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Algis Budrys – Projekt Luna

Auf dem Mond tötet ein außerirdisches Artefakt seine Erforscher. Es kann nur von einem Mann bezwungen werden, der als Kopie nach jedem grausigen Ende erneut in das Objekt zurückkehrt … – Das Rätsel auf dem Mond ist Vorwand für das Ausloten der Frage nach der Identität des Menschen. Aus heutiger Sicht wirkt „Projekt Luna“ didaktisch, doch faktisch ist der Roman ein wichtiger Vorreiter für die „New-Wave“-SF der 1960er Jahre: sperrig aber interessant und von nachhaltiger Wirkung, zumal dem Verfasser im letzten Drittel gleich mehrfach immer noch schockierende Twists gelingen.
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Sanderson, Brandon – Weg der Könige, Der (Die Sturmlicht-Choniken 1, Teil 1)

Die Sturmlicht-Chroniken:

Band 1: „Der Weg der Könige“
Band 1 (Teil 2): „Der Pfad der Winde“ (08.08.2011)
Band 2: – angekündigt für Ende 2012 / Anfang 2013 –
Band 3: – angekündigt für „ein Jahr nach Band 2“ –

Kaladin ist der Sohn eines Chirurgen und wurde von seinem Vater dazu ausgebildet, ebenfalls Chirurg zu werden. Inzwischen ist er allerdings ein Sklave, der täglich ums Überleben kämpfen muss. Sein Wunsch, anderen Menschen zu helfen, scheint jedoch unverwüstlich zu sein …

Shallan ist eine junge Adlige, deren Familie in ziemlichen Schwierigkeiten steckt. Deshalb will sie unbedingt von Prinzessin Jasnah als Mündel angenommen werden. Diese Position würde sie in die Lage versetzen, einen kniffligen Plan in die Tat umzusetzen. Doch je besser Shallan ihre Mentorin kennen lernt, desto größer werden ihre Skrupel …

Szeth ist eine Waffe. Und diejenigen, die über den Einsatz dieser Waffe entscheiden, haben ihm einen extrem unangenehmen Auftrag erteilt: Töte den König von Alethkar!

Dalinar, der Bruder des Königs, war einst ein viel bewunderter, starker Krieger. In letzter Zeit aber hat er regelmäßig Anfälle und Visionen, die er nicht deuten kann. Dalinar ist überzeugt davon, dass diese Visionen wichtig sind, doch im Heer machen bereits Gerüchte über Schwäche und Wahnsinn die Runde …

„Der Weg der Könige“ ist ein richtig dicker Schinken, und das liegt nicht unbedingt an der Tiefe der Charakterzeichnung. Tatsächlich erfährt man über die Charaktere nicht allzu viel. Kaladin war schon als Junge hin- und hergerissen zwischen Heilen und Kämpfen, denn obwohl er Letzteres gar nicht gelernt hat, beherrscht er es ziemlich perfekt. Seine Überzeugung, auch durch Kämpfen andere Menschen retten zu können, wird allerdings schon bald über den Haufen geworfen. Wer – oder besser, was genau – Kaladin tatsächlich ist, erfährt der Leser jedoch nicht. – Schallan liebt vor allem die Naturwissenschaften, und wäre ihre Familie nicht in Gefahr, würde sie das Studium bei Prinzessin Jasnah in vollen Zügen genießen. Wie genau es aber gekommen ist, dass ausgerechnet sie die Familie retten muss, obwohl sie doch noch eine Menge Brüder hat, ist bisher nicht klar geworden. – Von Szeth erfährt man nur, dass ihm das Töten nicht gefällt. Was dazu geführt hat, dass er eine solche Aufgabe auferlegt bekam, ist nirgendwo erwähnt. – Und auch Dalinar ist zumindest bisher noch auf den inneren Kampf beschränkt, der sich in ihm abspielt, seine Unsicherheit im Hinblick auf seine Visionen und seine Bemühungen, das Reich zusammenzuhalten.

Ich fand es ein wenig schade, dass die Figuren so stark auf einige wenige Punkte ihrer Persönlichkeit beschränkt waren. Bei Dalinar störte es mich noch am wenigsten, Shallan dagegen wirkt schon ein wenig flach, und auch Kaladin darf sich durchaus noch entwickeln.

Ähnliches gilt für den Entwurf der Welt. Es ist eine kahle, abweisende Welt. Regelmäßig toben tödliche Stürme über das Land hinweg, was dazu geführt hat, dass selbst die Vegetation mit Stein gepanzert ist oder sich beim geringsten Anzeichen von Gefahr versteckt. Der Großteil der Handlung spielt auf einer Ebene, die in zahllose Stücke unterschiedlicher Größe zerbrochen ist. Die Spalten zwischen den Stücken sind schroff, tief und werden bei jedem Sturm von tödlichen Wassermassen geflutet. Ein wenig wohnlicher wirkt die Stadt, in der Schallan sich aufhält, allerdings beschränkt die Beschreibung sich hier großteils auf die Bibliothek, in der Shallan ihren Studien nachgeht.
Auch die Darstellung der Magie ist lückenhaft. Sie beruht bisher hauptsächlich auf Sturmlicht, einer Art Energie. Diese Energie wird gewonnen, indem Edelsteine dem Sturm ausgesetzt und dabei sozusagen aufgeladen werden. Diese Energie kann aber nicht nur für Magie, sondern auch für Maschinen benutzt werden. Edelsteine sind deshalb von immenser Bedeutung und werden auch als Zahlungsmittel benutzt. Szeth allerdings scheint die Energie direkt in sich aufzunehmen, wie er das schafft, ist unklar.

Dabei wäre genug Raum gewesen, um diesbezüglich etwas mehr ins Detail zu gehen. Zumindest hätte man die Handlung zugunsten dieser Details problemlos ein wenig kürzen können, denn stellenweise zieht sie sich schon ziemlich. Vor allem der Teil in den Kriegslagern hätte Straffung vertragen. Nicht, dass es uninteressant gewesen wäre, wie Kaladin sein persönliches Tief überwindet und erneut den Kampf ums Überleben auf für seine Leidensgenossen aufnimmt, oder wie die Situation für Dalinar immer schwieriger wird. Was stört, ist die Tatsache, dass sonst nichts geschieht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so was mal sagen würde, aber hier wurde schon ein wenig zu viel Augenmerk auf die Entwicklung von Personen gelegt, vor allem, weil sich diese Entwicklung nur auf einen einzigen Punkt bezog.

Vielleicht hätte Brandon Sanderson diesen Eindruck ein wenig abmildern können, wenn er seine Handlungsstränge etwas mehr gemischt hätte. Statt dessen hat er sich stets über längere Zeit auf höchstens zwei dieser Stränge konzentriert und die anderen währenddessen komplett ruhen lassen. Im Falle von Szetz ist es sogar so, dass er fast nur in den Zwischenspielen vorkommt und kaum als eigener Handlungsstrang bezeichnet werden kann.

Insgesamt blieb ein durchwachsener Eindruck zurück. Es braucht Zeit, bis man sich eingelesen hat, da der Autor von Anfang an ziemlich gnadenlos mit spezifischen Begriffen um sich wirft, deren Bedeutung der Leser sich erst erschließen muss. Die Ideen im Zusammenhang mit der Magie, der Kultur und der Historie der Welt klingen aber sehr vielversprechend, die Figuren sind sympathisch und nachvollziehbar. Ein Plot ist bisher allerdings kaum auszumachen, da die Handlung trotz diverser Kämpfe gegen Feinde und Ungeheuer großteils auf der Stelle tritt. Da es sich um einen Mehrteiler handelt, ist davon auszugehen, dass Figuren, Magie und Historie noch weiter ausgebaut werden, schließlich gibt es eine ganze Menge Fragen zu beantworten, und darauf bin ich ziemlich neugierig. Ich hoffe allerdings, dass sich die Handlung im nächsten Band etwas zügiger entwickelt, als sie es bisher getan hat.

Brandon Sanderson gehört zu denjenigen, die bereits als Kinder phantastische Geschichten schrieben. Sein Debütroman „Elantris“ erschien 2005, seither war er ungemein fleißig. Neben den Sturmlicht-Chroniken schreibt er an seinem Jugendbuchzyklus Alcatraz, der inzwischen bis Band vier gediehen ist sowie an den beiden Serien Warbraker und Dragonsteel. Außerdem hat er das Angebot angenommen, nach Robert Jordans Tod dessen Zyklus Das Rad der Zeit zu Ende zu bringen. Auch dafür sind drei Bände veranschlagt, von denen zwei bereits erschienen sind. In der deutschen Übersetzung wurden die Bände geteilt, zusätzlich zu den beiden, im letzten Jahr erschienen Büchern wurden für Oktober zwei weitere angekündigt. Gleiches gilt auch für die Sturmlicht-Chroniken, denn im englischen Original existiert bisher nur ein Band, trotzdem kommt im August eine Fortsetzung unter dem Titel „Der Pfad der Winde“ in die deutschen Buchläden.

Hardcover: 896 Seiten
Originaltitel: The Way of Kings – The Stormlight Archive 1 (Teil 1)
Aus dem Amerikanischen von Michael Siefener
 Mit zehn Schwarzweiß-Abbildungen
 ISBN: 978-3-453-26717-6
http://www.randomhouse.de/heyne
 http://www.brandonsanderson.com

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (3 Stimmen, Durchschnitt: 4,33 von 5)

Grahame-Smith, Seth – Abraham Lincoln – Vampirjäger

„Never judge a book by its cover“, heißt es in einem englischen Sprichwort. Eigentlich soll das bedeuten, dass auch eine unansehnliche Verpackung einen wertvollen Inhalt verbergen kann. Doch dass das Sprichwort auch in die umgekehrte Richtung funktioniert, beweist Seth Grahame-Smith in seinem Roman „Abraham Lincoln – Vampirjäger“. Denn hier sieht die Verpackung ungemein viel versprechend aus. Es ist jedoch der Inhalt, der nicht restlos überzeugen kann.

Seth Grahame-Smith, das ist der mit „Stolz und Vorurteil und Zombies“. Die Idee, einen Klassiker mit Horrorelementen zu versetzen hat sich wohl als gewinnbringend herausgestellt und so widmet er sich in „Abraham Lincoln – Vampirjäger“ ein weiteres Mal diesem literarischen Genre. Das erscheint zunächst so abwegig wie faszinierend und hält man das Buch zum ersten Mal in den Händen, möchte man sich auch sofort in die Lektüre stürzen, denn Autor und Verlag haben sich viel Mühe gegeben, der ganzen Sache einen pseudorealistischen Anstrich zu geben. Da wäre zunächst das Cover, auf dem ein Ganzkörperpotrait Lincolns zu sehen ist. Sicher, die reichlich auffällig verteilten Blutspritzer lassen erahnen, worum es gehen wird – doch die Axt, die Lincoln geradezu subtil hinter dem Rücken versteckt, die ist wohl dem Augenzwinkern des Autors zu verdanken. Auch ein erstes Blättern zeigt Erfreuliches, denn der Roman ist nicht nur eine Textwüste. Er gibt sich den Anstrich einer seriösen Biographie und so finden sich auch zahlreiche Abbildungen darin, die ebenso wie der Text Vampirisches in Lincolns Leben einfließen lassen. Zu guter Letzt wären da noch die Werbeseiten am Ende des Buches, die auf Neuerscheinungen wie „Ich bin Legendär“ (Obama jagt allerlei monströses Ungetier) und „Die neuen Leichen des jungen W.“ (Edgar will das Politbüro der SED abknallen) hinweisen. Einfach herrlich!

Doch was ist nun mit dem Roman selbst? Der dümpelt leider durchgehend im Mittelmäßigen und will nie so recht an Fahrt gewinnen, obwohl die Grundidee ja eigentlich genügend Stoff für ein abstruses und unterhaltsames Handlungsgeschehen liefern sollte. Es geht los im Hier und Heute, als ein mysteriöser Fremder (dessen Identität sich erst im Laufe des Romans enthüllt) dem Autor die geheimen Tagebücher von keinem geringerem als Abraham Lincoln anvertraut mit der Bitte, sie öffentlich zu machen. Die Tagebücher enthalten Erstaunliches! Nicht nur rekapitulieren sie Lincolns Leben mit allen hinlänglich bekannten Fakten. Vielmehr fördern sie zutage, dass Lincoln der wohl größte Vampirjäger seiner Zeit war. Nicht nur das, auch der Bürgerkrieg war eigentlich ein Krieg gegen die vampirische Invasion auf amerikanischem Boden!

Der junge Abe wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Vampire treten erst in sein Leben, als seine Mutter überraschend stirbt – ein Vampir hatte sie mit seinem Blut vergiftet. Fortan schwört er Rache. Er übt sich im Kampf und lernt alles, was über Vampire in Erfahrung zu bringen ist. Doch wirklich erfolgreich ist er erst, als ein (netter) Vampir ihn aufspürt, ihm einige Tricks und Kniffe beibringt und ihn dann über Jahre mit den Namen und Adressen derer versorgt, die Abe ins Jenseits befördern soll. Das könnte ewig so weitergehen, doch bald wird enthüllt, dass die Vampire sich vor allem in den Südstaaten ansiedeln. Durch die Sklaverei steht ihnen ein schier unerschöpflicher Menschenstrom zur Verfügung, ohne dass jemandem auffallen würde, wenn ein paar Sklaven ausgesaugt werden. Und so machen die Vampire und die Sklavenhalter gemeinsame Sache – für beide Seiten ein vorteilhaftes Geschäft. Abe erkennt also, dass die Sklaverei unbedingt unterbunden werden muss, um den „Bluthahn“ der Vampire abzudrehen.

Dieser Gedanke bestimmt ihn fortan und ist der vordringendste Grund für sein Handeln. Letztendlich ist es eben auch dieses Wissen, das den Bürgerkrieg bestimmt. Denn die Vampire (vor langer Zeit aus Europa vertrieben) wollen die USA, eine junge Nation, unterjochen und nach ihrem Gutdünken umgestalten. Das gilt es unbedingt zu unterbinden.

Grahame-Smith liefert ein Paradebeispiel dafür ab, wie eine eigentlich gute Idee im Wust des Durchschnittlichen verkümmert. Nie schafft er es, beim Leser wirkliche Sympathie für Abe hervorzurufen. Sämtliche Charaktere bleiben fremd und beliebig und selbst Abe, dessen Tagebucheinträge oft zitiert werden, bekommt man als Leser nie wirklich zu fassen. Diese Distanz zwischen Roman und Leser schmälert das Lesevergnügen ungemein, denn nie berührt wirklich, was auf den Seiten passiert. Da passiert durchaus einiges – und auch tragisches -, doch macht es Grahame-Smith dem Leser unglaublich schwer, mit den Figuren zu fühlen.

Dies ist zu einem Großteil der absolut nichtssagenden Prosa geschuldet. Literarisch ist „Abraham Lincoln – Vampirjäger“ eine Nullnummer, ein ziemlich uninspiriert heruntergeschriebener Schinken, der offensichtlich nur vorgefertigte Handlungspunkte abarbeiten will, ohne sich großartig für Zwischentöne zu interessieren. Dabei kann sich Grahame-Smith nie richtig für eine Fahrtrichtung entscheiden. Über große Strecken versucht er sich als distanzierter (und objektiver) Biograph, eine Taktik, in der wohl die Ursache für die oben beschrieben Autor-Leser-Distanz zu suchen ist. Dann wieder, als würde der Autor aus einer Trance erwachen, schlüpft er plötzlich in den Kopf eines Charakters und schwenkt um zum personalen Erzähler. Diese Passagen stechen dann jedoch unschön gefühlig aus der restlichen Wüstenlandschaft heraus, wobei nie klar wird, was der Autor nun damit bezwecken wollte oder ob er überhaupt bemerkt hat, dass er die Erzählperspektive gewechselt hat.

