Dan Smith – Battle Of The Bands – The Rock & Roll Card Game

Rock & Roll – das Kartenspiel

Eigentlich ist es längst überfällig, das Kartenspiel zur dynamischsten Musikrichtung, die unser Planet seit jeher zu bieten hat, allerdings scheint der Markt in Europa für derartige Ideen nach wie vor nicht offen. Dan Smith sah sich daher gezwungen, seinen „Battle Of The Bands“ über den eigenen Kleinverlag zu publizieren, der jedoch hierzulande nach wie vor einen geeigneten Vertrieb sucht. Zeit also, dem Mann mal unter die Arme zu greifen, schließlich ist seine Idee zum gleichnamigen Kartenspiel in der Tat sehr sympathisch!

_Spielidee_

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Wolfgang Jeschke, Robert Silverberg – Titan-6

Mit Tweel durch die Wüsten des Mars

Die Großen der Science-Fiction werden mit ihren Meisterwerken bereits in der sogenannten „Science Fiction Hall of Fame“ verewigt, welche natürlich in Buchform veröffentlicht wurde (statt sie in Granit zu meißeln). Daher können Freunde dieses Genres noch heute die ersten und wichtigsten Errungenschaften in der Entwicklung eines Genres nachlesen und begutachten, das inzwischen die ganze Welt erobert und zahlreiche Medien durchdrungen hat.

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 6 von „Titan“, der deutschen Ausgabe der „SF Hall of Fame“, sind Novellen von Heinlein, Lester del Rey und Stanley G. Weinbaum und John W. Campbell gesammelt.

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Groening, Matt – Simpsons, Die – Galerie der Meisterwerke: Das zweite Posterbuch

Die Eindrücke der [ersten Edition 4058 der „Galerie der Meisterwerke“ aus dem Hause der Simpsons sind gerade erst verarbeitet, da legt der |Panini|-Verlag bereits mit einem zweiten Posterbuch recht üppig nach. Wiederum hat man insgesamt 25 Motive aus dem kunterbunten Treiben der gelben Familie herausgefiltert, in diesem Fall aber auch vermehrt Illustrationen verwendet, die in jüngster Vergangenheit bereits in den einzelnen Veröffentlichungen der Simpsons-Comics verarbeitet wurden.

Den allesfressenden Homer vor seiner anstehenden Diät hat man bereits gesehen, ebenso die verschiedenen Auftritte von Bartman und Radioactive Man. Auch den unfreiwillig gehissten Milhouse werden Stammleser noch gut in Erinnerung haben, ganz zu schweigen von den Impressionen des Strandlebens, die zuletzt noch in einer Sonderausgabe Einzug hielten. Die wirklich neuen Eindrücke sind dementsprechend begrenzt, wirken teils aber auch etwas einfallslos. Bart als Wellenreiter erscheint im Gesamtkontext unspektakulär, sein Auftritt auf Siebenmeilenstiefeln ebenfalls. Und auch der Einblick in die Funktionalität eines Simpson-Gehirns – dieses Mal muss Homer dran glauben – macht nicht mehr allzu viel her, weil der Witz schon ein wenig abgenutzt ist.

Andererseits machen die wenigen wirklich starken Zeichnungen verlorenen Boden mit Leichtigkeit wieder gut. Homer als Teil der „Zurück in die Zukunft“-Saga ist genial, die ironische Betrachtung der Handy-Generation dito. Den überdimensionalen Kracher hat man allerdings erst mit dem Filmplakat zu „Night Of The Living Ned“, einer Persiflage auf den sympathischen Diddeli-Dudel-Flanders und seine Erlebnisse mit Kind und Kegel, gelandet. Aber auch der „Star Wars“-Ausschnitt, der den Vergleich zwischen Homer und Marge respektive Jabba the Hut und Prinzessin Leia aufgreift, hat durchaus seinen Reiz und eignet sich als Postermotiv perfekt.

Insofern ist auch die zweite Zusammenstellung der Simpsons-eigenen Meisterwerke eine lohnenswerte Geschichte, selbst wenn ein nicht unwesentlicher Teil der hier zusammengestellten Impressionen schon aus neueren Publikationen bekannt ist. Mindestens zwei Drittel der beinhalteten Poster sollten sich in jeder Fangalerie schnellstens heimisch fühlen, was für einen derartigen Release ja immer noch eine erstaunliche Quote ist. Wer also nach dem vorangegangenen Posterbuch Blut geleckt hat und die wohl bekannteste und mittlerweile auch beliebteste Fernsehfamilie am liebsten im Großformat sieht, findet sein Geld in der zweiten Edition der „Galerie der Meisterwerke“ gut investiert.

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Laymon, Richard – Nacht

Eigentlich wollte Alice nur das luxuriöse Haus ihrer Freunde nahe dem Wald hüten, solange seine Bewohner verreist sind. Als kurz nach Mitternacht ein Fremder aus dem Wald kommt, sie beobachtet und provoziert, beginnt für Alice allerdings ein mörderischer Albtraum. Ein junger, hilfsbereiter Mann, der sich verwählt hat und Alice vor dem sonderbaren Fremden retten will, endet mit einem Säbel im Schädel. Nun muss die junge Frau die Konsequenzen aus ihrer folgenschweren Verwechslung ziehen. Die Polizei zu verständigen, kommt für Alice mit ihrer bewegten Vergangenheit schon mal gar nicht in Frage, und so will sie den Toten spurlos und sicher entsorgen. Dazu muss sie aber nicht nur die Leiche loswerden, sondern auch das Telefon des toten Mannes finden, auf dem ihre Nummer mit Hilfe der Wahlwiederholung einwandfrei festzustellen ist. Und damit kommt eine Lawine ins Rollen, in welcher Alice nicht nur ihre eigenen Kaltblütigkeit bis an die Grenzen belasten, sondern sich darüber hinaus auch eines Kannibalen und eines Psychopathen erwehren muss …

Seit Kurzem wird Richard Laymon als neuer Stern am Horror-Himmel gefeiert und seine Bücher werden in der Reihe |Heyne Hardcore| auch dem deutschen Publikum zugänglich gemacht. |“Es wäre ein Fehler, Richard Laymon nicht zu lesen!“|, meint beispielsweise Stephen King, und Dean Koontz behauptet angeblich sogar: |“Richard Laymon hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. So schreiben kann niemand!“| Der vorliegende Roman ist zweifelsohne ganz gut geschrieben worden. Solcherlei Lobhudeleien sind allerdings weit von der Wahrheit entfernt und übertreiben maßlos.

Häufig werden die Romane Laymons als Horror-Geschichten eingeordnet. Tatsächlich sind es eher Psycho-Thriller, die vornehmlich durch exzessive Beschreibungen von Gewalt und Sex die Leserschaft zu schocken versuchen. Im vorliegenden Roman erzählt eine junge Frau namens Alice von zwei Nächten voller absonderlicher, ja geradezu grotesker Erlebnisse, die sonst keinem Menschen widerfahren würden.

Der Stil ist dabei locker, flüssig und beinahe schon satirisch zu nennen. Mit viel Witz und Ironie, bisweilen auch ein wenig Zynismus, berichtet Alice von einem unabsichtlichen Mord und ihrem Versuch, diesen zu vertuschen. Die Originalität des Romans basiert vor allem auf der Tatsache, dass Alice selbst eine völlig skrupellose und kaltschnäuzige Psychopathin ist. Kleine Nebensätze und Berichte aus ihrer Vergangenheit sollen dem Leser unmissverständlich klarmachen, dass die Protagonistin aber im Gegensatz zu ihrem Gegenspieler, einem Spaßkiller, ein Opfer der Gesellschaft ist, beziehungsweise dasjenige einiger echt kranker Individuen.

Die Veröffentlichung innerhalb der Reihe |Heyne Hardcore| sagt es bereits aus, dass diese Lektüre nicht für Leser unter 18 Jahren geeignet ist; einige Beschreibungen von Sex und Gewalt sind wirklich schwere Kost, wenngleich nicht ganz so pervers wie in [„American Psycho“. 764 Ob man allerdings gewillt ist, sich mit Alice zu identifizieren, muss jeder für sich entscheiden. Erstaunlich ist jedenfalls, mit welcher Zufälligkeit die Heldin des Romans innerhalb von 48 Stunden von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt und nur auf Menschen trifft, welche es mit geradezu stoischer Ruhe hinnehmen, wenn in ihrer Nähe jemand ermordet oder aufgefressen wird, wenn sie nicht gerade selbst die Mörder sind.

Die Glaubwürdigkeit des Romans bleibt also zunächst dahingestellt und nach dem „Genuss“ dieser Geschichte kann man leicht dem Irrglauben erliegen, die Welt bestünde nur aus total irren Lustmördern und Kannibalen. Selbst im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo auch die Schattenseiten der menschlichen Natur ihre Existenzberechtigung haben, steckt nicht jeder einsam gelegene Wald voller pervers veranlagter Killer.

Ein wenig irreführend ist allerdings der Klappentext, der beschreibt, dass Alice von einem mysteriösen Anrufer terrorisiert wird. Der arme Tony bietet ihr aber nur seine Hilfe an, als er bemerkt, dass er sich verwählt hat. Der Terror geht eindeutig von dem seltsamen Fremden aus, der mitten in der Nacht nackt im Swiming Pool planscht, um sich anschließend vor Alice‘ Augen an der Terrassentür zu verlustieren. Die Aufmachung des Buches ist ansonsten schlicht und dennoch ansprechend. Titel und |Heyne-Hardcore|-Logo sind leicht erhaben auf den Umschlag gedruckt worden und verleihen dem Taschenbuch eine edle Note.

_Fazit:_ Gut lesbarer, manchmal etwas überzogener und dadurch schon satirisch angehauchter Horror-Trip, der zum Teil jenseits des guten Geschmacks liegt. Potenzielle Käufer sollten eine hohe Toleranzschwelle besitzen und dürfen nicht gerade zimperlich sein. Aber in Zeiten, in denen Folterungen à la „Saw“ und „Hostel“ in brutalen Einzelheiten im Kino vorgeführt werden, ist das, was der Leser in diesem Buch geboten bekommt, geradezu unerheblich.

http://www.heyne-hardcore.de/
http://www.ains.net.au/~gerlach/rlaymon2.htm

_Richard Laymon auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Spiel“ 3491
[„Die Insel“ 2720
[„Rache“ 2507
[„Vampirjäger“ 1138

_Florian Hilleberg_

Lebbon, Tim – 30 Days of Night. Roman zum Film

_Story_

Barrow, Nordalaska, tiefster Winter: Wie in jedem Jahr laufen die Vorbereitungen für die 30-tägige Dunkelperiode auf Hochtouren. Ein ganzer Monat ohne Sonne steht bevor und treibt den größten Teil der Bevölkerung in den klimatisch freundlicheren Süden, um so Depressionen und dem Gefühl vollkommener Nutzlosigkeit vorzubeugen. Nur ein kleiner Teil der Einwohnerschaft, darunter auch Sheriff Eben Oleson und seine ehemalige Freundin Stella, bleiben in der Ruhe der Nacht zurück, in freudiger Erwartung auf das wiederkehrende Sonnenlicht.

Doch schon in den ersten Stunden der Dunkelheit ereignet sich Merkwürdiges in Barrow; das Stromnetz ist lahmgelegt, Maschinen werden sabotiert, und obendrein entdecken Olseon und seine Leute auch noch die massakrierten Leichen einiger Schlittenhunde. Als schließlich auch die erste Menschenleiche gefunden wird, wächst in Eben das Misstrauen, bis ihm mit einem Mal die fürchterliche Gewissheit kommt, dass seine Heimatstadt von einer äußerst brutalen Vampirhorde überfallen wurde und alles Leben dem Untergang geweiht ist. 30 Tage müssen die Überlebenden in der Finsternis der Nacht durchhalten – 30 Tage voller Schrecken, Angst und Panik!

_Persönlicher Eindruck_

Nach den jüngsten Erfahrungen im Bereich von literarischen Spiel- und Kinoadaptionen ist in mir eine anhaltende Skepsis diesem Metier der Belletristik gegenüber gereift, die sich auch im Vorfeld der Auseinandersetzung mit „30 Days of Night“ nicht verdrängen ließ. Ersten Vorberichten zufolge erwartete den Leser ein äußerst freizügiges Metzelfest, ganz in der Tradition der üblichen Hack-&-Slay-Geschichten aus der Traumfabrik Hollywood, ohne dabei die visuelle Effizienz der Leinwandproduktionen nutzen zu können.

Knapp 300 Seiten später sind derartige Befürchtungen jedoch längst ad acta gelegt; das Buch zum aktuellen Kinowerk von David Slade versetzt die Leserschaft nämlich von der ersten Seite an in diesen prickelnden Zustand, welcher gerade dann nicht mehr loszulassen vermag, wenn man sich bereits als Teil der in diesem Falle ziemlich heftigen Handlung fühlt – und genau dies geschieht in Tim Lebbons Comic- und Filmadaption relativ zügig.

Die Erzählatmosphäre, die der Autor heraufbeschwört, ist schlichtweg brillant, unter anderem herbeigeführt durch kompakte Cliffhanger am Ende der Kapitel, völlig unerwartete Sprünge in den einzelnen Szenarien und dir Strukturierung der Charaktere und ihrer Gemütszustände. Natürlich lässt Lebbon sich dabei nicht unwesentlich von typischen Genre-Standards beeinflussen, gerade was die Darstellung des Bösen betrifft, das im verlassenen Barrow natürlich genau den Nährboden antrifft, den es zur allgemeinen Verbreitung benötigt. Und dennoch ist in „30 Days of Night“ so manches irgendwie anders; das Setting ist in diesem Sinne zwar nicht ungewöhnlich, aber aufgrund der tollen Szenenbeschreibungen auf ganz spezielle Weise besonders. Aber auch die Erzeugung der ganz unterschiedlich strukturierten Spannungsmomente wird nach und nach zur ernsthaften Demonstration schreiberischen Könnens, dokumentiert in der wahrhaftig packenden Flucht der Protagonisten, die in Barrow vor nichts und niemandem mehr sicher sind.

Darüber hinaus hat sich der Autor auch bemüht, die wenigen, gewohnt oberflächlichen Emotionen einigermaßen homogen in die Handlung einzubauen, was ihm auch in vielen Passagen erstaunlich gut gelungen ist. Die Beziehungskiste zwischen Stella und Eben ist hierin zwar nicht inbegriffen, auch wenn sie zum Schluss eine unerwartete Wendung nimmt, sondern vielmehr die einzelnen Schicksale, die in den 30 Tagen während Barrows scheinbarem Untergang auf die Hauptdarsteller zukommen. Freunde, Nachbarn und weitere Nahestehende fallen dem blutrünstigen Akt der Zerstörung chancenlos zum Opfer, und auch wenn dies standardisierte Teilaspekte einer Horror-Geschichte sein mögen, so gehen sie uns in „30 Days of Night“ (vielleicht auch wegen der bewegenden Umschreibung) recht nahe. Und genau dies sind Punkte, die den Roman sowie die gesamte Idee zu diesem Grusel-Schocker außergewöhnlich und faszinierend machen.

