory genau das: eine Comic-Figur, die mit der Realität wenig zu tun hat. Auf dieser Bahn hat sie nach dem „Steinernen Engel“ viele weitere Fälle gelöst und viel Porzellan dabei zerschlagen, ohne dass ihr das Publikum verlorenging. Auf jeden Fall ist es ratsam, zwischen der Lektüre der einzelnen Abenteuer stets eine Weile verstreichen zu lassen – das lässt die Häufung der zum Mallory-Klischee verkommender Bilder und Szenen nicht so deutlich werden!

Dennoch schlägt Mallory auch bei ihrem vierten Auftritt schlägt die kriminalistische ‚Konkurrenz‘ – gleichgültig ob weiblich oder männlich – mit Leichtigkeit! Dieser Rezensent kann den „Steinernen Engel“ daher uneingeschränkt empfehlen, womit er – es sei erwähnt – freundlicher urteilt als die angelsächsische Kritik, die der Autorin die angesprochenen Wiederholungen, noch mehr aber die Abkehr vom urbanen Handlungsort und die ‚gotische‘ Gruselromantik übelgenommen hat. Man muss die quasi traumgleiche Atmosphäre eines typischen Mallory-Thrillers mögen oder weniger akzeptieren. Dann hebt man als Leser gern mit ab, wenn Mallory wieder einmal kontrolliert Amok läuft!

Autorin

Carol O’Connell (geb. 1947) verdiente sich ihren Lebensunterhalt viele Jahre als zwar studierte aber weitgehend brotlose Künstlerin. Zwischen den seltenen Verkäufen eines Bildes las sie fremder Leute Texte Korrektur – und sie versuchte sich an einem Kriminalroman der etwas ungewöhnlichen Art.

1993 schickte O‘Connell das Manuskript von „Mallory‘s Oracle“ (dt. „Mallorys Orakel“/„Ein Ort zum Sterben“) an das Verlagshaus Hutchinson: nach England! Dies geschah, weil Hutchinson auch die von O‘Connell verehrte Thriller-Queen Ruth Rendell verlegte und möglicherweise freundlicher zu einer Anfängerin sein würde.

Vielleicht naiv gedacht, vielleicht aber auch ein kluger Schachzug (und vielleicht nur eine moderne Legende). Hutchinson erkannte jedenfalls die Qualitäten von „Mallory‘s Oracle“, erwarb die Weltrechte und verkaufte sie profitabel auf der Frankfurter Buchmesse. Als der Roman dann in die USA ging, musste der Verlag Putnam eine aus Sicht der Autorin angenehm hohe Geldsumme locker machen.

Seither schreibt O‘Connell verständlicherweise hauptberuflich; vor allem neue Mallory-Geschichten aber auch ebenfalls erfolgreiche Romane außerhalb der Serie. Carol O’Connell lebt und arbeitet in New York City.

Taschenbuch: 381 Seiten
Originaltitel: Flight of the Stone Angel (London : Hutchinson 1997)
Übersetzung: Renate Orth-Guttmann
http://www.randomhouse.de/goldmann

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Michael Marrak – Morphogenesis

In einem Interview für das TERRACOM, Ausgabe Juni 2004, fragte ich Michael Marrak nach dem Wesen seines neuen Romans. Er antwortete (wahrscheinlich mit einem Grinsen im Gesicht):
»Es wird […] ein sehr zynischer Roman mit einer gesunden Portion an schwarzem Humor … und knietief Blut … 😉 «
Damals konnte ich mir noch nicht vorstellen, wie tief „knietief“ wirklich ist …

Michael Marrak arbeitet als Illustrator und Schriftsteller, dabei lebt er in der weltkulturdenkmalerischen Stadt Hildesheim. Er debütierte 1997 mit seinem Roman „Die Stadt der Klage“, „Lord Gamma“ von 2000 erhielt den Kurd-Laßwitz-Preis sowie den Deutschen Phantastik-Preis als bester Roman des Jahres. 2002 erschien sein Horror-SF-Mischling „Imagon“, der ebenfalls ausgezeichnet wurde.
Weitere Infos: http://www.marrak.de.

stadt der klage

Hippolyt Krispin entdeckt in seinen privaten archäologischen Forschungen mitten in der libyschen Wüste eine Pyramide. An sich schon erstaunlich genug, aber sie besitzt außerdem einen sechseckigen Grundriss. In ihrem Zentrum stößt Krispin auf einen riesigen versiegelten Hohlraum, der unter Vakuum steht, bis Krispins Mitarbeiter die Wand durchbricht. Er verendet dabei qualvoll und blutig, denn der Unterdruckt reißt ihm sämtliche Eingeweide aus dem Körper. Niemand ahnt bisher, dass es so etwas ist wie ein Tor zur Unterwelt, dem ägyptischen Duat.

Der geöffnete Raum ist gigantisch und von einer merkwürdigen knöcheltiefen Staubschicht bedeckt, die reibungslos durch die Finger rinnt und nicht greifbar ist. In einem Ringsarkophag findet er einen goldenen Uroboros (eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt) und erlebt bei der ersten Berührung damit eine Vision: Ein übergroßer Schlangenkopf hebt sich aus dem Staub und mustert Krispin. Sie grüßt ihn in einer sonderbaren Sprache und bezeichnet ihn als Kematef.

Krispin trifft später auf eine wunderschöne Ägypterin mit verführerischem Duft und verbringt mit ihr den Abend. Anscheinend ist sie für niemand sonst sichtbar, außerdem umgibt sie ein Geheimnis. Sie behauptet, mit einer Totenbarke aus der Totenstadt Sarara gekommen zu sein und ringt ihm das Versprechen ab, ihr einen Wunsch zu erfüllen und sie dort zu besuchen. Nach einem berauschenden Geschlechtsakt drückt sie ihm den Uroboros in die Brust, er verschwindet wie ein Lebewesen in Krispins Eingeweiden, Krispin erlebt eine grausige Vision und erwacht erinnerungslos und blutüberströmt vor seinem Hotel. Nichts ist mehr so, wie es sein muss.

eine multihölle für alle

„Morphogenesis“ ist eine Vollendung des stark gedrängten Romans „Die Stadt der Klage“. Und diese Stadt, in die es Hippolyt Krispin verschlägt, ist eine Verschmelzung aus vielen Höllenmythen, die die Menschheit im Laufe ihrer Entwicklung entwarf. Hier treffen sich Neros brennendes Rom und die fleißigen Errichter des babylonischen Turms sowie französische Gillotinierte zur gemeinsamen, ewigen Buße.

Der Prolog des Romans hätte uns vorwarnen müssen. Er ist wie ein Vorgeschmack auf die Abstrusität und die Bildauswahl des Romans, erdrückt sofort die gewachsenen Vorstellungen von Realität und Zumutbarkeit in uns und weckt eine Verwirrung, die wohl nur aus falschen Erwartungen entstehen kann. Wer den Klappentext liest und dort etwas von Pyramiden und Ausgrabung stehen sieht, erwartet gewiss nicht, sich in einem ausgebrannten Turm zwischen ekligen, sich vermehrenden Insekten und staubsaugerartigen Schwämmen wiederzufinden, gegenüber eine albtraumhafte Gestalt, und ein blutiges Stigma aus dem Rücken die Wand hinter einem verschmiert. So gerät man schon im Prolog von einem Albtraum in den nächsten, denn die erste Sequenz, die sich leicht als Traum entpuppt, mündet in den eben beschriebenen Part, der für den Erzähler offenbar die Realität ist. Pyramide? Ausgrabung? HIER??

Zum Glück beginnt das erste Kapitel nach diesem Anfangsschock „normal“ und erwartungsgemäß. Ich erinnerte mich aber beim Öffnen der Vakuumkammer und der daraus resultierenden „Entleibung“ des Mitarbeiters überdeutlich an Marraks oben zitierten Ausspruch: „… und knietief Blut …“ Mit jeder weiteren Seite entfernt sich die Erzählung von unserer Realtität und wird zu einem phantastischen Schauspiel.

Mit welchen Worten soll man diesem Buch gerecht werden? Schon die Einordnung in irgendein Genre fällt schwer – aber man versucht es trotzdem, jeder Teil in seine Schublade. Einigen wir uns auf den Oberbegriff „Phantastik“ (nicht zu verwechseln mit Fantasy, darum schreibe ich es auch weiterhin mit Ph), damit tun wir dem Werk kein Unrecht. Da wir es mit Michael Marrak zu tun haben, können wir das Buch versuchsweise mit seinen Vorgängern vergleichen. „Lord Gamma“ war eindeutige Science-Fiction mit einer kolossalen Enthüllung zum Schluss. „Morphogenesis“ ist weit abstruser, abgedrehter, aber durch den mythologischen Hintergrund nicht ganz so erschlagend – es erschlägt durch andere Aspekte. Hier geht es vordringlich um das Schicksal Hippolyt Krispins (und um unsere armen Seelen, das ist schon schockierend). „Imagon“ ließ sich schon schwerer einordnen, man nennt es Science-Horror-Thriller. Die düstere Aussicht für die Menschheit wird in „Morphogenesis“ blutiger und zynischer dargestellt, unser Augenmerk auf andere Dinge gelenkt.

