Archiv der Kategorie: Hörspiele / Hörbücher

Karin Slaughter – Vergiss mein nicht (Lesung)

Trifft ins Herz: finaler Rettungsschuss

Es ist eine heiße Sommernacht im Städtchen Heartsdale, Georgia. Auf dem Parkplatz der Rollschuhbahn droht die 13-jährige Jenny den drei Jahre älteren Herzensbrecher Mark zu erschießen. Behutsam versuchen die Ärztin Sara Linton und ihr Ex-Gatte, Polizeichef Jeffrey Tolliver, die Situation zu entschärfen. Zunächst sieht es nach einem Liebesdrama unter Teenagern aus, doch dann kommt es zum Showdown: Tolliver muss Jennys Leben opfern, um Marks Hinrichtung zu verhindern. Schließlich findet man in den Toiletten der Anlage ein totes Neugeborenes, und Linton und Tolliver sehen sich einem Fall gegenüber, von dem sie sich wünschen, sie hätten ihn nie übernommen. (abgewandelte Verlagsinfo)

Die Autorin

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Schwind, Kai / Wiegand, Katrin / Buchholz, Sven – Ferienbande und die unerträglichen Schmuggler, Die

_Gelungene Parodie mit Lederlesben_

(Vorsicht, Parodie!) In ihrem dritten Abenteuer verschlägt es die Helden der Serie in die Berge, zu Bröckchens Onkel und Tante. Als ob interfamiliäre Konflikte noch nicht genug wären, bekommen es die Freunde auch noch mit einer Schmugglerbande zu tun, die das ganze Dorf terrorisiert. Wer steckt dahinter? Ist der Onkel in die Vorfälle verwickelt? Weiß der Besitzer des indischen Kebab-Ladens mehr? Und wer zum Teufel ist eigentlich dieser Mathieu? Da passiert das Unfassbare: Babsi wird entführt!

Vom Verlag ab 12 Jahren empfohlen.

_Die Autoren_

Kai Schwind und Sven Buchholz sind die Macher dieser Serie. Das Buch schrieb Kai Schwind zusammen mit Katrin Wiegand und führte zudem Regie. Sven Buchholz besorgte den Schnitt und steuerte die Technik bei der Aufnahme im Studio Hufsound.

Bisher erschienen:
1) Der Ferienbande und die entsetzlichen Ferien (2003)
2) Der Ferienbande und das voll gemeine Phantom (2005)
3) Der Ferienbande und die unerträglichen Schmuggler (2007)

_Die Inszenierung_

Die Sprecher und ihre Rollen:

Kai Schwind: Baul; Vishnu Punjab
Sven Buchholz: Bröckchen; Bernd
Chris Peters: Babsi
Matthias Keller: Erzähler
Sascha Draeger: Bernds Vater
Maud Ackermann: Tante Pfanni
Andreas von der Meden: Onkel Tarantino
Noah Sow: Hanne
Alexandra Maxeiner: Nanne
Michi Herl: Wirt
Katrin Wiegand: Wirtin
Konrad Halver: Horst Adler
Santiago Ziesmer: Mathieu
Johann König: Dritter
… und Bambi der Hund.

Die Musik trugen Viktor Weimer (auch Komposition), Judy Fox, The Funk Professor, Anna Küchler und The Unshushable Coktor bei.

Mehr Infos: http://www.ferienbande.de (oder www.ferienban.de) http://www.wortart.de (ohne Gewähr)

_Handlung_

Babsi, Bernd, Bröckchen und der sächselnde Baul sind unterwegs in der zwitschernden Natur und rufen nach ihrer Freundin Vivienne. Als sie an eine Hütte gelangen, schlagen sie kurzerhand die Tür ein. Seltsames Wimmern dringt aus dem Keller, wo sie denn auch folgerichtig die Gesuchte vorfinden. Aber warum schielt sie so zur Seite? Sie drehen sich um, da steht ein Mann – in Frauenkleidern! Er oder sie sagt, dass er/sie ein/e Kleiderdesigner(in) sei. Und er erkenne seinen Sohn Bernd, früher genannt Beate, ganz genau! Die anderen lassen Bernd, früher genannt Beate, doch tatsächlich allein mit seinem Vater …

Bernd erwacht schweißgebadet. Was für ein Albtraum! Der pure Horror!

Heute sind die vier Freunde von der Ferienbande (nicht zu vergessen ihren Hund Bambi) mit dem Zug unterwegs in die Berge. Da niemand sie am Bahnhof abholt, müssen sie selbst hinauf zur Hügelhütte stapfen, wo ihnen Bröckchens Tante Pfanni (die mit den Knödeln …) freundlich die Tür öffnet und sie begrüßt. Keine Spur von Onkel Tarantino. Der Schriftsteller schreibt wohl mal wieder an einem Meisterwerk zum Wohle der Menschheit.

In dem Zimmer, das ihnen Tante Pfanni anweist, ist alles aus so genannten „Stricklieselwürsten“ gestrickt, und zwar schreiend bunt, so dass sie fast Augenkrebs bekommen. Deshalb drängt es sie wieder hinaus in die freie Natur. Zuvor brüllt Onkel T. sie cholerisch an, ohrfeigt seine Frau Pfanni, und Bambi bellt dazu. Bloß weg hier! Von dem Hausmädchen Enid Blyton und dem portugiesischen Gärtner ist weit & breit nichts zu sehen.

Am Brunnen im Dorf schauen sie zwei Mädels aus dem Internat bei ihren Kampfsportübungen zu. Die Mädels im Lederdress stellen sich als Hanne und Nanne vor. Die Übungen machen sie angeblich, weil sie sich Internat dauernd verteidigen müssen. Sie finden Gefallen an der feschen Babsi und laden sie zu einer Lesbenparty ein, doch Babsi steht bekanntlich nur auf Mannsbilder und lehnt ab. Von Hanne & Nanne erfahren die vier Freunde erstmals, dass das Dorf unter der Kontrolle einer Schmugglerbande steht, die von einem gewissen Mathieu angeführt wird. Möglicherweise steckt der „Choleriker“ Tarantino sogar mit denen unter einer Decke!

Die immer hungrige Fressmaschine namens Bröckchen wittert Bratenduft. Wie mit einem untrüglichen Radar spürt er Vishnu Punjabs Kebapbude auf. Zusammen mit seinem ebenso hungrigen Hund Bambi zerlegt Bröckchen die Bude in ihre Bestandteile. Der Wirt Vishnu ist davon gar nicht angetan und verjagt sie zeternd. Als die Freunde abends Onkel Tarantino beschatten und er sie unwissentlich in das lokale Gasthaus lotst, stoßen sie erneut auf Vishnu. Babsi kann penetrant foltern, und so rückt Vishnu endlich mit seinem Geheimnis heraus: Weil er kein Schutzgeld zahlen wollte, wurde er einmal in das Hauptquartier der Schmuggler entführt. Diese stellten mit dem armen Inder unaussprechliche Dinge an.

Zurück in der Hügelhütte: Hier stehen die Dinge nicht zum Besten. Bambi wurde betäubt und Babsi ist weg! Die Suche von Gärtner und Hausmädchen nach dem entlaufenen Frauchen ist bislang ergebnislos verlaufen. Ob ihnen wohl Hanne & Nanne helfen können? Die geben ihnen bloß den Hinweis, dass Vishnu weiß, wo das Hauptquartier der Schmuggler ist. Sie bestechen den ängstlichen Kebapbrater skrupellos mit dem Versprechen einer heißen Liebesnacht. Mit der abwesenden Babsi.

Dann machen sie sich auf den Weg, die auf dem Berg liegende Schmugglerzentrale auszukundschaften. Ob sie dort wohl die vermisste Babsi aufspüren werden?

_Mein Eindruck_

Wie man sieht, handelt es sich um ein Stück Akustikdrama, das man so nicht alle Tage hört. Fernab von den Trampelpfaden der Political Correctness klopft die Parodie auf Jugendermittlerbanden wie „TKKG“, „Die drei ???“ sowie „Hanni & Nanni“-Romane auf jeden Busch, hinter dem sich ein hohles Klischee verbergen könnte. Und wenn das nicht funktioniert, werden die abgedroschenen Klischees einfach umgedreht. Aus Hanni & Nanni werden Hanne & Nanne, das Lederlesbenduo mit dem Emma-Peel-Appeal. Sie fordern Babsi zum gemeinsamen Menstruieren auf, als wäre es das Geilste auf der Welt. Der Onkel Tarantino, angeblich ein hochgeistiger Autor, entpuppt sich als schlägernder Autor von schnulzigen Liebesromanen.

So weit, so nett. Aber hier endet die satirische Kritik nicht. Nein, auch die Ferienbandenmitglieder selbst sind derartig krass als Karikaturen gezeichnet, dass man sie keineswegs für voll nehmen kann und sich über kurz oder lang fragen muss, wie sie es nur schaffen, irgendein Fitzelchen an Information herauszufinden, geschweige denn, einen Schurken – und das Böse ist bekanntlich immer und überall – zur Strecke zu bringen.

|Die „Helden“|

Babsi ist ein geiles Luder, was Bernd, der in sie verknallt ist, nun überhaupt nicht verkraften kann. Als sie mit dem Oberschurken in flagranti im Bett erwischt wird, schwinden ihm daher schier die fünf Sinne. Denn Mathieu, die maskuline Konkurrenz, ist halt doch ein rechter Kerl, wenn es ihm auch ein wenig an Geisteskraft mangelt. Das verrät schon das geistesgestörte Lachen, das ihn jedes Mal überkommt, wenn er seinen irren Plan erwähnt. Darüber darf jedoch nichts verraten werden, sonst wäre ja die Pointe perdu. Es hat bloß was mit Weltherrschaft zu tun (gähn).

Bröckchen ist so verfressen, dass er jede Kebapbude plündert und dabei zerlegt, und auch ansonsten sehr praktische Hängebrücken sind nicht vor ihm sicher. Baul ist das genaue Gegenteil, nämlich der Geek: ein wandelndes Lexikon, das aber meist nur unnützes Wissen von sich gibt. Bernd sollte eigentlich der Anführer sein, doch leider ist sein Nervenkostüm nicht vom besten Schneider gemacht, und liebend gern würde er das Hasenpanier ergreifen, würde sich nicht die anderen ständig auf ihn verlassen. Bleibt also noch Bambi, Bernds neurotischer Hund, der es liebt, sein Herrchen anzupissen.