In diesem Sinne sei darauf hingewiesen, dass Tim Lebbon entgegen aller Erwartungen keinesfalls bloß ausgelutschte Horror-Klischees bemüht, sondern auf Basis bekannter Genre-Elemente eine durchweg mitreißende, überaus spannende Erzählung inszeniert, deren Unterhaltungswert das gewohnte Niveau derartiger Romane bei weitem übersteigt. Auch ohne die effektreichen Darstellungen auf der Leinwand schafft der Autor es mühelos, diese tödliche Story mit Leben zu füllen und die Leserschaft in Atem zu halten – und das ist definitiv ein ganzes Stück mehr, als man vorab erwarten durfte. Für mich persönlich ist „30 Days of Night“ ein echter Geheimtipp und mitunter einer der besten Romane, die genrespezifisch dieser Tage den Markt füllen. Was bleibt also mehr, als abschließend eine ganz klare Empfehlung auszusprechen …

http://www.30daysofnight.com/
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Pullman, Philip – Bernstein-Teleskop, Das (His Dark Materials 3)

Band 1: „Der Goldene Kompass“
Band 2: „Das Magische Messer“

Fast doppelt so dick wie der zweite Teil kommt Philip Pullmans „Das Bernstein-Teleskop“ daher, das die Trilogie „His Dark Materials“ um das Mädchen Lyra und den Jungen Will abschließt. Am Ende von „Das Magische Messer“ wird Lyra entführt, Will begegnet währenddessen seinem Vater kurz vor dessen Tod, den er die ganze Zeit über gesucht hat. Immerhin kann dieser ihm noch einiges über das Messer, das durch alle Welten hindurchschneiden kann, berichten, denn Will, der nun der offizielle Träger dieses Messers ist, hat jetzt eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, die über die Zukunft aller Welten bestimmen wird.

Will und Lyra sind nur zwei Figuren im Spiel der Mächte, doch zwei bedeutsame, um die sich beide Seiten in dem bevorstehenden Kampf reißen. Es ist ein Kampf zwischen der Kirche und allen Abtrünnigen, die sich gegen die Intrigen und Machenschaften der Oberhäupter auflehnen. Und neben Will und Lyra, die sich bereits für den Kampf gegen die Kirche entschieden haben, müssen sich auch alle anderen Bewohner der zahlreichen Welten entscheiden, wo sie sich positionieren. Die Gypter, Bären, Hexen und Engel, die sich schließlich um die Kinder versammeln, wählen die Seite des Widerstands, müssen sich jedoch einem starken Feind stellen, denn ihnen steht kein Geringerer als der Allmächtige selbst gegenüber – bedrohend auf einem schwebenden Wolkenberg, der einer mobilen Festung gleicht und scheinbar durch nichts aufgehalten werden kann.

_Inhalt_

Während Will den Tod seines Vaters noch zu verarbeiten versucht, bekommt er unerwarteten Besuch. Mit Balthamos und Baruch erscheinen ihm zwei Engel, die ihn davon zu überzeugen versuchen, Lord Asriel aufzusuchen. Denn als Träger des Magischen Messers, eines Werkzeugs und einer Waffe, der kein Gegner gewappnet ist, könnte er über Sieg und Niederlage im bevorstehenden Krieg entscheiden. Doch Will ist nicht bereit, alles hinter sich zu lassen. Seine Reise durch die Welten hat ihn eng mit Lyra verbunden, und als er bemerkt, dass sie spurlos verschwunden ist, kann ihn niemand davon abbringen, sie als Erstes zu suchen.

Da die Engel ihm trotz ihrer Erfahrung und Weisheit unterlegen sind – schließlich haben sie keinerlei physischen Körper mehr -, willigen sie ein, als er ihnen einen Vorschlag unterbreitet: Will ist bereit, sich zu Lord Asriels Festung zu begeben, wenn die beiden Engel ihm dafür zuvor dabei helfen, Lyra zu finden und sie wieder in Sicherheit zu bringen. Sofort erkunden die Engel die Umgebung und können das Mädchen nach einiger Zeit tatsächlich ausmachen. Mrs. Coulter, Lyras eigene Mutter, hat das Mädchen entführt und hält es mit einem Schlaftrank in einer verlassenen Höhle fest. Richtig, keinem schmucken Palast oder einer gepanzerten Festung, denn die einst so starke und mächtige Frau versteckt sich und ihre Tochter nicht nur vor Lyras Freunden, sondern auch der Kirche, welche die Prophezeiung, Lyra könnte die nächste Eva sein, verhindern und das Mädchen töten will. Dafür sprechen sie sogar einen von ihnen von allen Sünden frei, die er auf sich laden wird, denn er soll in ihrem Namen das Mädchen ermorden. Will muss sich also beeilen, will er Lyra rechtzeitig aus den Fängen Mrs. Coulters befreien, bevor es möglicherweise andere vor ihm tun, die hinter ihr her sind.

Was in Lyra derweil vorgeht, erfährt der Leser am Ende eines jeden Kapitels in kurzen Abschnitten, welche die Gedankenwelt des Mädchens beschreiben. Über ihre Träume gelingt es Lyra, Kontakt zu ihrem alten Freund Roger aufzunehmen, der, da er bereits in „Der Goldene Kompass“ starb, im Reich der Toten anzutreffen ist. Ihre geistige Verbindung ist jedoch so stark, dass sie sich über diese Schranken hinaus miteinander verständigen können und sowohl Lyra als auch Roger einiges über den jeweils anderen erfähren. Nicht zuletzt wird durch dieses mentale Gespräch auch der Grundstein für einen neuen Handlungsstrang gelegt, da nach Lyras Befreiung aus ihrem ungewollten Schlaf der Kontakt zu Roger zwar abbricht, sie aber weiß, wo sie ihn finden kann.

Durch Kursivschrift vom üblichen Text abgegrenzt, verlaufen Lyras Gedanken über mehrere Abschnitte, aber jeweils nur für wenige Zeilen. Mitten im Satz wird der Text unterbrochen und dann am Ende des nächsten Kapitels wieder aufgenommen. Neben der rein erzähltechnischen Besonderheit, ein Kapitel gewissermaßen über mehrere andere zu verteilen und dadurch einen zweiten Spannungsbogen aufzubauen, wird durch diese Anordnung der zeitliche Ablauf der einzelnen Handlungen nachvollziehbarer. Denn während die Realzeit normal verläuft, sprechen Lyra und Roger innerhalb ihrer Traum- bzw. Todeswelt nur einige Sätze. Schließlich geht dieses Gespräch etwa zu dem Zeitpunkt zu Ende, als Lyra (in der Realwelt) aus ihrem Schlaf befreit und dadurch in die Wirklichkeit zurückgeholt wird. Jetzt heißt es handeln, denn durch die Befreiungsaktion ist kostbare Zeit verloren gegangen, die Wills und Lyras Feinde genutzt haben, um den Schlag gegen Lord Asriel vorzubereiten. Der Allmächtige hat bereits seine besten Kämpfer ausgesandt, nun will er selbst eingreifen.

_Bewertung_

Philip Pullman bleibt seinem Stil treu. Statt auf altbewährte Fantasy-Klischees zu setzen, präsentiert er auch in „Das Bernstein-Teleskop“ ein Universum, das fremdartig und faszinierend, aber doch zugleich vertraut wirkt. Neben den bereits aus den ersten Büchern bekannten Welten gesellen sich neue hinzu, lassen sich jedoch, da immer öfter von der einen in die andere Welt gewechselt wird, nur noch schwer voneinander unterscheiden. Gut, wenn sich der Leser in solchen Momenten zumindest an die lieb gewonnen Charaktere klammern kann, die allesamt ihre Rolle in dem weltenumspannenden Komplott zu finden versuchen. Da begegnet man dem Panzerbären Iorek, der Wissenschaftlerin Mary Malone und der Hexe Serafina Pekkala. Und natürlich einer Vielzahl neuer Figuren, etwa den beiden Engelsgestalten Balthamos und Baruch, die Will auf seiner Reise treue und wichtige Gefährten werden. Etwas später stoßen die Gallivespier Chevalier Tialys und Lady Salmakia hinzu, kleinen Wesen, die dank ihrer geringen Größe Verwirrung bei den Feinden stiften können, oder auch die fremdartig wirkenden Mulefa, die sich ihre Krallen zunutze machen und große, runden Samen als fahrbare Räder benutzen. Zudem sind sie etwas ganz Besonderes, denn sie haben sich mit dem Staub, einer Substanz, deren Geheimnis bisher noch nicht gelüftet werden konnte, arrangiert und leben gewissermaßen mit diesem in Symbiose.

So bunt und farbenfroh, so originell und einfallsreich Pullman auch in „Das Bernstein-Teleskop“ erneut mit seiner Geschichte und den Lebewesen zu überzeugen weiß, der ganz große Wurf gelingt dem Autor in seinem Abschlussband leider nicht. Denn allein schon die Dicke des Buches (im Vergleich zu den ersten beiden Bänden) zeigt: Pullman braucht viel Platz, um die Handlung in die gewünschte Bahn zu lenken und zu einem würdigen Ende zu bringen, so dass die Leichtigkeit der früheren Bände darunter leidet. Die vielen Nebenereignisse, die noch untergebracht werden sollen, die vielen Charaktere, die bereits eingeführt wurden, ihre Geschichte aber noch nicht beenden konnten, und vor allem der komplette Rahmen um die kirchlichen Machenschaften, der dem Autor als Zielscheibe für seine gesellschaftspolitische Kritik dient, überfrachten den Roman dermaßen, dass er die Qualität seiner Vorgänger nicht mehr erreichen kann. Der Autor hat sich trotz aller literarischen Qualitäten übernommen.

Bot „Der Goldene Kompass“ vor allem eine homogene Abenteuergeschichte und weitete „Das Magische Messer“ diese zu einer spannenden Verknüpfung mehrerer Welten aus, die sich gegenseitig beeinflussten, so fährt Pullman nun alle Geschütze auf und verstrickt sich in noch mehr Welten, noch mehr schicksalhaften Begegnungen und einem überbordenden Kirchen-Konflikt, der die Handlung entscheidend prägt, sich jedoch zugleich als ihr schwächstes Glied herausstellt.

Weniger wäre hier mehr gewesen, doch muss man Pullman zugestehen, dass sich diese Entwicklung bereits ins „Das Magische Messer“ abgezeichnet hatte und danach kaum mehr umzukehren war. So versucht er die losen Fäden zusammenzuführen, schafft dies jedoch nicht in der erhofften und den ersten beiden Bänden angemessenen Weise. Sieht man über die Komplexität, die vor allem jugendliche Leser überfordern könnte, und die Darstellung der Kirche, die hier nicht mehr nur im Hintergrund agiert, sondern offen zutage tritt, ab, ist und bleibt der Roman ein Werk, das so manch anderes in den Schatten stellt. Sich an neuen Wegen zu probieren und keine 08/15-Geschichte zu schreiben, muss dem Autor hoch angerechnet werden, auch wenn dies bisweilen zu einigen erzähltechnischen Problemen führt.

Lesenswert ist „Das Bernstein-Teleskop“ aber allemal, nicht zuletzt, weil „His Dark Materials“ hier sein Finale findet, das dann doch wieder zufriedenstellen kann. Obwohl am Ende die richtige Seite gewinnt, gibt es aber kein richtiges Happy End, so viel sei verraten. Was bei Harry Potter (etwa im Tod des Zaubererlehrlings) schlichtweg fehl am Platz wäre, macht in dieser Trilogie jedoch durchaus Sinn und verleiht dem Roman zum Schluss, aller Längen und schwer verdaulichen Passagen zum Trotz, eine würdige Note, die dem Buch allerdings schon früher gutgetan hätte.

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http://www.philip-pullman.com/
http://www.goldencompassmovie.com/

|Siehe ergänzend dazu auch:|
[„Graf Karlstein“ 3374
[„Ich war eine Ratte“ 3880

Cathala, Bruno / Laget, Serge – Schatten über Camelot

_Die Tafelrunde in Bedrängnis_

„Schatten über Camelot“ – ein verheißungsvoller Titel, dessen wahre Bedeutung im gleichnamigen Brettspiel von Bruno Cathala und Serge Laget die Basis für eine echte, spielerische Herausforderung liefert und einmal mehr die berühmten Ritter der Tafelrunde zum Thema macht. Anders als in den bekannten Geschichten um König Artus und seine Gefährten scheint die Bedrohung dieses Mal nämlich kaum noch zu stoppen zu sein; Belagerungsmaschinen warten vor Camelot, Morgana ist kurz davor, ihre Rachepläne endgültig in die Tat umzusetzen, die Sachsen und Pikten stehen quasi schon vor den Toren der legendären Festung, und an Excalibur und den Heiligen Gral bzw. dessen Befreiung ist unter Artus und seinen Gefolgsleuten derzeit nicht zu denken.

Wahrhaftig, es liegt ein Schatten über Camelot, und der einzige Weg, diesen Umstand zu bekämpfen, besteht darin, die Tafelrunde erneut zu versammeln und die sieben verwegensten Ritter in die Schlacht gegen das Böse zu entsenden. Ein letztes Mal müssen sie ihre Gemeinschaft unter Beweis stellen und an allen Fronten für den Weiterbestand ihres elitären Kreises kämpfen. Doch in Zeiten, in denen Camelot derart unter Beschuss steht, schwindet auch die letzte Hoffnung, diesen umfassenden Konflikt siegreich zu bestehen. Nur mit viel Geschick, strategischem Feingefühl, aufeinander abgestimmtem Teamwork und natürlich auch der nötigen Prise Glück kann Camelot gerettet werden – und genau diese Eigenschaften (Spiele Hits für Experten 2005 – Wiener Spiele Akademie; Spiel des Jahres 2006 – Sonderpreis Fantastisches Spiel; Deutscher Spiele Preis 2005 Platz 7; Bruno Faiduttis Spiel des Jahres 2005 …) sollten all diejenigen mitbringen, die sich an den fantastischen, bereits mehrfach ausgezeichneten angehenden Klassiker heranwagen. „Schatten über Camelot“ gilt nämlich nicht umsonst als ein Fest für all diejenigen, die auf dem Brett knifflige Aufgaben und schwierige Herausforderungen suchen …

_Spielmaterial_

• 1 Hauptspielplan
• 3 doppelseitige Questentafeln
• 16 Schwerter der Tafelrunde
• 168 Charakter-, Ereignis- und Treue-Karten
• 7 Wappentafeln
• 7 Standard-Würfel
• 1 Regelheft
• 1 Questenbuch
• 3 Reliquien
• 4 Sachsenkrieger
• 4 Piktenkrieger
• 12 Belagerungsmaschinen
• 7 Ritter

Tolle Grafiken, anschauliches Handling, sehr viel Liebe fürs Detail und generell ein sehr schöner, atmosphärischer Rahmen für die Schlachten der Tafelrunde – bei „Schatten über Camelot“ wurde mit keiner einzigen Facette gegeizt. Gerade was die optische Komponente betrifft, werden Fantasy-Liebhaber Freudentränen vergießen, sobald sich ihnen der umfassende Spielplan und die tollen Illustrationen auf den Karten offenbaren. Aber auch die tolle landschaftliche Adaption des klassischen Camelot und allgemein die sehr schöne Spielübersicht, die trotz allen Facettenreichtums gewährleistet ist, sorgen schon vor der ersten Partie für große Erwartungen, die hinsichtlich des Spielmechanismus im Folgenden auch mehr als genügend befriedigt werden.