Die Ausgeburt der Hölle, die durch Krispin zum Leben erweckt werden soll, wird nicht eindeutig bewertet. Ist es wirklich nur ein kleiner Ausflug aus der Hölle, wie Krispins Gegenspielerin und Gönnerin behauptet, oder erwartet uns durch diesen Pakt die Hölle auf Erden?

Im Endeffekt hat sich Marrak eine tragisch unsterbliche Figur geschaffen, die ewig durch die Gefilde der Literatur wandeln kann, um hin und wieder auf sich aufmerksam zu machen. Beneidenswert, wie Marrak schreiben kann, aber gleichzeitig Furcht einflößend: Geht sowas |ständig| in seinem Kopf umher? Da kann man gespannt sein auf die Früchte seiner Fantasie, die uns in den nächsten Jahren erwarten.

Es gibt ein Detail, eine Frage, auf deren Auflösung ich die ganze Zeit unbewusst gewartet habe. Zu Beginn seiner Bekanntschaft mit Sahia hat Krispin eine Vision, die von einer Welt aus Nervensträngen und Synapsen handelt, in der ein geschwürartiges Gebilde auf ihn zu jagt, in dem er ein schreckliches „Ding“ sieht. Danach ist Dunkelheit. Was hat er gesehen? Vermutlich war es in der Realität das Auto, das ihn traf, aber was hat er in seiner Vision gesehen? Anscheinend war es zu unwichtig, um dem Autor eine Aufklärung wert zu sein. Aber es reizt leider die Neugier und hätte darum eine Antwort verdient.

morphogenesis

Den Titel zu erklären, hieße, die Lösung des Romans zu verraten. Auch wenn man sich davor drückt, gibt es noch etwas Wichtiges festzuhalten: Um den Geist zu reinigen, bietet der Roman den perfekten Weg. „Entschlackung“ kann man es nennen, die aufgestauten unmöglichen Fantasien und abstrusen Gedanken finden hier ihren Ausdruck – und dabei wird auch noch eine spannende Geschichte erzählt! Vor allem zum Schluss drückt der Wunsch nach der Lösung, man kann kaum noch von dem Buch lassen. Was gibt es für ein besseres Argument für einen Roman? Eines muss fairerweise nochmal gesagt werden: Der Roman ist blutrünstig. Man sollte sich durchaus eine Prise schwarzen Humors zulegen, ehe man ihn liest.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Als Orientierung für die Bewertung gilt:
– 1 Stern: Gefällt mir überhaupt nicht
– 2 Sterne: Gefällt mir eher nicht
– 3 Sterne: Unentschieden/Durchschnitt
– 4 Sterne: Gefällt mir eher gut
– 5 Sterne: Gefällt mir sehr gut

Wooding, Chris – Gambit der Kaiserin, Das (Der verschlungene Pfad 2)

„Das Gambit der Kaiserin“ ist der zweite Teil der neuen Trilogie „Der verschlungene Pfad“ von Chris Wooding und zeigt fast noch eindrucksvoller als beim ersten Band [„Die Weber von Saramyr“, 1546 welch talentierter Schriftsteller sich hinter diesem Titel verbirgt. Allein die Art und Weise, wie Wooding Landschaften beschreibt, Emotionen in Worte packt und Verstrickungen sich langsam zusammenfügen lässt, zeigt wahre Größe. Dass er darüber hinaus aber auch noch eine Welt kreiert hat, aus der man, sobald man sich in ihr eingefunden hat, gar nicht mehr entfliehen kann, dafür kann ich ihm nur aus vollem Herzen danken.

Nach so vielen Fantasy-Reihen im Stile eines Tolkien ist es Wooding gelungen, dem Genre unter anderem durch die Hinzaunhme von Stilelementen der fernöstlichen Kultur eine ganz neue Farbe zu verleihen und es in jeglicher Hinsicht zu bereichern. Andererseits muss man aber auch betonen, dass das hier beschriebene Land Saramyr ein äußerst brutales ist und als solches auch mit all seinen Einzelheiten dargestellt wird. Diesbezüglich ist die Trilogie dann auch ziemlich harter Tobak, aber das wissen erfahrene Leser ja schon vom ersten Buch. Nichtsdestotrotz ist Teil zwei, „Das Gambit der Kaiserin“, noch eine Spur härter und definitiv schwerer verdaulich, deswegen aber absolut nicht minder genial.

_Story:_

Fünf Jahre sind seit jenem schicksalhaften Tag vergangen, an dem die Geblütskaiserin und ihr verlogener Gatte infolge eines Staatsstreiches ums Leben kamen und ihre ausgebürtige Tochter von den Anhängern der Libera Dermach in Sicherheit gebracht wurde. Fünf Jahre, in denen allmählich Ruhe in Saramyr eingekehrt ist, in denen der rote Orden sich für den großen Kampf gegen die furchterregenden Weber wappnen und vorbereiten konnte, aber auch fünf Jahre, in denen ganz unbemerkt weitere Intrigen gesponnen wurden, die sich später noch als die langfristig geplante Verwirklichung einer großen Verschwörung herausstellen sollen.

Die Geschichte beginnt mit einer längeren Reise, die Kaiku und Mishani auf einen anderen Kontinent unternehmen, wo sie einen Späher treffen und zurück nach Saramyr schmuggeln sollen. Nach einigen Unklarheiten begegnet Kaiku schließlich dem gesuchten Mann namens Saran und verhilft ihm zur Überfahrt.

Im Schloss angekommen, hat Saran wichtige Neuigkeiten, die er auf seiner langen Reise sammeln konnte. Unter anderem hat er über die Jahre eine Theorie über die Entstehung der Hexensteine aufstellen können, an deren Wahrheitsgehalt die Libera Dermach und der rote Orden zwar noch zweifeln, die aber schlüssiger kaum sein könnte. Derweil ist Kaiku bewusst geworden, wie sehr sie sich zu Saran hingezogen fühlt – bis sie schließlich den wahren Grund für seine Anziehungskraft entdeckt …

Nicht viel später verschwindet die Person, die Kaiku auf dem fremden Kontinent kennen gelernt hat, und Kaiku ist wieder von Selbstzweifeln geplant. Gleichzeitig entdeckt sie aber neue Stärken an sich und lernt nach und nach, ihr Kana, die von ihr entfesselte Energie, zu kontrollieren und sinnvoll einzusetzen.

Währenddessen gehen in den Festen des Kaisers merkwürdige Dinge vor sich. Geblütskaiser Mos, der nach dem Tod seines Sohnes Durun an die Macht gekommen ist, wird Opfer heimtückischer Pläne. Immer mehr wird er von Eifersucht geplagt und bezichtigt seine geliebte Frau schließlich, dass ihr noch ungeborenes Kind von einem anderen Mann gezeugt wurde. Zu spät merkt er, dass dies eine weitere Intrige der Weber ist, hinter der sich der neue Webfürst Kakre verbirgt. Dieser schmiedet mit seinen Gefährten jedoch noch weitaus schlimmere Pläne. Während die Libera Dermach sich gänzlich von der Umwelt abgeschirmt und die versteckt und für tot gehaltene Tochter der ehemaligen Geblütskaiserin Anais auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereitet hat, haben die Weber ganz unbemerkt eine Armee von ausgebürtigen Monstern gezüchtet, mit Hilfe derer sie ihren finalen Zug um die Macht in Saramyr bestreiten wollen. Und in dem Moment, in dem die Armee sich in Bewegung setzt, scheint sie niemand mehr aufhalten zu können …

_Bewertung:_

Wie auch schon das erste Buch, so ist „Das Gambit der Kaiserin“ gespickt mit vielen untergeordneten Handlungen, die erst einmal ganz unabhängig voneinander stattfinden, sich aber zum Ende hin mehr und mehr ergänzen und zu einem großen Ganzen zusammenwachsen. Selten habe ich erlebt, dass ein Autor es vermag, mich mit seinem Schribstil, vor allem aber mit den zahllosen Andeutungen und versteckten Hinweisen so geschickt bei der Stange zu halten, dass selbst ein Buch mit über 700 Seiten in kürzester Zeit durchgeackert wird. Das ist einfach ganz große Klasse, was Chris Wooding hier erschaffen hat!

Nachdem er im ersten Band quasi die ganzen Rahmenbedingungen abgesteckt hat, bleibt ihm im zweiten Teil entsprechend viel Raum, noch weiter als ohnehin schon in die Tiefe zu gehen und die Geschichte mit all ihren Nebenarmen wachsen zu lassen. Und sie wächst und gedeiht, spinnt sogar noch weitere Unterhandlungen zurecht und entwickelt eine Spannung, der man sich kaum noch entziehen kann.

Immer wieder tauchen infolge eines unerwarteten Verrats neue Wendungen in der Geschichte auf, dann wieder springt Wooding zum nächsten Szenario und lässt eine Andeutung zum Schluss eines Kapitels fast hundert Seiten ungeklärt, bis sich das Ganze dann schlussendlich wieder wie ein erst noch unvollständiges, schließlich aber logisches Puzzle zusammenfügt – und das immer und immer wieder, ohne dass man Gefahr läuft, den Überblick zu verlieren.