Anderen Charakteristika der Biographie ergeht es ähnlich. Grahame-Smith zitiert viel – sehr viel! – aus den fiktiven Tagebüchern Lincolns. Eine typische Seite seines Romans ziert mindestens ein Tagebuchzitat. Manchmal sind es mehr, manchmal sie die Zitate einfach nur länger. Grundsätzlich jedoch liegt der Verdacht nahe, dass sich Zitate und Erzählung im Roman die Waage halten. Da Grahame-Smith als Schriftsteller jedoch keine Leuchte ist, klingen Zitate und Erzählung absolut gleich und so hat man als Leser irgendwann Schwierigkeiten überhaupt noch festzustellen, auf welcher Erzählebene man sich nun eigentlich befindet. Auch hier ist ungeklärt, was das eigentlich soll. In der Rahmenhandlung wird schließlich erläutert, dass das Buch auf der Quelle der fiktiven Tagebücher fußt, kein Grund also, sie alle Nase lang zu zitieren. Das zerstückelt den Lesefluss äußerst unschön, bringt ansonsten aber keinen Mehrwert, da die Zitate die Handlung eben nicht erläutern (wie das sonst bei Zitaten der Fall ist), sondern einfach die Handlung fortführen. Dazu kommen noch die absolut unnötigen Fußnoten, die der „Biographie“ einen wissenschaftlichen Anstrich geben sollen und prompt weiß man nicht mehr, wo man zuerst hinschauen soll: Text? Zitat? Oder doch lieber die Fußnote, die unnötigerweise erklärt, was eine Kartätsche ist.

Der Roman liest sich trotzdem flott weg. Allerdings wird man den Eindruck nicht los, dass es sich bei „Abraham Lincoln – Vampirjäger“ um eine grandiose Idee handelt, die ziemlich dilletantisch ausgeführt wurde. Mal sehen, ob Tim Burton dem Stoff mehr abgewinnen kann. Es heißt, er habe die Filmrechte erworben.

|Taschenbuch: 496 Seiten
Originaltitel: Abraham Lincoln – Vampire Hunter
ISBN-13: 978-3453528321|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

_Seth Grahame-Smith bei |Buchwurm.info|:_
[„Das große Porno-Buch“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3650

Stephen Baxter – Die letzte Arche

Als die Erde in einer globalen Dauerflut ertrinkt, soll ein gigantisches Raumschiff gebaut und ein ferner Planet besiedelt werden … – Was Autor Baxter mit „Flut“ episch begann, setzt er hier ebenso ausführlich fort: Episodisch rafft er die Geschichte von Jahrzehnten und tritt dennoch immer wieder auf der Stelle. Die quasi-dokumentarische Handlung ist gut recherchiert, ereignisreich und spannend, ächzt aber auch unter Klischees und ist weitschweifig: trotzdem sehr nahrhaftes Lesefutter.
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Lynch, Scott – Die Lügen des Locke Lamora (Gentleman Bastards 1)

Locke Lamora:

Band 1: „Die Lügen des Locke Lamora“
Band 2: „Sturm über roten Wassern“
Band 3: „Die Republik der Diebe“ (11.10.2011)
Band 4: „The Thorn of Emberlain“ (noch ohne dt. Titel)
Band 5: „The Ministry of Necessity“ (noch ohne dt. Titel)
Band 6: „The Mage and the Master Spy“ (noch ohne dt. Titel)
Band 7: „Inherit the Night“ (noch ohne dt. Titel)

Locke Lamora ist eine Waise, was auf viele Kinder in der Stadt Camorr zutrifft. Was Locke von seinen Altersgenossen in derselben Situation unterscheidet, ist seine Eigeninitiative. Und so kommt es, dass Locke als eines von fünf Kindern eine ganz und gar ungewöhnliche Ausbildung genießt …

Scott Lynch lässt seine Geschichte langsam angehen. Er erzählt abwechselnd von der Gegenwart und der Vergangenheit und zeichnet so zunächst den Werdegang seines Protagonisten nach:

Der junge Locke Lamora ist schmächtig, mager und nicht besonders ansehnlich. Aber er hat Köpfchen, und er weiß es. Das führt dazu, dass er oft und weit über die Stränge schlägt. Seine Ideen verraten mindestens so viel Witz wie Dreistigkeit und neigen meist dazu, nicht vollständig durchdacht zu sein, was ihm regelmäßig Ärger einhandelt.
Der erwachsene Locke ist immer noch mager, schmächtig, unansehnlich und übermütig. Als Kämpfer ist er miserabel, als Schauspieler dafür brillant. Allerdings betrügt er nicht aus Habgier oder Ehrgeiz, sondern aus purer Lust am Spiel. Und seine Bande ist keine zufällige Ansammlung von Kriminellen, sondern eine verschworene Gemeinschaft von engen Freunden.

Als wahrhaft tiefschürfend kann man die Charakterzeichnung nicht bezeichnen. Von Lockes Gedanken erfährt man kaum etwas, seine Vergangenheit blitzt nur ausschnittweise auf. Trotzdem ist Scott Lynch eine Figur gelungen, die über reine Nachvollziehbarkeit hinausgeht. Sie entwickelt sich zusammen mit dem Plot, weg von geradezu unbeschwertem Übermut hin zu Trauer und verbissenem Zorn, und das sehr glaubwürdig und lebensecht.

Wie die Charakterzeichnung so kommt auch der Plot nur allmählich in die Gänge. Es dauert über hundert Seiten, bis endlich deutlich wird, was Locke mit seiner Scharade in der Gasse neben dem Tempel der Glück verheißenden Wasser bezweckt, und dieses Gaunerstück ist nur ein kleiner Bestandteil des gesamten Buches. Zum Teil liegt die Trägheit darin begründet, dass hier Adlige über den Tisch gezogen werden. Es dauert einfach eine Weile, bis all der Höflichkeiten genüge getan wurde, die unter zivilisierten Leuten üblich sind. Darunter leiden zeitweise auch die Ereignisse Rabennest.

Zum Teil lag es aber auch daran, dass Scott Lynch seiner Welt einiges an Aufmerksamkeit widmet. So wurde die Entwicklung von Lockes neuestem Coup zusätzlich durch eingestreute Beschreibungen adliger Freizeitkultur unterbrochen, durch Volksbelustigung, das Rezept eines besonders harten Drinks und Ähnlichem. Das bremst den Anfang doch ziemlich aus. Andererseits entstand so ein sehr bildhaftes, plastisches, lebhaftes Bild der Stadt, in der Locke lebt. Den Namen Camorr darf man wohl als Anspielung verstehen, auch wenn die Darstellung von Inseln und Kanälen eher an Venedig erinnert als an Neapel. Türme und Brücken aus Elderglas rücken das Ganze wieder etwas mehr in den Bereich der Fantasy, letztlich spielt Magie aber eine eher untergeordnete Rolle. Hier geht es um Gauner, nicht um Zauberer. Insgesamt ist die Bühne des Dramas also keine neue Erfindung, aber sie ist zumindest stimmungsvoll und passend in die Geschichte integriert.

Und die Geschichte hat es – nach Überwindung des etwas zähen Anfangs – durchaus in sich. Tatsächlich tritt der Betrug, der zu Beginn so ausführlich beschrieben wird, bald in den Hintergrund, während eine Bedrohung, die zunächst nur am Rande erwähnt wurde, immer mehr an Bedeutung gewinnt und schließlich die gesamte Handlung bestimmt. Und das ist nicht das einzige, was Lockes Leben plötzlich zunehmend verkompliziert. Denn Locke ist ins Visier einer ganzen Reihe von unangenehmen Leuten geraten.

Mit der Zeit werden die Ereignisse nicht nur immer komplizierter, sie schlagen auch immer wieder Haken. Mehrmals ist es dem Autor gelungen, mich völlig zu überraschen. Dazu trug natürlich Lockes Einfallsreichtum eine Menge bei, vor allem, weil er die meiste Zeit auf Improvisation beruhte. Und während der eine Gegner uns wissen lässt, was er zu unternehmen gedenkt, und dadurch für steigende Spannung sorgt, lässt der andere uns völlig über seine Pläne im Dunkeln bis zu dem Moment, in dem er sie umsetzt, und verpasst uns so immer wieder mal eine kalte Dusche.

Immer größer, immer unberechenbarer werden die Schwierigkeiten, mit denen Locke und seine Bande sich konfrontiert sehen, und jedes Mal, wenn Locke sich mit Müh und Not und Hilfe seiner Freunde aus einer ausweglosen Situation gerettet hat, sieht die Lage noch schlimmer aus. Die Probleme ufern regelrecht aus, die Spannungskurve zieht sich zu.

Also um ehrlich zu sein: Obwohl es ein paar Szenen gab, die für meinen Geschmack eigentlich zu brutal waren, wie die Folter im Schwimmenden Grab, fand ich das Buch klasse. Für den Anfang braucht man ein starkes Interesse für Details von Kultur und Gesellschaft oder einfach nur ein wenig Geduld. Aber dann wird man mit einer spannenden, abwechslungsreichen und wenig vorhersehbaren Handlung belohnt. Locke Lamora ist ein sehr sympathischer Held, der am Anfang zwar durch das kräftige Herauskehren seiner Stärken wie ein unfehlbarer Übermensch wirkt, aber nur zu bald so auf die Nase fällt, dass dieser Eindruck schnell schwindet. Was ich aber vor allem gut fand, war, dass die Handlung als solche abgeschlossen ist, ohne lose Enden oder offene Fragen zu hinterlassen. Ich war ziemlich zufrieden, als ich das Buch zuklappte, und trotzdem neugierig auf die Fortsetzung, die nun frei ist, eine völlig neue Geschichte aufzubauen.

Scott Lynchs beruflichen Werdegang, bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte, könnte man salopp mit über-Wasser-halten umschreiben, als Tellerwäscher, Kellner und dergleichen. Inzwischen sind die Abenteuer von Locke Lamora bis Band drei gediehen, der im Februar auf Englisch erschien und im Oktober unter dem Titel „Die Republik der Diebe“ auf Deutsch erscheinen wird.

Taschenbuch 845 Seiten
Originaltitel: The Lies of Locke Lamora
Ins Deutsche übertragen von Ingrid Herrmann-Nytko
ISBN-13: 978-3453530911

http://www.scottlynch.us/
http://www.lockelamora.co.uk/
http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Jeschke, Wolfgang / Pohl, Frederik – Titan-4

_SF-Storys: Der falsche Messias und andere Maskeraden_

In der vorliegenden ersten Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 4 von „Titan“, der deutschen Ausgabe von „Star Science Fiction 2,3, 4 und 5“, sind viele amerikanische Kurzgeschichten gesammelt, von bekannten und weniger bekannten Autoren. Diese Auswahlbände gab ursprünglich Frederik Pohl heraus. Er machte den Autoren 1953 zur Bedingung, dass es sich um Erstveröffentlichungen handeln musste. Das heißt, dass diese Storys keine Wiederverwertung darstellten, sondern Originale.

Die Kriterien der deutschen Bände waren nicht Novität um jeden Preis, sondern vielmehr Qualität und bibliophile Rarität, denn TITAN sollte in der Heyne-Reihe „Science Fiction Classics“ erscheinen. Folglich konnten Erzählungen enthalten sein, die schon einmal in Deutschland woanders erschienen waren, aber zumeist nicht mehr greifbar waren. TITAN sollte nach dem Willen des deutschen Herausgebers Wolfgang Jeschke ausschließlich Erzählungen in ungekürzter Fassung und sorgfältiger Neuübersetzung enthalten. Mithin war TITAN von vornherein etwas für Sammler und Kenner, aber auch für alle, die Spaß an einer gut erzählten phantastischen Geschichte haben.

_Die Herausgeber _

1) _Wolfgang Jeschke_, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Kichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Der Werbefachmann, Autor, Literaturagent und Herausgeber _Frederik Pohl_, geboren 1919 in New York City, ist ein SF-Mann der ersten Stunde. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte er der New Yorker „Futurian Science Literary Society“ an, bei der er er seine späteren Kollegen Isaac Asimov und Cyril M. Kornbluth kennenlernte. Von 1940-41 war er Magazinherausgeber, wandte sich dann aber dem Schreiben zu.

Als er sich mit Kornbluth zusammentat, entstanden seine bekanntesten Romane, von denen der beste zweifellos „The Space Merchants“ (1952 in „Galaxy“, 1953 in Buchform) ist. Er erschien bei uns unter dem Titel „Eine Handvoll Venus und ehrbare Kaufleute“ (1971). Darin kritisiert er auf bissige, satirische Weise die Ausbeutung des Weltraums. Ebenso erfolgreich ist seine Gateway-Trilogie, die zwischen 1977 und 1984 erschien und von denen der erste Band drei wichtige Preise einheimste.

_Die Erzählungen_

_1) Algis Budrys: |Die integrierten Menschen| (|Congruent People|)_

Dexter Bergenholm geht wie jeden Tag, von seiner Frau Miriam verabschiedet, aus dem Haus Richtung Büro. Doch diesmal bemerkt sein Unterbewusstsein am Kiosk mit den Tageszeitungen etwas Merkwürdiges: Ein Mann gibt dem Verkäufer eine Zeitung und bekommt dafür ein Geldstück. Als sein Bewusstsein endlich geruht, davon Notiz zu nehmen, schrillen die Alarmglocken: Müsste es nicht normalerweise umgekehrt sein?!

Bergenholm kauft die dem Verkäufer gegebene Zeitung und vergleicht sie mit der üblichen Ausgabe der „New York Times“. Es gibt einige gravierende Unterschiede. Doch war ist auf der abweichenden Ausgabe von „Stufe eins“ die Rede? Und wieso ist der Wetterbericht bis auf die Minute genau?

Als er dem Mann folgt, sieht er ihn in einen Lieferwagen steigen, der aber innen wi ein Bus ausgestattet ist. Am nächsten Morgen wiederholt sich der Vorgang, doch diesmal folgt Bergenholm dem Mann in den getarnten Buss. Der Mann begrüßt ihn mit seinem Namen, Bergenholm, stellt sich als Indoktrinator vor und lädt ihn zu einem Gespräch ein.

Wie sich zeigt, gehört der Mann zu einer Gruppe von Leuten, die sich dem gewohnten Einerlei der Wirklichkeit, eben der Stufe eins, entzogen haben und sozusagen mitten unter uns eine parallele Gesellschaft aufgebaut haben, damit sie besser und freier leben können. Doch der Mann stellt Bergenholm vor eine Alternative: Bergenholm soll ohne seine Frau auf die Stufe zwei gelangen, und das ist natürlich ein Problem. Aber nicht lange, wie sich herausstellt …

|Mein Eindruck|

Der Stil von Algis Budrys ist stets ein wenig unterkühlt, entbehrt aber nicht des Witzes. Für die Fünfziger Jahre typisch war die von Senator McCarthy geschürte Angst vor einer kommunistischen Unterwanderung. Leben die Spione (wie die verurteilten Rosenbergs) wirklich unerkannt unter uns, Leute wie du und ich, fragten sich die braven Bürger damals. Und brav war jeder, der sich den Regeln konform verhielt. Die „Regeln“ wurden allerdings von anderen aufgestellt, von Schiedsrichtern des Geschmacks ebenso wie von den diversen Gesetzgebern und Moralwächtern. Nicht ohne Grund erlebte die Zensur eine Blütezeit, die erst 1968 endete.

Bergenholm ist so ein braver Bürger. Seine Frau passt auf, dass an ihm alles regelkonform aussieht. Doch er ist anders, sonst würde er nicht bemerken, wie ein Zeitungskauf nicht regelkonform abläuft. Und er würde auch nicht in den getarnten Bus steigen, um den Verdächtigen zu beschatten. Am Schluss löst sich die potenziell gefahrvolle Aktion jedoch in reines Wohlgefallen auf, pointiert mit einem Witz. Doch im Leser bleibt, wie beabsichtigt, der Verdacht: Was wäre, wenn es wirklich eine Parallelgesellschaft gäbe, die uns von der „Stufe eins“ um Längen voraus wäre?

_2) Hal Clement: |Der kritische Faktor| (|Critical Factor|)_

Halbflüssige Wesen, die im Untergrund unserer Erde leben, haben gerade ein kleines Problem: Eroberer aus dem Norden bedrohen ihr Territorium. Ein Späher namens Pentong kehrt aus der Antarktis zurück und berührt den Ältesten, um zu berichten, was er dort gefunden hat: Eine Schicht über dem Gestein, die durch heißes Magma in Ozean verwandelt wird – im Klartext: Eis.