Insofern reicht eigentlich schon ein Blick auf den Namen des Herausgebers; derart hochwertiges, stimmiges Material gibt’s bei |Days of Wonder| nämlich serienmäßig!

_Spielidee_

Camelot wird von einer Vielzahl finsterer Gefahren bedroht und scheint der momentanen Situation nicht mehr Herr werden zu können. Die Ritter der Tafelrunde sind ein weiteres Mal gefragt und müssen im Namen des Königs in die Bresche springen, um das drohende Unheil mit vereinten Kräften abwenden zu können. Allerdings ist die Lage brisanter denn je, da gleich von allen Seiten Intrigen gesponnen werden. Die bösen Mächte streben nach dem Besitz Excaliburs und versuchen gleichzeitig, den Heiligen Gral in ihren Besitz zu bringen. Auch die Rüstung Lancelots, ein Garant für Schutz und Zuversicht, ist hart umstritten und droht verloren zu gehen. Derweil marschieren die Sachsen und Pikten auf und greifen die Festung aus nächster Nähe an. Die Belagerungsmaschinen warten mit schweren Geschossen auf ihren Einsatz, und auch der schwarze Ritter nutzt die Gunst der Stunde, um seinen Einfluss auf zerstörerische Art und Weise geltend zu machen.

Die Spieler müssen nun das kombinierte Übel bekämpfen und die Gefahren an allen Fronten abwenden. Zusammen begeben sie sich an die Fronten, kämpfen um die mächtigen Artefakte der Macht und bündeln alle Kräfte, um die anstehenden Questen erfolgreich zu meistern. Ihre Erfolge werden mit symbolischen Schwertern auf der Tafelrunde Camelots gemessen – ebenso wie ihr Versagen. Dabei ist es Ziel der vereinten Ritter, ein Übergewicht zu erzielen, welches durch Bestehen der Questen und der wiederholten erfolgreichen Bekämpfung der Gefahren in Camelots unmittelbarer Umgebung erreicht wird. Erfolge und Misserfolge werden in Camelot gemessen und gewertet; und diejenige Fraktion, die am Ende mehr Schwerter einbringt, besteht die wohl schwerste Schlacht, die Camelot bislang erlebt hat. Doch abseits dessen ist weiterhin Obacht geboten. Möglicherweise intrigiert nämlich ein Verräter die eigenen Reihen und begünstigt im Unglücksfall die Niederlage des eigenen Ritterheers. In Camelot ist eben nichts mehr sicher!

_Vorbereitung_

Eine ganze Weile vor der ersten Partie sollte man sich bereits intensiv mit den Regeln beschäftigen, unter anderem auch, weil der Umfang des Regel- und Questenheftes doch recht anständige Ausmaße annimmt. Zwar ist das Regelwerk sehr übersichtlich und verständlich aufgebaut, doch benötigt man letztendlich doch gut und gerne eine ganze Stunde, um die Inhalte aufzusaugen und sie verständlich und komplett an die übrigen Spieler weiterzugeben. Dies sollte also dringend berücksichtigt werden, damit nicht vorab unnötiger Leerlauf entsteht.

Sobald alle Spieler mit den Regeln vertraut sind, beginnt der Aufbau. Das Hauptspielfeld wird in die Mitte des Tisches platziert, dort herum die einzelnen Questenfelder mit ihrer Oberseite. Anschließend werden die weißen und schwarzen Karten separat gut durchgemischt und auf dem Spielfeld bereitgelegt. Jeder Spieler erhält zu Spielbeginn nun eine weiße Merlinkarten sowie fünf weitere Karten des weißen Nachziehstapels. Außerdem erhält man (natürlich) verdeckt einen der sieben Charaktere bzw. die zugehörige Tafel, auf die man anschließend den passenden Würfel ablegt. Dieser dokumentiert die Lebenskraft des Ritters, die zunächst den Wert 4 hat. Die Ritter-Miniaturen werden schließlich auf die Tafelrunde in Camelot gestellt, die Artefakte hingegen auf die einzelnen Questen. Als Letztes werden nun die Treuekarten verteilt. Möglicherweise erhält nun ein Spieler die Karte des Verräters, in dessen Rolle er im Laufe des Spiels hineinwachsen muss. Diese Option sollte man allerdings gerade in den ersten Partien überdenken, da man sowieso schon genug damit zu tun hat, die einzelnen Finessen des Spiels kennen zu lernen, um nicht plötzlich vom Spiel gespielt zu werden!

_Spielaufbau_

Jeder Spielzug in „Schatten über Camelot“ ist in genau zwei Spielphasen aufgeteilt, in denen sowohl die bösen Mächte als auch die Ritter der Tafelrunde zum Einsatz kommen. Differenzierter dargestellt, teilt sich eine Spielrunde wie folgt auf:

|1.) Fortschritt des Bösen|

Bevor die Ritter zur Tat schreiten können, verbreitet sich zunächst ein weiteres Mal das Übel über Camelot. Gleich drei unterschiedliche Optionen von fast gleicher Brisanz bieten sich dem Helden, wobei jedes Mal wieder individuell im Team entschieden werden muss, welcher Zug nun mehr oder weniger sinnvoll erscheint.

Die unvorhersehbare, wohl auch spannendste Handlungsalternative ist dabei das Ziehen einer schwarzen Karte. Diese bezieht sich jedes Mal auf eine der Questen und bringt schwarze Ritter ins Spiel, bringt Excalibur und den Heiligen Gral dem Bösen näher oder wartet im schlimmsten Fall sogar mit der Spezialeigenschaft eines befeindeten Charakters auf. Jedoch besteht keine andere Wahl: Der Text der Karte muss befolgt und ausgeführt werden, so ungünstig er auch gerade sein mag.

Je nach Situation empfiehlt es sich, stattdessen eine weitere Belagerungsmaschine vor die Felder Camelots zu setzen. Allerdings sollte man beachten, dass das Spiel sofort mit einer Niederlage endet, sobald zwölf Belagerungsmaschinen dort untergebracht sind. Gerade beim Verlust der Artefakte sollte man daher besser auf diese Option verzichten, da die Anzahl der Belagerungsmaschinen in dieser Situation noch schneller anwächst.

Wer sich kaum mehr zu helfen weiß, jedoch noch über die nötige Lebenskraft verfügt, kann auch einen Lebenspunkt opfern, um den Fortschritt des Bösen abzuschließen. Jedoch zählt hier: Ist die Zahl der Lebenspunkte auf 0 gesunken, ist der Spieler sofort aus dem Spiel ausgeschieden und seinen Mitstreitern keine Hilfe mehr.

|2.) Heldentat|

Sobald man die unangenehmen Fortschritte der bösen Kräfte über sich hat ergehen lassen, darf man sich nun zur Wehr setzen und die Gefahren bekämpfen. Insgesamt stehen fünf Heldentaten zur Auswahl, die man jeweils auf das aktuelle Spielgeschehen und – ganz wichtig – auch mit seinen Mitspielern abstimmen muss.

Der wohl am häufigsten gewählte Spielzug ist die Reise von einer Quest zur nächsten. Hierbei bewegt man seine Heldenfigur lediglich von einem Ort zum anderen, verbraucht dafür aber eine ganze Heldentat. Da dies oftmals recht hinderlich sein kann, sollte man darauf achten, dass man sich gezielt auf dem Spielplan verteilt und jeder dort individuell seine Stärken ausspielen kann, wo es ihm seine aktuelle Kartenhand erlaubt.

Sobald man dann an einem Ort angelangt ist, kann man dort eine spezielle Aktion durchführen, um die Quest zugunsten der Ritter zu wenden. Am Heiligen Gral können zum Beispiel Gralkarten abgelegt werden, derer sieben ausreichen würden, um den Gral zu gewinnen. Weiterhin können Kampfkarten gegen den schwarzen Ritter oder bei der Lancelot-Quest ausgespielt , selbige in der Schlacht gegen Pikten und Sachsen verwendet oder in Camelot für Kartennachschub oder Vertreibung von Belagerungsmaschinen gesorgt werden. Die Vielzahl der Möglichkeiten ergibt sich aus den einzelnen Questen, die später noch näher ins Auge gefasst werden. Das A und O ist lediglich eine gute Aufteilung, um diese wohl für den Sieg wichtigste Heldentat durchführen zu können.

Das Ausspielen einer weißen Spezialkarte ist die dritte Option. Hierbei handelt es sich um Karten mit ganz besonderen Kräften, die dem Team einen noch deutlicheren Vorteil gegenüber dem Bösen verschaffen. Dementsprechend begrenzt ist ihre Anzahl und ergo auch Vorsicht beim Umgang mit ihnen geboten.

Ritter, deren Leben beinahe ausgehaucht ist, können sich in einer anderen Heldentat ein Stück weit heilen. Für jeweils drei identische weiße Karten erhält man einen Lebenspunkt zurück. Ein hoher Einsatz, der sich jedoch in Krisensituationen als unvermeidlich herausstellt.

Im Spiel mit dem Verräter bietet sich als Letztes nun noch die Gelegenheit, eine Anklage zu erheben. Hierzu verdächtigt man gezielt eine Person des Verrats, muss aber auch alle damit einhergehenden Konsequenzen tragen. Voraussetzung sind sechs bereits vor Camelot befindliche Belagerungsmaschinen und sechs Schwerter in beliebiger Farbe innerhalb der Tafelrunde. Wer berechtigt anklagt, bringt ein weiteres weißes Schwert nach Camelot. Andernfalls wird ein weißes sofort auf die schwarze Seite umgedreht. Übrigens darf auch der Verräter selbst anklagen und so ein bisschen Verwirrung stiften.

Zusätzlich zu den eigentlichen Heldentaten dürfen die Ritter auch noch eine zusätzliche Tat vollbringen. Wer die Heldentat doppelt ausführen möchte, opfert hierzu einen Lebenspunkt. Man darf aber nie die gleiche Heldentat während eines Zuges zweimal ausführen, soll heißen die zweite Tat im Bunde muss aus dem verbliebenen Repertoire der Heldentaten gewählt werden. Eine weitere Stütze für die Ritter sind die jeweiligen Spezialeigenschaften, die sich weitestgehend auf die Heldentaten beziehen und einige hilfreiche Zusatzoptionen erlauben. Auch dies sollte man in keinem Zug außer Acht lassen.

_Die Questen_

Um die erstrebten weißen Schwerter zu ergattern und Camelot vor dem Untergang zu bewahren, müssen die Spieler verschiedene Questen bestehen, deren Aufgaben grundlegend völlig unterschiedlich sind. Es gibt Soloquesten, die nur von einem Ritter gelöst werden können, wiederkehrende Questen, die niemals endgültig abgeschlossen werden, und Kampfquesten, in denen man die eigene Kampfkraft gegen die des schwarzen Ritters oder Lanzelot behaupten muss. Insgesamt spielt sich das gesamte Szenario parallel in sechs Questen ab, die allesamt nie aus dem Auge gelassen werden dürfen.

|1.) Das Turnier gegen den schwarzen Ritter|

Das Turnier findet auf dem Hauptspielbrett statt und erfordert zwei gleichwertige Pärchen an Kampfkarten, um von Seiten des eigenen Teams beendet zu werden. Dies heißt, es dürfen beispielsweise Karten mit den Werten 2 und 4 in jeweils doppelter Form gespielt werden, um die Queste abzuschließen. Allerdings kann auch der schwarze Ritter beim Fortschritt des Bösen mächtige Karten entgegensetzen. Erst im abschließenden Vergleich der Kampfpunkte wird über Sieg und Niederlage entschieden, wobei es hier jedes Mal wieder um ein gewonnenes oder eben auch verlorenes Schwert geht. Der Kampf gegen den schwarzen Ritter ist eine Soloqueste.

|2.) Die Lanzelot-Queste|

Ähnlich wie bei der vorangegangenen Queste, startet ein Ritter auch hier solo in den Kampf und bemüht sich, durch einen Sieg Lanzelots Rüstung in seinen Besitz zu bringen. Waren es eben noch zwei Pärchen, ist hier ein Full House erforderlich, um ein vorzeitiges Ende herbeizuführen. Dies sollte man auch möglichst schnell erledigen, da die Punktzahlen der Lanzelot-Karten ggf. sehr hoch sind und es verhältnismäßig schwierig ist, sie zu übertrumpfen. Wer die Queste gewinnt, erhält schließlich die Rüstung und darf fortan im Fortschritt des Bösen jedes Mal zwei Karten ziehen und eine wieder unter den Stapel legen, sprich selektieren.

|3.) Die Drachen-Queste|

Sobald die Lanzelot-Queste abgeschlossen ist, beginnt der Kampf gegen den Drachen. Hier geht es nun schon um zwei Schwerter, wobei man jetzt nicht mehr solo antreten muss. Allerdings sind drei Drillinge gesetzt, um den Kampf zu beenden und den Vergleich der Karten zu ermöglichen – und auch hier gilt: Lässt man den Drachen zu lange gewähren, hat man am Ende kaum mehr eine Chance, ihn zu besiegen.

|4.) Die Excalibur-Queste|

Excalibur wird in der Mitte eines Flusses aufbewahrt und soll von dort aus möglichst an das Ufer der guten Seite gebracht werden. Schwarze Excalibur-Karten treiben es jedoch immer weiter ab, so dass ein schnelles Entgegenwirken erforderlich ist. Hierzu bedarf es ausnahmsweise keiner Spezialkarten. Es reicht schon, eine weiße Karte verdeckt abzuwerfen. Wer die Queste gewinnt, erhält nicht nur Excalibur und die Möglichkeit, jedem Kampf einen Wert von +1 hinzuzufügen, sondern gewinnt für das Team zwei weitere, wertvolle Schwerter.

|5.) Die Gral-Queste|

Der Heilige Gral ist die vielleicht am härtesten umkämpfte Gruppenqueste. Weiße Gralskarten stehen der bösartigen schwarzen Zunft gegenüber, und erst dann, wenn endlich eine Seite die andere gänzlich verdrängt hat, sind drei Schwerter fällig. In insgesamt sechs Spielen ist unserer Gruppe dies aber noch nie gelungen.

|6.) Die Pikten- und Sachsenkriege|

Jeweils vier Felder für Sachsen- und Piktenkrieger warten darauf, von Camelot verteidigt zu werden. Es gilt dabei, Kampfkarten mit den Werten 1 bis 5 in der richtigen Reihenfolge auszulegen, bevor der vierte Krieger auf dem jeweiligen Kriegsfeld eintrifft. Ansonsten droht nämlich ein weiteres schwarzes Schwert!