Doch Wooding hat nicht nur ein weiteres mitreißendes Epos verfasst, er erreicht primär durch die Schilderungen der teils zwischenmenschlichen, teils abnormalen Grausamkeiten die Emotionen seiner Leser und weiß sie zu bewegen. Einzigartig, wie er fast schon nüchtern über die Bruatlität der Weber berichtet, die grausame Vergangenheit der Protagonisten schildert oder aber einen wichtigen Charakter ganz plötzlich aus der Handlung ausscheiden lässt. Allein dies würde schon als Grund ausreichen, dieses Buch weiterzuempfehlen, doch ehrlich gesagt fallen mir da noch unzählige weitere Rechtfertigungen ein.

Mein Fazit ist daher eindeutig: Ich bin erneut schwer begeistert vom aktuellen Werk Woodings und kann es kaum noch abwarten, bis sich mit dem bislang noch nicht erschienenen dritten Teil der Kreis schließt. Erhabener und mitreißender kann man die moderne Fantasy kaum gestalten!

Isaac Asimov – Das Foundation-Projekt (Foundation-Zyklus 7)

Aus Isaac Asimovs großem Foundation-Zyklus liegt uns mit „Das Foundation-Projekt“ der siebente Band vor. Es ist der direkte Vorgänger der berühmten „Foundation-Trilogie“, die gleichsam Ursprung und wichtigstes Werk des Zyklus‘ ist. Im Foundation-Projekt lässt Asimov uns den Weg des großartigen Mathematikers Hari Seldon verfolgen, seinen Lebensweg und seine Entwicklung der Psychohistorik, durch die er der Menschheit den Weg aus dem Chaos nach dem Fall des Trantorschen Imperiums ebnen will.

Isaac Asimov wurde in der Sowjetunion geboren und emigrierte mit seinen Eltern in die USA, wo er neben seinem Studium der Chemie bereits Science-Fiction-Erzählungen schrieb und veröffentlichte. Besondere Steckenpferde waren ihm seine Erzählungen um die Roboter und ihre Psychologie sowie der große Entwicklungsbogen um die Zukunft der Menschheit; beide verband er schlussendlich in dem zehnbändigen „Foundation-Zyklus“, der somit als sein großes Werk angesehen werden kann. Asimov starb im April 1992.
Weitere Infos: http://www.asimovonline.com.

DER FOUNDATION-ZYKLUS
1. Meine Freunde die Roboter
2. Die Stahlhöhlen
3. Der Aufbruch zu den Sternen
4. Das galaktische Imperium
5. Die frühe Foundation-Trilogie
6. Die Rettung des Imperiums
7. Das Foundation-Projekt
8. Die Foundation-Trilogie
9. Die Suche nach der Erde
10. Die Rückkehr zur Erde

Hari Seldon arbeitet als Mathematikprofessor an einer Universität auf und in Trantor, der Hauptwelt und –stadt des Imperiums. Vor einigen Jahren hielt er einen übereifrigen Vortrag über seine Idee der Psychohistorik – einem mathematischen Modell zur Berechnung menschlicher Handlungen, nur anwendbar auf sehr große Gruppen, vergleichbar mit den physikalischen Gesetzen der Thermodynamik. Er wurde verlacht, nur Kaiser Cleon I. und sein Kanzler Demerzel (hinter dem sich der Roboter Daneel Oliwav verbirgt – was für eine Überraschung!) interessieren sich vorerst für seine Ansätze, könnte damit doch die Zukunft vorhergesagt und das bereits zerfallende Imperium gerettet werden!

Entgegen vielerlei Gefahren und politischen Attentaten, treibt Seldon seine Forschungen voran und entwickelt dabei mit Hilfe eines Teams die Geräte und die Mathematik, die später von der Zweiten Foundation benutzt werden würden. Gerade seine Enkeltochter entpuppt sich als erste Kandidatin für die zweite Foundation, die mit geistigen Kräften über die erste Foundation wachen soll. Das Projekt steht in den Startlöchern, Seldon ist mittlerweile uralt und hat alle seine Freunde und Verwandten überlebt, abgesehen von seiner Enkelin und ihrem Partner, Stettin Palver.

Dieser siebente Band des Zyklus stellt den Auftakt zur Foundation-Trilogie dar, die viele Jahrzehnte früher geschrieben wurde. Das Foundation-Projekt erschien erstmals im Jahre 1991, wohl als letzter Baustein des großen Zyklus. Man merkt ihm leider auch an, dass er eine Lücke füllt und das Geheimnis um den mysteriösen Entwickler der Psychohistorik lüftet. Die Handlung ist durchdacht und in Asimov-typischem Stil geschrieben, aber gewisse Details (wie die Anwesenheit von Daneel und anderer Roboter) lassen den Roman überladen wirken.

Stettin Palver ist tatsächlich ein Urahn von Preem Palver, der im Laufe der Trilogie eine wichtige Tat zur Rettung des Projekts vollbringt. Somit konnte es Asimov auch hier nicht lassen, Anspielungen auf seine „früheren“ Romane (die zeitlich später spielen) anzubringen. Daneel Oliwav, der Roboter, der bereits in den ersten Agentenromanen um die Entwicklung der Menschheit auftritt (siehe: Die Stahlhöhlen), hat ein kurzes Gastspiel und offenbart schon Fähigkeiten, die erst im zehnten Band ihre Erklärung finden (siehe: Die Rückkehr zur Erde). Insgesamt wirkt der Roman deutlich konstruiert, und mit seiner Entmystifizierung von Seldon hat Asimov dem großen Ganzen keinen Gefallen getan. Die einzelnen Romane bleiben für sich spannend, aber schließlich bleiben so gut wie keine Fragen mehr offen, die zu jenem universellen Gefühl führen könnten, das man allgemein als „sense of wonder“ bezeichnet (und das leider viel zu oft auch sinnentfremdet Verwendung findet).

Empfehlenswert ist, die Foundation-Trilogie und die beiden Folgeromane in Reihenfolge zu lesen und zu genießen, außerdem bieten die ersten Bände um die Roboter und die Agentengeschichten bis mindestens zur „Frühen Foundation-Trilogie“ hervorragende Unterhaltung. Band 6 „Die Rettung des Imperiums“ kann ich nicht beurteilen, da es leider vergriffen ist, aber den vorliegenden Band 7 sollte man nur lesen, wenn man nicht von Asimov lassen kann und der künstlich zusammengestellten Reihe vollständig folgen will. „Das Foundation-Projekt“ ist zweifellos ein unterhaltsames Buch, aber durch Asimovs zwanghafte Versuche, sein Werk in eine Form zu pressen, verliert es durch seine künstliche Konstruktion und die Überladung mit Anspielungen ein nicht unerhebliches Maß an Reiz.

McLiam Wilson, Robert – Eureka Street, Belfast

Rob, bist du das? Ich hatte kaum zwei Sätze gelesen, schon fühlte ich mich stark an Rob, den Plattenladenbesitzer aus Nick Hornbys „High Fidelity“, erinnert. Kritischer Blick auf den Buchdeckel. Nein, kein Hornby. Also doch nicht Rob, auch wenn die ersten Sätze aus „Eureka Street, Belfast“ auch von ihm stammen könnten: |“Es war an einem späten Freitagabend, vor sechs Monaten, sechs Monate, seit Sarah weg war. Ich saß in einem Pub und plauderte mit einer Kellnerin namens Mary. Sie hatte kurzes Haar, einen sehr runden Arsch und große, traurige Kinderaugen. Ich kannte sie gerade mal drei Stunden und kriegte schon die Zweijahreskrise.“|

Der Mann mit der Zweijahreskrise ist Jake. Von der Freundin verlassen, lebt er allein mit seinem Kater in Belfast und geht miesen Jobs nach, für die er eigentlich überqualifiziert ist. Seit er von seiner Freundin verlassen wurde, die es in Nordirland nicht mehr ausgehalten hat, hat er kein gutes Händchen mehr in Bezug auf Frauen. Die meisten Annäherungsversuche enden entweder damit, dass er beschimpft oder verprügelt wird oder beides.

„Eureka Street, Belfast“ erzählt die Geschichte von Jake, allerdings nicht nur die Geschichte von Jake. Im Grunde geht es um eine Clique schräger Vögel, von denen einer Jake ist. Ein anderer schräger Vogel und Jakes bester Freund ist Chuckie. Chuckie ist ein Spinner, ein Phantast. Er ist dreißig, hat aber noch immer kein eigenes Geld verdient. Dennoch träumt er davon, reich zu werden, und wie durch ein Wunder kommt der Träumer schon bald seinem Ziel ein Stückchen näher, als er merkt, dass er die verrücktesten Ideen zu Geld machen kann.

|“Als Chuckie noch arm war, waren auch seine Tagträume eher bescheiden gewesen: ein Auto, ein leichter Job, oraler Sex mit Filmstars, den Mädchen von der Wettervorhersage und Gameshowmoderatorinnen. […] Jetzt aber träumte Chuckie davon, das Sozialministerium und die Royal Ulster Constabulary aufzukaufen. Vor allem aber träumte Chuckie davon, Irland aufzukaufen. Er sah die Anzeige des Immobilienmaklers für die Irland-Auktion schon vor sich: Schönes altes Land, kürzlich geteilt. Politisch leicht reparaturbedürftig. Sofort zu verkaufen.“|

Zugegeben, sowohl Chuckies Träumereien als auch seine „Projekte“ muten etwas absurd und merkwürdig an, dennoch verleihen sie dem Buch einiges an Witz. Chuckies Aufstieg vom armen Schlucker zum Selfmade-Man hat schon etwas unglaublich Skurriles. Dennoch wird er, teils durch seinen geschäftlichen Aufstieg, teils durch seine Liebe zu Max, einer Amerikanerin, im Laufe des Buches langsam erwachsen.