Was Pentong vorschlägt, ist revolutionär: Man könnte durch Eisschmelzen doch den Ozean so weit ausbreiten, dass der für die Untererdbewohner giftige Sauerstoff nicht mehr an das Erdreich gelangen könnte. Mithin würde sich ihr Lebensraum vergrößern.

Eigentlich eine geniale Idee. Doch Derel der Denker bezweifelt ihre theoretische Grundlage ebenso wie die praktische Ausführung. Er stellt ein paar Experimente mit dem Verhalten von Flüssigkeiten in Hohlräumen an und stößt auf eine neue unheimliche Kraft, die ihn fast das Leben kostet: Schwerkraft!

|Mein Eindruck|

Die rein naturwissenschaftlich orientierte Story erzählt, wie so viele von Clements Storys, von Alien mit fremden Naturgesetzen und fremdartigem Denken. Doch das hindert sie nicht daran, allgemeingültige Gesetze zu entdecken, die auch uns vertraut sind – Schwerkraft beispielsweise.

Die Tatsache, dass die Anderen das uns Vertraute erst entdecken, führt uns wiederum die Besonderheit des Phänomens vor Augen. Schwerkraft, so lernen, ist nichts, das wir für selbstverständlich und allgegenwärtig halten sollten. Denn stets gilt der Grundsatz: Alles ist relativ.

_3) Jerome Bixby: |Schöner leben| (|It’s a Good Life|, 1953)_

Peaksville lag vor vier Jahren in Ohio, doch wo es jetzt liegt, ist seinen Bewohnern unbekannt. Denn kurz hinter den letzten Häusern beginnt das Nichts. Nur hinter dem Haus der Fremonts liegen ein Maisfeld, eine Weide und ein schattiger Baum. Doch wer die Fremonts besucht, so wie jetzt Bill Soames mit seinen Kolonialwaren, der bangt um sein Leben. Zumindest aber um seine geistige Gesundheit. Denn bei den Fremonts lebt Anthony. Er dringt in Gedanken ein und kann Leute verschwinden lassen. Man sollte ihn besser nicht verärgern, haben alle gelernt. Und niemals darf ein Kind sich zur Farm verirren. Ein verschwundenes Kind ist Lektion genug.

Bill Soames ist froh, wieder unbeschadet von dannen radeln zu können. Doch abends kommt es zu einem Eklat. Dan Hollis‘ Geburtstag feiern die Dorfbewohner im Wohnzimmer der Fremonts, und einer spielt Klavier. Doch als Dan sich spätabends darüber ärgert, dass er seine ihm geschenkte Schallplatte nicht abspielen darf und zu singen anfängt, erscheint Anthony, und Totenstille tritt ein. Er nennt Dan einen „bösen Mann“, tut etwas Furchtbares mit ihm und lässt ihn verschwinden.

Wieder eine Lektion gelernt. Während alle die Frau von Dan Hollis zum Verstummen bringen und festhalten, verschwindet Anthony nach zwei Stunden wieder. Wer hätte gedacht, dass ein Dreijähriger so ein Tyrann sein kann …

|Mein Eindruck|

Eine Teufelsgeschichte! Diesmal mit einem der in den fünfziger Jahren so beliebten Mutanten. (Es wird keine Ursache für die Mutation angegeben, auch kein Atomkrieg.) Geschildert wird eine wahre Hölle, über die ein Einziger mit der Macht über Leben und Tod herrscht. Leider ist das Kind völlig unzurechnungsfähig.

Aber darum geht es eigentlich nicht. Wie der Titel schon andeutet, richtet der Autor sein Augenmerk nur en passant auf Anthonys Launen und konzentriert sich vielmehr auf die Bedingungen für das friedliche Überleben in dieser Hölle. Erstaunlicherweise sind zwar einige unzufrieden mit den Bedingungen, doch sie dürfen es niemals laut sagen. Stets müssen sie sagen, alles sei gut, prächtig oder schön, um nur den Tyrannen nicht zu verärgern (wie Dan Hollis). Außerdem versuchen sie nichts zu denken, denn der Tyrann ist ja bekanntlich ein Gedankenleser, der sogar geistige Strafmaßnahmen verhängen kann, wie bei seiner Tante Amy.

Die Geschichte ist leicht als Metapher für jedes repressive System zu deuten, sei es nun ein faschistisches, ein stalinistisches, feudalistisches oder ein kapitalistisches. Die Gedanken- und Verhaltenskontrolle ist bereits verinnerlicht, sodass es nur selten zu Verstößen gegen die Konformität kommt. Flucht wäre ja auch sinnlos, denn draußen wartet nur das Nichts. Der Autor hat eine Versuchsanordnung geschildert. Man kann den einen oder anderen Faktor ersetzen, beispielsweise Anthony durch einen Mann der Kirche, aber das Ergebnis bleibt immer das gleiche: Es ist eine Hölle.

_4) Isaac Asimov: |Ein so herrlicher Tag| (|It’s Such a Beautiful Day|)_

Der neuartige Materietransmitter ist endlich auch für den Personentransport geeignet und wird als T-Tür eingebaut. Das kalifornische Wohngebiet A-3 ist in dieser Hinsicht Vorreiter: Alle seine Gebäude inklusive der Schule verfügen über T-Türen, und die gewöhnlichen, manuell bedienbaren Türen (mit einfachem T) werden als „Notausgang“ bezeichnet.

Als Mrs. Hanshaw von der Lehrerin Miss Norris also einen Beschwerdeanruf wegen Richard Hanshaw, ihrem Sohn, bekommt, ist sie also höchst erstaunt: Ihr Dickie soll eine volle Stunde zu spät zum Unterricht erschienen sein?! Es muss sich wohl um einen schlechten Scherz handeln, den sie sich selbstredend verbittet.

Doch als Richard auch nicht zur vorgesehenen Rückkehrzeit um 15:00 Uhr per T-Tür erscheint, beginnt sich Mrs. Hanshaw Sorgen zu machen und zu grübeln. Heute Morgen war die T-Tür defekt, und Richard ging zu den Nachbarn, um deren T-Tür zu benutzen. Das hat aer aber offenbar nicht getan. Was ist bloß in den Jungen gefahren? Inzwischen war der Reparateur da und hat eine Pentode ausgewechselt, die den Feldgenerator steuert.

Richard kehrt zurück – durch den Notausgang! Und wie er nur aussieht! Von oben bis unten verdreckt und bestimmt voll schrecklicher Krankheitskeime. Ab, Marsch ins Bad mit ihm! Eins ist klar: Wie Miss Norris vorschlug, ist Richard wohl ein Fall für die Psychosonde. Aber man darf selbstverständlich kein Aufsehen erregen und muss auf Diskretion achten. Man könnte sonst zum Gespött der Nachbarschaft werden. Also geht Mrs. Hanshaw zum Hirnklempner, einem Psychotherapeuten namens Sloane.

Wohl wegen seines geringen Alters von knapp 40 Jahren lehnt Sloane es strikt ab, Richard einer Psychosondierung zu unterrichten. „Ein traumatisches Erlebnis für einen jungen Menschen“, warnt er. Vielmehr nimmt er Richard mit auf einen Spaziergang – nach draußen! Mrs Hanshaw ist fassungslos.

Richard zeigt Sloane die unbekannten Wunder des Draußen: grünes Gras, blauer Himmel, ein Bach, Insekten und bunte Vögel. Hier hat sich also der Junge die Zeit vertrieben. Und wenn er es recht bedenkt, findet Sloane es recht bedenklich, wenn ein Mensch in einer T-Tür erst in seine atomaren Bestandteile zerlegt und dann auf der Gegenseite wird zusammengesetzt wird …

|Mein Eindruck|

Die Idee des Materietransmitters ist schon ziemlich alt, beinahe unmöglich zu realisieren, wurde aber ungezählte male in der Sciencefiction eingesetzt. Bei John Brunner ersetzen Transmitter die Raumfahrt (vgl. „Die Sonnenbrücke“ und „Verbotene Kodierungen“). Doch während bei Brunner ein Kniff der Dimensionsmathematik den Durchtritt erlaubt, greift Asimov das Problem als Materie-Auflösung und -Zusammensetzung auf.

Wie er richtig sagt, ist das Verfahren schweineteuer, energieintensiv und obendrein gefährlich. Wie leicht könnte beim Berechnen der Zusammensetzung ein Hard- oder Softwarefehler auftreten? So einfach geht das „Beamen“ also nicht. Doch die Technik ist gar nicht der Schwerpunkt der Geschichte: Es geht um die veränderte Psyche.

Mrs Hanshaw kennt das Draußen gar nicht mehr als Lebensraum: Es kommt ihr so gefährlich vor wie uns der Weltraum. Ganz im Gegensatz zu Sohnemann Richard: Er entdeckt die vielfältigen Freuden, die das Draußen für den langsamen Betrachter bereithält. Daher: Zurück zur Natur!

_5) Henry Kuttner: |Tyrell der Erlöser| (|A Cross of Centuries|)_

Im Jahre 5000 ist Tyrell bekannt als der Reine Gesalbte, der Messias des Friedens, der Güte und der Liebe Gottes. Doch er lebt bereits 2000 Jahre und muss sich alle hundert Jahre einer Auffrischung seines Gedächtnisses unterziehen. Dies erfolgt mit Hilfe einer Maschine, die im Bergkloster von Abt Mons (= Berg) verborgen ist.

Auch diesmal kommt Tyrall zusammen mit seiner 300 Jahre alten, aber wie eine Zwölfjährige aussehende Jüngerin Nerina ins Bergkloster. Vor dem Teich der Wiedergeburt legt er seine wenigen Kleider und seine Schuhe ab und badet darin. Nur Nerina scheint zu bemerken, wie sehr sein Gedächtnis nachgelassen hat.

Am nächsten Morgen erzählt der runderneuerte Tyrell seiner erstaunten Anhängerin detailreich von der alten Zeit, die er damals zu überwinden geholfen habe. Der Anti-Christ sei umgegangen und habe die Tier-Menschen aufgestachelt, auf Tausenden von Welten habe Brudermord geherrscht. In der Tat ist Tyrell das einzige Wesen aus jener Zeit, das immer noch am Leben ist, um sich daran zu erinnern.

Am zweiten Morgen findet man die erwürgte Leiche eines Mönchs. Das Entsetzen unter den Brüdern ist ebenso groß wie bei Tyrell und Nerina. Wie kann es einen Akt der Gewalt nach acht Jahrhunderten Frieden geben? Doch als nerina in der folgenden Nacht einen Schrei hört und auf den Gang vor der Klosterzelle eilt, entdeckt sie zu ihrer Bestürzung Tyrell mit einem blutigen Messer in der Hand.

Wie kann es sein, dass er getötet hat, fragt sie sich und berät sich mit Abt Mons. Schier sprachlos vor Schrecken stammelt Mons etwas davon, wie die Maschine funktioniert. Es muss zu einem Fehler gekommen sein. Oder die Mönche habe ihre Arbeitsweise nicht richtig verstanden. Doch am Ende ahnt Nerina, worin ihre Pflicht besteht, um Tyrell zu erlösen. Sie nimmt das immer noch blutige Messer …

|Mein Eindruck|

Einmal ist die Religion die Zielscheibe von Autoren der fünfziger Jahre (siehe auch die zwei Auswählbände von H.J. Alpers bei Bastei-Lübbe). Der Profi-Autor Henry Kuttner, Gatte der Autorin Catherine L. Moore, schreibt in seiner Story das Leben des Messias einfach in die Zukunft vor. Er stellt nicht die Funktion eines solchen Gesalbten in Frage, wohl aber die Wahrheit, die mit dieser Figur verknüpft wird.

Anders als von den Mönchen angenommen, wird Tyrells Gedächtnis nicht jedesmal gelöscht, wenn er die Maschine benutzt, sondern nur in die Tiefe des Bewusstseins verdrängt. Mittlerweile sind es – nach 2000 Jahren – 20 Schichten. Es ist etwas schiefgegangen: Statt Neues zu speichern, hat sich das uralte Unterbewusstsein gemeldet: Mit tödlichen Folgen.

Tyrell gesteht es nur Nerina: Er war selbst jener Anti-Christ, der vor fast tausend Jahren die Menschen abschlachtete, damit sie ihn zu fürchten lernten. Nur so führte er den allgemeinen Frieden herbei, nicht mit der Sanftmut von Lämmern, sondern mit der Pranke des Löwen.

Der Autor stellt also die Botschaft Christi infrage und behauptet im Gegenteil, dass nur Stärke und sogar Vernichtung den Frieden herbeiführen könne. Das ist eine sehr kontrovers zu diskutierende Aussage. Und am Schluss eine messianische FRAU vorzustellen, dürfte die Gemüter im Vatikan ebenfalls nicht gerade beruhigt haben.

_6) Damon Knight: |Einer muss der Dumme sein| (|Idiot Stick|)_

Das Raumschiff der galaktischen Föderation landet in New Jersey. Die Aliens, lautet spindeldürre Kerle, verteilen Kapseln, die dem Empfänger ein intensives Glücksgefühl vermitteln. Kein Wunder, dass die Aliens nicht nur mit Wohlwollen, sondern mit einem Ansturm von Glücksbedürftigen empfangen werden.

Die Fremden wollen eine friedliche Niederlassung zu Studienzwecken bauen. Natürlich sind Zehntausende bereit, das Gelände dafür zu ebnen und das Gebäude zu errichten. Der Lohn besteht ja in den begehrten Glückskapseln. Jeder kriegt einen Stecken, der auf wundersame Weise den Boden einebnet und asphaltiert. Baker und Cooley sind sich einig, dass dies ein „Dummenschwengel“ sei – und sie, als Arbeiter, die Dummen. Die Dinger lassen sich nicht einfach nachbauen.

Wochen später, entdeckt ein Reporter vom Star-Ledger in New Jersey den Sprecher der Fremden betrunken in einer Bar. Der Sprecher lallt etwas von Mitleid. Mitleid mit wem? Mit den armseligen Menschen und ihrem nichtswürdigen Planeten. Solches Gerede macht den Reporter erst stutzig, dann wütend. Dan rückt der Sprecher, der voll auf Aspirin abfährt, mit der Sprache heraus: Das Gebäude werde ein Bohrloch verdecken, in welches man einen Sprengsatz einführen werde, der im Erdinnersten zünden solle. Puff, und Terra wird eine Staubwolke. Welchselbige man zur Abwehr einer möglichen Invasion benötige. Von wem ist leider nicht zu erfahren.

Wenige Tage später erobert ein wütender Mob das fremde Raumschiff und erschlägt alle Aliens – mit dem Dummenschwengel. Es kommt eben darauf an, an welchem Ende davon man sich jeweils befindet, meint Baker.

|Mein Eindruck|

Würde so eine Invasion funktionieren, fragen sich Baker und Cooley. Ohne Weiteres, meinen sie – und das meine ich auch. Es findet sich immer ein Idiot, der für ein bisschen momentanes Glücksgefühl sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht verkaufen würde (vgl. dazu die Bibelgeschichte von Jakob und Esau, den Söhnen Isaaks, des Sohnes Abrahams).

Eine blutige Wendung nimmt die Story am Schluss: Für die Modifikation des fremden Allzweck-Stocks mussten in zehntausend Versuchen zehntausend Menschen ihr Leben lassen. Ist das also der Preis des Überlebens? Wenn das so ist, so die Aussage, dann ist der Preis keineswegs zu hoch. Dieses Prinzip sollte man aber tunlichst nicht auf Atombomben anwenden …

_7) Robert Silverberg: |Kolonist Wingert in der Klemme| (|Company Store|)_

Kolonist Roy Wingert ballert wild um sich, um die Kreaturen zu vernichten, die es auf ihn abgesehen haben. Er ist sauer, denn die terranische Kolonisationsbehörde hatte behauptet, dieser Kontinent wäre frei von solchem Kroppzeug. Da hört er eine Stimme hinter sich: „Darf ich Ihnen einen Taschenfeldgenerator anbieten, mit dem sie ein Sperrfeld errichten können?“ Aber immer doch! Das Feld hält die Viecher fern.