_Spielende_

Das Spiel kann jederzeit plötzlich enden, sobald die zwölfte Belagerungsmaschine Camelot erreicht oder das siebte schwarze Schwert in die Tafelrunde gelegt wird. Ansonsten endet „Schatten über Camelot“ in derjenigen Runde, in welcher das zwölfte Schwert die Tafelrunde komplettiert. Die Siegbedingungen für die gute Seite sind dabei mindestens sieben weiße Schwerter. Bei Gleichstand hat man indes verloren, da sich ein Ritter schließlich niemals mit einem Unentschieden begnügt. Es kann allerdings auch geschehen, dass mehr als zwölf Schwerter in die Tafelrunde kommen, zum Beispiel wenn bereits elf dort ausliegen und schließlich die Gral-Queste mit weiteren drei Schwertern gelöst wird. Insofern sind sechs schwarze Schwerter – und somit ein drohender Gleichstand – noch kein Genickbruch!

Sollte sich bei einer Niederlage herausstellen, dass ein Verräter im Spiel war, hat er alleine gewonnen. Ansonsten hat das gesamte Team gemeinsam verloren bzw. bei Erfüllung der Siegbedingungen auch zusammen gewonnen.

_Persönlicher Eindruck_

Sträfliche zwei Jahre habe ich den Gedanken mit der intensiveren Auseinandersetzung mit diesem Spiel nun schon vor mir hergeschoben, auf den letzten beiden Messen in Essen krampfhaft versucht, einen freien Spieltisch zu ergattern und es endlich zu testen und auch später immer wieder überlegt, endlich den vielen Kritikerstimmen zu folgen und „Schatten über Camelot“ der eigenen Sammlung hinzuzufügen. Mittlerweile ist das Spiel neben „Zug um Zug“ zum erfolgreichsten Titel im hochwertigen Programm von |Days of Wonder| angewachsen, hat eine immense Anzahl ganz unterschiedlicher Spielpreise eingeheimst und genießt unter Freunden des komplexeren Brettspiels bereits seit geraumer Zeit absoluten Kultstatus. Daher stellt sich auch im Nachhinein die unverständliche und auch unbeantwortete Frage, was der langjährigen Zurückhaltung zugrunde lag.

Nun, darüber möchte ich mir nach einigen euphorischen wie verzweifelten Spielrunden keine Gedanken mehr machen: „Schatten über Camelot“ ist nämlich wie ein Virus über meine Spielgemeinschaft eingebrochen und beschäftigt auch nach einer ganzen Reihe mehr oder minder erfolgreicher Partien gegen das Spiel immer noch die Gemüter jedes Einzelnen. Gerade die ersten Spiele entwickelten sich dabei zur hitzigen Diskussionsrunde, da man von den einzelnen Komponenten geradezu überrannt wurde und selbst ohne den Verräter keine Chance sah, die allerorts aktive Bedrohung einzukesseln und zu besiegen. Insbesondere eine Partie zu dritt wurde dabei zum Akt der Verzweiflung, in dem man dem wachsenden, durch die schwarzen Karten ausgelösten Übel nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Aber auch mit etwas mehr Erfahrung und unter Berücksichtigung aller Feinheiten, Finessen und Hinterhalte avancierte der Kampf zwischen der Tafelrunde auf der einen und Camelots Feinden auf der anderen Seite zu einem heißen Kopf-an-Kopf-Rennen, das zumindest bislang in den meisten Fällen verloren ging, weil man letztendlich doch die Prioritäten wieder falsch gewichtet hatte.

Es ist ergo also unheimlich knifflig und auch jederzeit wieder situationsabhängig, in welcher Art man sich aufstellt, wo man fokussierter agiert, welche Bedrohung man als Erste angeht und wie man vermeidet, nur noch zu reagieren, nicht aber mehr zu agieren. Letzteres wird sich zwar kaum vermeiden lassen, jedoch sollte man dennoch mit allen Mitteln versuchen, die Kontrolle im weitesten Sinne auf seiner Seite zu wissen, denn ansonsten geschieht genau das, was fast schon der Garant für die Niederlage ist: Man lässt sich vom Spiel spielen – und welcher begeisterte und erfahrene Brettspieler will sich dieses peinliche Ereignis schon gerne eingestehen?

Fakt ist also, dass „Schatten über Camelot“ trotz zunächst für simpel erachteten Aufbaus im Grunde genommen über einige komplex ineinander verwobene Spielmechanismen verfügt, die sich nicht auf Anhieb durchschauen lassen. Es ist ein steter Lernprozess, des Spiels und der individuellen Situation Herr zu werden, gezielt Taktiken und Strategien zu entwickeln und angesichts der Aussichtslosigkeit der Lage niemals die Geduld und die Hoffnung zu verlieren – und dies kann nur gelingen, wenn man als Team arbeitet, bereit ist, seine eigene Figur zugunsten des Vorteils der anderen Ritter in den Hintergrund zu stellen, und auch mal unliebsame Ereignisse auf sich nimmt, um das konzentrierte Übel nicht zu sehr zu stärken.

Trotz Karten- und Zeitmangel, einer potenziellen Kette von Niederlagen und wachsender Frustration lässt einen das Spiel aber dennoch nicht los und fordert immer wieder zu einer weiteren Partie auf. Der Spielreiz ist unheimlich hoch und endet auch nach dem ersten Sieg nicht, zumal in diesem Fall ein Ausbau durch die Integration des Verräters noch einmal gänzlich neue Eigenschaften freigibt.

Bei aller Komplexität und Verschachtelung bleibt der Spielablauf indes durchweg stimmig und fließend; das Regelwerk liefert hierzu die nötige Basis, die ineinander greifenden Mechanismen erklären sich hingegen nach einigen Zügen wie von selbst. Hinzu kommt ein ausgewogenes Verhältnis aus Strategie und Glück, wobei Letzteres sich vorwiegend durch das Nachziehen der Karten definiert und nur von einer guten Vorausplanung einigermaßen effektiv eingegrenzt werden kann. Der eigentliche Clou ist allerdings das kooperative Element des Spiels; gemeinsam für Camelot zu streiten, ist ein besonderes Gefühl, im Hinblick auf die tolle Atmosphäre und die herausragend umgesetzte Spielidee sowieso. Dass hierzu wirklich alle nötigen Rahmenbedingungen geschaffen wurden, ist schließlich der letzte Baustein zu einem durch und durch genialen, rundum perfekten Brettspiel.

http://www.daysofwonder.com/shadowsovercamelot/de/

Sendker, Jan-Philipp – Flüstern der Schatten, Das

Paul Leibovitz lebt einsam und alleine, in freiwillig gesuchter Isolation auf einer kleinen Insel nahe bei Hongkong. Kein Ereignis, keine Menschen sollen seine Erinnerungen stören – Erinnerungen an seinen kleinen Sohn, der starb, bevor sein Leben richtig begonnen hatte. Justin war schon immer ein schmächtiger Junge, deswegen fielen die Symptome spät auf, doch bei Leukämie spielt die Früherkennung keine große Rolle. Dennoch plagt Paul sich auch Jahre nach Justins Tod noch mit Schuldgefühlen. Pauls Frau Meredith hat eine andere Art der Trauerbewältigung gewählt; sie hat sich noch mehr in die Arbeit gestürzt und sich noch häufiger im Ausland aufgehalten. Das Ende der Ehe war nur noch eine Frage der Zeit. Der große Schicksalsschlag hat die beiden sich entfremdenden Erwachsenen noch weiter voneinander entfernt.

Nur wenige Rituale sind es, die fortan Pauls Leben bestimmen, eines davon ist eine traditionelle Wanderung an Justins Todestag. Es ist heiß und Paul schwitzt schon, während er noch auf der Fähre nach Hongkong ist, doch dieser Tag wird sein Leben verändern. Auf der Spitze des Berges lernt er eine amerikanische Frau kennen, die dort in Ohnmacht fällt. Aus Hilfsbereitschaft bietet Paul an, sie ins Krankenhaus zu begleiten. Langsam beginnt die Frau zu erzählen, und zwar von ihrem 30-jährigen Sohn Michael Owen, der vor ein paar Tagen spurlos verschwunden ist. Sie bittet Paul, der sich in Hongkong besser auskennt, Nachforschungen anzustellen und sich bei der Polizei zu erkundigen, ob sie Michael schon gefunden haben. Tatsächlich ist Kommissar David Zhang einer der wenigen Freunde, zu denen Paul noch Kontakt hat. Auch wenn es ihn viel Überwindung kostet, weil er den Kontakt zur Außenwelt so weit wie möglich meiden möchte, ruft Paul seinen alten Freund an. Und dieser berichtet ihm dann von einer bisher nicht identifizierten Leiche eines Mannes, dessen Beschreibung der Michael Owens auf erschreckende Weise gleicht. Doch ein ausländischer Toter ist in China eine Sache, die es nicht geben darf. Der Fall soll also so schnell wie möglich unter den Teppich gekehrt werden. So beschließen David und Paul, der Sache gemeinsam auf den Grund zu gehen.

Noch ahnen die beiden nicht, welche Gefahren ihnen bei ihrer Suche drohen, denn Michael Owen war sehr vermögend und bewegte sich in den höchsten Kreisen Hongkongs, seine Freunde (oder doch Feinde?) sind mächtige Menschen, die man sich besser nicht zum Feind machen sollte. Auch Pauls Freundin Christine Wu, die Paul bislang immer auf Distanz gehalten hat, ängstigt sich (zu Recht) um Paul. Doch bei der Suche nach den Gründen für Michaels Ermordung kommen sich auch Paul und Christine langsam näher …

Zunächst beginnt „Das Flüstern der Schatten“ als gefühlvoller Roman, der die Trauer Paul Leibovitz‘ in so einfühlsamen und wortgewaltigen Sätzen beschreibt, dass es einem beim Lesen die Tränen in die Augen treibt. Jan-Philipp Sendker lässt sich hier viel Zeit, um Paul und seine Trauer zu entfalten. Sendker beschreibt Pauls Leben, seine Rituale, seine Gedanken an Justin und seine Verzweiflung, die nichts durchbrechen kann. Auch die Besuche und Telefonanrufe Christines werden Paul meist zu viel, da sie ihn in seiner Trauer und in seinen Gedanken an Justin stören. Es ist wirklich erstaunlich, welch überzeugende Worte Sendker findet, um all diese Gefühle und Facetten glaubwürdig ins rechte Licht zu rücken.

Doch mit der Begegnung zwischen Paul Leibovitz und Frau Owen wendet sich der Roman. Ein Mordfall ist aufzuklären, der eigentlich nicht geschehen durfte. Ein toter Ausländer ist schlecht fürs Image, es muss also schnellstmöglich ein Schuldiger her, und tatsächlich sitzt bald ein Verdächtiger im Gefängnis, der ein Geständnis unterschreibt. Bei seinen Nachforschungen hat David Zhang allerdings bereits erfahren, dass dieser Verdächtige ein wasserdichtes Alibi für die Tatzeit und das Geständnis mit großer Sicherheit nicht freiwillig unterschrieben hat. Schon hier wird die Bedrohung deutlich, die von dem Fall ausgeht. David und Paul müssen verdeckt ermitteln, um nicht selbst zur Zielscheibe zu werden.

Ganz langsam entwickeln sich die Motive, wir kämpfen uns immer weiter in Michael Owens Leben vor, wir lernen seine Geliebte kennen, seine Arbeit und seinen Geschäftspartner, doch noch können wir die Zusammenhänge nicht durchschauen. Die meisten Protagonisten scheinen etwas verbergen zu wollen, sie geben David und Paul keine Auskunft und füttern sie nur häppchenweise mit Informationen, doch langsam kommen David Erinnerungen an seine eigene Vergangenheit und er muss erkennen, dass Michaels Geschäftspartner für ihn kein Unbekannter ist. Langsam fügen sich die Puzzleteilchen zusammen und der Schuldige wird immer weiter eingekreist. Es ist eine unglaubliche Spannung, die Sendker aufbaut, denn der Leser weiß von Anfang an, was die beiden aufs Spiel setzen, indem sie gegen den Willen aller anderen auf eigene Faust ermitteln.

Obwohl in Pauls Leben schon genügend Aufregung Einzug gehalten hat, nimmt auch Christine Wu immer mehr Platz ein. Während er sich früher immer versteckt hat, wenn sie zu Besuch kam, sucht Paul nun von sich aus den Kontakt. Er verbringt die erste Nacht mit ihr, scheitert jedoch bei seinen Annäherungsversuchen, weil er sich auf diese Affäre noch nicht genügend einlassen kann. Seine Verzweiflung und Verwirrung wachsen weiter, doch erkennt Paul, dass er gar nicht anders kann, als Christine eine echte Chance zu geben. Wie zwei Jugendliche vor dem allerersten Kuss nähern die beiden sich zaghaft und behutsam an, gehen mal einen Schritt vorwärts, dann aber auch zwei zurück. Und all dies findet noch Platz in Jan-Philipp Sendkers Roman, der sich langsam zu einem Kriminalfall entwickelt, der auch an der Vergangenheit Chinas rüttelt. Der Mord an Michael Owen führt viel weiter; im Hintergrund passieren so viele Dinge, die Paul und David nur mühsam auseinander klamüsern.