Jake dagegen scheint immer wieder auf der Stelle zu treten. Gerade anfangs konnte ich mich nie so recht entscheiden, ob ich ihn mögen soll oder nicht. Einerseits ist er ziemlich rücksichtslos und gleichgültig, andererseits zeigt er auch immer mal wieder, dass unter der harten Schale ein weicher Kern steckt und dass er doch vernünftigere Ansichten hat, als man ihm zunächst zutraut.

Besonders deutlich wird dies immer wieder in seinen politischen Auseinandersetzungen mit Aoirghe, einer ebenso überzeugten wie radikalen Republikanerin. In diesen Momenten kommt, wie an vielen anderen Stellen auch, immer wieder der Nordirlandkonflikt zum Tragen. Jake ist Katholik, Chuckie Protestant. Die beiden haben keinerlei Probleme mit der religiösen Gesinnung des anderen. Für sie zählt die Freundschaft mehr als republikanische oder unionistische Interessen.

Dass eine solche Haltung in Belfast nicht selbstverständlich ist, zeigt sich immer wieder sehr deutlich an den teils wirklich absurden Auswüchsen, die der Nordirlandkonflikt im Alltag annimmt. Sei es der Friedenszug von Belfast nach Dublin, der gegen den ständigen Bombenterror auf der Bahnstrecke protestieren will und seine Fahrt prompt wegen einer Bombendrohung abbrechen muss, oder die haarsträubenden Gespräche, die Jakes Arbeitskollegen mit ihm führen, in dem Glauben, er wäre wie sie Protestant. An solchen Punkten stimmt einen das Buch immer wieder nachdenklich, auch wenn in den Worten des Autors oft ein Prise Sarkasmus mitschwingt.

Was an „Eureka Street, Belfast“ besonders fasziniert, sind die Beschreibungen des alltäglichen, ganz normalen Wahnsinns zwischen Bombenterror und UVF- bzw. IRA-Slogans. |“Du hast die Fahnen gesehen, die Schrift auf den Wänden, die Blumen auf dem Pflaster. Das hier ist eine Stadt, in der die Menschen bereit sind, für ein paar bunte Stofffetzen zu töten und zu sterben. Das sind die Normen zweier Völker, die ein vier- oder achthundertjähriger nationaler und religiöser Unterschied spaltet.“|

Es ist schon schockierend und faszinierend zugleich, wie sich unter solchen Bedingungen etwas wie Alltag einstellen kann. Jake und seine Freunde scheinen aus dem Chaos inmitten all des Terrors das Beste zu machen. Der Terror ist allgegenwärtig, und dennoch scheint er weder Chuckie noch Jake sonderlich zu beeindrucken. Der Alltag läuft weiter: |“Es war natürlich nichts Ernstes. Ein stinknormales Belfaster Bombenattentat. Nicht viel zu erzählen. Niemand ist gestorben, niemand hat geblutet. Nichts Besonderes. […] Was war uns denn schon passiert? Seit wann macht einer Piep, wenn’s bei den Nachbarn knallt?“|

Die fast schon spielerische Art, mit der Autor Robert McLiam Wilson den Terror teilweise bis ins kleinste Detail beschreibt, und die Art, wie er anschließend wieder zur Tagesordnung übergeht, hat schon etwas Schockierendes und Brutales. Dadurch wird deutlich, wie das Leben der Menschen in Belfast inmitten des Terrors abläuft. Auf jede Bombe folgt auch wieder Alltag. Für die Menschen, die nicht in so einem Konflikt aufgewachsen sind, undenkbar. Doch auch Kritik schwingt in vielen Beschreibungen Wilsons von Belfast mit: |“Man hat Erde ins Meer gekippt, und darauf wurde Belfast gebaut. Morast, Neuland. Die Stadt ist eine Düne, ein Widerlager. Die Einheimischen sagen, sie sei dem Wasser entstiegen wie ein Gott, die Wahrheit aber ist, man hat sie ins Meer gekippt, doch sie ist nicht versunken.“

Viele der Szenen des Buches spielen in den ärmeren Stadtteilen von Belfast, wo die Extremisten beider Seiten noch die Zügel in der Hand halten. Eine Stadt zwischen Ausnahmezustand und Alltag. Menschen zwischen Aufruhr und alltäglichem Trott. So in etwa sieht das Bild aus, das Wilson von Belfast zeichnet. Eine Stadt, wie es in England oder Irland viele gibt, und dennoch ist alles anders.

Der Klappentext versteht Wilsons Sicht der Stadt als Liebeserklärung an Belfast und tatsächlich scheint es stellenweise so zu sein. Inmitten all des Terrors schafft er es, Belfast mit seinen Bewohnern immer wieder von einer faszinierenden, fast liebenswürdigen und menschlichen Seite zu zeigen.

„Eureka Street, Belfast“ scheint irgendwie immer zwischen Dramatik und Leichtigkeit hin und her zu pendeln. Es gibt genauso viele Szenen zum Schmunzeln, wie es Augenblicke zum Innehalten und Nachdenken gibt und Momente, die einen schockieren. Die Story hat viel „Drive“, entwickelt sich flott und mit einem durch ständige Perspektivenwechsel angeheizten Tempo.

Gesamturteil: Lesenswert, um es kurz und knackig auf den Punkt zu bringen. „Eureka Street, Belfast“ vereint schräge Figuren, alltägliches Leben und den Herzschlag einer vom Terror geplagten Stadt. Und Robert McLiam Wilson versteht sich genug aufs Geschichten erzählen, dass er daraus ein wirkliches mitreißendes Buch macht.

Andreas Eschbach – Die Haarteppichknüpfer

Mit „Die Haarteppichknüpfer“ gab Andreas Eschbach sein Debüt im Roman. Die Geschichte spielt in einer fernen Zukunft, in einer fernen Galaxis, in einem Universum, das zu großen Teilen vom „Sternenkaiser“ beherrscht wird. Zu seinen Ehren und um seinen unvorstellbaren Sternenpalast zu schmücken, gibt es die Haarteppichknüpfer, die ihr Leben lang an einem einzigen Teppich aus dem Haar ihrer Frauen und Töchter arbeiten.

Andreas Eschbach lebt und arbeitet „im Urlaub“, in der französischen Bretagne, wohin es ihn kürzlich mit seiner Familie zog. Neben Science-Fiction-Romanen wie „Quest“, „Solarstation“ und den Jugendbüchern um „Das Marsprojekt“ ist er auch sehr erfolgreich mit den Thrillern „Jesus-Video“ (verfilmt), „Eine Billion Dollar“ und „Der Letzte seiner Art“. Mit „Der Nobelpreis“ wird im September 2005 sein neuester Roman erscheinen. Und seit 2005 ist sein erster Roman unter dem Titel „The Carpet Makers“ in den USA erschienen.
Weitere Infos: http://www.andreaseschbach.de.

Wohin damit?

In der Klause des Haarteppichknüpfers Oswan spielt sich eine Tragödie ab: Traditionell ernährt ein Knüpfer eine Familie mit vielen Frauen und Töchtern, um an verschiedenfarbiges Haar zu kommen, aber höchstens einen Sohn, da der Erlös eines Haarteppichs nur für eine Familie reicht. Oswans Sohn ist dem Gewerbe jedoch abgeneigt und besucht lieber die Schule und den Lehrer bei seinen Diskussionsabenden, um Bücher zu lesen (was verboten ist) und Wissen zu erlangen (was normalerweise unmöglich ist). Oswan ist verzweifelt. Es scheint ein Zeichen des Kaisers zu sein, als seine Frau einen zweiten Sohn gebärt. Oswan nimmt das traditionelle Schwert von der Wand und erschlägt den älteren.

Als ein Haarteppichhändler die Stadt besucht, sickert das erste Mal das Gerücht durch, der Kaiser habe abgedankt! Völlig unglaublich, denn der Kaiser herrscht schon seit Jahrtausenden über sein Reich. Es tauchen Männer auf, die sich Rebellen nennen und mit einer Fotografie des toten Kaisers ihre Überzeugungsmission beginnen, doch oft scheitern sie an den Traditionen und der Borniertheit der Menschen. Bis sie auf ein Geheimnis stoßen: Jeder Planet dieser Galaxis dient einzig der Haarteppichproduktion, und jeder Planet ist der Meinung, einziger Produzent zu sein. Doch im Sternenpalast findet sich kein einziger Haarteppich. Wohin also verschwindet die Produktion einer ganzen Galaxis?

Gut, aber warum?