In der Verschnaufpause stellt sich der Besucher: ein Verkaufsroboter aus der Kleinen Magellanschen Wolke. Klingt harmlos, aber als der Blechkumpel verrät, er habe diese aggressiven Viecher extra zu diesem Verkaufszweck hierhergeschafft, bringt ihm das nicht gerade Pluspunkte ein. Wingert findet, der Robot müsste noch einiges über Verkaufsmethoden lernen. Er sagt ihm, er soll sich verziehen.

Wingert aktiviert den hier deponierten Materietransmitter und nimmt Verbindung mit der Erde auf, um Rasierklingen zu bestellen. Er kriegt eine Transportrechnung über 50 Dollar bei einem Warenwert von 1 Dollar. Moment mal! Doch seine Beschwerde wird abgeschmettert: Steht alles im Vertrag – Luxusgüter werden extra berechnet. Die Rückgabe kostet natürlich ebenso viel. Und bei der Konkurrenz dürfe er natürlich keinesfalls kaufen. Steht auch im Vertrag. Darauf steht eine Konventionalstrafe. Wingert rechnet aus, dass der Vertrag dafür sorgt, dass er bis zu seinem Lebensende in der Schuld der Company stehen wird. So sieht also moderne Sklaverei aus.

Der Roboter, der ihm das Enthaarungsgel angeboten hat, besteht jedoch seinerseits ebenfalls auf dem Kauf. Würde er seine Quote nicht erfüllen, würde man ihn demontieren. Mit gezücktem Desintegrator besteht der Robot darauf, dass Wingert den Feldgenerator bezahlt und mehr kauft. Das bringt den Kolonisten auf eine brillante Idee. Er stellt Kontakt mit der Erde her …

|Mein Eindruck|

Die Erfindung der Schuldknechtschaft liegt schon ein paar Jährchen zurück. Mehrere Jahrtausende, um genau zu sein. Und wie dem „Menschenhandel“-Buch von E. Benjamin Skinner zu entnehmen ist (ISBN 978-3-7857-2342-5; siehe meinen Bericht), ist diese Form der Sklaverei in vielen Gegenden der Welt noch so verbreitet, dass noch Millionen Menschen darunter leiden müssen.

Kolonist Wingert blickt jedoch auf Erfahrung mit Verkaufstypen wie dem Roboter zurück und kann dessen Drohung kühl hinnehmen, gibt sie ihm doch ein handfestes Argument gegenüber der Terra-Kolonisationsgesellschaft in die Hand: Was sich jetzt angesichts der Drohung als „lebensnotwendig“ (und nicht etwa ein Luxusartikel) ist, ist schlicht und ergreifend Geld. Und wenn die Company keines schickt, stellt das einen Vertragsbruch dar.

Es kommt, wie es kommen muss. Nach dem Vertragsbruch zerreißt Wingert das wertlose Papier und erklärt sich per Siedlerrecht zum Besitzer dieses Planeten. Eine ganze neue Verhandlungsposition für Wingert. Man sieht also, dass die Story einen gewissen Yankee-Witz verrät, einen Sinn für die praktischen Erfordernisse des Überlebens. Zum Beispiel Kaltschnäuzigkeit.

_Unterm Strich_

Während sich die meisten Beiträge dieser Storyauswahl mit den zeitbedingten Phänomenen beschäftigen, ragt Henry Kuttners Erzählung über den falsch programmierten Messias haushoch darüber hinaus. Profis wie Silverberg und Asimov mögen handwerklich top sein, doch Kuttner ist ihnen inhaltlich, wie auch stilistisch weit überlegen. Es ist nicht auszuschließen, dass seine Frau C.L. Moore daran mitgeschrieben hat. Die beiden benutzten auch viele Pseudonyme, um gemeinsame Arbeiten zu verkaufen.

Asimov greift die absehbaren Folgen der Verstädterung auf, Silverberg die Schuldknechtschaft in vielen Ländern, Budrys hingegen ist noch unter dem Eindruck der Kommunisten-Infiltration – so als könne ein Volk unterwandert werden. Hinter der öffentlichen Fassade existiert eine andere Welt. Ebenso auch in Bixbys kritischer Story über den dreijährigen Mutanten Anthony. Offensichtlich griffen mehrere Autoren die bürgerliche Fassade an. Doch nur Kuttner traute sich, das religiöse Fundament anzutasten.

Für den deutschen SF-Leser des Jahres 1976 waren diese Originalbeiträge – allesamt Erstveröffentlichungen von 1953 – willkommenes Lesefutter, um sich einen Überblick über die Entwicklung des Genres in den fünfziger Jahren zu verschaffen. Der Erfolg des TITAN-Formats mit seinen etwa zwei Dutzend Bänden gab Herausgeber Jeschke Recht. Auch die sorgfältige Übersetzung trägt noch heute zum positiven Eindruck bei. Ich fand nur einen einzigen Druckfehler.

|Taschenbuch: 143 Seiten
Im Original: Star Science Fiction 3+4, 1953, 1954, 1958 und 1959/1977
Aus dem US-Englischen von Walter Brumm und Horst Pukallus
ISBN-13: 978-3453304260|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

Mark Lawrence – Prinz der Dunkelheit (The Broken Empire 1)

The Broken Empire:
Band 1: „Prinz der Dunkelheit“
Band 2: „King of Thornes“ (noch ohne dt. Titel)

Jorg war einst ein Prinz. Bis zu dem Tag, an dem er erkennen musste, dass sein Vater für den Mord an Mutter und Bruder keine Rache nehmen würde. Jetzt ist Jorg ein Straßenräuber übelster Sorte, geplagt von Alpträumen aus Schuldgefühlen und Hass. Und er ist auf dem Weg zu seines Vaters Burg, um ihn herauszufordern …

Die Mitglieder von Jorgs Räuberbande sind größtenteils Nebenfiguren. Selbst über die beiden, die einigermaßen wichtig sind, gibt es im Grunde nichts zu sagen, zumal der eine das Ende des Buches nicht erlebt.

Bleibt die Hauptfigur, Jorg. Der Junge ist vor allen Dingen stur, er neigt dazu, stets das Gegenteil von dem zu tun, was man ihm sagt. Außerdem ist er für sein Alter ungewöhnlich brutal und skrupellos, gleichzeitig ist er aber immer noch ein Kind, das sich mit Selbstvorwürfen quält und sich nach Anerkennung durch seinen Vater sehnt.

Jorg erzählt seine Geschichte selbst, nicht nur, was passiert, sondern auch, was er denkt und fühlt. Er bleibt dabei in der Regel ziemlich nüchtern, weitschweifige Beschreibungen fehlen. Nur wenige Details werden knapp und präzise ausgedrückt. Dennoch gelingt es dem Autor auf diese Weise hervorragend, nicht nur Jorgs Persönlichkeit selbst lebendig und plastisch darzustellen, sondern auch die Beziehungen zu den Personen um ihn herum.

Genauere Beschreibungen der Welt fehlen ebenfalls. Was den Ort des Geschehens interessant macht, sind die Andeutungen, die immer wieder eingestreut sind und dem Leser ziemlich vertraut vorkommen. Gleichzeitig gibt es Magie, Vampire und Geister. Eine recht ungewohnte Mischung.

Die Handlung ist zweigeteilt. Parallel wird erzählt, wie es kam, dass Jorg die heimatliche Burg verlassen hat, und wie er wieder zurückkehrt, wobei die Rückblenden die Motive und Erklärungen für den Hauptstrang liefern. Der zeitliche Ablauf ist dabei geschickt aufeinander abgestimmt. Und auch die einzelnen Aspekte der Haupthandlung – Jorgs Charakterentwicklung, sein gespanntes Verhältnis zum Vater, die Entwicklung des eigentlichen Plots – sind gekonnt ausbalanciert.

Ich kann nicht sagen, dass es Spaß gemacht hat, dieses Buch zu lesen. Auch würde ich es nicht unbedingt als spannend bezeichnen. Der Begriff, der am ehesten darauf passt, ist fesselnd. Der Autor hat es verstanden, seine Geschichte so zu gestalten, dass sie in jeder Hinsicht Interesse weckt. Die Erwähnung von aus flüssigem Stein gegossenen Mauern und Büchern mit Seiten aus „Plastick“ verleihen dem Entwurf der Welt nicht nur eine gewisse Würze, sie machen den Leser auch neugierig darauf, was in der Vergangenheit dort geschehen sein mag. Der Plot entwickelt sich in einem eleganten Bogen, der weit genug ist, um nicht eckig zu wirken, aber dennoch verhindert, dass der Leser bereits zu Beginn des Buches das Ende sehen kann. Vor allem aber fasziniert die Figur des Jorg, denn je weiter die Geschichte fortschreitet, desto deutlicher steht die Frage im Raum, wer dieser Junge eigentlich wirklich ist.

Auch sprachlich fand ich das Buch sehr gelungen. Die eher nüchterne Erzählweise verhinderte blutgetränkte Ekelexzesse, wie sie in der Fantasy leider nur zu häufig vorkommen, brachte aber trotzdem die Brutalität der Räuber immer noch deutlich genug zum Ausdruck, ebenso wie Jorgs Zerissenheit oder Katherines Interesse an dem jungen Prinzen. Tatsächlich erzeugte das Fehlen nahezu jeglicher Ausschmückung hier seine ganz eigene Stimmung und wirkte im Hinblick auf die Hauptperson und die Ich-Form der Erzählung weit authentischer als episch ausgeschmückte Prosa.

Mit anderen Worten, ein gelungener Einstieg in einen vielversprechenden Zyklus. Einziger Wermutstropfen: Der Originaltitel „Prince of Thorns“ wurde – aus welchem Grund auch immer – mit „Prinz der Dunkelheit“ übersetzt. Wahrscheinlich, weil alles, was mit Dunkelheit zu tun hat, gerade modern ist!

Mark Lawrence arbeitet hauptberuflich als Wissenschaftler an der Entwicklung künstlicher Intelligenz. „Prinz der Dunkelheit“ ist sein erster Roman, außerdem hat er einige Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben. Er lebt mit seiner Familie in England.

Taschenbuch: 380 Seiten
Originaltitel: Prince of Thornes
Ins Deutsche übertragen von Andreas Brandhorst
ISBN 978-3453528253

www.princeofthorns.com/index.html
http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Brandon Sanderson – Der Weg der Könige (Die Sturmlicht-Choniken 1, Teil 1)

Die Sturmlicht-Chroniken:

Band 1: „Der Weg der Könige“
Band 1 (Teil 2): „Der Pfad der Winde“
Band 2: „Die Worte des Lichts“
Band 3: „Die Stürme des Zorns“

Die Handlung:

Dies ist die Geschichte von Dalinar, Heerführer von Alethkar und Bruder des ermordeten Königs. Seit dem Tod des Königs sind die Fürsten des mächtigsten Reiches von Roschar zerstritten, und der Krieg mit dem Barbarenvolk im Osten zieht sich länger hin als erwartet. Dabei trägt Fürst Dalinar nicht nur schwer an dem Vermächtnis seines toten Bruders, sondern auch an den unheimlichen Visionen, die ihn des Nachts überfallen: Visionen aus einem vergangenen Zeitalter, als die Völker von Roschar vereint waren, als die Menschen noch Seite an Seite mit den Göttern kämpften und die magischen Schwerter dem Schutz des Lebens dienten. Visionen, die in Fürst Dalinar nicht nur eine neue Hoffnung auf Einheit unter den Menschen wecken, sondern auch eine tiefe Furcht. Denn noch weiß keiner, welches Schicksal die Zukunft von Roschar für all jene bereithält, die das Rätsel der Vergangenheit lösen können … (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Verlage halten sich ungern zurück, wenn es um das Bewerben eines neuen Titels geht. Gern wird auch mal ein Fantasy-Roman aus dem eigenen Programm als neuer „Herr der Ringe“ vorab gefeiert. Einige Romane können dem standhalten, einige nicht. „Der Weg der Könige“ von Brandon Sanderson scheint ein Weg zu werden, den einige sicher gern mitgehen werden. Ich schreibe „werden“, da dieses Buch der Auftakt einer geplant zehnbändigen Reihe und noch nicht abzusehen ist, womit der Autor noch aufwartet.

In diesem Buch wartet er auf jeden Fall mit sehr vielen Erklärungen auf, um seine neue Welt zu erklären. Auf knapp 900 Seiten wird der Leser überwiegend in die Welt eingeführt, statt mit abenteuerlicher Handlung konfrontiert. Es wird sicher nicht wenige Leser geben, die sich gute 500 Seiten dieses Buch hätten schenken wollen, um dem interessanten Ende schneller näher zu kommen oder um einfach wieder ein wenig neuer Action zu begegnen. Gegen Ende nimmt der Roman dann aber endgültig Fahrt auf und hinterlässt auch den allseits bekannten leicht faden Beigeschmack eines ersten Teils einer Reihe.

Freunde der epischen Fantasy werden allerdings durch die ausführliche, einbändige Einführung in alles rund um Roschar belohnt. Wie sieht die Tier- und Pflanzenwelt aus? Warum bauen die Bewohner ihre Unterkünfte in Höhlen oder aus Stein und alle zeigen in die gleiche Richtung? Was kann man mit den Edelsteinen noch so alles anstellen, außer sie als Währung zu gebrauchen? Geschichte, Religion, Mythologie, alles wird vom Autor erklärt, der sich offenbar richtig lange und richtig viele Gedanken darüber gemacht hat. Nach eigener Aussage seit Mitte der 1990er und teilweise noch weit davor.

Welcher der vielen Charaktere, die im Buch auftreten, wird später noch eine wichtige Rolle spielen? Kaladin, Schallan, Dalinar oder einer der anderen? Jasnah oder Szeth vielleicht? Wer ist hier eigentlich der Hauptgegner und was haben die Könige mit den magischen Schwertern vom Prolog mit allem zu tun? Was sagen die Visionen aus, die Dalinar quälen? Es sind eine Menge Infos und Fragen, die der Leser zu verarbeiten hat. Einige Fragen werden beantwortet, einige nicht. Fortsetzung folgt, wie das oftmals so ist.

Und so werden sich bei diesem Buch sicher die Lager teilen. Den einen wird zu viel erklärt und beschrieben anstatt eine Handlung voranzutreiben, so sie denn eine erkennen konnten und den anderen hat genau diese langsame und ausführliche Einführung in die neue Welt gefallen.

Die zum Teil farbigen Illustrationen und Karten im Buch sind wirklich schön anzusehen und das „Ars Arcanum“ am Ende gibt einen tabellarischen Überblick über die zehn Essenzen und ihre Eigenschaften.

Die Teilung von Romanen für den deutschen Sprachraum

Leider hat der Verlag nicht auf eine Teilung des Romans verzichtet und so ist der Roman zwar ein Brocken, dennoch aber nur die Hälfte von dem, was er hätte sein können. Leider wird dieses Vorgehen im Fantasy-Bereich gerne praktiziert, um den geneigten Fan mehrfach zur Kasse zu bitten. Beim „Rad der Zeit“ zum Beispiel hatte man sogar zum Teil drei Bücher aus einem gemacht.

Wo ich gerade beim „Rad der Zeit“ bin, einer von vielen Fantasy-Fans geliebten Reihe, kann ich direkt die Verbindung zu Brandon Sanderson herstellen. Denn nach dem Tod des Schöpfers Robert Jordan hat Brandon Sanderson den Auftrag bekommen, dessen vorgeschriebene Manuskripte aufzuarbeiten, um die Reihe so zum Abschluss zu bringen. Und das Material ist so umfangreich, dass es für drei Bücher reicht. Auf Englisch wohlgemerkt, denn auf Deutsch werden sie jeweils wie gehabt geteilt.

Und da Sanderson erstmal das letzte „Rad der Zeit“-Buch fertigstellen will, dauert es noch mindestens anderthalb Jahre, bis in den USA der zweite Band dieser Reihe erscheinen wird. Schade, aber, das Warten lohnt sich auf jeden Fall für alle, die eine lange Lese-Reise nicht scheuen oder bevorzugen.