„Das Flüstern der Schatten“ lässt sich keinem Genre zuordnen, es beginnt als Portrait eines trauernden Menschen, entwickelt sich dann zu einem Kriminalfall, rollt politische Hintergründe auf, schildert aber auch die Liebesgeschichte zweier Menschen. Obwohl dies sehr viele Elemente für ein Buch von nur knapp 450 Seiten sind, schafft es Sendker, die meisten davon überzeugend auszubauen. Die Krimi-Anteile konnten mich persönlich nicht vollauf überzeugen, da der Schuldige zu offensichtlich ist und sich gleich als Erster anbietet. Die Hintergründe aufzuklären, ist dabei schon deutlich aufwändiger. Sprachlich gefällt das Buch aber ausgesprochen gut; Sendker gelingt es, jede Gefühlsregung, jede Situation und jede Figur glaubwürdig und in beeindruckender Wortwahl zu beschreiben. Wer etwas über China lesen und lernen möchte, der ist hier genau richtig.

http://www.blessing-verlag.de

Dumas, Alexandre / Gruppe, Marc – Werwolf, Der (Gruselkabinett 20)

Frankreich 1779. Der junge Holzschuhmacher Thibaut, vom Baron Jean de Vez gegängelt und zu arm, um die schöne Agnelette zu ehelichen, will endlich reich und mächtig sein. Eines Nachts rettet er einem großen Wolf das Leben, der sich in seinem Stall in einen Menschen verwandelt. Dieser macht dem jungen Mann ein verlockendes Angebot: Er kann sich jeden Wunsch erfüllen. Doch bei seinem ersten Wunsch würde ihm ein neues Haar wachsen, beim zweiten Wunsch ein zweites und beim dritten vier Haare. Anschließend würde sich bei jedem Wunsch die Zahl der Haare verdoppeln. Eigentlich ein geringer Preis für eine derartige Macht, aber schon bald muss Thibaut erkennen, welch teuflische Absicht hinter diesem Plan steckt …

Nach der fulminanten [Hörspiel-Adaption 3489 des Romans „Dracula“ liefert |Titania Medien| dieses Mal die Vertonung einer Kurzgeschichte des französischen Schriftstellers Alexandre Dumas ab, der vor allem durch seine Musketier-Romane bekannt wurde.

Mit „Der Werwolf“ hält nun neben dem Vampir eine weitere klassische Gruselgestalt Einzug in das Gruselkabinett. Allerdings gestaltet sich die Story eher wie die klassische Faust-Geschichte denn als ein typisches Werwolf-Märchen, aber das kann man von einer Novelle des 18. Jahrhunderts auch nicht erwarten. Daher ist der Plot auch nicht unähnlich jenem aus dem Gruselkabinett-Hörspiel 15 [„Der Freischütz“, 3038 worin der Teufel in anderer Gestalt seine Gunst an einen unglücklich Verliebten vergibt. Dennoch gestaltet sich der Verlauf der Handlung natürlich gänzlich anders, dafür sind die beiden Hauptfiguren zu verschieden charakterisiert. Thibaut ist viel abgeklärter und egozentrischer als der Amtschreiber Wilhelm aus Apels „Freischütz“.

Dargestellt wird der Holzschuhmacher von Thomas Nero Wolff, der in jüngster Zeit vor allem als Synchronstimme von Hugh Jackman zu hören war. Als Hörspielmime ist er aber nicht minder talentiert. Seine Stimme ist angenehm und ausdrucksstark und kann die Emotionen Thibauts hervorragend wiedergeben. Die weibliche Hauptrolle hat dieses Mal Uschi Hugo, die sonst für Neve Campbell hinter dem Mikro steht und ebenfalls eine so ausgeprägte Fantasie besitzt, dass sie auch ohne die bewegten Bilder leidenschaftlich zu sprechen versteht.

Als Neuzugang bei |Titania Medien| verkörpert Lutz Riedel den großen Wolf. Bekannt ist der erfahrene Sprecher nicht nur als Synchronstimme von Richard Gere und vielen anderen oder als Sprecher zahlreicher Dokumentationen, sondern auch als Kommissar Will Mallmann in der Hörspielserie „John Sinclair“ von |WortArt|. Auch in dieser Produktion macht Riedel eine mehr als gute Figur. Erwähnt werde sollte an dieser Stelle noch Marco Kröger als Baron de Vez, der die Hinterhältigkeit und Skrupellosigkeit des Charakters sehr lebensecht zu spielen vermag.

Am eindrucksvollsten ist aber mit Abstand die Musik, die den Hörer die ganzen 78 Minuten Spielzeit begleitet, und zwar in einer Qualität, wie sie nur äußerst selten in einem Hörspiel zu bewundern ist. Klassisch, dramatisch und immer genau der gerade dargestellten Situation angemessen. Wieder einmal ein Soundtrack, der sich hinter keiner Komposition für einen Hollywood-Streifen zu verstecken braucht.

Die oben erwähnte Dauer dieser Vertonung reizt das Medium CD bis zur Gänze aus und bietet dem Hörer Ohrkino fast in Spielfilmlänge, wo allenfalls die Trackanzahl stört. Hier sollte das Label ruhig einmal von seinen obligatorischen 13 Kapiteln abweichen.

Das Cover von Firuz Askin ist schlichtweg genial. Klassischer und eindringlicher könnte man eine derartige Szene nicht festhalten. Eines der besten Cover, die auf einem Hörspiel zu finden sind.

_Fazit:_ |Titania Medien| hält weiterhin in Sachen Qualität die Stange hoch. „Der Werwolf“ wartet nicht nur mit einer grandiosen Besetzungsliste auf, angeführt von Thomas Nero Wolff, sondern hat auch einen pompösen, erstklassigen Soundtrack zu bieten. Eine ideale Literatur-Vertonung für den Hörspiel-Herbst 2007.

Home – Atmosphärische Hörspiele

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

_Florian Hilleberg_

Téhy / Vax / Vee, J. M. – Yiu 2 – Die Auferstehung des Unreinen

Band 1: [„Die Armee des Neo-Mülls“ 4289

_Story_

Yiu dringt im Auftrag des Klerus in die Zitadelle von Djallikih ein, um dort eine geheimnisvolle Urne zu entwenden. Doch schon zu Beginn ihrer neuen Mission wird die Profi-Killerin von Zweifeln geplagt. Drei unschuldige Frauen wurden geopfert, um der Kampfmaschine weitere Leben zu verleihen, die Yiu in der Zitadelle aber auch dringend benötigt. Sie kämpft gegen einen Samurai-Meister, verliert ihr Leben erneut gegen den Wächter mit dem Bogen und setzt sich gegen die Geister durch, die den Schatz verteidigen. Als sie dem Asketen Mamorii Oshii nach mehrfacher Auferstehung schließlich das Objekt der Begierde ausliefert, erscheint die gesamte Mission bei den fanatischen Tao-Zen-Kämpfern als ein einziger Akt der Ironie. Inmitten einer Welt voller schonungsloser Opfer soll sie zumindest die Ehre der Verlorenen wiedererobern – doch kann sie das nach dem Tod der drei jungfräulichen Märtyrerinnen überhaupt?

_Persönlicher Eindruck_

Wie auch schon im vorangegangenen Auftaktband, so setzt das Autoren-Dreigespann Téhy / Vax / Vee auch in der Fortsetzung der insgesamt vierteiligen Serie auf ein Höchstmaß an effektreich inszenierter, futuristischer Action im Rahmen einer leider etwas spannungsarmen Geschichte und öffnet dabei gleich mehrere Portale zur offenen Kritik. Während die besagten Kampsequenzen auch in „Die Auferstehung des Unreinen“ zu keiner Zeit zu kurz kommen, lahmt die Handlung an den gleichen Eckpunkten wie jüngst im Debüt-Album. Die gesamte Story ist im weitesten Sinne vorhersehbar, und die Wahl der Erzählweise raubt unterdessen dem potenziell hochwertigen Inhalt einen großen Teil der Atemluft, indem sie der Entwicklung des Plots jegliche Spontaneität nimmt. Seltsam, dass man dennoch an dieser Arbeitsweise festhält!

In „Die Auferstehung des Unreinen“ wird die Story wiederum aus der Perspektive der titelgebenden Protagonistin erzählt. In kurzen, teils abgehackten Sätzen beschreibt sie ihren Einsatz, die Zweifel, ihre berechtigte Skepsis und schließlich auch ihre wiederholte Auferstehung aus dem Reich der Toten, dies jedoch alles nüchtern und kühl, was jegliche Identifikation mit Yiu vorab ausschließt. Letzteres mag zwar der Atmosphäre des illustrativen Endzeit-Szenarios sehr authentisch angepasst sein, trägt aber auf lange Sicht kaum zum Lesevergnügen bei, weil man sich mit wachsender Dauer lediglich der kompromisslosen Action ausgesetzt fühlt und die wahre Brisanz – angedeutet durch einige versteckte ironische Kommentare sowie unterschwellig formulierte Kritik am korrupten Klerus – infolge dessen komplett ausgeblendet wird. Dies ist gerade deshalb seltsam, da sich die Autoren diesbezüglich um eine klare Aussage bemühen, letztendlich aber wegen der mageren Umsetzung daran scheitern.

Insofern schießt der zweite Band dieser Science-Fiction-Abenteuer-Reihe ein ganzes Stück am Ziel vorbei und hinterlässt hinsichtlich der wenigen positiven Eindrücke einzig und allein die tollen Zeichnungen. Inhaltlich hingegen ist auch „Die Auferstehung des Unreinen“ in Sachen Spannung, Aufbau und Quintessenz mehr oder weniger eine Enttäuschung und als solche keine echte Konkurrenz für das übrige Programm des qualitätsbewussten |Splitter|-Verlags.

http://www.splitter-verlag.de/

diverse Autoren – Bart Simpson Comics 33

_Inhalt_

|“Höhlenmenschen“|

Bart und Milhouse bauen sich an den verschiedensten Orten eine Höhle, werden aber immer wieder von ihrem Standort vertrieben. Nachdem Marge und Jimbo die Planungen der Jungs beeinträchtigt haben, ist es für das Duo Zeit zurückzuschlagen …

|“Der Uter-Bomber“|

Bart ist bemüht, ein neues Katapult für seine Wasserbomben zu bauen, scheitert aber schon im Ansatz. Als er dann jedoch mit Hilfe Uters eine Lösung findet, haben Lisa und Co. keine Ruhe mehr. Dann erfährt Bart aber, dass sein Katapult auf einer physikalischen Formel aufbaut und findet sein Projekt alsbald langweilig.

|“Eine Ladung Probleme“|

Frustriert von ihrer männlichen Verwandtschaft, bereitet sich Lisa auf ihr anstehendes Jazz-Konzert vor. Im letzten Moment kommen ihr einige Schmutzflecken auf ihre Abendrobe, woraufhin Lisa zum ersten Mal überhaupt die Waschmaschine bedienen muss. Doch das geht gründlich in die Hose …

|“Zeichen intelligenten Lebens“|

Auf einer offenen Wiese in der Nähe Springfields landet ein UFO, dessen junger Passagier zufällig auf Bart trifft. Der wiederum ist genervt von Milhouses Abstinenz und sucht jemanden, mit dem er sich die Zeit vertreiben kann. Als er erfährt, dass der merkwürdige Zeitgenosse aus dem All noch keine Verwendung für den Begriff Spaß hat, sind die Ferien für El Barto gerettet …

_Persönlicher Eindruck_

Nach einigen wirklich sehr guten Kapiteln reißt die Serie der lohnenswerten „Bart Simpson Comics“ mit Ausgabe Nr. 33 leider wieder ein. Statt sich – wie schon öfter kritisiert – auf einen oder maximal zwei tragende Erzählungen zu konzentrieren, hat man in diesem Fall nämlich wieder allerhand Mini-Geschichten zusammengeworfen, unter denen sich nicht einmal eine über den Comic hinaus nennenswerte Story befindet.

Bereits der Auftakt, oft der entscheidende Part des Magazins, ist merkwürdig langweilig und unspektakulär, was sich abgesehen von der dürftigen Handlung auch auf die groben Zeichnungen niederschlägt. Zwar beendet Autor Tony Digerolamo die Misere wieder recht abrupt, aber der erste Eindruck ist schon einmal ziemlich schwach – was sich wiederum im Folgende noch mehrfach bestätigen soll. Noch weniger aussagekräftig ist der Plot um den Uter-Bomber, in dem die versteckte historische Anspielung noch das Beste ist. Klar, hier soll um den Hauptakteur herum einiges an Action geboten werden, doch dann bitte auch auf einem grundlegenden Mindestniveau. Schließlich verwundert es auch nicht mehr, dass auch die dritte Episode im Bunde ein echter Langweiler ist, dessen fulminanter und witziger Auftakt sich nach drei Zeichnungen bereits wieder zerschlagen hat. Junge, was für ein Reinfall!

Gottlob ist zumindest der Schlusspart eine relativ runde Sache, zumal hier die einzigen anständigen Gags eingebaut sind. Kent Brockman erhält einen coolen Gastauftritt und auch Bürgermeister Quimby wird mal wieder als absoluter Taugenichts entlarvt. Auch wenn Bart als Protagonist eher zweitrangig bleibt, stimmt den Leser „Zeichen intelligenten Lebens“ wenigstens zeitweilig etwas versöhnlicher.

Schlussendlich ist der 33. Teil der Comic-Serie aber dennoch eine überwiegend herbe Enttäuschung, vornehmlich bedingt durch die erneute Verwendung von schwächlichen Mini-Plots. Aber wie auch schon vor einem guten Jahr bleibt die Hoffnung bestehen, es handle sich nur um einen kleinen Zwischenfall, der alsbald – sprich mit der nächsten Ausgabe – wieder behoben wird. So war es jedenfalls bis dato noch immer. Bis dahin sollte man jedoch lieber nur das vorangegangene Heft eintüten lassen; Nr. 33 darf man indes gerne im Regal stehen lassen.

http://www.paninicomics.de/simpsons-s10310.html

Hegen, Hannes (Hrsg.) / Dräger, Lothar (Text) / Hegenbarth, Edith (Zeichnungen) – Digedags bei den Indianern, Die (Amerikaserie, Band 4)

Band 1: „Die Digedags in Amerika“
Band 2: „Die Digedags am Mississipi“
Band 3: „Die Digedags bei den Piraten“

Unter der Schirmherrschaft von Hannes Hegen erschienen im Magazin „Mosaik“ Monat für Monat die Abenteuer des zwergenhaften Trios, bestehend aus den mutmaßlichen Brüdern Dig, Dag und Digedag – kurz: „Die Digedags“. Allerdings nur im Osten der Republik, denn im Westen waren (und sind) die drei umtriebigen Wichte – und Vorväter der etwas bekannteren „Abrafaxe“ – weitgehend unbekannt. Nach der Wiedervereinigung wurde es still um die Digedags, bis 2005 alle bisher erschienenen Geschichten vom wiederauferstandenen Verlag |Junge Welt| noch einmal als Sammelbände zu je vier Heften komplett neu aufgelegt wurden.