Die „Haarteppichknüpfer“ kann man kaum nüchtern analysieren. Was genau macht diese Geschichte zu etwas Besonderem? Das große Rätsel um den Sinn der Teppiche und damit den Sinn des Lebens einer ganzen Galaxis hält eine große Spannung über den ganzen Roman aufrecht, in Bruchstücken erhalten wir die Informationen, die wir brauchen, um das Bild zusammenzusetzen, und langsam zeichnet sich ein faszinierendes, unglaublich weiträumiges Drama ab, dem wir aber bis auf die letzten Seiten nicht in letzter Konsequenz selbst auf die Spur kommen können, ohne die führende Hand der Protagonisten, wo der Archivar des Kaisers eine sehr wichtige Rolle spielt. Wie die Rebellen, stehen wir vor dem Berg des Wissens und wissen doch nicht genug, um die Wahrheit zu erkennen. Zum Glück entsteht eine erstaunliche Liebe, die einen Insider zu unserem Informanten macht, unter dessen gewaltigem Wissen das Rätsel seine Lösung findet.

Dieser eine Teil der Geschichte ist ein bisschen unbefriedigend, wenn man auf die großartige Handlung der vorangegangenen Kapitel zurückblickt. Hier enthüllt jemand in einer mündlichen Erzählung die letzten Geheimnisse; ohne diese Unterstützung hätte das Buch seine Aufgabe nicht erfüllen können. Und im Endeffekt stehen wir doch nur staunend vor der Geschichte, die sich noch unüberschaubar in die Tiefen jenes Reservoirs erstreckt, aus dem die guten Erzählungen stammen.

Auch nach zehn Jahren seit dem ersten Erscheinen des Romans fesselt er den Leser uneingeschränkt, womöglich durch seine Zeitlosigkeit, die er aus folgenden Tatsachen bezieht: Gheera, die Galaxis der Haarteppichknüpfer, dümpelt ihrerseits zeitlos dahin, gefangen in den Traditionen, die keinen Ausbruch erlauben; der Sternenkaiser lebt seit über hunderttausend Jahren und herrscht seit annähernd der gleichen Zeit über sein Reich, was eine zeitlose Stabilität erfordert, und Stabilität widerspricht der Veränderung. Außerdem verzichtet Eschbach auf irgendwelchen technischen Schnickschnack, der 1995 vielleicht futuristisch angemutet hätte, heute möglicherweise bereits überholt und damit Ballast für die Geschichte gewesen wäre.

Seelenfänger

Ursprünglich erschien das erste Kapitel des Romans als Kurzgeschichte. Erst einige Jahre später verfasste Eschbach auf dieser Grundlage den Roman, der die Geschichte der Haarteppichknüpfer, der Haarteppiche und der Menschen dieses Universums aus verschiedenen unterschiedlichen Blickwinkeln in kurzen Episoden erzählt und so ein großartiges Gesamtbild schafft, bis dem Leser der Atem stockt. Viel wurde über diesen Roman geschrieben, Eschbach erhielt Preise dafür und schrieb sich sofort in die Herzen seiner Leser (die jetzt ungeduldig auf den nächsten Science-Fiction-Roman warten), aber berechtigterweise werden einige Tatsachen immer wieder betont: Mit unfassbarer Ideenvielfalt führt uns Eschbach lebendige, fremdartige und doch seltsam vertraute Charaktere und ihre Probleme vor, lässt uns Teil haben an ihrem Schmerz und ihrem Glück, badet uns in dem See ihrer Erlebnisse und macht uns zum Teil ihrer Geschichte, indem wir uns während der Lektüre in ihrer Seele wiederfinden.

Mabbett, Andy – Pink Floyd – Story und Songs kompakt

Bücher wie dieses hier sind ja eigentlich nur für wirkliche Fans einer Band interessant, weil sie zu 99 Prozent Insider-Informationen enthalten und so für den ‚fremden‘ Leser auch schon mal wie chinesische Logogramme wirken können. Das ist der Normalfall. Andy Mabett ist es dennoch gelungen, die Geschichte von PINK FLOYD kurz und bündig, aber dennoch so informationsreich zu gestalten, dass selbst der Neueinsteiger in Sachen PINK FLOYD viel aus diesem Buch mitnehmen kann und sein Interesse für diese Kult-Gruppe definitiv steigern wird.

Der Autor selbst war zehn Jahre lang Mit-Herausgeber von „The Amazing Pudding“, dem angesehenen Fanzine über PINK FLOYD und Roger Waters. Er hat für verschiedene Zeitschriften, darunter „Q“ und „MOJO“, über PINK FLOYD geschrieben, hat Beiträge zu „Crazy Diamond – Syd Barret and The Dawn of Pink Floyd“ geliefert und mit Miles zusammen „Pink Floyd – A Visual Documentary“ geschrieben. Mabbett hat die Band also jahrelang begleitet und dabei dermaßen viel an Informationen sammeln können, dass sie den Umfang dieses kleinen Taschenbuches um ein Vielfaches sprengen könnten. Trotzdem hat sich der Autor darauf beschränkt, kurz und kompakt die wichtigsten Details herauszufiltern und so Stück für Stück, Album für Album und schließlich Komposition für Komposition die Geschichte dieser Ausnahmeerscheinung aufzurollen.

Natürlich ist dabei der Insider im Vorteil, weil er selber die hier beschriebenen Nummern oder zumindest den Großteil davon kennt und schon wer-weiß-wie-oft gehört hat. Unsereiner, der nur die ‚Pflichtexemplare‘ aus dem Backkatalog von PINK FLOYD besitzt, ist da klar im Nachteil, was aber keinesfalls heißt, dass die Geschichte deswegen weniger interessant wäre. Mabbett entlockt der Sache nämlich immer wieder einige besondere Anekdoten, berichtet über die Entstehungszeit der verschiedenen Songs, kommt dabei auch immer auf die aktuelle Situation der Musiker zu sprechen und versteift sich zu keiner Sekunde darauf, lediglich zu analysieren. Insofern hat er auch genau das erreicht, was ein solches Buch so lesenswert macht, er hat nämlich |keine| bloße Liste mit Kurzbeschreibungen der Kompositionen erstellt – und das ist meistens auch der größte Kritikpunkt an solchen Büchern -, sondern sie mit allem, was dazugehört, teilweise auch noch recht detailliert, beschrieben.

Erwartungsgemäß sind die Gechichten zu den bekannteren Songs wie zum Beispiel ‚Shine On You Crazy Diamond‘, ‚Comfortably Numb‘ und natürlich dem mehrteiligen ‚Another Brick In The Wall‘ etwas umfangreicher, überspannen aber auch nie das Maß einer ganzen Seite und schweifen so nicht vom eigentlichen Thema ab – genau das ist auch das Schöne an diesem Buch: keine überflüssigen Längen, null Geschichten und Anekdoten, die man als Nicht-Insider sowieso nicht versteht, vor allem aber nie die Offenbarung, dass PINK FLOYD die wichtigste und größte Band überhaupt waren bzw. sind – das macht den Schreibstil von Andy Mabbett nicht nur sehr sympathisch, sondern gleichermaßen auch sehr natürlich.

Sein Ziel, wieder Interesse für diese Band zu erwecken, hat Mabbett somit auf jeden Fall erreicht, und seine Schilderungen erleichtern uns dabei Stück für Stück den Zugang zur Musik und den beteiligten Musikern. 16 Seiten mit Illustrationen und Fotos aus den verschiedenen Schaffensperioden verfeinern den Eindruck dabei noch zusätzlich, zeigen abr auch sehr schön den äußerlichen Werdegang von PINK FLOYD von damals bis heute.
Gratulation also zu einem wirklich gelungenen Unterfangen und einem neutralen, dennoch aber sehr informativen Überblick aus einer sehr interessanten Perspektive. „Pink Floyd – Story und Songs kompakt“ sei daher vor allem Freunden von Musiker-Biographien, besonders aber natürlich PINK FLOYD-Fans ans Herz gelegt – oder eben jenen, die gerade dabei sind, es noch zu werden.

Earl Derr Biggers – Charlie Chan und die verschwundenen Damen

Microsoft Word - Biggers, Earl Derr - Charlie Chan und die verscAls ein pensionierter Meisterermittler ermordet wird, berät der chinesische Kriminalbeamte Charlie Chan die ratlose Polizei und verknüpft zahlreiche lose Enden zur Lösung des Falls … – Gelungener Beitrag zur „Charlie-Chan“-Reihe und ein klassischer „Whodunit“. ‚Unmögliche‘ Morde mit bizarrer Indizienlage, drohende Fratzen am Fenster, Verdachtsmomente und deduktive Sackgassen, schließlich die überzeugende, so niemals erahnte Auflösung, präsentiert von einem exzentrischen Genie: ein gemütlicher Feierabend-Thriller mit allen geschätzten Elementen.
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Orson Scott Card – Das große Spiel

„Das große Spiel“ behandelt die Geschichte eines jungen Genies und seine militärische Ausnutzung zur Errettung der Menschheit vor einer außerirdischen Gefahr, der die Erde vor einigen Jahrzehnten bereits knapp entkommen konnte. Diesmal soll sie endgültig beseitigt werden. Auf einer isolierten Militärschule für Genies im Kindesalter wird nach dem großen Führer gesucht, der die Streitkräfte der Menschen in den Sieg führen soll. Ender Wiggin scheint ein Kandidat für diesen Posten zu sein.