Der Autor

Brandon Sanderson, 1975 in Nebraska geboren, schreibt seit seiner Schulzeit phantastische Geschichten. Er studierte Englische Literatur und unterrichtet Kreatives Schreiben. Sein Debütroman „Elantris“ avancierte in Amerika auf Anhieb zum Bestseller. Seit seinen Jugendbüchern um den jungen Helden Alcatraz und seiner großen Saga um die „Kinder des Nebels“ gilt der junge Autor auch in Deutschland als einer der neuen Stars der Fantasy. Er wurde auserwählt, Robert Jordans großen Fantasy-Zyklus „Das Rad der Zeit“ fortzuschreiben. Brandon Sanderson lebt mit seiner Familie in Provo, Utah. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Der Auftakt zu einer epischen Fantasy-Reihe, die sich eine Menge Zeit lässt, so gut wie alles und jeden ausführlich vorzustellen. Wer nicht von einer Schlacht zur nächsten hetzen muss, kann hier eine schöne und interessante Zeit verbringen und richtig tief abtauchen. Und Roschar ist absolut eine Reise wert.

Hardcover: 896 Seiten
Originaltitel: The Way of Kings – The Stormlight Archive 1 (Teil 1)
Aus dem Amerikanischen von Michael Siefener
Mit zehn Schwarzweiß-Abbildungen
ISBN: 978-3-453-26717-6
www.randomhouse.de/heyne
www.brandonsanderson.com

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Brian Keene – Die Verschollenen

Auf einer pazifischen Tropeninsel treiben Teilnehmer einer billigen TV-Reality-Show ihre dümmlichen Spielchen, bis die heimlichen Herrscher des Eilands zornig, hungrig und geil über sie kommen … – Trash-Horror der besonders grobgestrickten Art, dessen Verfasser zwei entscheidende Fehler begeht: Die Story ist trotz aller Drastik nicht nur langweilig, sondern wird auch noch überraschungslos erzählt.
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Anne Bishop – Blutsherrschaft (Die schwarzen Juwelen 8)

Die Schwarzen Juwelen:

Band I: „Dunkelheit“3375
Band II: „Dämmerung“3437
Band III: „Schatten“3446
Band IV: „Zwielicht“3514
Band V: „Finsternis“3526
Band VI: „Nacht“5374
Band VII: „Blutskönigin“
Band VIII: „Blutsherrschaft“

Cassidy hat den Schatz von Grayhaven gefunden. Und nachdem Theran Lias Brief gelesen hat, der dem Schatz beigefügt war, scheint es, als wolle er endlich zumindest versuchen, ernsthaft mit Cassidy zusammenzuarbeiten. Doch dann taucht Kermilla in Grayhaven auf, jene Königin, die Cassidy einst in Dharo ihren ersten Kreis ausgespannt hat …

Anne Bishop – Blutsherrschaft (Die schwarzen Juwelen 8) weiterlesen

Karl Schroeder – Säule der Welten (Das Buch von Virga 2)

Karl Schroeder ist einer der amerikanischen Autoren fiktionaler Literatur, die abseits der Klassiker des Genres in den letzten Jahren den Sprung über den großen Teich taten und ihren Erfolg auch bei uns belegen. So ist der vorliegende Roman erst seine zweite deutschsprachige Veröffentlichung und knüpft nahtlos an die Ereignisse des Vorgängers „Planet der Sonnen“ an:

Nachdem sich Venera Fanning von Hayden Griffins Aerobike getrennt hat und sich im freien Fall von der ersten Sonne |Candesce| entfernt, gelangt sie wie durch ein Wunder durch die fallen- und minengesäumte Umgebung des Riesenzylinders „Spyre“ aus den Anfangstagen der Weltensphäre Virga und in sein Inneres, wo sie – aufs Stärkste sonnenverbrannt durch die ungeschützte Nähe zu Candesce – bewusstlos einem alten Schwerenöter in die Hände fällt.

Ihr weiterer Weg durch die paranoide Kultur Spyres wird beschrieben durch Intrigen, Verrat, dem Trachten nach Macht und ihrem Wunsch nach Rache – Rache für den Tod ihres Ehegatten. Dabei gewinnt sie Freunde und verändert ihre durch aristokratische Erziehung entstandene Einstellung zu anderen Menschen und gerät unversehens ins Visier der mächtigsten Gruppierung Spyres, die nach ihrem wertvollsten Besitz trachtet: Dem Schlüssel zu Candesce, der die uneingeschränkte Macht über die Sphäre bedeutet …

Wie schon die knappe Inhaltsbeschreibung andeutet, handelt es sich vor allem um die Entwicklung Veneras Charakter, die Ausbreitung einer faszinierenden und fremdartigen Kultur auf ebenso interessantem Lebensraum sowie um eine abenteuerliche Erzählung in den unergründlichen Weiten Schroeders Weltentwurf, den Virga darstellt. Die schwierigen Verstrickungen, die ganz Virga und vor allem Veneras Heimatstaat Slipstream betreffen, werden in dieser an sich abgeschlossenen, introvertierten Teilwelt Spyre nur am Rande von Belang, obwohl sie für den großen Konflikt des Romans die treibende Kraft sind. Doch die Utopie, die hinter der Vielfältigkeit Virgas steht und universal das Dasein des Menschseins bedroht, wird in diesem Band nicht weiter entwickelt.

Vielmehr entwirft und verwirft Schroeder hier intrigante Charaktere, die weitgehend für die weitere Entwicklung der großen Geschichte bedeutungslos sein dürften bis auf drei oder vier Ausnahmen, die Spyre zusammen mit Venera hinter sich lassen. In dem Zusammenhang ist es schade, dass die im ersten Band entwickelten Charaktere außer Venera selbst nicht wieder zum Zug kommen. Das bleibt für den nächsten Roman zu erwarten und erhoffen, sollte man doch meinen, dass Schroeder sie nicht einfach verwirft. Was sich hier in Spyre an hintergründigen und oberflächlichen Mitspielern tummelt, nimmt bis auf die genannten Ausnahmen nicht die Tiefe anderer bisher aufgetretener Charaktere an und bleibt ausschließlich auf diesen Roman beschränkt, wie das Ende vermuten lässt.

So entwickelt Schroeder hier eine weitere Facette Virgas, die ihre Vergänglichkeit zum Thema hat, ebenso wie es ein tragendes Thema ist, wie sich Veneras Hass und ihr besonderes Trauma in dieser Welt wandeln. Sie gewinnt eindeutig Sympathien hinzu, die ihr bisher verwehrt wurden.

Den großen Zusammenhang außen vor gelassen, handelt es sich um eine spannende, abwechslungsreiche Erzählung mit SF-Elementen ebenso wie mit Eindrücken aus Fantasy und feudalem Intrigenwahn. Wie es so oft in Science-Fiction-Romanen anzutreffen ist, verwebt der Autor anachronistische Momente mit technischen Überbleibseln einer einst überlegenen Zivilisation, sodass das Dilemma einer unvorstellbaren Charakterisierung dieser weit entwickelten Menschen umgangen wird, sondern man sich auf Eigenheiten der irdischen Geschichte rückbesinnen und sie in ein faszinierendes Umfeld betten kann.

Das Buch steht in engem Zusammenhang mit dem Vorgänger, kann aber durch den Charakter des Schauplatzes auch eigenständig gelesen werden. In Erinnerung bleibt der Eindruck einer sehr unterhaltsamen und schnellen Geschichte mit einer stark herausgearbeiteten Protagonistin, was die Erwartung auf den nächsten Band anheizt.

Taschenbuch: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3453526921
Originaltitel:
Book Two of Virga: Queen of Candesce
Deutsch von Irene Holicki

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Pierre Bordage – Die Sternenzitadelle (Hyponeros 3)

Zwischen den wirklich guten utopischen und fiktionalen Romanen aus dem englischen Sprachraum findet man hin und wieder auch Übersetzungen aus anderen Ländern. In solchen Fällen tut der Verleger natürlich alles, das Buch irgendwie hervorzuheben – in Pierre Bordages Fall, der mit seiner Trilogie um die Krieger der Stille in Frankreich einen Direkterfolg erzielte, fand Heyne keinen Geringeren als den Bestsellerautor aus Deutschland, den es nach Frankreich verschlagen hat: Andreas Eschbach kommentiert irgendwo die Romane Bordages, und so zitiert ihn Heyne mit dem unübertreffbaren Ausspruch: „Es wäre ein Fehler, Pierre Bordage nicht zu lesen.“ Musste man das bei der Lektüre des ersten Bandes noch in Frage stellen und als eine Art Freundschaftsdienst zwischen den miteinander bekannten Autoren abtun, steigt das Flair und die Qualität der Geschichte im zweiten und dritten Teil fast kontinuierlich an, wobei man zum Ende des zweiten Bandes noch den starken Eindruck hatte, dass es immer mehr in übergeordnete Sphären abzudriften drohte. Das hat sich schließlich doch auf einem weitgehend weltlichen und verständlichen Niveau eingepegelt, bevor es in unverständliche Höhen abdriftete. Somit scheint sich der Kommentar auf die Gesamtgeschichte zu beziehen.

Beim Kampf der Krieger der Stille gegen den „Blouf“, das ultimative Böse, kristallisieren sich festgelegte und in vielerlei Mythen verankerte Strukturen heraus, die zu einem recht dauerhaften Sieg oder einer ebenso dauerhaften Niederlage führen müssen. So müssen sich zwölf der Krieger zu einer mythischen Entität verschmelzen, um dem Blouf endgültig entgegen treten zu können. Weite Strecken des Romans drehen sich also darum, wie die zwei bis dato letzten Urmenschen (die das inddikische Erbe noch nutzen können und sich der Auslöschung durch die Scaythen widersetzen) ihre Kameraden und Mitstreiter finden, befreien und mit dem Antra des Lebens schulen. Abseits davon sorgt der schon bekannte Sri Lumpa auf Hyponeros dafür, dass sich die auslöschende Entität nicht endgültig ausbreiten kann, beziehungsweise die Krieger der Stille frühzeitig erfasst und besiegt.

Blöd nur, dass Lumpa selbst einer der zwölf ist, und noch blöder, dass er Opfer der Meisterkreatoren von Hyponeros wird, die ihn schließlich als trojanisches Pferd in die Entität des Antra einschleusen wollen, um die inddikischen Annalen und damit den Ursprung und das Zentrum der Urmenschlichkeit zu vernichten. Der finale Kampf auf geistiger Ebene ist unbeschreiblich …

Der dritte und abschließende Band der Trilogie um die Krieger der Stille, das Antra des Lebens und den alles verschlingenden Blouf (eine Nichts-Entität, ursprünglich für ein zentralgalaktisches schwarzes Loch gehalten) mit seinen Gehilfen, den aus menschlicher Dummheit geborenen künstlichen Wesen und Rechnern von Hyponeros, die aus der Hegemonie der Maschinen (und dem damit verbundenen Ende der künstlichen Intelligenz) hervorgingen, entwickelt sich trotz der scheinbaren und endlich auch entscheidenden Ausrichtung auf die geistige und kreative Auseinandersetzung recht bodenständig: Verfolgungen, Intrigen, Schießereien, Tote, Hinrichtungen und Vergewaltigungen markieren den Weg des Niedergangs der menschlichen Kultur und den Weg des Kampfes um das Fortbestehen der Menschheit, den Bordages Protagonisten ausfechten müssen. Dabei bedient er sich durchaus der Triebfedern menschlichen Handelns, die sich durch unsere Geschichte ziehen: Machtgier, Kontrolle, Sex und Unterdrückung sowie religiösen Fanatismus – der in diesem Fall ironischerweise aus einem Zusammenwirken der inddikischen Wissenschaft und der christlichen Kirche entstand, indem sich Kontrollmechanismen zur Erhaltung und Verlust der ursprünglichen Ausrichtung auf das Wesen des Menschen.

Damit prangert Bordage natürlich den religiösen Fanatismus aller Zeiten an, denn natürlich ist jedem menschlichen (im Sinne des Wortes) Wesen in unserer Welt klar, dass die ursprünglichen Ideen und die Entwicklung, die zu Religionen führten, keinerlei Fanatismus dienten, sondern dem Bedürfnis zur Hilfe entsprangen.

Neben diesem kritischen Aspekt und dem transzendenten Antra entwickelt Bordage aber eine rasante Geschichte mit einigen Handlungsebenen, von denen jede ganz unterschiedlich ausgerichtet ist und jede für sich einen eigenen Reiz hat, die aber endlich zusammenfinden und ein umfassendes Bild enthüllen. Und zum Glück versäumt er es nicht, trotz des vorhersehbaren Siegs des Antras die Trägheit der menschlichen Entwicklung deutlich herauszustellen, um dem Sieg seine Endgültigkeit zu nehmen und den Menschen auch weiterhin die Wahl zu lassen zwischen Kreativität und Leben und Auslöschung, geistiger Verarmung und Niedergang.

Was sich jetzt wie eine deutliche Geschichte „Gut siegt über Böse“ anhören mag, entwickelt sich im Verlauf allerdings eher rückläufig, sodass das Gute immer wieder Rückschläge einstecken muss. Ein bisschen platitüdenhaft mutet die schließliche Übernahme der Führung an, wenn Verfolgte durch die aus Empörung geborene Rebellion im Volk befreit werden, verzweifelte Existenzen dem Partner des Lebens begegnen und durch ihn/sie aufgerüttelt und zu einstiger charakterlicher Größe zurückgeführt werden. Wenn ehemalige Unterdrücker eigentlich an der Umwälzung arbeiteten und ihrem eigens ausgewählten Nachfolger noch nach dem Tod detaillierte Anweisungen durch geniale Voraussicht zukommen lassen, und wenn die geistige Niederlage im entscheidenden Moment umgekehrt werden kann.

Das sind allerdings Kleinigkeiten vor dem Umfang des Stoffes, in dem sich viele spannende Details verbergen und in ihrem Zusammenhang zu einer faszinierenden und schließlich positiven Zukunft für und durch die Stärke des Menschen führen. Abschreckend dagegen mag das Format wirken, da der Verlag die Trilogie als schlagkräftige Tradepaperbacks herausbringt und damit noch mehr Inhalt suggeriert.

Zusammenfassend bleibt die Trilogie durchaus in positiver und empfehlenswerter Erinnerung, auch wenn das Zitat Eschbachs in diesem Zusammenhang etwas übertrieben wirkt.

Taschenbuch: 672 Seiten
ISBN-13: 978-3453525108
Originaltitel:
La Citadelle Hyponéros
Deutsch von Ingeborg Ebel

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Mer, Lilach – siebte Schwan, Der

Wilhelmina, genannt Mina, ist die Tochter eines Gutsbesitzers. Ihr Lieblingsort ist der Dachboden, wo sie am liebsten ganze Stunden damit verbringen würde, zur zarten Melodie einer alten Spieluhr zu tanzen. Doch ihre Eltern sehen dieses Verhalten gar nicht gern. Und auch der freundliche Doktor nicht, der so oft bei ihren Eltern zu Gast ist. Doch erst, als sie ein Gespräch zwischen Eltern und Doktor belauscht, findet sie heraus, in welche Schwierigkeiten ihr Verhalten sie tatsächlich gebracht hat …

Der Titel des Buches täuscht ein klein wenig. Zwar spielen Schwäne eine Rolle, und Mina träumt auch einmal davon, dass sie Kinderkleider stricken muss aus Wolle, die ihr die Hände verletzt. Ansonsten aber ähnelt die Geschichte mehr der Geschichte der sieben Raben. Obwohl die Zahl sieben hier völlig fehl am Platz ist, denn selbst bei aller Mühe kommt der Leser bestenfalls auf drei, von denen einer nicht mal ein Bruder ist, sondern „nur“ ein Cousin. Aber fangen wir vorne an …

Für die Charakterzeichnung sind zwei Personen besonders wichtig:

Mina ist ein verträumtes, empfindsames Mädchen. Das Licht unter dem Dachboden, die alten Möbel und Kleider, die sanfte Musik der Spieluhr, all das verzaubert sie, entrückt sie. Mina ist empfänglich für Dinge, die nicht offensichtlich sind, für die Geheimnisse unter der dünnen Oberfläche dessen, was die Menschen sonst als Wirklichkeit bezeichnen. Sie liebt diese Geheimnisse, die der Welt jenen Zauber verleihen, ohne den der dröge Alltag unerträglich wäre.