_Die Digedags_

Die drei tauchen in verschiedenen Menschheitsepochen auf und erleben dort ihre Abenteuer bzw. begleiten Persönlichkeiten dieser Ära mit Fleiß, Wissen und Witz. Die stets jugendlich wirkenden Digedags altern nicht und ihr markantes Äußeres bleibt weitgehend unverändert – sämtliche leichten Variationen in ihrem Aussehen sind wohl eher der Weiterentwicklung Edith Hegenbarths als Zeichnerin zuzuschreiben. Die Texte legte ihnen Lothar Dräger in den Mund, das heißt: nein, nicht direkt. Bei den Digedags herrscht nämlich weitgehend Sprechblasenfreiheit. An die Untertitelung der Panels hat man sich aber schnell gewöhnt und sie schätzen gelernt.

_Die Amerikaserie_

Die Amerikaserie, welche 1969 (Hefte) und 1979 (Hardcover) erstveröffentlicht wurde, ist eine der größten und umfasst 60 Einzelhefte (von 152 bis 211). Diese schafften es, ursprünglich zusammengefasst in insgesamt zehn Sammelbände, bis zur stolzen achten Auflage. Diese erschien noch 1989, kurz vor dem Mauerfall. Die Geschichte der Amerikaserie beginnt in New Orleans 1860, bevor der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, und sie endet in New York vier Jahre später. Bis dahin haben sich die Digedags quer durch den nordamerikanischen Kontinent gewuselt und im Kampf gegen die Sklaverei allerhand erlebt.

_Band 4 – Die Digedags bei den Indianern (Mosaik 163 bis 167)_

Die Suche nach der geheimnisvollen Goldmine des alten Abe Gunstick beginnt für alle Beteiligten am Missouri. Die Digedags, welche den Plan zur Mine zufällig in die Hände bekamen, haben gegenüber dem Zweck-Quintett – bestehend aus Mrs. Jefferson, Colonel Springfield und den drei ehemaligen Flusspiraten Coffins, Doc Tombstone und Jack – einen guten Vorsprung. Auf der wiederhergestellten „Mississippi Queen“ (vgl. Band 1, 2 und 3) der Jokers mitgenommen, sind sie bereits in Kansas ausgestiegen, während die Geheimorganisation „Sklaven-Express“ weiter nach Norden dampfte. Die Digedags müssen jedoch nach Westen in die Rocky Mountains und somit die Prärie durchqueren. Glücklicherweise erwischen sie dort eine der letzten Postkutschen. Denn die sind rar gesät, seit der Goldrausch ausgebrochen ist.

Die fünf Verfolger sitzen derweil auf einem Postdampfer, inmitten von allerhand Volk, welches auch die Gier nach dem gelben Edelmetall treibt. Coffins und seine Kumpane versuchen durch Falschspiel ihre Finanzen aufzubessern, während Mrs. Jefferson und der Colonel darüber sinnieren, wie man die unliebsamen „Partner“ am besten loswird. Ein Plan wird gefasst, doch der schlägt fehl, sodass beide Seiten am Ende im Knast von Kansas City landen. Die Digedags können mit ihrem bequemen Vorsprung bald nichts mehr anfangen, denn ihre Postkutsche wird von aufgebrachten Indianern überfallen. Denen stinkt es, dass ihnen ständig von Goldsuchern die Mustangs geklaut werden und die Kavallerie des nahen Forts nichts dagegen unternimmt, außer leere Versprechungen zu geben. Solange die Pferde nicht wiederbeschafft sind, internieren die Indsmen alle Durchreisenden als Druckmittel. Hugh!

_Eindrücke_

Die Charaktere sind wie immer klar abgegrenzt, Überraschungen sind von den Figuren her also nicht zu erwarten. Schön, dass die Digedags auch diesmal nicht immer nur die strahlenden Helden sind, sondern sich mit kleinen Fehleinschätzungen der Lage gern mal selbst ein Beinchen stellen. Sie lernen aber stets daraus und mit ihnen die Leserschaft. Ganz anders Mrs. Jefferson, die ist immer noch so unbelehrbar, herrisch und gierig wie eh und je. Der Colonel ist weiterhin ein williger Mitläufer der resoluten Dame, und die Verschlagenheit der ehemaligen Flußpiraten um „Ehrwürden“ Coffins ist ja schon fast legendär. Eine neue Figur wird in diesem Band eingeführt: Major Pinkerton. Was von ihm zu halten ist, bleibt unklar. Er ist zwar ein alter Kamerad des Colonels, doch so richtig grün sind sich die beiden scheinbar auch nicht.

Ab diesem Band beginnt der Hauptteil der Geschichte, um den es sich bei der Amerikaserie dreht. Generell könnte man auch in Unkenntnis der drei vorausgegangenen Bände an dieser Stelle quereinsteigen. Zwar entgeht einem dann die gute und erklärende Vorgeschichte, prinzipiell wäre es aber möglich, der weiteren Geschichte noch halbwegs zu folgen. Leider ist auch dieser Band durch die Neuauflage recht zerfleddert worden; Kenner der alten DDR-Fassung wundern sich sicherlich über das jähe „Mittendrin“-Ende des Buches. Es trägt zwar den gleichen Titel, wie damals Band 3 (und setzt auch an der gleichen Stelle auf), doch die Begrenzung auf 100 Seiten (statt früher 150) fordert auch hier wieder ihren Tribut. Die alte Aufteilung – mit sechs statt vier Mosaik-Heften in einem Sammelband – war besser gewählt, die Schnitte daher nicht so krass und die Übergänge der Bücher irgendwie runder.

_Fazit_

Der Mississippi-Handlungsstrang ist seit dem letzten Band vorerst abgehakt. Mit Band 4 ergibt sich eine der wenigen Gelegenheiten zum Quereinstieg in die Amerikaserie. Der – nennen wir ihn: „Goldschatz-Zyklus“ in den Rocky Mountains beginnt mit einer klassischen Verfolgungsjagd und findet sein vorläufiges Ende mitten im vollen Lauf. Das ärgert nicht nur alte Fans der Digedags, sondern verwirrt auch eventuelle Neuleser. So schön die Geschichten auch immer wieder sind, die Neuauflage ist längst nicht so empfehlenswert, wie die alte, zehnbändige DDR-Version. Besonders das Preis-Leistungsverhältnis lässt zu wünschen übrig. Inhaltlich gibt’s wie üblich rein gar nichts zu maulen.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

„Die Digedags bei den Indianern“ – Amerikaserie, Band 4
Enthält die Mosaik-Hefte 164 bis 167
© 1979 und (Neuauflage) 2005 – Buchverlag Junge Welt, Berlin
Herausgeber: Hannes Hegen
Text: Lothar Dräger
Figurinen: Edith Hegenbarth
ISBN: 3-7302-1876-X (neu)

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Butcher, Jim – Grabesruhe (Die dunklen Fälle des Harry Dresden 3)

Band 1: [„Sturmnacht“ 3168

Der Magier Harry Dresden und sein Freund Michael Carpenter, ein Angehöriger der „Ritter vom Kreuz“, müssen sich immer mehr Übergriffen von Geistern aus dem Niemandsland erwehren. Scheinbar wird die Grenze zwischen dem Geisterreich und der realen Welt immer durchlässiger. Zudem bekommt Harry mächtigen Ärger mit seiner Patentante Lea, einer bösen Fee aus dem Niemandsland, die der Magier einst austrickste. Doch das sind noch die geringsten Probleme von Dresden, denn die Geisterangriffe sind nichts mehr als Folgeerscheinung.

Der Geist eines vor ein paar Wochen von Harry und Michael getöteten Dämons sinnt auf Rache und bedroht alle, die an der Aktion beteiligt waren. Plötzlich schweben Harry Dresden und seine Freunde in tödlicher Gefahr, denn ihr Gegner kommt in der Nacht und während des Schlafs, ist überaus mächtig und äußerst böse. Darüber hinaus tritt er auch noch dem hiesigen Vampir-Clan auf die Füße und sieht sich alsbald einer wirklich wütenden Armee hungriger Blutsauger gegenüber …

Harry Dresdens drittes Abenteuer ist im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern weitaus komplexer und actionbetonter ausgefallen. Zu den Horror-Elementen kommt nun auch ein nicht unbeträchtlicher Teil Fantasy hinzu. Darüber hinaus wird der Leser auch mit einigen neuen Charakteren konfrontiert, die allerdings nicht langsam eingeführt, sondern sofort ins Geschehen integriert werden. So steht Harry nun ein treuer Freund namens Michael zur Seite, der nicht nur sehr gläubig ist, sondern darüber hinaus zu einem Ritterorden gehört und ein magisches Schwert besitzt, mit dem er gegen Geister und Dämonen kämpft. Michael ist allerdings auch ein liebender Familienvater und seine Frau Charity ist alles andere als angetan von den Ausflügen, die ihr Mann mit Harry Dresden unternimmt. Harry selbst bekommt mehrfach unangenehmen Besuch von seiner Patentante Lea, einer bösen Fee aus dem Niemandsland, die noch für viel Wirbel sorgen wird. Die Rolle von Murphy und ihren Kollegen ist dagegen recht spärlich ausgefallen. Dafür aber gibt es ein Wiederlesen mit der Vampirin Bianca, welche bereits im ersten Band „Sturmnacht“ eine Rolle spielte und nun zu einer Hauptperson avanciert, welche dem Magier Dresden einigen Ärger bereitet. Doch nicht alle Vampire wollen Harry an die Gurgel. Thomas vom weißen Hof der Blutsauger stellt sich sogar auf die Seite des Magiers, wenn auch nicht ganz uneigennützig.

Der Roman ist äußerst temporeich, humorvoll und dennoch dramatisch geschrieben worden. Wieder berichtet Dresden aus der Ich-Perspektive seinen Kampf gegen die finsteren Mächte. Dabei kommen er und seine Freunde nicht ohne Blessuren davon und in diesem Roman werden bereits einige Weichen für die nächsten Geschichten gestellt, die immer mehr ineinander greifen werden. Allerdings bewegt sich das Buch in Hinsicht auf Harrys Nehmerqualitäten oftmals zu sehr am Rande der Glaubwürdigkeit. Wie bereits bei „Wolfsjagd“ muss Dresden auch in diesem Roman einiges einstecken, hat aber kaum Gelegenheit dazu, sich wirklich auszuruhen. Das führt dazu, dass er sich mit Hilfe seiner magischen Kräfte und einiger übermenschlicher Anstrengungen seiner Gegner erwehren muss. Doch Magie und Willenskraft sind nicht schier unerschöpflich. Ab und zu sollte sich der Schriftsteller ein wenig zügeln. Weniger ist häufig mehr, und bei zu viel Action kommt dann oft die Atmosphäre zu kurz, die aber im vorliegenden Buch dank einiger sehr eindringlicher Szenen, wie dem Kampf auf dem Friedhof und dem Fest der Vampire, trotzdem vorhanden ist.

Bewundernswert ist auf jeden Fall die Gratwanderung Butchers zwischen den einzelnen Genres. „Grabesruhe“ ist Horror-Roman, Fantasy-Geschichte und Komödie gleichermaßen, wobei die Elemente der letztgenannten Gattung wohldosiert eingesetzt wurden und die Story niemals ins Lächerlich ziehen.

Die Aufmachung ist dem Verlag wieder grandios gelungen und die Gestaltung der einzelnen Bücher in jeweils einer anderen Farbe eine sehr originelle Idee. Dieses Mal wurde das Cover in einem düsteren Blau gehalten und zeigt eine unheilschwangere Wolkenwand, vor der sich die Silhouetten zweier Grabkreuze drohend erheben. Wirklich sehr stimmungsvoll und treffend.

_Fazit:_ Dramatisch-kurzweiliger Fall für Harry Dresden, der dem Magier im wahrsten Sinn des Wortes alles abverlangt. Die Handlung wird immer verschachtelter und in dem vorliegenden Roman geschehen entscheidende Dinge, welche für die nächsten Bücher von großer Bedeutung sein werden. Wer Horror-Storys mit einem gehörigen Schuss Ironie und Humor zu schätzen weiß, sollte sich die dunklen Fälle des Harry Dresden nicht entgehen lassen.

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_Florian Hilleberg_

Ann Benson – Die siebte Geißel [Plague Tales 1]

1348 erforscht ein spanischer Arzt die Pest und gerät dabei ins Visier der stets misstrauischen Inquisition. Sechseinhalb Jahrhunderte später stößt eine Forscherin auf seine Präparate und entfesselt ahnungslos eine neue, dieses Mal globale Pestwelle … – Interessante, gut recherchierte Mischung aus Historienroman und Wissenschaftsthriller, die aber unter Klischees leidet und sich in einer „Against-All-Odds“-Lovestory vertändelt, ohne deshalb jedoch zu Boden zu gehen. Ann Benson – Die siebte Geißel [Plague Tales 1] weiterlesen

Haferkamp, Kai – Rettet den Märchenschatz

|Selecta|, eines der führenden Unternehmen im Bereich von qualitativ hochwertigem Kinderspielzeug, hat zur Wintermesse in Nürnberg dieses Mal ein besonders reichhaltiges Repertoire an Brettspielern für die jüngste Generation zusammengestellt. Damit hat man das bereits bestehende Kontingent maßgeblich erweitert und vor allem auch einmal mehr unter Beweis gestellt, dass man gemeinsam mit Spielzeugverlagen wie |Haba| in diesem Marktbereich richtungsweisend ist – unter anderem auch wegen solch toller Lernspiele wie „Rettet den Märchenschatz“.

_Der Hintergrund_

Der böse König hat sich am wertvollsten Gut des Märchenlandes vergriffen und sämtliche Märchenbücher verbrannt. Nur ein Buch ist noch erhalten geblieben, jedoch hat der König auch hier Schindluder getrieben und es entzwei gerissen. Im gesamten Schlossgarten liegen die durchtrennten Seiten verstreut und warten nur darauf, von ihren Liebhabern wieder aufgelesen zu werden. Mit Mut und Teamgeist begeben sich die Spieler nun in das Labyrinth des königlichen Gartens und bemühen sich, die zusammengehörigen Teile wieder zu kombinieren. Allerdings ist der König währenddessen nicht untätig. Um den Schlossgarten herum schiebt er Wache und lässt den Abenteurern nicht viel Zeit, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Eile und Besonnenheit sind gefragt, um dem strengen Blick des Königs zu trotzen und den letzten Märchenschatz zu retten.