Orson Scott Card arbeitete als Theaterautor, bevor er mit „Ender’s Game“ seinen Durchbruch in der Science-Fiction hatte. Für die deutsche SF war Card in den letzten Jahren ein wichtiger Mann in den USA: Er trat für die Übersetzung und Veröffentlichung eines wichtigen deutschen SF-Romans ein, der dieses Jahr unter dem Titel „The Carpetmakers“ erschien. Damit schaffte Andreas Eschbachs Roman „Die Haarteppichknüpfer“ den Sprung über den großen Teich, was der Masse der deutschen Literatur nicht vergönnt ist. Card lebt und arbeitet in North Carolina.
Weitere Infos: http://www.hatrack.com

Körperlich ist Ender Wiggin nicht unbedingt der Größte. Geistig schon. Das zieht ihm viele Feinde zu, vor allem unter den körperlich großen, die geistig nicht so viel vorzuweisen haben. Als Ender in die unvermeidliche Bedrängnis durch Stilsson und seine Leute gerät, ist ihm klar, dass er sich nur mit einer äußerst brutalen und nachhaltigen Aktion vor späteren Nachstellungen der Gang schützen kann. Aufgrund dieser Erkenntnis tritt er Stilsson sofort in die Hoden und weiter in den Leib, als er zusammensackt. Er hört nicht auf, sondern attackiert sein Gesicht und jedes empfindliche Körperteil, bis der Gegner sich nicht mehr rührt.

Von seiner eigenen Tat verwirrt und entsetzt, lässt sich Ender alle Schikanen seines älteren Bruders gefallen, der ebenso wie er ein Genie ist, aber durch übermäßige Brutalität und fehlender Gefühle nicht für den Militärdienst taugt. Enders Schwester, seine einzige Vertrauensperson, ebenfalls Genie, aber durch vorherrschende Gefühle und fehlende Brutalität untauglich für den Dienst, tritt wie immer zwischen Peter und Ender, wenn es zu hart wird.

Ender wird zur Militärschule an der Peripherie des Sonnensystems berufen und im Kommenden völlig isoliert. Nur auf sich gestellt und im Zusammenspiel mit seinen Mitschülern, beginnt für ihn eine harte Zeit der Prüfungen, in der es keine Erleichterung gibt, nur immer schwerere Aufgaben. Dabei spielt das „Spiel“ die größte Rolle: In einem schwerelosen Raum werden taktische Kämpfe inszeniert, bei denen mit besonderer Technik realistische Treffer simuliert werden. Ender entwickelt sich schnell, wird der beste Spieler, gewinnt Ansehen – und wird in die nächste Stufe versetzt, ehe er sich ausruhen kann. Viel zu schnell kommt es zur Abschlussprüfung, die Ender nach einer Erschöpfungsohnmacht absolvieren soll. Danach wartet der Krieg auf ihn.

Card entwickelt die Geschichte aus der Sicht von Ender, dem sechsjährigen Genie, der immer allein und unterfordert war, weil die Lehrer nicht schlau genug für seine Fähigkeiten waren. Seine Gedanken und seine Sprache wirken oft eher wie die eines Erwachsenen (was Card auch häufig vorgeworfen wurde), doch erkennt man in den Details das Kind und seine Sehnsüchte, die viel zu früh vom Militär eingeschränkt, sogar völlig unterdrückt werden. Die Argumentation, er werde zum Nutzen und zur Rettung der Menschheit gebraucht (und missbraucht), schmeckt schal und erinnert an die Propaganda totalitärer Staaten wie jene des Dritten Reiches. Hier muss man aber trennen zwischen Card, der eine Geschichte erzählt, und der Geschichte, der bestimmte Gegebenheiten zugrunde liegen, nach denen sich auch der Erzähler richten muss. Nachdem die Menschheit knapp der totalen Vernichtung entgangen ist, hat sie sich unter einem militärischen Oberinteresse zusammengefügt und existiert intern politisch weiter wie zuvor, unbeweglich durch die Angst vor dem Feind, dessen Wiederkehr vor allem anderen befürchtet wird. Card stellt deutlich heraus, dass dieses Gefüge mit dem Ausschalten der Gefahr zerbrechen wird und alte Interessen die Oberhand gewinnen.

Diesem Aspekt der Geschichte widmet sich die Entwicklung von Enders Geschwistern, die über eine dem Internet vergleichbare Informationssphäre zu Macht und Ansehen kommen, mit dem großen Ziel, den Zusammenbruch der Zivilisation und den erneuten Ausbruch irdischer Kriege zu verhindern. Card beschrieb eine realistische Art von Internet, bevor es existierte, doch seine Einschätzung der Möglichkeiten ging ein wenig weiter, als wir es kennen gelernt haben. So ist es heute, vor allem unter Berücksichtigung der Dimensionen des Internets, undenkbar, allein durch Diskussionen in Foren oder Artikeln in E-Papers politische Macht zu erlangen.

Natürlich muss auch Ender den Weg aller Helden gehen: Weitgehend unbekannt und nach der Invasionsgefahr für die Menschheit nutzlos, verschwindet er in der Versenkung und sucht seinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Die Dramatik dieser Tatsache kommt dem Leser deutlich zu Bewusstsein, auch wenn Card seinem Ender keine enttäuschten Gefühle einpflanzt, wegen denen er sich nach Anerkennung und Rampenlicht sehnen würde. Trotzdem: Wir fühlen die Ungerechtigkeit. Die Tragik findet in Enders Traum ihren Höhepunkt, als er auf die geistige Hinterlassenschaft des einstigen außerirdischen Gegners trifft.

Cards Anspruch, eine Geschichte ohne hintergründige Doppeldeutigkeiten zu erzählen und jedem Leser den Zugang zu ermöglichen, liefert als Resultat eine dichte Erzählung von größter Unterhaltung. Manche mögen sie verabscheuen, andere lieben sie, aber zu allen spricht sie, keinen lässt sie unberührt.

Thorsson, Edred – Neun Tore von Midgard, Die

Dr. Stephen Flowers ist in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung – als germanophiler Amerikaner, als Wissenschaftler und auch als Vordenker des westlichen [Pfades zur Linken Hand.]http://de.wikipedia.org/wiki/Pfad__zur__linken__Hand Nach einem Studium der germanischen und keltischen Philologie unter Prof. Edgar Polomè erhielt er 1984 mit seiner Dissertation „Runes and Magic: Magical Formulaic Elements“ (welche später auch in Buchform publiziert wurde) den Doktortitel. Seine akademischen Publikationen scheinen eine überwiegend positive Resonanz zu erfahren: So bestätigt etwa der deutsche Runenexperte Klaus Düwel (welcher sich im Vorwort seiner Abhandlung „Runenkunde“ explizit von jedweder „Esoterik“ distanziert), Flowers habe eine „für runologische Arbeiten brauchbare Bestimmung von Magie“ vorgelegt.

Flowers begnügt sich indes nicht nur mit der Entwicklung wissenschaftlicher Paradigmen: Unter dem Pseudonym Edred Thorsson hat er eine Reihe von Büchern über Runen und „germanische“ Magie verfasst, welche in der „neuheidnischen“ Subkultur ebenfalls einen guten Ruf genießen. Flowers verfolgt eine holistische Strategie – er will die germanische Tradition sowohl auf säkularer als auch auf religiöser Ebene kommunizieren und wiederbeleben.

|“Das jüdisch-christliche Denksystem war sehr dazu geeignet, auf solche Art säkularisiert zu werden, dass man es in ein Modell für moderne politische und ökonomische Theorien umwandeln konnte. […] Judentum und Christentum können von der etablierten akademischen Welt toleriert werden, weil man sie betrachten kann als theoretische Prototypen des materialistischen und positivistischen Modells, das nun im westlichen Denken vorherrscht. Frühere traditionelle Modelle werden weniger als eine Bedrohung der Religion als vielmehr der monolithischen politischen und wirtschaftlichen Ordnung gesehen. […] Eindeutig rührt die Feindseligkeit gegenüber jenen, die einen Wert in vorchristlichen Modellen erkennen, nicht aus der religiösen Seite der Debatte, sondern eher aus der säkularen Bedrohung, die der Traditionalismus für die gegenwärtige politische Ordnung darstellt. Was hier nötig erscheint, ist eine Kampagne für die Umerziehung der akademischen Welt, um zu zeigen, dass die idealisierte Zukunft viel wahrscheinlicher auf dem Mosaik vorchristlicher Traditionen basieren wird als auf dem monolithischen christlichen Vorbild. […]
[Es gab] eine Zeit, da „heidnisches Wissen“ etwas bedeutete, das von Anfang an streng war und sich allmählich in höhere Bereiche des im alltäglichen Unaussprechlichen entwickelte. „Christlicher Glaube“ war etwas, das im Gegensatz zu „heidnischem Wissen“ stand, und wurde von Anfang bis Ende des Prozesses durch Subjektivismus und endlose Anrufungen unverfizierbarer Autoritäten geprägt. Auf diese Weise kann man sehen, wie der typische „New Ager“ oder „Wicca“-Anhänger (sic) in paradigmatischer Hinsicht dem ursprünglich christlichen Denkmodell viel näher steht als der durchschnittliche „gläubige“ Christ von heute. Ernsthafte christliche Seminaristen kämen nie auf den Gedanken, das Studium des Lateinischen, Griechischen und Hebräischen zu ignorieren, doch die vielen Anwärter auf eine „Priesterschaft“ im heutigen Àsatrù glauben, es sei unnötig, die altnordische Sprache zu erlernen. Es ist bemerkenswert, wie viele Menschen noch nicht einmal die Orthographie ihres vermeintlich „nordischen Namens“ richtig hinbekommen!“|