Aber ein paar „Enthüllungen“ haben mich denn doch enttäuscht. Dass die Zentrale der Schmuggler an den Berghof des „Führers“ auf dem Obersalzberg erinnern soll, war ja gleich klar. Wenig überraschend war daher, dass sich der Hausmeister Horst Adler (vom Adlerhorst, klar?) als ausgewachsener Nazi entpuppt. Der nächste Schritt ist nur ein winziger. Die vereinigten Schmuggler-Truppen streben selbstverständlich nichts anderes als die Weltherrschaft an. Alles andere hätte mich auch gewundert. Auch die Tatsache, dass der künftige „Führer“ vergessen hat, seine Stromrechnung zu bezahlen.

|V-Effekt|

Ein sehr hübscher Verfremdungs- bzw. V-Effekt à la Brecht ergibt sich durch die direkte Einbeziehung des Erzählers in die Handlung. Der soll nämlich den Helden gerade mal aus der Patsche helfen. Als vernünftiger Mensch, der über solchen profanen Dingen steht, lehnt er dieses Ansinnen jedoch verlegen ab, denn schließlich werde er dafür nicht bezahlt und zweitens sei er ja gar nicht versichert.

Eine Anrede des Hörers gibt es zum Glück aber nicht. Dafür mischt sich ein Rechtsanwalt mit einer Einstweiligen Verfügung ein. Er will nämlich die Verwendung diverser Namen verbieten lassen. Ich glaube, er kommt vom Disney-Konzern, aber irgendwie muss er sich in der Adresse geirrt haben.

|Bonustrack|

Als Bonustrack ließe sich der Auszug aus Onkel Tarantinos alias Rosa Pichlhunds Schnulzenroman „Leidenschaftliche Stürme der Liebe“ (auf diesen Titel wäre ich nie gekommen) bezeichnen. Dies ist Schnulzenprosa in Reinkultur, allerdings mit einer netten, wenn auch reichlich abgedroschenen Pointe. Anscheinend gab es eine Art Quote, wie oft die Wörter „Schwangerschaft, Abtreibung, Menstruation, Eheberatung, Tage usw.“ im Text vorkommen müssen. Hiermit sei amtlich festgestellt, dass die Quote erfüllt wurde und sich die Autoren endlich wieder neuen Wortfeldern zuwenden können.

_Die Inszenierung_

Wenn man sich die Besetzungsliste anschaut, fällt auf, dass manche Sprecher zwei Rollen haben. Die Fähigkeit, beide Rollen auf eine Weise zu sprechen, dass die Identität des Sprechers in beiden Fällen nicht deutlich wird, spricht für die Qualität des jeweiligen Sprechers. Das betrifft Sven und Kai – bravo! Kai Schwind als Schnellsprecher Vishnu Punjab hab ich echt nicht wiedererkannt, und der Akzent ist astrein (dafür wurde ein Sprachcoach in Anspruch genommen, wie das Booklet verrät).

Sven Buchholz spricht sowohl den piepsenden Fettklops Bröckchen als auch Bernd, den Schwerenöter in Liebesnöten. Warum Bernd einmal Beate geheißen haben soll, lässt sich aus dieser Episode der „Ferienbande“ nicht ergründen. Es trägt höchstens dazu bei, ihm eine Neigung zum Transvestitentum anzuhängen – was sicherlich ganz im Sinne der Erfinder ist. Der sächselnde Baul hat mir ebenfalls gut gefallen. Ich finde diesen Akzent charmant.

|Geräusche|

Die Geräusche hat man wahrscheinlich schon tausendmal in den endlosen Reihen von TKKG- und Drei-Fragezeichen-Abenteuern gehört. Diesmal kommt immerhin ein pissender Hund und eine schallende Ohrfeige hinzu. Klingt zwar nicht nach einer großen Ausbeute, aber das muss es ja nicht sein. Schließlich ist Geräuschemacherei noch kein Leistungssport, sondern sollte sich den Dialogen unterordnen.

|Musik|

Dies gilt allerdings nicht für die Musik. Die funkigen Jazz-Kompositionen von Viktor Weimer gehen nicht nur ins Ohr, sondern auch in die Beine. Gibt es davon eine Platte? Jedenfalls trennt diese Musik die einzelnen Szenen sauber ab und zwar meist dann, wenn es gerade am spannendsten ist. Da gibt’s dann nur eines: dranbleiben!

Insgesamt wird aus dieser Kombination von Dialog, Musik und Geräuschen eine unverwechselbare Inszenierung. Zusammen mit den V-Effekten kann man durchaus von einer Parodie mit einer Eigencharakteristik sprechen, die sich stark von den erwähnten Endlosserien abhebt.

_Unterm Strich_

Diese Parodie auf bekannte Jugendhörpielserien wie „TKKG“ und „Die drei ???“ wartet mit einer kurzweiligen Handlung auf, die voller netter Einfälle und Überraschungen steckt. Sie dienen dazu, die abgedroschenen Klischees der Serien als solche zu entlarven. Dazu werden die üblichen Figuren häufig in ihr Gegenteil verkehrt – und was dergleichen Kniffe mehr sind. V-Effekte wie die Anrede des Erzählers gehören natürlich dazu. Das erinnert mich an die [Comedy-Ausgabe 3564 der John-Sinclair-Hörspielserie, die im Jahr 2005 erschien. Inzwischen ist ja die „???“-Serie eingestellt, denn auch dort hat man die Zeichen der Zeit erkannt.

Ich fand diese Ausgabe der „Ferienbande“ sehr kurzweilig, an manchen Stellen aber auch selbst ein wenig abgedroschen. Müssen Schmuggler immer durchgeknallte Nazis sein und automatisch auch gleich die Weltherrschaft anstreben? Schließlich gibt es doch auch noch jede Menge anderer erstrebenswerter Dinge, wie etwa Klimaschutz. (Höre ich da ein Gähnen?)

|79 Minuten auf 1 CD|
http://www.ferienbande.de
http://www.wortart.de

Noll, Ingrid – Selige Witwen

Cora und Maja, dieses dynamische Duo sorgt auch diesmal wieder für Action. Sei es in der Toskana, wo Cora unbedingt eine Traumvilla ergattern will, oder in Frankfurt/M., wo sich Maja mit Zuhältern anlegt, um eine Freundin zu retten – es gibt immer etwas zu erledigen. Ach ja, und dann war da noch der Matisse …

Die Autorin

Ingrid Noll wurde 1935 in Schanghai geboren, also kurz vor der japanischen Invasion, und studierte in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte. Nachdem ihre drei erwachsenen Kinder das Haus verlassen hatten, begann sie, Kriminalgeschichten zu schreiben, die allesamt Bestseller wurden. „Die Häupter meiner Lieben“ wurde mit dem Glauser-Preis ausgezeichnet, und „Kalt ist der Abendhauch“ sowie „Die Apothekerin“ wurden verfilmt.

Weitere Noll-Hörbücher:

– Die Häupter meiner Lieben
– Die Apothekerin (verfilmt)
– Kalt ist der Abendhauch (verfilmt)
– Stich für Stich
– [Die Sekretärin 1167
– Der Hahn ist tot

Die Sprecherin

Franziska Pigulla, die deutsche Stimme von Akte-X-Star Gillian Anderson („Scully“) und Demi Moore, hat bereits eine Vielzahl von Hörbüchern gesprochen. Während ihrer Schauspielausbildung in Berlin trat sie als Sprecherin im Hörfunk hervor. Mittlerweile spricht sie zum Beispiel auch die Kommentare bei „Galileo“-Dokumentationen auf ProSieben.

Sie verfügt über ein beeindruckendes Gespür für Dramatik: Ganz gleich, ob sie sanft und weich Liebeserklärungen haucht, mit knurrendem Grollen droht oder mit größter Lautstärke Befehle oder Flüche brüllt – stets kommt sie völlig glaubwürdig und lebendig herüber.

Das Hörbuch wurde aufgenommen von Markus Hoffmann (Regie) und Lambda-Audiovision, Berlin.

Handlung

Das ungleiche Freundinnenpaar Cora und Maja steckt wieder einmal in Schwierigkeiten und mogelt sich durch. Dabei ist Cora, wie die sanfte Maja zugeben muss, eindeutig das „Alpha-Weibchen“: Sie nimmt sich die Männer, wie sie ihr unterkommen. Und die Häuser dazu. Coras Masche besteht darin, Millionäre zu heiraten, die dann eines unverhofft frühen Todes sterben, woraufhin es eine glückliche Erbin mehr auf der Welt gibt.

Coras und Majas neuestes Abenteuer beginnt ganz idyllisch im schönen Chianti-Land zwischen Florenz und Siena. Cora vergnügt sich mit Dino, dem Sohn des Gärtners in einem wunderschönen, aber verwaisten Anwesen. Der Besitzer der Villa, ein Engländer, sei kürzlich mit 50 verstorben, ist es zu fassen? Cora will die Villa, und der Neffe von „Il barone“ wäre auch willig, doch eine reiche Amerikanerin schnappt ihr das Schnäppchen vor der Nase weg. Cora ist untröstlich. Fast.

Ortswechsel: Darmstadt. Maja pflegt die Oma Charlotte Schwab, während deren Enkel Felix, somit Majas Vetter, mit Cora in die Toskana düst. Maja bringt ihren geliebten Sohn Bela zu seinem Vater nach Freiburg im Breisgau, wo der Kleine nicht mehr lernen muss, wie man Fahrräder klaut, sondern mal frische Landluft schnuppern kann.

Maja lernt eine junge Frau namens Katrin Schneider kennen, die sich nach dem Grimmschen Märchen „Allerleirauh“ nennt und einen Schnurrbart trägt. Sie bitte Maja, ihren Italienischkurs an der VHS zu übernehmen, deshalb ziehen sie nach Frankfurt/M., um als Housesitter die Wohnung einer verreisten Ethnologin zu betreuen. Katrin lebt von ihrem Mann Erik, einem zwielichtigen Anwalt im Frankfurter Rotlichtmilieu, getrennt. Zusammen klauen sie ihm vier wertvolle Bilder, bei denen es sich um Diebesgut handelt, wie sich herausstellt. Maja soll sie verscherbeln, doch der Matisse steht leider auf der Fahndungsliste. Als Eriks Schläger die Bilder zurückhaben wollen und Katrin an der Schule abpassen, schickt Maja Katrin nach Innsbruck zu einem Bekannten. Dort fühlt sich Katrin pudelwohl, doch Maja hat den ganzen Ärger am Hals.