Für den Doktor dagegen sind diese Geheimnisse und dieser Zauber nichts als Hirngespinste, ein Wahn, den es zu kurieren gilt, und zwar mit allen Mitteln! Dabei ist er selbst nicht unbedingt unempfänglich für die Dinge jenseits der gewohnten Welt, doch sie entziehen sich seiner Kontrolle, verwirren die starre Ordnung, in der das Leben der Menschen sich seiner Ansicht nach zu bewegen hat.

Außerdem gibt es da noch die Taterfamilie, bei der Mina Zuflucht findet, und die ihr auf ihrem Weg beisteht. Alle Familienmitglieder wirken ziemlich sympathisch, selbst Viorel, der offenbar nicht nur positive Eigenschaften besitzt. Und dann wäre da noch als kleines Schmankerl der Kater Herr Tausendschön, der mich in seiner Art ein wenig an den Kater aus dem letzten Einhorn erinnerte: Er gibt niemals eine klare Antwort.

Eigentlich hat mir die Darstellung aller Figuren recht gut gefallen. Die Tater sind nicht allzu intensiv gezeichnet, aber trotzdem hat jedes Familienmitglied seine Eigenheiten, die ihm Persönlichkeit verleihen. Der Doktor taucht nicht so oft auf, und seine Darstellung wirkte auf mich weniger wie die einer Person als vielmehr die einer Institution. Seltsamerweise empfand ich das nicht als Manko. Denn von diesem Konflikt lebt die gesamte Geschichte.

Minas Umfeld ist ein strenges, steifes Umfeld, gezwängt in ein Korsett. Zum Picknick wird die halbe Einrichtung mitgenommen, selbst Tisch und Stühle, als wollte man mit der Natur eigentlich gar nicht in Berührung kommen. Von Mina wird erwartet, dass sie sich mit Mädchendingen wie Sticken und Zeichnen beschäftigt. Abweichungen von dieser Rolle wie Phantasie oder gar eigene Ansichten, ein eigener Wille, sind bei Mädchen zu dieser Zeit höchst unerwünscht.

Den Gegensatz zu der bürgerlichen Gutsidylle bietet die Welt der Tater. Sie haben kein Dach über dem Kopf, nicht einmal das von Zigeunerwagen. Sie ziehen umher und bleiben nirgendwo lange, dafür sind sie mit dem gesamten Land verbunden. Und nicht nur mit dem, auf das auch die Gadsche, die Nicht-Zigeuner, ihre Füße setzen. Hinter der „normalen“ Welt gibt es eine weitere voller Wunder und Magie, in der die Tater ebenso zu Hause sind. Dabei ist es nicht so, dass beide Welten getrennt voneinander existieren würden. Eher ist es so, dass die magische Welt wie eine zweite Haut über der Welt der Gadsche liegt, die Gadsche können sie aber weder sehen noch erreichen.

Mina kann das, und das ist der Grund, warum der Doktor sie unbedingt mitnehmen will. So, wie er bereits ihre Brüder mitgenommen hat. Und Mina ist sich durchaus nicht sicher, ob der Doktor nicht recht hat, wenn er sie als verrückt bezeichnet. Trotzdem läuft sie davon und macht sich auf die Suche nach ihren verlorenen Brüdern. Und gleichzeitig auch auf eine Suche nach sich selbst. Diese Suche ist kein Zuckerschlecken. Mina muss viel opfern, um Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. Und nicht alle Hilfe, die ihr geboten wird, ist auch ehrlich. Sie wird getäuscht, einmal sogar verraten. Doch sie geht unbeirrt weiter.

Der Weg führt durch beide Welten. Aber vor allem die magische hat Lilach Mer sehr eindringlich und intensiv beschrieben. Das ist vor allem ihrer poetischen und bildhaften Sprache zu verdanken, die ohne jede Übertreibung oder Schwülstigkeit den Leser zutiefst verzaubert. So lebendig ist die Darstellung, dass der Wald, der Brutsee, das Haus des Pug ebenso wirklich erscheinen wie die Realität. Tatsächlich verschwimmen die Grenzen zwischen beiden umso mehr, je weiter die Geschichte sich entwickelt, bis hin zur Unkenntlichkeit, bis zu dem Punkt, an dem Mina in der magischen Welt so zu Hause ist, dass beide Dimensionen sich nicht mehr voneinander trennen lassen.

Mancher mag vielleicht anmerken, dass die Lebensumstände der Tater ein wenig romantisiert und beschönigt wirken. Tatsächlich war es wohl kaum immer spaßig, bei Wind und Wetter unter freiem Himmel zu sein. Andererseits macht die Autorin durchaus deutlich, dass die Tater auf ihre Weise ebenso wegen ihres Andersseins unter Verfolgung zu leiden hatten wie Mina, und letztlich ist der Kern der Geschichte ja Mina auf ihrer Reise. Diese hat die Autorin auf jeden Fall außerordentlich gut umgesetzt, sowohl von der sprachlichen Seite her als auch im Hinblick auf die Einbindung alter Sagen und Märchen oder geschichtlicher Details. Lilach Mer hat mit dieser Geschichte einen Schleier gewoben, so fein und zart wie ein Windhauch, und gleichzeitig so dicht und hautnah, dass man sich seinem Zauber unmöglich entziehen kann. Sehr lesenswert!

Lilach Mer ist Juristin und Fachjournalistin und hauptsächlich im akademischen Bereich tätig. „Der siebte Schwan“ ist ihr erster Roman, der es im Rahmen des Schreibwettbewerbs von Heyne Magische Bestseller 2009 unter die fünf Finalisten schaffte.

Broschiert: 554 Seiten
ISBN-13: 978-3453527492

http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Iain Banks – Welten

Science-Fiction-Romane erscheinen selten bis nie zwischen echten Pappdeckeln, doch um vom Kuchen überhöhter Buchpreise etwas abzuzwacken, verlegen sich die Verlage bei den Erstausgaben bekannter Autoren vermehrt darauf, sie in Form der sogenannten „Tradepaberbacks“ zu produzieren. Die Bücher erhalten dadurch die Maße und Ausmaße eines Hardcovers, ohne mit ihrem Inhalt diesem Umfang gerecht zu werden – die Täuschung des Kunden, der hier ein unhandliches Taschenbuch in Übergröße teuer bezahlen muss. Iain Banks‘ Romane eignen sich besonders für diese Art der Veröffentlichung, da man von ihm traditionell dicke und umfangreiche Romane erwartet. So hält sich die Augenwischerei in Grenzen.

Obwohl er sich mit der Space Opera „Der Algebraist“ in faszinierender Weise ein neues Universum schuf, kehrte er mit „Die Sphären“ in seine KULTUR zurück, konnte damit aber nicht überzeugen. Sein vorliegender neuester Roman entfaltet trotzdem nicht neue Facetten des Algebrauniversums, sondern entwirft erneut was eigenständiges, das zusammenhangslos in dem Kosmos Banks’scher Erzählungen steht. Trotz seines augenscheinlichen, paperbackinduzierten Umfangs ein schneller, intensiver Roman ohne die typischen ausufernden Längen Banks’schen Erzählstils.

Der Mann, dessen wahrscheinlichster und gebräuchlichster Name Temudschin Oh ist, hat ein besonderes Talent: Er kann mit Hilfe einer Droge zwischen den unendlichen Realitäten der Erde wechseln, in die Körper ausgesuchter Personen springen und dort eigenständig handeln. So erfüllt er im Auftrag des Konzerns (einer realitätsumfassenden Organisation) verschiedene Aufträge, deren Erfüllung Einfluss auf die Entwicklung der jeweiligen Realität nimmt und sie positiv lenkt. So denkt er.

Im Hintergrund arbeiten jedoch Strippenzieher, die neben der persönlichen Macht und Unsterblichkeit auch andere, den Forscherdrang der Menschen unterdrückende Ziele verfolgen und Temudschin und seinesgleichen für ihre Zwecke benutzen. Bis Tem eines Tages neue Talente entdeckt, die ihn der Kontrolle des Konzerns entziehen …

Adrian Cubbish hat offenbar gerade eine Glückssträhne: Er steigt vom gerissenen Drogendealer zu einem der mächtigsten Finanzmanager der Welt auf. Doch als sich ihm seine Mittelsmänner offenbaren, kann er es kaum glauben. Denn es gibt neben unserer Realität noch eine Vielzahl weiterer Welten, die von einem mächtigen Konsortium überwacht werden. Ehe sich Adrian versieht, ist er in ein weitreichendes Komplott zwischen diesen Welten verstrickt – und nicht nur sein Leben, sondern unsere gesamte Realität steht auf dem Spiel …
(Verlagsinfo)

Und wieder ein Beispiel für das ungeschickte Händchen, mit dem die Heyne-Redaktion die Klappentexte ihrer Romane gestaltet. Der erwähnte Adrian ist nicht viel mehr als eine Nebenfigur, die weder großen Einfluss auf die Geschichte nimmt, noch die im Klappentext suggerierte Erkenntnis der Zusammenhänge erlangt. Vielmehr thematisiert die Geschichte Intrigen, Machtgelüste, Geschlechtsverkehr in allen möglichen Spielarten, Folter, Solipsismus und Mord sowie den kleinen Menschen, der zwischen den Fronten steht und außergewöhnliche Leistungen erbringen muss, um nicht zerquetscht zu werden.

Banks nutzt in bisher unbekannter Ausführlichkeit sexuelle Begegnungen als erzählerische Untermalung für signifikante Dialoge, Stützpfeiler der Erzählung und Entwicklungs- und Wendepunkte. Selten sitzen die Entscheidungsträger und Protagonisten im stillen Kämmerlein zur Besprechung, sondern ergehen sich meist in ausschweifenden, durch die Realitätswechsel teils spektakulären Sexspielen, während ihre Unterhaltungen die Geheimnisse der Geschichte zu entschleiern suchen. Ob damit die Charaktere glaubwürdig geschildert werden, mag strittig sein, doch bezieht sich Banks dabei meist auf Temudschin Oh, der dadurch ja eine gewisse Charakterisierung erhält, die scheinbar auf beiden Seiten der Gegner bekannt ist und ausgenutzt werden soll. Andererseits erzählen sich die Figuren auch von ihren Erfolgen, die sie per Sex (in Hinsicht auf die Weltenwechsel) erzielten, sodass es ein Charakterzug des Konzerns wird und damit übertragbar auf jeden Angehörigen.

Banks zeigt aber mit den beiden wichtigsten Methoden zur Erzeugung starker Gefühle (Sex und Folter), wie in der Geschichte der Realitätswechsel funktioniert und beschreibt dadurch glaubwürdig, dass für dieses Talent die stärksten Gefühle nötig sind. Damit gewinnt der allgegenwärtige Sex eine neue Bedeutung, er ist quasi ein Resultat, eine logische Folge und Bedingung des Grundgedankens von „Welten“, denn wer würde sich für die andere Methode des induzierten Weltenwechsels entscheiden, wenn man es auch so kann?

Der Roman bewegt sich auf einigen unterschiedlichen Ebenen, die im ständigen Wechsel eine fast kaleidoskopische Reise durch die Erzählung darstellen und den Leser erstens rasch und intensiv in sich hinein ziehen (quasi den Realitätswechsel für uns erzeugen), zweitens von ihm auch geistige Beweglichkeit und Zusammenhangsgefühl fordern. So schleudert Banks den Leser zwischen den Ebenen hin und her und man kann nicht genau festlegen, auf welcher sich die Fäden endlich verbinden, um die Geschichte zum nötigen Zentrum zu leiten.

Es bleibt also überall gleichermaßen spannend und fordert beim Leser mehr Konzentration, um die oft angedeuteten Verbindungen zu erfassen und richtig einzuordnen. Gerade zum Ende muss man sich der Anfänge neuerlich gewärtig sein.

Während sich alles gut aus der Geschichte entwickelt, wirkt eine Figur fast wie ein Deus ex machina: die übermächtige, Realitäten kontrollierende und darüber verrückte Entität Bisquitine, derer sich der Konzern bedienen will, ohne die Folgen überblicken zu können. Zwar bemüht sich Banks um eine Einführung und man könnte sie als Produkt geheimer Forschungen sehen, doch in ihrer Wirkung drängt sich der leichte Verdacht einer Notlösung auf. Zum Glück gewinnt die Geschichte dadurch noch eine gute Seite: Sie lässt den Protagonisten nicht als Superhelden da stehen, sondern relativiert seine Talente wieder.

Trotz manchen abschreckender Dicke und unnütz aufgeblähtem Format als Tradepaperback einer der wertvollsten phantastischen Romane des Jahres. Banks hält seine Ausführlichkeit im Zaum zu Gunsten einer komplexen, faszinierenden Weltenschöpfung und intensiver Unterhaltung – eigenständig, einbändig und abgeschlossen.

Taschenbuch: 560 Seiten
ISBN-13: 978-3453527102
Originaltitel: Transition
Deutsch von Friedrich Mader

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

John Scalzi (Hrsg.) – Metatropolis

Dieses Buch ist kein Roman. Das ist an sich schon eine recht seltene Form von in Deutschland veröffentlichter Literatur aus Übersee, finden wir in den Buchhandlungen doch vorwiegend backsteinähnliche Klopper von über 500 Seiten Umfang. Nein, dieses Buch hat zwar immerhin 416 Seiten, doch tummeln sich darauf der Autoren ihrer fünf, die sich den Platz für jeweils eine – Kurzgeschichte? Nein, eher Novelle – teilen.

Eine Anthologie also. Typischerweise versammeln sich in Anthologien die Geschichten einiger Autoren, möglicherweise sogar zu einem Thema, doch meist völlig zusammenhanglos. Auch hier macht „Metatropolis“ einen Unterschied: Das Autorenteam entwarf gemeinsam eine utopische Welt, der sie jeweils eigene Facetten durch ihre eigene, von den anderen unabhängig lesbare Geschichte verliehen. Das Gesamtergebnis ist nicht nur eine Sammlung, sondern ein zusammen gewachsenes Ganzes mit fünf spektakulären Blickwinkeln.

Jay Lake, in Deutschland bis dato nicht weiter bekannt, doch von John Scalzi in gleicher Weise wie die anderen Kollegen hochgelobt, erzählt von einer unsichtbaren Stadt, deren Bewohner „ausgestiegen“ sind und sich weitgehend ohne energetische Hilfsmittel bewegen. So sind sie auch für Satellitenüberwachung unsichtbar, zumal sie ihre Hauptarbeitszeit in den dunklen Stunden der Nacht haben. Es sind die hellen Köpfe, die sich hier versammeln und versuchen, ein „footprint-neutrales“ Leben zu entwickeln, um der Menschheit zu retten, was vor einem endgültigen Kollaps noch zu retten ist. In dieser Stadt, Cascadia, die entlang Amerikas Westküste wie eine Kaskade verläuft, finden sich die meisten der revolutionären Techniken, die zwar OpenSource darstellen, von den Vertretern des Kapitals aber unzugänglich gehalten/gemacht werden sollen. Lake berichtet von der Tragödie, die ein paar unabhängige Agenten des Kapitals nach Cascadia verschlägt, wo sie von ihrem Charme belegt werden oder ihr auch ihr Charisma aufprägen, bis sie miteinander und den Zielen konfrontiert werden.

Mit wenigen Worten streut Lake ein blühendes Bild der entworfenen Gesellschaft wie auch der Landschaft, der „grünen“ Stadt, in die Fantasie des Lesers. Er nutzt den knappen Raum und ergeht sich nie in weitschweifigen Erklärungen oder Darstellungen. Zentrum seiner Geschichte sind zwei Protagonisten und ihr menschliches Umfeld, wobei Lake zu einem Mittel greift, was ihm eine Raffung mancher Geschehnisse erlaubt: Auszüge aus Chroniken und Abhandlungen geben den anderen Abschnitten, in denen die Geschichte live erzählt wird, einen tieferen Hintergrund und bereiten das richtige Verständnis beim Leser vor. Umso erstaunlicher ist, wie menschlich die Charaktere in Erinnerung bleiben, selbst wenn die folgenden vier Geschichten mit ihrem eigenen Flair den ersten Eindruck überpinselt haben.

Lakes Geschichte „In den Wäldern der Nacht“ ist ein wunderschöner Einstieg in diesen Band, auch wenn er sich einem Blickwinkel widmet, der in den folgenden Geschichten nur knappe Erwähnung findet – doch vielleicht macht es ihn gerade deshalb so wichtig und bietet den ersten Hintergrund für alles Kommende.