[Aus einem Interview mit Michael Moynihan in der Ausgabe Nr. 6 / 2003 des ZINNOBER]

Kontroversen sind angesichts einer solchen Position natürlich vorprogrammiert. Ein „heidnisches“ Äquivalent zur christlichen Theologie, wohlmöglich noch als anerkannter Studiengang an einer Universität – viele werden dies als spinnerte Utopie abtun. Doch ist die Bibelexegese eines Theologen nur deswegen seriöser, weil SEINE Tradition auf jüdischem Monotheismus und hellenischer Metaphysik aufbaut? Schließen sich neuheidnische Ideen und wissenschaftlicher Anspruch zwangsläufig aus? Flowers‘ Argumentation scheint mir hier durchaus plausibel zu sein: Es ist NICHT auf die Position der christlichen Theologie in unserer Gesellschaft zurückzuführen, dass Àsatrù & Co. gemeinhin mit dem Etikett „Esoterik“ versehen und somit aus dem wissenschaftlichen Diskurs ausgeschlossen werden.

Zwei andere Faktoren sind hier tatsächlich von entscheidender Bedeutung: Erstens, der Unwille vieler Wissenschaftler, sich des christlichen Ursprungs vieler ihrer säkularen Überzeugungen bewusst zu werden und ihr Weltbild dementsprechend zu modifizieren. Zweitens, der Unwille vieler Neuheiden, ihre Überzeugungen den Standards des wissenschaftlichen Falsifikationsprinzips anzugleichen. Wer sich aber weigert, den Anforderungen der Wissenschaftlichkeit Rechnung zu tragen, muss sich nicht wundern, wenn seine persönlichen Überzeugungen von der restlichen Gesellschaft als Unsinn abqualifiziert werden. „Ernsthafte“ Neuheiden sind für Flowers keine Gläubigen, sondern Suchende.

1979 gründet Flowers seine eigene initiatorische Gruppe, die Rune-Gild, welche sich der ernsthaften Erforschung des inneren Erlebens innerhalb der indoeuropäischen Tradition im Allgemeinen und der germanischen Tradition im Besonderen verschreibt. „Okkultisten“, welche ihre Praxis nicht auf harte Fakten stützen wollen, sind in der Gilde nicht willkommen. Jeder neue Adept muss sich zunächst als Lehrling bewähren, bevor er seine Gesellenprüfung absolvieren und schließlich sein persönliches „Meisterstück“ anfertigen darf. Erst wenn er oder sie all diese intellektuellen und spirituellen Hürden genommen hat, darf er oder sie sich als „Runenmeister“ bezeichnen.

„Die Neun Tore von Midgard“ wurden ursprünglich als exklusiver Lehrplan für die Mitglieder eben dieser Runengilde entwickelt. Mittlerweile hat Flowers diesen Lehrplan aber auch öffentlich zugänglich gemacht, und im |Arun|-Verlag ist nun auch die deutsche Übersetzung erschienen.

Flowers selbst ist darüber übrigens so erfreut, dass er es sich nicht nehmen ließ, ein zusätzliches Vorwort für die deutsche Ausgabe zu verfassen. Der „Geist“ des Buches sei nun nach Hause gekommen: „Die viel gepriesenen deutschen Neigungen zu Gründlichkeit und Disziplin, verbunden mit dem nun meist vergessenen deutschen Drang zu Idealismus und heldenhafter Bemühung, liegen der ursprünglichen Vision des Buches zugrunde.“ Kein Kommentar … 😉

Was bringt ein solcher Lehrplan nun Nichtmitgliedern der Gilde? Zunächst einmal einen kohärenten, in dieser Form völlig neuen Überbau für Neuheidnisches Denken. Im Gegensatz zu Àsatrù & Co. strebt Flowers keine Wiederbelebung des Polytheismus an, sondern führt den Begriff des „Odianers“ ein:

„Odianer meint, im Gegensatz zur Bezeichnung Odinist, jemanden, der den Gott Odin (Wodan) nicht anbetet, sondern ihm vielmehr nacheifert. Der Odinist betet an, der Odianer wird selbst zu ihm. Dies ist die wahre Natur des Odinkultes. Der Odianer sucht keine Vereinigung mit Odin, sondern mit seinem einzigartigen Selbst. Dies ist die fromme Aufgabe von Odin selbst. Wenn wir danach streben, unser Selbst irgendeiner anderen Macht zu unterwerfen, wird Odin das mit Sicherheit nur erbärmlich finden. Wahre Odianer gibt es nur wenige.“

An dieser Stelle ist es vielleicht hilfreich zu wissen, dass Flowers in gutem Kontakt zu Michael Aquino und Don Webb vom Temple of Set steht. Man könnte „Odianer“ und „Odin“ ebenso gut durch „Setianer“ und „Set“ oder „Satanist“ und „Satan“ austauschen. „Odin“ ist in diesem Kontext als Archetyp des „Fürsten der Finsternis“ bzw. der „Isolierten Intellegenz“ zu betrachten, wie ihn etwa Don Webb in seinem [„Uncle Setnakt’s Essential Guide to the Left Hand Path“ 278 beschreibt.

Flowers Festlegung auf das „germanische“ Paradigma ist aber durchaus ernst gemeint: Wer sich die Mysterien der Neun Tore wirklich erschließen möchte, dem empfiehlt Flowers eindringlich, sich für dieses Vorhaben a) mindestens ein oder zwei Jahre Zeit zu nehmen und b) es auf keinen Fall „in ein unübersichtliches Wirrwarr alternativer Ideen“ einzureihen.

Wer sich dazu entschließt, die „Neun Tore von Midgard“ tatsächlich für seine eigene Praxis zu verwenden, sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass Flowers / Thorsson hier keineswegs das Paradigma der altnordischen Magietradition eins-zu-eins rekonstruiert – dafür ist der wissenschaftliche Erkenntnisstand einfach zu lückenhaft. Vielmehr versucht er, auf den gesicherten Fakten aufzubauen und sie durch eigene Erfahrungen zu ergänzen. Im Prinzip bleibt ihm ja auch nichts anderes übrig, da wir die Zeit nicht einfach um 1000 Jahre zurückdrehen können.

Der Großteil der einzelnen „Tore“ bzw. Kapitel widmet sich der Übung ritueller Techniken. Zusätzlich vermittelt Flowers aber auch einige Anleitungen zur Herstellung persönlicher Utensilien. Aber auch wer sich aus bestimmten Gründen nicht diesen praktischen Übungen widmen möchte, profitiert dennoch von Flowers theoretischen Grundsatzerklärungen und den zahlreichen Lektüreempfehlungen.

Alles in allem wird dieses Buch vermutlich nur wenige Leute dazu anregen, seine Inhalte von A bis Z praktisch umzusetzen – dafür ist es einfach zu straight und fordernd, zumal ja der gemeine Leser nicht auf die Unterstützung der Gilde zurückgreifen kann. Hinzu kommt, dass Flowers auf seinem Gebiet keine wirkliche Konkurrenz hat. Das spricht zwar einerseits für die Qualität der „Neun Tore von Midgard“, sollte aber andererseits nicht dazu führen, dass man jede seiner Thesen kritiklos als Gesetz akzeptiert.

Wer sich für Flowers Runengilde interessiert, kann unter http://www.runegild.org weitere Informationen einholen.

Philip Latham – Irrfahrt zur Venus

In einer nicht näher definierten Zukunft, vielleicht im 21. Jahrhundert, lernen wir die Robinsons aus Los Angeles im US-Staat Kalifornien kennen: Vater Paul, just zum Pressesprecher der Mondstadt Tycho ernannt, Mutter Helen, Kronprinz Jack (18 Jahre) und Brüderchen Frank (6) – eine amerikanische Durchschnitts- und Bilderbuchfamilie, die fest zusammenhält und es deshalb überall schaffen wird.

Das muss sie rasch unter Beweis stellen. Der Umzug gerät wegen eines Defekts im Bordcomputer des Raumschiffs „Aurora“ zum Fiasko. Statt auf dem Mond finden sich die Reisenden im Orbit des wolkenverhangenen Planeten Venus wieder. Schnöde lassen der Kapitän und seine Mannschaft Schiff und Passagiere im Stich. Knapp gelingt eine Bruchlandung. Die Robinsons haben überlebt. Sie finden sich auf einer Albtraumwelt wieder. Heiß und feucht ist es auf der Venus, und unheimliche Tiere schleichen durch die ewig halbdunklen Urwälder.