Denn Erik überfällt Maja und foltert sie brutalstmöglich, um zu erfahren, wo seine Gemälde sind. Nur der treue Andi und der zurückgekehrte Felix können Maja vor dem sicheren und sicher schmerzvollen Tod erretten! Katrin hatte sie benachrichtigt, was abgeht. Nun verdächtigen Andi und Felix Maja des Drogenhandels, da sie ja über die Bilder nichts sagen will.

Cora kehrt aus der Toskana zurück, mit nur einem im Sinn: MORD. Sie will die verdammte Amerikanerin meucheln lassen und engagiert dazu eine Fixerin namens Polly Wacker, die offenbar den englischen Vorbesitzer der begehrten Villa auf dem Gewissen hat. Cora und Maja erpressen Polly, ohne mit der Wimper zu zucken

Gerade noch rechtzeitig, denn nun beginnt für Cora & Co. ein Kleinkrieg mit dem Anwalt Erik Schneider und seinem Zuhälter Sven Hilter, der mit Nutten aus Thailand und Afrika handelt und schon einige auf dem Gewissen hat. Das kann ja heiter werden. Ob Cora und Maja wirklich noch zu ihrer Traumvilla in der Toskana kommen?

Mein Eindruck

Nach einem idyllischen und langsamen Start gerät die Geschichte allmählich doch in spannenderes Fahrwasser, als sich verschiedene Konflikte abzeichnen. Diese Konflikte bleiben keineswegs oberflächlich, sondern gehen ziemlich schnell ans Eingemachte: Maja wird gefoltert, Cora hat Mord im Sinn, Erik Schneider erhält eine gehörige Portion Methadon (Rauschgift) in sein Mineralwasser und Sven Hilter wird Opfer eines Bandenkrieges – nach einem kleinen Tipp! Auch Katrin kommt nicht ungeschoren davon, wird sie doch entführt, mit Drogen betäubt und versteckt.

Als wäre dieser Zirkus nicht genug, sind alle hinter den wertvollen Bildern her, die so etwas wie den MacGuffin im Krimi darstellen und für Spannung bis zur letzten Szene sorgen. Wozu wilde Amerikanerinnen nicht alles fähig sind, wenn sie wahre Kunst erkennen!

Die arme Maja, unsere Chronistin der laufenden Wechselfälle, hat es wahrlich nicht leicht. Weder mit Cora, dem Überweib, noch mit den Herren der Schöpfung, die mit ihr kuscheln wollen – und mehr. Außerdem soll sie bei ihrem Sohn Mutter spielen und bei ihrem Noch-Ehemann Jonas die brave Gattin. Es ist nicht leicht, eine freiheitsliebende, intelligente Frau zu sein, die mehr will als Kinder, Küche, Herd. Mutter Naturs Auftrag des Nestbaus ist nicht so einfach zu ignorieren. Und da ist immer auch ein wenig Torschlusspanik dabei, wenn die biologische Uhr tickt.

Ingrid Noll hat mal wieder eine echte Räuberpistole zusammengestellt, deren Zutaten zwar sehr schön für Unterhaltung und Kurzweil sorgen, die aber wohl kaum „aus dem wahren Leben“ stammen dürften. Jedenfalls nicht in so hoher Konzentration. Und schon gar nicht mit derart vielen Zufällen – unverschlossenen Autos, Zusammenstößen mitten in der Pampa und so weiter.

Wie auch immer: Für Unterhaltung mit spannenden und komödiantischen Einlagen ist trefflich gesorgt.

Die Sprecherin

Mit ihrem Gespür für Dramatik setzt Franziska Pigulla vor allem das Tempo als Haupteffekt ein: sie verzögert vor wichtigen Wörtern oder Sätzen. Diesmal übertreibt sie es nicht mit dem Einsatz ihrer Stimme: Ein so aufregendes Garn wie „Selige Witwen“ muss ganz cool erzählt werden. Dennoch ist bei spannenden Szenen wie Flucht, Überfall und Folter ein wenig mehr als Coolness gefragt, und so gehören diese Szenen zu den spannendsten des Buches.

Ganz besonders hat mir ihre Interpretation des Hessischen gefallen – allerliebst. Auch der Österreicher auf dem Zug ist ihr gut gelungen.

Unterm Strich

Ingrid Noll pflegt einen ganz speziellen Humor. Mit Witz und kühler Ironie vermag sie selbst die unwahrscheinlichsten und makabersten Begebenheiten cool zu erzählen. Sie greift natürlich auf die vorhandenen Genreklischees wie den zwielichtigen Anwalt, den brutalen Zuhälter und die reiche alte Amerikanerin zurück, um ihre Geschichte damit aufzupeppen.

Das dynamische Duo der rabiaten Cora und ihrer liebebedürftigen, aber verschlagenen Freundin Maja sorgt für jede Menge Action in diesem Frauenkrimi. Für Unterhaltung ist also gesorgt. Schade, dass der Anfang so langsam ist, aber irgendwo muss die Story ja auch etwas mit der Realität zu tun haben.

Franziska Pigullas Vortrag entspricht dem Stoff ausgezeichnet. Ganz besonders gefielen mir die Stellen, an denen sie Dialekt spricht. Sehr empfehlenswert.

402 Minuten auf 6 CDs
https://www.sprechendebuecher.de

Stephen King – L.T.s Theorie der Kuscheltiere (Lesung)

Seit fast einem Jahr erzählt L.T deWitt seine Leidensgeschichte, wenn er im Lokal einen hebt. Er ist ein schlichtes Gemüt, leidet aber dennoch an der Tatsache, dass ihn seine Frau Lulubelle vor fast einem Jahr verlassen hat. Und schuld daran war offenbar ihre Unverträglich mit einem Kuscheltierchen, das L.T. ihr geschenkt hatte: Sie nannte das Kätzchen schon bald nur noch „Spinnerlucy“, weil es Lulu offenbar nicht ausstehen konnte. Doch L.T. hatte ein Jahr zuvor von Lulu ebenfalls ein Haustier geschenkt bekommen: ein Terrier namens Frank (nicht wie der in MIB2), der leider in L.T.s Schuhe kotzte und pisste.

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Andrea Maria Schenkel / Norbert Schaeffer – Tannöd (Hörspiel)

Intensive Atmosphäre des Verhängnisses

Auf dem abgelegenen Tannödhof in der Oberpfalz hüteten die Bewohner ein Geheimnis, von dem einige wussten. Nun liegen sie erschlagen in Stall und Haus: der alte Danner selbst, seine verhärmte alte Frau, die Tochter mit den beiden Kindern, die neue Magd. Ermordet mit einer Spitzhacke. Eine Familientragödie archaischen Zuschnitts und das Porträt einer von Katholizismus und Bigotterie beherrschten bäuerlichen Dorfgemeinschaft, dargestellt in Monologen, Protokollen, Gebeten.

Die Autorin

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Doyle, Arthur Conan – Sherlock Holmes: Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band (Krimi-Klassiker 4)

_Sherlocks Spezialität: Locked room mystery!_

London in den 1880er Jahren: Die junge Frau von Dr. Ferguson wird wiederholt dabei ertappt, wie sie ihrem Kind das Blut aussaugt. Ist sie ein Vampir?

Im zweiten Fall werden der Meisterdetektiv und sein Freund Dr. Watson mit dem Rätsel um „Das gefleckte Band“ konfrontiert: Helen Stoner befürchtet, dass ihr bald ein schrecklicher Tod drohen könnte.

_Der Autor_

Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um seinen Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: „The Lost World“ erwies sich enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt. Schon 1913 ließ Doyle eine Fortsetzung unter dem Titel „The Poison Belt“ (dt. als „Im Giftstrom“, 1924).

_Die Sprecher_

Sherlock Holmes: Joachim Tennstedt (dt. Stimme von John Malkovich)
Dr. John H. Watson: Detlef Bierstedt (dt. Stimme von George Clooney u. a.)
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In „Der Vampir von Sussex“:
Robert Ferguson: Charles Rettinghaus (dt. Stimme von Robert Downey jr.)
Isabella Ferguson: Evelyn Maron (dt. Stimme von Ornella Muti)
Jack Ferguson: Lucas Mertens
Dolores: Arianne Borbach (dt. Stimme von Uma Thurman)
Mrs. Mason: Gisela Fritsch (dt. Stimme von Vanessa Redgrave)
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In „Das gefleckte Band“:
Helen Stoner: Arianne Borbach (dt. Stimme von Uma Thurman)
Julia Stoner: Rita Engelmann (dt. Stimme von Kim Novak)
Dr. Roylott: Heinz Ostermann

Die orchestrale Musik stammt von Manuel Rösler, Ko-Produktion, Buch & Regie steuerten Marc Gruppe und Stephan Bosenius bei, Aufnahme und Abmischung erfolgten durch Kazuya @ Bionic Beats.

_Handlung von „Der Vampir von Sussex“_

Holmes erhält zeitgleich zwei Briefe, in denen er um seinen professionellen Rat gebeten wird. Er erklärt sich mit dem Besuch des Teehändlers Robert Ferguson einverstanden, obwohl er zunächst das Thema Vampirismus ins Land der Märchen verwiesen hatte. Doch ihm scheint hier etwas anderes vorzuliegen.

Robert Fergusons Familie und Ehe ist nach den zurückliegenden Vorfällen zerrüttet. Zweimal hat die Kinderfrau Mrs. Mason die Herrin Isabella dabei ertappt, wie sie sich über den kaum ein Jahr alten Sohn James beugte, an dessen Hals blutende Wunden zu sehen waren – und ebenso war Blut an den Lippen der Dame zu sehen! Der wegen dieses Berichts besorgte und entsetzte Familienvater verbietet seiner Frau notgedrungen jeden Kontakt mit James, woraufhin sich Isabella einschließt und in ein Fieber verfällt.