Tobias S. Buckell hat bereits einige Romanübersetzungen nach Deutschland geschafft (falls es für englischsprachige Literatur als Erfolg gilt, ins Deutsche übersetzt zu werden). Er bringt zwei neue Aspekte in das Gesicht dieses Entwurfs ein: Die vertikalen Farmen und das Insten. In seiner Geschichte erfährt man, dass große Häuser, Wolkenkratzer und Ähnliches, zu teuer und zu energieaufwändig sind in diesen Zeiten der Energieknappheit. Um trotzdem mit den vorhandenen Bauwerken etwas anfangen zu können, sollen sie als „Farmen“, als Ackerland umgestaltet und nutzbar gemacht werden – ein übermenschliches Projekt. Hieraus entsteht das „Raumschiff Detroit“, wie der Titel Buckells Geschichte ist. Das Insten ist eine in alle Belange der Dienstleistung verbreitete Form der Auftragsvergabe, die Buckell an den unterschiedlichsten Beispielen beschreibt – sei es nun, dass man ein Paket an eine Straßenecke legt und jemand mit der gleichen Richtung nimmt es ein Stück mit und wird dafür bezahlt, oder man organisiert Aufstände oder Observationen, ohne dass die Auftragnehmer dafür zu belangen sind, da sie zum Beispiel „einfach nur an einer Kreuzung stehen und immer, wenn ein Streifenwagen vorbei fährt, eine SMS an eine bestimmte Nummer schicken“.

Buckell beschreibt anschaulichst die Möglichkeiten mit geinsteten Armeen oder Aufständischen, wenn ein gutes Organisationstalent alle Fäden in der Hand hält. Doch er macht auch auf die moralischen Probleme aufmerksam, die sich hieraus entwickeln. Die Geschichte selbst ist eine Art Heldengeschichte, denn der Protagonist, obwohl durch widrige Umstände am Ende der Gesellschaftsleiter, ist ein Profi und Genie in dem, was Buckell für ihn vorgesehen hat …

Elizabeth Bear ist die Dritte im Bunde und ebenfalls im deutschen Sprachraum unbekannt. Ihr Beitrag wirft allerdings die Frage auf, wieso das so ist.

Sie schickt die einzige Protagonistin ins Rennen, eine charmante Frau mit Dreadlocks und einem schnellenden Mittelfinger, die flott mit dem Fahrrad unterwegs ist, um ihre Tochter zu retten. Bear entwirft eine urbane Subkultur mit Erkennungsmerkmalen, die sie einander zugehörig machen und unabhängig von der öffentlichen sozialen Schicht je nach Leistungen für das gemeinsame Projekt mit entsprechendem Zugang zu den Mitteln der Gruppierung ausstatten. Es ist eine angenehme Erzählung über die Hoffnung, die Gestaltung einer Kultur, die auf Vertrauen basiert und in der jeder zum Wohl der Allgemeinheit Zeit und Energie investiert, wofür er mit Vertrauenspunkten belohnt wird, die ihn in der Kultur quasi aufsteigen lassen. Ein Utopia findet die Protagonistin, allerdings eines, für das es sich zu kämpfen lohnt, denn „Das Rot am Himmel ist unser Blut“ …

John Scalzi selbst widmet sich als Herausgeber, wie er im Vorwort zu seinem Beitrag schreibt, der Aufgabe, zwischen den einzelnen Beiträgen zu kitten, das heißt, ein Loch zu finden, das es noch gilt zu stopfen. Und so nimmt er sich einer einfachen Szenerie an, die mit dem Start eines normalen Jungen in das Berufsleben einer der abgeschotteten Städte beginnt. Hier geht es um Systeme, um die Vor- und Nachteile des Abriegelns, um die Selbstbestimmung und Freiheit. Der Titel ist, wie er selbst kritisiert, kaum auszusprechen, doch „Utere nihil non extra quiritationem suis“ ist so aussagekräftig und erfasst einen Aspekt der neuen Gesellschaften sehr genau, die mit verbesserten Strukturen den Energiemangel auszugleichen angehalten sind: „Nutze alles außer dem Quieken“ – hier bezogen auf Schweine, die gentechnisch soweit verändert sind, dass sie außerordentlich produktiv sind – in jeglicher Hinsicht, wie der Protagonist schmerzlich erfahren muss.

Scalzi erzählt auch, dass es bei abgeschotteten Systemen immer jemanden gibt, der die Informationen zum Allgemeingut machen will – und ebenso, dass auf dieser Revolte gegen die Exklusivität auch stets solche mitreiten, die aus der Sache persönlichen Nutzen ziehen wollen.

Karl Schroeder schwappt derzeit mit einer Romanserie über den großen Teich, in der er selbst eine grandiose Zukunftsgesellschaft entwirft. Auch für Metatropolis hat er laut Scalzi einen Großteil der Ideen beigesteuert, und Scalzi schwärmt in seinem Vorwort zu dieser abschließenden Geschichte „Ins ferne Cilenia“ von einer Bewusstseinserweiterung, an der Schroeder den Leser teilhaben lässt.

Hier geht es um eine ganz andere Form der Stadtentwicklung: Über ARGs, Alternate Reality Games, bildeten sich nicht nur Städte, sondern gar nationsähnliche Gebilde, deren Mitglieder in der zugehörigen Zukunft sogar die Staatsbürgerschaft ihrer „realen“ Staaten ablehnten, weil sie sich anderen Gemeinschaften, die sich über die Kultur, Sozialität und Wirtschaft von onlineunterstützten Spielwelten definieren, stärker verbunden fühlten. Schroeder entführt den Leser in eine umso fremdartigere Welt, als deren Bewohner zwar in realen Städten wie Stockholm „anwesend“ sind, sich durch Overlaybrillen, die sowohl Gegenständen, Häusern und Personen neue Texturen verleihen, beziehungsweise auch Dinge und Personen einblenden, die vielleicht auf der anderen Seite der Welt weilen, jedoch auf einer anderen Realitätsebene befinden und dort engagieren. Und was wäre eine dieser Welten über der Welt, wenn es nicht noch Unterstufen davon gäbe, die verwirren könnten, wenn nicht ein Karl Schroeder ihnen faszinierendes Leben einhauchen würde?

Allen Geschichten zu eigen ist ein ungewöhnlicher Charme, der den Leser sofort in seinen Bann schlägt und nicht wieder entlässt, bis der nächste Erzähler sich zu Wort meldet und seine eigene Epiphanie verbreitet. Es ist ein dünnes, schnelllesiges und fantastisches Buch, das gerade durch die Gemeinsamkeiten der grundlegenden Dinge gewinnt, ebenso wie durch die verschiedenen Blickwinkel über die verschiedenen Schriftsteller und ihren jeweiligen Stil. Scalzi schreibt, dass es ursprünglich als Hörproduktion verfasst wurde, doch es ist ohne Frage eine Produktion, die auch selbst sehr überzeugend lesbar ist. Projekte dieser Art sind gerade in Deutschland ein seltener Genuss, den man aber jedem Leser warm ans Herz legen muss!

Taschenbuch: 416 Seiten
Originaltitel:
Metatropolis
Deutsch von Bernhard Kempen
ISBN-13: 978-3453526846

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Charles Stross – du bist tot

Es ist fast wie ein Krimi: Während Sue, ihres Zeichens Seargeant bei der schottischen Polizei, in einem Einbruch ermitteln soll, wird die Versicherungsangestellte Elaine zum gleichen Fall hinzugezogen, um eventuelle Haftungsausschlüsse zu eruieren. Die betroffene Firma ihrerseits engagiert einen Spiele- und Softwareentwickler, der durch sein Verständnis der Spielewelten Zugang zu den Schemata und Vorgehensweisen der Täter finden und so den Ermittlern die Möglichkeit geben soll, den Fall zu klären.

Verwirrung stiftet vor allem die Tatsache, dass das Verbrechen in einer Online-Spielewelt verübt wurde. Die betroffene Firma Hayek stellt ihrerseits nämlich die Versicherung einer spielübergreifenden Bank dar, in der die Spieler ihre Beute einlagern und bei Bedarf abholen können. Und in dieser Bank wurden eben jene Artefakte „gestohlen“, was einen Schaden in unvorstellbaren Höhen darstellt.

Die verschiedenen Parteien geraten bei ihren Ermittlungen in einen Strudel geheimdiensttechnischer Absurditäten und undurchschaubarer Zusammenhänge zwischen Onlinespielen, Staatenverwaltung und Mastercodes, sodass als Essenz die Erkenntnis Gestalt annimmt, vor einer allübergreifenden Infiltration und Übernahme des schottischen Verwaltungsapparates zu stehen. Die Verwicklungen reichen bis in die höchsten Machtebenen, bestimmen die Geheimdienste Chinas, Schottlands und der EU und sind nur ein Spielball einer unbekannten Gruppe von Onlinespielern, die sich „Das rote Team“ nennt und mit den Systemen der Staaten eine Art „Capture the flag“ spielen.

Die Handlungsebenen sind vielschichtig und zu Anfang schwer zu durchschauen, da der Blickwinkel von Kapitel zu Kapitel wechselt, wobei der Stil der Erzählung es nicht sofort offenbart, wer sich als Protagonist oder Betrachter oder Angesprochener präsentiert. Nur eine ungünstig platzierte Überschrift in der falznahen oberen Ecke jedes Kapitelbeginns nennt den Namen desjenigen, durch dessen Augen wir die Szenerie betrachten. Stross bedient sich einer ungewöhnlichen Erzählstimme, er schreibt in der Du-Form und spricht damit immer den jeweiligen Protagonisten an, wodurch eine öftere Nennung des Namens entfällt, wie sie beim unpersönlichen Erzähler in der dritten Person sonst gegeben wäre. Damit erreicht er natürlich eine ungeheure Nähe zum Leser, der sich stets vom „Du“ angesprochen fühlt, auch wenn es beispielsweise um Sätze geht, wie „Du setzt deine Datenbrille auf und loggst dich in den Copspace ein“.

Apropos Copspace: Wir befinden uns in einer recht nahen Zukunft, in der sich Schottland Souveränität erworben hat, die EU aber weiterhin existiert und auch sonst noch typische Strukturen vorherrschen. Das Internet ist allgegenwärtig, man ist über die Datenbrillen ständig damit gekoppelt, verfügt somit über direkte Navigation im Straßenverkehr, über immer abrufbare Informationen über seine Umgebung (zum Beispiel das nächste Hotel, Kritiken von Restaurants, Suchergebnisse über unbekannte Personen etc.) und ist immer erreichbar. Ohne Brille fühlt man sich nackt, die Brille bietet eine erweiterte Sicht auf das Umfeld, indem auch Markierungen und Informationen direkt beim Auftauchen von Objekten im Sichtfeld eingeblendet werden. Erweitert wird das Ganze im Copspace, einer den Polizisten vorbehaltenen Ebene, die auch Wohnungen und Personen polizeirelevant charakterisiert.

So viel zum Umfeld. Die Geschichte selbst entwickelt sich anfangs etwas verworren durch oben genannte Charakterzüge und den Umstand, dass die oberflächlichen Probleme recht unbedeutend erscheinen – wie als Mittel zum Zweck, als sei die Zukunftsdarstellung das Motiv der Geschichte. Doch die Täuschung löst sich bald auf, wenn die Zusammenhänge immer undurchsichtiger werden und sich nur langsam ein Bild von den Geschehnissen ergibt, die ein extrapoliertes Gefahrenpotential auch heute schon vorhandener Mängel im digitalen Datenverkehr aufzeigen und thematisieren. Im Gegensatz zu anderen ähnlichen Ansätzen des Genres zu diesem Thema im Jahr 2010 (wie Doctorows „Little Brother“ oder Suarez‘ „Daemon“) umspinnt Stross dieses Zentrum mit einer verwickelten Agenten- und Ermittlungsgeschichte, aus der sich erst spät die Betroffenheit beim Leser herausschält, mit der man als uneingeweihter Bürger, als reiner Nutzer der Datensphäre und machtloses Opfer zahlreicher diesbezüglicher Fehlentscheidungen und -einschätzungen durch Regierungen reagiert, wenn der Daumen so brutal auf die wunden Stellen des ach so hilfreichen, sicheren und allmächtigen Systems der elektronischen Datenverarbeitung und Kommunikation gelegt wird.

Faszinierend für die einen, erschlagend für die anderen und vielleicht oberflächlich für die wenigen ist das Vokabular der Geschichte, wohl je nach Einweihungsgrad des Lesers. Man spricht über Onlinespiele, über Datenerfassung, Vernetzung, entsprechende Gesetze, Gesetzeslücken, Systeme und Protokolle. Dabei dürfte dem interessierten Leser sicherlich der umfangreiche Anhang helfen, auch wenn der Lesefluss es uns eigentlich verbietet, zwischendurch nach hinten zu blättern, um die Erklärung eines Fachausdrucks vielleicht zu finden. Doch muss man hier die Mühe anerkennen, die sich Stross mit seinen nichteingeweihten Lesern gemacht hat, um allen Zugang zu seinem sonst in üblicher Weise hoch unterhaltsamen und spannenden Roman zu ermöglichen.

Bei Stross erkennt man einen Trend in der modernen Sciencefiction. Wie sich schon die herausragenden Autoren früherer Jahre mit den Entwicklungen der Gesellschaft auseinandersetzten und zu extrapolieren versuchten, beschäftigt sich die moderne Genreliteratur mit den bedenklichen oder zu überdenkenden Entwicklungen, die sich aus unserer Gegenwart ergeben – und wo anders, als in Bezug auf das Internet und die Vernetzung der Kommunikation allgemein, erkennt man schon heute lebende Sciencefiction? Unbestreitbar lauern hier noch unbedachte Gefahren, die gerade durch die rasante Entwicklung vielleicht schneller zu globalen Problemen führen können, als man sich auszudenken vermag. Es gibt viele Baustellen für einen kritischen Schriftsteller, aber die Beschleunigung in der Kommunikation lässt sowohl visionäre als auch besorgniserregende Blicke in die Zukunft zu.

Mit „du bist tot“ eröffnet Stross einen unerwartet betroffenen Blick auf einen gefährdeten Nerv unserer Zivilisation – und das macht er blendend unterhaltsam! Ein Höhepunkt des Jahres!

Taschenbuch: 544 Seiten
Originaltitel: Halting State
Deutsch von Usch Kiausch
ISBN-13: 978-3453526877

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Dmitry Glukhovsky – Sumerki

Ein unbedarfter Bücherwurm gerät an ein uraltes Manuskript, das er allmählich als Programm zum anstehenden Weltuntergang erkennt … – Was zunächst eine weitere Munkel-Mär zum 2012 ablaufenden Maya-Kalender androht, wird zum eigenständigen, nie originellen, aber angenehm unaufgeregten und gut im historischen Gefüge verankerten Mystery-Garn. Dmitry Glukhovsky – Sumerki weiterlesen

Sanderson, Brandon – Sturmklänge

Die junge Siri ist zwar eine idrisische Prinzessin, da sie aber die jüngste von vier Geschwistern ist, ist sie eigentlich ziemlich unwichtig. Zumindest glaubt sie das. Bis ihr Vater zu ihrem Schrecken plötzlich beschließt, sie an Stelle ihrer ältesten Schwester Vivenna als Braut nach Hallandren zu schicken.

Vivenna ist fast so entsetzt wie Siri. Immerhin wurde sie selbst seit frühester Kindheit darauf vorbereitet, Hallendrens Gottkönig zu heiraten. Wozu all diese harten Jahre strengster Erziehung, wenn ihr Vater nun auf einmal die jüngere Schwester ihr vorzieht? Vivenna ist nicht in der Lage, sich mit der neuen Situation einfach abzufinden …

Auch in Hallandren ist man überrascht – und mißtrauisch. Die Jüngste der Prinzessinnen ist ein unbeschriebenes Blatt, da alle hallandrenischen Spione auf die Älteste angesetzt waren. Was hat Hallandren von ihr zu erwarten? Unterwanderung? Ein Attentat? Oder gar Krieg?