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Wooding, Chris – Weber von Saramyr, Die (Der verschlungene Pfad 1)

Bei Chris Wooding handelt es sich um einen recht jungen Fantasy-Autor, der bereits im Alter von neunzehn Jahren seinen ersten Roman veröffentlichte. Wooding wurde am 28. Februar 1977 in den britischen Midlands geboren, wusste schon bald, dass er eines Tages Bücher schreiben wollte, und verbrachte nach seinem Studium der Englischen Literatür seine Zeit in verschiedenen Winkeln Europas, um sich dort inspirieren zu lassen. Große Einflüsse für seine im Folgenden erscheinenden Bücher holte er sich schließlich in Japan und Südafrika, wo er selbst des Öfteren in Lebensgefahr geriet.

Mittlerweile 28, brachte Wooding nun die Geschichte um „Alaizabel Cray“ heraus, die ihm international ein Mehr an Beachtung verschaffte und seinen Namen nach einigen eher unauffälligen Horror- und Fantasy-Erzählungen erstmals etablierte. Die mehrfach ausgezeichnete Story verhalf ihm schließlich zum Durchbruch, doch Wooding plante auch schon seinen nächsten Roman, besser gesagt eine Trilogie, bei der er die Inspiration der fernöstlichen Kultur noch weiter einzubringen gedachte. Der erste Teil ist nun vor kurzer Zeit auch auf dem deutschen Markt herausgebracht worden und heißt „Die Weber von Saramyr“, ein beeindruckendes Buch mit viel Liebe zum Detail und einem Autor auf dem Höhepunkt seines bisherigen Schaffens:

_Story:_

Als Kaiku mitten in der Nacht aus ihren Träumen gerissen wird, kann sie sich noch gar nicht ausmalen, was um sie herum geschehen ist. Ihre gesamte Familie ist soeben von den Shin-Shins, Dämonen in Form von mutierten Riesenspinnen, angegriffen und getöten worden. Lediglich ihre Zofe Asara ist bisher von den Attacken verschont geblieben und verhilft Kaiku in dieser schicksalsträchtigen Nacht zur Flucht. Als sie auf einer Insel vor den Shin-Shin Schutz gefunden haben, kommen sie erstmal wieder zur Ruhe – doch nicht für lange Zeit; Asara stirbt noch vor Ort und Kaiku wird nach einem langen Schlaf doch noch lebend vom Priesteranwärter Tane gefunden, der sie pflegt und bei dem Kaiku wieder zu Kräften kommt.

Kaiku schwört Rache und Vergeltung für den Mord an ihrer Familie und macht sich nach einigen Wochen in Tanes Kloster auf den Weg zu Mishani, einer einflussreichen Freundin aus ihrer Jugendzeit, bei der sie zunächst einmal unterkommen möchte.
Währenddessen werden in den kaiserlichen Festen einige Intrigen gesponnen. Als nämlich eines Tages die erschreckende Tatsache an die Öffentlichkeit dringt, dass es sich bei der Thronerbin Saramayrs um eine Ausgeburt handelt, gleicht das einem Eklat. Das Volk, vor allem aber die einflussreichen Weber, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Ausgeburten jeglicher Art schnellstmöglich aufzuspüren und qualvoll sterben zu lassen, fordern den sofortigen Tod der jungen Lucia, andere wiederum möchten die Kaiserin in die Knie zwingen und sie zum Abdanken verleiten. Doch die Geblütskaiserin Anais bleibt standhaft und verteidigt sowohl den Thron als auch ihre Tochter – ganz zum Widerwillen einiger anderer Völker, die ebenfalls in Richtung Thron schielen.

Derweil haben Kaiku und Mishani nach langer Zeit wieder zueinander gefunden, jedoch wird ihre Freundschaft schon bald auf die Probe gestellt, denn in Kaiku schlummern ungeahnte Kräfte, von denen bislang niemand etwas wusste – nicht einmal sie selbst. Als diese Kräfte zum ersten Mal entfesselt werden, wird allen Beteiligten klar, was vor sich geht: Auch Kaiku ist eine Ausgeburt und wird als solche von Mishani nicht mehr geduldet. Mishani verweist sie des Hofes und Kaiku ist wieder auf sich allein gestellt. Dann jedoch trifft sie eine Person, die eigentlich gar nicht mehr existieren dürfte. Die wiederbelebte Asara schließt sich Kaiku an, und gemeinsam mit ihrem Gefährten Tane, dessen Kloster von den Shin-Shins komplett ausgerottet wurde, machen sie sich auf den Weg, das düstere Geheimnis der Ausgeburten zu lüften, die finstere Wahrheit hinter der Kaste der Weber ans Licht zu bringen und die Tochter der Geblütskaiserin vor dem Tod zu bewahren. Auf dem langen Weg machen sie jedoch so einige schreckliche Beobachtungen und Erfahrungen. Doch nicht nur das: Kaiku weiß nach einiger Zeit nicht mehr, wem sie trauen kann und wem nicht, beschließt, die Sache auf eigene Faust durchzuziehen – und begibt sich so auf eine lebensgefährliche Reise …

_Bewertung:_

Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich vom Erzählstil Chris Wodings komplett und vollauf begeistert bin. Es ist schon fast faszinierend, mit welcher Detailverliebtheit er die einzelnen Orte und Personen beschreibt, sich dabei selbst in den spannendsten Momenten die Zeit und Ruhe nimmt, den Rahmen der Handlung näher zu beleuchten, trotzdem aber nie so weit abschweift, dass der Leser den Überblick verlieren könnte. Besonders gelungen ist ihm dabei die Beschreibung der versteckten Dimension der Weber, in die man sich bereits mit wenig Fantasie sehr schnell hineinversetzen kann.
Doch auch die einzelnen Beziehungsgeflechte, die dabei entstehenden Emotionen sowie die Ängste der Hauptfiguren hat Wooding exzellent hervorgehoben, gerade im Fall von Tane und Kaiku.

Obwohl der Erzählstil trotz allem recht leicht verständlich ist, braucht man anfangs dennoch eine Weile, bis man sich in der Welt von Saramyr zurechtgefunden hat, weil auch hier erst einmal die gesamte Protagonisten-Riege vorgestellt wird. Weil Wooding es sich nicht nehmen lässt, diesbezüglich sofort in die Tiefe zu gehen (was sich später als wertvoll herausstellt), braucht man schon die ersten gut einhundert Seiten, bis man sich in die Story einfindet. Aber zu diesem Zeitpunkt hat man sich bereits in der Welt von Kaiku, im Kaiserreich der Geblütskaiserin Anais, in der düsteren Vergangenheit von Tane, aber auch in den brutalen Gedankengängen der Weber verloren und kann „Die Weber von Saramyr“ nicht mehr aus der Hand legen.

Mir persönlich sagt auch noch der fernöstliche Touch der Geschichte zu, der hier sowohl in Form von typischen Bräuchen als auch in der Beschreibung der gesamten Kultur verankert ist. Das macht den Beginn dieser Trilogie gleichzeitig zum ‚etwas anderen‘ Fantasy-Buch, was es aber aufgrund der teilweise ziemlich schwer verdaulichen und harten Handlung auf jeden Fall schon ist. Und was die Sache noch zusätzlich sympathisch macht: Hier findet man wirklich mal keine Tolkien-Versatzstücke, weder stilistisch noch inhaltlich. Wooding hat seine eigene Welt kreiert, mit einem eigenen Kulturgut und Charakteren, wie ich sie in dieser Form noch nicht kennen gelernt habe. Nach scheinbar schleppendem Beginn entfaltet sich so über die Distanz von 550 Seiten ein Meisterwerk der jungen Fantasy-Literatur, bei dem ich mir schon fast wünschen würde, dass es ebenfalls bald den Sprung auf die Leinwand schafft – weil es eben so anders ist.

Gerade diejenigen, die von immer wiederkehrenden Strukturen und Inhalten die Nase voll haben, werden hier bestens bedient, während Fernost-Fans schon fast verpflichtet sind, sich in kürzester Zeit durch dieses Buch zu arbeiten. Ich habe die Geschichte in zwei Tagen gelesen, weil mich das Ganze so enorm gefesselt hat – mehr brauche ich wohl nicht mehr zu sagen …

Trinkspiele – 44 Wege, sich mal richtig die Kante zu geben!

Wer kennt das nicht? Man ist auf einer Party, man trinkt ein wenig, alles ist ganz lustig, aber irgendwie fehlt der letzte Pepp! Hinter dem zugegebenermaßen recht plakativen Titel „Trinkspiele – 44 Wege, sich mal richtig die Kante zu geben“ verbirgt sich ein unterhaltsames und Langzeitspaß garantierendes Werk, das für Trinkspiel-Profis und -Anfänger gleichermaßen interessant ist. Die Spiele sind in die Kategorien Karten-, Würfel-, Sprach- und Bewegungsspiele aufgeteilt und jedes einzelne enthält in sehr übersichtlicher Art und Weise neben den obligatorischen Spielregeln und benötigten Utensilien auch die Anzahl der Spieler sowie eine Bewertung nach Trinktempo, Glück und Konzentration. Die Autoren Timo Müller und Thomas Schmitt schaffen es tatsächlich, keineswegs nur ein oberflächliches und ziemlich seichtes „Nachschlagewerk“ für Quartalstrinker und Party-Süchtige herauszubringen, sondern ein sehr kurzweiliges Büchlein, das durchaus auch den siebzigsten Geburtstag der Oma aufpeppen kann, wenn die anwesenden Onkels und Tanten ein Minimum an Spielfreude und Durst besitzen …

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