Als Holmes, Watson und Ferguson in dessen Heim eintreffen, fällt Holmes nicht nur der an den Hinterbeinen lahmende Hund Carlo auf, sondern sein Blick auch auf die Fenster. Daraufhin erscheint Jack, der 13-jährige Sohn Fergusons aus dessen erster Ehe. Isabella ist Jacks Stiefmutter, James somit sein Stiefbruder. Jack hat seit einem Sturz einen verkrümmten Rücken. Er war es, der zuerst behauptet hatte, seine Stiefmutter sei eine Vampirin. Da sie aus dem katholischen Peru stammt, könne sie wer weiß was glauben. Außerdem hat sie ihn gezüchtigt.

Auch Holmes fallen die seltsamen Waffen auf, die die junge Frau aus ihrer fernen Heimat mitgebracht hat, darunter Pfeil und Bogen von den Ureinwohnern. Watson bietet an, die Frau zu untersuchen, doch als er vorgelassen wird, kann er keine Grippe oder Ähnliches feststellen. Das Fieber scheint vielmehr geistigen Ursprungs zu sein. Sie fantasiert etwas von einem „Teufel“ …

Daraufhin bittet Holmes Ferguson, zu Isabella vorgelassen zu werden. Er habe die Lösung des Falles bereits gefunden, könne sie aber nur im Beisein Isabellas enthüllen …

_Handlung von „Das gefleckte Band“_

Holmes weckt Watson aus dessen Schlummer, denn sie haben wieder eine Klientin. Im Wohnzimmer hat eine tief verschleierte Frau Platz genommen, die sich als Helen Stoner vorstellt. Als sie den Schleier lüftet, blickt ihnen ein kaum dreißigjähriges, leidgeprüftes und blasses Gesicht entgegen. Das Haar wird bereits von grauen Strähnen durchzogen. Was hat so viel Leid hervorgerufen?, fragt sich Watson, der Chronist.

Sie habe Todesangst, erzählt sie. Dabei will sie in zwei Monaten heiraten. Ihr Verlobter hält ihre Ängste für Einbildung, doch sie hat guten Grund dafür: Ihre Schwester Julia ist bereits an einer unbekannten Ursache im Zimmer nebenan gestorben. Niemand weiß, wodurch. Helen bittet Holmes um Rat.

Der Detektiv sagt sein Kommen zu, denn er nimmt den Fall ungewöhnlich ernst. Und mit Recht, denn kaum ist die junge Frau wieder gegangen, erscheint Dr. Royston, ihr Vater, unter dem sie offenbar zu leiden hat. Sein jähzörniges und grobes Auftreten sowie die Drohungen, die er gegen Holmes, sollte er sich einmischen, ausstößt, charakterisieren ihn vollständigen als gefährlichen Choleriker. Und wer weiß, was er an gefährlichen Dingen aus Indien, wo er Helens Mutter kennen lernte, mitgebracht hat?

Als Holmes mit Watson und Miss Helen den Tatort untersucht, fallen ihm verschiedene Merkwürdigkeiten auf. Es werden noch sehr viel mehr, als es ihnen gelingt, auch Dr. Roylets Arbeitszimmer in Augenschein zu nehmen. Durch Renovierungsarbeiten, die lediglich einen Vorwand bilden, ist Helen gezwungen, im gleichen Zimmer wie das Todesopfer zu nächtigen. Als sich Watson mit Holmes nachts auf die Lauer legt, ist ziemlich klar, dass der Detektiv mit einem weiteren Mordanschlag rechnet. Vorsichtshalber hat er einen Revolver mitgenommen – bei Leuten wie Dr. Roylet kann man nie wissen.

Im entscheidenden Moment dringen seltsame Laute und Schreie aus den Zimmern. „Vorsicht, Watson – es besteht höchste Gefahr!“ flüstert Holmes, als sie ins Haus eindringen. Denn natürlich kennt Holmes bereits die Lösung des Rätsels.

_Mein Eindruck_

|“Der Vampir von Sussex“| ist im Grunde eine Story über das Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Kulturen, was man heutzutage einen „culture clash“ nennt. Robert Ferguson hat sich eine Peruanerin ins Haus geholt, die a) katholisch ist – was bis weit ins 19. Jahrhundert hinein in England verpönt war – und b) Kontakte zu den Ureinwohnern, den so genannten „Indios“, hatte. Daher brachte sie deren Waffen mit nach merry old England, wo sie leider missbraucht werden. Sie ist ein Fremdkörper in Fergusons Haushalt, nicht nur in seiner Familie.

Hinzu kommt das uralte Problem, das jede Stiefmutter hat: Nicht nur hat ihre Rolle ein schlechtes Image, sie und ihr Kind werden obendrein noch von den vorhandenen Nachkommen der ersten Frau abgelehnt. Sie als „Vampirin“ zu denunzieren, ist ein erfolgversprechendes Mittel, sie aus dem Haushalt zu entfernen. Das Ergebnis ist ein regelrechtes Familiendrama, das Fergusons Existenz bedroht – das intakte Familienleben war bei den Viktorianern ein ganz wesentlicher Baustein in der öffentlichen Fassade, die einen der Grundsteine des geschäftlichen Erfolgs darstellte.

Es spricht für Holmes‘ intuitives Einfühlungsvermögen, dieser Konstellation im Handumdrehen auf die Spur zu kommen, so als wüsste er darüber aus eigener (leidvoller?) Erfahrung Bescheid. Umso erstaunlicher erscheint sein Verhalten dem guten Dr. Watson, als Holmes auf Schritt und Tritt beteuert, wie sehr Emotionalität abzulehnen sei, weil sie den Verstand benebele.

|“Das gefleckte Band“|

Mit großer Freude habe ich diese Story angehört, denn auch hier handelt es sich wieder einmal um ein Beispiel des „Locked room mystery“, das bei Autor Doyle so beliebt war (siehe [„Das Zeichen der Vier“): 1234 Obwohl Helen Stoners Schwester wohlbehütet eingeschlossen war, ist sie am nächsten Morgen mausetot. Um dieses Rätsel zu lösen, ist natürlich kein Geringerer als Sherlock vonnöten.

Bei seinem Vorgehen wirkt Holmes diesmal allerdings recht unorthodox, ja geradezu versessen darauf, ein wenig Action zu genießen. Obwohl er das Rätsel in Nullkommanix gelöst hat, muss er noch dem Täter das Handwerk legen. (Sicher spart die Polizei dadurch eine Menge Kosten für den Einsatz vor Ort.) Dazu ist a) eine Falle aufzustellen und b) der Köder zu platzieren. Sodann haben sich die beiden Jäger Holmes und Watson auf die Lauer zu legen, wobei sie der aggressiven lokalen Fauna ebenso aus dem Weg gehen müssen wie den in der Nähe kampierenden Zigeunern. Im entscheidenden Augenblick gilt es dann noch, dem Köder – die zähneklappernde Helen Stoner – das Leben zu retten und dem Mordinstrument sorgfältig aus dem Weg zu gehen. Eine Menge Aufregung für nur eine Nacht!

Daher hat mir diese Story wesentlich besser gefallen als die erste, stehe ich doch auf Geschichten, in denen etwas passiert und die Handlung ordentlich vorankommt. Auch diese Erzählung basiert wieder einmal auf „culture clash“, denn der Arzt Dr. Roylet hat eine Menge Fremdkörper aus Indien mit in seine Heimat gebracht, und das sind keineswegs seine beiden hübschen Töchter …

|Die Sprecher|

Das dynamische Duo Holmes und Watson wissen J. Tennstedt und D. Bierstedt (wie viele Namen auf -stedt kann es eigentlich geben?) kongenial darzustellen. Leider haben sie bei diesen kurzen Erzählungen kaum Gelegenheit, ihre Figuren voll zur Darstellung zu bringen. Das gelingt ihnen in langen Storys wie „Das Zeichen der Vier“ wesentlich besser.

Wenn sich – auf der Rückseite der CD-Hülle – der Verlag mit den Namen von SynchronsprecherInnen bekannter SchauspielerInnen brüstet, so ist dies eigentlich Augenwischerei. Außer Tenn- und Bierstedt sind alle anderen SprecherInnen etwas unterfordert, um nicht zu sagen: Sie tauchen nur in Nebenrollen auf. Eine Ausnahme scheint mir Arianne Borbach zu bilden, die als Helen Stoner eine tragende Rolle auszufüllen hat. Wie auch immer: Es gibt keine Schwächen seitens der Sprecherriege.

|Musik und Geräusche|

Manuel Rösler steuert die Musik bei, die ein ganz wesentlicher Bestandteil jedes erfolgreichen Hörspiels sein sollte – und dieses Ziel bei beiden Geschichten auch erreicht. Dass es sich dabei hauptsächlich um die im Booklet angegebenen Samples orchestraler und choraler Werke handelt, tut der Wirkung keinen Abbruch. Originalität liegt oftmals im geeigneten Einsatz vorhandener Mittel.

Leider kommen Geräusche in der ersten Geschichte kaum zum Einsatz, alldieweil sich alle Geschehnisse in Innenräumen abspielen. Das Klappern von Teetassen und das Knarren von Türen haben eben nur einen begrenzten akustischen Nährwert. Das ist in der zweiten Story ganz anders.

Nicht nur spielt ein ominöses „Pfeifen“ in Helen Stoners albtraumerfüllten Nächten eine wichtige Rolle, auch die Geräusche, die Holmes und Watson lauernderweise im Garten des Stoner-Hauses wahrnehmen, sind nicht von Pappe. Im Gegenteil, sie stammen von wildgewordenen Affen und einem leibhaftigen Geparden, von irgendwelchen Nachtvögeln ganz zu schweigen. Nur die allfälligen Schreie diverser Frauen hätte man vielleicht vom Staub des Sample-Archivs befreien sollen. Sie klingen einfach nicht echt, sondern wie aus einem alten Edgar-Wallace-Film herausgeschnitten.