Tatsächlich denkt Siri an nichts von all dem. Sie ist ein überschwänglicher Wildfang, der seine Zeit bisher damit verbracht hat, den Unterricht zu schwänzen und stattdessen in der Wildnis herumzustreifen. Aufgrund dieser fehlenden Erziehung ist sie noch ein wenig naiv, äußerst unbefangen und politisch völlig ahnungslos. Auf die neue Umgebung reagiert sie deshalb zunächst mit Angst und Unsicherheit. Da sie jedoch weit aufgeschlossener und unvoreingenommener ist als ihre Schwester, lernt sie mit der Zeit, sich zurechtzufinden.

Vivenna, die Siri nach Hallandren folgt, um sie aus den Fängen des Gottkönigs zu befreien, tut sich wesentlich schwerer damit, sich anzupassen. Die strenge und fromme junge Frau mit der ausgeprägten Selbstbeherrschung fühlt sich im Gegensatz zu Siri von der Flut der Farben und von der ungewohnten Kleidung der Leute in Hallandrens Hauptstadt abgestoßen. Je länger sie sich allerdings dort aufhält und je mehr sie erlebt, desto mehr geraten ihre Überzeugungen und Glaubenssätze ins Wanken …

Lichtsang, der Gott des Heldenmuts, dagegen hat keine Glaubenssätze. Im Gegenteil ist er fest davon überzeugt, kein Gott zu sein. Da er aber keine Möglichkeit hat, sich dem Kult um seine Person zu entziehen, flüchtet er sich in übertriebenen Spott und Leichtfertigkeit und weigert sich beharrlich, sich an den politischen Intrigen der Götter untereinander zu beteiligen.

Und dann wäre da noch Vasher, der Mann in der Rolle des geheimnisvollen Kämpfers. Sein Erscheinungsbild erinnert fast an einen Landstreicher, allerdings besitzt er ein ziemlich ungewöhnliches Schwert, das er auf noch ungewöhnlichere Weise benutzt.

Brandon Sanderson hat hier eine äußerst vielschichtige Charakterzeichnung abgeliefert. Keiner seiner Charaktere lässt sich von Anfang an in eine Schublade stecken, nicht einmal Nebenfiguren wie Blaufinger, der Haushofmeister des Palastbezirks. Gleichzeitig sind sie sehr lebendig und glaubwürdig gezeichnet, sowohl in ihrer Ausgangssituation als auch in ihrer Entwicklung, soweit vorhanden. Vor allem Lichtsang und Vivenna fand ich ausgesprochen gut gelungen, und selbst Vasher, über den man erst spät etwas und dann nur wenig erfährt, entwickelt ein gewisses Maß an Persönlichkeit.

Der Kontext, in den der Autor seine Figuren gesetzt hat, ist ziemlich komplex. Das fängt schon damit an, dass hier Magie und Religion nicht eindeutig zu trennen sind. Magie besteht zunächst darin, mithilfe von Farbe und menschlichem Hauch totes Material zum „Leben“ zu erwecken. Je nach Kommando kann das erweckte Material bestimmte Aufgaben erfüllen, ein Seil zum Beispiel etwas aktiv in die Höhe befördern.

Mit Hauch ist allerdings nicht einfach menschlicher Atem gemeint, sondern eine Art Energie. Jeder Mensch besitzt von Geburt an einen Hauch. Für die meisten Erweckungen ist jedoch mehr als ein Hauch erforderlich, außerdem bedeutet der Besitz einer großen Anzahl Hauche sowohl gesellschaftlichen Status als auch einen Zuwachs an Fähigkeiten und magischer Kraft.

Zugleich ist Hauch aber auch die Nahrung der Götter, die sie von ihren Gläubigen beziehen. Die Menschen können auch ohne Hauch leben, die Götter jedoch sterben, wenn sie nicht jede Woche einen menschlichen Hauch aufnehmen. Dabei besitzen sie selbst ebenfalls einen Hauch, der um ein Vielfaches stärker ist als der menschliche, den sie jedoch nicht einsetzen können, ohne zu sterben.

Der Einfluss der Götter basiert daher weniger auf ihrer im Grunde eher eingeschränkten magischen Macht als vielmehr darauf, dass sie „zurückgekehrt“ sind: Menschen, die aufgrund der besonderen Umstände ihres Todes erneut zum Leben erwacht sind. Das Volk betrachtet sie als besondere Beschützer, an die sie Bittgesuche richten, die sie um Rat fragen und Ähnliches.

Kommt die Politik dazu, wird die Sache noch komplizierter: Offiziell ist Idris lediglich eine Provinz Hallandrens. Allerdings herrschen dort die Nachkommen jener Familie, die einst auf dem Thron von Hallandren saß! Seit dem Vielkrieg, der zu dieser Situation geführt hat, fürchten die Götter und Priester von Hallandren, die Könige von Idris könnten irgendwann die Herrschaft über Hallandren zurückfordern. Dabei ist Idris dazu politisch gar nicht in der Lage, obwohl das kleine Gebirgsland sämtliche Pässe in die nördlichen Königreiche und nahezu sämtliche Kupfervorkommen des Landes kontrolliert.

Tatsächlich fürchtet Idris nichts mehr, als irgendwann von Hallandren doch noch vollständig unterworfen zu werden, denn seine Bewaffnung ist schlecht und die Anwendung von Magie ist in Idris aus religiösen und ethischen Gründen verpönt, Hallandren dagegen verfügt über eine ganze Armee von Leblosen, womit erweckte Leichen gemeint sind. So belauern sich beide Seiten gegenseitig voller Misstrauen und in ständiger Erwartung, dass der andere demnächst angreifen wird.

Dabei bildet der Rat der Götter, der über Hallandren herrscht, keineswegs eine einheitliche politische Front. Kriegsbefürworter stehen Kriegsgegnern gegenüber, und überall wird intrigiert und geschachert. Das geht so weit, dass eine der Göttinnen Siris unschuldige Naivität als Maske abtut, weil sie sich nicht vorstellen kann, dass jemand in dieser Position keine geheimen Absichten verfolgt.

Um das Maß vollzumachen, hat Brandon Sanderson seine Handlung auch noch auf mehrere Stränge verteilt. Während im Palast die verwirrte und eingeschüchterte Siri und der Gottkönig allmählich einander näherkommen, versucht Vivenna mit Unterstützung einer Söldnergruppe, eine Art Partisanenkrieg auf die Beine zu stellen, um den drohenden Krieg wenigstens bis zum Winter hinauszuzögern und Idris so eine bessere Position zu verschaffen. Von den Hallandrenern wird dies wiederum als Vorstufe zu einem Angriff durch Idris verstanden, was dazu führt, dass Lichtsang, der über zehntausend Soldaten der Leblosenarmee das Kommando hat, immer mehr ins Visier seiner göttlichen Kollegen gerät. Und dazwischen huscht Vascher hin und her, ohne dass klar wäre, auf welcher Seite er steht.

Alle diese Handlungsstränge sind nicht nur geschickt miteinander verbunden, sie bedingen einander und führen so zu einer immer stärkeren Zuspitzung der Situation. Und während der gesamten Entwicklung spielt der Autor gekonnt mit den Erwartungen des Lesers, nur um ihn dann mehrmals kräftig zu überraschen, was nicht nur für Abwechslung sorgt, sondern auch für wachsende Spannung.

Herausgekommen ist dabei ein dichter und facettenreicher Roman, dessen präziser Aufbau den Leser trotz aller Komplexität souverän durch die Handlung führt, der mit seinen ausgesprochen menschlichen und lebensechten Charakteren für jeden Leser eine Identifikationsfigur bietet, trotz aller Konflikte und Kämpfe ohne Splatter auskommt und auch ohne einen absoluten übermächtigen Bösewicht Spannung zu erzeugen weiß. Die einzelnen Aspekte sind hervorragend ausbalanciert, sodass das Buch weder actionlastig noch detailverliebt oder psychologisch überfrachtet daherkommt. Fantasy vom Feinsten!

Brandon Sanderson gehört zu denjenigen, die bereits als Kinder phantastische Geschichten schrieben. Sein Debütroman „Elantris“ erschien 2005, seither war er ungemein fleißig. Neben seiner Trilogie Mistborn schreibt er an seinem Jugendbuchzyklus Alcatraz, der inzwischen bis Band vier gediehen ist, sowie an Robert Jordans Zyklus Das Rad der Zeit, dessen vorletzter Band unter dem Titel „Towers of Midnight“ Anfang November in die Buchläden kommt. Außerdem erschien Ende August unter dem Titel „The Way of Kings“ der erste Band seines Zyklus‘ Die Sturmlicht-Chroniken.

Taschenbuch: 762 Seiten
Originaltitel: Warbraker
Deutsch von Michael Siefener
ISBN-13: 978-3453527133

 www.brandonsanderson.com

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Wolfgang und Heike Hohlbein – Anders 1: Die tote Stadt

Mit „Märchenmond“ ist dem Ehepaar Hohlbein einst der große Wurf gelungen. Seither präsentiert sich vor allem Wolfgang als äußerst produktiver Schreiberling, doch auch die Co-Produktionen mit seiner Frau Heike finden immer wieder großen Anklang. Mit „Anders“ verfassten sie ein weiteres Mal die Geschichte um einen Jugendlichen, der durch irgendwelche Umstände Zugang zu einem phantastischen Abschnitt der Welt erhält und dort gefährliche Abenteuer erlebt. Meist drehen sich diese Geschichten um nichts weniger als eine Bedrohung der Welt; ob das auch bei „Anders“ der Fall ist, bleibt nach dem ersten Band noch offen.

Anders ist anders. Natürlich. Und darüber wurden schon alle erdenklichen Sprüche geklopft, was ihn mittlerweile nicht mehr belustigt, sondern nervt. In ihm vereinigt sich sehr hohe Intelligenz mit Geld, denn sein Vater ist Führer eines großen, erfolgreichen Unternehmens. Dieses Jahr will Anders mit ihm und ihrem Angestellten Jannik Urlaub auf einer Yacht machen. Als Jannik ihn vom Internat abholt, ist er merkwürdig nervös – nicht ohne Grund, denn kaum besteigen die beiden die Privatcessna, werden sie von zwei Männern bedroht und zu einem unvorhergesehenen Kurs gezwungen. Der führt sie durch eine Gewitterfront in einem Gebirge, die selbst Jannik in Furcht versetzt.

Natürlich stürzt die Cessna ab. Nicht nur das Gewitter ist schuld, sondern auch ein merkwürdiger Hubschrauber, der im Anschluss auch eine Hetzjagd auf die beiden Überlebenden, Jannik und Anders, veranstaltet und – mit tödlichen Lichtstrahlen um sich schießt!

Außerdem hat es sie in einen unwirklichen Teil der Welt verschlagen, in eine düstere Ruinenstadt, menschenleer, ja, völlig tot erscheint sie Anders während ihrer Flucht.

Auf die Entführung sowie auf die außerirdisch anmutenden Hubschrauber und ihre schutzanzugverpackten Insassen wirft ein Geschehen ein veränderndes Licht: Einer der Männer deutet auf Anders, woraufhin kurz gestikuliert wird, ehe sie ihre tödliche Jagd umwandeln in eine Hatz, die ihn am Leben lassen soll. Und während Jannik erschossen vom Dach eines Hauses stürzt, entkommt Anders vorerst – mit Hilfe des ersten Wesens, auf das er hier stößt und das ihn in einen helleren Teil der toten Stadt bringt, in dem ihr „Volk“ lebt: grausige Missbildungen, Kreuzungen zwischen Menschen und allen möglichen Tierarten. Hier erlebt Anders den Kampf ums Überleben mit, und als eine überlegene Truppe riesenhafter Schweine auftaucht und brutal mordend durch die Stadt zieht, sucht er sein Heil in der Flucht …

Der Roman beginnt ein wenig langweilig mit der Einführung Anders‘ und seiner Eigenarten, seiner sozialen Einbindung (die eher mangelhaft ausfällt) sowie der recht unglaubwürdigen Mischung seiner Attribute. Man ist versucht, die ersten Seiten nur zu überfliegen, nur die handlungs- und dialogintensiven Abschnitte lassen die hohlbeinsche Erzählkunst durchblitzen und fangen den Leser immer wieder ein. Auch die amateurhaft durchgeführte Entführung und erst recht die zwar paranoide, aber auch gleichzeitig ahnungslose Art, mit der Anders und sein Diener in die Falle laufen, lassen einen unwillig die Stirn runzeln.

Mit dem Auftauchen der unbekannten Hubschrauber und der plötzlichen Nervosität Janniks ist dem Leser schon klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zu geht. Und sobald man die tote und versteckte Ruinenstadt erblickt, zweifelt man mit Anders an der Echtheit des Ganzen, da zumindest Satelliten von ihrer Existenz hätten wissen müssen. Hier bleibt die Erklärung, nämlich das dauerhafte schwere Gewitter, etwas mager.

Und plötzlich ist es soweit – man wird vom Strom der Erzählung erfasst und mit gerissen und findet sich, ohne es gemerkt zu haben, mitten in einer phantastischen Geschichte wieder, die es einem schwer macht, das Buch aus den Händen zu legen. Bis dahin zieht es sich gewaltig und man erwartet misstrauisch ständig neue klischierte Charakteristika, doch trotzdem schafft es das Autorenpaar, Spannung und Faszination zu erzeugen.

Bei den Charakteren sind es vor allem die beiden Schwestern, mit denen Anders eine merkwürdige Beziehung führt: Die eine, halb Katze (treffender Weise Katt genannt), rettet ihn mehrmals vor dem Tod und scheint sich auch sonst in ihn verliebt zu haben (und er natürlich umgekehrt auch). Die andere, halb Ratte (heißt natürlich Ratt), ist eifersüchtig und ärgert ihn, wo sie nur kann. Andererseits unterstützt sie ihn in seinen Versuchen, der kleinen Gruppe verstörend veränderter Wesen technische Erleichterung zu verschaffen oder auch an Informationen zu kommen, die ihm die Situation verstehen helfen könnten.

Die anderen Charaktere bleiben relativ blass, sie sind recht übliche Vertreter ihrer Stellung in solchen primitiven Gruppen: Der starke Anführer mit einem irgendwo verbuddelten Verständnis für die Protagonisten, der Stellvertreter, der ängstlich alles Neue ablehnt und mit Hass auf den Eindringling reagiert, die noch fremdartigeren Nachbarn, mit denen die Gruppe in Zwietracht liegt.

Das Eintreffen einer anderen Gruppe, die kräftiger, reicher und etwas technisierter sind, bringen eine Wendung in die Geschichte, die Anders in typischer Weise zur Flucht treibt – dass ihm dabei der Erfolg versagt bleibt und er mehr Kontakt zu den brutalen Schweinen (im wahrsten Sinne) bekommt, als ihm lieb ist, war auch keine Überraschung. Nur der radikale Cliffhanger am Ende des Buches ist so extrem, dass man das Buch auf keinen Fall eigenständig lesen kann. Es endet völlig abrupt mitten in der Handlung – warten wir also auf den zweiten Teil.

Dieser erste Teil beginnt sehr zäh, fängt sich aber überraschend und bietet ein spannendes Spektakel in einer phantastischen Umgebung. Von Anders‘ übermäßiger Intelligenz ist wenig zu bemerken, doch wird er recht sympathisch geschildert. Das radikal offene Ende ist etwas enttäuschend in diesem Moment, macht aber sehr gespannt auf den zweiten Teil, da man kurz vor einer scheinbar wichtigen Offenbarung steht.

Taschenbuch: 448 Seiten
Auflage: Februar 2010
ISBN-13: 978-3453533257

Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)

John C. Higgins – Ein Fisch geht ins Netz

Um ein erpresstes Lösegeld zurückzuerlangen, setzt das FBI den festgesetzten Kidnapper zu üblen Strolchen in die Gefängniszelle. Als den Insassen ein Ausbruch gelingt, scheint das Gesetz das Nachsehen zu haben … – Aber keine Sorge, denn in diesem systemkonservativen „Law-&-Order“-Krimi bekommt jeder Strolch, was ihm zusteht: eine Kugel in den Leib oder die Todesstrafe. Trotz (oder wegen?) der brutalen Schwarz-Weiß-Zeichnung schreibt Higgins spannend und schnell: ein Krimi als Erinnerung an einen sehr speziellen Zeitgeist.
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