_Spielmaterial_

• 1 Spielplan
• 24 Märchenplättchen
• 21 Gartenplättchen
• 14 Märchenbuchseiten
• 1 Kordel
• 1 Kirschbaum
• 4 Spielfiguren
• 1 König
• 1 Spielanleitung
• 1 Märchenheft „Der Märchenschatz“

Das Material von „Rettet den Märchenschatz“ ist durch und durch hochwertig und steigert die Freude am Spiel bereits vor dem Einstieg in eine Partie. So sind die illustrierten Märchenplättchen sowie die entsprechenden Buchseiten nicht nur stabil gestaltet, sondern auch sehr schön im klassischen Märchenstil illustriert. Weiterhin ist der Spielplan vollkommen robust und vermeidet bereits im Ansatz Beeinträchtigungen im Spielsystem. Lediglich das Verschieben der Plättchen während des Spielverlaufs bereitet teilweise Probleme, die jedoch nicht auf gravierende Mängel bei den Spielmitteln zurückzuführen sind.

Rein optisch sind indes die Spielfiguren die absoluten Highlights und auch ein ständiger Blickfang. Freundlich bemalt und erfinderisch aufgebaut (unter anderem Filz als Haarersatz), setzen sie das i-Tüpfelchen auf das in jeglicher Hinsicht rundum gelungene Spielmaterial.

_Der Aufbau_

Bevor man mit dem Spiel starten kann, gilt es erst einmal, das Spielfeld aufzubauen. Hierzu benötigt man unter anderem auch die Unterseite der Schachtel, in die zunächst der Spielplan und auf diesen schließlich offen die 24 Märchenplättchen abgelegt werden. Jeder Spieler hat nun kurzzeitig die Gelegenheit, sich die Lage der einzelnen Plättchen genauer einzuprägen. Anschließend werden die übrigen Plättchen verdeckt auf die Märchenplättchen gelegt. Das Feld gegenüber vom Eingang des umrandeten Spielfelds wird dabei mit der bunten Seite der Grasplättchen aufgedeckt und darauf anschließend die Spielfiguren platziert.

Am Ende bleiben genau drei Märchenplättchen ohne Bedeckung, damit man die verdeckten Plättchen im Spielverlauf auch flüssig schieben kann. Zum Schluss der Vorbereitungsphase legt man die Seiten des Buches noch offen aus und positioniert den König auf seine Startposition. Der Baum wird in dieselbe Ecke gestellt wie die Spielfiguren und spendet ihnen zum Anfang der Partie ein wenig Schatten. Ist der Spielplan schließlich ordnungsgemäß aufgebaut, kann man mit dem Spiel beginnen.

_Ein Spielzug_

In einer Spielrunde schiebt ein Spieler nun ein beliebiges Plättchen aus der Auslage der Grasplättchen senkrecht oder diagonal über das Spielfeld und deckt so neue Märchenplättchen auf. Es ist auch erlaubt, ganze Reihen zu verschieben, solange man die Schubrichtung nicht verändert. Wenn es einem nun gelungen ist, durch ein- oder zweifaches Verschieben ein zusammengehöriges Märchenplättchen-Paar gleichzeitig aufzudecken, darf man die zugehörige Buchseite an sich nehmen und hat ein weiteres Teil des Buches zurück erkämpft. Außerdem werden nun die Märchenplättchen umgedreht, damit ersichtlich wird, dass das entsprechende Pärchen bereits gefunden wurde. Als Letztes darf man nun eines der Plättchen aus der ‚obersten Plättchenschicht‘ auf die grüne Seite bewegen, um zu einem späteren Zeitpunkt dann die Figur auch über das Feld zu bewegen. Nach jedem eigenen Spielzug darf man sich um genau ein Feld vorwärts bewegen, allerdings auch nur, wenn man sich auf ein grünes, nicht aber auf eines mit der grauen Rückseite als Oberfläche bewegt. Ziel ist es nämlich nicht bloß, die Märchenblätter einzusammeln, sondern das daraufhin zusammengeschnürte Märchenbuch durch den Ausgang aus dem Schlossgarten heraus zu manövrieren. Allerdings zieht auch der König seine Runde um den Schlossgarten, sobald die erste komplette Seite entdeckt wurde, so dass fortan Eile geboten ist, will man den großen Märchenschatz tatsächlich retten. Hat der König seinen Spaziergang nämlich auf dem letzten Feld beendet, bevor man das Buch zusammengeschnürt hat, haben alle Spieler verloren.

Reihum versuchen nun alle möglichst schnell, die verlorenen Buchseiten aufzustöbern und einzusammeln und sich währenddessen Schritt für Schritt zum Ausgang zu bewegen. Im Wettstreit mit dem König beginnt ein eiliges Rennen, das man immer dann verliert, wenn der König zuerst das Ziel erreicht. Prophylaktisch sollte man allerdings auch rechtzeitig Vernunft annehmen und den Garten vorzeitig verlassen. Denn sobald der König gewinnt, ist der gesamte Märchenschatz für immer verloren. Sollte man ihm jedoch zuvorkommen, ohne die Buchseiten gänzlich aufgedeckt zu haben, kann wenigstens noch ein Teil der literarischen Sammlung geschützt werden.

_Spielende_

„Rettet den Märchenschatz“ kann auf unterschiedliche Art und Weise enden. Die schlechteste Variante ist natürlich die vorzeitige Ankunft des Königs; in diesem Fall haben alle Spieler verloren. Wenn die Jäger des Märchenschatzes indes die verheerende Ankunft des Throninhabers nicht abwarten wollen und sich entschließen, noch vor dem Ende ihrer eigentlichen Mission zu flüchten, kommt es zumindest zu einem Patt. Der Idealfall ist jedoch der vollständige Transfer des Märchenschatzes. Sobald dies eintritt, werden die Buchseiten mit der Kordel zusammengebunden. Jetzt darf der Spieler mit den meisten gesammelten Buchseiten sich eine der Geschichten des Schatzes aussuchen. Anschließend wird dieses Märchen vorgelesen.

_Persönlicher Eindruck_

„Rettet den Märchenschatz“ – ein Titel, der eigentlich auch sinnbildlich für den schludrigen Umgang mit den traditionellen Fabeln steht. Die alten Erzählungen werden heuer nur noch höchst selten von Generation zu Generation weitergegeben, geschweige denn ihrem Status entsprechend gewürdigt. Dieser Entwicklung legt Kai Haferkamp nun jedoch einige Steine in den Weg. Mittels Elementen von Spielen wie „Das verrückte Labyrinth“ sowie dem klassischen Memory-Spiel tastet er sich spielerisch an den enormen Fundus alter deutscher Märchen heran und schafft es über diesen Umweg mit einer unverhofften Leichtigkeit, diesen großartigen Schatz seinem jungen Publikum nahezubringen.

Zuvor gilt es jedoch erst einmal, besagten Märchenschatz aufzustöbern, was grundsätzlich keine schwierige Aufgabe ist. Allerdings ist die Erkundungsreise im Märchenwald ein eiliges Unterfangen, denn schon bei der ersten Spur des Erfolges kämpft man gegen den König und damit auch gegen die Zeit. Nun sollte es erwachsenen Spielern sicherlich nicht schwerfallen, innerhalb dieses festgesetzten Zeitrahmens alle zwölf Kartenpärchen zu finden, jedoch darf man selbst dann die Brisanz des eilenden Königs nicht unterschätzen. Ein paar Leichtigkeitsfehler, und schon droht die unheilvolle Niederlage. Aber Haferkamp hat diese frustrierenden Elements aufs Wesentliche beschränkt und gibt allen Spielern eine sehr, sehr faire Chance, rechtzeitig wieder den Garten zu verlassen und unbeschadet davonzukommen.

In diesem Sinne ist „Rettet den Märchenschatz“ wohl auch nur für die zunächst angesprochene Zielgruppe (ab vier Jahren) langfristig interessant, zumal die Knobeleien bei besagten Memory-Spielchen nun wirklich sehr stark vereinfacht sind und der König trotz der oben angeführten Brisanz genügend Felder als Puffer hat, bis er dann doch einmal im Schlossgarten auftaucht. Aber mehr Anspruch und Herausforderung sollte es für dieses Publikum auch nicht sein, unter anderem auch, weil man immer gleich mehrere divergierende Spielzüge ausführen muss, für die eine gewisse Auffassungsgabe eben zwingend erforderlich ist. Der Lohn der Mühen, die Darbietung einer Fabel, ist schließlich der Höhepunkt des gesamten Spiels. Das Vorlesen der Märchengeschichte rundet das kommunikative, interaktive Vergnügen ab, wenngleich diesbezüglich zu bemängeln ist, dass nicht zumindest eine kurze Fassung der beinhalteten Märchen im Begleitheft eingetragen ist. Aber andererseits hat Haferkamp hier einige deutliche Inspirationen zur Anschaffung eines neuen Märchen-Schinkens hinterlassen, anhand dessen hier Abhilfe geschaffen werden könnte.

In jedem Fall hat der Autor ein richtig tolles Konzept erarbeitet, in dem sich Strategie, Glück, Kommunikation und die stimmige Spielatmosphäre gleichberechtigt und auf qualitativ sehr hochwertigem Niveau die Hand reichen können. „Rettet den Märchenschatz“ ist ein wahnsinnig tolles Kinderspiel: Didaktisch, unterhaltsam und bezogen auf die grundsätzliche Idee einfach stark! Wenn letztendlich auch noch ein Bewusstsein über den tatsächlichen Wert des betitelten Schatzes geschaffen werden kann, hat Haferkamp mehr erreicht, als er sich erhoffen konnte. Zu gönnen wäre es dem ambitionierten Spieleschöpfer allemal!

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Boothby, Ian – Simpsons Comics 131

_Inhalt_

|“25″|

Ein ganz normaler Tag im Leben der Simpsons nimmt seinen Lauf: Homer kommt erneut zu spät zur Arbeit, hat dort jedoch einen gelben Ballon hinter seinem Arbeitsstuhl als Tarnung hinterlassen. Mr. Burns ist hin und weg von der Pünktlichkeit seines Angestellten, zerstört jedoch den Tarnungsballon und glaubt, Homer getötet zu haben. Völlig überstürzt leitet er zur Vertuschung des scheinbaren Mordes eine Kernschmelze ein. Der ahnungslose Homer trifft derweil im Kernkraftwerk ein, um mit gehöriger Verspätung seinen Job anzutreten …

Unterdessen macht Bart Bekanntschaft mit Nelsons dümmlichen Cousins, Lisa kämpft für die Rechte der Jazzmusik in Springfield, und Marge und Moe fragen sich unentwegt, wo Homer denn bleibt. Schließlich warten Happy Hour und Abendessen. Doch das Familienoberhaupt genießt inzwischen schonungslos die Abstinenz seiner Kollegen und Vorgesetzten, um das Kraftwerk mal so richtig auf seine Funktionalität zu überprüfen – mit verheerenden Folgen …

_Persönlicher Eindruck_

Es war lediglich eine Frage der Zeit, bis die gelbe Familie respektive Matt Groening auch die amerikanische Erfolgsserie „24“ mit Kiefer Sutherland in der Hauptrolle parodieren würde. Nun hat sich Stammzeichner Ian Boothby diesbezüglich ein Herz gefasst und einen 25-seitigen Action-Thriller erschaffen, dessen Handlung sich ebenfalls über die reelle Dauer eines Tages abspielt, dabei statt rasanter Action jedoch vornehmlich den üblichen Wahnsinn aus dem Universum der Kult-Familie darbietet.

Boothby spielt gekonnt alle Klischees aus und kreiert besonders um den tollpatschigen Dauerschläfer Homer ein ziemlich fortschrittliches Szenario, in dem er nicht nur mit erheblicher Ironie den Effekt einer Kernschmelze unter den Tisch kehrt, sondern auch diverse Disco-Klassiker aus den 70ern und 80ern gehörig auf die Schippe nimmt. Erneut sind es hier gänzlich kontrastreiche Ingredienzen, die in einem ziemlich verrückten Teil des Plots kulminieren, jedoch in dieser Form auch sehr schön miteinander harmonieren.

Kaum minder witzig ist unterdessen die Geschichte um Bart, der zunächst die unangenehme Bekanntschaft mit Nelsons beiden Cousins macht, sie dann aber als Leibwächter auf seine Seite zieht und tatsächlich seinen ärgsten Konkurrenten mit einigen blamablen Enthüllungen aussticht. Als Schlägertrupp an Barts Seite sorgen die beiden Volltrottel für eine ganze Reihe von mehr oder minder unfreiwilligen, aber trotzdem genüsslichen Lachern, wie sie wohl nur die „Simpsons Comics“ kennen.

Zu guter Letzt ist auch der Plot um Lisa einmal wirklich gelungen. Sie entdeckt im Stadtpark eine Pumafalle und echauffiert sich hierüber so sehr, dass sie bei ihrem Jazz-Konzert unvorhergesehen die Teilnahme verweigern muss. Daraufhin bricht das Orchester zusammen und wird auf Wirken des Bürgermeisters aus der Stadt verbannt, die Musik indes verboten. Als Quimby dann jedoch selber Opfer eines Puma-Angriffs wird, sieht Lisa eine Chance, den Jazz in Springfield zu retten.

Bei all den bissigen Anspielungen auf die zeichnerisch adaptierte Originalserie darf natürlich ein Gastauftritt von Sutherland in der Rolle des Jack Bauer nicht fehlen. Doch wie es sich für ein solches Gastspiel gehört, wird die reale Figur hier ebenfalls durch den humorigen Fleischwolf gedreht und kommt als profitgeiler Lebensretter wieder heraus. Auch nicht schlecht …

In diesem Sinne darf man also getrost von einer sehr schönen, wenn auch wieder überaus eigenwilligen Interpretation Nachbildung eines TV-Konstrukts im Rahmen dieser Serie reden. 24 Stunden im Leben der Simpsons sind mitunter aufregender als Bauers Einsatz in der weltweit populären Echtzeit-Sendung. Witziger, und das zeigt die 131. Ausgabe der „Simpsons Comics“ in diesem Fall ohne Umschweife, sind sie allemal …

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Heitz, Markus – Kinder des Judas

_Handlung_

|2007 in Leipzig|

Theresa Sarkowitz ist eine Krankenschwester, die den sterbenden Patienten zur Seite steht. Aber sie ist noch mehr, denn sie bestreitet außerdem noch unter dem Kampfnamen Hel illegale Vollkontakt- Kämpfe, die übers Internet verkauft werden. Dort ist sie seit einer Ewigkeit ungeschlagen, und selbst die stärksten Männer können ihr nicht standhalten. Das ist auch nicht verwunderlich, denn sie ist kein normaler Mensch: Sie ist eine Vampirin, ein Kind des Judas. Doch schon bald beginnt ihre Vergangenheit sie einzuholen.
Heitz, Markus – Kinder des Judas weiterlesen

Andreas Eschbach – Die steinernen Schatten (Das Marsprojekt 4)

In nicht allzu ferner Zukunft existiert auf dem Mars eine Siedlung, die Menschen haben eine Art Weltregierung und sind bis zum Asteroidengürtel im Sonnensystem vorgedrungen. In der Marssiedlung gibt es sogar Kinder, die weltbekannten Marskinder, die gerade zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden. Seit Neuestem gibt es ein fünftes Kind: Urs, den Sohn des Siedlungsverwalters Pigrato, gerade frisch von der Erde eingetroffen.