_Unterm Strich_

Wer Gefahr läuft, auf der Jagd nach neuen Sherlock-Storys zu verhungern, kann gerne zu diesen wenig bekannten Erzählungen greifen. Der wahre Holmes ist das noch nicht, sondern eher ein – oder besser gesagt: zwei – Appetithäppchen. Dennoch kann das Hörbuch Vergnügen bereiten, wenn man sich auf einer kurzen Fahrt von 75 Minuten Dauer befindet. Für den bescheidenen Preis von acht Euronen erhält man immerhin keinen Aufguss einer uralten Radiosendung von anno dunnemals, sondern neue Hörspiele mit aktuellen Sprechern, die etwas von ihrem Handwerk verstehen.

|75 Minuten auf 2 CDs
ab 12 Jahren empfohlen|

Perry Rhodan – Flucht aus dem Vergessen (Silber Edition 163)

Die Handlung:

Die Menschen der Milchstraße und ihre Verbündeten liegen seit 15 Jahren in einem erbitterten Kampf. Ihr Gegner: die Ewigen Krieger aus der Mächtigkeitsballung Estartu, deren Soldaten die Galaxis beherrschen. Schon lange versuchen Perry Rhodan und seine Freunde, die Macht der Krieger zu brechen. Doch der Gegner scheint lange Zeit unüberwindbar. Endlich bietet sich die Chance, einen entscheidenden Schlag zu führen. Zu Ehren Ijarkors, des mächtigsten der Ewigen Krieger, stehen große Festspiele an – und die Galaktiker sind fest entschlossen, diese zu ihrem Vorteil zu nutzen. Und so läuft in der Galaxis Siom Som ein lang vorbereiteter Plan an, der den Kriegern eine empfindliche Niederlage bereiten soll … (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Erst mal wirds verwirrend. Ratber Tostan und Posy Poos können nach einer gefühlten Ewigkeit wieder klare Gedanken fassen und sind offenbar auf einem unglaublich großen Raumschiff gelandet. Darüber wundert sich wohl auch Perry Rhodan, denn Tostan galt seit 15 Jahren als verschollen. Wie hat ers denn auf/in den KLOTZ geschafft?

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John Sinclair – 166 – Der Doge, sein Henker und ich

Die Handlung:

Ein Urlaub in Venedig! Nur zu gern wollte ich mit Jane ein paar Tage in der berühmten Lagunenstadt genießen. Ich ahnte ja nicht, dass der grausame Doge Giancarlo Cabrisi zu neuem Leben erwacht war – und seinen Henker Turrio auf die Menschen hetzte!(Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Diesmal hat sich der Verlag an die Hörspielumsetzung des Taschenbuchs mit der Nummer 77 gemacht, das erstmalig am 11. August 1987 am gut sortierten Bahnhofskiosk oder manchmal auch in einer Buchhandlung zu bekommen war.

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Gustave Flaubert – Salambo (Lesung)

Vor den Toren des antiken Karthago entbrennt der Streit zwischen der Seerepublik und rebellierenden Söldnertruppen. Im Mittelpunkt des Konflikts steht die tragische Liebe zwischen der Priesterin Salambo, Tochter des umstrittenen Staatsmanns Hamilkar, und dem Söldnerführer Matho.

In der Verbindung von politischen und religiösen Themen schildert der französische Schriftsteller Gustave Flaubert in seinem historischen Roman die Grausamkeit der Vernichtung, die bis in intimste Bereiche vordringt. „Emma Bovary noch einmal, nur in barbarische Vorzeiten versetzt.“ Die FAZ.

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Tess Gerritsen – Schwesternmord (Lesung)

Spannend und dramatisch: Pathologin, hilf dir selbst!

Dr. Maura Isles bestreitet ihren Lebensunterhalt mit dem Tod. Als Gerichtsmedizinerin in der Bostoner Innenstadt hat sie mehr als genug Leichen gesehen. Aber noch nie war der leblose Körper auf dem Obduktionstisch ihr eigener. Es hilft aber nichts, das Offensichtliche abzustreiten: Die tote Frau vor ihr und ihrer engen Freundin und Kollegon Detective Jane Rizzoli ist das genaue Spiegelbild Mauras, bis hin zu den intimsten körperlichen Einzelheiten.

Noch schauerlicher ist die Entdeckung, dass Maura das gleiche Geburtsdatum und die gleiche Blutgruppe wie die Tote hat. Als auch noch ein DNS-Test bestätigt, dass es sich um Mauras Zwillingsschwester handelt, wird aus einer bereits bizarren Morduntersuchung eine verstörende und gefährliche Exkusion in eine Vergangenheit voller dunkler und tödlicher Geheimnisse … (Verlagsinfo)
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Algernon Blackwood – Die Weiden (Gruselkabinett Folge 187)

Unheimliche Wesen unter den Weiden der Donau

Eine Landschaft an der Donau, 1907: Fasziniert von der Abgeschiedenheit einer Sandbank in der Donau schlagen zwei Kanufahrer in der Einsamkeit von Weiden und Sumpf ihr Nachtlager auf. Schnell bemerken sie eine unsichtbare Bedrohung, die von den Weiden auszugehen scheint, und für die sie zunächst keinen Urheber ausmachen können. Doch in der Nacht wird ihr Kanu fahruntüchtig gemacht, und die Gefahr scheint ganz nah zu sein … (Verlagsinfo)

Zwei abenteuerlustige Freunde befahren im Kanu die österreichisch-ungarischen Donau-Auen. In der urtümlichen, menschenleeren, von Wasser, Wind und Weiden geprägten Landschaft geraten sie in den Bann mächtiger Naturgeister, die ihnen ebenso faszinierende wie lebensgefährliche Erlebnisse bescheren.

Anlass für diese Erzählung war eine Kanufahrt, die Algernon Blackwood mit einem Freund auf der Donau unternahm und über die er 1901 einen Reisebericht schrieb für das englische Macmillan’s Magazine mit dem Titel „Eine Kanufahrt auf der Donau“ („Down the Danube in a Canadian Canoe“).

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.

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Umberto Eco – Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana (Lesung)

Was bleibt von einem Leben ohne jede persönliche Erinnerung? Nach einem Schlaganfall erwacht Giambattista Bodoni aus dem Koma. Zwar erinnert er sich an Alexander den Großen, erkennt dafür aber nicht den kleinen Alexander, seinen Enkel. Er hat sein biografisches Gedächtnis verloren. Schritt für Schritt tastet er sich zurück, sucht, was in den Jahrzehnten geschehen ist. Seine Suche führt ihn durch Trödelmärkte und das Internet bis hin zum Dachboden im Haus seines Großvaters. Und Königin Loana? Sie stammt aus einem populären Comic, der erstmals 1932 erschien, im Geburtsjahr Umberto Ecos.

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Karin Slaughter – Dreh dich nicht um (Lesung)

Ein Sarah-Linton-Thriller

Am Grant College und in dessen Nähe findet die Polizei einen jungen Mann und eine junge Frau, beide Studenten, die anscheinend Selbstmord begangen haben. Doch bestimmte Unstimmigkeiten lassen Sheriff Tolliver und Gerichtsmedizinerin Sara Linton am Anschein zweifeln. Dass Saras hochschwangere Schwester in der Nähe eines der Tatorte überfallen und schwer verletzt worden ist, verwirrt und beunruhigt die beiden Ermittler in höchstem Maße. Werden sie bei ihrem Vorgehen beobachtet und manipuliert?
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Gerard Donovan – Der Rächer aus den Wäldern. Einsiedler-Thriller


Der Winter in den Wäldern von Maine ist kalt und einsam. Bisher hat das Julius Winsome nicht gestört, er lebt schon lange allein, und er hat einen treuen Gefährten, seinen Pitbullterrier Hobbes. Als sein Hund eines Nachmittags offenbar absichtlich erschossen wird, bricht Julius Welt zusammen. Und er fasst einen erschreckenden Entschluss … (Verleihinfo)

Der Autor

Gerard Donovan wurde 1959 in Wexford, Irland, geboren und lebt heute im Staat New York. Er studierte Philosophie und Germanistik in Irland, arbeitete in einer bayerischen Käsefabrik, studierte klassische Gitarre in Dublin und trat als Musiker mit Schwerpunkt J. S. Bach auf. Er veröffentlichte Gedichtbände, Shortstorys und Romane und wurde mit dem „Kerry Group Irish Fiction Award“ ausgezeichnet.

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H. P. Lovecraft – Necronomicon. Horrorgeschichten (Lesung)

Gefühlvoll vorgetragene Schauergeschichten

Das verbotene Buch „Necronomicon“ ist die älteste und erschreckendste Erfindung, die Howard Phillips Lovecraft mit seinem Cthulhu-Mythos hervorgebracht hat. Es öffnet mit seiner dunklen Magie den Weg in eine fremde und unmenschliche Welt. (Verlagsinfo)

Dieser Erzählband versammelt sechs Geschichten vom Horror-Altmeister in neuer Übersetzung durch den Festa-Verlag, darunter „Das gemiedene Haus“ und „Gefangen bei den Pharaonen“. Neben den Storys des Cthulhu-Zyklus schrieb HPL vor allem in jüngeren Jahren, wie hier zu sehen, kürzere fabelhafte Erzählungen, die andeuten und anklingen lassen, was er später intensiv darstellte. Zusätzlich enthalten ist der Essay „Geschichte des Necronomicons“.
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Wolfgang Hohlbein – Anubis (Lesung)

Auf Cthulhu-Jagd in Kaliforniens Untergrund

Mogens VanAndt ist Professor für Archäologie an einer kleinen Provinzuniversität an der amerikanischen Ostküste. Ihm stand einmal eine glänzende Karriere bevor. Doch es gibt einen dunklen Fleck in seiner Vergangenheit, der ihm anhaftet. Da erhält er eine neue Chance – aber ausgerechnet von dem Mann, den er hasst wie sonst keinen. Es geht um die größte archäologische Entdeckung auf amerikanischem Boden: einen unterirdischen Tempel in Kalifornien.

Der Autor

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Dickens, Charles / Wakonigg, Daniela – Treibjagd

_Ein beinahe gelungener Versicherungsbetrug_

Die folgende Geschichte wurde von einigen historischen Kriminalfällen inspiriert. – Im Versicherungsbüro von Mr. Sampson erscheint der schwarz gekleidete, geheimnisvolle Mr. Julius Slinkton. Er will eine Lebensversicherung für einen Bekannten abschließen. Doch Sampson misstraut seinem scheinheiligen Klienten. Zu Recht, wie sich herausstellt, denn Slinktons Vergangenheit ist alles andere als lupenrein. Und wie es aussieht, plant er bereits die nächsten Verbrechen. Sampson beschließt, dies zu verhindern, denn schließlich geht es um das Leben einer jungen Frau.

_Der Autor_

Charles Dickens, geboren 1812 bei Portsmouth, ist einer der wichtigsten Schriftsteller des viktorianischen Englands. 1824 wurde Charles‘ Vater wegen Schulden eingebuchtet, und seine Mutter und ihre acht Kinder mussten sehen, wie sie zu Brot kamen. Mit zwölf Jahren erfährt Charles in der Fabrik alles Elend, das Ausbeutung durch Arbeit bereithält (nachzulesen in „Hard Times“ und anderen Romanen).

Erst drei Jahre später kann Charles eine Schule in London besuchen. Er arbeitet tagsüber als Schreiber für eine Anwaltskanzlei und lernt nachts. Seine Studien zahlen sich aus. Er erhält eine Chance als Zeitungsreporter und wird Parlamentsberichterstatter. 1833 beginnt er, eigene Geschichten zu veröffentlichen, und legt sich das Pseudonym „Boz“ zu.

Dickens‘ Durchbruch erfolgt 1837 mit den humoristischen „Pickwick Papers“, die ihn auf einen Schlag berühmt machen. Er heiratet die Tochter seines Verlegers Catherine Hogarth und arbeitet als Schriftsteller. In den folgenden Jahren schreibt er zahlreiche, mitunter recht umfangreiche Romane und etliche Erzählungen, ruft ein wöchentliches Literaturmagazin ins Leben, für das er als Verleger und Autor arbeitet, gründet ein Amateurtheater, in dem er selbst auftritt, und unternimmt ausgedehnte Reisen in Europa und nach Amerika.

1858 trennt er sich von seiner Frau, mit der er zehn Kinder hat, und beginnt eine Beziehung mit der Schauspielerin Ellen Ternan. Er stirbt am 9. Juni 1870 in Gadshill bei Rochster an den Folgen eines Schlaganfalls.

_Die Inszenierung_

Bodo Primus liest die ungekürzte und mit Geräuschen und Musik angereicherte Textfassung.

Regie führte die Übersetzerin Daniela Wakonigg, die Tontechnik und Musikeinspielungen steuerte Peter Harrsch.

_Handlung_

Der ehemalige Versicherungsdirektor Sampson ist im Ruhestand und sinniert über die Fähigkeit des Menschen, einen anderen nach dessen Gesicht und Äußerem zu beurteilen. Auch er hat sich täuschen lassen, obwohl sein erster Eindruck zutreffend war. Man nehme nur mal den Fall Julius Slinkton …

Dieser Mann taucht eines Tages in den Besuchsräumen der Versicherung auf, die Sampson leitet. Sampson kann die Besucher, die Mr. Adams bedient, durch eine Glasscheibe beobachten. Slinkton holt zwei Formulare ab und geht wieder. Sofort fasst Sampson eine instinktive Abneigung gegen den Mann, den Grund kann er nicht sagen, denn Slinkton ist eine elegante Erscheinung, nur der Mittelscheitel ist etwas seltsam.

Zwei Wochen später sieht Sampson ihn wieder, auf einem Abendempfang. Slinkton schleimt sich bei allen möglichen Leuten ein, hat Sampson den Eindruck. Von sich aus bringt Slinkton die Rede auf Mr. Melton, einen Versicherungsstatistiker, der nach dem Verlust seiner Verlobten in Depression verfiel und den Dienst quittierte. Slinkton schluchzt und seufzt zum Steinerweichen, während er berichtet, er habe seine Nichte kürzlich verloren und sorge sich um deren Schwester Margaret Nylah. Sofort bereut Sampson sein Misstrauen und redet sich ein, an Slinkton sei nichts Verdächtiges. Erkundigungen ergeben, dass Slinkton mal Priester werden wollte, bevor er seine Nichte verlor.

In den folgenden Tagen besucht ihn Slinkton in seinem Büro. Eine Freund namens Alfred Beckwith habe doch eine Lebensversicherung über 2000 Pfund beantragt, oder? Mr. Adams bringt den Antrag. Als Leumundszeuge soll Slinkton den Antrag ergänzen. Alles Weitere hat ebenfalls seine Richtigkeit, so dass die Lebensversicherung abgeschlossen und von Sampson genehmigt wird.

Erst im Oktober sieht er Slinkton er wieder, an dessen Seite auch die reizende, aber trauernde Margaret Nylah. Sie fühle sich von einem älteren Gentleman verfolgt. Als ein Rollstuhlfahrer auftaucht und Mr. Slinkton gerade im Meer badet, rät ihr Sampson dringend, sie solle um ihrer eigenen Sicherheit willen dem Rollstuhlfahrer folgen. Das sei Major Banks von der East India Company und der werde sie ebenso wie Sampson vor Slinkton beschützen. Gesagt, getan.

Erst als Sampson Mitte November die Wohnung des bislang unsichtbaren Mr. Alfred Beckwith aufsucht, klären sich die Rätsel um Slinkton, Melton und Miss Nylah auf. Ein echter Showdown – mit tödlichem Ausgang.

_Mein Eindruck_

Diese Kriminalerzählung ist – für heutige Verhältnisse – sehr ungewöhnlich erzählt. Sicher, Agatha Christie mag sich noch an diesem Stil erfreut haben, und auch bei ihr wird erst am Schluss in einer großen Gegenüberstellung alles geklärt (auch noch bei Detektiv Nero Wolfe). Aber zunächst ist die Story vor allem eine Wiedergabe von genauen Beobachtungen, wie sie eines Poes würdig gewesen wären. Leider haben sich aber auch Dickensianische Manierismen eingeschlichen. Dass der Schurke ausgerechnet „Slinkton“ heißen soll – von engl. „to slink = schleichen, sich wohin stehlen“ – wirkt schon wie ein ziemlich großer Zaunpfahl, mit dem der Autor hier winkt: „Achtung, Schurke!“

Außerdem tritt im Showdown-Finale eine weitere Hauptperson auf – ziemlich spät, um das Mindeste zu sagen. Es ist der ominöse Mr. Melton, so viel darf wohl verraten werden, und Slinkton will ihn als Mr. Alfred Beckwith für den Betrug von Mr. Sampsons Versicherungs nutzen. Das findet Mr. Sampson seinerseits ziemlich uncool und hat nicht übel Lust, Mr. Slinkton den Hals umzudrehen. Doch dessen Schicksal wird von anderer Seite besiegelt. Nur auf dieser Schiene wird der Titel „Treibjagd“ erklärlich.

Die Romantik darf in einem Dickens-Text natürlich nicht fehlen, schließlich sollen auch Frauen angesprochen werden. Menschliche Rührung ist bei Dickens immer willkommen und angestrebt, und das finde ich an ihm so unerträglich (bis auf „A Tale of Two Cities“, ein echter Knaller). In dem vorliegenden Text sorgt Miss Margaret Nylah als offenbar verwaiste und dem Tod näher als dem Leben stehende junge Frau für das nötige Element von Rührung und Liebe.

Allerdings ist es jene Szene, in der sie zuerst auftritt, diejenige, die dem Hörer bzw. Leser das größte Rätsel aufgibt. Wie gesagt, verlässt Miss Nylah auf Drängen von Mr. Sampson ihren bisherigen „Beschützer“, um sich einem völlig Unbekannten anzuvertrauen, den sie bis jetzt für einen bedrohlichen „Schatten“ gehalten hat. Sehr merkwürdig. Und nur dadurch zu erklären, dass besagter Mann im Rollstuhl als Major und Geschäftsmann und Freund Mr. Sampsons vorgestellt wird. Aber ist er das wirklich? Stimmt seine Identität? Schließlich können wir uns ebenso wie Miss Nylah nur auf das Wort Mr. Sampsons, des Ich-Erzählers, verlassen. Könnte es sein, dass er uns hinters Licht führt? Man sollte sich fragen, wie die verstorbene Nichte, um die Slinkton angeblich trauert (also Miss Nylahs Schwester), und Mr. Melton zusammenhängen.

Eine mysteriöse Erwähnung eines „Besuchers am Fenster“ trägt ebenfalls nicht gerade zur Erhellung des Sachverhaltes bei. Vielmehr schürte sie in mir den Verdacht, dass etwas vor sich geht, das der Chronist verschweigt, um am Schluss die Bombe umso effektvoller platzen lassen zu können. Dies zumindest gelingt Dickens einwandfrei. Aber es ist nicht gerade die gegenüber dem Hörer / Leser rücksichtsvollste Vorgehensweise.

|Der Sprecher|

Bodo Primus verfügt über jene distinguierte Ausdrucks- und Sprechweise, die einem älteren Gentleman des viktorianischen Zeitalters so wohlansteht. Dieser vertrauenerweckenden Stimme folgen wir gerne – leider zu unserem eigenen Schaden, wie ich gezeigt habe. Man tut gut daran, Mr. Sampson ebenso wenig Vertrauen entgegenzubringen wie Mr. Slinkton und sollte aus den Informationsbrocken, die er uns darbietet, schnellstmöglich eigene Schlüsse ziehen. Dennoch wird die Überraschung am Schluss ziemlich perfekt sein.

Der Sprecher charakterisiert auch Mr. Slinkton und dessen einschmeichelnde, geradezu einnehmende Redeweise, jedenfalls bis zu Slinktons Verwandlung. Ein krasser Kontrast zu Mr. Alfred Beckwith, der einem geradezu wie ein Choleriker vorkommt. Er lallt zunächst wie ein Alkoholiker und haut auf Metall, bevor er schließlich, wuterstickt keuchend, seine Flüche ausstößt.

|Geräusche und Musik|

Die Geräusche sind dezent und zielgerichtet eingesetzt, nur selten ist ein überflüssiges Geräusch zu hören. Obligatorisch sind die Stimmen auf der Dinnerparty, die rauschenden Wellen am Strand von Scarborough (die Begegnung mit Miss Nylah) und schließlich der Showdown in Beckwiths Wohnung. „The wind cries Mary“ könnte man als Überschrift für diese Szene formulieren, denn fortwährend heult und wimmernd der Wind, der durch die Ritzen in Fensterrahmen und Türen hervorbläst. Dieser Laut macht das Finale umso schauriger. Aber es gibt noch einen versöhnlichen Epilog, denn die Geschichte hat ein Happy-End.