Die Kinder entdeckten unter anderem gigantische Blaue Türme, Artefakte außerirdischer Besucher oder Bewohner des Mars, die der menschlichen Technik bislang unzugänglich bleiben. Doch seit der eine Turm durchsichtig geworden ist und das Bild einer fremden Umgebung zeigt, hat sich die Situation geändert. Scheinbar stellt er eine Passage auf einen fremden Planeten dar und gilt damit als potenzielle Gefahr, da die Außerirdischen durchaus feindlich gesinnt sein könnten. Zumal die Passage bisher nur Carl, dem Ältesten der Marskinder, von einem anderen Marsbereich her möglich war.

Was die Erwachsenen noch nicht wissen, ist, dass inzwischen neue Artefakte aufgetaucht sind. Diese anfangs von Carls jüngerer Schwester Ellin gefundenen »Steine« tragen mittlerweile die Namen der Marskinder Urs, Carl und Ellin, während Arianas Artefakt bei der ersten Berührung zerbröselte. Ronny, der Jüngste der Marssiedler, hat bislang noch kein Artefakt mit seinem Namen entdeckt, dafür gibt es eines für »Curly«. Wer sich dahinter verbirgt, ist bisher unbekannt. Und was die Erwachsenen daher auch nicht wissen, ist, dass diese Artefakte demjenigen, dessen Namen sie tragen, die Passage durch die blauen Türme gestatten. Und natürlich treiben widrige Umstände die Kinder durch dieses Tor, das sich anschließend schließt und den Rückweg verwehrt …

Eschbachs Marsprojekt geht langsam in die finale Phase. Mit diesem vierten liegt der vorletzte Band um die Marssiedlung und ihre Kinder vor. Kinder: Ein teilweise unglücklicher Begriff, wenn man die Zielgruppe im gleichen Alter sucht wie das der jüngsten Marsbewohner. Carl, Ariana und Urs sind inzwischen »beziehungsreif« und damit in einem Alter, in dem man ungern als Kind bezeichnet wird. Für die Welt des Marsprojekts ist es jedoch ein gewachsener Begriff, dem die Betroffenen langsam entwachsen.

Die Spannung steigt. War im ersten Band noch gar nicht von Außerirdischen auszugehen, entwickelte sich über die nächsten Romane die Gewissheit ihrer Anwesenheit, so dass die Marssiedlung zwar noch eine extrapolierte Möglichkeit darstellt, mit dem Verlauf ihrer Geschichte inzwischen aber deutlich fantastische Züge angenommen hat. Wir stellen uns jetzt die Fragen: Wer sind die Aliens, woher kommen sie? Warum kennen sie die Marskinder, und warum gerade jene, die zur Zeit des verschollenen Vaters von Carl schon bekannt waren? Wer ist Curly? Vielleicht der Spitzname für Ellins Mutter. Ellin selbst hat einen Moment lang den vollen Durchblick, doch reißt ihr gedachter Faden im Chaos ihrer Atemnot und verschwindet wieder in die Tiefe ihres Unterbewusstseins. Schade, oder zum Glück, denn so kommen wir in den Genuss des finalen Bandes dieser spannenden Serie.

Streckenweise fragt man sich, ob Eschbach wirklich für die hypothetische Zielgruppe der Teenager schreibt oder ob nicht in Wahrheit seine Fans die Zielgruppe sind. Er verschweigt keineswegs physikalische Zusammenhänge, sondern holt sie auf ein allgemein verständliches Niveau herab, lässt die Kinder als DAU agieren und benutzt Professoren, Präsidenten oder einfach Erwachsene als Decoder für die wissenschaftlichen Erklärungen. Aber Ronny ist etwa 13. Ob all dies für einen hypothetischen Dreizehnjährigen auch verständlich ist, ist schwer einzuschätzen. Wahrscheinlich muss in diesem Fall einfach nur die Geschichte fesseln und fließen, und das tut sie.

Bleibt als Abschluss
nur zu sagen, dass »Die steinernen Schatten« eine schöne, spannende, flüssig und flott zu lesende wunderbar leichte Unterhaltung ist, die hoffentlich auch den Teenies gefällt – warte auf das nächste Jahr zum Finale!

gebunden, 347 Seiten
Originalausgabe

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Téhy / Vax / Vee, J. M. – Yiu 1 – Die Armee des Neo-Mülls

_Story_

Das weltliche Machtgefüge ist ihr zuwider, die Mächtigen der Welt ein Greuel, und dennoch ruht all ihre Hoffnung auf der politischen Führung. Die 16-jährige Yiu kämpft für ihre schwangere Mutter, die als einer der wenigen Menschen noch die Chance hat, ein lebensfähiges Kind zu gebären. Sie kämpft für das letzte, verbliebene Stück Hoffnung und geht dafür einen teuflischen Deal ein. Ihr Auftrag: die Befreiung eines kleinen Mädchens. Ihr Auftraggeber: der Botschafter, Vater der Geisel und einer der einflussreichsten Männer der Welt. Die Bedingung: Sie muss in zwei Stunden den Konvoi der Verbrecherorganisation erreicht, infiltriert und mit dem Mädchen verlassen haben.

Alsbald begibt sich Yiu auf ihre wahrscheinlich letzte Reise, bereit, ihr Leben für den ungeborenen Fötus zu opfern. Radikal, entschlossen und zu ihrer eigenen Überraschung erfolgreich dringt sie vor. Doch just in dem Moment, als die Mission erfüllt scheint, fehlen Yiu die entscheidenden Argumente …

_Persönlicher Eindruck_

„Yiu“ ist ein Novum im Programm des |Splitter|-Verlags. Die neue Serie aus der Feder Téhys bietet den ersten echten One-Shot im Verlagsprogramm. Zwar gab es innerhalb der Fantasy-Reihe „Die Legende der Drachenritter“ schon mehrere abgeschlossene Handlungen, jedoch waren diese einem zusammengehörigen Konzept untergeordnet – und dies ist dieses Mal nicht der Fall.

Dementsprechend rasant und explosiv schreitet die Geschichte von der ersten Seite an voran; der Autor verschwendet keine Zeit mit Einleitungen und detaillierten Darstellungen der Szenerie, sondern fügt das erforderliche Hintergrundwissen während der fortschreitenden Erzählung in einzelnen Andeutungen ein. Während Yiu sich mit äußerster Gewalt durch den Konvoi metzelt und derweil Informationen an die Sezier-Drohne ihrer Auftraggeber sendet, erfährt man in kurzen Artikeln mehr über ihre Motivation und das generelle Setting, wobei sich die Ereignisse gleich mehrfach überschlagen und kaum Zeit bleibt, die kombinierten Informationen ganzheitlich aufzunehmen.

Indes ist die Geschichte ziemlich stark auf die permanente Action ausgerichtet; Destruktionen und Explosionen am laufenden Band, dazu füllen Blut und massig Leichen die Szenerie. Die Handlung an sich kann, unter anderem auch bedingt durch die relative Kürze des Plots, gar nicht erst wirklich an Tiefe gewinnen. Hinzu kommt, dass der Weg der Protagonistin in ganz genauen Linien vorgezeichnet ist. Sie beschreitet zielgerichtet ihren Pfad, verfolgt unbeirrt und mit verheerender Aggression ihre Ziele, und von vornherein ist dem Leser klar, dass es kein bitteres Ende geben kann. Und dennoch gelingt Téhy auf den letzten Seiten noch so etwas wie eine deutliche Überraschung. Entgegen den verhältnismäßig spannungsarmen, dafür aber effektreich verpackten ersten Kapiteln der Handlung erreicht die Story zum Schluss dennoch den zwischenzeitlich vermissten Anspruch und steuert nicht auf das erwartete Ende zu.

Somit muss man dem Autor zweifelsohne zugestehen, die verbleibenden Freiräume seiner Geschichte effizient genutzt zu haben. Zwar verbleibt über das Ende hinaus der Eindruck, dass „Yiu 1 – Die Armee des Neo-Mülls“ noch mehr hätte überzeugen können, hätte man einen Teil der Action für ein Mehr an inhaltlicher Tiefe geopfert, doch bleibt das trotz allem permanent hohe Niveau von solchen Gedanken weitestgehend unangetastet. Allerdings sind dies die feinen Unterschiede, die den Auftakt dieser neuen Serie von der Kategorie ‚herausragend‘ zunächst fernhalten. Aber für Fans und Abonnenten des |Splitter|-Programms besteht dennoch keine begründete Sorge: Yiu besticht nämlich, vor allem im Bereich von Illustrationen und Dynamik, mit genügend Überzeugungskraft, um recht schnell das Fantasy- & Science-Fiction-Publikum zu begeistern!

http://www.splitter-verlag.de

Golden, Christie – Aufstieg der Horde (World of WarCraft, Band 2)

Band 1: [„Teufelskreis“ 3021

_Story_

In der idyllischen Welt Draenor lebten die Clans der Orcs einst in Frieden mit den Draenei. Doch eine alte Fehde zwischen dem Dämonen-Lord Kil’jaeden und seinem ehemaligen Stammesgefährten Velen zerstört die trügerische Harmonie und verheißt den Untergang des gesamten Landes. Kil’jaeden macht seinen dämonischen Einfluss geltend und becirct die mächtigsten Orc-Shamanen mit verheißungsvollen Versprechen. Macht und Ruhm sollen denen gebühren, die sich dem Lord anschließen und als orcischer Zusammenschluss die schlagkräftigste Horde aller Zeiten bilden.

Lediglich Durotan, Häuptling der Frostwölfe, ist von den teuflischen Plänen Kil’jaedens wenig angetan und widersetzt sich seiner Propaganda. Aber auch ihm bleibt keine Wahl: Die höllische Bastion fordert die endgültige Vernichtung der Draenei. Und wer der Horde nicht folgt und an den Traditionen festhält, scheint ebenso dem Untergang geweiht wie Kil’jaedens größtes Feindbild. Durotan steht vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens: Soll er mit der Masse schwimmen oder als einziger für die wahren Werte der ursprünglichen Orc-Clans eintreten?

_Persönlicher Eindruck_

Ähnlich wie auch schon im vorangegangenen Roman der neuen „World of WarCraft“-Buchreihe handelt es sich auch bei „Aufstieg der Horde“ um einen eher spannungsarmen, wenig spektakulären Titel, der zwar einige weniger erwartete Wendungen als Qualitätsmerkmal für sich beanspruchen kann, davon abgesehen jedoch auch für den verbissenen Fan nur wenig Brauchbares aufbieten kann. Derlei Problematik äußert sich gleich auf mehreren Ebenen. Zunächst einmal ist die Erzählform fast schon dazu verdammt, die Spannung ausbluten zu lassen. Christie Golden wählt gerade in der ersten Hälfte eine Art Berichterstattung mit recht großen Zeitsprüngen, in deren Verlauf man lediglich einige Informationen über die tragenden Charaktere erhält, infolge des betont langweiligen Vortrags aber dennoch kaum Zugang zu den wichtigsten Figuren findet. Einzig Durotan bleibt als ehrenvoller Orc-Häuptling mit hehren Ambitionen im Gedächtnis, wohingegen die übrigen Orcs entweder den Rang von manipulierbaren Dummköpfen oder aber teuflischen Machtstrebern erreichen und in sich nur noch wenig Improvisationsspielraum zulassen. Dies wird der Geschichte schließlich auch im actionreichen zweiten Teil deutlich zum Verhängnis. Der Kampf zwischen Gut und Böse, personifiziert von Durotan respektive allen anderen Beteiligten, avanciert immer mehr zur völlig durchschaubaren Farce und wirkt später nur noch wenig glaubwürdig. Zum einen mutet es seltsam an, dass Durotan sich in steter Beharrlichkeit gegen die Vielzahl der übrigen Orc-Stämme sowie Kil’jaeden und dessen Mittelsmänner behaupten kann und den mentalen Kampf sogar überlebt, andererseits lockt die sprunghafte Aneinanderreihung neuer Bösartigkeiten mit wachsender Lesedauer nur noch ein müdes Gähnen hervor, welches vor allem in den schlappen Kampfdarstellungen kaum mehr abzustellen ist.

Unterdessen reißen die Fragezeichen ob des Inhalts und der merkwürdigen Ideen nicht ab. So wollen die philosophischen Einleitungen zu den einzelnen Kapiteln nicht wirklich zum plumpen Handlungsablauf passen, nerven zudem noch, weil sie schon vorab recht viel über spätere Ereignisse und Geheimnisse verraten. Aber auch die unverbesserliche Blindheit nahezu aller verführter Charaktere kauft man der Autorin spätestens nach der zehnten Manipulation nicht mehr ab, zumal Golden diesbezüglich auf permanente Wiederholungen zurückgreift und in Sachen Innovation wie so oft auf der Stelle tritt. Um das überaus mäßige Bild zu komplettieren, ist auch die Beschreibung des Settings sehr, sehr dürftig geraten. Es mag zwar schwierig sein, in einem schmal bemessenen Rahmen von gerade mal 266 Seiten und dazu in einer abgeschlossenen Handlung eine berauschende Fantasy-Welt zu erschaffen und weiterhin eine umfassende Story darin einzubetten, doch ein kleines bisschen Liebe zum Detail hätte gerade hier vielleicht in manchem Szenario wahre Wunder gewirkt, bleibt jedoch ebenso aus wie so viele brauchbare Elemente zur Aufwertung der Handlung.

Nun, es ist schade, dass so viele literarische PC-Adaptionen trotz hervorragender Voraussetzungen so gnadenlos scheitern, gerade was den Fantasy- und Science-Fiction-Bereich betrifft. Die Welt des wohl derzeit populärsten Online-Games scheint hiervon nun ebenfalls betroffen: Gab es in „Teufelskreis“ zumindest noch einige positive Ansätze, die der Überschrift „World of WarCraft“ gerecht wurden, so ist in „Aufstieg der Horde“ hiervon kaum mehr etwas übrig geblieben. Der zweite Part der neuen Romanreihe ist ein ziemlich dürftiger Titel um den hilflosen Kampf für Normen und Werte, als solcher indes inhaltlich derart ausgelutscht, dass ein komplett fader Geschmack zurückbleibt. Fans sollten sich das Geld sparen und es doch besser ins Online-Abo investieren.

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