Das Hauptmotiv für den Einsatz von Musik ist die eindeutige Charakterisierung einer Szene oder einer Person hinsichtlich Stimmung oder Entwicklung. Intro und Outro werden von einem flotten Stück bestritten, in dem die Streicher ein Pizzicato zupfen, worüber eine romantisch klagende Oboe ihr Lied singt. Sowohl Oboe als auch Cello erklingen immer wieder, meist um gefühlvolle Momente zu unterstreichen, besonders wenn Melancholie angesagt ist.

_Unterm Strich_

Auf seine trickreiche Weise erzählt der bekannte Autor von „Oliver Twist“ und „David Copperfield“ die Story des Julius Slinkton, der unseren Chronisten, den Versicherungsdirektor Mr. Sampson, betrügen will. Da gerät er aber an den Falschen. Obwohl sich Sampson von seinem ersten negativen Eindruck Slinktons abbringen lässt, scheint er doch seine Vorbehalte nicht über Bord zu werfen, sondern rettet vielmehr eine junge Frau aus den Klauen diese schmierigen Typen.

Damit nicht genug, versucht er auch dem versuchten Betrug, der als solcher noch nicht erkennbar geworden ist, auf den Grund zu gehen. Wie man sieht, ist die Begründung der Handlungen Mr. Sampsons etwas wackelig. Ein Showdown mit Todesfolge löst alle Rätsel auf – klassischer Krimistil. Normalerweise werden für diese Drecksarbeit Detektive eingesetzt. Dass sich Sampson selbst engagiert, hängt mit gewissen persönlichen Beziehungen zusammen, die uns zunächst noch nicht verraten werden.

Das alles ist recht schlau und geschickt erzählt, doch ich fühlte mich ein wenig düpiert und hinters Licht geführt. Das ist aber reine Geschmackssache. Ebenso übrigens wie der Auftritt einer weiteren Hauptfigur, die bislang im Dunkeln geblieben ist. Am Ende entsteht ein vollständiges Bild, aber es ist aus einer so stückwerkhaften und verdrehten Perspektive präsentiert, dass die daraus entstehenden Rätsel bis zum Schluss für Spannung sorgen.

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch wurde von Daniela Wakonigg und Peter Harrsch gewohnt eindrucksvoll produziert und mit einem informativen Booklet ausgestattet. Sprecher, Geräusche und Musik sind von der bei |Stimmbuch| gewohnten guten Qualität. Orchesteruntermalung darf man allerdings nicht erwarten. Aber ein kleines Streicherquartett ist ja auch mal ganz nett.

|Hunted Down, 1859
Aus dem Englischen übersetzt von Daniela Wakonigg
64 Minuten auf 1 CD|
http://www.stimmbuch.de

Siegel, James – Getäuscht (Lesung)

_Gefährliche Adoption: Amerikaner auf Abwegen_

Als sie in Kolumbien eine Tochter adoptieren wollen, widerfahren den beiden Amerikanern Paul und Joanna Breitbart seltsame Dinge. Als sie der Kinderfrau Gallina kurz ihre Tochter Joelle anvertrauen, scheint das Kind wie ausgewechselt zu sein. In der Tat: Es wurde vertauscht. Doch bei Gallina, die sie fragen, warten nicht Antworten, sondern Guerilleros der FARC. Das Ehepaar wird verschleppt und Paul gezwungen, einen Auftrag auszuführen: Er soll Kokain im Wert von zwei Millionen Dollar nach Jersey City schmuggeln, oder er werde seine Frau und seine Tochter Joelle nie wieder sehen. Alles geht gut, bis er am Ziel anlangt. Doch von den Empfängern des Kokses ist weit und breit niemand zu sehen, und an der angegebenen Adresse klafft ein Loch: Das Haus wurde tags zuvor abgefackelt. Etwa von den Feinden der FARC?

_Der Autor_

James Siegel studierte an der Uni von New York, bevor er eine Karriere als Werbefachmann einschlug, dessen Kampagnen mehrfach ausgezeichnet wurden. Er arbeitete als Senior Creative Director für BBDO, eine große Werbeagentur in New York City. Sein Debütroman „Epitaph“ erhielt 2001 den ersten Preis als bester Kriminalroman, eine Auszeichnung der „Private Eye Writers of America“. Sein Roman „Entgleist“ wurde mit Clive Owen und Jennifer Aniston verfilmt. Der Autor lebt auf Long Island vor der Stadt New York.

_Der Sprecher_

Matthias Koeberlin, geboren 1974, absolvierte die Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam. Im Jahr 2000 erhielt er den Günter-Strack-Fernsehpreis. Er spielte den Stephen Foxx in der ProSieben-Verfilmung des Bestsellers „Das Jesus-Video“. Für seine Interpretation der [Hörbuchfassung 267 von Eschbachs Bestseller wurde er für den Deutschen Hörbuchpreis des WDR (2003) nominiert.

Koeberlin liest eine von Antje Seibel gekürzte Textfassung. Regie führte Katja Schiffmann, die Aufnahme im Dacapo-Studio, Breckerfeld, verantwortete Christian Päschk, die Musik lieferten Dennis Kassel und Horst-Günther Hank.

_Handlung_

Joanna und Paul Breitbart können keine eigenen Kinder bekommen und wenden sich an einen Anwalt, der Adoptionen vermittelt. Miles Goldstein sagt ihnen klipp und klar, dass Adoptionen in den meisten Ländern zwei Jahre brauchen, doch in Kolumbien nur zwei Wochen. Der Versicherungsmathematiker und seine Frau greifen zu und fliegen nach Medellín. Sie haben zwar von dem dortigen Drogenkartell gehört, ebenso von dem Bürgerkrieg zwischen Regierung, der FARC (marxistisch) und der USDF (ultrarechts), aber ihnen wird schon nicht passieren, denken sie. Falsch gedacht.

Nachdem sie den von bewaffneten Wachen beschützten Flughafen passiert haben, holt ihr künftiger Guide sie ab. Pablo bringt sie zunächst ins Hotel, dann zum Waisenheim, wo sie endlich ihr kleine Tochter in Empfang nehmen dürfen. Sie verlieben sich auf der Stelle in Joelle. Ein Kreis hat sich gebildet, und nur mit dem Baby ist er perfekt. Sie nehmen es mit ins Hotel. Weil sie auf das Baby nicht richtig vorbereitet sind, bringt Pablo die Amme Gallina mit, die etwa Mitte 50 ist. Endlich haben Paul und Joanna ein wenig Zeit, shoppen zu gehen. Klar, dass sie Spielsachen für ihre Tochter kaufen.

Als sie zurückkehren, sind weder Gallina noch Joelle im Hotelzimmer. Sie geraten ein wenig in Panik, und Paul besteht darauf, dass die Polizei gerufen wird. Seine unausgesprochene Anschuldigung, dass ein Verbrechen vorliege, kommt beim Hotelpersonal gar nicht gut an. Doch da kommt Gallina mit ihrem Kind zurück: Sie habe bloß ein Thermometer gekauft, sagt sie, von ihrem eigenen Geld übrigens. Die Kleine habe nämlich Fieber. Gallina ist etwas verletzt. Die Adoption wird zum Abschluss gebracht. Paul findet es ulkig, dass der amerikanische Vogelbeobachter, den er schon im Flugzeug bemerkt hatte, nun auch in der US-Botschaft auftaucht. Paul ahnt nicht, dass dieser Typ ein Drogenfahnder ist, mit einem speziellen Auftrag.

Als alles zur Abreise bereit ist, sagt Joanna, dass Joelle falsch rieche. Paul guckt ungläubig. Aber auch das Muttermal Joelles sei plötzlich verschwunden. Wie das denn? Weil Joanna ihn überzeugen kann, dass man ihr Kind vertauscht hat, fahren sie zu Gallina. Sie war ja schließlich mal kurz weg, angeblich in der Apotheke. Doch bei Gallina schreit ein zweites Baby, und es ist die echte Joelle! Aber weil Gallina ihnen beiden Betäubungsmittel in den Kaffee getan hat, können sie nichts mehr unternehmen. Man entführt sie an einen Ort, wo die FARC ein Lager hat.

Die Anweisungen des Kommandanten an Paul sind klar und deutlich: Wenn Paul Kokain, das in 36 Kondome verpackt und zwei Mio. Dollar wert ist, nach Jersey City schmuggelt und bei den richtigen FARC-Leuten abliefert, werden Joanna und die echte Joelle freigelassen und in die USA gebracht. Falls es ihm binnen 18 Stunden nicht gelingt, müssen sie sterben. Was bleibt Paul übrig? Er würgt die prall gefüllten Kondome hinunter, fliegt nach New York City, setzt sich in ein Taxi und fährt nach Jersey City. Selbstverständlich gehen die Kondome ihren natürlichen Weg und bevor es zum Schlimmsten kommt, findet Paul rechtzeitig eine Tankstelle, wo er sie loswerden, säubern und in einem kleinen Koffer verstauen kann.

Die Überraschung in Jersey City ist übel: Das Haus an der angegebenen Adresse ist tags zuvor abgefackelt worden, wie Paul herausbekommt. Unter der angegebenen Telefonnummer meldet sich niemand. Paul wendet sich an Miles Goldstein, den Adoptionsanwalt. Wegen Drogenschmuggels könne sich Paul nicht an die Behörden (Polizei, Außenministerium, FBI, was auch immer) wenden, deshalb müsse er, Paul, privat mit den Entführern verhandeln. Der Kontakt kann nur Pablo sein. Pablo wiederum hat Kontakt zu Gallina, und diese kann Joanna Nachrichten überbringen – und umgekehrt.

Paul fährt mit Miles zu einem Ort, an dem die Übergabe des Kokains stattfinden soll. Es ist am Rande eines Sumpfes. Die FARC-Männer, die auftauchen, wirken nicht vertrauenerweckend. Sie schnappen sich das Koks und wollen verschwinden, doch da tauchen zwei weitere Wagen auf. Diese Männer – wohl von der USDF – wollen nicht nur das Koks, sondern auch Leichen sehen. Sie setzen das trockene Schilf in Brand und warten ab, dass die versteckten Männer herausgetrieben werden. Da wird Paul endlich bewusst, dass er in einen Zweifrontenkrieg geraten ist. Kann er Miles noch vertrauen?

_Mein Eindruck_

Der Hintergrund der Entführungen in Kolumbien ist uns bereits aus dem Film „Lebenszeichen“ bekannt, in dem Russell Crowe, ein Verhandlungsführer und Geiselbefreier, mit Meg Ryan, der Frau eines entführten Ingenieurs (David Morse), ein Techtelmechtel anfängt. Hinter dieser Entführung steckte zwar ebenfalls eine Rebellenmiliz, aber die wurde von einem korrupten Politiker gesteuert, um Geld von den Angehörigen der Entführten zu kassieren. Die „Revolutionsarmee“ diente also nur als Kidnapperbande.

|Im Drogenkrieg|

Dies ist in „Getäuscht“ nicht der Fall. Jedenfalls nur zum Teil. Denn die FARC hat ebenso wie die konkurrierende USDF einen schwunghaften Drogenhandel mit den USA in Schwung gebracht. (Denn Drogen bedeuteten Geld, und Geld bedeutet Waffen.) Sie benutzt normalerweise einfache Landarbeiter als Kuriere, so genannte „mules“, die das in Kondomen verpackte Koks in ihrem Darm transportieren. Diesmal wird ein viel besseres Muli eingesetzt: Paul ist ein Bürger der Vereinigten Staaten. Aber die Schwierigkeiten, das gefährliche Zeug an den richtigen Abnehmer zu bringen, sind die gleichen.

Doch während Paul in einen wilden Drogenkrieg gerät und schließlich auch noch von Miles verraten wird, gibt Joanna in Kolumbien keineswegs auf. Sie will, dass ihre neu gewonnene Tochter (die sie viel Geld bezahlt hat) unbedingt überlebt und sie mit ihr nach Hause zurückkehren kann. Verständlich. Aber um fliehen zu können, muss sie erst Gallina, ihre Bewacherin und Helferin, besser verstehen. Wie sich herausstellt, führt Gallinas Geschichte, die wir in einzelnen Happen serviert bekommen, zu einer Wende – nicht nur für Joanna, sondern auch für Paul.

|Der unsichtbare Dritte|

Es gibt nämlich einen unsichtbaren Akteur namens Manuel Riojas, der die Fäden zieht, obwohl er in Florida im Knast sitzt. Manuel Riojas ist nicht nur der Kopf der ultrarechten Miliz USDF, sondern auch der Vater von Gallinas Enkelin. Gallinas Tochter Claudia hatte sich der FARC angeschlossen, wurde gefangen genommen, von Riojas geschwängert. Vor der Geburt konnte sie fliehen und danach Sophie zur Welt bringen. Als das Kind drei Jahre alt war, wurde Claudia jedoch entdeckt und nahm ein furchtbares Ende (eine der blutigsten Stellen im Buch). Gallina konnte Sophie retten und mit der Hilfe von Miles Goldstein in die USA bringen. Dort verlor sich ihre Spur. Riojas sucht immer noch nach seiner Tochter. Deshalb beschattet er Miles Goldstein. Und so geriet Paul zwischen die Fronten.

Die Abwechslung zwischen brenzligen Situationen in New York City und der Erzählung Gallinas erzeugt eine faszinierende Spannung. Während New York einen Cliffhanger nach dem anderen liefert, spinnt Gallina ein Bild von einem schrecklichen Land, nämlich Kolumbien, das sich seinerseits in einem sich endlos dahinziehenden Bürgerkrieg befindet, der es ausbluten lässt. Hier ist nichts von der Cowboy-Söldner-Romantik zu spüren, die Tom Clancy noch in „Das Kartell / Clear and Present Danger“, verfilmt mit Harrison Ford, heraufbeschwor. Hier ist einfach alles nur bedrückend, wie eine Vorhölle.

Ob diese Schilderung so hundertprozentig stimmt, kann ich natürlich nicht sagen. Aber man hört immer wieder von Entführungen durch FARC oder USDF, darunter auch von der einer prominenten Europäerin, deren Namen mir gerade nicht einfällt. Aber die Thematik hat mich bei einem Autoren wie James Siegel überrascht. Sein Roman „Entgleist“ spielt zwar ebenso in bürgerlichen New Yorker Kreisen, doch verlässt die Hauptfigur das Land nicht. Ganz anders hingegen „Getäuscht“: Der Schauplatz Kolumbien ist ebenso wichtig wie New York. Man kann aber nicht sagen, dass Siegel dadurch zu einem politischen Autor wird. Am Ende steht nämlich wieder heiles Familienglück. Die politischen Verhältnisse bleiben unverändert bestehen.

|Amis im Spiegel|

Allmählich ändert sich auch die Selbstwahrnehmung der Amerikaner, zumindest dann, wenn sie mal ins Ausland kommt (gerne als „rest of the world“ bzw. ROW tituliert). Siegel zeigt dies deutlich auf. Paul bemerkt im Hotelaufzug ein Paar Kolumbianer, das auf die „Gringos“ mit ihrem kolumbianischen Baby gar nicht gut zu sprechen ist. Leider ist sein Spanisch zu rudimentär, um sie gut zu verstehen. Er geht wie viele Amis davon aus, dass eh die meisten Leute Englisch können. (Und dass Gallina so gut Englisch kann, um Joanna ihre Leidensgeschichte so gut erzählen zu können, wie sie es tut, wirkt im Nachhinein etwas unwahrscheinlich.)

Was er aber kapiert, ist, dass sie denken, er nehme ihnen wieder einen Teil ihres Landes weg – was ja auch stimmt. Aber für die Zukunft Joelles hält das Ehepaar Breitbart sicher bessere Chancen bereit als ein Paar in Kolumbien. Siegel macht seinen amerikanischen Lesern bewusst, dass ihre Lebensweise kein Naturrecht ist, sondern verdient werden muss. Paul als sein Protagonist muss sich erst durchkämpfen, bis er alles zu einem guten Ende bringen kann.

_Der Sprecher_

Als ausgebildeter Schauspieler weiß Koeberlin seine Stimme wirkungsvoll einzusetzen und die Sätze deutlich und richtig betont zu lesen. Er charakterisiert die Figuren mit der Veränderung der Stimmlage, des Tempos und der Tonhöhe. Der Russe Moshe beispielsweise hat eine tiefe und raue Stimme, die von Miles Goldstein ist sehr gepflegt, schließlich ist er ja Anwalt. Pablo spricht Englisch nur stockend und gebrochen, denn er hat ja nicht viel Übung darin.

Koeberlin kennt nicht die Aussprache jedes einzelnen ausländischen Namens – wer könnte es ihm verdenken? Aber die Aussprache spanischer Namen gelingt ihm erstaunlich gut, so zum Beispiel beim Namen des Waisenhauses „Santa Regina Orfanato“. Das G wird wie ein CH ausgesprochen, und das tut er auch. Ebenso das J in dem Namen Riojas. Eigentlich eine der leichtesten Übungen.

Musik gibt es am Anfang und am Ende der Lesung, die An- und Absage erfolgt durch Franziska Pigulla, deren Stimme unverwechselbar ist.

_Unterm Strich_

Nach einem etwas verwickelten Anfang beginnt der Roman eine spannende Dynamik zu entfalten. Man kann von Pauls Verhalten halten, was man will, aber es sorgt für eine Menge Überraschungen und brenzlige Situationen – die meistens in Cliffhangern enden. Zur Abwechslung erfährt seine Frau Joanna, was hinter der ganzen Sache steckt und welche Tragödie nun auf einen guten Ausgang wartet. Der Kontakt zwischen den beiden Schauplätzen wird durch zwielichtige Figuren wie Pablo und den „Vogelkundler“ hergestellt. Unsichtbar spielt noch ein dritter Mann mit: Manuel Riojas, der Gallinas Tochter auf dem Gewissen hat und seine Tochter – nach zwölf Jahren – immer noch suchen lässt.

Ich fand die Geschichte aufgrund dieser Zutaten sehr kurzweilig und musste einfach schnellstens auch den Ausgang erfahren. Siegel ist hier zwar nicht zum größten Bestsellerautor aufgestiegen, aber nach dem stellenweise hanebüchenen [„Entgleist“ 690 wenigstens in meiner Achtung gestiegen.

Der Sprecher Matthias Koeberlin gestaltet das Geschehen recht lebendig und erweckt die meisten Figuren sehr anschaulich zum Leben. Insbesondere die schrägen Vögel scheinen ihm zu liegen, die meist nicht einmal einen Namen haben. Aber auch sein Gespür für menschlichen Tragödien ist eindeutig zu bemerken, und so wirkt Gallinas Leidengeschichte ebenso eindringlich, wie es Pauls wilde Erlebnisse in New York tun.

|Originaltitel: Detour, 2005
Aus dem US-Englischen übersetzt von Axel Merz
277 Minuten auf 4 CDs|
http://www.luebbe-audio.de

Tad Williams – Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas (Hörspiel)

Das Hörspiel um die virtuelle Welt „Otherland“ geht in die dritte Runde. Der Hessische Rundfunk (hr2) hat es in Zusammenarbeit mit dem Münchner Hörverlag produziert. Regisseur und Hörspielbearbeiter Walter Adler ist ein alter Kämpe dieses Metiers und konnte die Crème de la Crème der deutschen Bühnenschauspielergeneration vors Mikro holen, von Rufus Beck und Dietmar Mues bis Nina Hoss und Sophie Rois. Aber ist das Ergebnis der Mühen auch spannend und unterhaltsam? Mal sehen …

Der Autor

Tad Williams, 1957 in San José geboren, hat sowohl mit dem Osten-Ard-Zyklus, seiner Antwort auf Tolkiens „Herr der Ringe“, als auch mit seinem Otherland-Zyklus Millionen von Lesern gewonnen. Davor schrieb er aber schon kleinere Werke wie etwa „Die Stimme der Finsternis“ und „Die Insel des Magiers“. Sein erster Bestseller hieß „Traumjäger und Goldpfote“. Sein Hauptwerk ist die vierbändige „Otherland“-Saga, sein vorletzter Roman trägt den Titel „Der Blumenkrieg“, danach kam „Shadowmarch“ (ab August 2005 auf Deutsch erschienen). Fast alle seine Bücher wurden bei |Klett-Cotta| verlegt. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von San Francisco.

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